bodo Januar-Februar 2021

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bodo DAS

01| 02 | 21 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro

Alice Hasters Seite 18

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Die Hälfte für die Verkäuferin den Verkäufer

Steffen Korthals Seite 4

DE C K E N

LEUCHTENDE ÜBERRASCHUNG DER MIETERSCHÜTZER NURSES FOR SALE SHOPPING ADÉ? OMI BACKT

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Olaya Argüeso, Alexandra Gehrhardt, Peter Hesse, Aichard Hoffmann, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, David Peters, Bastian Pütter, Ralf, Petra von Randow, Frederik Richter, Sebastian Sellhorst Titel: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Fabrizio Bensch / Reuters (S. 41), Peter Cziborra (S. 44), Lisa Domin (S. 27), Jan Federmann (S. 22), H. Henkensiefken (S. 20), Jacob King / Pool via Reuters (S. 16), Kramer / RUB (S. 25), Yuriy Ogarkov (S. 28), Detlef Podehl (S. 31), Daniel Sadrowski (S. 3, 5, 6, 23, 23, 24, 25, 29, 23, 32, 34, 36, 37, 38, 48, 49, 50), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 29, 53, 54, 55), Shutterstock.com (S. 26), Simon Veith (S. 30) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die März-Ausgabe 10.02. 2021 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 06. 2019 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

INHALT

Steffen Korthals

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Als DJ Dash ist er eine Ruhrgebietslegende und ein Pionier der Szene. Als Booker und Pressesprecher der Bochumer Rotunde erlebt er das Elend der Kulturbranche in der Zeit der CoronaMaßnahmen auch von Veranstalterseite. Ein Gespräch über die Zukunft der Clubkultur. Von Max Florian Kühlem

Alice Hasters

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„Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ heißt das Buch der Kölner Autorin, das Besitzstandswahrer wie Dieter Nuhr schon in Rage versetzt, bevor sie es überhaupt aufschlagen. Mit bodo spricht sie über das „Entlernen“ gewohnter Muster. Von Max Florian Kühlem

Rainer Stücker

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In mehr als 30 Jahren beim Mieterverein Dortmund hat er die Mieten- und Wohnungspolitik in Dortmund mitgeprägt. Im Interview spricht er über drei Jahrzehnte MieterInnenkämpfe, die Besonderheiten des Ruhrgebiets und soziale Bewegungen als Abwehrkampf. Von Alexandra Gehrhardt

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de Buchladen, Spendenannahme Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Spendenannahme Bochum: Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10, 44803 Bochum Mo. 10 – 13 Uhr, Sa. 10 – 12 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Henriettenstraße 36, Ecke Bessemerstraße 44793 Bochum, Mo., Do., Fr. 11 – 14 Uhr Di. 11 – 17.30 Uhr, Mi. 8 – 14 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Ralf, bodo-Verkäufer in Dortmund-Aplerbeck Liebe Leserinnen und Leser, 2020 hat sich bei mir viel verändert. Lange hatte ich jeden Tag auf einem großen Parkplatz in der Dortmunder Innenstadt verbracht. Habe den Leuten gezeigt, wo noch freie Parkplatze sind und dafür ihr Wechselgeld vom Parkscheinautomaten zugesteckt bekommen. Immer wieder wollte ich es auch mal mit bodo versuchen, aber habe es irgendwie nicht geschafft. Letztes Jahr habe ich mir dann endlich den Ruck gegeben und es mal versucht. Und es hat auch direkt geklappt. Jetzt verkaufe ich in Dortmund-Aplerbeck am Kaufland das Straßenmagazin. Parkplätze suchen die Leute da zwar auch immer noch, aber jetzt kümmere ich mich nur noch darum, dass sie ein Straßenmagazin bekommen. Mittlerweile kennt man mich da schon. Die Marktleiterin bringt mir jedes Mal, wenn sie mich sieht, einen Kaffee und kommt zum Quatschen raus. Das ist schon klasse. Hoffentlich geht es so weiter. Ihnen wünsche ich Gesundheit und ein gutes 2021, Ihr bodo-Verkäufer Ralf

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EDITORIAL

04 Menschen | Steffen Korthals 07 Straßenleben | Dortmunds Zelt 08 Neues von bodo 12 Reportage | Gute Orte in Bochum 16 Das Foto 16 Mieten & Wohnen | Wieviel bauen in Bochum? 17 Kommentar | 30 Schlafsäcke 17 Die Zahl 18 Menschen | Alice Hasters 22 Interview | Die Zukunft der Innenstädte 25 Soziales | Alarmanlagen für Obdachlose 26 Wilde Kräuter | Hagebutte 27 Kultur | Leuchtende Überraschung 28 Kulturlandschaftskalender II 34 bodo geht aus | Omi backt! 36 Reportage | Zurück in die Natur 40 Reportage | Nurses for Sale 43 Bücher 44 Reportage | Wenn Spielen abhängig macht 47 Eine Frage… | Wie kommen Straßen an ihren Namen? 48 Interview | Rainer Stücker 52 Rätsel | Leserpost 53 Leserpost 54 Verkäufergeschichten | Ferdinand 55 Durch den Winter

Liebe Leserinnen und Leser, ein gutes neues Jahr und willkommen zu unserer Doppelausgabe für Januar und Februar. Zum zweiten Mal in unserer gut 25-jährigen Geschichte durchbrechen wir unseren Erscheinungsrhythmus. Als im März die erste Welle der Pandemie rollte, stellten wir den Verkauf ein, um bodo-LeserInnen wie VerkäuferInnen zu schützen. Seitdem haben wir alle Monat für Monat dazugelernt, über die Natur des Virus, was geeignete Maßnahmen zu seiner Eindämmung sind – oder wären – und wie wir unser Leben und unsere Arbeit unter den Bedingungen der Pandemie organisieren. In Dortmund haben die Träger der Wohnungslosenhilfe gemeinsam und mit Unterstützung der Stadt corona-kompatible Infrastrukturen geschaffen. (Schön, wenn hier ein positiver Satz über Bochum stehen könnte.) Dieser Winter wird noch einmal anstrengend für alle, und besonders hart wird er für diejenigen, die sich nicht in warme Wohnungen zurückziehen können. Wir haben uns entschieden, der konkreten Hilfe auf der Straße den Vorrang zu geben und uns mit dieser Winter-bodo flexibel nach den äußeren Bedingungen zu richten. Der Plan war: Dieses Heft sollte erst erscheinen, wenn Lockdowns und unsere Einschätzungen der Lage dem nicht mehr entgegenstehen. Bis dahin hatten wir Hunderte Supermarktgutscheine und Versorgungsgüter angeschafft, waren täglich draußen unterwegs und haben unsere MitarbeiterInnen hoffentlich gut durch diese schwere Zeit gebracht. Mit der Hoffnung auf ein Ende des Winters, auf die Impfung und auf ein besseres 2021:

Ihre Meinung ist uns wichtig. Seite 52

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Corona trifft Wohnungslose besonders hart. Wir haben zusätzliche Angebote geschaffen und stehen an der Seite derer, die ein „Bleiben Sie zu Hause!“ nicht schützen kann. Mit Ihrer Hilfe. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 3


MENSCHEN

Der Dortmunder Steffen Korthals ist Booker und Pressesprecher bei der Bochumer Rotunde, außerdem DJ und Kurator. Diese Kombination aus Berufen lässt ihn das Elend der Kulturbranche in der Zeit der Corona-Maßnahmen besonders hart spüren. Aber er gibt die Hoffnung nicht auf, dass das Nachtleben, das er in unserer Kultur für essentiell wichtig hält, bald wieder stattfinden kann. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

Der melancholische DJ Als DJ Dash ist Steffen Korthals eine Legende des Ruhrgebiets: Er war einer der Pioniere der Szene, als er in den 1990ern vom regelmäßigen Partygänger zum Plattendealer und dann zum renommierten Plattenkünstler wurde. Vom Club Trinidad aus startete er eine Karriere, die ihn erst quer durch den Pott und dann durch Europa führte. Bekannt ist er für Drum-and-Bass-Sets, die er zum Beispiel bei der Clubnacht Soul In Motion oder als Kapitän der Reihe Subport auf dem Schiff Herr Walter in Dortmund spielt. Außerdem ist er einer der Macher und Residents beim Dortmunder Juicy-Beats-Festival. „Die Krise berührt mich emotional, künstlerisch und finanziell“, sagt Steffen Korthals beim Gespräch auf dem Vorplatz der geschlossenen Rotunde in Bochum. Bevor er das weiter ausführt, will er allerdings eins klarstellen: „Meine Not ist natürlich relativ, wenn man die von Obdachlosen, Geflüchteten oder anderen Krisenzeiten in Deutschland oder anderswo auf der Welt betrachtet.“ Deshalb will er sich eigentlich nicht beklagen. Trotzdem hat der DJ und Veranstalter allen Grund, mindestens emotionale Not zu spüren: Er kann weder als DJ auftreten noch Veranstaltun-

Steffen Korthals „DJ Dash“, Booker, Kurator, Kulturmanager, Journalist aufgewachsen in der Dortmunder Nordstadt Kommunikations- und Psychologiestudium an der Ruhr-Uni Bochum musikalische Ausbildung als Dirigent und Pianist DJ-Karrierestart im subrosa, 10 Jahre Resident im Club Trinidad, seit 1996 Juicy-Beats-DJ

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gen planen, weil die sich ständig ändernden Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie keine Planungssicherheit zulassen. Es ist wie bei vielen anderen Kulturschaffenden auch: Vorher prägende Bereiche seines Lebens stehen komplett still. Und es ist nicht leicht, diese Lücke ausschließlich mit langen Spaziergängen, Videokonferenzen, im Internet gestreamten Konzerten oder DJ-Sets zu füllen. Besonders schmerzt ihn, wenn er beobachtet, wie Clubkultur und Nachtleben in der aktuellen Krisendiskussion behandelt werden: „Auf einmal gibt es wieder die Trennung zwischen Hochkultur und Jugendkultur. Bei Söder oder Seehofer geht es da sprachlich um Freaks oder Gesetzlose. Clubkultur wird als Party ohne Sinn wahrgenommen.“ Veranstalter, die ihre Partys mit Schlagworten wie „ballern“ oder „den Club zerfeiern“ bewerben, befeuerten diesen Diskurs. „Das Destruktive dieser Kultur zu betonen, ist eine Renaissance des Biedermeier.“ Dabei hat DJ Dash die öffentliche Wahrnehmung des Clublebens eigentlich auf einem guten Weg gesehen. Techno ist im Hochkulturkontext angekommen. Das Dortmunder U hatte zum Beispiel eine museale Ausstellung zum berühmten Nachtclub Studio 54 in New York geplant, der Fernsehsender Arte beschäftigt sich regelmäßig mit Künstlern aus der elektronischen Musik. Der DJ aus dem Ruhrgebiet, der auch Poptheoretiker ist, auf diesem Feld als Dozent und Journalist arbeitet, will das Positive an der Clubkultur betonen: „Beim Tanzen kommt der Körper zu seinem Recht, im Club kann man Identitäten ausbilden, da werden neue Kunst- und Lebensformen


„Clubkultur wird als Party ohne Sinn wahrgenommen. Das Destruktive dieser Kultur zu betonen, ist eine Renaissance des Biedermeier.“

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MENSCHEN

ausprobiert“, sagt Steffen Korthals. „Das Nachtleben hat auch eine spirituelle Dimension. Ich kann mich in einer amorphen Masse verlieren, das kann eine kathartische Wirkung haben. Clubkultur und Religion sind gar nicht so weit auseinander.“ All das sieht er jetzt in Gefahr. Im Moment trägt ihn allerdings die Hoffnung durch den zweiten Lockdown, dass mit der Verteilung von wirkungsvollen Impfstoffen das Leben, wie es früher war, wieder möglich sein wird: Das Leben in Bewegung, in Begegnung, nah und wild und auch mal exzessiv. Allerdings kann er auch der Zeit während der CoronaMaßnahmen positive Seiten abgewinnen: „In der Rotunde haben wir andere Formate ausprobiert“, erklärt er. In teilweise ehrenamtlicher Arbeit hat die TechnikCrew den Garten der Rotunde verschönert, wo es dann gemütliche Grill-und-Chill-Abende gab. Im Gebäude dürfen derzeit noch gewerbliche Veranstaltungen wie ein Vintage-Markt stattfinden. Und wenn der Lockdown der Kultureinrichtungen aufgehoben wird, hofft man, mit Hilfen aus dem bundesweiten Förderprogramm „Neustart Kultur“ sofort wieder Veranstaltun-

„Natürlich habe ich mich auch schon vor Streams gesetzt oder selber in Streams mitgewirkt, aber das ist – entschuldige das Beispiel – wie Methadon, nur eine Ersatzdroge.“

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gen anbieten zu können. Konzerte im kleinen Rahmen sind geplant, zum Beispiel mit regionalen Künstlern aus der Reihe „Heimspiel“. Aber auch Talks und Lesungen soll es geben – Veranstaltungen eben, die mit kleinerem Publikum und Abstand funktionieren. Das Programm „Neustart Kultur“ führt Steffen Korthals zum Thema Nothilfen: Als Booker der Rotunde bekommt er wie alle festen Mitarbeiter Kurzarbeitergeld. Da dieses Gehalt, von dem er jetzt nur einen Teil bekommt, allerdings nur einen Teil seiner Einnahmen dargestellt hat und er daneben selbstständig zum Beispiel mit Auftritten als DJ verdiente, muss er sich derzeit stark einschränken: „Damit fällt man durch das Raster der Hilfsprogramme. Ich habe schon angefangen, bei Ebay Label-Shirts oder Platten zu verkaufen und freue mich über die Solidarität von Menschen, die mich dabei unterstützen und faire Preise zahlen.“ Im Umfeld des DJs gibt es allerdings nicht wenige, die mit den angebotenen Hilfen nicht klarkommen und die Segel streichen müssen. Insolvenzen oder Umschulungen gibt es vor allem auf Seiten der selbstständigen Technikanbieter. „Das Top Frankin‘ Soundsystem ist eines der ältesten deutschen Reggae-Soundsystems aus Deutschland. Als Techniker ist der Betreiber unter anderem mit Gentleman unterwegs gewesen. Jetzt macht er eine Umschulung zum Lokführer.“ Während die einen schon umschulen, bleiben die anderen in Wartestellung. Steffen Korthals ist nicht für illegale Partys, macht sich selbst Sorgen vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus. „Natürlich habe ich mich auch schon vor Streams gesetzt oder selber in Streams mitgewirkt“, sagt er, „aber das ist – entschuldige das Beispiel – wie Methadon, nur eine Ersatzdroge.“ Aus seiner Sicht hätten Streaming-Formate allerdings ein Potenzial, das zu selten ausgeschöpft wurde: „Man hätte es künstlerisch für spannende Konzepte nutzen können und nicht in erster Linie für gefällige DJ-Sets.“ Außerdem gebe es ein Überangebot, und der finanzielle Rücklauf für die beteiligten Künstler sei oft verschwindend gering – wenn er überhaupt vorhanden ist. Spannend sei allerdings, wie die Musik auf die Zeit reagiere: „Ich höre viel dystopische, dekonstruktive Klänge. Maschinenmusik. Es geht in der aktuellen elektronischen Musik oft um Traditionalismus versus Futurismus, das Zusammenschneiden, Zerbröseln. Corona verändert spürbar etwas!“


STRASSENLEBEN

Seit November werden im Schnitt 500 Wohnungslose und Bedürftige pro Tag in einem beheizten Großzelt am Dortmunder U mit zwei Mahlzeiten versorgt – an sieben Tagen in der Woche. Das von Hunderten Ehrenamtlichen getragene Kooperationsprojekt von Gast-Haus, Kana Suppenküche, Wärmebus-Team und bodo schafft Ersatz für die seit März 2020 geschlossenen Nothilfeeinrichtungen. Von Bastian Pütter | Fotos: Sebastian Sellhorst

Dortmunds Zelt

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bdachlosigkeit ist ein PR-Problem, zumindest aus der Sicht vieler Kommunen. Sie schadet dem Image, dämpft angeblich, wo sie zu sichtbar ist, Shopping-Eifer und Tourismus. Die Städte tun ungern mehr als wozu sie verpflichtet sind, behalten aber dabei gern die Zügel in der Hand – oder den Deckel auf dem Topf. In diesem Corona-Winter zeigt Dortmund, dass es auch anders geht. Nach langen Verhandlungen mit der Verwaltung, die bereits im Frühsommer 2020 begannen, und nach mehreren Ratsbeschlüssen war der Weg frei für ein in dieser Form einmaliges Kooperationsprojekt, in dem die Stadt die Rolle der Ermöglicherin spielt. Seit März hatten die beteiligten Organisationen eine Versorgung unter freiem Himmel organisiert und früh darauf hingewiesen, dass diese Notlösung keine für den Winter sein könne. Dabei war der Wunsch an die Stadt, nicht die eigene Arbeit zu übernehmen oder zu finanzieren, sondern nur, in welcher Form auch immer, bei der Bereitstellung eines Ortes dafür zu helfen. Dass es ein weithin sichtbares Großzelt in zentraler Lage wurde, von der Stadt aufgebaut, beheizt und um einen Toilettenwagen ergänzt, war ein wichtiges Signal für Dortmund. Die Wirkung, die dieses Ermöglichen hatte und hat, sollte ein Signal über Dortmund hinaus sein. Denn statt über das Sichtbarmachen von Armut dem vermeintlichen Ansehen der Stadt zu schaden, ist die Winternothilfe am U vor allem ein Symbol für Zusammenhalt und bürgerschaftliches Engagement in der Stadt in der Krise geworden: Hunderte Freiwillige schmieren mitten in der Pandemie zu nachtschlafender Zeit Brote, wischen und desinfizieren nach Maßgabe der strengen Hygienevorschriften Tische und Stühle und teilen bis zum Abend warmes Essen aus. Diese positiven Bilder, die Dortmund in die Region aussendet – bei relativ bescheidenem Mitteleinsatz der Stadt und mit freien Trägern der Wohnungslosenhilfe als Betreibern –, sind etwas, auf das man in Dortmund stolz sein kann und das anderen Kommunen zu denken geben sollte.

Zum aktuellen Stand der Arbeit: www.bodoev.de www.winternothilfeamu.org 7


NEUES VON BODO

Ein gutes und gesundes 2021! Wenn Sie dieses Heft in Händen haben, wird hoffentlich wieder ein Kauf bei unseren VerkäuferInnen auf der Straße möglich gewesen sein. Hoffentlich sind unsere Buchläden wieder geöffnet und wir können so weiterarbeiten, wie wir es in den vergangenen Jahren auf eine eigentlich stabile Basis gebracht hatten: mit einer Basisfinanzierung aus eigenen Einnahmen aus Produkten und Dienstleistungen, mit einer vergleichsweise kleinen Spendenquote und ohne staatliche Regelfinanzierung. Mit diesem Modell für einen gemeinnützigen Verein haben wir es geschafft, rund 30 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen und rund 200 bodo-VerkäuferInnen pro Jahr zu betreuen. Corona hat gezeigt, wie schnell Planungen hinfällig sein können. Wir machen weiter und hoffen das Beste für 2021. Bleiben Sie gesund!

NEUES VON BODO

Was wir tun, wie es weitergeht bei bodo – aktuelle Kontaktund Öffnungszeiten und vieles mehr finden Sie auf www.bodoev.de

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Das bodo-Firmenabo

Perspektivwechsel

Das Wichtigste am Straßenmagazin ist sein Vertriebsweg: Ohne unsere VerkäuferInnen müsste und würde es bodo nicht geben. Die Erfolgserlebnisse beim Verkauf, das In-Kontakt-Kommen mit bodo-LeserInnen, der Hinzugewinn von Selbstbewusstsein, Tagesstruktur und nicht zuletzt selbst verdientem Geld sind die positiven Effekte. Um die gerade in Zeiten der Pandemie planbarer und sicherer zu machen, bietet bodo nun das Firmenabo an: bodo-VerkäuferInnen bringen am Monatsbeginn eine festgelegte Zahl Magazine in Betriebe und Einrichtungen. Bezahlt wird per Rechnung oder direkt in bar. Wir freuen uns, bereits die ersten KundInnen aus Wirtschaft und Kultur gewonnen zu haben.

Wie erleben Wohnungslose Ordnungskräfte in ihrem Alltag? Welches Hintergrundwissen erleichtert den Polizeialltag? Was bedeuten Bußgelder, die nicht beglichen werden können für die Betroffenen und das Hilfesystem? Welche Hilfen können BeamtInnen im Einsatz anbieten? Organisiert durch Christoph Koerdt, Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW diskutierten im Dezember Alexandra Gehrhardt und Bastian Pütter von bodo in zwei digitalen Seminarsitzungen mit KommissaranwärterInnen. Im Jahr zuvor hatten angehende PolizistInnen der Hochschule an bodos sozialen Stadtführungen teilgenommen. Beide Seiten planen eine Fortsetzung der Kooperation.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Gute Bücher Unsere Buchläden am Dortmunder Schwanenwall und an der Bochumer Königsallee freuen sich auf Ihren Besuch. Die jeweils aktuellen Regeln, Öffnungszeiten und Informationen zur Abgabe von Buchspenden finden Sie auf unserer Homepage. Auf bodoev.shopnetzwerk.com können Sie zusätzlich bequem online bei uns einkaufen.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Entdecken Sie die Vielfalt des Lernens! Mit über 2.000 Veranstaltungen bietet die VHS Dortmund wieder ein abwechslungsreiches Programm:

Elementarbildung, Mathematik und Schulabschlüsse Beruf und Wirtschaft Sprachen und interkulturelle Bildung Politik, Gesellschaft und Ökologie Kunst, Kultur und Kreativität Psychologie und Pädagogik Gesundheit

Talk im DKH Warum sind die Tage auf der Straße schlimmer als die Nächte? Wie bremst die Pandemie Prävention und die Nothilfe für Wohnungslose aus? Was wird geleistet, wer hilft, was fehlt? Wie kommt es zu Wohnungsverlusten und welche Wege führen zurück? Anfang Dezember war bodo-Redaktionsleiter Bastian Pütter zu Gast in der Reihe „Talk im DKH“ des Dortmunder Soziologen und Bestsellerautors Prof. Aladin El-Mafaalani im Dietrich-Keuning-Haus. Das gut einstündige Gespräch wurde aufgezeichnet und ist mit den anderen Interviews der Reihe auf dem Youtube-Kanal „Keuninghaus to go“ abrufbar. Einen Link finden Sie auf bodoev.de und unseren Social-Media-Kanälen.

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Draußen: Obdachlose erzählen Seite 18

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In der Schokoladenfabrik Seite 12

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NEUES VON BODO

Herzlichen Dank! Wir sind überwältigt von dem unerwartet großen Maß an Unterstützung, das unsere Arbeit – und die unserer Partner in der Wohnungslosenhilfe – in diesem Winter erfährt. Für eine Organisation, die den übergroßen Teil ihrer Mittel aus eigenen Einnahmen bestreitet und ohne staatliche Regelfinanzierung wirtschaftet, ist der Rückhalt, den unsere Hilfen auf der Straße aus der Bevölkerung erfahren, ein großes Glück. Durch eine große Zahl an Einzelspenden – vom Schlafsack bis zu hohen Geldbeträgen –, durch die Unterstützung von Vereinen, Fanclubs, Schulen und Nachbarschaften und durch Sach- und Geldspenden von Unternehmen haben wir das abgelaufene Krisenjahr überstanden. Wir konnten darüber hinaus unsere konkreten Hilfen auf der Straße, in unserem Dortmunder Hygienezentrum und bei der Winternothilfe am U ausbauen und dort helfen, auch in diesem gefährlichen Winter, wo es nötig ist. Unser herzlicher Dank gilt allen Unterstützerinnen und Unterstützern. 10


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bodo ist für Sie da Zentrale Rufnummer 0231 – 950 978 0 Mo. bis Fr. 9 – 16 Uhr Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Spendenannahme DO Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Spendenannahme BO Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10 44803 Bochum Mo. 10 – 13, Sa. 10 – 12 Uhr

Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de

Immer für Sie da vor Ort und online!

Archivbild - sonst immer mit MNS!

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Ansprechpartner

Westenhellweg 81 - 44137 Dortmund Tel./WhatsApp* 0231 84 01 00 90 schwanen@ausbuettels.de *Bitte beachten Sie bei der Benutzung von WhatsApp unsere Hinweise zum Datenschutz. Diese erhalten Sie in unseren Apotheken oder unter www.ausbuettels.de/datenschutz.

bodos Bücher: Julia Cöppicus buch@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Schauen Sie nicht weg

Direkte Hilfe

Angesichts der Größe des Problems in Dortmund und mit großer Enttäuschung über das aus unserer Sicht unzureichende Kältekonzept der Stadt Bochum (Seite 17) bitten wir um einen aufmerksamen Blick. Notschlafstellen stehen nicht allen Obdachlosen offen. Distanzen, schlechte Erfahrungen und Ängste – auch vor Ansteckung – sorgen zusätzlich dafür, dass Betroffene sie meiden. Besonders im Winter ist das gefährlich. Wenn Sie Menschen sehen, die auf der Straße übernachten, schauen Sie nicht weg. Wenn Sie sich Sorgen machen, sprechen Sie die Person an. Meist wissen Menschen selbst am besten, was sie brauchen und wie es ihnen geht. Wählen Sie gegebenenfalls die 112.

Neben der Winterhilfe am U (Seite 7) betreiben wir gemeinsam mit Gast-Haus, dem Wärmbus-Team und mit Unterstützung der Stadt Dortmund auch das Hygienezentrum im ehemaligen Kreiswehrersatzamt. Seit April werden bald 5.000 wohnungslose Frauen und Männer hier ein kostenloses Duschangebot genutzt, Wäsche- und Hygienepakete erhalten haben. Mit dem Lockdown im Dezember haben wir zusätzlich unsere aufsuchenden Versorgungsangebote weiter ausgebaut. Meist täglich sind die „Kaffee & Knifte“-Teams von bodo in Bochum und Dortmund unterwegs und versorgen Wohnungslose mit Essen und Getränken, Masken und Hygieneartikeln sowie Schlafsäcken und Isomatten.

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

info@bodoev.de

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

Bochum ist schön – trotz aller Häme von außerhalb und der eingeborenen Selbstkritik („Woanders is auch scheiße“). Gut, natürlich ist die Bochumer Innenstadt weder Heidelberg noch New York City, und an vielen Ecken sieht die Stadt aus wie jede andere. In diesem Coronawinter entfällt auch noch einer ihrer größten Vorzüge, nämlich eine lebendige Kultur- und Ausgehstadt zu sein. Kein Grund, auf dem Sofa zu bleiben, findet bodo-Fotograf Daniel Sadrowski und zeigt seine Lieblingsorte in der Stadt. Fotos: Daniel Sadrowski

Gute Orte

Ümminger See: Ein Stadtsee – doch nicht „leider total verbaut“ wie das Dortmunder Pendant. Dafür mit viel Platz zum Spazieren und Joggen, mit Wiesen zum Grillen, mit einer Skatebahn und schönem Spielplatz. Wie vieles, das im Ruhrgebiet nach „Natur“ aussieht, ist auch der See menschengemacht. Und auch zurzeit wird gebaut und gebaggert zwischen Langendreer und Laer. Es entstehen jedoch nicht überteuerte Wohnschachteln mit Seeblick, sondern Refugien unter anderem für Graureiher. Schon jetzt lebt hier die größte Population in NRW. Eine neue Insel wird Brutplätze und neue Rückzugsorte schaffen. Bequem zu erreichen ist der See übrigens auf einer der neuen Fahrradstraßen Bochums. 12


Tippelsberg: Der höchste Punkt Bochums liegt in Stiepel und hat sogar eine Hausnummer (Kemnader Straße 302a). Der beliebteste Aussichtspunkt der Stadt hingegen ist ein Hügel zwischen Grumme und Riemke, der durch ruhrgebietstypisches „Terraforming“ zur Landmarke wurde. Weil das Erdreich, das beim Bau der U35 im Weg war, irgendwo hin musste, und weil man hier seit dem Kohlebergbau Gefallen am Aufschichten von Halden gefunden hatte, ragt der Tipplsberg heute 150 Meter über NN und bietet einen schönen Rundumblick über die Region. BochumerInnen kennen die konkurrierenden Sagen um den Riesen Tippulus, der sich hier entweder einen Lehmklumpen vom Fuß streifte oder mit dem Stimberg-Riesen duellierte. Entweder ist demnach der Tippelsberg ein vom Widersacher geworfener Felsen oder der niedergestreckte Tippulus selbst. Appolonia-Pfaus-Park: Allein der Name des Innenstadtparks hinter Bibliothek und Musikschule ist ein Statement. Seit 2004 ist der Park an der Windmühlenstraße nach der in Auschwitz ermordeten Bochumer Sintezza Appolonia Pfaus benannt. Noch immer findet der Porajmos, der deutsche Völkermord an den europäischen Sinti und Roma, wenig Raum im öffentlichen Gedenken. Gleichzeitig ist der Park, in dem sich täglich Innenstadtbesucher- und AnwohnerInnen mischen, Konfliktpunkt in der Frage des Innenstadtumbaus. Der Rat der Stadt hatte einen Abriss von Bildungs- und Verwaltungszentrum, Gesundheitsamt und Musikschule sowie den Verkauf an private Investoren beschlossen. Nach Protesten des Netzwerks „Stadt für alle“ und des nun zum Verein gewordenen Projekts „Zukunftsmusik“ stehen die Chancen gut für einen Erhalt der Musikschule, für eine Vergabe der Flächen nach Erbbaurecht – und für den Erhalt von Bochums Innenstadtpark. 13


REPORTAGE

bodo DAS

Sternwarte Bochum: Bochum-Sundern ist mehr als einen Ausflug wert. Ein guter Startpunkt ist die Sternwarte mit ihrem augenfälligen Radom, einer 40 Meter hohen Tragluftkuppel, die eine immerhin 20 Meter große Parabolantenne beherbergt. Das Institut für Umwelt- und Zukunftsforschung (IUZ) betreibt hier eine Bodenstation für Raumsonden, empfängt, bearbeitet und interpretiert Satellitendaten und macht nicht zuletzt Bildungsangebote. Auch Sternpatenschaften werden hier vergeben. Richtung Süden liegt die Ruhr, wenige hundert Meter im Norden beginnt das 80 Hektar große Weitmarer Holz. Auf einem Waldspaziergang kann man im Wildgehege Rehe und Wildschweine beobachten und sich dem Gründungsmythos des Ruhrgebiets nahe fühlen: Hier soll der Sage nach der Schweinehirt Jörgen sein abendliches Lagerfeuer am Morgen noch glimmend vorgefunden haben – die Entdeckung der Steinkohle im zukünftigen Revier.

01| 02 | 21 Die besten Geschichten auf der Straße

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2,50 Euro

Alice Hasters Seite 18

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Die Hälfte für die Verkäuferin den Verkäufer

Steffen Korthals Seite 4

DECKEN

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NUR MIT AUSWEIS

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Auf dem Kalwes: Querenburg ist nicht nur für Studierende, die im Home Office zu vergessen drohen, wie ihre brutalistische Lernanstalt aussieht, einen Ausflug wert. Unweit des immer sehenswerten Botanischen Gartens, vorbei am Königsbüscher Wäldchen führt die Straße „Auf dem Kalwes“ in Richtung Ruhr. Hier bietet ein Rodelhang in schneeloser Zeit Modellfliegern Start- und Landebahn und allen Besuchern einen wunderbaren Blick Richtung Witten. Wem es dann irgendwann zu viel mit der ländlichen Idylle ist, der kann zurück Richtung U-Bahn oder Parkplatz einen Gang durch Bochums Architekturexperiment Hustadt machen. Auch ein guter Ort.

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Schlosspark Weitmar: Der Park um die Ruine des 1592 gebauten Wasserschlosses ist ein bemerkenswertes Ensemble von Natur, Geschichte, Architektur und Kunst. Aus den verfallenen Grundmauern des Hauses Weitmar erhebt sich ein Glaskubus, der Teil des Ensembles von „Situation Kunst“ ist, das – wenn die Pandemie es zulässt – bedeutende Werke moderner Kunst in Dauerund Wechselausstellungen zeigt. Das dem Bochumer Kunsthistoriker Max Imdahl gewidmete Ensemble ist an die Ruhr-Universität angeschlossen und gleichermaßen Museum wie Lehr- und Forschungsort. Jüngster Zugang war 2015 das landschaftsschonend unterirdisch angelegte Museum unter Tage. Trotz geschlossener Ausstellungen muss man beim Spaziergang durch den Park nicht auf Kunst verzichten. Neben der Galerie M (Kunst mit Preisschild zu betrachten erlauben die Regeln) finden sich im Park 14 Werke konkreter Kunst von namhaften Künstlern.

Springorum Weg: Das Foto für den Titel unserer aktuellen bodo-Ausgabe hat Daniel Sadrowski übrigens am Springorum Weg in Bochum-Weitmar gemacht.

Schwanenmarkt: Ein von Bochums besonders spannenden Orten ist geradezu provozierend unscheinbar. Vom ehemaligen Schwanenmarkt – an dem wohl eher Schweine als Schwäne gehandelt wurden – ist an der verkehrsumtosten Kreuzung von Ring und Castroper Straße nur noch der „Verkaufsraum mit Bedürfnisanstalt“ übrig. An der Castroper Straße reihen sich wichtige Bochumer Adressen: Synagoge, Planetarium, Stadion, ja und auch Finanzamt und Wohnungslosenhilfe. Am Schwanenmarkt selbst, im ehemaligen Kiosk, hat der Bochumer Künstler Matthias Schamp mit der Kunstprofessorin Helene Skladny von der Evangelischen Hochschule RWL und dem Kunsthistoriker Stefan Strsembski ein Labor und einen Ausstellungsort geschaffen, „als Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur, sozialer Arbeit, ästhetischer Forschung und der Stadtgesellschaft“. Und das ist wörtlich gemeint, schauen Sie doch beim Gang durch die Innenstadt einmal vorbei.

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DAS FOTO

Margaret Keenan (90) aus Coventry, Mittelengland, erhielt am 8. Dezember als Erste den Covid-19-Impfstoff BNT162. WissenschaftlerInnen der deutschen Firma Biontech hatten Ende Januar 2020 mit der Entwicklung begonnen, seit März 2020 arbeiten sie dafür mit dem US-Pharmakonzern Pfizer zusammen. Nach einer erfolgreichen Phase-3-Studie erhielt ihr Impfstoff zuerst in Großbritannien eine Notfallzulassung. Foto: Jacob King / Pool via Reuters

MIETEN & WOHNEN

Wieviel bauen in Bochum?

Von Aichard Hoffmann, Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend In Bochum ist die Diskussion um den Wohnungsbau wieder entflammt. Zahlreiche Initiativen, die sich gegen Wohnungsbauprojekte wehren – etwa „Gerthe West – so nicht“, „Schloßstraße“ in Weitmar oder „Hinter der Kiste“ in Linden –, stellen offen das Ziel des „Handlungskonzepts Wohnen“, jährlich 800 Wohnungen neu zu bauen, in Frage. Und die bei der Kommunalwahl erstarkten Grünen

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haben im Koalitionsvertrag eine Überprüfung des erst 2017 beschlossenen Konzeptes durchgesetzt. Hintergrund sind drei mehr oder weniger wissenschaftliche Studien, nach denen in Bochum bereits jetzt über Bedarf gebaut wird, obwohl die Zahl 800 in keinem Jahr auch nur annähernd erreicht wurde. Das GEWOS-Institut ermittelte einen Neubaubedarf von 430 Wohnungen jährlich.

Von 2017 bis 2019 gebaut worden seien im Durchschnitt aber 480, 12 Prozent mehr. Die Immobilienberater Wüest Partner kommen in einer Untersuchung der Wohnungsmärkte in 20 westdeutschen Städten zu ähnlichen Ergebnissen. In Bochum stünden für 191.170 Haushalte 198.850 Wohnungen zur Verfügung, was einer Versorgungsquote von 104 Prozent entspricht. Trotzdem werde 13,6 Prozent über Bedarf


KOMMENTAR

30 Schlafsäcke und ein Bahnhof Von Alexandra Gehrhardt „Du kannst nicht den ganzen Tag draußen sein und dich dann zum Essen auf den Parkplatz setzen. Du musst irgendwann am Tag die Füße warm kriegen.“ Was ein Wohnungsloser kürzlich in Dortmund beschrieb, zeigt einfach verständlich, was Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, im Winter brauchen. Nicht immer wird das, was nötig ist, auch gemacht.

Bochums Clou gegen die Kälte

Monatelang warnten Organisationen bundesweit, dass auch für Wohnungslose das Corona-Jahr eines voller Unsicherheit, Stress, Existenzängsten und Konkurrenzen sei, dass Betroffene oft mental ausgezehrt und körperlich geschwächt in den Winter gehen würden. Monatelang wurde getüftelt, verhandelt, wurden – mal mit staatlicher Hilfe, mal allein durch Zivilgesellschaft – (Not-)Lösungen geschaffen, um, man muss es so drastisch formulieren, zu verhindern, dass Menschen sterben. In Bochum hat die Verwaltung im Dezember dargelegt, wie die „Ausweitung“ der Angebote im Winter aussehen soll. Um es vorweg zu nehmen: mau. Denn im Papier fanden sich vor allem bestehende Angebote, die unter denselben Einschränkungen weitermachen sollten, die sie seit März zu händeln hatten: Essensversorgung „to go“ (sprich: gegessen wird auf dem Gehsteig), Tagesaufenthalte mit geringeren Kapazitäten, zeitlicher Begrenzung und eingeschränkten Nutzerkreisen. Das ist fast unveränderter Stand seit dem Sommer. Bei der Unterbringung stehen PCR-Tests für Neuankömmlinge und eine Quarantäne in einer Sammelunterkunft auf der Haben-Seite. Die zusätzlichen Schlafplätze in einer ehemaligen Schule sind jedoch nicht mehr als ein reiner Überlauf, der zudem nur bei Minusgraden geöffnet ist. Gar erst bei minus 10 Grad öffnet ein U-Bahnhof als städtisches (!) Übernachtungsangebot; auch dies, wie alle Unterkünfte, ausschließlich über Nacht. Und sonst so? 30 Rucksäcke, Schlafsäcke und Isomatten, die die Stadt zu „Notfallpaketen“ geschnürt hat. Wer mit Menschen auf der Straße zu tun hat, weiß, dass ein Schlafsack im Winter nicht länger als ein paar Tage hält. Menschen haben ein Recht auf Unterbringung, Kommunen sind, auch bei Plusgraden, verpflichtet, menschenwürdige Angebote zu schaffen. Die Stadt hatte den ganzen Sommer Zeit, sich ein Konzept zu überlegen, das dort greift, wo Angebote weggefallen sind, und Schutzlose schützt. 30 Schlafsäcke und ein Bahnhof tun das nicht. Von einer Stadt, die eine innovative, eine solidarische und eine sein will, „in der das Wir noch zählt“, ist mehr zu erwarten.

gebaut. Anders in der Nachbarschaft: Essen baut nur 63,2 Prozent des Bedarfs, Dortmund gar nur 51,5. Noch schärfer sind die Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Danach werden in Dortmund 59, in Essen 72, und in Bochum 128 Prozent des Bedarfs gebaut. Dies liegt nicht nur an der Bautätigkeit, sondern auch an der Bevölkerungsentwicklung. Während Essen und Dortmund bis 2030 um bis zu fünf Prozent wachsen werden, soll Bochums in gleichem Maße schrumpfen.

Darum und mit Blick auf den bereits hohen Grad an Flächensiedlung warnte Barbara Jessel, neue Grünen-Fraktionschefin: „Wir werden nicht in der Lage sein, die Wohnungsmarktprobleme anderer Städte zu lösen.“ Hier überschätzt sie wohl den Einfluss von Politik auf die Wohnungsnachfrage. Die schert sich nämlich nicht um Stadtgrenzen. Sollten Bochum und Essen mit dem Wohnungsbau nicht hinter der steigenden Nachfrage herkommen, wird sich ein Teil der Suchenden automatisch in der Nachbarschaft umschauen. Und was liegt da? Richtig: Bochum!

DIE ZAHL

85.882 An Weihnachten verzeichnete die biomedizinische Bibliothek PubMed mehr als 85.000 wissenschaftliche Artikel zum Coronavirus SARS-CoV-2. Seit der Entdeckung von Ebola im Jahr 1976 wurden zum Vergleich 9.700 wissenschaftliche Arbeiten publiziert. Laut WHO laufen zurzeit weltweit über 200 Impfstoffentwicklungen gegen das CoronaVirus, 52 Impfstoffkandidaten befinden sich derzeit in klinischen Studien.

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MENSCHEN

A Seit die Schwarze deutsche Journalistin Alice Hasters begonnen hat, Rassismus zu ihrem Thema zu machen, ist viel passiert: „Anfang 2019 war ich hart, war die, die auf den Tisch haut“, erinnert sie sich. „Heute gelte ich eher als zu nett.“ Ihr Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ bleibt derweil in aller Munde. Von Max Florian Kühlem Fotos: H. Henkensiefken, Daniel Sadrowski

nfang November hätte Alice Hasters im Bahnhof Langendreer aus ihrem Buch lesen und darüber diskutieren sollen. Der so genannte „Lockdown Light“ kam dazwischen, und so sitzt sie zum Interview nicht im Backstage-Raum am Bochumer Wallbaumweg, sondern in ihrer Wohnung vor der Webcam – mit ein paar Schweißperlen auf der Stirn und leichtem Halskratzen. „Ich habe den Test schon gemacht“, sagt sie. Und tatsächlich verkündet sie ein paar Tage später über ihren Instagram-Account: „Ich habe Corona.“ (Sie hat es gut überstanden.) Trotz körperlicher Schwäche findet sie die nötige Konzentration, über ihr Thema zu sprechen – und darüber, wie es ihres wurde: Alice Hasters ist behütet aufgewachsen. Ihr weißer deutscher Vater und ihre Schwarze US-amerikanische Mutter führten in Köln-Nippes einen bürgerlichen Haushalt. Zu Hause praktizierten sie Buddhismus. Ihre Eltern sensibilisierten sie für das Thema Rassismus: Die Mutter erzählte ihr von der Bürgerrechtsbewegung in den USA, und als sie klein war, erklärten ihr die Eltern, was das Ende des Apartheitsregimes in Südafrika bedeutete. „Aber in meiner kleinen Kölner Blase habe ich Rassismus nicht als Problem wahrgenommen“, erzählt sie. „Ich dachte: Das ist ja nichts. Ich kann mich schon arrangieren. Ich wusste, wenn ich zum Beispiel in einer süddeutschen Kleinstadt aufwachsen würde, wäre alles viel schlimmer.“ Ihr Plan war einer, den jede kluge Frau aus bildungsbürgerlichem, deutschem Elternhaus fassen könnte: Sie wollte Kulturjournalistin werden, Theater- und Tanzrezensionen schreiben. An der Journalistenschule in München aufgenommen zu werden, war dafür die beste Voraussetzung. „Aber die Jahre zwischen 2014 und 2016 waren ziemlich krass“, erinnert sie sich. „Es

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Alice Haruko Hasters wurde 1989 in Köln als jüngstes von drei Kindern einer US-amerikanischen Mutter und eines deutschen Vaters geboren. Ihre Buch-Tipps: „Farbe bekennen – Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ – herausgegeben von Katharina Oguntoye, May Opitz und Dagmar Schultz „Deutschland Schwarz Weiß“ – Noah Sow „Gegenwartsbewältigung“ – Max Czollek Ihre Podcast-Tipps: „Hart Unfair“, „Kanackische Welle“, „Black & Breakfast“ Für ihre im November ausgefallene Veranstaltung im Bahnhof Langendreer ist aktuell ein Nachholtermin im April vorgesehen.

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MENSCHEN

gab die großen Fluchtbewegungen, ich kam jeden Montag an einer Pegida-Demo vorbei, und dazu gab es noch die Griechenlandkrise.“ Einerseits hat sie die große Hilfsbereitschaft in der so genannten Flüchtlingskrise gesehen, aber auch den Rechtsruck, der mit ihr einherging, die Klischees, die auf einmal wieder auf den Tisch kamen. Nach der Silvesternacht 2015, als über massenhafte sexualisierte Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof berichtete wurde, erschien etwa das Magazin Focus mit einer weißen Frau auf dem Cover, auf deren nackter Haut sich schwarze Handabdrücke abzeichneten. „Der nicht-weiße Mann als Vergewaltiger ist eine tief sitzende Angst seit mehr als einhundert Jahren“, weiß Alice Hasters. Immer mehr merkte sie auf der Journalistenschule, dass sie einen anderen Blick auf diese Themen hatte, aber kaum einen Resonanzraum, um ihre Erfahrungen, ihre Sicht der Dinge zu teilen.

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Spätestens als die AfD 2017 in den Bundestag einzog, war ihr klar, dass sie ein Baustein einer neuen Diskussion um rassistische Wurzeln in der Gesellschaft sein wollte. Es hatten zwar schon AutorInnen vor ihr getan, aber ihre Worte waren teilweise wieder verhallt oder vergessen worden. „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ ist die einfache Tatsache, dass es in von weißen Menschen dominierten Gesellschaften einen strukturellen Rassismus gibt, dass Rassismus, also die Behauptung der Andersartigkeit von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe, eine Erfindung von Weißen ist und in eine Richtung funktioniert – als Herrschaftsinstrument von weißen über Schwarze Menschen. In ihrem Buch geht es gar nicht in erster Linie um brutale Übergriffe, etwa um Anschläge gewaltbereiter Neonazis, sondern um kleine Mikroaggressionen, um eigentlich nett gemeinte Betonungen von Andersartig-


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Dabei sein keit: Griffe ins krause Haar, die Ansprache in überdeutlich ausgesprochenem, einfachem Deutsch, die Frage: „Wo kommst du eigentlich her?“ „Ich habe schnell gemerkt, dass ich eine Freundin der essayistischen Form bin, der Verbindung von Mikround Makrokosmos“, sagt Alice Hasters. So wählte sie einen sehr persönlichen Zugang, gibt in ihrem Buch viel von ihren Lebenserfahrungen aus der Schule und dem Elternhaus preis. Am Ende berichtet sie sogar von der Trennung ihrer Eltern, der Angst, dass ihr weißer Vater jetzt doch lieber mit einer Blondine zusammen sein möchte. „Ich bin sehr für Transparenz“, sagt sie, „und wenn ich als Journalistin von anderen verlange, dass sie sich im Interview öffnen, dann muss ich das auch selber können.“ Besonders toll ist ihr Buch als Hörbuch, weil Alice Hasters eine sanfte, angenehm unaufgeregte Art hat, ihre Geschichte zu vermitteln. Man hat das Gefühl, ihr wirklich nah zu kommen und öffnet sich dadurch auch selbst, wird empfänglich für ihre Geschichte und ihr Thema. Dass ihr Text auch ein wenig nach Selbsttherapie klingt, stört sie wenig, denn vielleicht ist er so auch für den Hörer eine Art Therapie. „Nach einer Therapie geht es einem bekanntlich besser“, sagt sie – und: „Der wichtige emotionale Ansatz ist bisher vielleicht vernachlässigt worden.“

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Alice Hasters freut sich, dass die Gesellschaft beim Thema Rassismus weiterkommt, Worte findet. Dazu gehört zum Beispiel, dass Dieter Nuhr zuletzt großen Gegenwind bekam, als er über ihr Buch wetterte und es ganz offensichtlich nicht kannte. Er sprach davon, dass es in den USA ein großer Renner war, obwohl es bisher gar nicht auf Englisch übersetzt wurde. Die Autorin will am Thema bleiben, Strukturen bewusst machen, ein „Entlernen“ fördern: „Die antirassistische, vom Patriarchat befreite Gesellschaft, die kennen wir ja gar nicht.“

Alice Hasters Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten ISBN: 978-3-446-26425-0 Hanser | 208 S. | 17 Euro

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INTERVIEW

„Es ist völliges Neuland“ Herr Junker, können Sie sich eine Stadt vorstellen, in der der Handel nicht – auch räumlich – im Mittelpunkt steht? Historisch gesehen waren oft Wegekreuzungen, an denen es Warenaustausch und Märkte gab, Ausgangspunkt der Stadtentwicklung. Hier entstanden Wohnstädte mit Handelsplätzen. Das Bild, das wir vor allem seit der Nachkriegszeit kennen – monofunktionale Citybereiche mit Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen – ist historisch eher ein Ausnahmefall der innerstädtischen Entwicklung. Viel davon ist verbunden mit dem aufkommenden Wohlstand in Zeiten des „Wirtschaftswunders“. Eine lange, ungebrochene Entwicklung. Ja, diese Ballungsprozesse haben in den vergangenen 50 Jahren immer weiter zugenommen. Gleichzeitig hat es ein riesiges Flächenwachstum gegeben. Inzwischen gibt es in Deutschland 1,5 qm Verkaufsfläche pro Einwohner, ein Höchstwert in Europa. Der zweite Punkt ist, dass es eine ständige Neuentwicklung von Betriebskonzepten gab. Um die Jahrhundertwende entstanden die Warenhäuser, die in der Nachkriegszeit eine große Renaissance hatten. Allein in Dortmund gab es fünf große, mit einer Blütezeit in den 1960er und 70er Jahren. In Deutschland waren es rund 1.500, mit einem Umsatzanteil von 10 Prozent am gesamten Warenhandel, heute soll er in weniger als 150 Häusern bei unter 2 Prozent liegen. Dann kamen die Center auf der „grünen Wiese“, mit Indupark und Ruhrpark etwa, mit sehr verschiedenen Ausprägungen. In den 1980er und 90er Jahren kamen die innerstädtischen Einkaufscenter dazu. Die Thier-Galerie ist ein relativ spätes Beispiel hierfür, weil man hier in Dortmund lange keinen geeigneten Standort fand.

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Warum hat nicht das eine Konzept das andere ersetzt? Solange man mit den bestehenden großformatigen Einzelhandelsbetrieben Geld verdienen konnte, kam das Neue einfach dazu. Dadurch hat sich die Flächenschraube weiter gedreht. Es ist verständlich, dass jeder mithalten wollte. Aber natürlich hat ein Mehr an Verkaufsfläche immer auch andere in Mitleidenschaft gezogen. Die neuen Einkaufscenter waren spannender als die alten Warenhäuser. Beim Einzelhandel ist dadurch auch die Lage immer wichtiger geworden. Was früher noch attraktive Lauflagen waren, wie etwa der Ostenhellweg, geht sprichwörtlich den Bach runter. Wir sprechen von Trading-down-Prozessen, Leerstände nehmen zu, die Qualität geht runter. Um das zu verdeutlichen: Die ThierGalerie hat rund 1.000 Meter Lauflänge geschaffen. Das ist eine ganze Fußgängerzone in 1a-Lage. Studien sagen, das ist ziemlich genau die Distanz, nach der Kunden die Lust verlieren, weiterzugehen. Und die Center haben Steuerungsmöglichkeiten, die anderswo fehlen. Es gibt einen Eigentümer und nicht Dutzende wie auf dem Dortmunder Westenhellweg. Sie können die Mieten steuern und sie für bestimmte Mieter niedriger ansetzen. Es herrscht dort quasi Feudalismus, wirtschaftlich aber ein geniales Konzept. Wie ging man in den Städten mit den negativen Effekten um? Als die ersten innerstädtischen Center in der Region in Remscheid und in Hamm entstanden, Anfang bzw. Mitte der 1980er Jahre, war der Glaube an durchgängiges Wachstum noch ungebrochen. Durch die Erfolge der Center wurden die Investitionen immer reizvoller, und 10 Prozent


Der Dortmunder Stadtplaner Rolf Junker berät Kommunen, Länder und Bund bei Konzepten für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Mit dem Architekten Holger PumpUhlmann veröffentlichte er 2019 die Studie „Einkaufsstraßen neu denken. Bausteine für neue Perspektiven“, für das Heimatministerium NRW erstellte er Fallstudienanalysen zum Innenstadtumbau. Dann kam Corona. Aus der schleichenden Krise des niedergelassenen Einzelhandels, sagt Junker, droht ein Kollaps zu werden. Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski, Jan Federmann

Umsatzumverteilung galten als noch verträglich. Und natürlich strebten und streben alle Städte nach Kaufkraftzuflüssen – nur kann das natürlich nicht funktionieren, irgendwer wird leiden. Wenn wir schon über Städtekonkurrenzen sprechen: Was können denn die Nebenzentren im Ruhrgebiet tun, um nicht Verlierer zu sein? Lange ging es gut mit dem Finden von Nischen und kleinteiligen Angeboten. In einem Stadtteilzentrum, wo man früher noch alles bekam, geht es heute eigentlich nur noch mit Nahversorgung, danach wird es eng. Oder es müssen besondere Konzepte mit hoher Attraktivität und speziellen Angeboten her. Der klassische Modehandel hat es schwer, weil die Menschen gewohnt sind, viel Auswahl zu haben, und anspruchsvoll und gut informiert sind. Um es hart zu formulieren: Bezogen auf den klassischen Innenstadthandel haben die Nebenzentren kaum eine Chance. Waltrop kann nicht mit Größe konkurrieren. Trotzdem hat man im Umland lange versucht, Klein-Dortmund nachzubauen. Mit den gleichen Filialisten auf weniger Fläche. Das ist lange gutgegangen. Dann kam der Online-Handel und Corona und stellt nun das ganze System infrage. Der Handelsverband HDE sieht mittelfristig bis zu 50.000 Geschäfte vor dem Aus und sagt, es gehe um „die Existenz eines großen Teils der Kernbranchen unserer Innenstädte“. Ja, es ist dramatisch für die, die betroffen sind. Das kann man nicht wegreden. Nach dem Weihnachtsgeschäft wird wahrscheinlich noch einmal eine Schließungswelle kommen. Das Dramatische ist aber vor allem das Tempo der Umwälzung. Ich behaupte, der Kollaps, den wir heute

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INTERVIEW

erleben, wäre auch ohne Corona gekommen. Es wäre nur ein längeres Siechtum geworden. Dafür ist jetzt der Handlungsdruck groß. Sie beraten Kommunen, die sich an den Umbau ihrer Innenstädte wagen wollen. Was haben Sie im Gepäck, wenn Sie nach Berlin, nach Fröndenberg oder nach Brakel fahren? Ich fühle mich im Moment nicht als Arzt, der ein Rezept ausstellt, sondern als Aufklärer. Der Experte ist kein Zauberer. Wichtig ist erstmal, dass man nicht die Augen verschließt vor dem, was läuft. Politik neigt da zu einem „Wir kriegen das schon hin“ und möchte vermeiden, die Stadt in düsteren Farben zu malen. Aber Kontakt zur Wirklichkeit sollte sie schon haben. Wir haben das 60 Jahre so gelernt: Es geht immer aufwärts. Das ist schon länger sichtbar vorbei, nun kommt es mit einem Ruck. Und nach dem Wirklichkeitsschock? Ich sage zuerst: Es ist verdammt schwer. Diese Einsicht wächst auch. Und dann müssen Probleme und Möglichkeiten strukturiert werden. Es geht um Potenziale und Risiken, und vor allem darum, den Einzelhandel stärker räumlich zu konzentrieren. Da ist der Auftrag an die Städte, zu überlegen: Wo spielt denn die Musik zukünftig noch? Was brauche ich wo? Ziel ist eine Konzeption, eine Roadmap für ei-

nen Umbauprozess – ohne durchgreifende Rechte, mit begrenztem Einfluss, mit gutem Willen und großem Einsatz, vielleicht einem bisschen Mehr an Wissen und mit dem Blick auf das Ganze. Lassen sich Einkaufsstraßen überhaupt zurückbauen? Es gibt bisher keine Beispiele dafür. Wir haben ziemlich lange gesucht. In den Niederlanden gibt es Ansätze, aber da kommt man traditionell z. B. auch mit dem Erdgeschosswohnen in Stadtlagen besser klar. Das ist das Besondere der aktuellen Situation: Es ist völliges Neuland, das Problem ist zu neu und der akute Handlungsbedarf groß: Ich spreche seit 10, 20 Jahren davon, maßvoller mit Flächenerweiterungen umzugehen. Vieles war abzusehen – dass es so hart kommt wie jetzt, nicht. In „Einkaufsstraßen neu denken“ schreiben Sie von der multifunktionalen Neuausrichtung der Innenstädte. Sie nennen etwa Beispiele für Wohnen in gemischt genutzten Quartieren, für urbane Produktion – also Handwerk und Gewerbe in der Innenstadt – oder für partielle Umnutzung durch Gastronomie oder soziale Infrastruktur. Als Erstes müssen wir auf die Gebäudeseite schauen, welcher Zweitnutzen überhaupt möglich ist. Beim Thema Wohnen sind die leerstehenden Obergeschosse oft nicht ideal, das ist aber mit normalen Um-

baumitteln zu leisten. Problematischer sind in der Regel die Erdgeschosse. Vereinzelt lassen sich Lösungen mit wohnnahen Nutzungen oder mit produzierendem Gewerbe, letzteres mit großen Hürden bei Lärmschutz, Abstandsflächen und im Baurecht. Aber auch das ist allein kein Flächenretter. Die Aufgabe ist riesig, die Politik muss vorangehen, und im konkreten Prozess müssen kleinteilig blockweise oder Haus für Haus Lösungen gefunden werden. Ein bisschen erinnert mich die Dimension an die Kohlekrise. Die Idee war: Wir schließen die Zechen, legen Sozialpläne auf und glauben dann, man sei nach fünf Jahren fertig damit. Das war rückblickend nicht der Fall. Ich glaube, auch die Umwälzung im Handel wird viele Jahre dauern. Das bringt mich zurück zur Eingangsfrage: Eine nicht vom Handel dominierte Stadt der Zukunft – wie wird sie aussehen? Ich glaube, da hat noch niemand ein genaues Bild. Aber es wird sie geben. Wie gesagt: Dass Innenstädte allein Einkaufszonen sind, ist eine historisch überschaubare Phase. Ich bin in Soest geboren, das das Pech oder das Glück hatte, nie eine besonders starke Handelsstadt geworden zu sein. In meiner Jugend bin ich mit meinem Vater regelmäßig durch die Stadt gegangen, wir haben Eis gegessen auf den Plätzen mit ihrer hohen Aufenthaltsqualität. Wir waren nicht einkaufen und haben uns dabei trotzdem sehr wohl gefühlt.

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SOZIALES

Immer wieder werden Obdachlose Opfer von Diebstählen. Um das zu verhindern, hat ein Team aus Studierenden der Ruhr-Universität um Dr. Christoph Baer eine Alarmanlage entwickelt. Inzwischen sind die ersten Prototypen fertig und können getestet werden. Im Gespräch mit bodo erklären Baer und die Studenten Leander Willeke und Florian Beckfeld, wie es zur Entwicklung der Alarmanlage kam und welches Projekt als nächstes ansteht. Von David Peters | Fotos: Kramer / RUB

Alarmanlagen für Obdachlose Wie kam es zu diesem Projekt? Dr. Christoph Baer: Wir haben 2017 die Sight (Special Interest Group on Humanitarian Technology) Germany Section gegründet, wo wir uns explizit um technische Projekte für humanitäre Hilfe kümmern wollten. Ich hatte im Februar 2020 den Unsichtbar e.V. zu einem der Sight-Treffen eingeladen, und die berichteten dort, dass Obdachlose immer häufiger beklaut werden und dass man nicht wisse, was man dagegen machen könne. Daraus entstand die Idee, eine Alarmanlage mit Sicherungsseil zu entwickeln. Wie ging es dann weiter? Leander Willeke: Die Alarmanlage sollte robust, kostengünstig und relativ klein sein. Christoph hat uns dann einige Vorschläge gemacht, was an Gehäusen mög-

lich wäre und wir haben uns damit auseinandergesetzt, wie man das Ganze elektronisch umsetzen kann. Florian Beckfeld: Es gab natürlich auch Ideen, die etwas übers Ziel hinausgeschossen sind. Zum Beispiel, dass sich die Batterien wieder aufladen können. Aber das war in dem Rahmen nicht möglich. Also haben wir uns auf das Wesentliche konzentriert und uns damit beschäftigt, wie eine Schaltung einen schrillen Ton erzeugen kann und wie man das ausgelöst bekommt. Die ersten Alarmanlagen sind schon fertig. Baer: Wir haben 20 Prototypen erstellt, die jetzt verteilt werden. Der Plan ist, dass wir am Ende des Semesters die Menschen, die die Alarmanlage getestet haben, nach ihren Erfahrungen und Änderungswünschen befragen. Wenn das positiv ausfällt, dann würden wir Fördergelder beantragen, um eine größere Stückzahl bereitstellen zu können. Das Ziel ist es, beim Einzelpreis unter zehn Euro zu kommen. Ich habe aber auch schon erste Anfragen aus der Industrie bekommen, die uns unterstützen wollen. Die meisten Forschungsprojekte an Universitäten orientieren sich selten an Bedürfnissen von zum Beispiel Obdachlosen. Hat Ihr Projekt da vielleicht auch eine Vorreiterrolle? Baer: Wir hatten ein Forschungsprojekt, bei dem es darum ging, Landminen in Kolumbien besser zu detektieren, so bin ich zur humanitären Technik gekommen. Das sind zwar Grundlagenforschungsprojekte, aber dennoch ist es ja schön, wenn wir aus der Uni heraus Probleme lösen. Gerade Ingenieure sind ja im Grunde Problemlöser. Man forscht an Verfahren und Methodiken, also warum sollte man diese Verfahren nicht auch an alltäglichen Problemen einsetzen? Das Projekt mit den Alarmanlagen ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber Sie haben mit akkubetriebenen Heizpads schon das nächste in den Startlöchern. Baer: In den Gesprächen mit Unsichtbar e.V. kam die Frage auf, ob man nicht etwas für den Winter machen könnte. Ich habe dann Widerstandsdraht besorgt, der sich erwärmt, wenn Strom durch ihn fließt, und wir haben es hinbekommen, ein Heizpad auf DIN A5-Größe erwärmen zu lassen, ohne dass die Powerbank sofort in die Knie geht. Da finalisieren wir gerade den Prototypen und werden direkt 200 Stück produzieren.

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Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

HAGEBUTTE

Frucht der Rosa canina

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REZEPT Thu eine gute Hand voll ausgekoernte Hueffen oder Hagebutten in eine halbe Maas (etwa ½ Liter) Wein / zuckere dieselbe wol / und lasse sie eine gute weil miteinander aufsieden; hernach treibs durch einen Seiher (passieren) / baehe (anrösten) drey oder vier Semmelschnitten / richte diese Bruehe darueber; stelle es in einer zugedeckten Schuessel auf eine Glut oder Kohlfeuer / laß es noch einmal aufsieden / streue Zucker darauf und trage sie also zu Tisch. Anmerkungen: Nehmen Sie Rohrzucker und einen trockenen Weißwein. Kochen Sie die Hagebutten in einem ¼ Liter Wein weich, und fügen Sie ein weiteres Viertel nach dem Passieren hinzu. Die Suppe schmeckt dann frischer.

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eine erste Wildkräuterkolumne erschien 2011 in der Januarausgabe der bodo. Demnach darf sie jetzt ihren zehnten Geburtstag feiern. Ein oft gehörter Satz für diese oder ähnliche Gelegenheiten lautet: „Nie hätte ich gedacht, dass es das so lange geben würde.“ Zugegeben, der Satz, hier von mir geschrieben, klingt ein wenig selbstschulterbeklopfend. Doch es stimmt ja tatsächlich. Damals konnte ich mir wirklich nicht vorstellen, derart viele Rezepte auszudenken, auszuprobieren und auf den Tisch zu bringen. Die Lust wuchs schließlich mit dem Machen – und dann hat im Coronajahr die unerwartete Fülle an freier Zeit die Freude am Wildkräutern noch weiter beflügelt. Von mir aus könnte es mit der Kolumne noch zehn Jahre so weitergehen. Mein erstes Kolumnenrezept war eins für eine Hagebuttensuppe, durchaus schmackhaft, mit Äpfeln, Zimt und saurer Sahne. Und zum Geburtstag, zumal ich mir selbst den Wunsch erfüllen darf, soll es wieder eine Hagebuttensuppe sein. Aber, dem Anlass entsprechend, eine von einem Profi erdachte. Ein Hochgenuss – wie auch der Titel des Buches, aus welchem das Rezept entliehen ist. Allein ihn zu zitieren ist mir ein Fest: „Der aus dem Parnasso ehmals entlauffenen vortrefflichen Köchin, Welche by denen Göttinnen Ceres, Diana und Pomona viel Jahre gedienet, Hinterlassene und bißhero, bey unterschiedlichen der Löbl. Koch-Kunst beflissenen Frauen zu Nürnberg zerstreuet und in grosser Geheim gehalten gewesene GemerckZettul: Woraus zu erlernen, Wie man über anderthalb Tausend, so wol gemeine als rare Speisen ... zu zubereiten und zu kochen, auch zu welcher Zeit man alle Zugehörungen einkauffen, und bemeldte Speisen auftragen solle. Mit unermuedetem Fleiß zusammen gesamm-

let, und denen wohl-geuebten Kuenstlerinnen zu beliebiger Censur, denen unerfahren aber zur Lehr und Unterricht, durch oeffentlichen Druck mitgetheilet.“ Yeah! Das Buch wurde 1691 in Nürnberg gedruckt, seinerzeit verlegt von Wolfgang Moritz Endter. Zusammengetragen wurde die umfangreiche Rezeptsammlung wohl von dessen erster Ehefrau Anna Juliana. Im Original nahezu unbezahlbar, findet man das Werk als Digitalisat dankenswerterweise in der Deutschen Digitalen Bibliothek (www. deutsche-digitale-bibliothek.de). Sie macht dieses, neben vielen anderen historisch bedeutsamen Büchern, für private Zwecke beziehungsweise eine nichtkommerzielle Nutzung zugänglich. Schauen Sie mal rein.

Die Hagebutte ist eine Sammelfrucht, die viele kleine Nüsschen enthält. Diese sind mit feinen, widerhakenbesetzten Härchen bedeckt, die bei Hautkontakt Juckreiz hervorrufen. Daher sollten sie nicht mitgegessen oder -verarbeitet werden. Kinder nutzen die Nüsschen gelegentlich zum Herstellen von „Juckpulver“.


KULTUR

Auf was sollen wir warten? Eine „Leuchtende Überraschung“ im Netz Am 11. November, bewusst auf den Martinstag gelegt, hätte im Dortmunder Unionviertel ein performativer Spaziergang stattfinden sollen. Künstlerinnen und Künstler wären aufgetreten, vor Publikum, organisiert vom soziokulturellen Projekt Interkultur Ruhr und in Kooperation mit dem Transnationalen Ensemble Labsa. Es hätte schön werden können. Dann kamen die zweite Welle und das Aus. Aber Not macht erfinderisch. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Lisa Domin

E

milia Hagelganz ist Gründungsmitglied bei Labsa, dem Labor für sensorische Annehmlichkeiten. Ein unter diesem Namen firmierender Verein trägt seit Jahren Theater- und Performancekunst in den öffentlichen Raum. Ein Anfang 2020 begonnenes Projekt heißt „Sorry, ich muss schlafen“. Das Thema Schlaf ist für das Labor ein geeigneter Ansatzpunkt, die Geschichte von Arbeit und Alltagskultur sowie die Geschichte sozialer Konflikte und neuer Techniken zu erforschen. Der Zustand der Welt mache die Menschen müde, heißt es programmatisch, müde vor Überfluss an Wohlstand oder Erschöpfung durch Ausbeutung.

interkultur.ruhr/page/pangaea-studios-leuchtende-ueberraschung

„Wir haben unter anderem ein Schlaflabor initiiert“, sagt Frau Hagelganz. „Darunter verstehen wir einen Schutzraum vor der unbehausten Welt. Für uns war es außerdem das Atelier der Traumweberinnen, die beeindruckende Kostüme entworfen und genäht haben. Wir haben uns Träume erzählen lassen und Techniken entwickelt, diese Träume zum Klingen zu bringen. Dabei sind Lieder, Texte und Material für Aufführungen entstanden. Wir haben Hausbesuche gemacht und Gespräche mit externen Impulsgebern geführt.“ Geplant war, am 11. November beispielhaft eine Reihe der Arbeitsergebnisse vorzutragen. Ein transkultureller Spaziergang hätte an der Paulinenkaserne beginnen sollen, der historischen Arbeiterbehausung an der

Paulinenstraße. Er hätte über mehrere Stationen bis hin zum Tomorrow Club Kiosk geführt, der vom Labsa betriebenen Begegnungsstätte an der Langen Straße. Dort hätte ein Feuer gebrannt, um dem Datum vieler Laternenumzüge entsprechend ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Frau Hagelganz spricht von einer „leuchtenden Überraschung“ für das Publikum und die Leute im Quartier. Es wäre auch der übergreifende Titel der Aktion gewesen. „Doch im November gab es das Arbeitsverbot schlechthin für uns. Das Material war da, aber wir durften keine öffentliche Veranstaltung machen. Die Frage war: Auf was sollen wir warten? Die Zukunft ist ungewiss. Also haben wir eine Art Fernsehstudio improvisiert. Wir haben Gäste eingeladen und versucht, uns ihnen mit unserem Material anzunähern. Dabei sind wirklich unterschiedliche Formate entstanden.“ Die auf der leuchtenden Überraschung basierenden Filme findet man im Netz. Und das notgeborene Studio wird der Kooperationspartner Interkultur Ruhr noch weit über die Pandemie hinaus nutzen können.

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Kulturlandschaft Januar | Februar 2021

Ein Teil der Geschichte von bodo ist die enge Verbindung zur Kulturszene unserer Städte. Mit großer Sorge sehen wir auf die Schäden, die die – notwendigen – Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in der Kulturlandschaft unserer Region anrichten. Zum zweiten Mal versammeln wir unter diesem Namen Orte statt Veranstaltungen. Denn auch wenn letztere nicht oder nur eingeschränkt möglich sind, möchten wir im Gedächtnis halten, wie wichtig, unterstützens- und erhaltenswert erstere sind. Besuchen Sie diese Orte im Netz, schauen Sie, was kurzfristig möglich oder an Unterstützung nötig ist, damit es nicht still bleibt in BO, DO und Umgebung.

Archiv für populäre Musik im Ruhrgebiet (Dortmund) Richard Ortmann und Hans Schreiber beschäftigten sich seit Jahrzehnten mit der Archivierung diverser musikalischer Materialien sowie mit der Archivierung von Tönen, Klängen und Geräuschen. Zum Bestand des Archivs für populäre Musik im Ruhrgebiet gehören nicht nur Tonträger, sondern auch Filme, Fotos, Bücher, Zeitschriften, Magazine, Fanzines, Programmhefte, Tickets, Plakate, schriftliche Aufzeichnungen, Noten, Instrumente, Briefwechsel sowie zahlreiche Memorabilien. www.miz-ruhr.de atelier automatique (Bochum) Das atelier automatique ist ein Ort, an dem Kultur geschaffen, gezeigt und diskutiert Anzeigen

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wird. Seit Januar 2017 arbeiten hier elf KünstlerInnen verschiedenster Kunstsparten Hand in Hand. Im November 2017 kam die direkt nebenan gelegene fabrique automatique hinzu. KünstlerInnen und Kreative haben dort die Möglichkeit, zusammen zu arbeiten und sich zu vernetzen. Zusätzlich finden regelmäßig Veranstaltungen wie Konzerte, Perfomances, Ausstellungen, Flohmärkte, Workshops und Diskussionen statt. www.atelierautomatique.de Baukunstarchiv NRW (Dortmund) Die Baukultur in Nordrhein-Westfalen zu fördern und immer wieder weiter zu entwickeln, ist ein Anliegen, das zahlreiche Akteure zusammenbringt. Das Baukunstarchiv NRW sichert Nachlässe aus

den Bereichen Arch itek t u r, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau sowie des Ingenieurbaus in Nordrhein-Westfalen. Es bewahrt, dokumentiert und systematisiert Nachlässe und Vorlässe, arbeitet diese wissenschaftlich auf und macht sie sowohl der Forschung als auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. www.baukunstarchiv.nrw BierCafé West (Dortmund) Zwischen der Dortmunder Innenstadt, dem Kreuzviertel sowie dem Union-


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Cafe Eden (Bochum) Das Cafe Eden liegt mitten im Kortländer Liez und ist ein offener Raum, in dem man den unterschiedlichsten Menschen begegnet. Es ist das gemütliche Wohnzimmer für den leckeren Cappucino und die lockere Bar für ein Bochumer Bier in guter Gesellschaft. Regelmäßig gibt es offene Veranstaltungen wie Spiele-Runden, die Austauschbar mit wechselnden Diskussionsthemen, Zeichenworkshops, SingAbende und vieles mehr. www.edenev.de Das Alsenwohnzimmer (Bochum) Das Alsenwohnzimmer ist ein offener und selbstverwalteter Nachbarschaftsraum, der von NachbarInnen der Alsenstraße und drumherum organisiert und genutzt wird. Hier finden die unterschiedlichsten Aktivitäten statt, es ist ein Ort für Begegnung, Austausch und nachbarschaftliche Selbsthilfe. Auf offenen monatlichen Tref-

Bochumer Kulturrat

e. V.

• BLUES • JAZZ • GYPSY • FOLK • WELTMUSIK • LIEDERMACHER • KLEZMER • THEATER • KUNST • LESUNG • FESTIVAL • FILM • …

Die Trompete (Bochum) Die Trompete wurde 2014 in der Bochumer Innenstadt eröffnet. Das Live- und PartyProgramm wird seit 2018 von Alan Al Kassab kuratiert, der nach seinem Studium der Komposition in England in Bochum eine neue Wirkungsstätte gefunden hat. Im Fokus steht die Gitarrenmusik. Bei den verschiedenen Clubnächten liegen Songs aus Genres wie Punk Rock, Alternative, Garage, Brit Pop, Wave, Pop Punk, Emo, Nu Metal und HipHop auf den Plattentellern. www.die-trompete.de

wir planen weiter unser Programm für Sie – bitte beachten Sie wg. Corona die Tagespresse oder besuchen unsere Homepage für Infos zu aktuellen Änderungen.

Goldkante (Bochum) Die Goldkante ist eine Bar in der Bochumer Innenstadt. Das Besondere ist, dass diese Bar ihren Gästen gehört. Denn sie ist ein „eingetragener Verein“, in dem jeder Gast Mitglied werden und sich als Mitglied um die Goldkante kümmern kann. Auf diese Weise entscheiden viele verschiedene Menschen darüber, was in dieser Bar neben einer variantenreichen Getränkeauswahl so alles serviert und präsentiert wird: Lesungen, Ausstellungen, Konzerte, Filmkunst oder Disco. www.goldkante.org

GEPLANTES

Hafenschänke subrosa (Dortmund) Seit dem 1. Juli 2019 fährt das good ol‘ ship unter den Dortmunder Szenekneipen nun unter echt hanseatischer Flagge. Exakt 26 Jahre nach Eröffnung übernahm ein neuer Käpt‘n das Ruder, womit die Bezeichnung „Hamburgs südlichste Hafenbar“ nicht mehr nur ein kokettes Etikett ist: Simon G. stammt nämlich aus der Perle des Nordens. Weiterhin gibt es gute LiveMusik aus unterschiedlichsten (Indie-) Genres sowie ein engagiertes Programm mit Poetry-Jam, MenschenrechtSlam, Talentschuppen, Lesungen und musikalischen Themenabenden. www.hafenschaenke.de HalloDu-Theater (Bochum) „Theater für Kinder“ unter bestmöglichen Gegebenheiten anzubieten ist ein Ziel, das sich das HalloDu-Theater gesetzt hat. Für Kinder zu spielen bedeutet nicht einfach auf der Bühne zu stehen und eine Geschichte zu erzählen. Dem HalloDu-Theater ist es wichtig, dass zu den ausgezeichneten The-

Liebe Gäste,

Karten: T 0234 -86 20 12 kulturratbochum@gmx.de © fuerst.design@gmx.de

Bochumer Kulturrat e.V. Der Bochumer Kulturrat e.V. ist ein soziokulturelles Zentrum im Bochumer Norden und hat seit 1988 seinen Sitz im ehemaligen Magazingebäude der Zeche Lothringen in Bochum-Gerthe. Der gemeinnützige Verein, der seit 1987 besteht, ist Träger des Kultur-Magazins Lothringen und organisiert in eigenen Räumen ein Spektrum von Aktivitäten, das den Bogen spannt von traditionellen Formen der Literatur, Musik, Kunst, des Theaters und des Films bis hin zu Experimentalbereichen wie Performance und multimedialen Ausdrucksformen. www.kulturrat-bochum.de

fen werden alle wichtigen Dinge und neue Ideen besprochen und die Nutzungen koordiniert. Getragen wird das Alsenwohnzimmer von einem gemeinnützigen Verein. www.alsenstrasse.com

homepage

viertel liegt der Westpark. Dort ist das BierCafé West beheimatet. Eine gelungene Mischung aus einer Craft Beer Bar, einem Café und einer Location für Veranstaltungen. Lange Straße 42, 44137 Dortmund

PROGRAMM JANUAR + FEBRUAR

(jeweils 20 Uhr)

15.1. „Krimi trifft Nachthumor“ Lese-Event mit Klaus & Peter Märkert und Serge Corteyn (Gitarre) • 16.1. Black Sheeep Irish & Scottish Folkpower • 22.1. Get the Cat Blues’n’Soul • 23.1. Joscho Stephan-Quartett Gypsyjazz • 29.1. Max Erben & Eva Kreft „Bist bei mir die Scheinste“ Jüdische Dialoglieder zum Auschwitzgedenktag • 30.1. Theater Traum-

baum „Märzstürme 1920“ • 5.2.

(18 Uhr!)

Jugend musiziert

Preisträgerkonzert • 6.2. Velvet und Reverend James Brown mit Musik & Texten zu Robert Burns • 12.2. L.A. West Akustik-Pop-Cover • 13.2.

Markus Kiefer „Ich bin nicht die Leander“ • 19.2. Sascha Gutzeit „Kommissar Engelmann“ Die SuperRetro-Krimi-Leseshow • 20.2. Don & Ray Swingjazz & Boggie’n’Blues • 26.2. Mariposa-Band Musik weltweit • 27.2. The Heart Beats Pop-Rock • … (Änderungen vorbehalten!) Lothringer Straße 36 c 44805 Bochum-Gerthe T 0234 - 86 20 12 kulturratbochum@gmx.de www.kulturrat-bochum.de 29


KULTURLANDSCHAFT

aterstücken, die in der Einheit kindgerecht sind, auch das Drumherum für das junge Publikum stimmt. Jeder sitzt während der Aufführung auf einem eigenen Stuhl, hat einen freien Blick auf die Bühne, die überschaubar ist, das Foyer ist einladend und die Begegnung herzlich und aufrichtig. www.hallodu-theater.de

Herr Walter (Dortmund) Das Club- und Eventschiff „Herr Walter“ ist ein umgebautes Schüttgüterschiff und Anzeigen

liegt seit 2011 im Dortmunder Hafen vor Anker. Es diente mehrere Jahrzehnte als Schleppkahn auf europäischen Flüssen und Kanälen. Nach einer Verlängerung des Schiffsrumpfes um 14 Meter in den 1970erJahren ist das Schiff heute ca. 6 m breit und 60 m lang. Somit bietet der Koloss nach einer Renovierung auch als Location zum Feiern ganzjährig jede Menge Platz. Ein vielseitiges Programm lockt auch Landratten auf und unter Deck. Hier finden regelmäßig Partys, Live-Musik, Lesungen statt. www.herr-walter.de

Kindermuseum mondo mio! (Dortmund) Das Kindermuseum mondo mio! im Dortmunder Westfalenpark ist ein Ort spielerischen Forschens, Erfahrens und Lernens, der kindgerechte Einblicke in die Vielfalt der Kulturen bietet. Basis für das Kindermuseum bildet die Sammlung basic needs des indischen Künstlers Rajeev Sethi, die für die Expo 2000 zusammengetragen wurde. Die außergewöhnlichen Exponate führen in andere Lebenswelten und stellen globale Zusammenhänge dar. Die farbenprächtige Inszenierung bietet Raum zum Staunen, zum Anfassen, Mitmachen und Begreifen. www.mondomio.de

Kleine Affäre (Hattingen) Zwölf Nachbarn verliebten sich in ein Lokal und beschlossen, eine kleine Affäre mit dem Laden einzugehen. Geld und viele Stunden Arbeit flossen in die 35 Quadratmeter, und so entstand eine kleine, aber feine Galerie. Zudem wurden Kulturschaffende gewonnen, die durch ihre Auftritte nicht nur das Leben in Blankenstein bereichern, sondern auch das Überleben des Projektes unterstützen. Neben gut besuchten Ausstellungen haben sich immer mehr BühnenkünstlerInnen in dem winzigen Raum vor Publikum eingefunden. www.kleine-affaere.de Entwurf_Anzeige_Bodo_klein_03072020.indd 4

KoFabrik (Bochum) Die KoFabrik ist ein besonderer Ort für die Entwicklung des Viertels rund um den Imbuschplatz – wo sich Nachbarn, „ProjektmacherInnen“ und Unternehmen begegnen, sich über das Viertel austauschen und gemeinsame Pläne schmieden. Denn das soll eine gemeinwohlorientierte Entwicklung leisten: Aktivitäten, die das Viertel lebenswert machen, den gemeinsamen Lebensraum gestalten, die Menschen und Kulturen zusammenbringen, Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle ermöglichen und neue Lösungen für Probleme im Viertel bereithalten. www.kofabrik.de

KulturMeileNordstadt (Dortmund) Die KulturMeileNordstadt hat ihrerseits schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt. Ihr Weg durch die Dortmunder Nordstadt zeichnete ein Bild, das zunächst nur aus einzelnen Fragmenten bestand und sich nun, gleich einem Mosaik, zu einem Bildnis lebendiger Vielfalt in Kunst und Kultur erhebt. Der Zusammenschluss so vieler KünstlerInnen, Ateliers, Kulturorte, Theater, KulTouren, Cafés und gastronomischer Betriebe birgt in sich einen schier

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unermesslichen Reichtum an Möglichkeiten, sowohl für künstlerische Projekte als auch für gegenseitige Unterstützung und Vermarktung jedweder Kunst- und Kultursparten. www.kulturmeilenordstadt.de

literaturhaus.dortmund Das literaturhaus.dortmund ist ein Kulturort im Kreuzviertel. Es ist die ständige Vertretung der Dortmunder Literatur, des Vereins für Literatur und des LesArt.Festivals Dortmund. Hier wird ein Programm für Gäste aller Altersstufen, Sprachen und Länder geboten. Das literaturhaus.dortmund ist ein Ort aller Formen und Richtungen der Literatur, für Auge und Ohr, ein Ort der Kommunikation und Begegnung, für Lesungen und Performances, Film und Hörspiel und vieles mehr. www.literaturhaus-dortmund.de

LWL-Industriemuseum Zeche Zollern (Dortmund)

Kaum mehr vorstellbar ist heute, dass die schlossartige Anlage nach der Stilllegung in den 1960er Jahren abgerissen werden sollte. Wichtigstes Objekt im Kampf um den Erhalt war die Maschinenhalle mit dem eindrucksvollen Jugendstilportal. Der Erhalt des Vorzeigebaus aus Stahl und Glas 1969 rettete nicht nur die gesamte Anlage, sondern markierte gleichzeitig auch den Beginn der Industriedenkmalpflege in Deutschland. Die Dauerausstellung erzählt von der Geschichte des Bergwerks, von den Menschen, die hier arbeiteten, von den Gefahren unter Tage, den Wegen der Kohle und vielem mehr. www.zeche-zollern.lwl.org

Machbarschaft Borsig11 e.V. (Dortmund) Machbarschaft Borsig11 e.V. wurde im Juni 2011 als Verein gegründet mit dem

Ziel einer lokalen, multikulturellen Bürgergesellschaft. Der Verein praktiziert interkulturellen Austausch und kreative Stadtentwicklung, erprobt partizipative Gesellschaftsformen, faire Wirtschaftsund nachhaltige Lebensformen. Kinder und Jugendliche finden bei der Borsig11 Youngsters Akademie ein kreatives Betätigungsfeld. Borsig11 verfügt darüber hinaus über ein großes „Coworking Office“, einen Veranstaltungsraum, eine mobile Werkstatt, eine Givebox, eine Weltbücherei, eine Gästewohnung und über ein offenes Netzwerk, das unterschiedlichste Initiativen unter einem Dach vereinigt. www.borsig11.de

Matrix (Bochum) Am 1. November 1978 eröffnete der VfLBochum-Profi Rolf Blau den Rockpalast Bochum in einer ehemaligen Brauerei in Langendreer. Schon bald wurde der Rock Palast zu einer festen überregionalen Adresse für Rock-Fans. 1996 wurde das Gebäude vom Geschäftsführer der Rockpalast GmbH übernommen und zu einer mehrräumigen Veranstaltungslocation entwickelt. Der seit 1998 genutzte Name Matrix und auch der Rockpalast wurde beibehalten. Zunächst als einzelne Halle und seit 2014 auch als separat nutzbare Live- & Eventvenue. www.matrix-bochum.de

Bogen von der Ur- und Frühgeschichte bis zum 20. Jahrhundert. Die Dortmunder Stadtgeschichte, das Mittelalter, die Zeit der Industrialisierung, die zwanziger Jahre und auch das bäuerliche Westfalen werden hier noch einmal lebendig. www.mkk.dortmund.de

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Jugendhilfe St. Elisabeth

Essen & Lernen St. Antonius Deutsch, Mathe, Bio oder Geschichte … Helfen Sie Kindern in unserer Hausaufgabenbetreuung!

Musiktheater Piano (Dortmund) Das einstige Gasthaus „Zum Deutschen Haus“ beherbergt heute das „Musiktheater Piano“. Bereits 1873 war der östliche Teil des heutigen Baudenkmals als Bäckerei und Gasthaus mit dem klassizistischen Giebel errichtet worden. 30 Jahre später lohnte sich eine Vergrößerung der florierenden Gastwirtschaft. Ende der 1960er Jahren ging die Nachfrage im Gastbetrieb zurück. Doch Rockmusik weckte den prachtvollen Jugendstilsaal aus seinem Dornröschenschlaf. Als Ort für Musikveranstaltungen, besonders der Jazz, Blues- und Rockszene, ist das Piano inzwischen weit über Dortmund hinaus bekannt und beliebt. www.musiktheater-piano.de

Museum für Kunst und Kulturgeschichte (Dortmund)

Kulturgeschichte im Zeitraffer: An nur einem Tag mehrere Jahrhunderte durchschreiten? Genau das geht im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund. Die Exponate erzählen von vergangenen Zeiten, und wir schlagen einen

Nehmen Sie Kontakt auf

Martina Buchbinder Projektleiterin

Tel.: (0160) 74 42 333 E-Mail: Martina.Buchbinder@ jugendhilfe-elisabeth.de

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KULTURLANDSCHAFT

Nordpol (Dortmund) Mitten in der Nordstadt wurde ein Raum erschaffen, der nach eigenen Wünschen, Vorstellungen und Möglichkeiten verwaltet und verantwortet wird. Nordpol ermöglicht, soziale, politische und kulturelle Ideen zu verwirklichen – vom kommunikativen Thekenabend über den „Club des politischen Films“ bis hin zu politischer Arbeit oder Spaß an Party und Kunst. Gesunde Küche sowie gute Musik sind auch mit dabei. www.nrdpl.org Anzeigen

Orchesterzentrum|NRW (Dortmund) Das Orchesterzentrum|NRW in Dortmund ist eine gemeinsame Einrichtung der vier staatlichen Musikhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Detmold, Düsseldorf, Essen und Köln) und europaweit die erste hochschulübergreifende Ausbildungsstätte für künftige OrchestermusikerInnen. KonzertbesucherInnen und MusikinteressentInnen bietet das Orchesterzentrum|NRW die Möglichkeit, in zahlreichen öffentlichen Kammer- und Sinfoniekonzerten das klingende Ergebnis des Ausbildungsangebotes zu erleben. www.orchesterzentrum.de

Projektraum Fotografie (Dortmund)

handwerklich handwerklich ▪▪ regional regional ▪▪ ökologisch ökologisch

gutes BROT ▪▪ Hattinger HattingerStr. Str. 188, 188, 44795 44795 Bochum Bochum Tel. Tel. 0234 0234 –– 450 450 590 590

▪▪ Hattinger Hattinger Str. Str. 264, 264, 44795 44795 Bochum Bochum (im (im denn‘s denn‘s Biomarkt) Biomarkt) Tel. Tel. 0234 0234 –– 588 588 708 708 87 87

www.hutzelbrot.de

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Der Projektraum Fotografie ist ein Raum für Möglichkeiten. Er ist Atelier, Fotolabor, Veranstaltungsort, Bibliothek, Ausstellungsraum, Ort der Begegnung und eine unabhängige Plattform für Fotografie und Kunst. 2010 initiierten drei Fotografen den Raum im Dortmunder Union Gewerbehof. Selbstkuratierte Ausstellungen bilden das Fundament des Programms. www.projektraumfotografie.de

Rekorder (Dortmund) Was 2012 als einmaliges Kunst-, Kulturund Musikfestival startete, hat 2013 mit der Gründung des gemeinnützigen Kunstund Kulturvereins „tonbande e.V.“ klare Formen und tiefgehende Strukturen angenommen. Seit Juli 2013 hat die tonbande mit dem Rekorder ihr eigenes Zuhause. Der Rekorder, das ist ein Kunst- und Kulturort, der etwa zweimal die Woche seine Türen öffnet, um eine Plattform für Kreativität und Kollektivität zu ermöglichen. So finden sich im Rekorder vor allem Konzerte, aber auch Partys und Lesungen, Diskussionen und Themenabende rund um gesellschaftliche Fragen. www.rekorder.org

Roto Theater (Dortmund) Im Januar 1998 wurde das Roto Theater von Barbara Kleyboldt und Rüdiger Trappmann gegründet. Am 14. Oktober 1998 trat das Roto Theater mit der musikalischen Revue „Love‘s shadow“ mit Barbara Kleyboldt und der Akkordeonistin Sylke Meissner zum ersten Mal mit einer Premiere in der Zeche Zollern II/IV an die Öffentlichkeit. Im Mai 2000 folgte die erste Inszenierung des Ensembles des Roto Theaters mit dem Stück „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth. Das Ensemble des Roto Theaters besteht aus ehemaligen SchülerInnen der Theaterschule Là Bouche. Zu den Schwerpunkten des Spielplans gehören Dichterportraits und musikalische Revuen. www.rototheater.de

Schiller 37 (Dortmund) „Schiller 37“ hat seine Adresse zum Namen gemacht und ist eine Art „Vereinssitz“ mit öffentlichem Programm – Kultursalon und „Wohnzimmer“ zugleich. Die räumlichen Möglichkeiten des Schiller 37 werden bisher für Konzerte, Kreativangebote und Workshops genutzt: Im Kultursalon


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Transnationales Ensemble Labsa (Dortmund) Seit 2007 agiert der gemeinnützige Verein in Dortmund als Plattform für künstlerische Projekte im Ruhrgebiet. Angetrieben von der Idee, ihre städtische Umgebung mitgestalten zu wollen, realisierten die KünstlerInnen partizipative Projekte im öffentlichen Raum. Seit 2015 entwickeln die KünstlerInnen vor allem Projekte, die zur Offenheit für das Anderssein, zur Bereitschaft des uneingeschränkten Voneinander-Lernens und zur Akzeptanz der Unsicherheit beitragen. Die Suche nach einer künstlerischen Sprache der Gleichberechtigung steht im Vordergrund. www.labsa.de finden monatlich Konzerte im Wohnzimmerformat statt – von Singer-Song-Writer über Jazz, Klassik, Weltmusik bis zu Lesungen mit Musik. Neu dazu kommt die Reihe „Nordakustik“, einmal im Monat als Akustik-Konzert und -Session gedacht. Jede Woche gibt es zudem offene Abende für Mitglieder, Freunde und andere Interessierte. www.schiller-37.jimdofree.com

Situation Kunst (Bochum) Situation Kunst (für Max Imdahl), Teil der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität, ist ein Gebäude-Ensemble im Park von Haus Weitmar in Bochum mit zahlreichen Künstlerräumen von beispielsweise Richard Serra, Arnulf Rainer, Jan Schoonhoven, Norbert Kricke oder Lee Ufan. Die Gesamtanlage ist so konzipiert, dass sich Kunst, Architektur und Natur dialogisch aufeinander beziehen. Seit 2015 bietet das Museum unter Tage (MuT) weitere 1.500 qm Ausstellungsfläche. www.situation-kunst.de

Soziales Zentrum Bochum Der freiraum e.V. hat sich 1985 gegründet zum Zweck „staats- und gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit durch Abhaltung von Seminaren und ähnlichen Veranstaltungen“, der Verstärkung des Zusammenwirkens „mit gleichgesinnten Menschen im In- und Ausland“ und der Unterhaltung „einer Begegnungsstätte als politisch-kulturelles Zentrum“ (im Wortlaut der Satzung des freiraum e.v. §2, abs. iia-c). Im „Sozialen Zentrum“ werden die auf diese Ziele ausgerichteten Aktivitäten gebündelt und ein aktives Vereinsleben ermöglicht. Die Veranstaltungen werden vorrangig von Arbeitsgruppen des Vereins organisiert und sind ein Angebot an die Vereinsmitglieder. www.sz-bochum.de

Trinkhalle (Bochum)

Mit neuem Logo, einem komplett neu designtem Programmheft sowie neuer Hoffnung auf Live-Veranstaltungen mit euch, liebes Publikum, starten wir in das neue Jahr! Hofft mit uns und zwar auf: 13.03.2021 Check Your Head IV mit Samavayo, Scorched Oak und Wayne Campbell and the Dreamcatchers

In der Trinkhalle bekommt man neben einer großen Auswahl verschiedenster Biersorten aus dem In- und Ausland, Soleiern und Biofrikadellen auch Wissenswertes und Kulturelles serviert. Bei der Bierakademie referieren Fachkundige über das Brauen, beim Flohmarkt BIERinFlaschen + VINYLinSCHEIBEN lässt es sich entspannt durch Plattenkisten stöbern, und die Ping Pong Gallery in der Trinkhalle präsentiert regelmäßig Ausstellungen, die thematisch entweder einen Bezug zur Trinkhalle oder dem Ruhrgebiet herstellen. Herner Str. 8, 44787 Bochum

ZEITMAUL Theater (Bochum) Das 2008 vom Bochumer Autor Witek Danielczok in Zusammenarbeit mit Darek Ziaja gegründete ZEITMAUL ist eines der wenigen Autorentheater Deutschlands. Maßgeblich prägen Texte und Ideen von Witek Danielczok die Arbeit auf der Bühne, die im Jahr 2015 ein neues Zuhause direkt am Nordring in der Bochumer Innenstadt fand. Als literarisches Theater, als Uraufführungstheater, als Theater der Monologe und nicht zuletzt als Musiktheater etabliert das ZM seinen festen Platz in der Bochumer Theaterlandschaft. www.zeitmaultheater.de

16.- 20.03.2021

Alle weiteren Updates und Infos zu Veranstaltungen sowie unser abwechslungsreiches online-Programm findet ihr hier:

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna Die Sammlung des Zentrums für Internationale Lichtkunst in der ehemaligen Lindenbrauerei besitzt Modellcharakter und bietet dieser zeitgenössischen Kunstform seit 2001 eine Fläche von 2.600 Quadratmetern. Seinen einzigartigen Charakter erhält das Museum durch die Konzentration auf den installativen Aspekt der Lichtkunst. Jede der Lichtinstallationen wurde eigens für die Räume vor Ort geschaffen. www.lichtkunst-unna.de

facebook.com/DietrichKeuningHaus keuninghausofficial YouTube "Keuninghaus to Go" Dietrich-Keuning-Haus Leopoldstr. 50-58 | 44147 Dortmund Fon 0231 50-25145 | Fax 0231 50-26019 33


BODO GEHT AUS

Omi backt! Hunscheidtstraße 61 44789 Bochum

Omi backt … auch vegan

Bei „Omi backt!“ ist drin, was drauf steht. Inhaberin Katharina Hallepape, die das gemütliche Café im Bochumer Ehrenfeld im Frühjahr übernommen hat, beschäftigt tatsächlich Omis, also ältere Frauen, aus dem Viertel, die Kuchen nach Familienrezept backen. „Eigentlich habe ich hier nur ausgeholfen“, erzählt Katharina Hallepape, „aber als die beiden Gründer auf hören wollten, habe ich beschlossen, das Café zu übernehmen.“ Anders als ihre Vorgänger hatte sie schon langjährige Gastronomie-Erfahrung, leitete unter anderem Filialen von Baseburger in Wattenscheid und Lünen. Nach der Arbeit in den größeren Betrieben war ihr eine Verkleinerung wichtig – ein Laden, „wo ich vieles allein machen kann, wo ich mich auf mich selbst verlassen kann.“ Obwohl ihr Start mitten in den Beginn der Corona-Maßnahmen fiel, hat sich Katharina Hallepape jetzt allerdings auch bei „Omi backt!“ ein kleines Team aufgebaut, auf das sie sich verlassen kann. Und eine Stammkundschaft von jung bis alt, die sich Kuchen, Quiches, Kaffee und andere Heißoder Kalt-Getränke und bei besseren Temperaturen Eis am Schaufensterverkauf

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Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski holt. Zum Team gehört unter anderem die 66-jährige Elisabeth, die Familienrezepte wie den Zebrakuchen (einen saftigen Marmorkuchen) backt und am Nikolaustag im Kostüm im Fenster stand. Zwei Gastrotrends macht die Inhaberin gerne mit: „Ich probiere gerne vegane Rezepte, weil das viele Kunden wünschen“, erzählt sie, „und andere, die erst skeptisch sind, sind oft positiv überrascht, wenn sie vegane Kuchen oder anderen Backwaren probieren.“ Außerdem experimentiert sie gern mit glutenfreien Mehl-Alternativen,

weil sie selbst gemerkt hat, dass sie glutenhaltige Speisen nicht so gut verträgt. Im Moment gibt es bei „Omi backt!“ meistens zwei feststehende, deftige Mittagsgerichte: zum Beispiel eine vegane Tomatentarte und einen Zwiebelkuchen mit Speck. Wenn die Corona-Maßnahmen irgendwann vorbei sind, möchte Katharina Hallepape gerne auch mehr wechselnde Gerichte wie Eintöpfe anbieten. Und ihr schwebt auch ein Programm für die Menschen im Viertel vor: Lesungen, Häkelkurse, Singer-Songwriter-Abende. Aber solche Ideen sind momentan natürlich ungewisse Zukunftsmusik.


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Winterlicher Gewürzkuchen Für den Kuchenteig: 250g Mehl 200g Zucker 50g gemahlene Mandeln/ Haselnüsse 50g Kakao (optional) 250 Butter (flüssig) 4 Eier 125ml Milch 2 EL Vanillezucker 2 EL Backpulver 2 TL Zimt ½ TL Nelken (gemahlen) 1 Prise Salz 1 Prise Kardamom 1 Prise Muskatnuss geriebe Orangenund Zitronenschale Für den Guss: 200g Puderzucker 2 EL Wasser oder 2 EL Glühwein oder 1 EL Zitronensaft und 1 EL Rum Zubereitung: Ofen vorheizen auf 180 Grad Umluft. Den Teig in einer runden Form auf der mittleren Schiene 50 bis 60 Minuten backen. Abkühlen lassen, mit Guss bestreichen und dekorieren, zum Beispiel mit Sternanis, Zimtstange, gebrannten Mandeln.

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REPORTAGE

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Wasserrecycling im Klärwerk

Zurück in die Natur Vom Deusenberg aus, einer über die Jahrtausendwende rekultivierten Mülldeponie, hat man einen guten Blick auf die beiden eiförmigen Faultürme der Kläranlage im Dortmunder Nordwesten. Zwischen der Halde und der Anlage fließt die Emscher, parallel dazu verläuft der Emscher-Weg. Was man vom Weg aus kaum erkennen kann: Addiert fließt im Flüsschen ab Höhe der Türme etwa fünfmal so viel Wasser Richtung Rhein wie oberhalb. Das Bett der Emscher ist entsprechend modelliert, der Zufluss gleichwohl unspektakulär gestaltet. Weder sieht man mächtige Rohre noch vernimmt man ein tosendes Rauschen. Dabei ist die Kläranlage großzügig dimensioniert. Pro Sekunde kann sie zwischen vierhundert und viertausendfünfhundert Liter Wasser verarbeiten, wie Betriebsmeister Marc Wehling erläutert. Zu behaupten, die Emscher habe ihren eigentlichen Ursprung in einer Abwasserreinigungsanlage, wäre also nicht einmal vermessen.

Herkulesaufgabe Man muss nicht weit zurückblicken, da galt die Emscher als schmutzigster Fluss Deutschlands. Sie allein war die berühmt-berüchtigte Kloake des Ruhrgebiets. Abwasser aus privater wie gewerblicher Herkunft wurde ihr lange Zeit ungeklärt zugeführt. Gereinigt wurde die toxische Brühe kurz vor der Mündung in den Rhein. Bei Duisburg wurde 1965 eine erste auch biologische Großkläranlage in Betrieb genommen. Ein Meilenstein, der aber die Zustände am Fluss nicht änderte. Die Chance, sie buchstäblich wieder ins Reine zu bringen, ergab sich aus dem Strukturwandel im Revier und damit einhergehend dem Ende der Bergsenkungen. Das größte Infrastrukturprojekt Nordrhein-Westfalens wurde auf den

Links: Bernd Möhring (l.), Betriebsmanager der Genossenschaft für das östliche EmscherGebiet, und Marc Wehling, Betriebsmeister der Deusener Anlage, erklären die Abläufe der Anlage, deren eiförmige Faultürme eine Landmarke im Dortmunder Nordwesten sind.

Sauberes Wasser kommt per Leitung aus dem Wasserwerk. Weder ein privater Haushalt noch ein Gewerbe- oder Industriebetrieb würde ohne dieses Wasser funktionieren können. Und dann, nach Gebrauch, verschwindet es im Abfluss, im Siphon oder in einem Ablassrohr. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber es verschwindet ja nicht wirklich. Durch ein komplexes Kanalsystem wird es in die nächstgelegene Kläranlage geleitet. Betreiber mehrerer Klärwerke der Region ist die Emschergenossenschaft. Eine ihrer großen Anlagen steht in Dortmund-Deusen. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Weg gebracht: die naturnahe Umgestaltung des gesamten Emscher-Systems. Bei diesem Unterfangen bekommen die Emscher sowie sämtliche ihrer Zuläufe unterirdische Zwillinge. Dreh- und Angelpunkte im gigantischen Röhrengefüge sind mehrere Stationen, in denen das Abwasser aufgearbeitet wird. Die Herkulesaufgabe soll im kommenden Jahr abgeschlossen sein. „Man hat verschiedene Varianten durchgespielt, mit denen der Umbau wasserwirtschaftlich sinnvoll zu bewerkstelligen wäre“, resümiert Bernd Möhring, Betriebsmanager der Genossenschaft für das östliche EmscherGebiet. „Anfangs waren fünf Klärwerke im Gespräch. Bedingt durch den Rückgang der Schwerindustrie wurden schließlich drei Standorte am Hauptstrom für notwendig erachtet. Den vierten am Altarm der Emscher bei Duisburg gab es bereits. Die Anlage hier in Deusen ist die erste im Verlauf der Emscher. 1994 wurde sie in Betrieb genommen und zwischen 2007 und 2009 noch einmal erweitert.“

130 Jahre Ein Gutteil der Abwassermenge gelangt durch den Hauptkanal entlang der Emscher ins Klärwerk. Andere große Zuströme stammen aus dem westlichen Dortmund (Rossbach) und natürlich aus der Nordstadt, dem Aalbachverlauf folgend. Letzterer ist diesbezüglich historisches Terrain. Bereits im Januar 1888 beschrieb der damalige Dortmunder Stadtbaurat Carl Marx in der Deutschen Bauzeitung eine hier projektierte mechanisch wie chemisch arbeitende Kläranlage. Ihre Aufgabe war es,

Oben: In der biologischen Reinigungsstufe zersetzen Bakterien die nicht absetzbaren Stoffe und wandeln sie in Schlamm um, der in den Faultürmen zur Gasgewinnung genutzt wird.

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REPORTAGE

das Abwasser nahezu aller Dortmunder Haushalte, sie zählten damals etwa 81.000 Menschen, sowie vor allem das der Brauereien zu säubern. Luftaufnahmen aus den 1920er Jahren zeigen noch den Betrieb, der später aufgegeben wurde. Er lag in unmittelbarer Nähe zum heutigen Werk, in welchem aktuell das Abwasser von über 300.000 Menschen geklärt wird. Das heißt aber auch, dass nicht alle Dortmunder hier angeschlossen sind. Abwasser, welches unterhalb von Deusen aufkommt, wird in den besagten Abwasserkanal Emscher eingeleitet und in der nächsten Kläranlage des Systems aufbereitet, in Bottrop. Östliche Stadtteile liegen im Einzugsbereich der Lippe. Wie erwähnt, und nicht anders als bereits vor hundertdreißig Jahren, gelangt neben dem privaten Abwasser auch ebensolches aus Gewerbe und Industrie ins Klärwerk. Selbstredend muss dort bekannt sein, welche Substanzen im Zuge der Produktion eingeleitet wurden. „Das wird über das so genannte Indirekteinleiterkataster geregelt“, erläutert Bernd Möhring. „Dieses

Kataster hilft beim Erfassen, Bewerten und Kontrollieren von nicht häuslichem Abwasser. Vieles läuft dabei im engen Zusammenspiel mit unseren kommunalen Mitgliedern. Wenn sich bei den Betrieben Änderungen ergeben, sind die Mitgliedskommunen im unmittelbaren Austausch beteiligt. Ab einer gewissen Größe sind die Unternehmen selbst Mitglied der Genossenschaft und werden als solche direkt von uns veranlagt.“

Drei Stufen Eine dritte Abwasserkategorie wurde bisher noch nicht erwähnt, verantwortlich für die notwendige, recht große Spanne zwischen den genannten vierhundert und viertausendfünfhundert Litern. Peaks gibt es zwar auch bei privaten und gewerblichen Einleitungen, die entscheidenden Pegelunterschiede aber liefert die Natur in Form von Regenwasser, das von den Straßen über Gullys in die Zuläufe gelangt. Bei Starkregen sind das mitunter mehr als die viertausendfünfhundert Liter pro Sekunde. „Dann passiert das, was wir ‚Mischwasserabschlag‘ nennen“, sagt Bernd Möhring. „Dann wird

Oben: Blick vom Deusenberg auf das Klärwerk und die beiden Faultürme. Im Hintergrund die Dortmunder Innenstadt.

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stark verdünntes Regen- und Schmutzwasser in das Gewässer abgeschlagen, damit es nicht die Kläranlagen überfluten kann. Ab einer bestimmten Menge wäre diese nämlich überfordert. Das Wasser ist dann aber so weit verdünnt, dass es in der Ökologie keinen Schaden anrichtet. Die technische Alternative wäre ein Trennsystem, das es in anderen Regionen durchaus gibt. Das ist aber nicht unbedingt das ökologischere System, weil dort verdrecktes Regenwasser selbst bei kleineren Regenereignissen nicht der biologischen Reinigung zugeführt wird, was bei uns aber stets der Fall ist.“ Im Normalfall durchläuft in einem Mischwassersystem alles Schmutzwasser alle Stufen der Kläranlage. „Es beginnt mit der mechanischen Reinigung in zwei Rechengewerken“, schildert Marc Wehling. „Hier stehen wir bereits vor einer enormen Herausforderung. Viele Menschen wissen nicht, dass ‚feuchtes Toilettenpapier‘ nicht aus Papier besteht, das sich unterwegs zersetzen würde, sondern aus Kunststoff. Gemeinsam mit Binden, die unsachgemäß in der Toilette entsorgt werden, verstopfen sie die Pumpen und die Rechen, die Sie sich wie große Kämme vorstellen dürfen. Zudem erhöhen diese Kunststoffe den Mikroplastikanteil im Wasser. Im System folgen Sandfang und Vorklärung, wo sich Sedimente absetzen. Dann geht es in die biologische Stufe, die größte unserer Anlage. In ihr zersetzen unterschiedliche Typen von Bakterien die nicht absetzbaren Stoffe und wandeln sie in Schlamm um.“ In Planung befindet sich eine weitere, die sogenannte vierte Reinigungsstufe. Sie soll in der Lage sein, zukünftig auch Spurenstoffe von beispielsweise Medikamenten auszufiltern. Wenn das vormalige Abwasser sauber in die Natur zurückgegeben ist, müssen noch die Abfallstoffe entsorgt beziehungsweise weiterverarbeitet werden. Die Schlämme werden zur Gasgewinnung in die Faultürme befördert. Festere Reststoffe werden in speziellen Anlagen verbrannt und dienen so der Energiegewinnung. Ein interessantes Forschungsprojekt beschäftigt sich derzeit mit der Rückgewinnung von Phosphor aus Verbrennungsrückständen. Geforscht wird an der Kläranlage aber auch in einem ganz anderen Bereich. Bernd Möhring: „Aktuell untersuchen wir, ob mittels Abwasseranalyse lokale Corona-Ausbrüche vorhergesagt werden können. Wir sind als Partner an diesem spannenden Projekt beteiligt.“


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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Das neue Jahr wird eines ändern. Angela Merkel wird Geschichte. Sie hat im Herbst dann so lange regiert wie einst Helmut Kohl. Was war das grausam damals, schon zu Beginn. Ich kannte ein Kleinkind, das konnte 1983 zwei Sachen sagen, „Mama“ und „Bunskanzler Koh“. Der Unterschied: Nach 16 Kohljahren sehnte sich 1998 das komplette Land den Wechsel herbei. Nur die CDU feierte noch das Auslaufmodell aus der Pfalz. Bei Merkel ist es umgekehrt. Außerhalb der Partei möchte man sie zum VfL Bochum der Politik machen, zur „Unabwählbaren“, innerhalb sehnt man sich nach mehr Schwarz, mehr Konservativem. Außerhalb der CDU wundert man sich über jenes Dreigestirn, das sich jetzt im Januar um die Nachfolge bemüht. Laschet, Röttgen, Merz, dreimal NRW, dreimal katholischer Landstrich. Das könnte witzig im karnevalistischen Sinne sein. Hier ist es nicht ganz umgekehrt. Das Kölner Dreigestirn findet sich selbst brüllekomisch, nur kann schon hinter Wuppertal keiner mehr drüber lachen. Die CDU-Troika nimmt sich selbst irre ernst. Außerhalb findet man sie komisch, mag aber nicht mal verzweifelt lachen. Wer Sehnsucht nach dem unbestimmten Damals hat, kann sie einfacher stillen als durch die Wahl von Friedrich Merz. IrgendMartin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

wo im Netz finden sich immer Familienserien aus der VorLindenstraßen-Zeit. Zur Not einfach mal zehn Stunden Schwarzwaldklinik am Stück gucken und vorher die Farbe rausdrehen.

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Armin Laschet, der zweite Kandidat, irrlichtert konsequent durch die Krise. Am dritten Advent sagte er: „Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben in den letzten Monaten bereits viel hinnehmen und aushalten müssen.“ Nein, das war dann doch keine Selbstkritik, sondern nur Wortweihrauch. Wenn zwei sich streiten, freut sich anderswo der Dritte. Bei der CDU fragt man sich, woher man diesen Dritten noch mal kennt. Dabei wäre Norbert Röttgen, chancenlos, wahrscheinlich die bessere Wahl.

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REPORTAGE

Wie dubiose Vermittler ausländische Pflegekräfte zur Ware machen Anderthalb Jahre lang schuftet Johanna Salinas für einen Traum, der in Deutschland nach wenigen Wochen scheitern wird. Als Pflegekraft im Ausland will sie sich und ihrer Familie ein neues Leben auf bauen. Die Pflegerin kündigt ihre Arbeit in einem Krankenhaus ihrer Heimatstadt im Süden Kolumbiens. Mit voller Energie verschreibt sie sich stattdessen dem Deutschlernen. Sie nimmt einen Kredit auf, um die Gebühren für die Prüfungen zu bezahlen. Sie stimmt ihre Kinder auf ein neues Leben ein. Anfang 2020 ist es so weit. Johanna Salinas reist nach Deutschland und beginnt in einer Hamburger Klinik zu arbeiten. Doch der neue Alltag ist anders als erwartet. „Schon in Kolumbien habe ich gespürt, dass der Vermittler keine Erfahrung hatte. Aber ich beschloss, ihm einen Vertrauensvorschuss zu geben“, sagt Johanna Salinas, die eigentlich anders heißt, heute im Gespräch. „Ich musste seine Unerfahrenheit am eigenen Leib erfahren.“ Nach wenigen Tagen in Deutschland verzweifelt die Krankenschwester. Ihr Deutsch, für das sie so hart gearbeitet hat, reicht nicht für die Arbeit. Das macht ihre neuen Kollegen oft wütend. Ihr Visum ist nur kurze Zeit gültig, der Arbeitgeber und der Vermittler lassen sie mit der Bürokratie der Behörden alleine. „Das Krankenhaus hat mich überhaupt nicht unterstützt“, sagt Salinas. Zudem verweigern die Banken ihr ein Konto. Eine Bank sagt, sie als Kolumbianerin könne ja Drogenhändlerin oder Mitglied einer Guerilla sein. Am Ende fragt sie ihren früheren Chef in Kolumbien, ob sie ihre alte Arbeit wieder haben könne und kauft nach nur einem Monat in Deutschland ein Flugticket zurück in ihre Heimat.

FRAGWÜRDIGE VERMITTLER Die Corona-Pandemie macht ein schon zuvor drängendes Problem endgültig augenfällig: Deutschland hat zu wenig Pflegekräfte. Die Folgen des Personalnotstandes sind alarmierend: Unterbesetzung und ständige Überstunden gefährden nicht nur die Versorgung der Patienten, sondern treiben Pflegekräfte auch aus dem Beruf. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass in Abteilungen mit weniger Personal die Sterberate steigt. 40

Die zweite Welle der Corona-Pandemie verdeutlicht gerade, wie kritisch der Mangel an Pflegekräften ist. Eine Recherche von CORRECTIV und weiteren Partnern zeigt: Verzweifelte Krankenhäuser versuchen, Pflegekräfte in Südamerika, auf dem Balkan und in Asien anzuwerben. Ein lukratives Geschäft für Vermittler – von denen einige Geschäfte um jeden Preis machen. Ein Preis, den die Pflegekräfte zahlen. Von Olaya Argüeso und Frederik Richter Foto: Fabrizio Bensch / Reuters

In einer aufwändigen Recherche hat CORRECTIV gemeinsam mit Partnern in Kolumbien, Mexiko, Serbien und Spanien sowie mit Lokalzeitungen in Deutschland recherchiert, wie in diesem Pflegenotstand weltweit nach Fachkräften gesucht wird und wie brutal das Vermittlungsgeschäft für die Opfer sein kann. 1,7 Millionen Pflegerinnen und Pfleger arbeiteten 2018 in deutschen Gesundheitseinrichtungen, aber das reicht nicht. Laut einer Schätzung des Bundesinstituts für Berufsbildung werden im Jahr 2035 bundesweit 270.000 Kräfte fehlen. Krankenhäuser suchten schon vor der Pandemie verzweifelt Personal, das sie in Deutschland nicht finden. Und auch im Ausland ist es schwierig genug, überhaupt noch Pflegekräfte anzuwerben. Auf dem Balkan und in Südeuropa gibt es kaum noch verfügbares Personal. Daher suchen die Krankenhäuser in immer ferneren Ländern, in Südamerika und Asien.

KOPFPRÄMIE FÜR PFLEGERINNEN Bis zu 15.000 Euro zahlen Kliniken als Kopfprämie an Vermittler, die sich weltweit auf die Jagd nach gut ausgebildetem Fachpersonal begeben. Aber das Versprechen von einem neuen Leben ist an fragwürdige Konditionen geknüpft. Zu spüren bekommen die Pflegerinnen und Pfleger das, wenn sie den Arbeitgeber wechseln wollen. Dann müssen sie die Kosten ihrer Anwerbung erstatten – ihre Zeit in Deutschland beginnt also mit einer Schuld, die sie abtragen müssen.


„Das grenzt meiner Meinung nach schon teilweise an modernen Menschenhandel, wie man mit den Nöten und Sorgen der Menschen umgeht und daraus eben Profit schlägt“, sagt Isabell Halletz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte. Die Zahl der Anerkennungsanträge von Abschlüssen aus NichtEU-Staaten steigt seit einigen Jahren rasant. Beantragten 2012 noch weniger als 500 ausländische Pflegekräfte eine Zulassung in Deutschland, waren es 2019 schon etwa 12.000. Damit boomt auch das Vermittlungsgeschäft von mehr als hundert Millionen Euro im Jahr. Ein weitgehend unregulierter Markt. Der aktuelle Boom zieht auch unseriöse Geschäftsleute an, die mit falschen Versprechungen arbeiten. Bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte gibt es ein wiederkehrendes Problem: Die Kosten für den Sprachkurs, die Reise nach Deutschland, das Anerkennungsverfahren und die Vermittlungsgebühren summieren sich pro Pflegekraft auf einen fünfstelligen Betrag. Krankenhäuser fürchten, dass sich die Ausgaben nicht lohnen, weil die ausländischen Beschäftigten nur einige Monate bleiben und dann zurückreisen oder zu einem anderen Arbeitgeber wechseln könnten. Manche Krankenhäuser wie auch Vermittler bürden dieses Risiko vollständig den Pflegekräften auf: Sie sollen Knebelverträge unterschreiben, damit sie diese Kosten in solchen Fällen selber tragen müssen, sollten sie ihren Arbeitsplatz wechseln.

KNEBELVERTRÄGE CORRECTIV konnte Unterlagen einsehen, die mehrere Fälle belegen. Meistens geht es um etwa 15.000 Euro, die so etwas wie die aktuellen Standardkosten für die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte zu sein scheinen. In einem Fall stellte ein Krankenhaus einer asiatischen Pflegerin, die kündigen wollte, neben den Kosten für Deutschstunden und Reisen sogar den Lohn in Rechnung, den das Krankenhaus während ihrer Einarbeitung ihren Kollegen zahlte – „Praxisanleiterstunden“ nannte das Krankenhaus das. In extremen Fällen verpflichten Krankenhäuser Pflegekräfte, fünf Jahre bei ihnen zu arbeiten, wie CORRECTIV vorliegende Verträge zeigen. Kündigen sie vorher, müssen sie Kosten von ebenfalls etwa 15.000 Euro anteilig zurückzahlen. In einem Vermittler-Vertrag legt eine Klausel fest, dass die Pflegekraft während des Deutschkurses maximal fünfzehn Tage krank sein darf. Sonst verliert der Vertrag, geschlossen mit Pflegekräften, die ihr Leben in ihrer Heimat bereits aufgegeben haben, seine Gültigkeit. Auch in einem weiteren von CORRECTIV und seinen Partnern recherchierten Fall hat ein Kleinunternehmer versucht, auf dem boomenden Vermittlungsmarkt schnelles Geld zu verdienen und dabei das ganze Risiko auf die Pflegekräfte abgewälzt. Dieser arbeitet mit einer Klinik in Ostbayern zusammen, die neue Pflegekräfte

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REPORTAGE

im Ausland suchte. Anfang des Jahres begann eine Gruppe mexikanischer Pflegekräfte ihren Dienst in einer Einrichtung des Unternehmens. Doch zuvor mussten sie auf dem Weg in ein neues Leben in Deutschland nach Recherchen von CORRECTIV erst einmal einen kuriosen Umweg einlegen. Denn der Sprachkurs, den die in Dortmund ansässige Vermittlerfirma arrangierte, fand in Bosnien und Herzegowina statt. Anstatt also nach dem Unterricht an der Kasse eines deutschen Supermarkts die neu gelernten Wörter direkt anzuwenden, schnappten die Pflegekräfte während ihrer sechs Monate in Banja Luka erst einmal etwas Bosnisch auf. Banja Luka versucht, sich als Ausbildungsstätte für internationale Pflegekräfte mit dem Ziel Deutschland zu etablieren. Arbeitsrechtlerinnen halten Verträge von der Vermittlungsfirma mit den Pflegekräften teilweise für nicht rechtens. Etwa wenn sich Pflegekräfte verpflichteten, die Kosten ihrer Anwerbung – 15.000 Euro unter anderem für Vermittlungsgebühr und Kosten der Sprachkurse – den Kliniken anteilig zurückzuzahlen, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren den Arbeitgeber wechseln. Christiane Brors, Professorin für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Oldenburg, ist deutlich in ihrer Bewertung der Verträge: „Das ist moderne Schuldknechtschaft. Wie soll ein Arbeitnehmer, der

vielleicht etwas mehr als den Mindestlohn verdient, solche Summen zurückzahlen?“ Die Pflegekräfte, die ihre Heimat aufgegeben haben, wären also erst einmal für fünf Jahre an einen Arbeitgeber gekettet. Gewerkschaften und Parteien fordern, den Pflegeberuf durch ein erhöhtes Gehalt attraktiver zu machen. Expertinnen sehen eine Lösung darin, die Kosten für die teure Anwerbung ausländischer Pflegekräfte vom Sozialsystem aufzufangen. Dann wären womöglich Pflegekräfte wie die Kolumbianerin Johanna Salinas besser vor Ausbeutung geschützt. Im aktuellen System hat Deutschland nicht nur Probleme, die Fachkräfte im eigenen Land abzusichern. Deutschland nimmt auch anderen Ländern Pflegekräfte weg, die diese mitunter für die Versorgung im eigenen Land benötigen. Denn nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat sich der Mangel an Pflegepersonal weltweit verschärft.

INFO

„Nurses for Sale“ ist eine von dem Recherchezentrum CORRECTIV koordinierte Recherche. Redaktionen aus fünf Ländern in Europa und Lateinamerika haben an der Recherche über die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte durch deutsche Krankenhäuser teilgenommen. Alle Ergebnisse finden Sie auf auf correctiv.org. CORRECTIV arbeitet gemeinnützig und finanziert sich über Spenden.

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Zwischenbilanz Der eigentliche Modus der Pandemie ist Echtzeit: die täglichen Bulletins des RKI, die sich noch nie in solcher Taktung überschlagenden Erkenntnisse der weltweiten Wissenschafts-Community, atemloser Journalismus, ebenso atemlos hinter den Erkenntnisständen herhinkende Politik und Bürokratie. Die Frage, was das Langsamkeitsmedium Buch an dieser Stelle beitragen kann, ist mit Blick auf die Bestsellerlisten ernüchternd. Das wohl meistverkaufte Buch zur Krise ist die Bullshit-Polemik des Ehepaars Reiß / Bhakdi mit dem Titel „Corona Fehlalarm?“ Na, wunderbar. Dass (Zwischen-)Ergebnissicherung und Reflexion zwischen zwei Buchdeckeln durchaus einen Wert haben, zeigt der vielstimmige Sammelband „Virenregime“, erschienen bei bahoe books in Wien. In drei Teilen untersuchen Wissenschaftler- und AutorInnen die politischen und sozialen Folgen der Pandemie. Nach einem Block zu globalen Großtrends und Fragen nach den Chancen für eine progressive Politik folgen erhellende Länderberichte und eine eigene Sektion zu Österreich, die aus deutscher Perspektive wegen der Gleichzeitigkeit von Nähe und Differenz ebenfalls hochspannend ist. „Virenregime“ ist ein Zwischenstand, eine Flaschenpost und die Aufforderung, die politische und soziale Gestaltbarkeit der Welt wieder in den Blick zu nehmen. Thomas Schmidinger, Josef Weidenholzer Virenregime. Wie die Coronakrise unsere Welt verändert. Befunde, Analysen, Anregungen ISBN: 978-3-903290-33-4 Bahoe Books | 524 S. | 24 Euro

Straßenroman In Romanen schlurfen Obdachlose als Kolorit durch Großstadtkulissen, im Krimi sind sie klischeehafte Handlungstreiber; da, wo man es vorgeblich ernster mit ihnen meint, sind sie Projektionsfläche antibürgerlicher Lebensentwürfe. Freiheit, Moral, weiser Wahnsinn, diesdas. Wird hingegen realistischer erzählt, entstehen, vorsichtig formuliert, nicht die bedeutenden literarischen Texte. Was Markus Ostermair in seinem Debüt erreicht, ist deshalb im wahren Sinne unerhört. „Der Sandler“ ist ein Roman in der Münchner Szene, mit Obdachlosen als Protagonisten, beeindruckend kenntnisreich, psychologisch genau und literarisch auf allerhöchstem Niveau. Ostermair findet eine Sprache für die Härte, die Langeweile und das Misstrauen und für die Momente von Nähe und Solidarität. Er traut seinen Protagonisten, beschreibt die Komplexität der inneren Konflikte, von Schuld und Enttäuschung: Wer sich u.a. fragt, warum Menschen vor dem Weg aus der Unerträglichkeit der Straße zurück in eine Wohnung zurückscheuen, findet hier eine literarische Antwort. „Der Sandler“ ist ein großer Roman. An ihm, schrieb die Schriftstellerin Michaela Maria Müller in der taz, „wird es lange Zeit kein Vorbeikommen geben, wenn von Obdachlosigkeit in Deutschland die Rede ist.“ Markus Ostermair | Der Sandler ISBN: 978-3-95510-229-6 Osburg | 350 S. | 20 Euro

Krisenkunst In der ersten Corona-Welle tauchten in Dortmund niedliche und etwas unförmige Geister an Hauswänden auf, schnell waren es mehrere hundert. Sie trugen die damals noch irritierenden Gesichtsmasken. HausbesitzerInnen schäumten, Eltern machten mit ihren Kindern Geister-Schnitzeljagden durch ihr Viertel, die Tageszeitung tat den Künstler auf, der nicht nur im Hinblick auf seine Anonymität sagte: „Was ist ein Held ohne Maske?“ Weltweit wurde innerhalb kürzester Zeit Street Art zur künstlerischen Sprache der Pandemie. Demokratisch, politisch, hochaktuell, mindestens in rechtlichen Grauzonen und nicht gebunden an coronabedingt geschlossene Ausstellungsräume. Die Durchlässigkeit der Kunstform bringt rund um den Globus Werke von großer Bandbreite in Form und Ausdruck hervor. In seinem Fotoband zeigt der StreetArt-Experte Xavier Tapies Arbeiten von Künstlern wie Pøbel aus Norwegen, Gnasher oder John D’ow aus England, Jeremy Novy aus L.A., dem Kölner Tim Ossege (SeiLeise) oder C215 aus Paris. Und er zeigt Neues, etwa aus São Paulo, Shanghai oder Teheran. Eine Entdeckungsreise und ein Zeitdokument, leider nur mit äußerst knappen Texten. Tapies lässt die Bilder sprechen. Xavier Tapies Street Art in Zeiten von Corona. 50 Statements von Graffiti-Künstlern ISBN 978-03876-178-5 Midas | 128 S. | 16 Euro 43


REPORTAGE

Wenn Spielen abhängig macht

Ein bisschen am Automaten klimpern, auf die richtigen Zahlen bei der Lotterie hoffen, einen Abend im Casino verbringen. Für viele ist Glücksspiel ein Hobby, für geschätzt rund 200.000 Menschen in Deutschland ist es eine Sucht. bodo sprach mit einem Betroffenen und einem Berater über Wege in die Sucht – und wieder hinaus. Von Peter Hesse | Foto: Peter Cziborra / Reuters

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Glücksspiel ist ein Wirtschaftsfaktor. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wurden 2018 46,3 Milliarden Euro deutschlandweit über legales Glücksspiel umgesetzt. Mehr als 60 Prozent der Umsätze werden über Automaten in Gastronomien und Spielhallen umgesetzt, Lobbyverbände der Automatenwirtschaft sind in höchste politische Ebenen vernetzt, um ihre Belange politisch und administrativ umzusetzen. Doch das Suchtpotenzial, das von Automaten, Lotterien, Wetten und Casinos ausgeht, ist enorm. Nach einer Befragung der Bundeszentrale für politische Aufklärung gibt es in Deutschland rund 200.000 Menschen mit pathologischem Spielverhalten, also einer Glücksspielsucht. Auch der Bochumer Unternehmensberater Dieter A., der eigentlich anders heißt, war pathologischer Spieler. „Der Einstieg“, so hat er erlebt, „verläuft immer gleich. Wer gleich

bei seinem ersten Wetteinsatz richtig viel Geld gewinnt, ist angefixt. Wer direkt verliert, den betrifft das nicht. Der spielt vermutlich nie wieder. Und wenn es die Summe an Spielsüchtigen nicht gäbe, würde die ganze Spielindustrie von heute auf morgen Pleite gehen – denn die Spielsüchtigen besorgen über 50 Prozent des Umsatzes im Glückspielgewerbe. Ich selbst habe Leute kennengelernt, die bis zu einer Million Euro verspielt haben.“ Eigentlich sind Spielbanken und Glücksspielanbieter verpflichtet, die Spielenden zu einem verantwortungsbewussten Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen, so steht es im Glücksspielstaatsvertrag, der das Glücksspiel in Deutschland regelt. Mit dessen Novelle tritt im Juli eine wesentliche Neustrukturierung in Kraft: Denn Online-Glücksspiel, das laut ExpertInnen ein wesentlich höheres Suchtpotenzial birgt und bisher fast überall in Deutschland verboten ist, wird damit legalisiert, zugleich sind strengere Regeln für den Spielerschutz vorgesehen, zum Beispiel eine „Sperrdatei“ und eine Einzahlungs-Obergrenze für pathologische SpielerInnen. Die von Lobbyverbänden durchgesetzte Übergangslösung legalisiert Online-Casinos de facto schon jetzt. Zahlreiche Fachverbände kritisieren den Entwurf, der „drastische Defizite in Prävention und Spielerschutz“ aufweise, scharf.

Aus 20 Euro wurden 700 Bei ihm habe es ganz harmlos angefangen, erzählt Dieter A. „Ich war eigentlich zum Tanzen mit meiner Freundin verabredet. Sie kündigte von unterwegs an, sich um eine Stunde zu verspäten, und die musste ich dann irgendwie überbrücken. Ich habe eine Spielhalle gesehen und dachte: ‚Ach, warum nicht, geh doch einfach mal rein.‘ Da war ein Gerät frei, und mit 20 Euro in Münzgeld habe ich ein bisschen auf den Tasten herumgedrückt. Ich hatte ja keine Ahnung, wie das geht. Kurze Zeit später habe ich gewonnen: 700 Euro. Da habe ich gedacht: Holla, die Waldfee!“ So beginnt für Dieter A. der Teufelskreis. Vier Tage später besucht er nochmals eine Spielhalle – und gewinnt wieder, diesmal 400 Euro. Dreimal gewinnt er, dann kommen die Verluste. Ein anderes Mal denkt er, die Verluste ließen sich auffangen, wenn er noch mehr Geld investiert. „Und das ist der Moment, wo der Spieler die Schwelle zur Spielsucht übertritt.“ Im Wahn spielt Dieter A. schon mal zwei oder drei Tage am Stück. Irgendwann holt der Spieler immer wieder neues Geld am Bankautomaten und spielt an mehreren Automaten gleichzeitig.

Der Weg zurück Kontrollverlust ist eine von vielen Begleiterscheinungen pathologischen Glücksspiels. Immer neue Erklärungen und Notlügen zu erfinden, um weitermachen zu können, eine andere. Jürgen Güttel ist Diplom-Psychologe bei der Suchtberatungsstelle des Caritasverbands in Dortmund.

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REPORTAGE

Den klassischen Verlauf innerhalb der Sucht, sagt er, gibt es nicht. „Unsere Erfahrung ist, dass die Spieler bei uns Hilfe suchen, wenn es bei ihnen zu Folgeschäden gekommen ist. Das können Themen sein wie Arbeitsplatzverlust, hohe Verschuldung oder dass die Beziehung auseinandergebrochen ist.“ In der nachfolgenden Therapie wird auch darauf hingearbeitet, die Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen, erklärt Jürgen Güttel: „Wir arbeiten mit der Schuldnerberatungsstelle des Katholischen Vereins für soziale Dienste zusammen, damit Spieler dort beraten werden können. Sie werden dort aufgenommen, wenn sie begleitend auch therapeutisch bei uns angebunden sind. Es ist ja nicht damit getan, dass weitergespielt wird, wenn die Schulden weg sind. „Der Betroffene muss merken“, sagt Jürgen Güttel, „dass er seinem Leben eine neue Richtung geben muss, dass das

Informationen und Anlaufstellen Glücksspielsucht bzw. pathologisches Glücksspiel ist im diagnostischen System der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation als psychische Erkrankung anerkannt. Wo es Hilfe gibt: Suchtberatung des Caritasverbands Dortmund Tel. 0231-187151-2020 | www.caritas-dortmund.de Spielsucht-Selbsthilfegruppe Ev. Kirchenzentrum Bochum Weitmar-Mark | spshgbo@web.de Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.check-dein-spiel.de | Tel. 0800 – 137 270 0

Nicht-Spielen alleine nicht ausreicht. Das kann man als Loch empfinden, das dann mit einem neuen Lebensinhalt oder Lebenssinn gefüllt werden muss. Das betrifft etwas, worum es in der Therapie eigentlich geht: für sich zu klären, für welches Bedürfnis das Spielen die Ersatzbefriedigung war oder vor welchen Problemen das Spielen die Flucht war. Und dann, diese Bedürfnisse auf gesunde Weise zu befriedigen, um ein zufriedenes Leben zu erreichen.“ Bei Dieter A. sieht die Innensicht anders aus. „Spieler sind notorische Lügner und Betrüger“, ist er überzeugt. In seiner Suchtkarriere sei er immer wieder dann zur Hochform aufgelaufen, wenn die Ausreden für seine Sucht besonders kreativ waren. „Meine Partnerin hat furchtbar geweint, als sie mitbekommen hatte, dass ich tatsächlich spielsüchtig bin. Sie sagte, dass sie sich von mir trennen wird, wenn ich nichts gegen meine Sucht unternehme. Ich bin dann zu einer Selbsthilfegruppe gegangen, wo ich im Kreis mit 15 gleichgesinnten Leuten war. Der Gruppenleiter warnte mich beim ersten Treffen, dass ich noch nicht einsichtig genug bin – und er sollte recht behalten.“ Denn sechs Monate später wurde Dieter A. rückfällig und verspielte innerhalb weniger Stunden 2.000 Euro.

Ein Brot und eine Flasche Wasser Irgendwann war der Druck weg, eine Spielhalle aufzusuchen. Heute verlässt Dirk A. das Haus oft nur noch mit fünf Euro. „Davon kann ich mir ein Brot und eine Flasche Wasser kaufen, mehr braucht man nicht.“ Seit vielen Jahren führt er nun ein Haushaltsbuch über alles, was er sich kauft – um Klarheit über seine privaten Finanzgeschäfte zu haben. Sein Glück findet er jetzt in anderen Dingen, er ist im Tanzverein oder geht zum Stammtisch. Besuche in Bowlinghallen meidet er aber. Denn manchmal stehen dort Spielautomaten im Vorraum.

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Eine Frage, Frau Wulf:

Wie kommen Straßen an ihren Namen?

Heike Wulf, Literaturpädagogin in Dortmund

Das deutsche Straßennetz umfasst ca. 1,1 Million Straßen mit einer Gesamtlänge von ca. 630.000 Kilometern. Damit ist es fast doppelt so lang wie die Strecke von der Erde bis zum Mond. Auf Platz eins der häufigsten Straßennamen ist dabei die „Hauptstraße“, die es über sechstausendmal in Deutschland gibt. Doch wie kommen Straßen heute an ihren Namen, wenn neue Wohn- und Gewerbegebiete erschlossen werden?

„Die wohl bekanntesten Mitglieder der Widerstandsbewegung sind Hans und Sophie Scholl, nach denen in fast jeder großen deutschen Stadt – wie auch in Dortmund – Schulen und Straßen benannt sind. Bei meinen Recherchen fiel mir aber auf, dass es bei vielen anderen Mitgliedern der Weißen Rose und anderen Opfern und Verfolgten des NS-Regimes leider ganz anders aussieht. Ich stellte eine Liste zusammen und reichte

„Eigentlich ist der Prozess erstaunlich einfach und unbürokratisch, und jeder kann bei der Benennung von Straßen mitmachen“, weiß Heike Wulf. Der Dortmunder Literaturpädagogin verdanken die Straßen im entstehenden Kornprinzenviertel im Dortmunder Osten ihre Namen. Zuständig für die Vergaben von Straßennamen sind die jeweiligen Bezirksvertretungen. Dabei gibt es einige Grundsätze zu beachten: Aus nahe liegenden Gründen soll jeder Straßenname in einer Stadt einmalig sein. Werden Straßen nach einer Person benannt, geschieht das in der Regel posthum. Ausnahmen wie der Jürgen-Klinsmann-Weg bestätigen die Regel. Benennungen von Straßen in einem Viertel sollen möglichst einheitlich sein.

Werden Straßen nach einer Person benannt, geschieht das in der Regel posthum. Ausnahmen wie der JürgenKlinsmann-Weg bestätigen die Regel. einen Antrag ein, den die Bezirksvertretung dann positiv abstimmte“, so Heike Wulf. Noch wird am Viertel am ehemaligen Dortmunder Südbahnhof gebaut, aber ab Mitte 2021 werden die Namen verfolgter Jüdinnen und Juden auf den Straßenschildern stehen. „Ich kann nur jedem raten: Machen Sie mit, gestalten Sie Ihre Umwelt. Es wird viel erschlossen. Es werden permanent Straßennamen gesucht.“

Die Idee für die Straßen im Kronprinzenviertel kam Heike Wulf, als sie an einem Vortrag über die Weiße Rose arbeitete.

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INTERVIEW

Mieterschutz als soziale Bewegung

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Mehr als 30 Jahre lang war Rainer Stücker beim Mieterverein Dortmund, davon mehr als 20 Jahre als Geschäftsführer. In dieser Zeit hat er die Mieten- und Wohnungspolitik in Dortmund mitgeprägt. Jetzt ist er in den Ruhestand gegangen und sprach mit bodo über drei Jahrzehnte MieterInnenkämpfe, die Besonderheiten des Ruhrgebiets und soziale Bewegungen als Abwehrkampf. Von Alexandra Gehrhardt | Fotos: Daniel Sadrowski

Rainer, Du bist seit 1987 beim Mieterverein tätig, erst in Bochum, dann in Dortmund. Was war das für eine Zeit? Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre ging es um Altes und Neues, statt um Abriss von Altbauten um deren Erhalt und eine behutsame Modernisierung. Im Ruhrgebiet besonders umkämpft waren die Bergarbeitersiedlungen. Dafür sind Mieter aktiv geworden, haben sich organisiert, hatten aber auch ein Unterstützerumfeld, Juristen, Stadtplaner, nur eingeschränkt die Mietervereine. Diese Szene hat gleichzeitig diskutiert: Braucht man nicht mehr als einzelne Initiativen, braucht man nicht mieterpolitisch aktivere Mietervereine? Die Entscheidungsträger dort hatten mit den neueren sozialen Bewegungen nichts zu tun, fanden auch Hausbesetzer schrecklich und hatten Angst vor Konkurrenz. Es gab aber auch das Konzept, Mietervereine als Kompetenzzentrum und Angebot für alle zu sehen, mit offenen Strukturen, mieterund wohnungspolitischen Aufgaben. Bundesweit gründeten sich neue Mietervereine. Im Ruhrgebiet gab es durch Zufälle 1982 in Bochum einen Vorstandswechsel, das hat sich zufällig-nicht zufällig in Witten und Dortmund wiederholt. Weil ich in Bochum studiert hatte, habe ich zuerst beim Mieterverein Bochum gearbeitet. 1988 war dann eine Stelle in Dortmund frei. Was macht denn Dortmund bzw. das Ruhrgebiet charakteristisch, wenn man an das Thema Wohnen denkt? Die Besonderheit des Ruhrgebiets, die die 30 Jahre für mich mitgeprägt haben, ist der Werkswohnungsbau. Viele Mieter mit Problemen sind in den 70er und 80er Jahren „auf Zeche“ und „auf Hoesch“ zum Betriebsrat gegangen und haben ihre Probleme dort lösen können. Heute ist der Werkswohnungsbau überwiegend in der Hand bör-

sennotierten Unternehmen. Die vielfältigen Probleme der letzten 20 Jahre ergaben sich aus dieser strukturellen Veränderung. Als ich angefangen habe, war der Schwerpunkt der mieterpolitischen Aktivitäten der Versuch, sich gegen die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit zu wehren, die dann 1990 kam. 1994 haben viele gesagt, so viel hätte sich nicht geändert. Die Prozesse haben aber viel langsamer, schleichender stattgefunden. Zunächst wollte die VEBA erst mit den Wohnungen mehr Geld verdienen, dann mit Nebengeschäften, mit Kabeldiensten und Heizkosten. Wir wussten: Das geht weiter. 2005 hat VEBA gar keine Wohnungen mehr gehabt. Sie waren noch da, aber bei Fonds und Finanzinvestoren. 1994 waren die Mietervereine, in Zeiten einer Wohnungslosigkeitskrise, ja auch an der Gründung von bodo beteiligt. Welche Parallelen gibt es zu heute? Für mich ist es ein Déja-vu. Seit 2015 wiederholt sich vieles, was wir 1989

bis 1994 genauso hatten. Es gab bis dahin – noch etwas, das für das Ruhrgebiet typisch ist –, immer Nischen am Wohnungsmarkt und Phasen, in denen ein Teil der Wohnungen auf Abrisslisten stand. Mieter, die Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt hatten, sind in den Arbeitersiedlungen untergekommen, die es eigentlich nicht mehr geben sollte. Diese Nischen gab es 2008 wieder, da sind auch Mieter mit SchufaEintrag untergekommen. Jetzt haben wir wieder eine Situation, in der diese Mieter keine Chance haben. Hat sich die Situation insgesamt verbessert? Eigentlich hat es sich verschlechtert. Das gilt nie für alles, und ich bin tendenziell zu selbstkritisch. Wir und andere haben es nicht geschafft, den Ausverkauf des Werkswohnungsbaus zu verhindern. Als 2005 E.on die VEBA/Viterra verkaufen wollte, war die Idee, mit allen kommunalen Wohnungsgesellschaften eine Auffanggesellschaft zu gründen und die Bestände zu übernehmen. Das wäre ein

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INTERVIEW

Schlüsselprojekt gewesen. Die Unterstützung war leider zu schwach, höchstwahrscheinlich auch, weil von 2000 bis 2010 die Situation am Wohnungsmarkt sehr entspannt war. Das Verhängnis ist: Wenn man soziale Wohnungspolitik machen will, muss man antizyklisch denken. Wenn Immobilien billig sind, muss man kaufen. Jetzt sind die Preise massiv gestiegen. Es war tragisch, dass wir den LEG-Verkauf nicht haben verhindern können. Beim Regierungswechsel 2005 stand im Koalitionsvertrag: Die LEG wird verkauft, realisiert wurde es dann erst im Sommer 2008. Im Herbst war die Finanzkrise. Wenn wir die noch vier Monate Zeit gewonnen hätten, wäre es nicht zum LEG-Verkauf gekommen. Das ist unsere typische Konstellation: immer neue Herausforderungen, die es dann zu verhindern gilt, wenn möglich. Man muss ständig wach bleiben. Aber dafür sind Mietervereine gut und wichtig.

Ihr habt ja aber immer wieder auch Dinge erreicht, sei es am Hochhaus in der Kielstraße, dem „Horrorhaus“, dem „Hannibal“ oder in den Stadtteilen. Das Hochhaus in der Kielstraße 26 ist trotzdem leer, aber wir haben uns jahrelang darum bemüht, dass es für die Bewohner einigermaßen erträglich war, bis das Haus heruntergefahren wurde. Das Grundproblem ist natürlich, dass es Abwehrkämpfe sind. Man versucht, die Mieten bezahlbar zu halten, überzogene Mietforderungen abzuwehren, aufzupassen, dass Vermieter nicht versuchen, mit der „zweiten Miete“ Geld zu verdienen, dass durch Modernisierungen Mieter nicht benachteiligt werden. Es ist aber immer so, dass die Eigentümer agieren und man reagiert und mischt sich ein. Dieses Einmischen ist uns relativ gut gelungen. Ist Dir etwas besonders in Erinnerung? Eine Geschichte, die uns im Team sehr nahe gegangen ist, ereignete sich An-

fang der 90er Jahren, als zum ersten Mal das Ruhrgebiet bundesweit im Interesse von Spekulanten war, die sehr schnell sehr viel Geld verdienen wollten. In einer verkauften Nordstadt-Siedlung Ecke Uhlandstraße und Schillerstraße war klar geplant, dass keiner der 180 Mieter am Ende der geplanten Modernisierung noch dort wohnen sollte. Die Eigentümer haben, als wir ihnen massiv ins Handwerk gepfuscht haben, unseren ehemaligen Sprecher Helmut Lierhaus überfallen lassen. Der wohnte in der Nordstadt und kam jeden Morgen dort vorbei. 150 Meter vorher ist er verprügelt worden. Wir sind zeitgleich auch anderen auf die Füße getreten, es gab also drei, vier Verdächtige. Wir dachten: Die können es nicht gewesen sein, das ist ja viel zu nah. Und dann, typisch Ruhrgebiet: Die Schläger hatten sich von der Freundin des einen mit dem Auto zum Überfall in die Seitenstraße fahren lassen. Und was passiert? Ein Mann steht am Fenster und notiert sich das Nummernschild. Über die Akten des Strafverfahrens wurde klar, dass sie ein Drehbuch der Entmietung geschrieben hatten. Es gab einen 80-jährigen Mieter, mit dem sie anfangen wollten. Die kamen an einem Ostersamstag, um das erste Haus leer zu ziehen, und sagten ihm, er ziehe jetzt um. Der Mieter war völlig verwirrt, und die Möbelpacker fingen schon an. Es gab aber Nachbarn, die das mitbekamen. Die sagten dem Planerladen Bescheid und der uns, und so haben wir zusammen an diesem Tag den Umzug gestoppt. An dieser Geschichte ist vieles gut, zum Beispiel das Funktionieren dieser Strukturen. Man kennt sich und agiert zusammen. Am Ende ist kein Mieter, der nicht gehen wollte, gegangen. Seit einigen Jahren schließen sich auch in Dortmund wieder mehr Menschen zusammen, protestieren gegen überzogene Modernisierungen und steigende Mieten. Woran liegt das und wie siehst Du Eure Rolle als politisch positionierte Organisation? Ein bisschen ist das so, aber es könnte noch viel mehr sein. Es ist leider so, dass in Zeiten, in denen die Wohnungsmärkte entspannter sind, das Thema nicht so im Fokus ist, erst wenn der Wohnungsmarkt kippt. Dann wird von Investoren gekauft, die mit Mietern planen, die zahlungskräftiger sind. Dadurch nehmen Konflikte zu, Herausforderungen und Aktivitäten. Wir hoffen, dass

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viele Menschen sich um das Thema Wohnen kümmern. Deshalb ist etwas wie die Hafeninitiative klasse. Wir sehen uns als Teil eines offenen mieter- und wohnungspolitischen Netzwerks aktiver Mieter, mischen uns ein, sind aber auch Angebot für andere, transportieren Fachwissen und Erfahrung, sind da und bereit zu helfen. Jetzt geht es nach 32 Jahren in den Ruhestand. Was wird den Mieterverein in den nächsten Jahren beschäftigen? Es gibt verschiedene Aspekte. Wir hatten 2008 eine weltweite Finanz- und Immobilienkrise, die die einfachen Mieter in Westerfilde daran gemerkt haben, dass die Heizung nicht repariert wurde. Das gab es in den 1990er Jahren noch nicht so. Dann kam die Betongold-Ära 2012, als in der Nullzinsphase das ganze Kapital in Immobilien geschossen ist. Die Frage ist, was kommt nach dem Ende dieser Phase? Marktwirtschaftliche Prozesse ändern sich so schnell. Unternehmen erfinden sich neu, das wird Auswirkungen auf die Mieter haben. Alle anderen hinken hinterher. Wer macht sich eigentlich in der Politik Gedanken über die nächste Phase? Die Quintessenz ist eigentlich: Es ist wichtig, dass ein größerer Anteil von Wohnraum in öffentlichem Besitz ist. Und es braucht einen kontinuierlichen, funktionierenden Mieterschutz, der Rahmenbedingungen setzt. Das Thema hat uns immer beschäftigt, im Kleinen wie im Großen. Wie schütze ich 20.000 Vonovia-Mieter, wie bekomme ich den Schadenersatz für 380 geräumte Hannibal-Mieter hin? Muss jeder einzeln zu Gericht oder muss es nicht kollektive Rechte geben? Diese Themen sind ungelöst. Und die Zuspitzung der Wohnungsfrage führt dazu, dass sie diskutierbar werden und dass man vielleicht was bewegen kann.

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RÄTSEL

LESERPOST & MEINUNGEN

Verkäuferausweise Hallo, ich habe kürzlich die aktuelle Ausgabe von bodo gekauft. Der Verkäufer hatte keinen Ausweis. Sollte man keine bodo bei Verkäufern ohne Ausweis kaufen? Können Sie mir hierzu Infos geben? Mit freundlichen Grüßen, M. E. Liebe Frau E., in der Tat sollen alle unsere Verkäuferinnen und Verkäufer ihren Ausweis – eine weiße Plastikkarte mit Foto – sichtbar tragen. Darüber hinaus haben alle rote Verkäuferkleidung bekommen. Dass nicht immer die Jacken, Westen oder Kappen und der Ausweis sichtbar getragen werden, ist erstmal kein großes Problem. Meist zeigen die VerkäuferInnen gerne nach Aufforderung ihren Ausweis. Grundsätzlich kann es aber auch vorkommen, dass Menschen, die wir nicht kennen, das Straßenmagazin anbieten. Wir lehnen das ab, weil gerade der Kontakt zu unseren Anlaufstellen und der Zugang zu Beratung ein wichtiges Ziel ist, und weil die Einsicht, dass das Einhalten von Regeln allen, auch einem selbst nützt, nur im Gefühl von Zugehörigkeit entstehen kann. Unseren VerkäuferInnen ist deshalb die Weitergabe von Magazinen untersagt. Um Ihre Frage zu beantworten: Wir freuen uns, wenn Sie nur bei VerkäuferInnen mit Ausweis kaufen. Vielen Dank und alles Gute von bodo Ein Danke

An dieser Stelle ein Danke für Eure immer interessanten Beiträge und Euer Kümmern. Bleibt gesund. Viele Grüße, H. S. bodo 12.20

Kulturlandschaft Liebe bodo-Redaktion, ich bin ein großer Fan Eures Kulturkalenders. Ich war in den letzten Jahren bei vielen Veranstaltungen, auf die ich durch Euch gekommen bin. Als es wieder losging mit dem Shutdown der Kultur fand ich gut, dass Ihr im November-Straßenmagazin bei dem Kalender geblieben seid. Und gesagt habt, dass Kultur immer unsicher, aber nötig ist. (An den genauen Satz erinnere ich mich nicht.) Als ich dann die Dezember-bodo gekauft habe, war ich gespannt: Es gab ja keine Veranstaltungen. Wie Ihr das gemacht habt, finde ich klasse! Was im Moment als Einziges hilft, ist Solidarität, auch mit Künstlerinnen und Künstlern. Alles Gute für Eure Verkäufer und für Euer Team, S. M.

AUFLÖSUNG HEFT 12.20

bodo 12.20

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Tolles Heft Wieder ein tolles Heft mit anrührenden und interessanten Geschichten, die Missstände zeigen, aber auch das Positive nicht aus den Augen verlieren. P. G.


Wir lieben es, ganz traditionell Magazine zu machen. Wir freuen uns aber auch über die rund 4.000 Fans bei Facebook und die rapide steigenden AbonnenentInnenZahlen bei Instagram. Obwohl vor Kurzem erst gestartet haben wir die 1.000 schon wieder hinter uns gelassen.

Bücher schaffen Stellen

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Ein Zelt für Dortmund Ich kann allen Menschen, die ihre freie Zeit auf dem warmen Sofa opfern, um den Schwächsten zu helfen und warmes Essen anzubieten, nur applaudieren! Respekt auch an bodo und die anderen Vereine, die dafür gekämpft haben, ein warmes Zelt möglich zu machen, und die alles organisieren. Ich finde, da können sich andere Städte wirklich ein Vorbild nehmen. MfG, R.W. bodo 12.20

Das Glück in der Tasche Liebe bodo, ehrlich gesagt hat mich die Geschichte über die Glücksbringer der Obdachlosen zu Tränen gerührt. Aber dann liest man, wie viel Ihr und die anderen Hilfsorganisationen tun, und ist froh, dass es so viel Einsatz gibt. H. W.

Buchladen Dortmund Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr Sa. 10 bis 14 Uhr

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Bewegung im Hannibal Es ist wirklich ein Skandal, was die Spekulation mit Wohnungen allein in Dortmund angerichtet hat. Nimmt man nur „Leuchttürme“ wie den Hannibal und das sogenannte Horrorhaus in der Nordstadt – was einfach ein Hochhaus in zentraler Lage mit grundsoliden Wohnungen war, bevor es so verkam. Heute lässt sich ja offenbar günstiger Wohnraum unter den Bedingungen des Marktes gar nicht mehr schaffen, und die Städte zieren sich, es selbst in die Hand zu nehmen. Bleibt die schwache Hoffnung auf späte Einsicht. R. D.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

Kurz vor Beginn des zweiten Lockdowns trafen wir bodo-Verkäufer Karlheinz am Fenster der bodo-Anlaufstelle in der Dortmunder Schwanenstraße. Mit einem Kaffee „to go“ haben wir einen Spaziergang durch das Viertel gemacht und uns über das vergangene Jahr und Hoffnungen für das neue unterhalten. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

„2021 kann ja nur besser werden.“ Sein Jahr habe eigentlich super angefangen, erinnert sich Karlheinz. Bis März habe er im Rahmen einer Maßnahme des Arbeitsamtes als Energieberater gearbeitet. „Das war ein Angebot für Menschen, die Leistungen beziehen. Die konnten mit mir einen Termin vereinbaren, und ich bin dann in ihre Wohnung gegangen und habe ihnen Tipps gegeben, wie sie Strom sparen können. Habe geguckt, ob überall Energiesparlampen angebracht sind. Habe den Wasserdurchlauf gemessen und nach unnötigen Stromfressern gesucht”, erinnert er sich. Damals habe er viele Leute kennengelernt, die in einem Teufelskreis steckten. „Wenn du Arbeitslosengeld II bekommst, übernimmt das Arbeitsamt zwar deine Heizkosten, deinen Strom musst du allerdings selber bezahlen. Wenn du jeden Cent umdrehst, hast du aber mit Sicherheit keinen Kühlschrank oder Herd mit der besten Energieklasse und am Ende des Jahres eine dicke Nachzahlung auf dem Tisch. Da haben wir versucht, mit kleinen Tipps zu helfen. Zum Beispiel verbraucht ein leerer Kühlschrank mehr Strom als einer, der voll ist. Das heißt, selbst wenn man nichts im Kühlschrank hat, dann packt man halt Flaschen mit Wasser oder so rein.” Im März sei

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dann natürlich wegen Corona ganz plötzlich Schluss mit dem Job gewesen. Wie es ist, mit wenig dazustehen, weiß Karlheinz aus erster Hand. Als er vor Jahren aus Essen nach Dortmund gezogen ist, war er selbst vier Wochen lang wohnungslos. Die Zeit habe er in der Männerübernachtungsstelle in der Unionstraße verbracht. Er erinnert sich: „Damals war ich auf einem Vierbettzimmer. Das war hart. Man weiß nicht, wen man da direkt neben sich liegen hat. Im Zweifel einen völlig Fremden, mit dem man sich nicht gut versteht oder der vielleicht auch gerade schräg drauf ist wegen Drogen.“ Er könne schon verstehen, dass viele Menschen ohne Wohnung es vorziehen, irgendwie anders unterzukommen. Er habe damals zum Glück schnell wieder etwas gefunden. Mittlerweile wohnt Karlheinz wieder in einer kleinen Wohnung am Borsigplatz. Nach dem abrupten Ende seines Jobs als Energieberater macht ihn Mitte des Sommers ein Bekannter auf bodo aufmerksam. Zuerst sei er skeptisch gewesen, aber dann habe er es doch mal probiert. „Ich habe mein Leben lang immer in der Gastronomie gejobbt. Mit Leuten umgehen kann

ich also, aber einen 65 Jahre alten Kellner braucht ja nicht nur zurzeit keiner mehr”, erzählt er und lacht. Zu Zeiten einer Pandemie Straßenzeitungen verkaufen sei ein zweischneidiges Schwert. „Einerseits freut man sich über alle Leute, die in die Stadt kommen und einem noch eine Zeitung abkaufen. Andererseits will man lieber zu Hause bleiben und hofft, dass das auch alle anderen tun.“ Für das kommende Jahr wünscht sich Karlheinz daher außer Gesundheit nicht viel. „Im März habe ich hoffentlich meine Rente durch. Viel wird das nicht sein, aber dann gibt es eben Grundsicherung. Damit komme ich schon irgendwie über die Runden. Wie man Geld spart, weiß ich ja. Und mit ein bisschen Glück kann ich dann ja auch noch die ein oder andere bodo verkaufen. 2021 kann schließlich nur besser werden.”


Durch den Winter

bodo SC HA FF T CH AN CE

N

Liebe bodo-Unterstützerin, lieber bodo-Unterstützer, „Es sind viele in der Stadt, die sind so elend“, sagt Katrin. Ihr Schlafplatz ist etwas abseits der Innenstadt vor einem Hauseingang: „Ich habe alles, was ich brauche.“ Und Marco, der das Straßenmagazin verkauft, ergänzt: „Aber es gibt auch so viel Hilfsbereitschaft. Die Leute sind toll.“ Was Katrin und Marco beobachten, erleben auch wir in unserer Arbeit als die zwei Seiten der Pandemie. Wir sehen die zunehmende Not und blicken vor dem Winter mit Sorge auf den sich verschlechternden Zustand vieler Betroffener. Und wir sehen das große Engagement für diejenigen, die ein „Bleiben Sie zu Hause!“ nicht schützen kann. Bereits seit dem Frühjahr können die meisten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nicht öffnen. Schnell haben wir gemeinsam unsere Hilfen auf die Straße verlagert und zusätzliche Angebote geschaffen. Wir begleiten, beraten und versorgen unter freiem Himmel. Mit unseren Partnern helfen wir in einem temporären Hygienezentrum und einem Großzelt am Dortmunder U. Für diesen Weg durch den Winter brauchen wir Ihre Hilfe. Unterstützen Sie unsere Arbeit für Wohnungslose in Bochum und Dortmund mit Ihrer Spende. Mit herzlichen und dankbaren Grüßen Tanja Walter

PS: Jede Spende hilft. bodo ist als gemeinnützig und mildtätig anerkannt. Sie erhalten eine Spendenbescheinigung.

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WASSER

WIE ES UNSERE ERDE FORMT FOTOAUSSTELLUNG VON BERNHARD EDMAIER 06.12.2020–11.04.2021 Naturmuseum Dortmund

Online-Voranmeldung erforderlich unter naturmuseum-dortmund.de

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