bodo Januar 2018

Page 1

bodo DAS

IN STRASSENMAGAZ

01 | 18 Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

TOPRAK UND TOPRAK NACHKRIEGSDORTMUND DIE BRÄUTIGAMSEICHE

I T I A H – BO C H U M FT

20 JAHRE BÜCHERSTREIT

IL H F A R G O T O F N I E E I W

Der bewegte Mann: Ralf König im Interview Seite 4

Warm durch die Nacht Seite 18

NUR MIT AUSWEIS

1


IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Ralf König

Von Christina Bacher

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Christina Bacher, René Boyke, Peter Hesse, Alexandra Gehrhardt, Felix Huesmann, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Marion, Georg Meggers, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Martin Steffen Bildnachweise: Bianka Boyke (S. 16), Cramers Kunstanstalt Verlag Dortmund / Sutton Verlag (S. 35), Matti Hillig (S. 27), Georg Meggers (S. 12), Michael Pischke (S. 21), Ruhr-Nachrichten / Sutton Verlag (S. 35), Daniel Sadrowski (S. 3, 18, 19, 20, 30), Sammlung Meeder / Sutton Verlag (S. 32), Sebastian Sellhorst (S. 2, 8, 10, 11, 16, 23, 25, 41, 46), Shutterstock.com (S. 22), StandOut (S. 8), Martin Steffen (S. 39, 40), Armin von Werner CC BY 2.5 (S. 12), VVG (S. 5), Peter Werner (S. 12, 14, 43), Henk Wittinghöfer (S. 44) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Februar-Ausgabe 10.1. 2018

04

Ein Gespräch mit dem Comic-Zeichner Ralf König über das Jubiläum seines Bestsellers „Der bewegte Mann“, über Dortmunder Langeweile als Karrieremotor und das Älterwerden – übrigens Thema seines neuen Buches.

Bochum – Haiti

38

„Der schönste Tag hilft leben“: Der Bochumer Fotograf Martin Steffen hat in den vergangenen drei Jahren bereits 100.000 Euro für den Kampf gegen Kindersklaverei auf Haiti zusammengetragen – mit Hochzeitsfotografie.

Von Peter Hesse

Toprak und Toprak

44

Sie ist Schriftstellerin, in ihrem neuen Roman geht es um die Geschlechterverhältnisse in der Türkei. Ihr Bruder ist Dortmunder Professor für Erziehungswissenschaft und forscht u.a. zu Männlichkeitsbildern von Türkeistämmigen in Deutschland.

Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 01.2015

Von Felix Huesmann

Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de

Marion, bodo-Verkäuferin in Herne

Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Liebe Leserinnen und Leser, seit einem Jahr bin ich jetzt schon bei bodo. Als ich damals anfing, die bodo zu verkaufen, kam ich grade von der Straße. Jetzt habe ich zum Glück wieder ein Dach über dem Kopf. Diejenigen von Ihnen, die aus Herne kommen, werden mich wahrscheinlich schon persönlich kennengelernt haben. Dort verkaufe ich regelmäßig in der Fußgängerzone in der Nähe des Kugelbrunnens und gehöre dort quasi schon zum Inventar. Für das neue Jahr habe ich mir viel vorgenommen. Ich möchte endlich aus der Einrichtung, in der ich zurzeit lebe, in eine eigene Wohnung ziehen. Außerdem werde ich im neuen Jahr das erste Mal zusammen mit Oliver Phillip, dem Vertriebsleiter von bodo, eine Schulklasse besuchen um dort vom Leben auf der Straße und vom Straßenmagazin erzählen. Ich bin schon sehr gespannt, was die Schüler alles wissen wollen und was daraus wird. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der aktuellen Ausgabe und einen guten Start ins neue Jahr. Ihre Marion

2


EDITORIAL

04 Menschen | Ralf König 07 Straßenleben | Brüchige Biografien 08 Neues von bodo 12 Reportage | Die Bräutigamseiche 16 Das Foto 16 Recht | Jobcenter muss Brillenreparatur zahlen 17 Kommentar | Rechte Helfer 17 Die Zahl 18 Reportage | Warm durch die Nacht 21 Soziales | Unsoziale Ordnungspolitik 22 Wilde Kräuter | Hagebutte 23 Kultur | Dortmunder Bücherstreit 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Stranger Than Fiction 30 bodo geht aus | Café O Nosso 32 Reportage | Historisches Dortmund 36 Bücher 37 Eine Frage… | Warum ist Busfahren so teuer? 38 Soziales | Bochum – Haiti 41 Neues von bodo | Ein neuer Platz für Rozalia 42 bodo Shop | Leserpost 43 Leserpost | Rätsel 44 Interview | Toprak und Toprak 46 Verkäufergeschichten | Ralf

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 2

Liebe Leserinnen und Leser, willkommen zum ersten Straßenmagazin seit sehr langer Zeit, das ich wohl zuerst auf der Straße in Händen halten werde, gekauft bei einem oder einer unserer Verkaufenden. Für das erste Quartal 2018 verabschiede ich mich nämlich in Elternzeit und werde wieder bodo-Leser. Bis zu meiner Rückkehr im April wird meine Kollegin Alexandra Gehrhardt die Verantwortung für das Heft übernehmen. Sie freut sich übrigens über ihre Mails mit Kritik, Lob, Anekdoten oder Verbesserungsvorschläge genauso wie ich. Ich habe hier noch einmal die Gelegenheit, mich für Ihre Unterstützung unserer Anlaufstellen und der Wintercafés, für die gespendeten Schlafsäcke und natürlich für den Kauf der Dezemberausgabe der bodo zu bedanken. Nur dank Ihrer Unterstützung ist unsere Arbeit „Von Nothilfe bis Neuanfang“ – von einem Versorgen mit dem Nötigsten bis zum erfolgreichen Erarbeiten einer Perspektive in eigenen vier Wänden – möglich. Herzlichen Dank dafür! Wir haben nach unserem kleinen Relaunch im Dezember weiter an der Heftgestaltung gearbeitet, die fast zurückhaltend unseren Geschichten Raum gibt. Draußen ist es hektisch und – vor allem in politischer Hinsicht – laut wie lange nicht. Wir setzen auf Ruhe, Weißraum, Lesbarkeit und weiterhin auf Geschichten mit Haltung. Wir freuen uns, dass Sie auch 2018 dabei sind. Viele Grüße von bodo und einen guten Start in das Jahr. Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

bodo bedankt sich bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern Sparkasse Bochum Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Grünbau gGmbH, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Jutta Meklenborg, Sandra Rettemeyer, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christian Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel,

Peter Buning, A. und M. Dietz, KlausM. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowy, Daniela Gerull, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda, Dorothea Staudinger, Tamara Vorwald-Piepke, Daniela Schmitz-Häbler, Gero Krause, Friederike Claassen, Sulamith Frerich, Nicole Hölter, Gerhard Heiart, Stefano Alimonti, Budi Sjahmara und Antje Henning, Dr. Reinhard und Ursula Arens, Anna AsbeckWienemann, Wolf Udo Aschenbrenner, Jesko Banneitz, Thorsten Baulmann, Philip Biessey, Kathrin Bohr, Bärbel Bolsmann, Elsemarie Bork, Catherine Dominique Borrek, Brigitte Brätsch, Doris Buderus, Andreas Bürgel, Elmar Büttner, Daniel Buning, Ursula und Heinrich Citrich, Christine Dahms, Petra Danielsen-Hardt, Andreas Dersch, Gisela und Hans-Dieter Deubener, Lea Diederichsen, Anita Dingerdissen,

Karola Distelkamp, Doris Doberstein, Wolfgang Döneke, Hans-Ulrich Dönhoff, Christina Dolkemeyer, Gabi und Jürgen Droese, Annette Düe, Anne Eberle, Edith Eckermann, Margarete und Edwin Eickhoff, Regina Erbacher-Allam, Ursula und Herbert Esser, Tobias Eule, Joachim Faßbender, Sabine Krings-Volkel und Frank Volkel, Sabine Rollinghoff-Weis und Fred Weis, Renate und Manfred Fütterer, Ina und Gabriel Fuhler, Christa Fuhrländer, Anja Geesmann, Hildegard und Edmund Gericke, Harald Gering, Reiner Gipp, Hans-Jürgen Glockner, Michael Gockel, Angelika Göbel, Lutz Gollnick, Annette und Ralf Grages, Jutta Greiner, Marco Groger, Esther Hagemann, Otto Hagemann, Silke Harborth, Andreas Haupt, Minu Hedayati-Aliabadi, Heinz Heitland, Ursula Hermfisse, Almut und Rudolf Hesse, Annegret Hochsattel, Claudia und Markus Holtkamp, Holzbau Schindler GmbH, Iris Holzkämper, Verena und Klaus Hunold, Nikolas Huperz, Renate Hurka, Ulrike Jaksch, Hubertine und Lambert Julich, Kaffeezentrale DE GmbH, Hans-Joachim Kail, Marvin Kalwa, Petra Karmainski, Renate Kastner, Doris und Manfred

Kater, Ingrid Keese, Annegret Keinhorst, Rüdiger Kirsch, Friedel Kleff, Rainer Königs, Christina Kolivopoulos, Annette und Reiner Kraft, Ilse Kremser, Volker Kutz, Peter Lasslop, Ingeborg Leibstein, Stefanie Lemser, Erika und Gunter Liebig, Lions Club BochumAllegra, Annemarie Lorenz, Mechthild Lücke, Uwe Lück, Erika Maletz, Christel und Klaus Malez, Maria-Elisabeth Markard, Mechthild Maschetzke, Marion und Frank Matzdorff, Verena Mayer, Dolf Mehring, Brigitte Müller, Lutz Müller, Farieda Musallam, Marianne Napieralla, Christoph Neumann, Liesel und Dieter Noack, Annette Nottebom, Friedel Nussbaum, Helga Ortmann, Barbara Perchner, Angelika Peters, Carsten Piel, Irmgard Pohlmann, Wiltraud Pohl, Raphael Pratzler, Sigrid und Hartwig Probstmeyer, Anita und Rudolf Przygoda, Erna Ruth Puschke, Sabine Raddatz, Sabine und Armin Rathe, Jürgen Recktenwald, Johann Adolf Reil, Karin Grubinski-Piotrowski und Reinhard Piotrowski, Hildegard Reinitz, Thomas Renner, Bärbel Richelmann, Heinz Richter, Heinz Riedl, Ingo Rosner, Wilhelm Rosskothen, Wiltrud Ruelle-Hengsbach,

Susanne Ruhl, Horst Schackmann, Petra Schäckermann, Volker Schaika, Claudia Scheepers, Kathrin Scherbauer, Ursula Schmirgel, Heinrich Schmittgen, Kaufmann ? Schneider ?, Herbert Schnier, Susanne Schomburg, Kornelia Schröder, Else Schübbe, Barbara und Manfred Schütz, Hildegard Schulze, Waltraud und Manfred Schumacher, Beate Schumann, Ulrich Schwarz, Ute und Rolf Schwerdt, Karin Seidel, Petra Seidemann, Dr. Sabine Siebel, Helmut Siepler, Ute Soth-Dykgers, Sozial-Aktien Gesellschaft Bielefeld Spendenportal, Oliver Stiller, Margret und Gerhand Stranz, Heike Strott, Anneliese und Gerhard Teetz, Brigitte Teuber, Hannelore Thimm-Rasch, Therese Maria Thöne, F. Tiedchen, Rita Timmerbeil, Wolf Töpser, Heidrun Martha Henriette Vaupel-Wiehe, Christel und Gerhard Volpers, Jutta und Wido Wagner, Martin Watty, Gudrun Wehmeier, Ulrike Weinert, Siegmar Welski, Lena Wessler, Erika Weyland, Ursula Wiedemann, Heinz-Jürgen Wiemers, Dr. Karl Ulrich Winkler, Dr. Stefan Wirths, Maria Witzens, Timo Zimmermann

3


MENSCHEN

Ein Gespräch mit dem Comic-Zeichner Ralf König über das Jubiläum seines Bestsellers „Der bewegte Mann“, über Dortmunder Langeweile als Karrieremotor, über Mohammed-Karikaturen, den Heiligen Bimbam und das Älterwerden – übrigens Thema seines neuen Buches. Von Christina Bacher | Fotos: VVG

„Irgendetwas stimmt nicht mit der Eieruhr!“

Ralf König:

Zunächst mal herzlichen Glückwunsch: Vor 30 Jahren ist dein Comic „Der bewegte Mann“ erschienen. Anlässlich dieses Jubiläums ist im Herbst eine Neuauflage mit Bonusmaterial bei Rowohlt erschienen, und ein Musical am Thalia Theater in Hamburg ist ebenfalls in Planung. Zeitgleich feiern die Bände „Lysistrata“ und „Das Kondom des Grauens“ ebenfalls 30. Geburtstag. Da fragt man sich ja im Nachhinein, was das für ein besonderes Jahr gewesen ist, 1987?

Ralf König

geboren 1960 in Soest

Durchbruch mit „Der bewegte Mann“, verfilmt 1994 von Sönke Wortmann Gesamtauflage: 7 Millionen, übersetzt in 16 Sprachen Auszeichnungen: u.a. Max-und-Moritz-Preis für das Lebenswerk 2014, Wilhelm-Busch-Preis 2017

4

Ich saß damals in Dortmund rum und langweilte mich, weil die meisten meiner Freunde nach und nach weggezogen waren, nach Berlin und München etc. Dortmund war damals relativ öde, aber ich lebte da in einer langjährigen Beziehung und wollte darum nicht einfach weg. Und gut so, Langeweile ist nützlich für den kreativen Impuls. Ein Hoch auf die Langeweile! Ich hab mir Geschichten ausgedacht, zum billigen Filzstift gegriffen und einfach drauflos gezeichnet, und das sehr ungeduldig, weil ich so einen Erzähldrang hatte. Drei Bücher im Jahr, das würde heute nicht mehr passieren, da ist leider auch mein Anspruch gestiegen. Was heißt ‚leider‘, ist ja gut, wenn man sich weiterentwickelt, nur diese unbedarfte Spontanität, das kommt nicht wieder. Mit deinen Comics hast du damals vielen Mut für ihr Coming-out gemacht. Du kommst ja selbst aus einem kleinen Dorf in Ostwestfalen. Hast du da als Jugendlicher Vorbehalte gespürt? Ja, das mit dem Zeichnen begann schon als Kind, keine Ahnung, woher ich das habe. In meiner


Verwandtschaft gab es keine Künstler. Ich bin in einem sehr katholischen Umfeld aufgewachsen, aber zum Glück hatten meine Eltern mit Religion nicht so viel am Hut. Trotzdem war Schwulsein ein Tabu, man wusste damals ja gar nicht genau, was das heißt und was für Typen das sind. Es gab einen älteren Mann, der saß oft allein in der Dorfkneipe, von dem es hieß, der sei schwul. Der ging uns Jungs immer aufs Klo hinterher und schielte mal rüber. Das war natürlich ein sehr tragisches Bild, das mir da vermittelt wurde. Ich ahnte ja, dass bei mir was anders läuft, war auch dauernd heimlich in Schulfreunde verliebt, aber die knutschten lieber mit den Mädels, in dem Alter. Ich find‘s immer noch tragisch, dass meine Teenagerzeit liebesmäßig eher mit unerfüllten Sehnsüchten erfüllt war. Aber da ich nur heimlich träumte, gab‘s auch keine Anfeindungen, es wusste ja keiner. Wie erinnerst du dich an dein Coming-out? Das war viel später, mit knapp 18. Es gab 1979 eine der ersten großen linkspolitischen Schwulende-

„Ich habe einen Zettel geschrieben: ,Schwul zu sein, bedarf es wenig, ich bin schwul und heiß‘ Ralf König!‘“ mos in Frankfurt, davon hatte ich zufällig gehört, da musste ich hin mit meinem alten VW Käfer. Ich bin kaum aus dem Dorf rausgekommen bis dahin, da war die Fahrt nach Frankfurt wie heute ein Flug nach New York! Und da sah ich zum ersten Mal Hunderte schwule Männer, die auch noch gut gelaunt waren, das war natürlich ein Damaskus-Erlebnis. Danach war alles anders, ich hab meinen Verwandten, den Kollegen in der Holzfabrik, in der ich damals arbeitete, und meinen Freunden ziemlich schnell gesteckt, dass ich schwul bin. Meine Eltern reagierten sehr irritiert, mein Vater machte sogar Stress. Aber als das mit meiner Zeichnerkarriere losging, waren sie auch stolz. Ich bin dann etwas später nach Dortmund gezogen und mit 30 nach Köln. Auch schon wieder 27 Jahre her. Irgendwas stimmt nicht mit der Eieruhr...

5


MENSCHEN

Du hast ja damals als Schreiner in einem 150-MannBetrieb gearbeitet. Stelle ich mir nicht so leicht vor, in der Provinz in den 80er Jahren in so einem Männerbetrieb mit der Info um die Ecke zu kommen, dass man selbst schwul ist. Ich habe einen Zettel geschrieben: „Schwul zu sein, bedarf es wenig, ich bin schwul und heiß‘ Ralf König!“ Den hab ich an meine Holzfurnier-Schneidemaschine geklebt, damit hatte sich das schnell erledigt. Alle tuschelten, keiner sprach mich direkt an, da hab ich gemerkt: Die sind verunsicherter als ich. Ich hab dann gekündigt und bin nach Düsseldorf an die Kunstakademie, weil ich auf meine erste Bewerbungsmappe hin angenommen wurde, was ein großes Glück war, bei Tausenden Bewerbungen. Aber ich fiel sofort auf mit meinen Comics, das war entscheidend. Während des Kunststudiums hab ich abends Comics gezeichnet und konnte die in Zeitschriften und Kleinverlagen veröffentlichen. Das tragische Thema Homosexualität mit Humor zu behandeln, war damals neu. Die Comics waren noch sehr schlecht, aber ich hatte schnell meine Leser. Und nach dem Studium bewarb ich mich bei Rowohlt, und dann kam „Der bewegte Mann“. Das war der Durchbruch, auch bei Lesern, die gar nicht schwul waren! Von da an konnte ich von den Comics leben.

„Dass in Paris Witzzeichner erschossen wurden, war sehr beklemmend, mir wäre in den Tagen auch gar nichts Komisches dazu eingefallen.“ Im Februar 2006 hast du mit acht Karikaturen und kurzen Strips auf die Eruption der Gewalt reagiert, die 12 dänische Mohammed-Karikaturen ausgelöst hatten. Zehn Jahre später hast du dich nach dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo sehr zurückgehalten mit einem künstlerischen Statement. Der Grund war, dass bei meinem Agenten das Telefon nicht stillstand! Ich sollte plötzlich überall Statements geben, zwei Dutzend Anfragen, von Bild-Zeitung bis Fernseh-Talkshows, ich war derjenige, den sie haben wollten. Ich hatte schon Jahre zuvor den Comic „Dschinn Dschinn“ und diese Cartoons zum Thema Islamismus gezeichnet, aber wenn ein neues Buch erscheint, interessiert die Medien das wenig, da berichtet kaum einer.

6

Erst wenn so etwas passiert, wollen sie einen plötzlich vors Mikrophon zerren. Dass in Paris Witzzeichner erschossen wurden, war sehr beklemmend, mir wäre in den Tagen auch gar nichts Komisches dazu eingefallen. Es könnte ja auch sein, dass dich das Thema der Mohammed-Karikaturen bzw. Religionskritik inzwischen langweilt. Vielleicht, weil alle das von dir erwarten? Nein, langweilig finde ich inzwischen generell das Thema Religion. Ich habe mich über fünf Jahre damit beschäftigt, dabei kamen gute Sachen raus, ich hatte sogar eine Comicstrip-Serie in der FAZ mit meinem ‚Prototyp‘. Aber nach den „Elftausend Jungfrauen“ hatte ich das Gefühl, zum heiligen Bimbam alles gesagt zu haben. Ich bin Agnostiker, so wichtig ist es mir auch wieder nicht. Es sind auch immer dieselben Argumente, ob Gott oder nicht Gott. Die Debatte läuft ja in der Menschheitsgeschichte seit Tausenden von Jahren! Da kommt unsere Spezies anscheinend nicht weiter. Und es gibt ja noch anderes zwischen Himmel und Erde als Religion. Gerade ist dein Buch „Herbst in der Hose“ erschienen, darin geht es um das Thema Älterwerden und um die Andropause. Was genau ist das und – wenn ich so ehrlich fragen darf – hast du das auch? Hat das jeder Mann? Und geht das auch wieder weg? Es wird behauptet, es wäre bei Männern ähnlich wie ihr Frauen das habt mit der Menopause. Aber ich denke, die Pharmaindustrie will uns Testosteron verkaufen. Natürlich lässt der Hormonspiegel im Laufe der Jahre nach, aber es geht viel langsamer als bei den Frauen, zum Glück! Ich glaube, wenn Männer mit etwas über 40 von jetzt auf gleich die Wechseljahre durchmachen müssten und danach wäre Schluss mit lustig, gäb‘s ne hohe Selbstmordrate! Es war ein schwieriges Buch, das sehr an meine eigenen Ängste ging – ich bin Hypochonder. Aber schließlich ist es anscheinend sehr witzig geworden. Der Verlag ist zu meiner großen Erleichterung sehr begeistert. Hast du einen Rat für unsere mittelalten Leserinnen und Leser, wie es im Alter weiter bergauf geht? Nein. Ich bin ratlos und halte es mit Cher: „Alt werden ist scheiße! Wer etwas anderes behauptet, lügt!“ Was macht dich heutzutage zu einem bewegten Mann? Mein Freund musste im Herbst jobmäßig nach Berlin umziehen, er arbeitet bei Egmont, und die haben ihre Kölner Pforten geschlossen. Nun bewege ich mich viel hin und her, aber natürlich sitze ich dabei nur im ICE auf dem Hintern. Und sonst versuche ich, weiter Comics zu zeichnen, die den Leuten Spaß machen, und vielleicht zwischen den Sprechblasen zu mehr Toleranz aufrufen. Leider ist das ja wieder zunehmend nötig.


STRASSENLEBEN

Der Dokumentarfilm „Brüchige Biografien“ begleitet fünf Verkäuferinnen und Verkäufer des sozialen Straßenmagazins bei ihrer Arbeit und danach. Am Donnerstag, dem 25. Januar, zeigt bodo den Film im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund. Am Freitag, dem 26. Januar, läuft er in der Bochumer bodo-Anlaufstelle in der Stühmeyerstraße 33. Der Eintritt ist frei, Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Von Bastian Pütter

Brüchige Biografien Die Düsseldorfer Produktionsfirma „Citizen Frame“ produzierte mit uns den abendfüllenden Film, der vor einem Jahr in Kinos in Dortmund und Bochum Premiere hatte und als Sonderheft des Straßenmagazins auf DVD erschien. Nun zeigen wir den Film noch einmal in beiden Städten.

Brüchige Biografien Dokumentarfilm Do., 25.1., 19.30 Uhr Dietrich-Keuning-Haus Leopoldstraße 50, Dortmund Eintritt frei Fr., 26.1., 19.30 Uhr bodo-Anlaufstelle BO-Fabrik Stühmeyerstraße 33, Bochum Eintritt frei

„Brüchige Biografien“ porträtiert die bodo-VerkäuferInnen Moni, Lacramiora, Gökkan, Chris und Markus. Es sind Menschen, die in Krisen Unterstützung gesucht und bei bodo gefunden haben. Vor allem aber sind es Menschen, die sich trotz Niederlagen, Abstürzen und schwieriger Lebensbedingungen entschieden, nicht aufzugeben.

Im Anschluss an die Filmvorführung wird es ein Filmgespräch mit ProtagonistInnen des Films geben. In Dortmund zeigen wir den Film in Kooperation mit dem Planerladen e.V. und der Auslandsgesellschaft NRW. In Bochum laden wir gemeinsam mit der Diakonie Ruhr noch einmal in unsere Räume in der ehemaligen BO-Fabrik ein, bevor in den kommenden Monaten unser Umzug ansteht.

bodo bod o DAS STRAS SENMA

GAZIN

DVD

Mit großer Offenheit sprechen sie über ihren Alltag, ihre Lebenswege, ihre Hoffnungen und Ziele. Die Kamera begleitet sie zu ihren Verkaufsplätzen und zeigt, dass es um mehr geht als um ein paar Euro für das Nötigste und die Beratung und Unterstützung bei bodo. Kunden und Passanten kommen zu Wort, und wir erfahren, wie wichtig es ist, wahrgenommen zu werden, in Kontakt zu kommen, Respekt und Wertschätzung zu erleben.

Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

BODO DER FILM

Sonderausgabe inklusive DVD im Heft

Auch als DVD für 2,50 Euro in bodos Buchladen erhältlich.

7


NEUES VON BODO

Ein gutes neues Jahr! Wie immer haben wir im Dezember wieder gemeinsam mit unseren Ehrenamtlichen und allen bodo-Verkäuferinnen und -Verkäufern gefeiert. Für uns sind die Weihnachtsfeiern immer ein schöner Abschluss nach einer meist doch eher hektischen Adventszeit.

TERMINE Soziale Stadtführung in Dortmund 13. Januar, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 in Bochum 20. Januar, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Anlaufstelle Stühmeyerstraße 33 „Brüchige Biografien“, Dokumentarfilm über bodo-VerkäuferInnen 25. Januar in Dortmund Dietrich-Keuning-Haus Leopoldstraße 50 26. Januar in Bochum bodo-Anlaufstelle Stühmeyerstraße 33 „Ich mach mein Ding“ Benefiz-Abend für Menschen in Not 3. Februar, 18.30 Uhr Fritz-Henßler-Haus Geschwister-Scholl-Str. 33 44135 Dortmund 8

Für viele unserer VerkäuferInnen sind sie hingegen ein so wichtiger wie notdürftiger Ersatz für das, was die meisten mit den Feiertagen verbinden: die Zeit der Familie und Gemeinschaft. Gerade an Weihnachten wird für Menschen, die auf der Straße leben, das fehlende Zuhause spürbar. Eine gute Zeit hatten bei den Feiern in unseren adventlich geschmückten Räumen aber alle. Vielen Dank an alle Unterstützerinnen und Unterstützer. Das ganze bodo-Team wünscht einen guten Start ins neue Jahr!

Soziale Stadtführungen

Geierabend

Der Winter ist für Menschen, die draußen schlafen, eine harte, oft lebensgefährliche Zeit. Mit unseren sozialen Stadtführungen wollen wir zeigen, was es bedeutet, keine eigene Wohnung zu haben. Dabei führen bodo-Verkäufer aus ihrer Perspektive durch die Stadt und besuchen Orte, an denen sie etwas Warmes zu essen und Unterstützung finden. Und sie erzählen, was es bedeutet, draußen zu sein. Die nächsten Termine: Samstag, 13. Januar in Dortmund, Start um 11 Uhr am bodoBuchladen, Schwanenwall 36 – 38; Samstag, 20. Januar in Bochum. Start um 11 Uhr an der bodo-Anlaufstelle, Stühmeyerstraße 33. Anmeldung: 0231 – 950 978 0, Kostenbeitrag 5 Euro.

Die Session hat begonnen! Bis zum 13. Februar läuft die alternative RuhrgebietsKarnevalshow Geierabend in der Zeche Zollern in Dortmund. In diesem Jahr sagen die Geierabend-Macher dabei symbolträchtig tschüss – nicht zu Bottrop, aber doch zur letzten aktiven Zeche des Reviers, die dort 2018 schließt. Wie in jedem Jahr läuft parallel zur GeierabendSession voller Kabarett, Comedy und Satire auch der bodo-Spendenmarathon. Wer am Ende des Abends auf Zeche Zollern noch Wertmarken über hat, kann sie spenden. Der Erlös der Spendenaktion wird nach Spielzeitende an den bodo e.V. gespendet. Großartige 9.500 Euro kamen dabei in der vergangenen Session zusammen.


Anzeigen

Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an: n n n n n n n

Benefiz mit „Udo“ Bei einem Benefizabend für Dortmunder Wohnungsloseneinrichtungen treten am 3. Februar im Fritz-Henßler-Haus die Udo-Lindenberg-Coverband „Panische Saiten“, Dortmunds Johnny Cash Christoph Nitz und Kammerschauspieler Claus Dieter Clausnitzer auf.

Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Monika Dürger und Organisator Georg Deventer vom Pro-Dortmund e.V. führen durch den Abend, der im Gedenken an den im vergangenen Jahr verstorbenen Dortmunder Künstler Walter Liggesmeyer stattfindet. Neben den Eintrittsgeldern kommen auch die Erlöse aus dem Verkauf von Büchern und Papierbildern aus dem Nachlass des engagierten Künstlers Liggesmeyer der Wohnungslosenhilfe zugute. Schirmfrau des Abends ist die Landtagsabgeordnete – und lange bei der direkten bodo-Nachbarin AWO Dortmund tätige – Anja Butschkau. Über die Erlöse des Abends freuen sich das ObdachlosenKaffee St. Reinoldi, die ökumenische Wohnungsloseninitiative GastHaus e.V. und das Straßenmagazin bodo, die jeweils mit Infoständen und Beiträgen vertreten sind. Claus Dieter Clausnitzer liest Texte von Walter Liggesmeyer, und der Folk- und Countrysänger Christoph Nitz – u.a. Protagonist der Johnny-Cash-Revue im Dortmunder Hansatheater – liefert musikalische Gegenparts, bevor die „Panischen Saiten“ mit „Udo“ Daniel Fikus am Mikrofon erklären: „Ich mach mein Ding!“

Achtung, neue Adresse.

von Aischylos Regie: Lisa Nielebock

Karten online oder unter 0234 / 33 33 55 55

Musikförderung

Kunstförderung

Wissenschaft

Denkmalschutz

Jugendsport

Soziales & Bildung

Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung Herdecke

Tickets gibt es im bodo-Buchladen am Schwanenwall und bei der AWO, Klosterstraße 8 – 10. Wir freuen uns über Ticketspenden für Wohnungslose und bodo-Verkäufer. „Ich mach mein Ding“ Benefiz für Menschen in Not 3. Februar, Einlass 18.30 Uhr Fritz-Henßler-Haus, Dortmund Geschwister-Scholl-Straße 33 Eintritt 15 Euro | www.bodoev.de

Bis zum 28.01.2018 | Ausstellung Essenz des Machens | Jörg Bürkle + Antje Hassinger So, 14. Januar 2018 11h | Künstlergespräch zur Ausstellung Essenz des Machens | Eintritt frei Dr. Carl Dörken Galerie der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung | Infos & Öffnungszeiten: siehe Website

Wetterstraße 60 · 58313 Herdecke · Web: www.doerken-stiftung.de 9


NEUES VON BODO

Die neue bodo Es war in mehrfacher Hinsicht eine besondere bodo, die wir im Dezember veröffentlicht haben. Zum einen, weil wir uns für die letztjährige Weihnachtsausgabe etwas Besonderes ausgedacht hatten: eine Art Adventskalender der guten Wünsche unserer Verkäuferinnen und Verkäufer aus Dortmund, Bochum, Hagen, Witten und Herne an Sie, ihre Kunden und unsere LeserInnen. So begeistert wir von dem ungewöhnlichen Fotoshooting waren, so fröhlich haben uns VerkäuferInnen von Reaktionen ihrer Käufer erzählt. Es war außerdem die erste Ausgabe in neuem Layout – luftiger, frischer und auf dem Titel etwas „lauter“, sichtbarer wird unser Straßenmagazin in Zukunft sein. Wir haben wichtige und konstruktive Rückmeldungen erhalten, und wünschen uns, dass Sie damit weiter machen. Seien Sie kritisch, sagen Sie uns, was Ihnen gefällt, und sagen Sie uns Schreiben Sie uns vor allem, was wir besser machen könnten! Ihre Meinung: Wir freuen uns über Ihr Feedback. redaktion@ bodoev.de

SOZIALES Mehr Leistungsempfänger: Die Zahl der Menschen in NRW, die „Leistungen der sozialen Mindestsicherung“ erhalten, steigt. Rund 2,2 Millionen Personen, etwa 14.000 mehr als im Jahr zuvor, haben 2016 Grundsicherung oder Leistungen als Asylsuchende erhalten. Den höchsten Anstieg gab es bei Hartz-IV-Beziehern, während die Zahl derer, die staatliche Leistungen im laufenden Asylverfahren erhalten, gesunken ist. Abschiebungen nach Syrien: Bis Ende 2018 finden keine Abschiebungen nach Syrien statt. Bis dahin soll die Sicherheitslage in dem Kriegsland neu bewertet werden. Das hat die Innenministerkonferenz im Dezember beschlossen. Die Landesinnenminister der Union wollten ursprünglich bereits ab Sommer 2018 sogenannte „Gefährder“ nach Syrien abschieben. Flüchtlingshilfeorganisationen lehnen die Pläne strikt ab. Tafeln: Wachsende Not: Immer mehr bedürftige Menschen in Nordrhein-Westfalen versorgen sich über eine der 170 Tafeln im Land mit Lebensmitteln. Allein 2016, so der Landesverband der Tafeln, sei die Zahl der Nutzer um ein Drittel gestiegen. Tafeln erhalten Lebensmittelspenden und verteilen diese gegen ein geringes Entgelt an Bedürftige weiter. Die Nutzung ist nur mit Ausweis möglich, Bedürftige müssen dazu Sozialleistungen erhalten und ihren Status offenlegen. Keine Hartz-Kürzung wegen Bettelns: Im November hatte bodo erstmals über Michael Hansen berichtet, dem das Jobcenter Dortmund sein Hartz-IV kürzte, weil er in der Innenstadt bettelte. Nachdem der Fall bundesweit für Aufregung gesorgt hatte, lenkte das Jobcenter ein und erlaubt Hansen nun bis zu 204 Euro anrechnungsfreie Mehreinnahmen. Die Regelung soll so auch für andere bettelnde „Kunden“ des Jobcenters Dortmund gelten – dies seien seltene Einzelfälle.

10

„Lieblingsort“ bodo Die kleine grüne Plakette im Schaufenster verrät es: Unser gemeinnütziger Buchladen am Schwanenwall 36 – 38 ist vom Stadtmagazin „Dortmund ahoi“ zum „Lieblingsort“ gekürt worden. Im Herbst haben uns die Macher besucht und über unsere Arbeit ausgequetscht. Eine ganze Doppelseite hat uns „Dortmund ahoi“ in seiner ersten Printausgabe gewidmet. Das freut uns, ist unser Buchprojekt doch ein Herzensprojekt: Ihre Buchspenden schaffen Arbeitsplätze, Ihr Einkauf hilft, sie zu sichern. Unser Team kümmert sich um die Annahme, Sortierung, Katalogisierung und den Verkauf. Schauen Sie rein: montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr.


Anzeigen

www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter redaktion@bodoev.de

montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns

20 Jahre: 1997 – 2017 Die Ambulante Pflege Sprave feiert Jubiläum

Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de

Ambulante Pflege Sprave Stahlbaustraße 8 44577 Castrop-Rauxel Tel. 0 23 05 / 9 73 90 www.pflegedienst-sprave.de

Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de

Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr

bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de

Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Transporte und Sachspenden: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Starke Frauen bei bodo

Die regelmäßige Reihe des Gleichstellungsbüros der Stadt Dortmund stellt seit Anfang 2017 Frauenpersönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor, die mit ihrem Engagement und in ihrer Funktion etwas Besonderes für die Stadtgesellschaft leisten – und zu denen gehören Tanja Walter und Brunhilde Posegga-Dörscheln.

Sie erzählten, wie wir durch das Straßenmagazin einen Zuverdienst ermöglichen und durch unsere Projekte wie den Buchladen oder das Transportunternehmen Stellen für langzeitarbeitslose Menschen schaffen. „Es war spannend, so viele interessierte Frauen zu treffen und aus unserer Perspektive zu berichten“, so das Fazit von Tanja Walter, und auch Dortmunds Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann freute sich: „Es war eine rundum gelungene Veranstaltung.“

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Frauenpower bei bodo – die gab es im Dezember in unserem Buchladen in Dortmund. Im Rahmen der Reihe „Dortmunderinnen stellen sich vor“ haben bodo-Geschäftsführerin Tanja Walter und Brunhilde Posegga-Dörscheln, Leiterin des Projekts Transport, Einblicke in ihre Arbeit, den Verein und seine Ziele geboten.

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

11


REPORTAGE

Peter und Marita Pump, hier am Einfelder See in der Nähe ihres Wohnortes, lernten sich über die Bräutigamseiche kennen.

12


An den t r e i s s e r d a l l a f u Z Wenn Menschen heute einen Partner suchen, wenden sie sich oft an ein Datingportal. Peter und Marita Pump fanden vor einem halben Jahrhundert dank eines Briefes in einer Eiche zueinander – ein ungewöhnlicher Weg, der weiterhin funktioniert. Von Georg Meggers | Fotos: Armin von Werner CC BY 2.5, Peter Werner, Georg Meggers

M

anchmal ist die Wirklichkeit unfassbar kitschig. Manchmal gibt es Zufälle, die in keinem Drehbuch stehen könnten, weil sie niemand glauben würde. Auf einer Kette von Zufällen basiert die Ehe von Peter und Marita Pump. „Keine Frage, da waren höhere Mächte im Spiel“, ist sich die 76-Jährige sicher. Datingportale werben im Fernsehen, im Internet oder auf großen Plakaten damit, für jeden Menschen den richtigen Partner zu finden. Algorithmen und Persönlichkeitstests sollen aufzeigen, wer zu wem passen könnte: Die wahrscheinlich beste Partnerwahl wird berechnet. Ganz ohne Berechnung lernten sich 1958 Peter und Marita Pump kennen. Wie gut sie zusammenpassen, war damals kaum absehbar und aus heutiger Sicht höchst unwahrscheinlich. Denn der Zufall spielte eine entscheidende Rolle – und ein Zettel in einem Baum. Ihre Ehe hält bis heute.

Eiche mit Postanschrift Der Baum, der sie zusammenführte, ist eine etwa 500 Jahre alte Eiche. Sie steht in Schleswig-Holstein, im Dodauer Forst bei Eutin. Ihr Stamm hat einen Umfang von fünf Metern, der Wipfel befindet sich 25 Meter über dem Waldboden. Ein uralter, wunderschöner Baum – doch seine eigentliche Besonderheit ist ein Astloch. Der kleine

Hohlraum fungiert als Briefkasten: In ihm landen Briefe, adressiert an die Bräutigamseiche. So heißt sie, seit 1891 die Tochter eines Dodauer Försters unter der Eiche einen Leipziger Schokoladenfabrikanten heiratete. Zuvor hatten sie heimlich Liebesbriefe füreinander im Astloch versteckt. Seither schicken Menschen Briefe an die Eiche, die Partner oder Freunde suchen.

Etwa 1.000 Briefe erreichen die Eiche im Jahr. Zugestellt vom Postboten, der sie in das Astloch wirft. Etwa 1.000 Briefe erreichen die Eiche im Jahr. Zugestellt vom Postboten, der sie in das Astloch wirft. Wer möchte, kann die Eiche besuchen, eine Leiter zum Astloch hinaufsteigen und Briefe herausfischen. Öffnen und lesen darf sie jeder, denn „das Briefgeheimnis ist bei der Eiche aufgehoben worden“, erklärt Karl Heinz Martens. Der 72-Jährige war bis 1994 langjähriger Zusteller der Bräutigamseiche. Sie war sein „berufliches Highlight“. Viele Jahre kletterte er auf die Leiter, warf Briefe in das Astloch – und stand den Besuchern Rede und Antwort, was es mit diesem Baum auf sich hat.

13


REPORTAGE

Karl Heinz Martens auf der Treppe zum Astloch. Die Bräutigamseiche steht im Dodauer Forst, eine Stunde nordöstlich von Hamburg. Wer ihr schreiben möchte, adressiert den Brief an: Bräutigamseiche Dodauer Forst, 23701 Eutin

1960 verlobten sie sich, 1961 folgte die Ehe. Das Paar hat heute zwei Kinder und sieben Enkel. 2011 feierten die Pumps Goldene Hochzeit. Warum ausgerechnet an diesen Namen, diese Adresse? Der heute 76-Jährige zuckt mit den Schultern: „Aus Jux und Tollerei.“ Als Marita seinen Brief erhielt, war sie sehr überrascht. Den Zettel mit ihrer Adresse hatten Arbeitskollegen in der Eiche deponiert – ohne ihr Wissen. „Ich war etwas schüchtern“, erklärt sie, „sie wollten mir zum Freund verhelfen.“ Mit einigem Erfolg, wie sich herausstellen sollte. Der Baum mit eigener Postanschrift erregte überregionale, sogar internationale Aufmerksamkeit: Fernsehteams aus Japan, Dänemark, Norwegen, der damaligen DDR und Westdeutschland interviewten Martens. Und auch die Zuschriften kamen oft von weit her: „Nachdem die GoetheInstitute in ihren Lehrbüchern von der Bräutigamseiche berichteten, kamen viele Briefe aus China und den USA.“ Und Martens kann von Erfolgen berichten: Er kennt einige Ehepaare, die sich dank der Eiche fanden. So wie Peter und Marita Pump. 1958 fand Pump einen Zettel mit ihrer Adresse im Astloch – und wenig später schrieb er an ein „sehr geehrtes Frl. Marita“.

„Ich war etwas schüchtern“ Peter Pump war als junger Soldat in Plön stationiert. Als er die Fahrschule besuchte, lernte er das Umland kennen. Der Fahrlehrer zeigte den jungen Soldaten etwas Besonderes – eine Eiche mit eigener Postanschrift. Pump griff hinein, einige Zettel und Briefe lagen darin. Er wählte einen, auf dem nur ein Name und eine Adresse stand – und schrieb einen Brief.

14

„Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zusammen in einen freundschaftlichen Federkrieg treten würden“, schrieb Peter Pump höflich. Zunächst wollte Marita auf den Brief gar nicht antworten, doch ihre Mutter fand ihn originell. „Sie ist schuld, dass ich ihm geschrieben habe“, betont Marita. Zu dieser Zeit überlisteten noch keine Algorithmen den Zufall – damit sie zueinander fanden, bedurfte es der Unterstützung von Freunden und Familie. Ein Jahr schrieben sie sich, dann brachte Peter den Mut auf, Marita zu besuchen. Er hatte einen Freund im Schlepptau und sie eine Freundin an ihrer Seite. „Sie leisteten uns Schützenhilfe“, lacht er. Bald fuhr Peter Pump jedes zweite Wochenende aus Plön zu Marita nach Haffkrug. „Mit dem Bus war das damals eine halbe Weltreise“, stöhnt er heute. 1960 verlobten sie sich, 1961 folgte die Ehe. Das Paar hat heute zwei Kinder und sieben Enkel. 2011 feierten die Pumps Goldene Hochzeit. Wie kann eine Ehe funktionieren, die auf so vielen Zufällen gründet? Die auf einem Zettel mit einem Namen und einer Adresse basiert – und nicht auf einem ausgefeilten, vorgeblich wissenschaftlichen Persönlichkeitstest? „Wir haben


Anzeigen

Dabei sein hat viele

Vorteile

unterschiedliche Charaktere“, sagt sie, „doch entscheidend ist die Kommunikation. Wir haben immer alles gemeinsam besprochen.“ Peter und Marita Pump erzählen, dass sie es nicht immer leicht hatten – doch zwischen ihnen hat es einfach gepasst. „Wir hatten oft nicht viel“, sagt Peter Pump, „materiell zumindest“. Für Marita war es Fügung: „Es sollte einfach so sein, dass wir uns finden. Wir hatten wenig und wurden für unsere Bescheidenheit belohnt.“ Ihre wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben sie zusammen durchlebt. „Die haben uns zusammengeschweißt“, sagt sie. „Wir haben uns immer gemeinsam überlegt, wie wir die nächste Hürde nehmen“, erklärt Peter. Erst nach einigen Jahren fuhr Marita an den Ort, an dem ihre Ehe begann – und war etwas enttäuscht. Es war Winter und die Eiche kahl. „Ich dachte, sie wäre etwas größer“, sagt sie. Trotzdem sei der Platz um die Eiche ein besonderer Ort für sie. „Wir halten die Eiche in Ehren“, erklärt Peter, „und schauen alle paar Jahre nach, ob sie noch dort steht.“

„Romantischer als das Internet“ Briefe statt Chatnachrichten, Zufall statt Algorithmen – welche Vorzüge kann ein brüchiger Baum gegenüber einem Datingportal haben? „Die Bräutigamseiche ist viel romantischer als das Internet“, sagt der ehemalige Zusteller Martens. Er sei froh über seinen Computer, aber die schöne Natur und die besondere Atmosphäre um die Eiche seien „doch etwas anderes als ein Kasten neben dem Schreibtisch“. Datingportale kennt das Ehepaar Pump aus der Fernsehwerbung. Die gab es damals nicht. „Wir waren froh über ein Radio“, lacht er. Jüngeren Menschen, die heute einen Partner suchen, würden sie trotz moderner Technik zur Eiche raten. Ihre Vorzüge seien klar: „Die Spannung, das Kribbeln, die Romantik“, sagt er – das biete nur die Bräutigamseiche, nicht ein Computer. „Wer romantisch veranlagt ist, soll es doch einfach versuchen und der Eiche einen Brief schreiben“, findet sie. Peter und Marita Pump wirken vertraut, was nach all den Jahren vielleicht nicht überrascht. Dass sich zwei Menschen für ihr Leben gefunden haben, die der Zufall zusammenführte, zeigt sich in ihren Blicken und Gesten. Darin, wie sie einander anschauen und zuhören, wenn der andere ihre Geschichte zum x-ten Mal erzählt. Ihre Geschichte, die vor vielen Jahren mit einem Zettel in einer Eiche begann. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Hempels / INSP.ngo

Mehr Schutz im Betrieb, mehr Sicherheit im Leben und dadurch mehr persönliche Freiheit. Wäre doch schade, Sie würden darauf verzichten, oder?

Die IG Metall finden Sie 3 x in Ihrer Region: 44793 Bochum, Alleestraße 80 Tel. 0234 – 96 44 60 44135 Dortmund, Ostwall 17 – 21 Tel. 0231 – 57 70 60 44623 Herne, Schulstraße 24 Tel. 02323 – 14 63 80

13.01.18 Ruhrpott SkaExplosion mit Bad Manners, Buster Shuffle, The Hacklers, Los Placebos, NO SPORTS und viele mehr

24.01.18 Frieda Braun "Rolle vorwärts"

26.01.18 Edo Maajka feat. Frenkie & DJ Soul

16.02.18 West Sound Story mit Three Fall & Melane

24.02.18 Tango mit Orquesta de Carlos Quilici Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

15


DAS FOTO

Kritische Qualitätskontrolle: Unsere Bochumer Verkäuferinnen und Verkäufer werfen am 1. Dezember den ersten Blick ins neue Heft. Die Weihnachtsausgabe des Straßenmagazins war nicht nur die erste in neuer Optik, sondern hatte unsere Verkäuferinnen auch ganz besonders ins Bild gesetzt – in einem Adventskalender der guten Wünsche an unsere Leserinnen und Leser. Foto: Felix Huesmann

RECHT

Jobcenter muss Brillenreparatur zahlen Von Rechtsanwalt René Boyke

Muss ein Hilfeempfänger nach SGB 2 die Reparatur seiner Brille aus dem Regelsatz begleichen? Oder muss sie vom Jobcenter übernommen werden? Das SGB 2 regelt recht eindeutig, dass die Reparatur von therapeutischen Geräten nicht vom Regelbedarf umfasst ist und daher einen erstattbaren Sonderbedarf darstellen kann (§ 24 ABs. 3 Nr. 3 SGB 2). Darauf hatte sich

16

auch ein Hilfeempfänger berufen und von dem für ihn zuständigen Jobcenter Erstattung der Reparaturkosten seiner Brille beantragt. Dieses weigerte sich jedoch und meinte, eine Brille sei kein therapeutisches Gerät und nicht als Sonderbedarf zu erstatten. Der Mann verklagte das Jobcenter, woraufhin schließlich das Bundessozialgericht (BSG) entscheiden musste. Dieses entschied,

dass eine Brille sehr wohl ein therapeutisches Gerät im Sinne des SGB 2 und daher deren Reparatur zu erstatten sei (Az.: B 14 AS 4/17 R). Bereits die Vorinstanz wies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, welches bereits erklärt hatte, dass eine Unterdeckung entstehen könne, wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder durch den Regelbedarf noch anders gesichert seien (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 ‑


KOMMENTAR

„Unsere Obdachlosen“ Von Alexandra Gehrhardt Es gibt Menschen, die wollen Wohnungslosen helfen – aber nur deutschen. Es gibt Menschen, die spenden Kleidung, Schlafsäcke – und fragen, ob die auch bloß kein Flüchtling bekommt. Spätestens seit dem „Sommer der Migration“ 2015 haben rassistische Strömungen die Themen Obdachlosigkeit und Armut entdeckt, um sie für menschenfeindliche Positionen zu instrumentalisieren. Das ist toxisch.

Wohnungslosenhilfe von rechts

Man arbeite schon mit Initiativen aus anderen Städten zusammen, sagte das Paar, das vor Kurzem Kontakt zu uns aufnahm, nun wolle man auch hier etwas für Obdachlose tun. Bedingung: dass das Engagement nicht Geflüchteten zu Gute kommt. Spätestens seit 2015 auf der Flucht vor Krieg, politischer Instabilität und auf der Suche nach einem besseren Leben Hunderttausende Menschen nach Deutschland kamen, wird auch das Feld der Wohnungslosenhilfe benutzt, Fragen von Verteilungsgerechtigkeit, Zuwendung und staatlicher Unterstützung am Pass auszurichten. Die „Kritik“ ist so perfide wie vereinfacht: „Die“ Flüchtlinge kriegten alles, während „die“ Obdachlosen, gemeint sind freilich nur die deutschen, auf der Straße litten und vom Staat alleingelassen würden. Im Umkehrschluss: Wären die „Fremden“ nicht da, ginge es „unseren Leuten“ besser. Das ist keine legitime Kritik und hat mit Nächstenliebe nichts zu tun. Es dient dem Ziel, zu spalten, eine drängende soziale Frage rassistisch aufzuladen und zwei Gruppen gegeneinander auszuspielen – hier die, die Hilfe „verdient“ haben, da die, die sie angeblich ausnutzen. Dass enger werdende Wohnungsmärkte, der Mangel an Übernachtungsstellen und Hilfsangeboten, günstigen Wohnungen, Sozialarbeit und Begleitung auf dem Weg in eine Wohnung seit Jahren bekannt ist: geschenkt. Dass es mit „Öffnet die Flüchtlingsunterkünfte für Obdachlose!“ nicht getan ist, dass Menschen ohne Wohnung oft mit vielschichtigen Problemlagen zu kämpfen haben – Details. Das zu erklären ist mittlerweile alltäglicher Bestandteil unserer Arbeit. Nochmal: Sozialdarwinismus, die Abwertung der Ärmeren, Ausgegrenzten, ist zentraler Baustein rechter Gewalt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zählt 236 Todesfälle seit 1989, bei denen die Täter selbst nicht wohnungslos waren. Den rechten Helfern geht es nicht um Lösungen. Ihnen geht es um Instrumentalisierung auf dem Rücken derer, die sich nicht wehren können.

1 BvL 10/12). Da eine solche Unterdeckung nicht entstehen darf, haben die Jobcenter § 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB 2 verfassungskonform auszulegen und diese zu verhindern. Das BSG stellte jedoch auch klar, dass dies nicht für die Anschaffung einer Brille gelte; diese Kosten sollen im Regelbedarf berücksichtigt sein. Allerdings: Das Gericht sprach dem Mann nicht die Erstattung für die Kos-

ten entspiegelter Gläser zu, da hierfür keine medizinische Notwendigkeit bestehe.

DIE ZAHL

6,2

Millionen Mal

wurden im Jahr 2016 in Deutschland Stromsperren angedroht. 330.000 Haushalten wurde der Strom abgestellt, weil sie Rechnungen nicht bezahlen konnten. Familien mit Kindern und SGB-II-Empfänger gerieten besonders häufig in Zahlungsverzug.

Also: Die Übernahme der Reparaturkosten für Brillen und andere therapeutische Geräte sollten Sie – vorher – beim Leistungsträger nach dem SGB 2 beantragen. Bei Ablehnung können Sie Widerspruch innerhalb eines Monats einlegen oder – binnen Monatsfrist – eine Klage.

17


REPORTAGE

Zwei heiße Gerichte zur Wahl, Winterkleidung und Schlafsäcke, Hygieneartikel. Es sind 15 Frauen und Männer der rund 2.000 (!) Mitglieder zählenden Initiative „Essen packt an“, die an diesem regnerischen Vorweihnachtsabend in der Innenstadt unterwegs sind, um Obdachlose zu versorgen. Die Nachfrage ist erstaunlich, der Umgang mit den Gästen freundschaftlich, die Haltung entwaffnend pragmatisch: „Hilfe wird gebraucht, wir können sie leisten.“ Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski

18


Warm durch die Nacht Auf einer festen Route läuft die Gruppe auch an diesem Abend Plätze in der Innenstadt an und stellt das Lastenfahrrad mit den Warmhaltebehältern, die Transportboxen und die Bollerwagen in einer Reihe auf. Aus dem Weihnachtsmarkt- und Shopping-Trubel lösen sich Männer mit Rucksäcken und Isomatten, Straßenpunks, Suchtkranke, modisch gekleidete Jugendliche in zu dünnen Jacken. Chris hat eine Wohnung, kommt aber regelmäßig für ein warmes Abendessen vorbei: „Ich bin zwar nicht obdachlos, aber ich bin Frührentnerin und habe 160 Euro im Monat für mich und meine Katzen. Wie soll das gehen?“ Ein junger Mann isst seine Nudeln gleich an Ort und Stelle, während er versucht, mit den wenigen deutschen Vokabeln seine Dankbarkeit auszudrücken. Seinen Namen möchte er nicht nennen, lächelt müde und macht eine entschuldigende Geste: „Keine Papiere.“ Es kommen erfahrene Obdachlose, denen das nasskalte Wetter nichts anzuhaben scheint und die wie alte Bekannte begrüßt werden. Und es kommen frierende, verzweifelte Menschen.

Einfach anfangen Am Anfang war Ela. Zu Pfingsten 2014 verwüstete eine Gewitterfront des Tiefdruckgebietes mit dem freundlich klingenden Namen Teile Nordrhein-Westfalens. Vor allem die Stadt Essen traf es hart. Tausende umgestürzte Bäume blockierten ganze Stadtviertel und machten eine Vielzahl von Straßen unpassierbar. Hunderte Autos wurden zerstört, für Tage war der Hauptbahnhof vom Zugverkehr abgeschnitten. Und dann passierte etwas Ungewöhnliches: Statt f luchend die eigene Hauseinfahrt frei zu räumen und auf die überlastete Feuerwehr zu schimpfen, organisierten sich die Essener – spontan, schnell, digital, selbstlos. Die sozialen Medien funktionierten ausnahmsweise einmal im Wortsinn. Aus einer Facebook-Gruppe mit auf dem Höhepunkt 4.500 Mitgliedern bildeten sich rund 20 Teams, die bis zu eineinhalbtausend Sturmhelfer koordinierten.

19


REPORTAGE

Und damit nicht genug: Als die Sturmschäden beseitigt waren, machte „Essen packt an“ (EPA) einfach weiter, wo Hilfe gebraucht wurde. „Anfang Dezember 2014 kam in unserer Gruppe die Frage auf, wohin wir Kleiderspenden vermitteln könnten“, erinnert sich EPASprecher Markus Pajonk. „Da entstand die Idee, sie Obdachlosen in der Innenstadt persönlich zu bringen. Wir haben uns zusammengesetzt, den Namen ,Warm durch die Nacht‘ festgelegt und waren 36 Stunden später das erste Mal auf der Straße. Damals mit Schnellkochtopf und Kleidung im Bollerwagen.“

Mit langem Atem Die Presse berichtete, ein Unternehmer spendete das Suppenfahrrad, mit dem die Initiative seitdem unterwegs ist. 357-mal seit dem spontanen Auftakt, zweibis dreimal die Woche. „Wir machen das das ganze Jahr“, erklärt Pajonk, „denn das Thema Obdachlosigkeit ist nicht mit Weihnachten erledigt. Wir haben inzwischen eine Glaubwürdigkeit und auch eine hier gelernte Professionalität, dass man uns zuhört, wenn wir sagen: Das Problem löst sich nicht mit dem ersten Frühlingstag in Luft auf.“

20

Immer weitere Projekte schlossen sich an. Die „Obdachlosenbotschaft“ entstand aus der Notwendigkeit, dass Wohnungslose Unterstützung bei Arztbesuchen und Behördengängen brauchen. Die „Kältebrücke“, eine Kooperation mit dem Roten Kreuz, stellt ab minus 5 Grad Schlafplätze in beheizten Zelten zur Verfügung – „auch für Menschen mit Hunden, für Transgender, Leute, die aus Einrichtungen hinausgef logen sind. Hier steht die Mitmenschlichkeit im Vordergrund, aber natürlich gibt es auch hier Spielregeln.“ Es gibt Angebote für einen kostenlosen Haarschnitt oder für Hand- und Fußpf lege. Die von „Essen packt an“ initiierte Tiertafel ist inzwischen erfolgreich als Verein ausgegründet. Gleichzeitig pf lanzte sich das Konzept durch das westliche Ruhrgebiet bis zum Niederrhein fort. Trotzdem wendet sich die Gruppe klar gegen eine Institutionalisierung: „Wir sind eine Bürgerinitiative, kein Verein. Das werden wir auch nicht“, sagt Pajonk entschieden. Und wie kommt das im Hilfesystem der Profis an? Markus Pajonk: „Bei den großen Akteuren der Wohnungslosenhilfe haben wir immer noch unsere Probleme. Da gibt es immer noch Vorbehalte und ein aus unserer Sicht völlig falsches Konkurrenzden-


SOZIALES

ken, die Angst, wir würden ihnen etwas wegnehmen. Dabei füllen wir nur die Lücken. Wenn vier Streetworker unsere Nachtrunde übernähmen, würden wir uns gerne etwas anderes suchen.“ Doch Pajonk sieht auch Vorteile der Laienorganisation: „Wir können die Bevölkerung mitnehmen, wir können auf der Straße Missverständnisse und falsche Vorstellungen von Obdachlosigkeit aufklären. Wir sprechen die Sprache der Bevölkerung, nicht die der Behörde, wir übersetzen.“ Und in der Tat steht schon an diesem Abend ein breiter Querschnitt der Stadtgesellschaft an den Ausgabestellen. Der Jüngste heute ist Christian, 28, BWL-Student: „Ich habe mich über den Stadtteil, in den ich gezogen bin, informieren wollen, habe die Facebook-Gruppe gefunden, und seitdem bin ich dabei.“ Der Senior an diesem Abend ist Horst, auf dessen Kapuzenpullover „Frag Hotti“ steht und der sich mit dem Renteneintritt eine neue Aufgabe suchte.

Nur miteinander Markus Pajonk hat Erfahrung mit Skepsis und kritischen Fragen. Schließlich sind mit der „Flüchtlingskrise“ Wohnungslose zum Gegenstand politischer Instrumentalisierung geworden. In ganz Deutschland und auch im Ruhrgebiet gibt es offen rassistische Bündnisse, deren Engagement für „die deutschen Obdachlosen“ eigentlich ein „gegen“ ist. Gegen Merkel, gegen „Gutmenschen“, gegen Flüchtlinge. Markus Pajonk nickt: „Auch zu uns kommen Leute, die uns Spenden nur für deutsche Obdachlose bringen. Dann nehmen wir die Spende nicht an. Wem geholfen werden muss, dem wird geholfen. Es wäre genauso unmenschlich, wenn die Feuerwehr beim Wohnungsbrand erstmal nach dem Personalausweis fragen würde. Oder nicht helfen würde, weil die Obergrenze von drei Bränden pro Nacht erreicht ist.“ Und weiter: „Wir haben kein politisches Programm, wir helfen Menschen. Es geht nur miteinander.“ Währenddessen übernehmen Christiane und Hessin gemeinsam die Essensausgabe. „Möchtest Du was Warmes zu essen haben? Nudeln oder Reis?“, fragt Hessin, der vor zwei Jahren aus Syrien fliehen musste. Auf die Frage, wie er dazu kommt, mitzuarbeiten, zuckt er so irritiert die Schultern wie die anderen: „Menschen brauchen Hilfe, ich helfe. Wir helfen.“

Unsoziale Ordnungspolitik Die Weihnachtszeit war Hochsaison für die Verkäuferinnen und Verkäufer von Straßenmagazinen. Weihnachtsmärkte sind dabei die beliebtesten Verkaufsplätze. In Essen wurde der Verkauf dort jedoch im vergangenen Jahr verboten. Damit will die Stadt gegen „aufdringliches Marketing“ vorgehen. Von Felix Huesmann | Foto: Michael Pischke

Niedergeschrieben steht dieses Verbot in der Neufassung der „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung”, die der Rat der Stadt Essen im Februar 2017 beschlossen hat — auf Antrag der Fraktionen von SPD und CDU. In solchen Verordnungen legen Städte fest, was auf öffentlichen Straßen und Plätzen verboten ist. Wildes Plakatieren zum Beispiel. Oder das Verteilen von „Druckerzeugnissen aller Art“ auf Großveranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt. Damit wolle man „aufdringliche Marketing-Aktionen“ verhindern, teilte die Stadt in einer Pressemitteilung im vergangenen Februar mit. Betroffen sind aber vor allem die Verkäufer des Essener Straßenmagazins Ruhrstadtbote. Der Macher des Magazins, Michael Pischke, bezeichnete die Situation auf dem Weihnachtsmarkt als bizarr: „Über den Markt patrouillierten die Doppelstreifen aus Polizei und Ordnungsamt, rund um den Markt standen mit einigem Abstand die Straßenverkäufer aufgereiht wie auf einer Perlenschnur.“ Die Verkäufer, sagt er, hätten das Verbot still akzeptiert. Ebenfalls verboten ist auf Sonderveranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt „jede Art des Bettelns und Lagerns“. Damit will die Stadt Essen laut eigener Mitteilung die Besucher der Veranstaltungen schützen.

21


WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

HAGEBUTTE

Frucht der Rosa canina

E REZEPT Von 150 g Hagebutten die Blüten- und Stielansätze entfernen, halbieren, entkernen und gründlich waschen. 1 kleinen Weißkohl fein raspeln, mit 1 EL Salz durch und durch vermengen und etwa 20 Minuten ruhen lassen. 1 Zwiebel fein hacken. 10 g Zucker in 2 EL Kokosöl karamellisieren und anschließend die Zwiebeln darin anrösten. Den Kohl gut ausdrücken, zu den Zwiebeln geben und unter Rühren weich dünsten, bis die Mischung eine leicht bräunliche Färbung annimmt. Derweil die Hagebutten (je nachdem, wie fest sie noch oder weich sie schon sind) bis zu 10 Minuten in wenig Wasser bei leichter Hitze köcheln lassen. Mit 1 Prise geriebenem Muskat abschmecken. 200 g Fleckerln (ersatzweise Diamantine oder kleine Farfalle) in Salzwasser garen. Die Hagebutten zur KohlZwiebel-Mischung geben, mit schwarzem Pfeffer würzen. Zuletzt die Nudeln unterrühren und ggf. bei geringer Hitze noch einmal kurz erwärmen.

22

s gibt ein Gedicht, besser, ein Kinderlied von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, das seit jeher meine Synapsen in schiere Verzweiflung zu stürzen vermag: „Ein Männlein steht im Walde“ heißt es. Genau wie mich auch Angela Merkel irre machen kann.

überhaupt, am Waldesrand und allein schon mal gar nicht. Aber ein ‚schwarzes Käppelein‘, das hat sie. Der Musikwissenschaftler HansJosef Irmen vermutet, der Widerspruch zwischen beiden Strophen ließe darauf schließen, der Dichter habe versucht, inkompatible Vorlagen zu vereinigen. Merkels Klimapolitik.

Bei letzterer geht es vielen anderen ebenso wie mir. Das weiß ich, obschon die Gründe für besagte Konsternation wahrscheinlich unterschiedlichster Art sein dürften. Einigen reicht wohl allein der Umstand, dass sie Chefin einer Regierung ist. Andere drehen am Rad, weil sie es in dieser Funktion gewagt hat, den Bürgerinnen und Bürgern eines der reichsten Länder auf diesem Planeten zuzumuten, Flüchtlinge zu integrieren. Die Hintergründe, warum es die überhaupt gibt, füllen Bücher. Ich habe hier allerdings nur Platz für annähernd 3.000 Zeichen. Etwa 800 habe ich jetzt schon verbraucht.

Immer, wenn ich Hagebutten sammeln gehe, schwirren mir die bekloppten Verse im Kopf herum. Zum Glück gibt‘s, wenigstens hier, stets ein Happy End. Im Kochtopf. Auch das nebenstehende Nudelrezept ist zum Niederknien.

Was mich immer wieder fassungslos macht, ist die Tatsache, dass sie selbst sich Klimakanzlerin nennt, Deutschland beim Klimaschutz in der Vorreiterrolle sieht, vor den Folgen des Klimawandels eindringlich warnt – und auf der anderen Seite nicht nur seit Jahren die Automobilindustrie hofiert, sondern, geschehen im November vergangenen Jahres im Rahmen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen, ein deutsches „Weiter so“ bei der Braunkohleverstromung legitimiert. Das ist komplett widersinnig. Wie bei Fallersleben. Bei der ersten Strophe denke ich automatisch an einen Fliegenpilz. Der steht allein im Wald auf einem Bein und trägt Purpur. Aber nein: Die Hagebutte soll gemeint sein, obschon die gar nicht steht, sondern hängt, nicht im Wald, sondern, wenn

Als Hagebutten (auch Hägen, Hiefe, Hiffen, Hiften, Rosenäpfel, Hetschhiven, Hetscherl, Hiven, Hetschepetsche, Mehlbeere, Wiepeldorn) bezeichnet man die ungiftigen Sammelnussfrüchte verschiedener Rosenarten, besonders der Hundsrose (Rosa canina).


KULTUR

Rutger Booß, Julia Sattler (Gast), Horst-Dieter Koch, Marianne Brentzel und Ulrich Moeske. Der nächste Bücherstreit wird am 12. April 2018 in der Dortmunder Stadtund Landesbibliothek ausgetragen.

„Jeden zweiten Tag ein neues Buch“ In diesem Jahr wird der Bücherstreit in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund 20 Jahre alt. Max Florian Kühlem sprach mit Autorin Marianne Brentzel, die ihn damals initiiert hat, über das Format und Dortmund als Literaturstadt. Von Max Florian Kühlem | Foto: Sebastian Sellhorst

Warum über Bücher streiten? Bücher entstehen erst so richtig, indem man sie liest. Durch den Rezensionsbetrieb wird es manchmal etwas verdeckt, aber in Wahrheit hat jeder entsprechend seiner individuellen Lebensgeschichte und seiner Art zu denken eine andere Meinung zum Gelesenen. Jeder arbeitet einen eigenen Aspekt des Buches hervor – und meine eigene Einstellung dazu wird im Laufe des Streits manchmal eine andere oder ergänzt. Wie kam es dazu, dass Sie das Streiten über Bücher vor 20 Jahren öffentlich gemacht haben? Natürlich war auch das Literarische Quartett ein Vorbild. Aber die Initialzündung war, dass ich selbst zu einem kleinen Format in einem Dortmunder Vorort eingeladen wurde. Es ging mir darum, nach den großen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt den inzwischen unüberschaubaren Buchmarkt für das lesefreundliche Publikum zu strukturieren, Tipps zu geben. Wie viel lesen Sie selbst? Ich zähle nicht genau nach, aber ich brauche ungefähr jeden zweiten oder dritten Tag ein neues Buch. Ich lese in der Bahn, vor dem Schlafengehen – immer, wenn ich kann. Wie wählen Sie aus? Wenn gar kein politisches oder historisches Element im Buch ist, nehme ich meistens eher Abstand, dann langweilt es mich auch. Aber vorrangig geht es um das gute Schreiben, um ein faszinierendes Geschehen und faszinierende Figuren. Im Blick auf den Bücherstreit lese ich circa zehn Titel, wähle fünf davon aus und bestimme, wer was vorstellt.

Gab es in den 20 Jahren mal Streit, der besonders ausgeartet ist? Mit Rutger Booß, dem Verleger von Grafit, gerate ich immer wieder heftig aneinander: Er hat schon mal geäußert, die Lebenszeit sei ihm für ein Buch zu schade gewesen, das habe ihm „die Hexe nur aufgedrückt“. Zuletzt haben wir „Die Chefin. Roman einer Köchin“ vorgestellt von Marie NDiaye, die wohlgemerkt Nelly-Sachs-Preisträgerin ist, und Ulrich Moeske hat es komplett verrissen. Ich konnte das gar nicht glauben. Aber wir haben alle gelernt, gut zu streiten und Dissens auszuhalten. Wie viele Besucher kommen im Schnitt? Immer um die hundert – und das ist für eine literarische Veranstaltung erstaunlich! Ist Dortmund als Literaturstadt generell gut aufgestellt? Als ich damals aus Berlin kam, fand ich es in dieser Hinsicht ziemlich öde hier. Aber inzwischen fühle ich mich gut aufgehoben: Es gibt ein gutes Lesungsprogramm in der Stadt- und Landesbibliothek. Wir haben seit ungefähr drei Jahren das Literaturhaus, wo es zuletzt im Programm des Lesart-Festivals wieder herausragende Veranstaltungen gab. Und dann gibt es eben den Nelly-Sachs-Preis, wo die Autoren auch wirklich kommen und ihr Werk vorstellen. Was ist ihr aktueller Buchtipp? Der neue Roman von Ljudmila Ulitzkaja, „Jakobsleiter“, ist ganz wunderbar: Es ist im Kern die Geschichte eines Musikers, und über seine Familie erzählt die Autorin mehrere Jahrzehnte der Sowjetunion bis zu ihrer Auflösung. Man fühlt mit und staunt und liest die 600 Seiten gerne.

23


*Mitmachen und Karten gewinnen: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn

Kalender Januar Februar

MI 10 | 01 | 18 Lyrik & Musik | Der Liebe Lust, der Liebe Schmerz Mit Geige, Kontrabass und Gitarre durchschreitet Karsten Riedel sein vielfältiges lyrikmusikalisches Repertoire, das sich aus William Shakespeares Sonetten speist, ergänzt um Gedichte von Dylan Thomas und Frank Wedekind. Gesungen wird stets in Originalsprache. Und bei jeder Vorstellung bekommt er Besuch von einem Gast. Am 10.01. wird Lucas Gregorowicz mit ihm auf der Bühne stehen. Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr

DO 11 | 01 | 18 Ausstellung | Wissenschaftliche Kurzführung: „Schon gewusst?“ Die Versorgung mit Rohöl und Erdgas erfolgt nicht nur aus dem Nahen Osten und Sibirien, sondern auch aus Lagerstätten vor der eigenen Haustür. Welche Bedeutung spielten diese Georessourcen bei der Ablösung der Kohle als Hauptenergieträger Europas? Dieser Frage gehen Dr. Torsten Meyer und Nikolai Ingenerf in der 15-minütigen Kurzführung nach und beziehen auch soziale und ökologische Aspekte mit ein. Bergbaumuseum, Bochum, 12 Uhr Anzeige

24

mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund.

FR 12 | 01 | 18 Party | Wirtschaftswunderkiste Wer die ungestüme Party „La Boum“ kennt, der weiß, dass Tim und Martini (Timmi Twister DJ-Set) sich nicht nur als DJs verstehen, sondern als Kulturarchäologen auf den Spuren populärer Strömungen der Alltagskultur. Für die Epoche des Wirtschaftswunders haben die beiden ein besonderes Faible entwickelt. Auf den Plattentellern liegen dann ausschließlich Schlager, Twist und Rock`n´Roll. Passend zum musikalischen Rahmen bietet die Sissikingkong-Küche Häppchen aus der Wirtschaftswunderzeit: Spargelröllchen, Käsespieße und Bowle. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 19 Uhr

SA 13 | 01 | 18 Markt | KlimBim – der Mädelsflohmarkt Das Konzept des Trödelns ist allseits bekannt und trotz meist nervenaufreibend hoher Schrott-Quote ebenso beliebt. Mit dem Format „KlimBim“ weht eine frische Brise als Flohmarkt von und für Mädels über die vermoderten Tapeziertische. Es werden zwischen Vintage-Taschen und ausrangierten Klamottenschätzen auch die einen oder anderen Nachwuchs-Designstücke auf den Tischen zu finden sein. Rotunde, Bochum, 12 – 17 Uhr Theater | Paul Jonas ist 16 Jahre alt und hat viele Fragen an das Leben. Vor allem an seinen Bruder Paul, der nach einem Unfall starb. Damals war

Paul so alt wie er jetzt. Und so macht sich Jonas auf die Suche nach seinem Bruder, den er nie kannte und von dem er so wenig weiß. Er entdeckt Briefe, Tagebücher und Kisten mit Erinnerungsstücken. Und findet Pauls Lederjacke, die er von da an tragen wird. Ein Stück über das Erwachsenwerden. Über die Suche nach Dingen, die wir verstehen wollen. Flottmann-Hallen, Herne, 19 Uhr (auch 14.1., 18 Uhr) Theater | Geächtet New York. Emily und ihr Mann Amir haben seine Kollegin Jory und deren Mann Isaac zum Dinner eingeladen. Alle vier geben sich aufgeklärt und kultiviert. Doch der Firnis ist dünn: Berufliches und Privates vermengen sich – bis die Rede auf 9/11 kommt und von dort auf den Islam und Religion, später Iran und Israel, Migration und Terrorismus. Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr Musik-Performance | Tatort Jazz – „Nackt“ Der Titel „Nackt“ steht für Freiheit. Ein inszeniertes, multimediales und musikalisch einmaliges Live-Ereignis, das tatsächlich nur einmal aufgeführt wird. Das offene Zusammenspiel aus Licht, bewegten Bildern und unbeweglichen Elementen gestaltet den Raum. Die Bühne. Dazwischen Menschen. Umhüllt von Musik, Illustrationen und Licht. Zum Konzert gibt es eine Kunst-Fotoausstellung mit analogen Fotos von Eileen Radmer mit dem Titel „Körpertransfiguration“. Kulturhaus Thealozzi, Bochum, 20 Uhr


Easy Readers: Wunschvorlesung

25. Januar, 20 Uhr Sissikingkong Landwehrstraße 17 Dortmund

Wünsch Dir was! Dond und Daniel lesen Publikumswünsche im Dortmunder Sissikingkong. Rund um die gewünschten und zugesandten Texte stricken die beiden Stamm-Vorleser der Nordstadt-Bar einen unterhaltsamen Abend ohne Rücksicht auf Normen: „Genre spielt keine Rolle, literarische Qualität spielt keine Rolle – was immer Ihr Euch wünscht, wird Teil unserer Sondierungsgespräche“, schreiben sie in ihrer Einladung zum „Wish Fulfillment“. Ein bunter Mix, Hauptsache nicht zu lang. Bei der Endauswahl der Texte ist auf die beiden Vorleser Verlass: Schon seit mehr als anderthalb Jahrzehnten lesen sie regelmäßig am elektrischen Kamin des Sissikingkong in der Landwehrstraße. Ihrer mittlerweile eingeschworenen Fangemeinde präsentieren sie dabei immer wieder kleine und große Literatur aus allen erdenklichen Sparten. Los geht die Wunschvorlesung um 20 Uhr.

SO 14 | 01 | 18 Aktionstag | Symphonie in Blech Ein Sammelsurium vom Schrottplatz verführt zum ausgelassenen Spiel mit metallischen Tönen und Geräuschen. Die BesucherInnen können unter anderem gestimmte Kuhglocken, ein Radkappen-Schlagzeug oder die Topfdeckel-Pyramide ausprobieren. DASA, Dortmund, 10 – 18 Uhr Lesung | Linus Volkmann Linus Volkmann liebt gute Popkultur so sehr, dass er der schlechten mit einem flammenden Schwert auflauert. Man muss nicht immer mit ihm einer Meinung sein, aber es ist gut zu wissen, dass nicht jeder künstlerische Zu- oder Unfall ein Meisterwerk genannt werden muss. Linus Volkmann, geboren in Frankfurt, lebt in Köln, ist Buchautor und Popjournalist. Seine Texte, Rants und Clips finden sich unter anderem bei arte, VICE,

WDR, Titanic oder Spiegel Online. Zudem konzipiert er Beiträge für Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“. Labsal, Dortmund, 17.30 Uhr Theater | Der Futurologische Kongress Inmitten von Kämpfen am Rande des Weltkongresses kommt dem berühmten Sternenfahrer Tichy und seinem Freund Trottelheimer ein böser Verdacht: Werden glücksbringende Gase versprüht? Was ist Illusion, was Wirklichkeit? Der berühmte Roman von Lem als große Reise durch Raum und Zeit: eine LiveAnimationsperformance von sputnic! Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr (auch 6.1., 19.30 Uhr) Party | NICE UP! 4 Years Celebration Die „NICE UP!“ hat Geburtstag, und das wird am Samstag, dem 13.1. mit Pauken und Trompeten in der Dortmunder Großmarktschänke gefeiert. Mit einem Mix aus Dancehall, Reg-

gae, Old School Rap und World Beats wird bei der „NICE UP!“ Monat für Monat der Dancefloor in Brand gesetzt. Neben den Residents Blockbuster Soundsystem und NasAIR stehen bei der Geburtstagssause Ruffcut Sound und Soundvalley Movement an den Plattentellern. Bis 23.30 Uhr ist der Eintritt frei. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr

DO 18 | 01 | 18 Poesie & Comedy | Sandra Da Vina – „Hundert Meter Luftpolsterfolie“ Hundert Meter Luftpolsterfolie: Diese kindliche Freude am Kaputtmachen, aber auch diese innere Leere, wenn die Luft raus ist – aus der Beziehung, aus der Freundschaft, aus dem Leben. Da Vinas Worte knistern und knallen, ihre Geschichten machen Lärm und sind dann wieder ganz leise, intim. Dabei liegen Tragik und Komik immer dicht beieinander. Da Vinas Programm beweist vor allem eins: Sprache ist immer noch der beste Schutz, der stärkste Stoßdämpfer, um mit der Realität da draußen fertig zu werden. Rotunde, Bochum, 20 Uhr Comedy | Abdel Karim – „Staatsfreund Nr.1“ Abdelkarim wusste jahrelang nicht, was er eigentlich ist. Ein deutscher Marokkaner, ein marokkanischer Deutscher oder einfach nur abschiebewürdig? Mittlerweile weiß er es: Er ist ein Deutscher gefangen im Körper eines Grabschers. Aber Abdelkarim hat sich um den Gesellschaftsteilnahmeschein bemüht. Und er hat es geschafft: Er ist der „Staatsfreund Nr. 1“! FZW, Dortmund, 20 Uhr

FR 19 | 01 | 18 Theater | Drei Männer im Schnee Wenn ein Millionär sich in den Kopf setzt, als „armer Mann“ verkleidet die Menschen kennenzulernen, wie sie wirklich sind, kann er

Anzeige

25


KALENDER

Lesung | Der erste Mensch „Der erste Mensch“ ist die Geschichte einer Suche nach dem im Krieg gefallenen Vater und einer Reise zurück in die eigene Kindheit, zurück in ein anderes Land. Albert Camus erzählt in seinem Roman von der Kraft der Bildung und davon, dass jeder es schaffen kann. Musikalisch eingebettet durch das l’Orchestre du Soleil lässt Joachim Król diese eindrucksvolle Geschichte lebendig werden. Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

einige Überraschungen erleben: Da wimmelt es plötzlich von falschen Identitäten und Namen. Aus dem treu ergebenen Diener Johann wird ein steinreicher Schifffahrtslinienbesitzer. Der wirklich arme Reklamefachmann Dr. Hagedorn gelangt zu „Ruhm und Ehren“ und versteht überhaupt nichts mehr. Die Hausdame des Millionärs kommt aus ihren Zuständen gar nicht mehr heraus, und die Tochter des Hauses erfährt die Liebe auf den ersten Blick. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr (auch 20.1.) Lesung, Theater & Musik | „Ich komme aus der Stadt des Jasmins...“ Freiheit und Schutz vor Krieg und Verfolgung, aber auch Erinnerungen, Heimweh und Sehnsucht – das sind zu allen Zeiten die Themen, die AutorInnen im Exil dichterisch gestalten. In Szenen lässt die Theatergruppe „WortSinnWeisen“ die Erfahrungen deutscher SchriftstellerInnen lebendig werden und spannt den Bogen von Heinrich Heine, Stefan Zweig über Dichter und Dichterinnen, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten, bis ins 20. Jahrhundert. Theater 48, Bochum, 20 Uhr

VERLOSUNG | Ein Bericht für eine Akademie Der ehemalige Affe namens Rotpeter legt einer Akademie einen Bericht über seine Menschwerdung vor. Der Gegenstand des Berichts ist aber nicht, wie von der Akademie gewünscht, die Erinnerung an das äffische Vorleben, sondern die Schilderung des Anpassungsvorganges. Eingefangen von einer Jagdexpedition und monatelang gehalten in einem bedrückend engen Käfig auf einem Dampfer, sucht der Affe einen Ausweg. Er ahmt die Menschen nach, weil er so „unbehelligt“ sein will, wie sie es offensichtlich sind. Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

SA 20 | 01 | 18 Ausstellungseröffnung | Tandemgeflüster Die Idee zum Projekt „Tandemgeflüster IV – Ein künstlerischer Austausch von KünstlerInnen mit und ohne Behinderung“ ist im Atelier „Werkstattarbeit“ der AWO-Werkstätten Dortmund entstanden, in dem KünstlerInnen mit unterschiedlichen Behinderungen seit 2009 arbeiten. Diese treffen nun auf eingeladene KünstlerInnen ohne Behinderungen. Es geht um die Frage, was treibt mich an, künstlerisch zu arbeiten. Die einzelnen Tandempaare wurden nach inhaltlichen bzw. gestalterischen Übereinstimmungen und Abgrenzungen in ihrer Arbeit ausgewählt. Flottmann-Hallen, Herne, 17 Uhr

SA 27 | 01 | 18 Markt | Nachtflohmarkt im Depot Wer besitzt nicht noch echte Kostbarkeiten, ob selbst gemacht, geerbt oder unter obskuren Umständen erworben, die zum Wegwerfen viel zu schade sind? Beim Nachtflohmarkt im Depot kann man solche Schätzchen entdecken, während man gleichzeitig ein kulturelles Rahmenprogramm genießen darf. Dies wird von der Veranstaltungsreihe Ekamina zusammengestellt. Mit dabei sind Hungry Wolves, Martini und Der große Pilloso. Depot, Dortmund, 17 – 24 Uhr

VERLOSUNG | Klangsphäre – DJ&SPACE: Marc Romboy Mit Marc Romboy präsentiert die Reihe DJ&Space einen vielseitigen Protagonisten der elektronischen Tanzmusik. Auf seinem Label Systematic veröffentlichte er Produktionen von Künstlern wie Booka Shade, Blake Baxter, Phonique und Martin Landsky. Auch Romboy selbst ist mittlerweile rund um den Globus gefragt und bespielt regelmäßig in Clubs wie Berghain, Cocoon, Watergate und Fabric die Tanzflächen. Dabei zieht es ihn in den vergangenen Jahren vermehrt auch an klassische Musikorte, was sein zuletzt erschienenes Album „Reconstructing Debussy“ belegt. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

MI 24 | 01 | 18 Vortrag & Diskussion | Frauenrechte im Iran Das Leben vieler Frauen im Iran ist geprägt von systematischer Diskriminierung und Verfolgung. Golrang Khadivi, die an der Universität Hamburg zu Genderfragen im Iran forscht, wird im Rahmen des Projekts „Fluchtursachen“ unter anderem auf Perspektiven für Frauenrechte im Land blicken. Eine Veranstaltung der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e.V. Bahnhof Langendreer, Bochum, 18.30 Uhr

Party | Kalakuta Soul Kalakuta Soul ist das monatliche Clubformat des gleichnamigen Bochumer Labels in der Bochumer Rotunde. Jeden vierten Samstag eines Monats erwartet Guy Dermosessian einen inspirierenden Plattensammler, DJ, Produzenten und/oder Musiker für ein gemeinsames DJSet aus dem weiten Bereich der Rare Grooves:

Anzeige

MEDIZIN. THERAPIE. PFLEGE UND FÜRSORGE IN DORTMUND. Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund gGmbH St.-Johannes-Hospital Telefon (0231) 1843-0

Marien Hospital Telefon (0231) 7750-0

St.-Elisabeth-Altenpflege Telefon (0231) 2892-0

St. Josefinenstift Telefon (0231) 55 69 05-0

Ambulantes OP-Zentrum Telefon (0231) 1843-2130

St.-Elisabeth-Krankenhaus Telefon (0231) 2892-0

Christinenstift Telefon (0231) 18201-0

Jugendhilfe St. Elisabeth Telefon (0231) 94 60 600

KATH. ST.-JOHANNES-GESELLSCHAFT DORTMUND gGmbH

Kranken- und Pflegeeinrichtungen 26

www.st-johannes.de


„Wenn alle denken, du bist der Terrorist“ – Mathias Kopetzki schreibt über sein Leben mit Vorurteilen, Rassismus und dem Gefühl, „nicht ganz deutsch“ zu sein. Der Schauspieler wird als Kind adoptiert. Mit fünf Jahren erfährt er zum ersten Mal, dass er iranische Wurzeln hat. Seitdem sorgt seine Herkunft immer wieder für absurde Geschichten.

Mathias Kopetzki liest: Bombenstimmung 27. Januar, 20 Uhr Eve Bar im Schauspielhaus Königsallee 15 Bochum

In „Bombenstimmung“ beschreibt er sie emotional, aber mit viel schwarzem Humor. Dabei geht es um begriffsstutzige Sicherheitsleute, unbelehrbare Lehrer und überfreundliche Flüchtlingshelfer. „Bombenstimmung“ ist bereits das dritte Buch des Schauspielers, der an Theatern in Deutschland und Österreich auf der Bühne stand, in mehreren Filmen und Fernsehserien mitgewirkt hat und mit eigenen Programmen durch die Republik tourt. Am 27. Januar liest Kopetzki in der Eve Bar des Bochumer Schauspielhauses.

Funk, Soul, Jazz, Disco und Boogie mit Einflüssen aus allen Ecken des Planeten. Wer am 27.1. dabei ist, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest – wir lassen uns überraschen. Rotunde, Bochum, 23 Uhr

SO 28 | 01 | 18 Kindertheater | Knubbel mit Nase Mitten auf der wilden Wiese steht ein Bollerwagen. Da überwintern Hubert Hase und Mausi Maus, aber es muss noch was zum Knabbern her. Plötzlich schneit unerwarteter Besuch herein. Schneemann Knubbel ist auf dem Weg zum großen Schneemannsfest am Nordpol. Nur einen Augenblick verschnaufen – schwupp, schon ist seine schöne Möhrennase futsch. Eiskalt stibitzt! Ein heiteres Wintermärchen über eine ungewöhnliche Freundschaft für Kinder ab 3 Jahren. Fletch Bizzel, Dortmund, 11 Uhr (auch 14.1., 11 Uhr & 24.1., 10 Uhr)

Musik | Tag der Befreiung Chris Hopkins’ Gypsy Swing Trio & ArtTone Trio Alle Juden dieser Welt zu ermorden, wurde zuerst gedacht, dann beredet, dann beschlossen und ins Werk gesetzt. Ein ungeheuerliches Verbrechen, unfassbar für immer, dennoch machbar. Wahr ist aber auch: Auschwitz wurde befreit, es gab Kräfte, die dem Morden widerstanden. Zu diesen Kräften zählten Kunst und Kultur. Im Swing beispielsweise, von den Nazis verboten, ist es ein kleiner Dreh, der entscheidet, ob gleichförmiges Schreiten zum heiteren Swingen wird. An diese kleine versetzte Sekunde erinnern Bochumer KünstlerInnen am Tag der Befreiung. Christuskirche, Bochum, 17 Uhr Theater | Woyzeck Georg Büchners unvollendetes Drama „Woyzeck“ erzählt von einer Welt, in der die Werte von Zivilisation, Güte und Menschlichkeit als bröckelnde Illusionen enttarnt, als Fassade

einer gnadenlosen Gesellschaft schon nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Mit aggressivem Humor zeichnet „Woyzeck“ das Bild einer Welt, die aus Angst, Zorn und Bösartigkeit besteht – und verweist somit auf eine völlig erkaltete Gesellschaft. Weitere Termine: www.prinzregenttheater.de prinzregenttheater, Bochum, 18 Uhr

DI 30 | 01 | 18 Lesung & Diskussion | Body Positivity Wie werden Gesundheit und Schönheit gesellschaftlich konstruiert und welche Möglichkeiten gibt es, sich dagegen zu behaupten? Die Body-Positive-Bewegung kämpft für die Anerkennung und Wertschätzung vielfältiger Körperbilder. Gemeinsam mit Magda Albrecht und SchwarzRund wird es in einer Mischung aus Diskussion, Lesung und Spoken-Word-Performance um Erfahrungen, Empowerment und Aktivismus rund um Body Positivity gehen. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr Lesung | Jule Vollmer: „UND SELBST? Feinherbe und honigsüße Geschichten“ Satirisch pointiert und liebevoll spöttisch mit viel Selbstironie betrachtet Jule Vollmer den Alltag aus weiblicher Sicht. Ihre Kurzgeschichten driften immer wieder ins Skurrile ab und nehmen oft eine unerwartete Wendung. Da sind der Nachlass einer Kioskbesitzerin, Nachbarschaftshilfe im Schrebergartenidyll und der Fußballaberglaube ebenso Thema wie Frauen und Männer, die sich mutig den Unwägbarkeiten des Lebens entgegenstellen. Lila Salon, Iserlohn, 19 Uhr

DO 01 | 02 | 18 Theater | Lenz Vor mehr als 170 Jahren schrieb Büchner seinen berühmten Prosatext „Lenz“, der vom

Anzeige

Sei mir ein sicheres Zuhause, wohin ich jederzeit kommen kann. Ps 71.3

Hospiz St. Hildegard · Königsallee 135 · 44789 Bochum www.hospiz-st-hildegard.de

Helfen Sie uns mit Ihrer Spende: Sparkasse Bochum · IBAN: DE59 4305 0001 0001 2015 40 · BIC: WELADED1BOC 27


KALENDER

sinnverwirrten Schriftsteller Jakob Lenz handelt und wie dieser im Bergdorf Waldbach seelische Zuflucht sucht. Auf unterschiedlichste Weise versucht er in dem winterlichen Ort seinem heftigen Angstwahn zu entkommen. Auch in der Kunst und der Literatur sucht Lenz immer wieder nach metaphysischem Halt: Shakespeare, Goethe, die Bibel. Ob ihm auch die Lektüre von Büchners Lenz geholfen hätte? Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr Talk | Science Pub: Schlau sprechen über Plastik Der Science Pub serviert ein ernstes Thema mit viel Vergnügen beim Zuhören und Diskutieren. Hier geht’s ums Plastik und seine Folgen. Ganz entspannt mit einem Kaltgetränk aus dem Glas. Der Science Pub ist Teil des Rahmenprogramms zur Ausstellung „Experiment“. Sie präsentiert Erfindungen aus dem Chemie-Labor und ist an diesem Tag bis 19.30 Uhr zur Besichtigung geöffnet. DASA, Dortmund, 20 Uhr

FR 02 | 02 | 18 Theater | Jugend ohne Gott Als Ödön von Horváth 1937 seinen Roman schrieb, war ihm die politische Entwicklung seiner Zeit allgegenwärtig. Am Beispiel einer namenlos gewordenen Generation Jugendlicher zeichnete er den Verlust von autonomem Denken auf. Ihnen vorgesetzt ein Lehrer, der sich zusehends in Verfehlungen gegenüber seinen Schülerinnen und Schülern verstrickt. Zugleich schuf Horváth eine Kriminalgeschichte über erste Liebe und Sexualität, Gewalt und Gleichgültigkeit, die Suche junger

Musik, Theater, Kabarett: Die Schwerter Kleinkunstwochen bieten vom 27. Januar bis zum 4. Mai ein buntes und vielfältiges Programm – und das bereits zum 62. Mal. Die Wochen beginnen mit einem Auftritt der Gruppe „Arte Criminale“ und der Uraufführung von „Love Peace & Murder“. Krimilesung, atmosphärische Lichtprojektionen und Livemusik führen das Publikum dabei musikalisch zum legendären Woodstock-Musikfestival zurück.

bodo verlost 1x2 Karten*

Schwerter Kleinkunstwochen 27. Januar bis 4. Mai Schwerte www.kuwebe.de

Bis Mai folgen außerdem eine Neubearbeitung von Miguel de Cervantes‘ „Don Quijote“ mit Mechthild Großmann und der „Berliner Lautten Compagney“, Slam-Poetry des zweimaligen deutschen Meisters Jan Philipp Zymny und einiges mehr. Am 4. Mai wird zum 27. Mal der Schwerter Kleinkunstpreis verliehen. bodo verlost 1 x 2 Karten für „Arte Criminale“ am 27. Januar in der Rohrmeisterei Schwerte.

Menschen nach Orientierung und Erwachsener nach dem Umgang mit der Wahrheit. Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 3.2.)

SA 03 | 02 | 18 Markt | Kinoplakat-Flohmarkt Ausgewählte Plakate, Aufsteller, Banner sowie Aushangfotos warten auf neue BesitzerInnen. FilmfreundInnen und SammlerInnen sollten sich den Termin im Kalender eintragen, denn wie immer gibt es diese Schätze beim Kinoplakat-Flohmarkt für kleines Geld, das im Anschluss für einen guten Zweck gespendet wird. Schauburg, Dortmund, 11 – 13 Uhr

Anzeigen

Büro Recklinghausen (Hauptverwaltung) Telefon 0 23 61 – 40 64 70 Weitere Büros in: Bochum · Dortmund Bottrop · Herne Wuppertal

Bundesweit über 39.000 Mitglieder

office@mieterschutzbund.de www.mieterschutzbund.de 28

druckwerk

druck in dor tmund

w w w.druckwer k.info

bodo verlost 2x2 Karten*

VERLOSUNG Aschenputtel – Das Musical Sie verzauberte schon Generationen: Die ewig junge Geschichte des Aschenputtel. Nun kommt der Märchenklassiker der Gebrüder Grimm als temporeiche Inszenierung mit MusicalHits und gefühlvollen Balladen auf die Bühne. Überzeugende Musical-Darsteller in prächtigen Kostümen entführen Kinder ab 4 Jahren und Kindgebliebene in ein Märchenland voller Zauber. Auch in dieser Neufassung verwandelt sich das Aschenputtel, die arme Magd mit der bösen Stiefmutter, in eine freudestrahlende Traumprinzessin. Doch auf dem Weg dahin herrscht turbulentes Treiben am Gutshof der Stiefmutter, im königlichen Schloss und im ganzen Märchenland. RuhrCongress, Bochum, 15 Uhr Theater | Alle sieben Wellen Es gibt Geschichten, die können einfach nicht so aufhören. Und deshalb bekommen Emmi und Leo nach „Gut gegen Nordwind“ eine zweite Chance. „Alle sieben Wellen“ erzählt von Leos Rückkehr aus Boston, von Emmis Eheproblemen und von der siebenten Welle, die immer für Überraschungen gut ist. Werden die beiden es diesmal schaffen, ihr gemeinsames Glück zu finden? Weitere Termine: www.austropott.de Dortmunder U, Dortmund, 19.30 Uhr Film & Musik | Der letzte Mann Der alte Portier des Hotels „Atlantic“ verdankt seiner prächtigen Uniform Selbstwert-


gefühl und Anerkennung. Doch eines Tages degradiert der Geschäftsführer den Altersgeschwächten zum Toilettenmann. In seinem Milieu wagt er nicht, den Abstieg einzugestehen. Um den Schein zu wahren, stiehlt er die Uniform. Stummfilm von F. W. Murnau mit Live-Musik von Interzone Perceptible. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

DI 06 | 02 | 18 Musik | FZW Indie Night: Hater, The Homesick, The Mysterons In langer Tradition möchte die Indie-Szene Bands entdecken und in den kleinen Clubs sehen, bevor sie große Hallen füllen und nur noch die sogenannten Medienstädte wie Köln, Hamburg oder Berlin bespielen. Mit der Konzertreihe FZW Indie Night holt das FZW spannende, unbekannte und vorwiegend internationale Künstler auf die kleine Bühne. Mit dabei sind: Hater (Schweden), The Homesick (Niederlande) und The Mysterons (Niederlande). FZW, Dortmund, 20 Uhr

MI 07 | 02 | 18 Musik | Verdi-Gala – Sonya Yoncheva Es ist ein überraschendes Geschwisterpaar, das sich mit dieser Verdi-Gala dem Dortmunder Publikum präsentiert: Während die Sopranistin Sonya Yoncheva ihre Stimme an barockem Repertoire schulte, gewann ihr Bruder Marin als 17-Jähriger eine populäre bulgarische Casting-Show und machte Karriere als Pop-Sänger. Doch inzwischen ist auch er ein klassisch ausgebildeter Tenor. Gemeinsam widmen sie sich Arien und Duetten von Verdi. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr

Anzeige

Musik | Jampardy – Open Groove Jam Die brandneue Spielidee von den Erfindern des Jamroulette: Was kommt heraus, wenn man eine JamSession mit einer Quizshow kreuzt? Die Hausband des Casino Schneider und der Quizmaster bringen das Publikum durch die Nacht, der Buzzer startet den unbarmherzigen Countdown und die Quizwand bietet immer neue Herausforderungen für die Jamdidaten. domicil, Dortmund, 21 Uhr

DO 08 | 02 | 18 Theater | Ende gut, alles gut Im Zentrum der Geschichte steht eine von Shakespeares verblüffendsten Frauenfiguren. Die Tochter eines berühmten Arztes erlangt das Privileg des Königs, sich ihren Ehemann selbst ausuchen zu dürfen. Der gewählte Graf flüchtet. Seine frisch Vermählte aber gibt nicht auf. Sie weiß, was sie will… Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr

VERLOSUNG | Eddi Hüneke Kann ein Wise Guy allein auf der Bühne stehen? Er kann. Eddi Hüneke war schon in der Vergangenheit als Komponist und Texter tätig. Bei seinen neuen Songs begleitet er sich selbst am Klavier, an Gitarre und Ukulele und loopt vielschichtige a-cappella-Rhythmen. Eddi Hüneke gründete 1990 mit vier Schulfreunden die Wise Guys. Mit ihnen veröffentlichte er 13 Alben, gewann einen Echo und erhielt fünf Goldene Schallplatten. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

endstation.kino | Dokumentarfilmfestival „Stranger Than Fiction“ Zum zehnten Mal präsentiert das endstation.kino in Kooperation mit der bodo Kinogesellschaft Köln verlost 1x2 das DokumentarfilmKarten* festival „Stranger Than Fiction“. Vom 20. Januar bis 4. Februar werden aktuelle Dokumentarfilme gezeigt, die auf Festivals ihr Publikum begeistert haben. Moderierte Filmgespräche mit den RegisseurInnen bieten Gelegenheit zu Fragen und zur Diskussion. Fünf Tage vor dem offiziellen Kinostart ist am 20. Januar das Musikerinnenportrait „Anne Clark – I’ll Walk Out Into Tomorrow” zu sehen. Anne Clark, Ikone der Musikgeschichte und Pionierin der Spoken Word-Kunst, steht seit mehr als 30 Jahren auf der Bühne. Sie verwandelt Sprache in einzigartige Musik. Ihre analogen Synthesizer-Sounds machten die Poetin zu einer Wegbereiterin des Techno. Der Regisseur Claus Withopf begleitete Anne Clark fast ein Jahrzehnt und porträtiert eine gesellschaftskritische Ausnahmekünstlerin – eine musikalische Rebellin, die sich auf ihrer eigenen Tonspur bewegt. Zur Preview in Langendreer ist Withopf zum Filmgespräch zu Gast. Weitere Termine: 25., 30. und 31. Januar um 20 Uhr, 2. und 3. Februar um 21 Uhr und 4. Februar um 19 Uhr. Weitere Filme im Rahmen von „Stranger Than Fiction“: For Akheem (26. Januar), Grace Jones: Bloodlight and Bami (26. Januar). Mr. Universe (27. Januar, mit Gästen) und Betrug (27. Januar), El Color del Camaleón (28. Januar), Als Paul über das Meer kam (29. Januar, mit Gästen), Playing God (30. Januar, mit Gästen), Hans Peter Feldmann – Kunst keine Kunst (31. Januar, mit Gästen). endstation.kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum www.endstation-kino.de

29


BODO GEHT AUS

Café O Nosso Burgholzstraße 30 44145 Dortmund

O Nosso Das Café O Nosso ist ein Abbild der besten Seiten der Dortmunder Nordstadt. Ganz unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Milieus treffen hier aufeinander. Aus vielen von ihnen werden dabei schnell Stammgäste. „Ich habe das Café 1992 eröffnet“, erzählt Benilde Mereiles, die alle nur Benny nennen. „Das war mein erstes Café, zwischendurch habe ich auch noch andere Läden und ein Restaurant geführt, aber hier war es immer am schönsten“, erklärt sie. Am Anfang zog das Café O Nosso vor allem Portugiesen an, im Laufe der Jahre sind die Gäste immer verschiedener geworden. „Ich arbeite hier mit allen möglichen Nationalitäten und Mentalitäten“, sagt Benny, während sie einen Café Cortado zubereitet, einen Espresso, der mit etwas aufgeschäumter Milch in einem kleinen Glas serviert wird. Auf dieses gemischte Publikum legt sie viel Wert, sowieso ist sie voller guter Worte über ihre Gäste: „Die machen keinen Stress, die meisten sind sehr bescheiden.“ Guter Kaffee zu günstigen Preisen, das ist das Hauptgeschäft des Cafés. Kaffeemühle und Espressomaschine stehen selten still. Zum Kaffee gibt es frisch belegte Brötchen

30

Willkommen in der Nordstadt

Von Felix Huesmann Fotos: Daniel Sadrowski

mit Salami, Lachs oder portugiesischem Käse. „Ich biete nichts an, was ich nicht auch selber essen würde“, sagt Benny. Über den Tresen, an dem tagsüber vor allem Kaffee gereicht wird, wandern abends und bis in die späte Nacht auch Bier, Portwein und Schnaps. Da streiten sich Stammgäste scherzhaft darüber, ob nun Sagres oder Super Bock das beste Bier Portugals ist, und lassen ihren Feierabend ausklingen. Das Café O Nosso ist im besten Sinn bodenständig und integrativ. Hier bleibt

man, anders als in vielen Cafés und Kneipen in der Nachbarschaft, nicht unter sich. Biertrinker und fromme Muslime, Malocher und Studenten, das Publikum des Cafés ist dabei so bunt, dass es fast wie ein Multikulti-Klischee klingt. Nur dass diese bunte Mischung hier kein Ergebnis irgendeines Sozialprojektes ist. Sie ist ganz alltägliche Normalität.


Anzeigen

Erste Reihe statt zweite Geige.

Der perfekte Kaffee Als die Kaffeemaschine vor einigen Monaten repariert werden musste und ein Ersatzgerät hinter dem Tresen stand, da haben die Stammgäste des O Nosso das schnell gemerkt. Denn für den perfekten Kaffee müssen die Details stimmen. Die Maschine muss regelmäßig justiert werden. Mindestens zweimal im Jahr wird das Herzstück des Cafés von einem Spezialisten neu eingestellt und den Witterungsbedingungen angepasst. Im Winter wird das Wasser etwas stärker erhitzt. Auch der Mahlgrad der Kaffeebohnen variiert. Im Sommer stellt Benilde Mereiles es gröber ein als in der kalten Jahreszeit. Auch bei der Auswahl der Bohnen kommt es auf Details an. „Wir verwenden nicht nur eine Kaffeesorte, sondern eine ganz bestimmte Mischung“, erklärt die Café-Besitzerin. Um den Geschmack perfekt abzurunden, hat sie einen Geheimtipp: Vor dem Mahlen mischt sie stets ein paar Körner grobes Meersalz unter die Bohnen. Und was ist ihr liebster Kaffee? „Schwarz! Starker Espresso mit ein bisschen Zucker.“

Testwochen nutzen und Vorteile genießen

*

* Kunden Für DEW21 bis 28.2. 2. 1.1 m vo n: s anmelde Kostenlo

/ dew21.de en h c o testw

Dies ist ein Angebot für Strom- und Gas-Kunden von DEW21, ausgenommen Nachtspeicher-, Wärmepumpen- oder Transparent-Kunden.

DEW21 Vorteilswelt

Testen Sie jetzt die Vorteilswelt, die normalerweise nur für unsere Komfort- und Premiumkunden geöffnet ist. Freuen Sie sich auf 2 für 1 Drinks in ausgewählten Dortmunder Clubs, 20 % Ermäßigung auf die Atlantis-Show von Holiday on Ice u. v. m. ≥

dew21.de / vorteilswelt

747 Jugendlichen Türen geöffnet und 1.095 Bordsteine überwunden.*

*

Frank Zittlau Sozialpädagoge, Teamleiter des Appartementhauses Weitmar.

*

Giulia Arnold Studentin und Jugendmitarbeiterin, engagiert sich als eine von über 160 Presbyterinnen und Presbytern in der Leitung einer Evangelischen Kirchengemeinde.

Was auch passiert. Wir sind da.

www.team-für-hier.de

31


REPORTAGE

Hauptbahnhof Dortmund in den 1950er Jahren

32


Städte verändern sich. Gebäude, Straßen, Plätze, Grünanlagen – die ortsbildprägenden Komponenten unterliegen einem steten Wandel. Umbrüche erfolgen in gefühlt immer kürzeren Abständen. Derzeit verschwinden die Bauten der Wirtschaftswunderjahre. Der Bildband „Dortmund – Bilder aus den 50er- und 60er-Jahren“ erinnert an diese Epoche. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Sammlung Meeder / Sutton Verlag, Ruhr-Nachrichten / Sutton Verlag, Cramers Kunstanstalt Verlag Dortmund / Sutton Verlag

Was bleibt Stadtgeschichte im Spiegel historischer Fotografie

Der erste Dortmunder Bahnhof wurde am 15. Mai 1847 eröffnet. Historische Abbildungen zeigen ein ansehnliches Gebäude, das jedoch den Anforderungen der sich rasant entwickelnden Infrastruktur schließlich nicht mehr entsprach. Damals erfolgte der Zugang für Reisende über das Burgtor. Die Gleise verliefen ebenerdig und stellten eine erhebliche Barriere für den Verkehr zwischen Innen- und Nordstadt dar. Die Einweihung des notwendig gewordenen Nachfolgers fand am 12. Dezember 1910 statt. Seinerzeit galt er als größter im Deutschen Reich. Er wurde 1944 durch einen Luftangriff der Alliierten zerstört. Das jetzige Empfangsgebäude stammt aus dem Jahr 1952. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern wirkt es unscheinbar und schlicht. Konzepte für einen gigantischen Neubau, welche um die Jahrtausendwende kursierten, blieben im Stadium der Planung stecken. „Die Frage, ob mir ‚UFO‘ oder ‚3do‘ als Bahnhof gefallen hätten oder nicht, kann ich nicht beantworten“, sagt Markus Meeder. Gemeinsam mit seinem Bruder Andreas hat er den eingangs erwähnten Bildband über das Wirtschaftswunder-Dortmund erarbeitet. „Ich lasse solche Dinge auf mich zukommen. Genau wie das Fußballmu-

seum. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die alles Neue prinzipiell ablehnen. Oft genug muss man erkennen, dass man zunächst schlimmste Befürchtungen hegte und dass die Sache am Ende doch überzeugen konnte.“

Aus Cramers Kunstanstalt Diese Unvoreingenommenheit steht nicht im Widerspruch zu seinem Faible für Historisches. Meeder faszinieren Objekte, die verschwunden sind. In gleichem Maß reizen ihn Spuren, die im aktuellen Stadtbild gegebenenfalls nur mittelbar von Verhältnissen früherer Epochen zeugen, oder Relikte, die tatsächlich überdauert haben, die aber kaum jemand als solche erkennt. Vor diesem Hintergrund hat er aus einer Not eine Tugend gemacht. „Ich kann mir schlecht Daten merken, Jahreszahlen und Zusammenhänge. Deswegen habe ich angefangen, Dateien zur Dortmunder Stadtgeschichte anzulegen. Die wurden immer umfangreicher. Irgendwann habe ich begonnen, die stichwortartigen Fakten zu Texten zusammenzufassen. Und dann habe ich gemerkt: Hoppla, das ist ja beinahe ein richtiges Buch. Bilder gab es auch. Mein Bruder und ich sammeln seit Ewigkeiten Ansichtskarten. Was wir wirklich

vermissten, war ein Buch über die Dortmunder Innenstadt, das in der Lage gewesen wäre, uns einen Überblick über die verschiedenen Straßen in ihren jeweiligen Entwicklungsstufen zu geben. Da habe ich mir gedacht, okay, das Material hätte ich inzwischen. Dann mache ich das eben.“ Das Ergebnis ist der Band ‚Dortmund – Historische Streifzüge‘ aus dem Jahr 2015. Die Verkaufszahlen sprachen für eine Fortsetzung. Im selben Verlag erschien bald sein Buch zum Westfalenpark. Und jetzt „Dortmund – Bilder aus den 50er- und 60er-Jahren“. Bei der dritten Veröffentlichung standen glückliche Umstände Pate. Zum einen konnten die Brüder Bilder aus dem Nachlass des hiesigen Ansichtskartenverlags „Cramers Kunstanstalt“ nebst Nutzungsrecht erwerben. Zum anderen fanden sie auf einem Flohmarkt einige hundert Fotos, die einst für die Ruhr Nachrichten aufgenommen wurden. Beide Konvolute ergänzen sich perfekt. Die Ansichtskartenmotive sind, ihrer ursprünglichen Aufgabe entsprechend, auf Wesentliches konzentriert. Oft zeigen sie repräsentative Gebäude in Reingestalt, ohne den Alltag in Form von beispielsweise Fußgängern oder Autos zwischen Objektiv und Objekt. Bei den Pressefotografien steht häufiger das reale Leben

33


REPORTAGE

im Vordergrund. Man sieht Kinder bei einer Schneeballschlacht vor Baulücken am Westenhellweg, Schaulustige, die an der Hansastraße einen Ampelmast erklommen haben, oder Rentner, die bis auf den letzten Platz die Parkbänke der ehemaligen Grünanlage vorm Bahnhof belegen.

Löschteich und Fernsicht-Erfrischungsraum „Es gibt Leute, die regt es noch heute auf, dass da der Löschteich weg ist“, sagt Meeder. „Dann heißt es, früher wäre alles viel schöner gewesen. Ob das stimmt, will ich gar nicht beurteilen. Vor allem auf den Ansichtskarten ist eine Idealversion zu sehen. Ich glaube, viele Leute werden sich der Vergangenheit auch deswegen wieder bewusster, weil sie eine Sehnsucht nach Sachen mit Bestand haben. Heute wird so gebaut, dass Häuser zehn Jahre zu halten haben. Danach werden sie als Verschleißobjekt gehandelt. Das war mal anders. Nur gibt es gerade in unserer Innenstadt kaum

Andreas und Markus Meeder Dortmund. Bilder aus den 50er- und 60er-Jahren ISBN 978-3-95400-823-0 Sutton | 30 Euro

noch Gebäude aus jenen Tagen. Die Krüger-Passage am Westenhellweg ist ein gutes Beispiel. Die hat den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden. Oder der Löwenhof. Da gehen die Leute auf die Barrikaden, wenn gemunkelt wird, der solle wegen statischer Mängel abgerissen werden.“ Ein prominenter Beleg, wie schnell Nachkriegsarchitektur selbst wieder Geschichte sein kann, ist die 1958 eröffnete Bibliothek. Im Deutschen Wirtschaftswunder war sie der erste Bibliotheksneubau. Das Buch zeigt die wohl allen Dortmundern – sei es durch eigenes Erleben oder anhand der zahlreich existierenden Fotografien – hinlänglich bekannte Mosaikfassade, darüber hinaus aber auch seltene Aufnahmen der Innenräume. Oder den „Fernsicht-Erfrischungsraum“ mit Außenterrasse über dem Hertie-Kaufhaus. Oder das Film-Casino, das am Ostenhellweg im Dornröschenschlaf liegt.

Die Stadtschänke unterm Konzerthaus Nur wer sich derart intensiv mit der Stadt und ihrer Architektur beschäftigt, wird an einzelnen Gebäuden Details entdecken können, die in der Regel übersehen werden. „Was noch benutzbar war, wurde beim Wiederaufbau selbstverständlich genutzt“, erklärt Meeder. „Der heutige Bahnhof zum Beispiel steht exakt 1:1 auf den alten Fundamenten. Er hat aber nicht nur haargenau den gleichen Grundriss, es ist sogar Mauerwerk des Vorgängers vorhanden. Es kam zum Vorschein, als vor einiger Zeit die Schließfachanlage umgebaut wurde. Ich kannte die Steinstruktur von alten Fotos. Eigentlich sollte da jetzt ein entsprechendes Hinweisschild hängen. Das gibt es zwar immer noch nicht, aber die Wand hat man im Originalzustand belassen, als bekannt wurde, um was es sich da handelt.“ Beim Stadttheater – es wurde, wie der Bahnhof, an seinem vormaligen Platz neu aufgebaut – hat Meeder ebenfalls früheres Mauerwerk entdecken können. Man sieht es von der gegenüber-

34

liegenden Seite des Hiltropwalls. „Das passt überhaupt nicht zum Erscheinungsbild des restlichen Theaters. Man hat immer gedacht, das historische, von Martin Dülfer entworfene Haus wäre komplett weg. Ist es aber nicht. Ich habe mir verschiedene Fotos vom Umbau angesehen. Diese eine Mauer stand über die ganze Zeit. Das wird allerdings bis heute bestritten. Selbst von Leuten, die da seit Jahrzehnten arbeiten, obwohl die doch eigentlich ein geschichtliches Interesse an ihrem Haus haben müssten, Schrägstrich könnten. Ähnliches gilt für das Konzerthaus, unter welchem teilweise noch die Gewölbe der Stadtschänke erhalten sind, inklusive einiger Wandmalereien. Auch das wird geleugnet.“ Bei Ortschaften mit historisch erhaltenem Kern mögen einzelne Relikte kaum ins Gewicht fallen. Bei einem Grad der Zerstörung, wie Dortmund sie erlebt hat, ist das anders. Da ist es nicht uninteressant zu wissen, wo sich ein Artefakt wie der Bläserbrunnen befindet oder der Kopf vom Eisernen Reinoldus. Jemand wie Markus Meeder trägt solche Informationen zusammen – und über die Jahre schärft sich der Blick. So entdeckte er beispielsweise auf einem Flohmarkt das Foto einer Ruine, von welchem der Verkäufer nur wusste, dass es wohl im Raum Dortmund aufgenommen worden wäre. Meeder kamen die Proportionen vertraut vor. Er hielt ein bislang unbekanntes Foto vom ausgebrannten Schloss Brünninghausen in der Hand. Die Freunde des Botanischen Gartens Rombergpark zeigten sich höchst erfreut, als er es ihnen präsentieren konnte.


Außenterrasse über dem Hertie-Kaufhaus

Naherholung am Löschteich neben dem Hauptbahnhof

35


BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Kein Dach Unter den mehr als 50.000 Menschen, die obdachlos auf der Straße leben, und unter den vielen Hunderttausend, die ohne Wohnung irgendwo unterkommen, ist er eine Ausnahme. Richard Brox ist prominent. Da, wo andere versuchen, unsichtbar zu sein, ist Brox ein öffentlicher Obdachloser. 1999 entdeckte er das Internet für sich und führte jahrelang das erste Berber-Blog, ein öffentliches, digitales Tagebuch. Gleichzeitig schuf er ein Informationsportal für Betroffene: praktische Überlebenshilfe, Insiderwissen, Informationen zu Unterkünften in ganz Deutschland, zu Hilfsangeboten. Für Journalisten war er seitdem gesuchter Interviewpartner und Talkshowgast. Im Dezember ist nun in Zusammenarbeit mit den Journalisten Dirk Kästel und Albrecht Kieser seine Biografie erschienen. Auch wenn eine Lebensgeschichte „mit Überblick“ zu erwarten war, überrascht „Kein Dach über dem Leben“ mit einem schonungslos ehrlichen Umgang mit der eigenen Biografie und einer beklemmenden Recherche zu seiner Familiengeschichte in der NS-Zeit. Brox will nicht für „die Obdachlosen“ sprechen, trotzdem beantwortet seine Biografie – ergänzt um das kluge Vorwort seines Freundes Günter Wallraff – Fragen zu Obdachlosigkeit, ihren Ursachen und Auswirkungen, denen wir in unserer Arbeit oft begegnen. Richard Brox Kein Dach über dem Leben. Biographie eines Obdachlosen ISBN 978-3-499-632945 Rowohlt | 9,90 Euro

36

Läidi inräd Es ist 1989 und Jennis Welt dreht sich um Micky-Maus-Hefte, denn die sind teuer und das Geld ist knapp, um die komplizierte Geschichte mit besten Freundinnen und das Ärgernis Mitschüler. Sie dreht sich auch um den Vollhorst, wie ihre Oma ihren Vater nennt, der sich so früh aus dem Staub gemacht hat, dass Jenni sich nicht an ihn erinnert. Und sie dreht sich um die Wunder, Rätsel und Zumutungen, die die Welt der Erwachsenen und ihre Sprache für Drittklässlerinnen bereithält: Eine Welt, in der man sich sinnloserweise mitten im Sommer warm anziehen soll, wenn man etwas falsch gemacht hat, und in der Oma nicht oma-, sondern operiert werden muss, weil die Herzklappe klemmt. Was erst ganz gut und dann nicht gut ausgeht.

Nachgefragt Was ist eigentlich Armut? Wie fühlt sie sich an? Wie wird man arm? Und ist man selber schuld daran? Muss man Armen helfen? Was macht man den ganzen Tag, wenn man keine Wohnung hat? Ist man manchmal auch glücklich?

„Ruhrpottkind“ ist so etwas wie ein Jugendbuch für die Kinder von damals: Ein Roman über eine mittelglückliche Ruhrgebietskindheit in Zeiten der KohlÄra, zwischen Alf und Ozonloch, Bravo und Blubb-Spinat, Aktenzeichen XY und Chris de Burgh (der mit Läidi inräd). Mit so viel Kolorit, Kindheits- und 80er-Jahre-Nostalgie, dass man sich gut die Füße dran wärmen könnte, wäre er nicht auch eine Sozialstudie über die feinen Unterschiede in der Tristesse der alten BRD.

Illustratorin und Herausgeberin Jutta Bauer sammelte mit SchülerInnen Fragen und suchte Experten, die sie beantworten können. Allen voran VerkäuferInnen des Hamburger Straßenmagazins Hinz&Kunzt. Aber auch Wissenschaftler und Politikerinnen, Geistliche und Philosophen, prominente Sportler und Musiker versuchen, einfache Antworten auf schwierige Fragen zu finden. Armutsforscher Christoph Butterwegge versucht sich an verständlichen Definitionen von arm und reich, Basketballstar Dirk Nowitzky bemüht sich zu erklären, warum manche Menschen so viel mehr verdienen als andere, und Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stefan Karrenbauer erklärt, wie sich Armut verhindern lässt. Elzbièta, Sonny, Michael und andere beantworten Fragen zu ihrem Straßenalltag. Einziger Wermutstropfen für die beteiligten Kinder: Von den angeschriebenen BundesligaFußballern antwortete kein einziger. Aber das sagt ja auch etwas aus. Ein toll gestaltetes Buch mit den spannenden Ergebnissen eines guten Projekts.

Sarah Meyer-Dietrich Ruhrpottkind ISBN 978-3-942094-73-3 Henselowsky Boschmann | 9,90 Euro

Jutta Bauer (Hg.) Armut – Schüler fragen nach ISBN 978-3-551-25116-9 Carlsen | 14,99 Euro | ab 10 Jahren


Eine Frage, Herr Weigele…

Warum sind Bus und Bahn im Ruhrgebiet so teuer?

Stefan Weigele vom Beratungsunternehmen Civity

„Die Ticketpreise haben nur sehr bedingt mit den tatsächlichen Kosten des Nahverkehrs zu tun“, sagt Stefan Weigele vom Beratungsunternehmen Civity. Weigele und seine Kollegen haben den Nahverkehr in 55 deutschen Städten miteinander verglichen. Dabei fallen große Unterschiede bei den Preisen und Angeboten auf. „Abwasseroder Müllgebühren sind in den Städten an die tatsächlichen Kosten gekoppelt“, erklärt Weigele. „Nahverkehrspreise kommen hingegen durch historische Entwicklungen und politische Gegebenheiten zustande.“ In Berlin und Potsdam kostet eine Fahrt der höchsten Preisstufe 3,40 Euro. Im Ruhrgebiet zahlen Fahrgäste für eine vergleichbare Fahrt, etwa von Dortmund nach Duisburg, stolze 15 Euro. Erst bei den Monatstickets nähern sich die Preise wieder an. Ein teurerer Nahverkehr muss aber nicht unbedingt besser ausgebaut sein: „Wie teuer die Tickets sind, hat damit zu tun, wie groß die politische Bereitschaft ist, die Verluste des Nahverkehrs auszugleichen, und welche Preishöhen man sich politisch traut, dem Fahrgast zuzumuten.“ In der Regel trägt sich der ÖPNV durch eigene Einnahmen und die Kommunen, dazu kommen Subventionen durch Bund und Länder. „Ungefähr jeder zweite Euro kommt vom Steuerzahler.“

Und wie ist es um die Qualität des Nahverkehrs im Ruhrgebiet bestellt? „Tendenziell eher schlecht“, sagt Stefan Weigele. Sein Unternehmen hat die Dichte und die Taktung der Nahverkehrsnetze von 55 Städten untersucht, davon 10 Städte aus dem Ruhrgebiet. Letztere schneiden deutlich unterdurchschnittlich ab. Außerdem seien Infrastruktur, Stationen und Fahrzeuge häufig veraltet. Ostdeutsche Städte wie Rostock, Dresden oder Leipzig seien da deutlich besser aufgestellt.

In Berlin kostet eine Fahrt der höchsten Preisstufe 3,40 Euro. Im Ruhrgebiet kostet eine vergleichbare Strecke 15 Euro. Auch gebe es schon innerhalb des VRR-Gebiets trotz des einheitlichen Tarifs sehr unterschiedliche Qualitätsstandards beim ÖPNV-Angebot. Jede Kommune bestimme ihr Angebot selbst. „Das passt überhaupt nicht zu diesem sehr verdichteten und verwobenen Raum, dass so eine Kleinstaaterei herrscht“, sagt Weigele. Helfen würden massive Investitionen von Land und Kommunen. „Da gehört aber ein klarer politischer Wille und eine gemeinsame Vision der Städte und des Landes dazu. Das wäre ein Milliardenprojekt.“ (fh)

Anzeige

37


SOZIALES

Hilfe für Haiti Nach der Kolonialzeit galt Haiti als Vorzeigeinsel der Karibik, doch mittlerweile liegt die lateinamerikanische Republik in Trümmern. Der erfolgreiche Bochumer Fotograf Martin Steffen versucht mit seiner Aktion „Der schönste Tag hilft leben“ zu helfen. 100.000 Euro für den Kampf gegen Kindersklaverei hat er in den letzten drei Jahren zusammengetragen – mit Hochzeitsfotos. Von Peter Hesse | Fotos: Martin Steffen

Im Herbst 2016 verwüstete der Hurrikan „Matthew“ den südwestlichen Teil dieser lateinamerikanischen Insel, gefolgt von weiteren Wirbelstürmen in immer kürzeren Zeitintervallen. Sie treffen ein Land, das sich immer noch nicht vom verheerenden Erdbeben 2010 erholt hat, bei dem nach offiziellen Angaben bis zu 316.000 Menschen starben. Die Vereinten Nationen sprechen von mehr als zwei Millionen Menschen vor Ort, die akute Hilfe brauchen. Zudem zeigten sich vor Ort gravierende Mängel der Infrastruktur: Die Grundversorgung mit Trinkwasser, Nahrung, Medikamenten und Strom ist nicht gesichert. Hinzu kommt die Angst vor Krankheiten, die Gefahr einer Cholera-Epidemie ist ständig präsent. Mehr als zwei Drittel der zehn Millionen Einwohner Haitis haben keine reguläre Arbeit. Trotz Schulpflicht ist die Analphabetenquote mit über 40 Prozent beschämend hoch. Die Folgen des Klimawandels sind überall auf der Insel unübersehbar: Dürren und die steigende Zahl an Unwettern, verbunden mit den Folgen der radikalen Abholzung des tropischen Regenwaldes, destabilisieren das Leben auf der Insel weiter. „Ich habe die Insel zum ersten Mal im Jahr 2007 besucht, und ich war erschrocken, wie arm und hilflos ein Großteil der Bevölkerung dort ist“, sagt Martin Steffen. Ein Thema erschütterte ihn besonders: Haitis Kindersklaverei. „Da habe ich gemerkt, dass ich was machen muss“, sagt der Bochumer Bildkünstler über sein Engagement. Ambitioniert ist auch Martins Karriere. Schon als Kind war er von Fotolaboren fasziniert. Später studierte er in Berlin, war Assistent von Jim Rakete und arbeitete eine Zeit lang in Paris. Inzwischen hat er ein breites Portfolio großer Unternehmens-

38

kunden, Agenturen und öffentlicher Einrichtungen, und für Magazine wie Stern oder Mare liefert er Reportagen aus der ganzen Welt. In Zusammenarbeit mit dem katholischen Hilfswerk Adveniat aus Essen fühlte sich Martin angespornt, den Kampf gegen Kindersklaverei auf der karibischen Insel zu unterstützen. „Bei einer Kampagne vor ein paar Jahren hatte das Hilfswerk Haiti als Land ausgewählt. Sie schickten dann Journalisten los, um Geschichten zu recherchieren, und da war ich dann als Fotograf im Team”, erklärt Martin.

„Es gibt ,Vermittler‘, die über das Land fahren und Familien, in denen wirklicher Hunger herrscht, Versprechungen machen. Und die vertrauen ihnen dann ihre Kinder an.“

Zudem kümmert sich Adveniat als Stiftung auch um den Transfer des Geldes, das Martin mit der Hochzeitsfotografie sammelt, damit es für sinnvolle Projekte genutzt werden kann. Der Bochumer erläutert die Fakten: „Vorsichtigen Schätzungen der Organisation UNICEF zufolge leben 250.000 Kindersklaven in dem kleinen Karibikstaat.“ Dabei handelt es sich um die so genannten „Restavecs“ – das bedeutet so viel wie „bei jemandem bleiben“. Dieser Begriff ist kreolisch, das ist ein Mix aus portugiesischer, französischer, englischer und niederländischer Sprache. Und kreolisch wird auf Haiti von fast der gesamten Bevölkerung gesprochen.


39


SOZIALES

Das Projekt, für das Martin ehrenamtlich seine Hochzeitshonorare spendet, trägt auch einen kreolischen Namen und nennt sich „Mouvman Vin Plis Moun“. Das bedeutet so viel wie „Bewegung für eine menschliche Welt“. Vornehmlich kümmert sich die Organisation um Kinder, die durch alle Raster gefallen sind. Meistens sind es Heranwachsende, die vom Land kommen und aus kinderreichen und verarmten Familien stammen. Im Alter von fünf oder sechs Jahren werden sie in die Großstädte Port-au-Prince oder Carrefour gelockt: „Es gibt ,Vermittler‘, die über das Land fahren und Familien, in denen wirklicher Hunger herrscht, Versprechungen machen. Und die vertrauen ihnen dann ihre Kinder an.“ Sie hoffen auf bessere Lebensbedingungen, die Kinder landen jedoch in Familien in den Elendsvierteln der Metropolen und werden dort als Haussklaven ausgebeutet.

Martin Steffen

Die Aufgaben, die diese Kinder erledigen müssen, sind brutal: „Sie müssen körperlich harte Arbeit leisten, vor allem 20-Liter-Behälter mit Wasser schleppen“, erklärt Martin. Die Wasserstellen liegen weit entfernt, und volle Eimer werden dann kilometerweit den Berg hoch getragen. „Die Restavec-Kinder gehen nicht zum Arzt und nicht zur Schule. Ihnen wird die Kindheit gestohlen und es gibt jegliche Form von Gewalt. Ich habe ein Kind fotografiert, dem die Hände mit kochend heißem Wasser verbrüht worden waren. Es war die Strafe dafür, dass sich dieses Mädchen ein Stückchen Brot vom Tisch genommen hatte.“ Wenn die Heranwachsenden dann volljährig sind, werden sie aus dem Haus gejagt und durch neue Kindersklaven ersetzt.

Reis ist auf Haiti ein Hauptnahrungsmittel, Misswirtschaft ist zum Teil für den Hunger verantwortlich. Durch fehlgeleitete Freihandelsabkommen wurde die Insel mit Reis-Billigimporten aus den USA überschwemmt, etwa 40.000 haitische Reisbauern wurden arbeitslos. Vorher konnte der Inselstaat vier Fünftel seines Reisbedarfs aus eigenem Anbau decken. Die Schwäche des Staates wurde von ausländischen Konzernen immer wieder ausgenutzt. Textilunternehmen aus Kanada und den Vereinigten Staaten siedelten hier Fabriken an und sorgten mit niedrigen Löhnen für einen weiteren Baustein eines ungerechten Systems. Mit diesem Wissen im Hinterkopf wurde Martin vor einigen Jahren gefragt, ob er eine Hochzeit fotografieren könne – und ihm war direkt klar, das erhaltene Honorar zu spenden. „Hochzeiten sind fast immer an Wochenenden – somit schieße ich mir damit mein eigenes Business nicht ab.“ Die meisten Trauungen finden im Sommer statt, und Martin wird per Mundpropaganda immer weiter empfohlen: „In diesem Jahr habe ich im März damit begonnen, Hochzeiten zu fotografieren, die letzte ist Ende September gewesen.“ „Diese Feste werden immer aufwändiger gestaltet“, sagt Martin, die Feierlichkeiten bringen ihn schon mal nach Rostock oder Garmisch-Patenkirchen. 100.000 Euro kamen dabei bisher zusammen. „Wenn ich in Haiti helfen kann, ist das für mich die Erfahrung, dass ich ein Stück weit weniger machtlos bin. Dass ich selbst aktiv werde und etwas machen kann. Das ist zwar ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber ich sitze nicht zu Hause rum und werde zynisch.“ www.martinsteffen.com www.derschoenstetaghilftleben.de

Anzeige

GUTE VORSÄTZE FÜR 2018? MEHR GENUSS! Kaffee- & Tee-Raritäten, die durch ihre Einzigartigkeit und ihren Geschmack beeindrucken. Wigger Kaffee- & Teekontor | Kaiserstraße 100 | Telefon 0231 - 330 255 80 www.kaffee-teekontor-wigger.de | Mo bis Fr 10 bis 18 Uhr | Sa 10 bis 14 Uhr 40


NEUES VON BODO

Ein neuer Platz für Rozalia

Rozalia hat einen neuen Verkaufsplatz. An ihrem alten, vor einem Supermarkt im Bochumer Uni-Center, konnte sie nicht bleiben, weil der Eigentümer des Zentrums den Verkauf nicht mehr wollte. In der Frage unseres Vertriebs steckt immer auch die Frage: Wem gehört der Raum? Von Alexandra Gehrhardt Foto: Sebastian Sellhorst

Das Uni-Center in Bochum ist so etwas wie eine Landmarke. Ladenlokale, Imbisse, Supermärkte, ein Hallenbad; der bis zu 17-geschossige Wohnkomplex ist weithin sichtbar. Das Zentrum hat einen Eigentümer: Grand City Property, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Zypern. Ihm gehören die Wohnungen, die Ladenlokale, das Hallenbad – und auch die Wege, auf denen Menschen sich bewegen, entlang der Schaufenster, zum Campus der Ruhr-Uni oder Richtung Hustadt. Öffentlicher Raum, auch wenn es so scheint, ist das nicht. Er ist zwar prinzipiell für alle Menschen zugänglich, doch was dort passiert, bestimmt derjenige, der ihn besitzt. Auf einem dieser Wege stand bodo-Verkäuferin Rozalia und bot das Straßenmagazin an. Bis Grand City Property das nicht mehr wollte und der Sicherheitsdienst ihr den Verkauf untersagte. Obwohl es nie Beschwerden gegeben hatte, Rozalia bei Kunden und Besuchern des Uni-Centers beliebt ist, blieb der Eigentümer bei seiner Entscheidung. Eine Lösung hat sich trotzdem gefunden, Rozalias neuer Platz befindet sich nur ein paar Meter weiter, im Eingang eines Supermarktes. Auch dort bestimmt ein anderer, dass sie sich dort aufhalten darf. Aber dort ist sie willkommen.

Anzeige

41


LESERPOST & MEINUNGEN

BODO-SHOP

bodo 12.17

Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Mail oder kommen Sie vorbei. Wir freuen uns auf Sie.

1|2 1 | Machen Sie uns wetterfest! Eine Regenjacke für einen bodoVerkäufer. Spenden Sie eine Jacke gegen Wind und Regen für einen Verkäufer des Straßenmagazins.* 10 Euro

bbobobdobdodododoo

3

N ZIN ZIN ZIN N ZIGA GA GA MA MA MA MA ENGA EN EN EN ENM AG AZI SS SS SS SS ASS ST STR ST SRA SRA ST SRA STSRA DA DA DA DA SDA D D D

DV DV DV DVD DVD

en besten n besten besteDie Die best Die Die ten Die besten en en ichten GeschichGescehicht Gescehicht Gesch e Geschichten Straß auf der auf der Straß auf der Straß auf der Straße auf der Straße

o o o 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Euro 2,50 Euro e e e Hälfte Die HälftDie HälftDie HälftDie Hälfte den für den für den Die für den für r für den VerkäufeVerkäufer Verkäufer Verkäufer Verkäufer

DODO BO ODO ODBO BOBDOBO MM FIL LM LM RFIL FI LRM FI FIRDE DEDE e sgabe DEDRER gab erau Sond Sonder aus DVD

gabe be abe erausrausga usgSonde SonderaSond ive DVD sive DVD DVD DVD esive inklus inklu ive usiv inklu inkl ink lus im Heft im Heft im tHeft im tHef im Hef

4|5

2 | Ziehen Sie uns warm an! Ein Kapuzenpullover für einen bodo-Verkäufer. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die Anschaffung eines warmen Kapuzenpullovers.* 15 Euro 3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro

6

* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

42

bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

„Betteln mit Quittungsblock“ Ihren o.g. Bericht habe ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Leider ist es Ihnen nicht gelungen, den Gesamtsachverhalt zu ermitteln und somit Ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachzukommen. Es ist mir jedoch nicht erlaubt, Sie gänzlich aufzuklären. Nur so viel sei zu der Thematik bemerkt: Da im Regelfall die nach dem Gesetz zu gewährenden Leistungen erbracht werden, ist „Betteln“ für niemanden notwendig. Hierzu zählen der Regelsatz, die angemessenen Kosten der Unterkunft sowie die (angemessenen) Heizkosten. Auf die Problematik von evtl. Leistungskürzungen aufgrund Fehlverhaltens will ich weder im vorliegenden Fall noch generell eingehen. Die Zeit, die ein Hartz-IV-Empfänger mit „Betteln“ verbringt, kann er sinnvollerweise besser nutzen, z.B. durch intensive und nachweisbare Arbeitsbemühungen. Da bodo zum wiederholten Mal sehr einseitig Stellung bezogen hat und den Betroffenen aus meiner Sicht in seinem Fehlverhalten auch noch bestärkt, werde ich zukünftig auf den Erwerb Ihres Magazins verzichten. M. L. bodo 12.17 | bodo-Relaunch

Liebes bodo-Team, am Samstag habe ich die neue bodo bei meinem Lieblingsverkäufer Benjamin erstanden und bin ganz angetan von dem frischen Layout und der neuen Gestaltung. Auch den etwas anderen Adventskalender fand ich super! Ein dickes Lob und weiter so! Viele Grüße, R. P. bodo 11.17

Wohin im Winter / Almosen Liebe bodos, wir haben in Deutschland Meinungsfreiheit, also muss ich auch die Meinungen anderer Mitmenschen – wie im Leserbrief „staatstragend und langweilig“ – akzeptieren. Ich halte dagegen die bodo für interessant, informativ, einen Gewinn für den (interessierten) Leser und den Verkäufer / die Verkäuferin. Ein Almosen ist für mich etwas Unpersönliches, wenn zum Beispiel eine Münze oder Münzen in einen Behälter geworfen werden. Der Kauf dagegen, ich bezahle eine Dienstleistung, heißt für mich, ich bringe auch Achtung entgegen und, in diesem Fall der Verkäufer oder die Verkäuferin einer bodo, wird für seine Dienstleistung bezahlt. Vor kurzem


Lösungswort: Neujahr

RÄTSEL

Im nächsten Heft: Ole Plogstedt ist Fernsehkoch („Die Kochprofis“), seine Rockmusik-Catering-Firma „RGF – Rote Gourmet Fraktion“ bekocht Die Toten Hosen, Jan Delay oder Element of Crime, und er ist MenschenrechtsAktivist und Kämpfer gegen den Hunger in der Welt.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de hatte ich eine interessante Unterhaltung mit zwei bodoVerkäufern. Diese hatte mehr Sinn und Tiefgang als manche Unterhaltungen, die ich unterwegs zu Fuß oder in der U-Bahn mitbekomme. Und wohin im Winter? Da müsste die Politik in die Pflicht genommen werden! Grundgesetz Artikel 2 Satz 2: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit! Warum werden im Winter, zumindest bei eisigen Temperaturen, bei Nässe, Feuchtigkeit und Nebel nicht U-Bahnstationen, Turnhallen geöffnet und Hotelzüge zur Verfügung gestellt? Obdachlose finden zum Teil keine Wohnung, weil sie zu wenig verdienen, selbst bei Vollzeit. Ich finde, das ist ein Skandal! Der Verdienst müsste zum Leben reichen und dazu gehört auch eine Unterkunft! […] Weiterhin viel Erfolg bei Eurer Arbeit und selbstverständlich ganz viel Unterstützung für bodo e.V. wünscht W. P.

bodo Transport Liebe Frau Posegga-Dörscheln, Ihre Mitarbeiter waren nun die 3 Tage da, haben alles super geschafft und bei uns in den Archivkellern Wunder bewirkt. Wir sind ganz begeistert. Vielen Dank noch mal dafür. Schön, dass es bodo e.V. gibt. Wir werden gerne wieder auf Ihre Hilfe zurückgreifen. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in neue Jahr, S.K.

43


INTERVIEW

Toprak Toprak

W

ie ich schreibe, hat viel mit meiner Biografie zu tun“, sagt Menekşe Toprak. Sie ist mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. „Bei uns zu Hause gab es kein Buch, damals gab es hier auch noch kein türkisches Fernsehen. Ich war ein einsames Kind.“ Das war Ende der 70er Jahre. „Bald habe ich in Köln aber Kinderbücher für mich entdeckt und habe angefangen, mir meine eigene Welt zu bauen. Ich habe früh angefangen, selber zu schreiben“, erzählt sie im Hörsaal der Dortmunder Fachhochschule im Gespräch mit der Journalistin und Moderatorin Elmas Topçu. Heute lebt Menekşe Toprak in Istanbul und Berlin, ihr aktueller Roman „Die Geschichte von der Frau, den Männern und den verlorenen Märchen“ ist ihr viertes Buch. Zuvor hatte sie schon einen Roman und zwei Erzählbände geschrieben.

Eine Geschichte von Liebe und Enttäuschung „Die Geschichten, die ich schreibe, handeln immer wieder auch von Migration“, sagt sie. Auch Fatma, die Protagonistin ihres Romans, ist Migrantin. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen in Mittel-Anatolien, ist Kurdin und Alevitin. Sie gehört damit einer Minderheit an, die in der Türkei bis heute immer wieder unterdrückt wird. „Fatma ist eine tapfere Frau und sie ist klug“, erklärt Menekşe Toprak. „Dadurch schafft sie ein gutes Studium in der Türkei, kann mit einem Stipendium in Potsdam weiter studieren und arbeitet in einer

44

&

internationalen Firma.“ Dann, so erklärt die Autorin, kommt die Krise. Fatma wird arbeitslos und muss zurück in die Türkei. Hier entwickelt sich eine Geschichte von Liebe und Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass auch die „modernen Männer“, denen Fatma begegnet, eigentlich patriarchale Machos sind. Dass sie eine Nacht mit ihr verbringen und dann weglaufen. Dass sie insgeheim Angst vor starken Frauen haben. Menekşe Toprak beschreibt Geschlechterverhältnisse, die zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissen sind. Damit bearbeitet sie ein Thema, das in der Türkei aktueller ist denn je. Auf der einen Seite wollen immer mehr Frauen ein modernes Leben führen. Vor allem in Metropolen wie Istanbul kämpfen sie für Gleichberechtigung und Sicherheit. Auf der anderen Seite häufen sich sexualisierte Gewalttaten in den letzten Jahren dramatisch. Frauen werden in der Öffentlichkeit angegriffen, weil sie kurze Hosen und Röcke tragen, sich nicht in althergebrachte, konservative Frauenrollen fügen wollen. Die Täter haben dabei erschreckend wenig zu befürchten. Diese Männer setzten die offizielle Regierungspolitik lediglich in praktische Taten um, heißt es aus der türkischen Frauenbewegung. Unter der Regierung Recep Tayyip Erdoğans und seiner islamisch-konservativen AKP vollzieht sich in der Türkei ein reaktionärer Rückschritt, nicht nur in Geschlechterfragen. Junge Männer und Frauen, die ein modernes und selbstbestimmtes Le-


ben führen möchten, stoßen auf immer neue und immer größere Hürden. Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte werden mehr und mehr zurückgebaut.

„Die hängen an den Lippen des Präsidenten“ Diese innertürkische Entwicklung wirkt sich auch auf das Zusammenleben in Deutschland aus. Viele Türkeistämmige orientieren sich weiterhin stark an ihrer Hei-

so Ahmet Toprak. „Auch die türkischen Medien werden sehr stark konsumiert. Diese Menschen kommen genau aus dem Milieu, das Erdoğan in der Türkei vertritt.“ Und so werden mit der Rückkehr zu immer konservativeren Gesellschafts- und auch Geschlechtervorstellungen in der Türkei auch Erdoğans Anhänger in Deutschland konservativer. Viele junge Türkeistämmige, erklärt Toprak, kennen nur ein Geschlechtermodell, ein sehr patriarchales. „Die halten das quasi für gottgegeben.“

Geschlechterverhältnisse zwischen Tradition und Moderne Sie ist Journalistin und Schriftstellerin und hat gerade einen Roman veröffentlicht, in dem es um die Geschlechterverhältnisse in der Türkei geht. Er ist Professor für Erziehungswissenschaft und forscht zu Familienmodellen und Männlichkeitsbildern von Türkeistämmigen in Deutschland. Bei einer Veranstaltung an der Fachhochschule Dortmund haben Menekşe und Ahmet Toprak miteinander und mit dem Publikum diskutiert. Von Felix Huesmann | Foto: Henk Wittinghofer

mat, oder genauer gesagt: der Heimat ihrer Eltern und Großeltern. „Viele türkeistämmige Migranten bleiben in traditionellen Rollen hängen, gerade wenn sie keinen wirtschaftlichen Aufstieg geschafft haben“, erklärt Ahmet Toprak, Erziehungswissenschaftler und Dekan der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund. Für die starke Türkeiorientierung vieler Türkeistämmiger in Deutschland gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Einer lautet, dass der Jahrzehnte andauernde Mangel an Anerkennung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft die Rückbesinnung auf eine „türkische Identität“ befeuert hat. Ahmet Toprak fügt ein weiteres Erklärungsmodell hinzu: „Je länger man in der Migration ist, desto mehr Sehnsucht entwickelt man nach dem Herkunftsland“, sagt er. Das gelte auch und gerade für die zweite und dritte Migranten-Generation, für diejenigen, die selbst nie in der Türkei gelebt haben. „Die sehen das Land noch weniger kritisch als die erste Generation, weil sie es selber gar nicht kennen“, erklärt der Forscher.

Reflektion ermöglichen „Man kann den Jugendlichen keine anderen Rollenmodelle aufzwingen“, sagt Ahmet Toprak, der sich damit nicht nur als Forscher auseinandersetzt, sondern auch selbst mit Jugendlichen gearbeitet hat. „Das einzige, was man machen kann“, fährt er fort, „ist, beiden Geschlechtern einen Raum anzubieten, in dem sie ihre Geschlechterbilder reflektieren können. Dass sie einfach mal darüber nachdenken.“ Häufig spielten Begriffe wie „Ehre“ eine große Rolle. Das seien jedoch meist nur Worthülsen. „Wenn man dann sammelt, was für Begriffe den Jugendlichen dazu einfallen, dann kommt man schnell in eine Diskussion“, erklärt Toprak. Doch reichen Diskussionsrunden aus? Ein Wandel der politischen Verhältnisse in der Türkei ist im Moment nicht abzusehen. Ebenso wenig scheint eine Abkehr von der starken Türkeiorientierung vieler Türkeistämmiger in Deutschland in Sicht. Diese Gemengelage wird in den nächsten Jahren nicht nur Schriftstellerinnen und Sozialwissenschaftler beschäftigen – in beiden Ländern.

Besonders stark orientiere sich vor allem der konservative Teil von ihnen an den Entwicklungen in der Türkei – und an der Regierung Erdoğans. „Die finden gut, was da passiert und hängen an den Lippen des Präsidenten“,

45


VERKÄUFERGESCHICHTEN

„Jetzt kennt mich bestimmt jeder“ Nachdem Ralf und Tyson bei unserer Fotoaktion im Dezember so freundlich durch den Bilderrahmen gelächelt hatten, wurden die beiden kurzerhand zum Titelbild der Dezemberausgabe. Einen Monat später haben wir sie getroffen und gefragt, wie es ist, das eigene Gesicht auf der Straße anzubieten. Und, was sich im letzten Jahr bei den beiden getan hat. Von Sebastian Sellhorst Foto: Felix Huesmann

„Das bist ja du da vorne drauf.“ Diesen Satz habe Ralf im Dezember öfter gehört als er zählen könne, sagt er. Die Rückmeldung seiner Kunden sei aber durchweg positiv gewesen. „Die meisten von ihnen haben erst gar nicht gemerkt, dass ich das bin, der sie da auf dem Titel anlächelt.“ Erst als sie genauer hingesehen haben, sei es den Leuten aufgefallen, viele seien dann noch mal zurückgekommen. Einige hätten ihn auch einfach angesprochen, auch wenn sie das Heft gar nicht bei ihm gekauft hatten. Auch innerhalb der Verkäuferschaft sind Ralf und Tyson gut angekommen. Bei unserer Verkäuferversammlung waren sich alle einig: „Ralf auf dem Titel, das ist schon in Ordnung.“ Leider habe er im Dezember gar nicht so viel verkaufen können wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte. „Eine Grippe hatte mich erwischt und ich habe eine ganze Weile flachgelegen. Doch wenigstens konnte ich mich seit langer Zeit mal wieder in meinen eigenen vier Wänden auskurieren.“ Als Ralf zu uns kam, schlief er bei seinem Freund Peter, mit dem er sich auch immer noch einen Verkaufsplatz in der Bochumer Innenstadt teilt. Voriges Jahr im Februar erzählte uns Ralf an seinem Verkaufsplatz, dass er auf Wohnungssuche sei, die sich mit Haustier aber recht schwierig gestaltete. Mittlerweile haben er und Tyson aber nach langer Suche wieder eine eigene Wohnung gefunden. „Man glaubt gar nicht, wie langwierig es ist, jemanden zu finden, der einem eine Wohnung gibt, wenn man ohne festen Wohnsitz ist. Wenn man dann noch einen Hund hat, braucht man wirklich einen langen Atem.“ Doch die Geduld hat sich ausgezahlt. Nach langer Suche sind die beiden fündig geworden und haben seit drei Monaten wieder eine eigene kleine Wohnung. „Man glaubt gar nicht, wie schön es ist, auch einfach mal wieder eine Tür hinter sich zuzumachen. Besonders im Winter, und wenn man krank ist, ist das schon was anderes, als bei Freunden auf der Couch unterzukommen.“ Auch Tyson fühle sich in der neuen Wohnung ganz wohl, und auch sein Platz auf dem Titel habe ihm ganz gut gefallen. „Es würde mich nicht wundern, wenn er in den letzten Wochen ordentlich zugenommen hat, so viele Leckerchen, wie er zusätzlich bekommen hat. Ich hoffe nur, die Leute kaufen auch weiter bei mir das Straßenmagazin, wenn ich nicht mehr vorne drauf bin. Aber jetzt kennt mich wenigstens jeder hier im Ruhrgebiet.“

46


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Zahl des Jahres: 204,50. Euro. Das scheint nicht viel. Aber erst nach langem Gewürge und bundesweiter Empörung darf ein Dortmunder jetzt diesen Betrag erbetteln, im Monat, ehe das Jobcenter zuschlägt und abkassiert. Das sind keine Peanuts, das ist etwa der Betrag, den Multis wie Apple freiwillig an Steuern rausrücken, jährlich. Dieses Jobcenter war früher schon auffällig. So lud es einen stadtbekannten Neonazi gar nicht mehr vor, um dessen angegriffene Gesundheit und die Nerven des eigenen Personals zu schonen. Jahre zuvor förderte man einen Existenzgründer, der einen Versandhandel für Nazibedarf aufmachen wollte. Wahrscheinlich wurden seinerzeit auch die Naziübergriffe auf demokratische Demonstranten als Praktikum gefördert. Wenn das mit dem Bettelfreibetrag kein bitterer Sieg ist. Demnächst fordert die Behörde Bedürftige auf, sich als Flaschensammler, Bettler oder Windschutzscheibenreiniger zu verdingen, ehe es Kohle vom Amt gibt. Platz zwei bei der Wahl zur Zahl des Jahres: 35. Wieder Euro. Der Düsseldorfer Bankenskandal. Ein Rentner sollte Bußgeld bezahlen, weil er eine Haltestellenbank missbrauchte, zum Sitzen ohne Beförderungsabsicht. Wieder knickte die Behörde im Ordnungswahn erst nach Protesten ein, allerdings nur, Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

weil der Mann dement war. Gegen Penner, Wohnungslose, Gesindel, Menschen also, die im Winter Schutz suchen, will man weiter vorgehen. Motto: „Was ist ein Einbruch in eine

Sie Mitglied Werden auch in der AWO! eder die AWO Je mehr Mitgli hr kann sie in hat, desto me ft bewirken. der Gesellscha en nn sie Mensch Desto eher ka fe brauchen. helfen, die Hil wo-ww.de .de • www.a w w oaw @ info

Bank gegen das Besetzen einer Bank?“ Dritte Zahl des Jahres: 1,5. Kilometer. Etwa 1500 Autobahnmeter kann die neue NRW-Regierung planen und bauen, wenn sie die 40 Millionen Euro einspart, die sie bislang für das Sozialticket verschwendet. Auch da musste erst massiv protestiert werden, ehe man sich öh- und ähvoll zurückwandt. Motto von Jamaika ohne Grün: Wenn die Armen sich keine Straßenbahn leisten können, sollen sie einfach Taxi fahren.

Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

Unterbezirk Unna

Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

Bleichstraße 8 • 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

Unnaer Straße 29a • 59174 Kamen 02307 - 91 22 10 47


10.000 gute Bücher bei bodo

ef reude! Sc hen ken Sie L es ine gibt‘s G es chen kg ut sc he laden . in u nserem Buc h 10 Eu ro. Freie Auswah l ab

bodos Bücher Modernes Antiquariat Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr 48


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.