LINK 2019 D

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D I E VE R B I N D U N G ZWI S C H E N TEC H N O LO G I E, MAR KT U N D M E N S C H

Magazin

DIGITALISIERUNG

Jahrgang 14 | Nummer 1 | 2019

FRAUNHOFER IPT IN AACHEN UND FRAUNHOFER PROJECT CENTER IN ENSCHEDE MACHEN UNTERNEHMEN „KI-BEREIT“ PARTNERSCHAFT: DER BLICK GEHT RICHTUNG NIEDERLANDE INNOVATION HUB ENTWICKELT AR- UND VR-ANWENDUNGEN FÜR DIE INDUSTRIE

ERFORDERT GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT


H IG H TEC H ZU L IEFER A N T

Gemeinsam stark. So lautet die Devise der VDL Groep, einem internationalen Industrie- und Familienunternehmen mit 102 Einzelunternehmen, in 20 LĂ€ndern

FA H R ZEU G M ON TA G E

und einer Belegschaft mit ungefÀhr 17.000 Mitarbeitern. TÀtigkeitsspektrum von VDL: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Zulieferprodukten, Bussen und

B U S H ER S TELL ER

Endprodukten sowie Montage von Pkw. Die Einzelbetrieben, die jeweils ihr eigenes Fachgebiet haben, arbeiten gleichzeitig intensiv zusammen.

VER SC H IED EN E F ERTIG PR OD U KTE Weitere Informationen: www.vdlgroep.com

VDL Groep bv ‱ Hoevenweg 1 ‱ 5652 AW Eindhoven ‱ Niederlande Telefon +31 (0)40 292 50 00 info@vdlgroep.com ‱ www.vdlgroep.com


MARTIN

INHALT 4

KURZNACHRICHTEN ‱ Automotive-Erfahrung macht Systemintegrator VIRO zum gefragten Partner in anderen Industrien ‱ Der Mehrwert von Autobauer VDL Nedcar: FlexibilitĂ€t ‱ Wachsende Zahl an Campussen stĂ€rkt Deutschlands Innovationsökosystem

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THEMA DIGITALISIERUNG ERFORDERT GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT ‱ Fraunhofer IPT in Aachen und Fraunhofer Project Center in Enschede machen Unternehmen „KI-bereit“ ‱ Industrial Reality Hub entwickelt AR- und VR-Anwendungen fĂŒr die Industrie ‱ Festo-CTO Frank Melzer arbeitet als neuer Vorsitzender am BrĂŒckenschlag zwischen Industrie 4.0 und KMU

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INNOVATION Bronkhorst High-Tech entwickelt DurchflussmessgerĂ€te fĂŒr nachhaltige Anwendungen

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ARBEITSPRODUKTIVITÄT Lange Ketten schwĂ€chen die ProduktivitĂ€t enorm

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PARTNERSCHAFT Der Blick geht Richtung Niederlande

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PRODUKTION 247TailorSteel verlegte seinen Produktionsstandort nach Oyten

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FIRMENPROFIL NTS Hermus: „Unser Alleinstellungsmerkmal sind unsere Mitarbeiter“

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INDUSTRIE 4.0. BOOST navigiert ostniederlÀndische Unternehmen in Richtung Smart Industry

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DIENSTLEISTUNG Der technische Großhandel Jeveka lanciert eigene Schrauben

GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT

Handelskonflikte, ein abflauendes chinesisches Wirtschaftswachstum, der Brexit... – es sind unsichere Zeiten. Da können GeschĂ€ftsbeziehungen zum vertrauten Nachbarn eine Lösung sein. Deutschland und die Niederlande sind bereits seit vielen Jahren wichtige Handelspartner fĂŒreinander. Die Industriesektoren in beiden LĂ€ndern wissen also gut, was sie aneinander haben. Gleichzeitig werden die Entwicklungen in der Industrie durch die Digitalisierung von Prozessen und Produkten immer schneller. Diese Spezialausgabe bietet einen umfassenden Blick auf das, was die niederlĂ€ndische Hightechindustrie vermag, und darauf, wie der deutsche Kunde damit seine WettbewerbsfĂ€higkeit stĂ€rken kann. Etwa durch die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Unternehmen bei Anwendungen im Bereich Augmented Reality und Virtual Reality im Industrial Reality Hub in Enschede, direkt an der Grenze zu Gronau im MĂŒnsterland. Gerade im Osten der Niederlande profilieren sich Unternehmen mit AR-/VR-Anwendungen fĂŒr die Industrie. Es geht darum, Produkte und Prozesse zu verbessern und den B2BMarkt besser bedienen zu können. Die TĂŒren des Hubs stehen interessierten Partnern aus anderen Teilen der Niederlande und aus Deutschland weit offen. Aber auch was deutsche und niederlĂ€ndische Unternehmer voneinander lernen können, wird thematisiert. Das Fraunhofer-Institut fĂŒr Produktionstechnologie IPT in Aachen und die UniversitĂ€t Twente in Enschede arbeiten zusammen an industriellen Anwendungen fĂŒr kĂŒnstliche Intelligenz. Dabei geht es darum, Produktionsprozesse noch intelligenter zu steuern und Planungen noch flexibler und robuster zu machen. Das Fraunhofer IPT fĂŒhrt auch Projekte mit niederlĂ€ndischen Unternehmen durch, denn selbstĂ€ndiges Transformieren hin zur adaptiven Produktion ist fĂŒr das einzelne Unternehmen eine zu große Herausforderung. Diese Zusammenarbeit hat die Intention, auch deutsche Unternehmen einzubeziehen und deutsch-niederlĂ€ndische Netzwerke zu bilden. Denn in der digitale Wertschöpfungskette mĂŒssen Partner aus unterschiedlichen LĂ€ndern nahtlos zusammenarbeiten können. Ferner gibt es ein GesprĂ€ch mit Festo-CTO Frank Melzer. Er ist seit dem 1. Januar der neue Vorsitzende des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0. NachdrĂŒcklich betont er, dass auch eine starke Industrienation wie Deutschland viel zu klein sei, um allein internationale Standards durchzusetzen. Daher auch die Zusammenarbeit der Plattform mit vergleichbaren Organisationen in u.a. Frankreich, Italien und den Niederlanden. Die intelligentere Aufstellung des eigenen Industrieunternehmens ist eine derart große Herausforderung, dass sie am besten gemeinsam in Angriff genommen werden kann. Auf jeden Fall ist es in diesen unsicheren Zeiten ratsam, sich vertraute Partner zu suchen. MARTIN VAN ZAALEN Chefredakteur des Link Magazins

IMPRESSUM

martin.vanzaalen@linkmagazine.nl @MartinvanZaalen #linkmagazine.nl

Magazin

COLOFON

Das Link Magazin ist eine Managementzeitschrift fĂŒr moderne Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen unter-einander sowie zwischen Unternehmen, (öffentlicher)Verwaltung, UniversitĂ€ten und Fachhochschulen. Die niederlĂ€ndische Ausgabe der in den Niederlanden Link Magazine genannten Fachzeitschrift hat sich dort zu dem Magazin mit den Themenschwerpunkten Zulieferung und Auftragsvergabe sowie innovative Zusammenarbeit und gemeinsame Innovationen in verschiedenen industriellen Bereichen entwickelt.

JAHRGANG 14, NUMMER 1, 2019 HERAUSGEBER H&J Uitgevers Mireille van Ginkel Bosscheweg 76 5151 BE Drunen Niederlande + 31 10 451 55 10 + 31 6 50 68 78 36 (Mobil) www.linkmagazine.nl

REFERENZLISTE Dipl.-Ing. P.A.M. van Abeelen (ISAH),

J. Beernink MSc (Golden Egg Check), Dipl.-Ing. D.M. van Beers (Festo BV), J.C.A. Buis MBA (RR Mechatronics), Dipl.-Ing. B. Draaijer (V en M Regeltechniek), F.M. Eisma (Trumpf Nederland), Dipl.-Ing. J.F.M.E. Geelen (Océ), Dipl.-Ing. R. van Giessel (ehemaliger CEO von Philips CFT), H. Gijsbers (Thermo Fischer), Dipl.-Ing. M.H. Hendrikse (NTS-Group) Dipl.-Ing. J.B.P. Hol (Legrand Group), Dipl.-Ing. T.J.J. van der Horst (TNO), Dipl.-Ing. M.W.C.M. van den Oetelaar (Bosch Rexroth), Dr. Dipl.-Ing. M. Peters (President & CEO Moba Group), Dr. Dipl.-Ing. D.A. Schipper (Demcon), E. Severijn (Siemens PLM Software Benelux), J.A.J. Slobbe (ITM Group), H.G.H. Smid (Variass Group), Dipl.-Ing. W.W.M. Smit MMC (DBSC Consulting), Ing. N.J.F. van Soerland MBA (Philips Healthcare), Dipl.-Ing. H.H. Tappel (Bronkhorst High-Tech), W.B.M. van Wanrooij (IBN Productie), Dipl.-Ing. S.J. Wittermans (ASML)

CHEFREDAKTEUR Martin van Zaalen SCHLUSSREDAKTION Lucy Holl, redactie@linkmagazine.nl MITARBEITER DIESER AUSGABE Alf Buddenberg, Hans van Eerden, André Ritsema, Michaela Wassenberg TITELBILD iStockphoto.com

martin.vanzaalen@linkmagazine.nl @MartinvanZaalen #linkmagazine.nl

ÜBERSETZUNGEN Sigrid Winkler-Borck (Gronau), mediamixx GmbH (Kleve) GRAFISCHE GESTALTUNG Primo!Studio, Delft Niederlande DRUCK Veldhuis Media, Raalte, Niederlande ABONNEMENT € 70,50 pro Jahr ANSCHRIFT DER REDAKTION redactie@linkmagazine.nl ANZEIGENVERTRIEB H&J Uitgevers John van Ginkel + 31 10 451 55 10 + 31 6 53 93 75 89 (Mobil) john.vanginkel@linkmagazine.nl ISSN 1568 - 1378 SĂ€mtliche Nutzungsrechte an der vorliegenden Publikation sind H&J Uitgevers vorbehalten. Jegliche Nutzung der Publikation, insbesondere die VervielfĂ€ltigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe oder öffentliche ZugĂ€nglichmachung ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Herausgebers gestattet. Diese Ausgabe wurde mit grĂ¶ĂŸter Sorgfalt zusammengestellt, dennoch ĂŒbernimmt der Herausgeber keine Verantwortung fĂŒr eventuelle Fehler. Aus dem Inhalt können keine Rechte abgeleitet werden.

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KURZNACHRICHTEN AUTOMOTIVE-ERFAHRUNG MACHT SYSTEMINTEGRATOR VIRO ZUM GEFRAGTEN PARTNER IN ANDEREN INDUSTRIEN In den drei deutschen VIRO-Niederlassungen sind inzwischen 100 Mitarbeiter tĂ€tig. In den niederlĂ€ndischen Standorten in Arnheim, Echt, Groningen, Vlaardingen und der Zentrale in Hengelo, direkt hinter der Grenze bei Gronau, sind 650 BeschĂ€ftigte aktiv. „Aber“, betont AndrĂ© Scheer, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der deutschen Niederlassungen und des österreichischen Standortes in Graz, „wenn wir fĂŒr Kunden loslegen, stehen bei Bedarf alle Ingenieurdisziplinen von VIRO zur VerfĂŒgung. Deshalb sind wir auch fĂŒr die großen deutschen Auftraggeber der ideale Partner. Gerade durch unsere breite, multidisziplinĂ€re Aufstellung unterscheiden wir uns vom Wettbewerb.” „Der Kunde“, ergĂ€nzt Martin Dibbets, GeschĂ€ftsfĂŒhrer VIRO Nederland, „braucht einen Engineering-Partner, der nicht nur eine Disziplin beherrscht, sondern einen Systemintegrator, der auch das Projektmanagement ĂŒbernimmt und somit in der Lage ist, fĂŒr den Kunden ein perfekt integriertes Ganzes zu entwickeln. Der Kunde – egal, ob er aus einem Wachstumsmarkt stammt oder nicht – will sich ausschließlich auf sein KerngeschĂ€ft konzentrieren.

Er will sich nicht mit der Entwicklung allerlei Interfaces herumschlagen, um die unterschiedlichen Module verschiedener Zulieferer miteinander verbinden zu können. Wir ĂŒbernehmen das komplette Projekt von der ersten Konstruktionsphase bis zur Lieferung des fertigen Produktes. Da eine große Zunahme von Turn-Key Projekten bei VIRO zu verzeichnen ist, haben wir in Deutschland die VIRO System Integration GmbH gegrĂŒndet. Diese Gesellschaft beschĂ€ftigt sich mit der Realisierung von Gesamtprojekten.“ VIRO arbeitet dabei mit einer Vielzahl von Partnern zusammen. „Diese stammen ebenso aus Deutschland wie den Niederlanden. Wir sorgen dafĂŒr, dass wir immer den Zulieferer einbeziehen, der fĂŒr den betreffenden Auftrag optimal geeignet ist”, so Scheer. „Das betrifft vor allem die maßgeschneiderten Aufgaben. Da wir mit unseren Disziplinen so breit aufgestellt sind, ist es fĂŒr uns nicht rentabel, selbst in die unterschiedlichsten Bearbeitungsmaschinen zu investieren”, erlĂ€utert Dibbets. VIRO bewegt sich derzeit in drei Anwendungsgebieten – Produkt-

Engineering, kundenspezifischer Maschinenbau und Industrieprojekte – und das vor allem in den Bereichen Automotive, Aerospace und Semicon. Scheer: „Die Automobilbranche ist, unter anderem durch die Schummelsoftware-Skandale, die weltweiten Handelskonflikte und die Unsicherheiten hinsichtlich der kĂŒnftig dominierenden Antriebsart, ein zu volatiler Markt geworden. Deshalb haben wir uns von OsnabrĂŒck aus, wo wir in der Automotive-Industrie sehr stark vertreten sind, auch auf andere Sektoren GeschĂ€ftsfĂŒhrer AndrĂ© Scheer: „Gerade durch unsere breite, multidisziplinĂ€re Aufstellung unterscheiden wir gerichtet. Dabei erweisen uns vom Wettbewerb.” Foto: Viro sich unsere Projektmanagement-Erfahrungen in Jahr in Aalen (Baden-WĂŒrttemder Automobilbranche, einer berg) seine dritte deutsche NiederIndustrie mit sehr strengen lassung eröffnet – neben den beiEinkaufsnormen und hohen den Standorten in OsnabrĂŒck und ProzessansprĂŒchen, als ausgeMĂŒnchen. „Im SĂŒden Deutschzeichnete Referenzen. Dass unsere lands sind viele große MaschinenMitarbeiter fĂŒr BMW gearbeitet bauer beheimatet, unter anderem haben, macht sie attraktiv fĂŒr im Bereich Semicon. Wir suchen Aufgaben in anderen Bereichen.” derzeit noch einen StandortViele dieser neuen Auftraggeber manager”, so Scheer. befinden sich in SĂŒddeutschland. Deshalb hat VIRO im vergangenen www.viro-engineering.com

WACHSENDE ZAHL AN CAMPUSSEN STÄRKT DEUTSCHLANDS INNOVATIONSÖKOSYSTEM Im jĂŒngst veröffentlichten Globalen Wettbewerbsbericht 2018, dem jĂ€hrlichen Ranking der internationalen WettbewerbsfĂ€higkeit, hat Deutschland sich auf Platz 3 etablieren können (die Niederlande fielen von Platz 4 auf 6). Ein wichtiger Faktor fĂŒr die gute Platzierung Deutschlands ist der hohe Punktestand fĂŒr „ein einzigartiges und zukunftsorientiertes Innovationsökosystem“. „Dieser Super-Innovator ĂŒbernimmt weltweit die FĂŒhrungsposition im Bereich InnovationsfĂ€higkeit. Das liegt an der großen Zahl an Patenten und wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie der QualitĂ€t der Forschungseinrichtungen. Aber auch anspruchsvolle Kunden

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fordern die Unternehmen immer wieder zu Innovationen heraus. Außerdem gibt es einen lebendigen Wirtschaftssektor, um Innovationen auf den Markt zu bringen“, so Prof. Henk Volberda von der Erasmus-UniversitĂ€t Rotterdam und dem Erasmus Centre fĂŒr Business Innovation, dem Partnerinstitut des Weltwirtschaftsforums, das den Index jedes Jahr zusammenstellt. Einen immer wichtigeren Teil dieses „Innovationsökosystems“ bilden die Campusse, die, hĂ€ufig von großen Industrieunternehmen finanziert, ĂŒberall im Land entstehen. Im Gegensatz zu frĂŒher finden Innovationen immer seltener ausschließlich

innerhalb der Unternehmen statt, sondern in Zusammenarbeit mit Dritten auf einem Campus. Bosch verfĂŒgt inzwischen u.a. ĂŒber eine IoT Campus in Berlin. Siemens baut seit 2006 an einem großen Campus in Erlangen, wo der Schwerpunkt deutlich auf Offenheit und Transparenz gelegt wird. 2020 soll der Bau des Forschungsund Entwicklungscampus an der Hauptniederlassung von B&R Industrial Automation direkt an der Grenze im österreichischen Eggelsberg fertig werden. Eine Einrichtung, die, dank einer zusĂ€tzlichen Investition von 100 Millionen Euro des Mutterunternehmens ABB, dreimal so groß wurde wie ursprĂŒnglich

geplant. Und auch Lenze hat im vergangenen Jahr mit dem Bau des Mechatronics Competence Campus in Extertal (NordrheinWestfalen, Investitionen etwa 50 Millionen Euro) begonnen, das 2020 in Betrieb gehen wird. Von einem reinen Antriebslieferanten hat sich Lenze in den vergangenen Jahren zu einen Anbieter fĂŒr Maschinenautomatisierungslösungen entwickelt. Um dieser Rolle gerecht werden zu können, suche und finde das Unternehmen „offene“ Zusammenarbeit und Co-Creation inner- und außerhalb der eigenen Organisation, so CEO Christian Wendler. www.weforum.org


DER MEHRWERT VON AUTOBAUER VDL NEDCAR: FLEXIBILITÄT Bereits seit gut 50 Jahren werden in der niederlĂ€ndischen Provinz Limburg Personenwagen gebaut; alles in allem sind es inzwischen mehr als fĂŒnf Millionen Fahrzeuge. WĂ€hrend sich die Anforderungen der Automobilindustrie in dem halben Jahrhundert fundamental verĂ€ndert haben, ist das bei Sittard gelegene Born fĂŒr den Autobau offensichtlich noch immer eine gute Adresse. Wer ĂŒber die niederlĂ€ndische A2 zu VDL Nedcar fĂ€hrt, sieht kurz vor der Abfahrt Born eine hohe, grĂŒne Mauer auftauchen. Aus der NĂ€he betrachtet, scheint es eine riesige Logistikhalle zu sein. Von der enormen LagerflĂ€che macht auch VDL Nedcar seit Kurzem dankbar Gebrauch, um ein Lager fĂŒr AusrĂŒstungsteile anzulegen, das fĂŒr etwa fĂŒnf bis sechs Produktionswochen des Mini One und des Mini Countryman ausreicht. Als Vorsichtsmaßnahme bei einem möglicherweise harten Brexit. Die Teile kommen von britischen Zulieferern, die ihren Standort in der NĂ€he des BMW-

Werks bei Oxford haben. Das Automobilfertigungswerk in Limburg ist eigens auf die Bereitstellung von kurzfristig benötigten ZusatzkapazitĂ€ten fĂŒr diese und andere Modelle ausgelegt. So skizziert Jan Tulkens, als geschĂ€ftsfĂŒhrender Vizevorstandsvorsitzender verantwortlich fĂŒr die Endmontageproduktion, den Mehrwert von VDL Nedcar: FlexibilitĂ€t. Das ist genau der Grund, warum BMW 2012 mit der VDL Groep, die Nedcar kurz zuvor ĂŒbernommen hatte, einen Vertrag schloss. Der galt zunĂ€chst nur fĂŒr die Produktion des Mini One, inzwischen fĂŒr noch drei weitere Mini-Modelle und den BMW X1. „BMW möchte stĂ€ndig ModellĂ€nderungen vornehmen können und Autos so weit wie möglich personalisieren, entsprechend den WĂŒnschen des einzelnen Kunden; also gewissermaßen on demand nach Kundenauftrag. Außerdem möchte BMW eine Fertigungsanlage haben, in der zahlreiche verschiedene Modelle – Split

Production – gebaut werden können, wenn die KapazitĂ€ten der sonst dafĂŒr vorgesehen Fabrikanlage ausgelastet sind. Diese Anlage hat ĂŒber die Jahre hinweg eine große FlexibilitĂ€t an den Tag gelegt.“ Jedenfalls wurden dort seit 1967 25 verschiedene Modelle unterschiedlicher Marken gebaut. Von DAF und Volvo ĂŒber Daimler zu Mitsubishi und jetzt BMW. „HĂ€ufig verschiedene Modelle gleichzeitig und durcheinander. Einen großen Teil der FlexibilitĂ€t erzielen wir mit der QualitĂ€t des Menschenschlags dieser Region. Sie haben eine nĂŒchterne, pragmatische MentalitĂ€t und können gemeinsam richtig anpacken.“ Um die zur VerfĂŒgung stehende Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, hat VDL Nedcar ein ausgeklĂŒgeltes System, mit dem Mitarbeiter mit speziellen QualitĂ€ten genau dort an der Montagelinie stehen, wo sie in dem Moment benötigt werden. „Weil beispielsweise beim Mini Cabrio die tragende Dachkonstruktion fehlt, ist der Wagen komplexer zu

bauen. Wenn einige der Wagen ĂŒber die Montagelinie laufen, werden diese Mitarbeiter genau dafĂŒr auf den entsprechenden Positionen eingesetzt.“ Diese als „Springer“ bezeichneten Spezialisten werden in den Niederlanden wesentlich poetischer „vlinders“, also Schmetterlinge, genannt. Was fĂŒr die Arbeitskraft gilt, gilt genauso fĂŒr Komponenten und Module, die eingebaut werden mĂŒssen. Nicht nur aufgrund des möglicherweise harten Brexits möchte das Unternehmen die komplette Kontrolle haben und zwar an jedem Tag der Arbeitswoche. „Aus diesem Grund ĂŒbernehmen wir die Verantwortung fĂŒr Komponenten und Module bereits beim Zulieferer. Wir sorgen also auch fĂŒr den Transport und haben alle LKW online im Blick. Hat einer der LKW irgendwo eine Panne oder braucht der Fahrer eine Ruhepause, dann sorgen wir dafĂŒr, dass ein kleinerer Transporter die direkt benötigte Lieferung abholt.“ www.vdlnedcar.nl

www.aaebv.com

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FRAUNHOFER IPT IN AACHEN UND FRAUNHOFER PROJECT CENTER IN ENSCHEDE (NL) MACHEN UNTERNEHMEN „KI-BEREIT“

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IST DAS NATÜRLICHE REZEPT FÜR INTELLIGENTE FERTIGUNG

THEMA DIGITALISIERUNG ERFORDERT GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT Die Entwicklungen in der Industrie werden durch die Digitalisierung von Prozessen und Produkten immer schneller. Die intelligentere Aufstellung des eigenen

Das Fraunhofer-Institut fĂŒr Produktionstechnologie (IPT) in Aachen und die niederlĂ€ndische UniversitĂ€t Twente (UT) in Enschede arbeiten zusammen an Advanced Manufacturing. Das geschieht innerhalb des Fraunhofer Project Center for Advanced Manufacturing Technologies and Solutions (FPC@UT). Ein wichtiges Thema ist der Einsatz kĂŒnstlicher Intelligenz (KI). Dabei geht es um die noch intelligentere Steuerung von Produktionsprozessen, darum, die Planung flexibler und anpassungsfĂ€higer zu machen – adaptive Produktion –, und letztendlich um die ProduktivitĂ€tssteigerung.

Die Entwicklung selbstoptimierender Produktionsprozesse erfordert umfangreiches, menschliches Fachwissen. Foto: Fraunhofer IPT

VON HANS VAN EERDEN

daptive Produktion ist die nĂ€chste Generation in der Produktion auf Basis der Industrie-4.0-Prinzipien: Das bedeutet in Echtzeit auf (wechselnde) Produktionsbedingungen zu reagieren mithilfe neuer Enabling-Technologien. „HĂ€ufig hĂ€ngt die Reaktion auf VerĂ€nderungen in der Produktion noch von den FĂ€higkeiten und der Erfahrung des Operators ab“, erklĂ€rt Biba Visnjicki, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin Business Development beim FPC. „Konventionelle Planungsmethoden greifen zu kurz und bilden einen Engpass bei der Steigerung der ProduktivitĂ€t. Darum ĂŒbernimmt die Nutzung von Daten und digitalen Modellen allmĂ€hlich die Produktionsplanung und -steuerung. Indem Datensysteme und physische Systeme aneinandergekoppelt werden, machen wir adaptive Produktion und Advanced Services möglich.“

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MASCHINELLES LERNEN Das Fraunhofer IPT konzentriert sich auf die digitale Transformation und untersucht

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deshalb den Einsatz digitaler Lösungen fĂŒr die Produktionssteuerung. Der Fokus liege dabei unter anderem auf der IT-Infrastruktur fĂŒr die Verbindung von Mensch, Maschine und Daten und auf der Datenanalyse, sagt Thomas Vollmer, Abteilungsleiter ProduktionsqualitĂ€t. Innerhalb seiner Abteilung beschĂ€ftigt sich die Gruppe Prozessoptimierung mit dem Einsatz von KI, besonders mit dem maschinellen Lernen. Ziel ist es, die Steuerung von Produktionsprozessen intelligenter zu machen und zu adaptiven und schließlich autonomen, selbstoptimierenden Prozessen zu kommen. Am Fraunhofer IPT gehe es nicht um die Entwicklung von neuen KI-Algorithmen, sondern um die sinnvolle Anwendung in der Produktion, sagt Gruppenleiter Jonathan Krauß. Die erste Assoziation bei KI in der Produktion ist hĂ€ufig die prĂ€diktive Wartung, und auf diesem Gebiet forscht auch das Fraunhofer IPT, beispielsweise mit Hilfe von KI frĂŒhzeitig das Versagen von Komponenten in Werkzeugmaschinen vorherzusagen. Aber es seien zahlreiche weitere Anwendungen des maschinellen Lernens und der KI in der Produktion möglich, so Krauß. „Auf Grundlage

industriellen Unternehmens ist eine derartig große Herausforderung, dass sie am besten gemeinsam in Angriff genommen werden kann. Auf jeden Fall kann in diesen unsicheren Zeiten das Zusammenarbeiten mit dem vertrauten Nachbarn eine Lösung sein.

eigener Forschung und unserer Erfahrung in Projekten haben wir sieben Anwendungsgebiete ausgemacht und auf Prozess, Produkt sowie Maschinen und Anlagen geclustert. Am Beispiel Design bedeutet das: Intelligentes Feedback auf Grundlage von Big Data hinsichtlich Produktnutzung und ProzessfĂŒhrung kann beim Optimieren des Produkt- oder Prozessdesigns helfen. Weitere Anwendungen von KI in Prozessen sind Optimierung von Scheduling und Routing und die prĂ€diktive Prozesssteuerung. KI fĂŒr Maschinen und Anlagen bezieht sich neben Predictive Maintenance auch auf die Identifikation von Anomalien und Abweichungen sowie auf selbstlernende Maschinen.

UNTERSCHIEDLICHE SPRACHEN Das Fraunhofer IPT arbeitet hierzu mit zahlreichen Partnern zusammen, z.B. mit der RWTH Aachen im neuen Exzellenzcluster „Internet of Production“. Dabei geht es um die weitere Digitalisierung und Vernetzung der industriellen Produktion. Außerdem sind an den Projekten sowohl zahlreiche deutsche als auch auslĂ€ndische Unternehmen beteiligt. Groß oder klein sei dabei nicht wichtig, sagt Vollmer. „Es geht darum, ob bei den Prozessen in den Unternehmen ausreichend Daten fĂŒr eine sinnvolle KI-Anwendung gesammelt werden können.“ Relevant ist allerdings der Charakter der Produktion, nĂ€mlich große Serien gleicher Produkte oder eben die HighMix-Low-Volume-Produktion, fĂŒr die die niederlĂ€ndische Hightechindustrie bekannt ist. Je mehr sich die Produkte Ă€hneln, desto einfacher ist es, einen KI-Algorithmus zu trainieren. Es gibt bereits KI-Methoden, die mit Variation in der Produktion umgehen können. Das Fraunhofer IPT untersucht, welche Methode fĂŒr welche Produktionscharakteristik geeignet ist. Die Auswahl der besten KI-Algorithmen fĂŒr eine bestimmte An-


wendung sei sowieso eine der wesentlichen Herausforderungen, sagt Thomas Vollmer. Es erfordert die Kombination aus Fachwissen verschiedener Disziplinen, und deshalb die Zusammenarbeit zwischen IT-Spezialisten, Data Scientists und den jeweiligen Prozessexperten, die Kenntnisse vom Produkt und der Produktionstechnologie in einem besonderen Anwendungsfall haben. „Von Haus aus sprechen sie unterschiedliche Sprachen. Das Fraunhofer IPT kann als externer SachverstĂ€ndiger alle Disziplinen miteinander ins GesprĂ€ch bringen.“

ADVANCED MANUFACTURING PROGRAM Das FPC hat ein Framework fĂŒr die Transformation hin zum Advanced Manufacturing erstellt, das Advanced Manufacturing Program (AMP). Als Partner des FPC unterstĂŒtzt das Fraunhofer IPT hĂ€ufig Projekte, die in diesem Framework definiert worden sind. NiederlĂ€ndische Unternehmen stehen insbesondere vor der Beantwortung von Fragen zur digitalen Architektur der Produktion und der globalen Struktur ihrer AktivitĂ€ten in einer digitalen Umgebung, so die Erfahrung von Vollmer und Krauß. Der Fokus liegt dabei auf Daten: Welche Daten mĂŒssen zwischen welchen Menschen, Maschinen und Informationssystemen geteilt werden, welche Software wird dafĂŒr benötigt, und wie kann die physische Produktionsinfrastruktur in die ITInfrastruktur integriert werden? NiederlĂ€ndische Unternehmen sind aufgeschlossen gegenĂŒber der digitalen Transformation, hĂ€tten aber noch nicht alle nötigen Kenntnisse in den relevanten Bereichen, beobachtet auch Biba Visnjicki (FPC). „Bei zwei großen Unternehmen fĂŒhren wir jetzt ein Audit durch, um festzulegen, welche Technologien sie dafĂŒr innerhalb von zwei bis drei Jahren einfĂŒhren mĂŒssen. Über unser Studententeam lassen wir Masterstudenten der UT

untersuchen, welche Kompetenzen Unternehmen darĂŒber hinaus noch fehlen. In der zweiten JahreshĂ€lfte werden wir Workshops fĂŒr KMU organisieren. Dann wollen wir in Enschede einen physischen Demonstrator fĂŒr die adaptive Produktion umgesetzt haben.“ All diese AktivitĂ€ten sind Teil des AMP, das darauf abzielt, den Osten der Niederlande zu einem Advanced Manufacturing Hub mit europaweiter Strahlkraft heranwachsen zu lassen. Eine andere Maßnahme ist die Entwicklung des Perron038, Innovationszentrum fĂŒr die regionale Fertigungsindustrie rund um Zwolle. Das FPC fungiert dort als Technologiepartner u.a. fĂŒr Produktionsmanagement, Robotik und Augmented/Virtual Reality. „Wir haben bereits einen Strategieplan fĂŒr die EinfĂŒhrung von SchlĂŒsseltechnologien in den nĂ€chsten Jahren aufgestellt. KI und maschinelles Lernen gehören dazu.“

TRAINIEREN FÜR KI Die Transformation zur adaptiven Produktion ĂŒbersteige die Grenzen eines einzelnen Unternehmens, betont Thomas Vollmer. „Bei Digitalisierung und Vernetzung muss die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen werden.“ Das heißt also, sowohl Kunden als auch Zulieferer mĂŒssen eingebunden werden, denn ihre Daten werden entscheidenden Einfluss auf die Produktionssteuerung haben. Wenn die Kommunikation und aller Informationsfluss aufeinander abgestimmt sind, gebe es vier Herausforderungen fĂŒr Unternehmen, die mit KI beginnen wollen, fĂŒhrt Jonathan Krauß an. Als erstes mĂŒssen sie einen Anwendungsfall auswĂ€hlen, der sich fĂŒr KI eignet. Dann mĂŒssen sie eruieren, ob sie ausreichend Daten fĂŒr das Trainieren des KI-Algorithmus sammeln können. Falls ja, können sie den Algorithmus einsetzen, um sinnvolle Analysen und Vorhersagen zu generieren. Der letzte Schritt ist die Zertifizierung der Produktionsprozesse,

HANNOVER MESSE: INTEGRATED PRODUCTION – INDUSTRIAL INTELLIGENCE Thema der Hannover Messe (1. - 5. April) ist in diesem Jahr „Integrated Production – Industrial Intelligence“: Die digitale Transformation der Industrie wird durch das Zusammenspiel der Automatisierungsund Energietechnologie, IT-Plattformen sowie kĂŒnstlicher Intelligenz vorangetrieben. Der Mensch spielt dabei die Rolle des „Enablers“, der seine Prozesskenntnisse einbringt und die KI-Algorithmen auf die richtige Weise mit relevanten Daten trainieren lĂ€sst, um sie bei der Prozessverbesserung einsetzen zu können. NatĂŒrlich gibt es noch entsprechende Herausforderungen in den Bereichen Interfaces, Protokolle und Sicherheit. Sie kommen sicherlich in einem umfassenden Kongressprogramm zur Sprache. Neu ist der Industrial Pioneers Summit zu Themen wie Digitalisierung, KI, Mensch-MaschineZusammenarbeit und Plattformökonomie. Zentrale Frage: Was kommt nach der Industrie 4.0? Redner aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft skizzieren

zukĂŒnftige Entwicklungen und Szenarien. Das Fraunhofer IPT prĂ€sentiert sich in diesem Jahr in Hannover gemeinsam mit dem International Center for Networked, Adaptive Production (ICNAP). Das ICNAP wurde von drei Fraunhofer-Instituten, u.a. dem IPT, sowie der RWTH Aachen und Partnern aus der Industrie gegrĂŒndet. Es fungiert als offene Forschungsplattform und industrielle Testumgebung fĂŒr die Entwicklung und das fertigungsnahe Testen innovativer Formen der digitalen Produktion. Auf der Messe möchte das ICNAP die Testumgebung vorstellen: Unternehmen können dort erfahren, wie sich physische Produktionssysteme in einer digitalen Fertigung verhalten. Das ist genau das, worum es bei Industrie 4.0 geht: cyberphysische Systeme.

www.hannovermesse.de www.vernetzte-adaptive-produktion.de

Biba Visnjicki, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin Business Development bei FPC: „Indem Datensysteme und physische Systeme aneinandergekoppelt werden, machen wir adaptive Produktion und Advanced Services möglich.“ Foto: Arjan Reef

wie beispielsweise in der Automobilindustrie gefordert. Das erscheint schwierig, weil KI den deterministischen Charakter der Prozesse beeintrÀchtigt. Fraunhofer hat dieses Problem erkannt und entwickelt derzeit entsprechende Lösungen.

EUROPÄISCHE ZUSAMMENARBEIT FĂŒr die niederlĂ€ndische Industrie sei die Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer IPT und der UniversitĂ€t Twente im FPC sehr wichtig, sagt Biba Visnjicki abschließend. „Es ist eine perfekte Partnerschaft: Das Fraunhofer IPT hat hochkarĂ€tige Kenntnisse hinsichtlich der Produktionsprozesse und -technologien, die UT kann mit umfassenden Kenntnissen auf der Datenseite aufwarten, nĂ€mlich welche Daten fĂŒr die industrielle Produktion relevant sind und wie man die Daten in Information und Entscheidung umsetzen kann.“ Aber auch fĂŒr deutsche Unternehmen hat sie eine Botschaft: „Es ist wichtiger als je zuvor, europĂ€ische Industrienetzwerke zu bilden, denn in der digitalen Produktionswertschöpfungskette mĂŒssen Partner aus unterschiedlichen LĂ€ndern nahtlos – mit dem Fokus auf QualitĂ€t und Geschwindigkeit – zusammenarbeiten können. Der Aufbau deutsch-niederlĂ€ndischer Netzwerke ist ein erster Schritt, und jedes Land trĂ€gt seinen Teil dazu bei: Deutschland als fĂŒhrende europĂ€ische Industrienation und die Niederlande mit ihren erstklassigen Zulieferern erster und zweiter Ebene.“ www.utwente.nl/nl/fraunhofer www.ipt.fraunhofer.de

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THEMA DIGITALISIERUNG ERFORDERT GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT DIGITAL INNOVATION HUB ENTWICKELT AR- UND VR-ANWENDUNGEN FÜR DIE INDUSTRIE

INTELLIGENTE „WERKZEUGE“ FÜR DIE MENSCHMASCHINE-KOMMUNIKATION Enabling Sensible Industry through AR/VR. So lautet das treffliche Motto des Industrial Reality Hub, der Mitte Dezember in Enschede, im Osten der Niederlande gelegen, vorgestellt wurde. Die Industrie misst und registriert immer mehr. Aber wie geben die „Big Data“ brauchbare, eindeutige Informationen her? Und wie können Mitarbeiter in ihrer Arbeit unterstĂŒtzt werden? Innerhalb des Hub arbeiten Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen, um die Möglichkeiten von Augmented Reality und Virtual Reality zu sondieren und vor allem auf die Praxis zu ĂŒbertragen.

Von links nach rechts: Robbert Jan Kooij (Oost NL), Jeroen Koers (OVSoftware), Christian Kleijn (Controllab), Roy Damgrave (UniversitÀt Twente) und Maurice Kruse (Twinsense360). Der Industrial Reality Hub ist ein offenes Innovationsnetzwerk. Neue Partner sind willkommen. Der Hub sucht in der nahen Zukunft auch die Zusammenarbeit mit interessanten Partnern in Deutschland und dann in Frankreich, Spanien und Italien. Foto: Arjan Reef

VON LUCY HOLL

Ă€hrend der ersten Auflage des Events Industrial Reality Mitte MĂ€rz im VeranstaltungsgebĂ€ude The Gallery in Enschede (nicht weit von der Grenze zu Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen) erhielt der Hub den offiziellen Fieldlab-Status des niederlĂ€ndischen Smart-Industry-Programms. Das Label European Digital Innovation Hub wurde bereits vorher vergeben. Innerhalb des Hub arbeiten die ostniederlĂ€ndischen Unternehmen Controllab, OVSoftware, SeriousVR, Recreate, Twinsense360, The Virtual Dutchmen, Benchmark Electronics, Demcon-Nymus3D, Xsens sowie das VR Lab der UniversitĂ€t Twente unter der Leitung der Entwicklungsgesellschaft Oost NL zusammen. Die Organisationen haben jede fĂŒr sich eine beachtliche Erfolgs- und Erfahrungsgeschichte auf den Gebieten Automatisierung, Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) vorzuwei-

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sen. Aber in der Industrie ist wesentlich mehr möglich. Diese Erkenntnis hat sich nach und nach durchgesetzt, und dann ist Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. In der Unterhaltungswelt und im Bereich Gamification sind AR und VR inzwischen Allgemeingut: Viele ihrer Entwickler sitzen im Westen der Niederlande. Im Osten der Niederlande jedoch profilieren sich Unternehmen mit Anwendungen fĂŒr die Industrie. Der Industrial Reality Hub stehe ĂŒbrigens auch anderen Interessierten aus den Niederlanden und Deutschland offen, so Betriebsmanager Jeroen Koers, OVSoftware, einem Spezialisten im Bereich Java und .Net-kundenspezifischeSoftware.

UMFASSENDES ÖKOSYSTEM Die Beteiligten kannten sich zwar von Namen und Ansehen, aber innerhalb eines solchen Hubs ist es viel einfacher zusammenzuarbeiten, Wissen zu teilen und aufzubauen. Mit dem Aufkommen der Industrie 4.0 wĂ€chst in

der Fertigungsindustrie nun mal das Interesse an intelligenten Interfaces fĂŒr die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine und dem sicheren Umgang mit „Big Data“. Das Sammeln von Daten ist schließlich nicht das Ziel: Es geht um deren Strukturierung sowie das pass- und punktgenaue ZurverfĂŒgungstellen von Informationen. „Von Unternehmen im Bereich Hightech Systems & Smart Materials erfahren wir großes Interesse an AR und VR. Das gilt sowohl fĂŒr die Produktentwicklung als auch fĂŒr die Verbesserung der operativen Prozesse“, sagt Robbert Jan Kooij, Projektmanager Tech bei Oost NL. Oost NL entwickelte das Konsortium von Grund auf und schrieb den Projektplan fĂŒr den Industrial Reality Hub. „Beteiligte, die ĂŒber eigene AV/VR-Kenntnisse und -Technologien verfĂŒgen, zeigten das grĂ¶ĂŸte Interesse, einen Hub zu bilden. Sie möchten sich zusammentun, um den B2B-Markt besser mit großen, komplexen Projekten zu bedienen und gemeinsam weiterzukommen.“ Die Themen sind Big Data & Sensoren, Visualisierung, Guided Maintenance, Mensch-Maschine-Schnittstelle, VRTraining, digitaler Zwilling, Montieren mit AR, kĂŒnstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Der Hub ist eingebettet in ein umfassenderes Ökosystem, bestehend aus 35 Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich mit der Anwendung von AR und VR in der Smart Industry beschĂ€ftigen. Der Hub möchte die Niederlande im Bereich der industriellen Anwendungen von AR und VR in Europa in Position bringen und ist deshalb auf der Hannover Messe mit einem Stand im Holland High-Tech-Pavillon in Halle 8 unter BOOST-Smart-Industry vertreten.

INFORMATION WIRD LEBIG Enabling Sensible Industry bezieht sich auf eine Art der UnterstĂŒtzung der Fertigungsindustrie, die den Mitarbeitern praktischen Nutzen bringt. Es hat lange gedauert, bis die Virtual-Reality-Technik sich ernsthaft etablieren konnte und die benötigte Rechenleistung bezahlbar wurde. „Erst vor einigen Jahren haben beispielsweise Datenbrillen erst wirklich Einzug gehalten“, so Christian Kleijn, Hub-Vorsitzender und GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Controllab, einem Spezialisten fĂŒr modellbasiertes Design und Hardware-in-the-LoopSimulationen. „VR- und AR-Technologien sind im Prinzip eine alternative Art, Informationen anzusehen. FrĂŒher bekam man Grafiken und Tabellen auf Papier in die Hand, aber Smartphones und andere GerĂ€te haben


gezeigt, dass es auch ganz anders geht. PrĂ€sentiert man Informationen auf eine andere Weise, werden sie viel lebendiger.“ Sensible bezieht sich auf das fĂŒr die Sinne tastbar und sichtbar Machen von Informationen. Und beziehe sich gleichzeitig aufs Verstehen, ergĂ€nzt Roy Damgrave von der FakultĂ€t Engineering Technology der UniversitĂ€t Twente: „Man möchte, dass die Mitarbeiter im Entwurfs- und Produktionsprozess sowohl optimal miteinander als auch mit Maschinen zusammenarbeiten, bei denen es sich immer hĂ€ufiger um Roboter handelt.“ Ein Unternehmen beispielsweise entwickelt eine CNCMaschine: In einem 3D-Modell können verschiedene Varianten durchgerechnet werden und dem Kunden einwandfrei prĂ€sentiert werden. „Alles ist zu simulieren. Was ist der Effekt von VerĂ€nderungen? Risiken sind besser darzulegen. Visualisierung bewirkt, dass Werte und GrĂ¶ĂŸen besser eingeschĂ€tzt werden.“

INTELLIGENTE BEAMER Maurice Kruse von Twinsense360, einem Produktionsspezialisten auf dem Gebiet der Virtual und Augmented Reality, erlebt, dass die Unternehmenswelt Anwendungen in der Praxis gegenĂŒber sehr aufgeschlossen ist. „Bei einem unserer Kunden, Gartenbauunternehmen Emsflower, bewegen sich große Karren ĂŒber eine automatische FĂŒhrung, aber die BestĂŒckung der Karren muss noch per Hand erledigt werden. Die Mitarbeiter werden

bald mit Datenbrillen arbeiten und sehen dann genau, was wohin muss. Diese Art des Arbeitens erfordert natĂŒrlich noch viele Untersuchungen, denn die Frage ist, ob Mitarbeiter wohl den ganzen Tag mit solch einer Brille auf der Nase arbeiten wollen?“ Auf die Industrie ĂŒbertragen: Sind beispielsweise leichte, intelligente Brillen machbar, die Operatoren an einer Produktionsstraße relevante Daten liefern und auf Abweichungen und Störungen hinweisen? In der OnlineWelt kann alles in rasendem Tempo passieren,

„VR- und AR-Technologien sind im Prinzip eine alternative Art, Informationen anzusehen.“ wĂ€hrend in Wirklichkeit Wochen oder Monate vergehen, bis alle FehlschlĂ€ge einmal mitgemacht wurden. So arbeitete Controllab mit an Trainingssimulatoren fĂŒr den Kranbauer SMST aus dem nordniederlĂ€ndischen Drachten. Das Unternehmen engagiert sich immer stĂ€rker auf dem Markt fĂŒr Offshore-WindrĂ€der. Christian Kleijn: „Man setzt eine VRBrille auf und bedient den Kran, vollstĂ€ndig kompensiert vor den Wellen. Wir haben die Algorithmen dafĂŒr entwickelt.“ Es gibt mehr

als genug nĂŒtzliche Anwendungen, und wer AR- und VR-Technologie im Arbeitsalltag einsetzt, werde auf dem Arbeitsmarkt deutlich interessanter fĂŒr die JĂŒngeren, so die Überzeugung von Kleijn und seinen Hub-Kollegen.

KEINE SPIELEREIEN Die Unternehmen des neuen Hub haben im vergangenen Jahr gemeinsam „tausend Stunden“ in die Entwicklungsphase investiert. Ein Examenskandidat der UniversitĂ€t Wageningen hat ermittelt, dass die Partner ĂŒber Kooperationsprojekte bereits einen wirtschaftlichen Mehrwert von 660000 Euro realisiert haben. Eine Kerngruppe hat einen Strategieplan erstellt und untersucht, wer die großen TriebkrĂ€fte in der Industrie sind, welche Technologie zur VerfĂŒgung steht oder stehen wird und was gemeinsam entwickelt werden kann. Fertigungsunternehmen möchten einfach zu nutzende Tools, sie warten nicht auf Spielereien, lautet die Schlussfolgerung. Es geht um Online-Werkzeuge, die die Arbeit einfacher, besser und effizienter machen, Fehler vermeiden, Kosten senken und die QualitĂ€t erhöhen. Die AR- und VR-Tools mĂŒssen die Entscheidungsfindung vereinfachen. Roy Damgrave: „Die Mauern rund um die Roboter verschwinden. Mensch und Maschine machen immer mehr zusammen: Über Augmented Reality kann man genau sehen, welche Bewegung der Roboter als nĂ€chstes machen wird.“ www.industrialrealityhub.com

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THEMA DIGITALISIERUNG ERFORDERT GRENZÜBERSCHREITENDE ZUSAMMENARBEIT FESTO-CTO ARBEITET ALS NEUER VORSITZENDER AM BRÜCKENSCHLAG ZWISCHEN INDUSTRIE 4.0 UND KMU

FRANK MELZER BEUNRUHIGEN HOHE CHINESISCHE INVESTITIONEN IN KI NICHT Festo-CTO Frank Melzer ist seit dem 1. Januar der neue Vorsitzende des Lenkungskreises Plattform Industrie 4.0. In diesem grĂ¶ĂŸten deutschen Gemeinschaftsprojekt von Industrie, Politik, VerbĂ€nden, Forschungseinrichtungen und Gewerkschaften werden Vereinbarungen zur Digitalisierung der deutschen Industrie getroffen. Außerdem bemĂŒht sich dieses Netzwerk um internationale Vereinbarungen. Ein GesprĂ€ch mit Melzer ĂŒber die Investitionsbereitschaft der KMU, das Niveau der staatlichen Investitionen, Standardisierung und Kompetenzentwicklung bei Mitarbeitern. VON MARTIN VAN ZAALEN

ein, einen Prozentsatz deutscher Industrieunternehmen, der sich ernsthaft mit der Digitalisierung von Produkten und Prozessen beschĂ€ftigt, kann Frank Melzer nicht nennen. Dennoch wagt er zu behaupten, dass ein großer Teil der deutschen Industrie – inklusive vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, der sogenannte Mittelstand, der den Motor dieser Branche bildet – sich ĂŒber die Bedeutung der Digitalisierung sehr bewusst ist. „Es ist diesen Unternehmern aber hĂ€ufig noch nicht klar, wie sie in ihrer speziellen, eigenen Situation die FrĂŒchte ernten können. Die Herausforderung ist, die Möglichkeiten der Digitalisierung an die Kompetenzen dieser KMU zu koppeln. So dass sie durch KonnektivitĂ€t die QualitĂ€t ihrer Prozesse besser kontrollieren oder durch digitale Technologien Energie einsparen können. Oder mit dem Sammeln von Daten aus diesen Prozessen den Kundenservice vielseitiger gestalten und weiter verbessern können. Es muss ein BrĂŒckenschlag erfolgen, das ist das BemĂŒhen der Plattform Industrie 4.0 und

N

ihrer Partner, wie der Netzwerkorganisation der Maschinenbauer VDMA, der Handelskammern usw.“

SINNVOLL EINSETZEN China investiert bis 2025 rund 130 Milliarden Dollar allein in kĂŒnstliche Intelligenz (KI). Die Vereinigten Staaten haben etwa 30 Milliarden dafĂŒr vorgesehen, wĂ€hrend die deutsche Regierung nur einige Milliarden dafĂŒr eingeplant hat. Das beunruhigt Melzer aber nicht. „Das Entwickeln und Anwenden kĂŒnstlicher Intelligenz ist nicht nur eine Frage von sehr viel Geld. Eine Regierung muss auch dafĂŒr sorgen, dass das Geld sinnvoll eingesetzt wird.“ Sehr wichtig sei, dass Forschungseinrichtungen und Technologieunternehmen sich auf produktive Weise zu finden wissen und sich gegenseitig stĂ€rken. Und dass vor allem KMU gut eingebunden werden. „Politiker mĂŒssen ein DringlichkeitsgefĂŒhl in der Gesellschaft schaffen. Geld fördert erst wirklich die WettbewerbsfĂ€higkeit, wenn es eine Organisation gibt, die dafĂŒr sorgt, dass die Gelder bei den richtigen Kooperationen aus Forschung und Wirtschaft ankommen.“

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ WICHTIGER PFEILER Die niederlĂ€ndische Unternehmerorganisation fĂŒr die technische Industrie (FME) hat eine Plattform Artificial Intelligence fĂŒr Entwickler und Anwender kĂŒnstlicher Intelligenz in der technischen Industrie an den Start gebracht. Mit dieser Plattform möchte FME niederlĂ€ndische KI-Unternehmen zusammenbringen, um so den Einsatz kĂŒnstlicher Intelligenz in der technischen Industrie zu beschleunigen. FME-Mitgliedsunternehmen NXP, IBM, ABB, DAF, Tata Steel, KPN, Philips und ASML sind dabei, eine Agenda fĂŒr die Plattform zu erstellen. Die KI-Agenda fĂŒr die technische Industrie dient dem Zweck, Chancen zu identifizieren und zu kapitalisieren sowie um konkrete

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AktivitĂ€ten fĂŒr Stakeholder zu organisieren, um so die Möglichkeiten der KI innerhalb der technischen Industrie maximal zu nutzen. Laut der Unternehmerorganisation wĂ€chst der Einsatz von KI in der Wirtschaft stark. Weltweit arbeiten 59 Prozent der Unternehmen mit Elementen der KI als (zukĂŒnftiger) Basis fĂŒr ihre UnternehmensfĂŒhrung, so die Unternehmerorganisation FME, die auch darauf hinweist, dass KI ein wichtiger Pfeiler in der Digitalisierungsstrategie des niederlĂ€ndischen Kabinetts ist.

www.fme.nl

ZU SEHR GEHYPT? Ausschließlich auf KI zu setzen, bringe nicht viel, so Melzer weiter. „Vielleicht wird KI zurzeit ein bisschen zu sehr gehypt. Ihre Auswirkungen werden zukĂŒnftig sicher groß sein, aber man kann die Technologie erst wirklich sinnvoll anwenden, wenn eine Reihe anderer Technologien zur VerfĂŒgung stehen, andere Kompetenzen entwickelt und Absprachen zur Anwendung erzielt worden sind. KI gibt es nicht ohne Sensoren, die Daten aus Prozessen sammeln, nicht ohne Erkenntnis welche Daten relevant sind, und nicht ohne eine gute, gut gesicherte Cloud-Umgebung, in der die Daten verwaltet werden. Es geht auch nicht ohne gute Vereinbarungen zum Datenschutz sowie ĂŒber die Nutzung der Resultate, damit auch die Kunden etwas davon haben.“

STANDARD VERBREITEN Hinsichtlich des Treffens von Vereinbarungen sei angemerkt: Standardisierung ist ein wichtiges Thema fĂŒr die Plattform Industrie 4.0. Melzer konstatiert, dass mit einem Kommunikationsstandard wie OPC UA ein wichtiger Schritt zum Wie des Informationsaustausches gemacht ist. GrĂ¶ĂŸere Herausforderungen bietet das Treffen von Vereinbarungen darĂŒber, welche Informationen geteilt werden. So hat die Plattform die Verwaltungsschale (Asset Administration Shell – I4AAS) initiiert, eine Rahmenvereinbarung, in der festgelegt ist, welche Informationen innerhalb und zwischen Unternehmen bei der AuftragsausfĂŒhrung kommuniziert werden mĂŒssen. Die Aufgabe der Plattform Industrie 4.0 und anderer Organisationen ist es, diese Richtlinien in der Industrie publik zu machen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch darĂŒber hinaus, von daher die Zusammenarbeit mit Organisationen wie ISO und OPC, so Melzer.

DEUTSCHLAND ZU KLEIN Ihm ist vollkommen klar, dass auch eine starke Industrienation wie Deutschland viel zu klein ist, um allein internationale Standards durchzusetzen. Daher auch die Zusammenarbeit der Plattform mit vergleichbaren Organisationen in u.a. Frankreich, Italien und den Niederlanden. Im Oktober vergangenen Jahres wurde wĂ€hrend des Besuchs des niederlĂ€ndischen Königspaares in SaarbrĂŒcken die Zusammenarbeit zwischen der Plattform Industrie 4.0 und dem Smart Industry Program offiziell vereinbart. Eine Zusammenar-


bildung“ Handlungsempfehlungen entwickelt, um Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, mit den VerĂ€nderungen mitzuhalten. Und sie mit lebenslangem Lernen vertraut zu machen.“

FESTO ALS VORBILD

China investiert bis 2025 rund 130 Milliarden Dollar allein in kĂŒnstliche Intelligenz (KI), die deutsche Regierung hat nur einige Milliarden dafĂŒr eingeplant. Den neuen Vorsitzenden des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0, Frank Melzer, beunruhigt das aber nicht. „Das Entwickeln und Anwenden kĂŒnstlicher Intelligenz ist nicht nur eine Frage von sehr viel Geld.“ Foto: Com-magz

beit, die sich auf acht Themen konzentriert, von der Standardisierung bis zur Entwicklung digitaler GeschÀftsmodelle. Inzwischen arbeitet die deutsche Labs Network Industrie 4.0 mit dem niederlÀndischen Smart Industry Netzwerk in Fieldlabs an Testeinrichtungen.

SCHNELLERER WANDEL Frank Melzer ist sich im Klaren darĂŒber, dass die Digitalisierung den Mitarbeitern viel

abverlangt und dass sie bei der Aneignung neuer Kompetenzen unterstĂŒtzt werden mĂŒssen. „NatĂŒrlich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verĂ€ndert, in jedem Bereich. Der Agrarsektor ist heute auch ein total anderer als in den 60er Jahren. Im Vergleich zu frĂŒheren Phasen des Wandels schreitet die Digitalisierung aber wesentlich schneller voran. Daher werden in der PlattformArbeitsgruppe „Arbeit, Aus- und Weiter-

Der Festo-Mann weiß wovon er spricht. Festo, Spezialist fĂŒr Antriebstechnologie, investiert mit Festo Didactic schon seit Jahrzehnten in die kontinuierliche Schulung der eigenen Mitarbeiter sowie die der Kunden und Zulieferer. Es ist dann auch kein Zufall, dass gerade Festo nun den Lenkungskreis-Vorsitz der Plattform Industrie 4.0 ĂŒbernommen hat. „Meine VorgĂ€nger waren Manager bei SAP und Siemens, wesentlich grĂ¶ĂŸeren Unternehmen als Festo. Mit einem Umsatz von 3 Milliarden Euro sind wir fĂŒr deutsche Begriffe noch immer ein KMU und daher eher in der Lage, als Vorbild fĂŒr den in der deutschen Wirtschaft so wichtigen Mittelstand zu fungieren. Wir können den BrĂŒckenschlag leisten, weil wir zeigen, dass auch ein KMU die Transformation durchlaufen und seine Produkte IoT-ready machen kann. Auch KMU können Prozesse digitalisieren und die erhaltenen Daten mit fĂŒr die Operatoren zugĂ€nglichen Dashboards sichtbar machen, um so Prozesse zu optimieren etc. Das gelingt nicht, indem man alles selbst macht, sondern gerade durch die Zusammenarbeit mit Partnern.“ www.plattform-i40.de www.festo.com

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INNOVATION BRONKHORST HIGH-TECH ENTWICKELT DURCHFLUSSMESSGERÄTE FÜR NACHHALTIGE ANWENDUNGEN

„MEISTER IN DEN KLEINSTEN REGIONEN DES DURCHFLUSSBEREICHS“ Der Entwickler und Hersteller von Durchflussmessern, Bronkhorst, wĂ€chst und bleibt auch weiter innovativ. Eine vielversprechende Entwicklung ist die Ultraschall-Durchflussmessung. In Deutschland gibt es bereits großes Interesse daran. „Ein idealer Durchflussmesser fĂŒr den kleinen Durchflussbereich, beispielsweise fĂŒr Anwendungen auf den Gebieten Lebensmittel, Pharmazie und Medizin.“ VON HANS VAN EERDEN

ronkhorst High-Tech entwickelt, produziert und verkauft Durchflussmesser und -regler fĂŒr FlĂŒssigkeiten und Gase. Im Unternehmen sind derzeit etwa 600 Mitarbeiter beschĂ€ftigt. Der Hauptsitz ist im ostniederlĂ€ndischen Ruurlo gelegen, wo mehr als 300 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung, Produktentwicklung und Montage arbeiten. Ein weltweites Distributionsnetzwerk bedient unterschiedliche MĂ€rkte von der Lebensmittelund Pharmaindustrie ĂŒber die Medizin- und Labortechnik bis zur Halbleiter- und Glasproduktion sowie der Chemie-, Gas- und Ölindustrie. Bronkhorst ist MarktfĂŒhrer in Europa mit Deutschland als wichtigstem Absatzmarkt.

B

INTENSIVE BESPRECHUNG Außer einzelnen Instrumenten liefert Bronkhorst High-Tech komplette Subsysteme nach den WĂŒnschen des Kunden. Der Zusammenbau von Durchflussmessern, -reglern und Zubehör durch Bronkhorst garantiert QualitĂ€t und erspart dem Kunden viel Arbeit und mögliche Probleme (man denke an Lecks). Solche „Flow Solutions“ werden nach intensiver Besprechung zwischen Bronkhorst und den Kunden spezifiziert. Aber auch bei anderen Produkten sei Kontakt erwĂŒnscht, erzĂ€hlt GeschĂ€ftsfĂŒhrer Henk Tappel. „Sogar beim simpelsten Instrument muss der Kunde bereits sieben bis acht Entscheidungen treffen. Das fĂ€ngt bei den Gasen oder FlĂŒssigkeiten an, die er messen möchte. Dann geht es weiter mit der Art der Dichtung, dem Druckbereich mit der jeweiligen Druckkraft, dem Durchflussbereich und der Arbeitstemperatur. Dann ist da noch die Frage, wie er mit dem MessgerĂ€t „reden“ möchte, welches industrielle Busprotokoll er nutzen möchte. Über all diese Dinge sprechen wir am liebsten vorher mit den Kunden, um sicher zu gehen, dass sie die richtige Wahl treffen. Wir denken bereits ĂŒber einen Produktkonfigurator nach, aber es geht

doch um mehr als nur darum, ein paar Optionen anzukreuzen. Es mĂŒssen auch Berechnungen durchgefĂŒhrt werden, beispielsweise Umrechnungsfaktoren zum Messen des Gemisches aus Gasen oder FlĂŒssigkeiten.“

ULTRASCHALL

Die Ultraschall-Durchflussmesser, die Bronkhorst High-Tech entwickelt, sind

Bronkhorst bleibe weiterbesonders fĂŒr Anwendungen in den Bereichen Lebensmittel, Pharmazie und Medizin hin innovativ im Bereich der geeignet. Foto: Bronkhorst Messtechnologie, erklĂ€rt Tappel. Bei der neuesten Entwicklung handelt (Lebensmittelverarbeitung), Gesundheit (Heres sich um die Ultraschall-Durchflussmesstellung von Medikamenten) und industrielle sung. Die Funktion beruht auf dem Messen Innovationen. „Wir sind Meister in den der Ausbreitungsgeschwindigkeit von SchallRegionen des kleinen Durchflussbereichs. Das wellen in einem dĂŒnnen, geraden Sensorröhrist wichtig beim prĂ€zisen Dosieren von Ingrechen. Dieses Messprinzip kann den Volumendienzien. Viele Wasserleitungen bestehen beifluss unabhĂ€ngig von der Art der jeweiligen spielsweise noch aus Blei. Bestimmte ZusĂ€tze FlĂŒssigkeit erfassen, weshalb die Kalibration im Wasser können verhindern, dass sich das fĂŒr jede einzelne FlĂŒssigkeit ĂŒberflĂŒssig wird. Blei herauslöst und konsumiert wird.“ Die Messsensoren befinden sich an der Außenseite, deshalb tritt kein Widerstand im INTELLIGENTE NUTZUNG FlĂŒssigkeitsstrom auf. Das erlaubt hochprĂ€zise Auch in diesem Jahr wird Bronkhorst selbstMessungen, verhindert Verschmutzung und verstĂ€ndlich wieder auf der Hannover Messe vereinfacht den Wartungs- und Pflegeuntervertreten sein. Das Messethema „Integrated halt. „Es ist fast der ideale Durchflussmesser Industry – Industrial Intelligence“ habe große fĂŒr den kleinen Durchflussbereich. Wir stehen Relevanz, betont Tappel. „Wir machen unsere am Anfang der Applikationsentwicklung, und GerĂ€te immer intelligenter. Sie liefern nicht aus Deutschland wird bereits großes Interesse nur direkte Messergebnisse, sondern auch signalisiert. Mit einigen deutschen Kunden Informationen zum Prozess und eigenen werden wir jetzt konkrete Anwendungen Zustand, man denke hier an Verschmutzung ausarbeiten.“ oder Nachweise einer modifizierten Zusammensetzung einer Gas- oder FlĂŒssigkeitsmischung. Die große Frage ist, wie wir KunNACHHALTIGE ENTWICKLUNG den sicheren Zugang zu den Daten geben Der neue Ultraschall-Durchflussmesser ist können. Können wir ihre Firewall passieren, besonders geeignet fĂŒr Anwendungen im Lebensmittel-, Pharmazie- und MedizinmĂŒssen wir jedes GerĂ€t mit einem Mobilchip bereich. Das knĂŒpfe an die „Ziele fĂŒr nachhalausstatten? Eine ganze Reihe von Gremien tige Entwicklung“ der UN an, erzĂ€hlt Tappel. sind mit der Standardisierung von Protokol„Insgesamt sind es siebzehn Ziele, und bei len beschĂ€ftigt. Wir sind auf dem Laufenden.“ bestimmt zehn davon können unsere DurchSo setzt Bronkhorst auch weiterhin auf flussmesser eine Rolle spielen.“ Er nennt u.a. kontinuierliche Kommunikation. saubere Energie (beispielsweise Produktion von Solarzellen), BekĂ€mpfung des Hungers www.bronkhorst.com 13


ARBEITSPRODUKTIVITÄT HAUPTLIEFERANTEN HABEN SCHLÜSSELPOSITION FÜR DIE PRODUKTIVITÄTSSTEIGERUNG DER KETTE

LANGE KETTEN SCHWÄCHEN DIE PRODUKTIVITÄT ENORM Die niederlĂ€ndische Industrie steht gut da, was ihre ProduktivitĂ€t betrifft. Aber besser geht immer. KĂŒrzlich trafen sich acht Manager auf Einladung der LinkHerausgeber zu einem Arbeitsessen im Ginkelse Hoeve in Drunen (Brabant), um einen Abend lang ĂŒber den Output zu sprechen: Liegt die Krux in der Tatkraft des Managements, dem Einsatz der Mitarbeiter oder vielleicht der Zusammenarbeit in der Kette?

der Leiter Forschung und Entwicklung, Frank Rouweler. „Jedes Detail unserer Produkte und des Produktionsprozesses haben wir exakt beschrieben, um so intelligent wie möglich zu produzieren.“ Wila produziert 24 Stunden an sieben Tagen und möchte das Schritt fĂŒr Schritt so weit wie möglich mannlos machen.

WENIGER HÄNDE, MEHR ARBEIT

Am Tisch im Uhrzeigersinn: Ger Post Lektor fĂŒr Business Entrepreneurship an der Fontys Hogeschool und GesprĂ€chsleiter; Henk Jansen,GeschĂ€ftsfĂŒhrer von FMI Instrumed; CornĂ© van Opdorp, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der BOZ Group; Guido Bergman, GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Matas Electronics; Pascal Bos, leitender Ingenieur bei JAZO Zevenaar; Taco Leeflang, Vertriebsleiter von itsme; Thomas Luiten, Produktionsleiter bei Knapen Trailers; Frank Rouweler, Leiter Forschung und Entwicklung bei Wila. Fotos: Erik van der Burgt.

VON LUCY HOLL

W

Ă€hrend des Essens erzĂ€hlt Pascal Bos, leitender Ingenieur bei JAZO Zevenaar (95 Mitarbeiter), Hersteller von TĂŒren und Gittern fĂŒr TechnikrĂ€ume, vor allem Trafostationen, wie er bei einem Managerseminar kĂŒrzlich das Spiel „Zug bauen“, oder wie es auch immer heißen mag, spielte. Es gab zwei Gruppen. „ZufĂ€llig war ich in der Gruppe sozial besonders innovativer Unternehmer“, lacht er. „Jeder in der Gruppe hatte auch eigene Spielkarten mit Strategien und Aufgaben. Ich schlug vor, quasi als Experiment alle Karten in unserer Gruppe offen auf den Tisch zu legen. Ohne Sabotage, Tricks oder Eigennutz arbeiten und den Gewinn wĂŒrden wir anschließend unter uns allen aufteilen. Ob das denn wohl gehe, wurde gefragt. Wir bauten dann einfach gemeinsam einen perfekten Zug und jeder verdiente im Großen und Ganzen viel mehr als in der anderen Gruppe.“ Die Moral der Geschichte: Man löse sich von dem Althergebrachten, wurschtle nicht alleine vor

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sich hin, sondern arbeite zusammen und gönne sich gegenseitig was. Das ist wesentlich entspannter.

VORLÄUFER Bos gibt damit eine schöne Zusammenfassung des Abends. Die ProduktivitĂ€t in der niederlĂ€ndischen Fertigungsindustrie ist nicht schlecht, muss aber gesteigert werden, damit auf der WeltbĂŒhne weiter mitgespielt werden kann. Der Industrie wĂ€re deshalb stĂ€rkere Zusammenarbeit und Offenheit in der gesamten Kette sehr von Nutzen, sind sich die GeschĂ€ftsfĂŒhrer und Manager sicher. Ihre Unternehmen sind jedes fĂŒr sich Spitzenreiter hinsichtlich des Outputs pro Mitarbeiter. Wie beispielsweise Wila in Lochem (380 Mitarbeiter, 60 Millionen Euro Umsatz), Lieferant fĂŒr Abkantprodukte oder lieber „ProduktivitĂ€t der Abkantpresse“, wie das Unternehmen es selbst ausdrĂŒckt. Wila investiert kontinuierlich in die Produktinnovation und weitere Automatisierung, um die ProduktivitĂ€t zu steigern. „Abkantprodukte zum Biegen von Blechen sind im Prinzip einfache Tools“, sagt

Wir mĂŒssen wirklich zu intelligenteren Prozessen kommen, ist am Tisch zu hören. „Es funktioniert nicht mehr, auf den ausgetretenen Pfaden zu bleiben und zu denken, so haben wir es immer gemacht und so soll es weitergehen“, sagt Guido Bergman, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Elektronikproduzenten Matas Electronics in Best (65 Mitarbeiter, 11 Millionen Euro Umsatz). „In unserem Sektor haben wir viele Konkurrenten in Osteuropa und Asien. Was uns also umtreibt, ist die große Frage, wie wir mit weniger HĂ€nden viel mehr Arbeit erledigen können. Wir koppeln alles aneinander, um Einblick in unsere Prozesse zu erhalten. Die entsprechende Software haben wir selbst entwickelt. So ein umfassendes Paket war seltsamerweise nirgends zu finden.“ „Industrie 4.0 beginnt mit einer kĂŒrzeren, kompakteren Kette, in der man die KomplexitĂ€t von Anfang bis Ende ĂŒberblickt“, sagt Thomas Luiten. Er hilft Unternehmen bei der QualitĂ€ts- und Effizienzsteigerung und ist jetzt befristet Produktionsleiter bei Knapen Trailers in Deurne, einem Produzenten von Schubbodenaufliegern. „Es gibt spannende Projekte in der Industrie. Der GeschĂ€ftsfĂŒhrer bei Knapen ist ganz rĂŒhrig, geht forsch voran und muss schon aufpassen, dass seine Mitarbeiter ihm folgen können. Wir sind jetzt dabei, mehr Struktur und Ruhe in die Arbeitsprozesse zu bringen, weg von Feuerwehr

‱ „Wenn man sich in der Kette nicht zusammen aufmacht, ist die Zukunft kurz. Dann ist es bald vorbei.“ ‱ „Erfolgreiche Unternehmen geben ordentlich Gas. Die Unterschiede werden grĂ¶ĂŸer, ist mein Eindruck.“ ‱ Industrie 4.0 beginnt mit einer kĂŒrzeren, kompakteren Kette, in der man die KomplexitĂ€t von Anfang bis Ende ĂŒberblickt. ‱ Die Angst und Geschlossenheit muss aus der Kette heraus.


spielen und Schubladendenken.“ Knapen befindet sich auf einer Aufholjagd, was die Digitalisierung betrifft. „Wir gehen Schritt fĂŒr Schritt in die richtige Richtung“. ProduktivitĂ€t beginnt fĂŒr Luiten beim Focus auf einer deutlichen Handlungsstrategie und deren motivierter Umsetzung durch das Management. „Bei einer klaren Ansage ergibt sich der Rest von selbst.“

DAS IST SO WEIT WEG Man vertue sich nicht bei Industrie 4.0, sagt CornĂ© van Opdorp, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der BOZ Group in Bergen op Zoom (137 Mitarbeiter), Systemlieferant fĂŒr PrĂ€zisionsblechbearbeitung. „Wir in den Niederlanden haben unser Ziel noch lange nicht erreicht. Nur jedes zehnte Unternehmen in der Fertigungsindustrie arbeitet mit Robotern.“ Es komme sehr darauf an, welche Kunden man habe, betont er. „Wenn man fĂŒr jemanden wie ASML arbeitet, sorgt man als Hauptlieferant dafĂŒr, dass man mit der Digitalisierung Schritt hĂ€lt. Der nachgeordnete Zulieferer (zweiter Ebene) macht das vielleicht auch noch, aber fĂŒr die Zulieferer der dritten und folgenden Ebenen ist das zu weit weg.“ „Was fĂŒhrt eigentlich dazu, dass Unternehmen an ihrer ProduktivitĂ€t arbeiten“, fragt sich Pascal Bos. „Liegt das an den Entwicklungen auf dem Markt, oder hat man das einfach im Blut? Ich denke, dass wir von JAZO auch dann weitermachen, wenn Kunden uns nicht dazu anspornen wĂŒrden.“ Von den anderen

bekommt er Zustimmung: Es ist wie ein Sport, immer am Ball zu bleiben.

UNTERSCHIEDE IN DER BEREITWILLIGKEIT Das GesprĂ€ch kommt auf die internen Hindernisse. Bremsen die Mitarbeiter die ProduktivitĂ€t? „In der Zeit, die wir in den Niederlanden arbeiten, sind wir verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig produktiv. Aber unser Unternehmen hat auch Niederlassungen in Deutschland und RumĂ€nien, und dort verspĂŒre ich viel grĂ¶ĂŸere Bereitwilligkeit zu arbeiten“, sagt Taco Leeflang, Vertriebsleiter von itsme in Raamsdonkveer (75 Mitarbeiter, 250 Millionen Euro Umsatz). Die Work-Life-Balance wird dort anders beurteilt. In RumĂ€nien sind Überstunden oder UmzĂŒge wegen der Arbeit ĂŒberhaupt kein Problem. In Deutschland arbeiten Mitarbeiter sehr prĂ€zise daran, eine perfekte Maschine abzuliefern. „Ist das immer effektiv? Ich denke nicht. NiederlĂ€nder sind pro Stunde produktiver, aber es gibt Unbeweglichkeit aufgrund einiger Vorschriften im Bereich Personalmanagement.“ Der technische Dienstleister itsme liefert elektrische und mechanische Komponenten an Maschinenbauer und Endverbraucher in der Industrie. „Im Hinblick auf die Steigerung der ProduktivitĂ€t unserer Kunden hat optimale Lieferung höchste PrioritĂ€t.“

SCHLACHTER AN DER MASCHINE Die BOZ Group habe Schwierigkeiten gutes Fachpersonal zu bekommen, sagt Corné van Opdorp. Die Auftragsflut nimmt zu, aber

fachkundiges Personal gibt es zu wenig. „Ich habe tatsĂ€chlich einen Schlachter und einen BĂ€cker eingestellt, die vorher noch nie eine Blechbearbeitungsmaschine gesehen haben. Die muss man dann zu einem produktiven Operator ausbilden, am besten in kurzer Zeit. Das Engagement ist groß, aber wir mĂŒssen doch eine Menge Zeit investieren.“ Erfahrene Mitarbeiter begleiten die Neulinge, damit sinkt deren ProduktivitĂ€t aber wiederum etwas. Aber das sei eine Übergangsphase, weiß Van Opdorp. Starke Automatisierung bringt schließlich Erleichterung. Auch bei Matas werde in hohem Maße intern ausgebildet, sagt Guido Bergman. „Mein Bestreben ist es nicht, dass die Leute hĂ€rter arbeiten, wohl aber intelligenter. Die reine ProduktivitĂ€t ist nicht meine erste PrioritĂ€t. Ich habe die ProduktivitĂ€tskennziffer aus der Managementagenda genommen. Am Ende des Jahres schaue ich lieber auf den Umsatz pro Mitarbeiter. Ich konzentriere mich lieber auf LieferzuverlĂ€ssigkeit und logistische ZuverlĂ€ssigkeit, das sind fĂŒr mich die wahren Gradmesser.“

WILLKOMMEN HEISSEN ODER BEHINDERN Bergman möchte gern ĂŒber das Management an sich sprechen: „Da gibt es die CEOs oder EigentĂŒmer, die bereits seit Jahren am Ruder sind und sagen, dass es noch nicht an der Zeit sei, außerdem habe man sich abgerackert und FORTSETZUNG AUF SEITE 17

Der beste Chefkoch steht nie allein in der KĂŒche Das Entwickeln, Fertigen, Montieren und Testen

So können sie sich auf ihre Kernprozesse richten und

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dass es doch gut sei wie es ist. Ihnen fĂ€llt es enorm schwer, Industrie 4.0 zu begreifen. Was soll das eigentlich? Jeder hat auch eine eigene Antwort. Wenn sich ein SechzigjĂ€hriger damit beschĂ€ftigen muss, sieht das anders aus als bei einem JĂŒngeren ohne Scheuklappen. Das Management kann Industrie 4.0 mit offenen Armen willkommen heißen oder stark behindern.“ Ist das wirklich so schwarz/weiß, fragen sich die anderen. Sie empfinden kein Bremsen des „Àlteren“ Managements. Unternehmen mĂŒssen robotisieren und digitalisieren, das ist doch der einzig logische Schritt. Das sieht sowohl Jung als auch Alt in smarten Unternehmen. „Zum GlĂŒck gibt es keinen Aufstand gegen die Alten, aber ein frischer Blick ist doch nötig, um innovativ zu bleiben“, fasst Ger Post, Lektor fĂŒr Business Entrepreneurship an der Fontys Hogeschool und GesprĂ€chsleiter zusammen. Die Organisation operativer Exzellenz in Unternehmen und in den Ketten ist ein wichtiges Thema beim Fontys Centre of Expertise High Tech Systems & Materials.

mit guter Zusammenarbeit zu tun. „Eine gute Zusammenarbeit ist der ausschlaggebende Faktor fĂŒr bessere Unternehmensleistung. Dort, wo wir gemeinsam gehen, entsteht unser eigener Weg“, fĂŒgt er fast poetisch an. Also nicht zu viel Macht dem Geld ĂŒberlassen. Das ist nicht immer einfach: „Wir kommen aus einer sehr tiefen Rezession, viele Unternehmen haben tief in den roten Zahlen gesessen. Die möchten jetzt erst mal durchatmen und ihre Zahlen in Ordnung bringen“, sagt CornĂ© van Opdorp. „Wenn jetzt alles mit Industrie 4.0 passieren muss, kann ich mir vorstellen, dass einem schwindelig wird. Wir mĂŒssen weiter, aber das dauert noch etwas, bis Unternehmen wirklich wieder investieren wollen und ein geschĂ€ftliches Zukunftsszenario sehen.“

SCHÖNE ZEITEN ANGSTKULTUR Thomas Luiten kann noch eine andere Kategorie benennen, die dem neuen Denken ordentlich in die Quere kommen kann. „Was mir auffĂ€llt, ist, dass immer mehr Finanzleute an der Spitze sitzen. Sie schauen in erster Linie auf die reinen Zahlen und die Effizienz. Aber ich kenne keinen Buchhalter, der ein wahrer Unternehmer ist. Das kontinuierliche Pochen auf die Betriebsergebnisse erschafft Angstkultur zum Quadrat.“ Das kann zwar sein, aber alles habe zwei Seiten: Menschen mit einem HĂ€ndchen fĂŒr Finanzen könnten durchaus in Prozessen denken, sagt Bergman. WĂ€hrend reine Technikfreaks verliebt in ihre Arbeit sind. „Sie machen zwar alles immer noch ein bisschen schöner, noch beeindruckender, aber ist das dann noch produktiv?“ fragt sich Taco Leeflang. Luiten versteht es: „Okay, okay ich sage ja nicht, dass Finanzleute ĂŒberflĂŒssig sind. Zahlen sind nötig, um notfalls Alarm zu schlagen und zu korrigieren. Aber manchmal muss man vielleicht völlig unlogische Dinge machen, beispielsweise einen Schritt zurĂŒck, um anschließend drei nach vorn machen zu können.“ Kritische Leistungsindikatoren haben laut Luiten nichts

Hat man Visionen und Ambitionen in der Fertigungsindustrie, dann sind es jetzt wunderbare Zeiten, sind sich die GesprĂ€chspartner einig. Die Welt steht offen: Woran möchte man arbeiten? Bestimme den Focus und fang an. Van Opdorp: „Erfolgreiche Unternehmen geben ordentlich Gas. Die Unterschiede werden grĂ¶ĂŸer, ist mein Eindruck. Die Ketten werden immer digitaler, man macht mit oder nicht. Wenn man sich in der Kette nicht zusammen aufmacht, ist die Zukunft kurz. Dann ist es bald vorbei.“ Damit hat er die „Kette“ erneut zur Sprache gebracht. Wir können ĂŒber die Mitarbeiter reden, das Management, den unbedingten Focus und die zur VerfĂŒgung stehenden Mittel zur Verbesserung, aber die komplette Zulieferkette ist mindestens genauso entscheidend, wenn es um ProduktivitĂ€t geht. Taco Leeflang: „Projekte werden immer grĂ¶ĂŸer, die Durchlaufzeiten verkĂŒrzen sich, die KomplexitĂ€t steigt. Alles muss schneller gehen, also muss man sehr genau justieren, und zwar sowohl intern als auch in der Kette.“ Thomas Luiten nennt es bizarr, wie lang Ketten eigentlich sind von einem OEM bis zu einem Lieferanten fĂŒnfter Ebene: „Das

schwĂ€cht enorm. Wie bekommt man in Himmelsnamen einen intelligenten Prozess mit so vielen Ebenen hin?“ „Es ist eine Kunst, das alles aneinanderzukoppeln, aber in den Niederlanden zeigen wir, dass es geht“, reagiert Leeflang.

NAH AM KUNDEN FlexibilitĂ€t, Zusammenarbeit, bessere Abstimmung, Vertrauen, Offenheit, Daten teilen: Das stĂ€rke die Kette, zĂ€hlen die Teilnehmer auf. Hauptlieferanten haben dabei die schöne Aufgabe, sowohl Kunden als auch Zulieferer zu „erziehen“. „Wir mĂŒssen wesentlich nĂ€her an unseren Kunden sein“, sagt Henk Jansen, GeschĂ€ftsfĂŒhrer von FMI Instrumed in Schiedam, Auftragshersteller von zweckbestimmten Produkten fĂŒr den Medizinsektor, u.a. Instrumente und (3D-gedruckte) Implantate (FMI als ganzes: 400 Mitarbeiter, 80 Millionen Umsatz). „Die Zukunft wird unsicherer, also fĂ€llt es Kunden immer schwerer, eine gute Prognose abzugeben. Aber manchmal ist es auch ein bisschen Bequemlichkeit, nach dem Motto: Was ich benötige wird der Zulieferer schon auf Vorrat haben, also nur keine Hektik. LĂ€sst man Kunden Informationen in die Kette geben und gibt man als Hauptlieferant die Information auch nach unten weiter, sorgt das fĂŒr eine ĂŒberall bessere Performance.“ Frank Rouweler: „Wir werden stĂ€ndig von unseren OEM gefĂŒttert und dabei lernen wir viel. Die Lieferanten der ersten Ebene haben ihre Prozesse hĂ€ufig besser in Ordnung als die Kunden selbst, weil wir verpflichtet sind, auf den Punkt zu liefern. Wir haben unsererseits den Auftrag, den Zulieferer zweiter Ebene, dritter und vielleicht auch vierter Ebene mitzunehmen, damit sie nicht das schwĂ€chste Glied der kompletten Kette werden.“ „Wenn man die Kettenintegration wirklich will, dann muss man auch Audits machen und tatsĂ€chlich gemeinsam VerbesserungsplĂ€ne aufstellen“, sagt Taco Leeflang. „Wir können ĂŒber unsere Zulieferer meckern, oder wir können wirklich zusammen loslegen.“ Die Angst und Geschlossenheit muss aus der Kette heraus. Um auf das Spiel von Pascal Bos zurĂŒckzukommen: Baut den Zug in aller Offenheit und jeder gewinnt dabei. www.wila.nl www.jazo.nl www.matas.nl www.itsme.eu www.bozgroup.nl www.knapen-trailers.nl www.fmi.nl www.fontys.nl

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PARTNERSCHAFT DER BLICK GEHT RICHTUNG NIEDERLANDE

„DIE PRÄSENZ IST WICHTIG - POTENZIAL GIBT ES NOCH REICHLICH“ In bewegten Zeiten mit Handelskriegen, bevorstehendem Brexit und wachsenden Schuldenbergen besinnt sich die deutsche Wirtschaft wieder stĂ€rker auf funktionierende Partnerschaften – beispielsweise mit den Niederlanden. Das Nachbarland gehört seit Jahren zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Grund genug fĂŒr ein Update bezĂŒglich aktueller Perspektiven fĂŒr deutsche Unternehmen im Westen. Wo sehen sie weitere Chancen? Woran hakt es womöglich noch?

Niederlande wird dabei hĂ€ufig vernachlĂ€ssigt“, berichtet Rafael Lendzion von der WFMG. FĂŒr die Organisation ein wichtiger Grund, um ĂŒber eine aktivere Teilnahme an der PrĂ€zisionsmesse Abhilfe zu schaffen. Lendzions Kollege Jan Herting betont: „Wir haben als Wirtschaftsförderung ein strategisches Interesse daran, diese spannende Messe in der Hightech-Region weiteren Unternehmen zugĂ€nglich zu machen.“ Lendzion und Herting verstehen sich als „Matchmaker“ zwischen niederlĂ€ndischen und deutschen Unternehmern.

ENGAGEMENT AUSGEBAUT

Bernd Hermans (chainconsult) schĂ€tzt die NiederlĂ€nder als „offene und faire Businesspartner, die wissen, was sie wollen“. Foto: chainconsult

VON ALF BUDDENBERG

ine gute Möglichkeit, im Nachbarland ins GesprĂ€ch zu kommen, bietet beispielsweise die PrĂ€zisionsmesse („Precisiebeurs“) im niederlĂ€ndischen Veldhoven nahe Eindhoven. Dort suchen rund 290 Aussteller aus allen Feldern der PrĂ€zisionstechnologie mögliche Kooperationspartner − und potenzielle Kunden. Die Veranstaltung zieht verstĂ€rkt auch Unternehmen aus Deutschland an. Sie eint das gemeinsame Ziel: eine gezielte StĂ€rkung der Kontakte in die Hightech-Region Eindhoven. Dort sind Unternehmen wie ASML, Philips und VDL daheim. Sie sind strukturelle

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Bestandteile des innovativen TechnologieSpitzenclusters, das sich in der Region Eindhoven gebildet hat – und international keinen Vergleich scheuen muss. Die PrĂ€zisionsmesse gibt der techno-logischen LeistungsfĂ€higkeit der Niederlande ein Gesicht.

„MATCHMAKER“ UNTERWEGS Bei der 18. Auflage der Messe war auch die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach (WFMG) mit einigen Partnern aus Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal mit einem eigenen Stand vor Ort. USA, SĂŒdafrika, China – allesamt LĂ€ndernamen, die im deutschen Mittelstand im Zusammenhang mit AuslandsaktivitĂ€ten regelmĂ€ĂŸig fallen. „Das Thema

Um diese Rolle noch besser ausfĂŒllen zu können, wurde der eigene Auftritt schrittweise weiterentwickelt. Vom reinen Besuch der PrĂ€zisionsmesse in den Vorjahren hin zu einem eigenen Stand, mit Begleitung der Mönchengladbacher Unternehmen CDL-PrĂ€zisionstechnik GmbH & Co. KG und gbm − Gesellschaft fĂŒr Bildanalyse und Messwerterfassung mbH. Frank Trepte, Vertriebsleiter bei gbm, unterstreicht die Notwendigkeit des Engagements: „Wir sitzen als Mönchengladbacher Unternehmen seit 1994 direkt an der niederlĂ€ndischen Grenze. Trotzdem schaut man oft nach Osten, nach Norden, nach SĂŒden aber noch zu wenig nach Westen, sprich: in die Niederlande.“ Zwar gebe es bereits Verbindungen, jedoch noch zu wenige Kunden. „Genau um dies zu Ă€ndern, sind wir hier.“

„DIE OFFENHEIT IST DA“ Einige Schritte weiter ist die ACE StoßdĂ€mpfer GmbH mit Sitz in Langenfeld. Ralf KĂŒppers, Sales Manager Benelux beim StoßdĂ€mpferhersteller, war bereits zum neunten Mal auf der PrĂ€zisionsmesse vertreten. „Die Messe ist ĂŒbersichtlich, hier bewegt sich viel Fachpublikum. Sie liefert immer wieder erstaunliche Resonanzen. Es kommen jedes Jahr neue Kontakte zustande. Interessenten gehen aktiv auf uns zu. Wir erhalten Angebots- und


Besuchsanfragen fĂŒr technische ProjektunterstĂŒtzung, die Offenheit ist da“, freut sich KĂŒppers. Die Kundenpflege sei in diesem Rahmen nur von untergeordneter Bedeutung. KĂŒppers kennt Land und Leute seit vielen Jahren und spricht auch fließend NiederlĂ€ndisch. ACE ist in den Niederlanden auch auf anderen Fachmessen vertreten, in niederlĂ€ndischen Fachmedien prĂ€sent, schult Kunden mit einem VorfĂŒhrwagen und pflegt enge Kontakte zu technischen (Fach)Hochschulen. KĂŒppers: „Die PrĂ€senz ist wichtig. Potenzial gibt es noch reichlich. Unsere Produkte werden von unseren niederlĂ€ndischen Kunden hĂ€ufig als notwendiges Übel angesehen. Umso wichtiger ist es, gemeinsam ĂŒber die Möglichkeiten zu sprechen. Das funktioniert.“

GEMEINSAM INNOVATIV Das Ziel von ACE bringt KĂŒppers wie folgt auf den Punkt: „Wir suchen den Austausch mit niederlĂ€ndischen Hightechunternehmen, um voneinander zu lernen. Angefangen bei Marktanalysen ĂŒbers Brainstorming bis hin zur gemeinsamen Ausarbeitung von innovativen Projekten. Es geht um echte Partnerschaften.“ Die Voraussetzungen dafĂŒr seien bestens. KĂŒppers schĂ€tzt die niederlĂ€ndische KreativitĂ€t und den Umsetzungswillen der Nachbarn. Ein entscheidender Faktor fĂŒr den Erfolg von Kooperationen sei die FĂ€higkeit, Kulturunterschiede zu kennen, zu akzeptieren und zu nutzen.

LÖSUNGEN FÜR DEUTSCHE SCHLÜSSELINDUSTRIEN? In der Automobilindustrie verweist Bernd Hermans auf das Thema Leichtbau das neben Digitalisierung/KĂŒnstlicher Intelligenz und Sicherheit einer der aktuellen „Megatrends“ ist. Dabei gehe es nicht nur um Materialoptimierungen − Alu versus Stahl oder um kohlefaserverstĂ€rkte Kunststoffe −, sondern auch um zunehmende Miniaturisierung. Hermans, der mit seinem Unternehmen chainconsult von Goch am Niederrhein aus Zulieferunternehmen und Hersteller im AutomotiveBereich berĂ€t und als Interimsmanager unterstĂŒtzt, sieht Ansatzpunkte: „In dem Moment, wo niederlĂ€ndische Unternehmen zentrale Schnittstellen bedienen können, wird es direkt interessant.“ Das Angebot der Zulieferbetriebe in den Niederlanden sei hochwertig und vielseitig. „Ich bin davon ĂŒberzeugt, dass in den Niederlanden ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet werden kann, Produktionsprozesse und Produkte prĂ€ziser zu gestalten“, so der Automotive-Experte. Beispielsweise wĂŒrde Nanomesstechnik zur Fertigung miniaturisierter Komponenten im Maschinenbau immer wichtiger. Zudem stiegen die Anforderungen der Original Equipment Manufacturer (OEMs) an die Halbleitertechnik. Speziell fĂŒr alle Embedded Systems, die zum Beispiel fĂŒr Autonomes Fahren erforderlich sind. Hermans: „In all diesen Bereichen passiert im Nachbarland eine ganze Menge.“

KEINE BERÜHRUNGSÄNGSTE Hermans war in der Vergangenheit unter anderem fĂŒr DAF Trucks aus Eindhoven und Sensata Technologies aus Almelo tĂ€tig. Er schĂ€tzt die NiederlĂ€nder als „offene und faire Businesspartner, die wissen, was sie wollen. Allerdings auf eine entspannte Art und Weise. Etwa vergleichbar mit den Norddeutschen.“ Die deutsche und niederlĂ€ndische Herangehensweise ergĂ€nzen sich nach seiner Erfahrung optimal. „Deutsche Genauigkeit und niederlĂ€ndische Hands-on-MentalitĂ€t ergeben in Kombination spannende Synergieeffekte.“ Auf dieser Grundlage ist Hermans gezielt auf der Suche nach niederlĂ€ndischen Tier-1Zulieferern, die im Kontakt mit deutschen OEMs ihre StĂ€rken voll zur Entfaltung bringen möchten. Hermans: „Ich bin gerne der TĂŒröffner oder helfe bei der Qualifizierung von Komponenten und Systemen. Die deutsch-niederlĂ€ndische Zusammenarbeit schafft Win-win-Situationen – zumindest dann, wenn sie klar definiert ist. Ausgereizt sind die Möglichkeiten keineswegs. Potenzial ist noch reichlich vorhanden. BerĂŒhrungsĂ€ngste sind absolut fehl am Platz.“

www.precisiebeurs.nl/home-de www.wfmg.de www.cdl-technik.de www.gbm.de www.ace-ace.de

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PRODUKTION 247TAILORSTEEL VERLEGTE SEINEN PRODUKTIONSSTANDORT VON BREMEN NACH OYTEN

ZUVERLÄSSIG, EFFIZIENT UND MODERN – RUND UM DIE UHR Das niederlĂ€ndische Unternehmen 247TailorSteel, spezialisiert auf lasergeschnittene Bleche, Kantteile und Rohre nach Maß, verlagerte seinen Standort in Deutschland von Bremen nach Oyten. Der Neubau wurde Ende letzten Jahres von der GeschĂ€ftsfĂŒhrung offiziell eingeweiht.

VON MICHAELA WASSENBERG

or elf Jahren in den Niederlanden gegrĂŒndet, vergrĂ¶ĂŸert sich das Unternehmen mit dem Umzug der deutschen Niederlassung von Bremen nach Oyten weiter. Carel van Sorgen, Inhaber der 247TailorSteel Group, zeigt sich erfreut ĂŒber die Entwicklung: „Rund ein Jahr nach der Grundsteinlegung lĂ€uft unsere Produktion hier in Oyten auf Hochtouren und wir planen bereits die nĂ€chsten Erweiterungen.“ Der Metallbearbeitungsspezialist 247TailorSteel erhöht mit der neuen rund 6.000 qm großen

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SMART FACTORY-ANSATZ Egal ob Holland oder Deutschland, Varsseveld oder Oyten – 247TailorSteel verfolgt einen ganzheitlich Smart Factory-orientierten Ansatz. All das basiert auf einer Idee oder vielmehr Vision des UnternehmensgrĂŒnders und -inhabers Carel van Sorgen: Eine digitalisierte Zeichnung des benötigten Bauteils soll ausreichen, um die gesamten Prozesse in der Produktion zu steuern – Stichwort Automatisierung. Diese Idee wurde geboren, lange bevor Begriffe wie Industrie 4.0 und Smart Industry den Alltag und das Denken fertigender Unternehmen prĂ€gten. Die inhouse Entwicklung von Online-Assistenzsystem SOPHIA ist demnach eine logische Konsequenz. Das System analysiert die online zur VerfĂŒgung gestellten Zeichnungen des Kunden und liefert in Echtzeit ein entsprechendes Angebot. Dies gilt fĂŒr Prototypen aber auch fĂŒr Serienfertigung. Bei der Preiskalkulation bezieht das System außerdem den gewĂŒnschten Liefertermin mit ein – wer langfristig plant, kann sparen. „Wir können den Materialverbrauch besser planen und haben weniger Verschnitt. Unter diesen UmstĂ€nden können wir den Kunden bessere Preise anbieten als bei Sprintern“, erklĂ€rt Van Sorgen. Neben der Angebotserstellung ist SOPHIA fĂŒr die Steuerung von Produktion und Logistik verantwortlich.

Der neue Produktionsstandort in Oyten wurde von der GeschĂ€ftsfĂŒhrung und geladenen GĂ€sten feierlich eröffnet. Auch eine FĂŒhrung durch die neuen Hallen gehörte zum Programm. Bild: ©247TailorSteel GmbH

Halle seine ProduktionskapazitÀt in Deutschland um mehr als das Dreifache.

MODERNE ANLAGEN, INDIVIDUELLE LÖSUNGEN 247TailorSteel ist Spezialist fĂŒr maßgeschnittene Metallbleche, Rohre und Kantteile. Durch die Digitalisierung des gesamten Abwicklungsprozesses – von der Angebotsanfrage bis zur Auslieferung – gewĂ€hrleistet das Unternehmen die zeiteffiziente und zuverlĂ€ssige Abwicklung der AuftrĂ€ge. Durch das webbasierte System „Sophia“ (Sophisticated Intelligent Analyser) können Angebote 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche bearbeitet werden. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, entschied sich das Unternehmen fĂŒr den Standortwechsel der deutschen Niederlassung. In Oyten installierte 247TailorSteel acht Laserschneidanlagen. Drei der Maschinen ĂŒbernahm das Unternehmen aus Bremen, fĂŒnf wurden neu installiert. Zwei weitere werden noch zusĂ€tzlich dieses Jahr in Betrieb gehen. Gleiches gilt fĂŒr die BiegebĂ€nke: WĂ€hrend am alten Standort in Bremen nur Laserschneidanlagen vorhanden waren, erweitert 247TailorSteel mit der Anschaffung von vier neuen BiegebĂ€nken das Angebot fĂŒr seine Kunden. Aktuell werden die Oytener Anlagen von 55 Mitarbeitern bedient. Allerdings gibt es bereits konkrete Überlegungen, die Halle zu erweitern, um damit die ProduktionskapazitĂ€t weiter zu steigern. In den kommenden Jahren will das Unternehmen weitere Standorte in Deutschland und Europa eröffnen. Diese PlĂ€ne bezĂŒglich neuer

Niederlassungen schließen auch die deutschland- und europaweite Suche nach qualifiziertem Personal ein.

VORREITER IM BEREICH DIGITALISIERUNG 247TailorSteel wurde 2007 von Carel van Sorgen gegrĂŒndet und fertigt an drei Standorten in den Niederlanden und Deutschland lasergeschnittene Bleche und Rohre nach Maß. Das Unternehmen, das zur Zeit insgesamt ĂŒber 350 Mitarbeiter beschĂ€ftigt, hat den kompletten Angebots- und Bestellprozess digitalisiert und bietet seinen Kunden so eine schnelle, unkomplizierte Abwicklung. Damit ist 247TailorSteel in der blechverarbeitenden Industrie ein Vorreiter im Bereich Digitalisierung beziehungsweise Industrie 4.0. Mittelfristig plant 247TailorSteel europaweit zu expandieren. Weitere Standorte in Deutschland sind bereits in Planung. www.247tailorsteel.com/de

Am Standort Oyten sind auf rund 6.000 qm derzeit 55 Mitarbeiter an acht Laserschneidanlagen und vier BiegebÀnken beschÀftigt.

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Brainport Industries ist ein niederlĂ€ndisches Zuliefernetzwerk von 100 Hightech-Unternehmen mit dem Fokus auf hochkomplexe Produkten mit niedriger StĂŒckzahl (high mix, low volume, high complexity). Brainport Industries bietet einen fruchtbaren Boden und eine solide Struktur fĂŒr Kooperationsprojekte den Bereichen Technologie, Markt und Mensch und vertritt die Interessen der Mitglieder auf politischer Ebene.

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FIRMENPROFIL NTS HERMUS KONZENTRIERT SICH MIT FRAMES & CABINETS AUF MACHBARKEIT, LOGISTIK UND PULVERLACKIERUNG

„UNSER ALLEINSTELLUNGSMERKMAL SIND UNSERE MITARBEITER“ NTS Hermus in Venray ist Teil der NTS Group und legt den Schwerpunkt auf Blechbearbeitung fĂŒr dynamische MĂ€rkte. Damit bedient das Unternehmen die Spitze des niederlĂ€ndischen Hightechmaschinenbaus und hat einen Fuß in der TĂŒr zum deutschen Markt. „Wir bieten Kunden einen hohen Mehrwert und sind deshalb nicht die Preiswertesten. Wir können jedoch gemeinsam mit dem Kunden die Total Cost of Ownership seiner Maschinen und Anlagen mit unserer hohen QualitĂ€t, unseren intelligenten Logistikkonzepten sowie Embedded Engineering reduzieren.“

stocken, weshalb wir nur ĂŒber begrenzte FlexibilitĂ€t verfĂŒgen. Ein Logistikvertrag gibt dem Kunden die Sicherheit, dass wir ProduktionskapazitĂ€t fĂŒr ihn zur VerfĂŒgung haben und erlaubt uns, die Produktion „lean“ und mit einer gleichmĂ€ĂŸigen Auslastung zu organisieren. WĂ€hrend der Produktionsdurchlaufzeit liegt ein Auftrag fest, außerhalb davon steht es den Kunden frei, die StĂŒckzahl zu Ă€ndern. Um das auffangen zu können, halten wir einen kleinen Vorrat. Wenn ein Kunde beispielsweise fĂŒnfzig Produkte pro Jahr benötigt, planen wir eins pro Woche ein, mit der Variationsmöglichkeit von einem mehr oder weniger.“ „Heijunka“ wird das im Lean-Produktionsdenken genannt: die Produktion nivellieren, um zum Fließen zu kommen. „Das steigert unsere Lieferperformance.“ Überdies ist die Logistik von NTS Hermus eng mit NTS Finish verbunden, wo fĂŒr viele Blechprodukte die anschließende Nachbearbeitung stattfindet. „Wir benötigen einwandfreie Bleche und Lackierungen fĂŒr Produkte auf qualitativ sehr hohem Niveau.“

MACHBARKEIT

Peter van den Biggelaar (links) und Peter Huijs, Operator Laserschweißroboter, mit einem Beispiel fĂŒr die technische Fachkompetenz von NTS Hermus: eine Kappe mit einer prĂ€zisen, Ă€ußeren Laserschweißnaht, die keiner weiteren Nachbearbeitung bedarf. Fotos: Vincent Knoops

VON HANS VAN EERDEN

nnerhalb NTS ist NTS Hermus (achtzig Mitarbeiter) gewissermaßen das „Durchflussunternehmen“ fĂŒr Blech. „Wir haben fĂŒr jede Niederlassung sehr prĂ€zise definiert, in welchem Bereich sie brillieren muss“, erklĂ€rt AndrĂ© Bakermans, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Frames & Cabinets Betriebe und NTSVorstandsmitglied. FĂŒr NTS Hermus in Venray heißt Produzieren im „Fluss“ einerseits, die Kunden stets fristgerecht zu beliefern, und andererseits die eigene Produktionsauslastung auf einem möglichst gleichmĂ€ĂŸigen Niveau zu halten. Als Interimsniederlassungsleiter ist Bakermans fĂŒr den effizienten Betrieb dieser Niederlassung verantwortlich. NTS Hermus fĂŒhrt Blechbearbeitungen aus (u.a. Stanzen/ Laserschneiden, Biegen und (Laser)schweißen), hat dafĂŒr ein eigenes Engineering im

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Hause und ĂŒbernimmt die mechanische Endmontage von Rahmen und GehĂ€usen.

SICHERHEIT UND FLEXIBILITÄT Die Herausforderung, die Fließproduktion zu organisieren, werde immer grĂ¶ĂŸer, umreißt Bakermans die Lage. „Die Welt ist dynamischer geworden, unsere MĂ€rkte zeigen eine hohe FlexibilitĂ€t. Große Serien eines gleichbleibenden Produkts auf kosteneffiziente Weise zu fertigen, das kennen wir gar nicht mehr. Kunden geben zwar Prognosen ab, möchten Produkte aber auch schnell wieder verĂ€ndern und AuftrĂ€ge beschleunigen oder sogar zurĂŒckstellen. Dennoch erwarten sie einen guten Preis, das erzeugt schon ein Spannungsfeld. Bevorzugt schließen wir mit dem Kunden einen Logistikvertrag ab. Denn aufgrund des derzeitigen „schwierigen“ Arbeitsmarktes können wir nicht so einfach auf-

Außer der ausgefeilten Logistik und der hochwertigen Endbearbeitung profiliert NTS Hermus sich mit einem dritten Alleinstellungsmerkmal: dem Engineering. „Wir können auf Development & Engineering innerhalb der Gruppe zurĂŒckgreifen, haben aber vor Ort auch eigene Leute fĂŒr das Engineering“, erzĂ€hlt Peter van den Biggelaar, NPI & Technischer Direktor (NPI – New Product Introduction). „Das „embedded“ Engineering ist eng mit der Produktion verbunden und hat einen ganz anderen Blick auf Blechlösungen als die Ingenieure des Kunden.“ Der Trend gehe dahin, dass bei den Kunden das Wissen ĂŒber Blech hinsichtlich der Machbarkeit weniger werde, so Bakermans. „Sie entwickeln Produkte und verkaufen sie, den Rest mĂŒssen Zulieferer erledigen. Das ist genau die Rolle, die NTS besetzen möchte, indem dem Kunden integrale Lösungen vermittelt und das Wissen um die Machbarkeit gebĂŒndelt werden.“ Die Ingenieure von NTS Hermus betreuen außerdem die Arbeitsvorbereitung. Van den Biggelaar: „Wir schauen, ob der Entwurf des Kunden umsetzbar ist und die geforderten Toleranzen realisierbar sind. HĂ€ufig ringen wir mit den Kunden um bestimmte EntwĂŒrfe und darum, FORTSETZUNG AUF SEITE 24

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ob es nicht noch anders geht, einfacher und damit hĂ€ufig preiswerter. Manchmal bittet der Kunde uns sogar, den kompletten Produktentwurf und das Industriedesign zu ĂŒbernehmen. Hier bringen wir unser gesamtes Wissen der Fertigungstechnologien ein.“

DEUTSCHER MARKT NTS Hermus bedient, hĂ€ufig gemeinsam mit den anderen NTS-Niederlassungen, die niederlĂ€ndische Hightechindustrie und außerdem den deutschen Markt, vor allem Nordrhein-Westfalen. Inzwischen erzielt dieses Unternehmen innerhalb NTS bereits vierzig Prozent seines Umsatzes in Deutschland. Außer der ansprechenden Unternehmenskultur wecke das hohe QualitĂ€tsniveau Vertrauen bei deutschen Kunden, erklĂ€rt Bakermans. Und die NĂ€he zur Niederlassung Venray tue ein Übriges, ergĂ€nzt Van den Biggelaar. „Wir springen ins Auto und innerhalb einer Stunde sitzen wir mit dem Kunden zum GesprĂ€ch am Tisch.“ Hinzu komme, dass auch in Deutschland die Vergabe von Produktionsarbeiten zunimmt, sagt Bakermans. „Deutsche Unternehmen sehen ein, dass sie nicht mehr alles selbst machen können.“ Zulieferer wie NTS haben die richtige Fachkompetenz im Haus und können ihre Maschinen effizient einsetzen. „Dabei sind wir nicht die Preiswertesten. Das liegt an dem höheren Mehrwert, den wir unseren Kunden liefern. Wir können nicht den niedrigsten Preis bieten, mit dem Kunden jedoch gemeinsam eruieren, wie wir die Total Cost of Ownership, mit hoher QualitĂ€t, intelligenten Logistikkonzepten und embedded Engineering reduzieren können.“

FACHKOMPETENZ NatĂŒrlich verfĂŒgt NTS Hermus ĂŒber einen modernen Maschinenpark zum Laserschneiden und Biegen, das ist aber kein Alleinstel-

Frank Lensen, Teamleiter Montage (links) und André Bakermans mit einem komplex gearbeiteten BlechgehÀuse von NTS Hermus und hochwertiger Lackierung von NTS Finish.

lungsmerkmal fĂŒr das Unternehmen, gibt Van den Biggelaar zu. „Unser wirkliches Alleinstellungsmerkmal ist der Faktor Mensch. Unsere Mitarbeiter haben große Erfahrung mit Blech und wissen genau, wie sie QualitĂ€tsprodukte fertigen mĂŒssen.“ Die grĂ¶ĂŸte Aufgabe sei es dann auch, die Fachleute zu halten und die zukĂŒnftigen Fachleute auszubilden, ergĂ€nzt Bakermans. „Sie mĂŒssen mit den neuesten Maschinen arbeiten können, aber auch alles ĂŒber die Blechbearbeitung wissen. Denn man kann beispielsweise erst einen Schweißroboter programmieren, wenn man weiß, wie man schweißen muss.“ Laserschneiden ist mittlerweile Plug & Playtechnologie geworden, Laserschweißen erfordert dagegen immer noch viel Fachkompetenz, ergĂ€nzt Van den Biggelaar. „Beispielsweise Kenntnisse darin, wie man den Laserstrahl genau positionieren und welchen Fokusabstand man wĂ€hlen muss. Wir bauen sogar die Werkzeuge, die Einspann-

PROFIL NTS NTS entwickelt, produziert, montiert und testet (opto-)mechatronische Systeme und mechanische Module fĂŒr Hightechmaschinenbauer. Das Unternehmen bedient Marktsparten wie Semiconductor, Digital Printing, Life Sciences & Analytical und Industrial Systems. NTS hat etwa 1700 Mitarbeiter. Hauptsitz ist Eindhoven mit Niederlassungen in den Niederlanden sowie in Tschechien, Asien und den Vereinigten Staaten. Das integrale Angebot ist nach vier Hauptkompetenzen organisiert – Development & Engineering, Precision Component Manufacturing, Frames & Cabinets und Systems Assembly – mit dem Schwerpunkt auf PrĂ€zisionskomponenten und mechatronischen Systemen. Insgesamt 420 Mitarbeiter, verteilt ĂŒber fĂŒnf Niederlassungen, sind im Kompetenzbereich Frames & Cabinets tĂ€tig. NTS Hermus in Venray konzentriert sich auf die Produktion von Rahmen und GehĂ€usen aus dĂŒnnem Blech fĂŒr Hightechmaschinen und

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-anlagen. NTS CombiMetaal, seit Kurzem auf dem NTS Campus in Eindhoven angesiedelt, sorgt fĂŒr die Produktion von Prototypen und kleinen Serien aus Blechprodukten. NTS Botech in Helmond fertigt Produkte aus Granit, Metall und Kombinationen daraus, die beispielsweise als schwere, stabile Basis fĂŒr HochprĂ€zisionssysteme dienen können. NTS Finish in Bergeijk ist Spezialist fĂŒr OberflĂ€chenbehandlungen wie Lackieren, Beschichten und Bedrucken von Produkten. Schließlich bietet NTS Prometal in Tschechien eine umfangreiche Bandbreite an TĂ€tigkeiten, dazu gehören die Blechbearbeitung, Dreh- und FrĂ€sbearbeitung, Pulverlackieren und Montage. Außerdem kann NTS die international operierenden Kunden auch in Asien von eigenen Niederlassungen in Singapur und China aus bedienen. www.nts-group.nl

vorrichtungen, und dahinein fließt unser umfassendes Wissen vom Laserschweißprozess. Manchmal hören wir, dass etwas zu schwierig sei, aber gerade das wollen wir, denn die einfachen Produkte in hohen StĂŒckzahlen werden schon lĂ€ngst woanders gefertigt. Außerdem verschieben wir weiter Grenzen.“ Ein Beispiel sind Ă€sthetische Schweißarbeiten an der Außenseite eines GehĂ€uses. Blech muss dafĂŒr sehr genau geschnitten, gebogen und dann mit einer PrĂ€zision von einem Zehntel Millimeter geschweißt werden, sodass Nachbearbeitung ĂŒberflĂŒssig wird. „Ein deutscher Kunde bekam ein derartiges Design industriell nicht produziert, aufgrund einer gemeinsamen Investition in die AusrĂŒstung haben wir es dennoch realisiert.“

WACHSEN IN NORDRHEIN-WESTFALEN NTS Hermus hat bereits Schritte in Richtung ganzheitlicher Produktionssysteme unternommen, muss aber noch flexibler werden, berichtet AndrĂ© Bakermans zum Schluss. DafĂŒr wird das Unternehmen in freiprogrammierbare Maschinen investieren, wie eine spezielle Abkantpresse, um ohne UmrĂŒstzeiten unterschiedliche Produkte direkt nacheinander fertigen zu können.“ So möchte NTS Hermus schließlich EinzelstĂŒck-Fließproduktion möglich machen. Die Flexibilisierung erfordert weiterreichende Robotisierung und Digitalisierung in Richtung papierloses Arbeiten. „Um die Investitionen leisten zu können, mĂŒssen wir noch wachsen“, formuliert Bakermans seine Ambitionen. „Wir streben fĂŒnfzig Prozent Wachstum an, in den Niederlanden und Deutschland, vor allem fĂŒr High-Complexity-Produkte. Da können wir von NTS unser Wissen ĂŒber sehr prĂ€zise Positionierung und Bewegung fĂŒr die Fertigung stabiler Rahmen mit den gewĂŒnschten statischen und dynamischen Eigenschaften einsetzen. In Nordrhein-Westfalen sehen wir noch viele Chancen bei Unternehmen, die ihre Fertigungsprozesse auslagern wollen.“


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INDUSTRIE 4.0 BOOST NAVIGIERT OSTNIEDERLÄNDISCHE UNTERNEHMEN IN RICHTUNG SMART INDUSTRY

„IN 20 JAHREN MUSS JEDER DOPPELT SO PRODUKTIV SEIN“ Das Smart-Industry-Netzwerk BOOST wird immer stĂ€rker zum Beschleuniger und Navigator fĂŒr intelligente und saubere Industrie in den Ostniederlanden. Es hilft Produktionsunternehmen, den dringend nötigen Wandel einzuleiten, um in der nahen Zukunft sowohl im eigenen Land als auch weit ĂŒber seine Grenzen hinaus konkurrenzfĂ€hig sein zu können.

Smart-Industry-Netzwerk BOOST möchte in der Region bekannter werden. Hier der Stand auf der Fachmesse TiV in Hardenberg. Foto: BOOST

VON LUCY HOLL

BESCHLEUNIGEN

issen Sie, worum es geht?“, fragt Piet Mosterd, GeschĂ€ftsfĂŒhrer von AWL in Harderwijk, einem Lieferanten intelligenter Lösungen im Bereich der High-End-Automatisierung, Robotisierung und Verbindungstechnologien. „In zwanzig Jahren muss jeder ErwerbstĂ€tige in den Niederlanden doppelt so produktiv sein, wenn wir unseren heutigen Lebensstandard beibehalten wollen.“ Das ist eine klare Ansage. Und um die ProduktivitĂ€t zu steigern, muss noch viel geschehen. „Es gibt Unternehmer in der Industrie, die wirklich entscheidende Schritte gemacht haben“, findet Mosterd. Gemeinsam mit fĂŒnf Unternehmerkollegen, dem Lieferanten erstklassiger Durchflussmesser und -regler Bronkhorst High-Tech, dem Hersteller behindertengerechter FahrrĂ€der Van Raam, der Forschungseinrichtung IJssel Technologie, dem Hersteller von Streuund Fegemaschinen Aebi Schmidt und dem Highend-Technologielieferant Demcon bildet AWL die sogenannte FĂŒhrungsgruppe des Smart-Industry-Netzwerkes BOOST. Sie bildet eine Wissens- und Inspirationsquelle fĂŒr andere Unternehmer in den Ostniederlanden.

Es sei ein faszinierender Club, meint Piet Mosterd: „Die Unternehmen innerhalb der FĂŒhrungsgruppe sind sehr unterschiedlich, jedes hat seine eigenen MĂ€rkte und Interessensgebiete. Uns allen gemeinsam ist jedoch der Wunsch, einen Beitrag zu einer innovativeren Fertigungsindustrie in den Ostniederlanden zu leisten. Wir können auch benennen, was unserer Meinung nach die Schwerpunkte auf der BOOST-Agenda sein mĂŒssen.“ Themen gebe es genug, sagt Mosterd. Intelligentes Entwerfen, Produzieren und Robotisieren natĂŒrlich, aber beispielsweise auch InternationalitĂ€t. „NiederlĂ€ndische Unternehmen liefern QualitĂ€t und können sich problemlos auf dem Exportmarkt behaupten. Ich möchte kleine Unternehmen ermutigen, das auch tatsĂ€chlich anzugehen.“ Er hat selbst ein Programm ins Leben gerufen, in dem fĂŒnf ausgewĂ€hlte Unternehmen aus den Ostniederlanden individuell auf ihrem Weg zu gewĂŒnschten Kunden in Deutschland begleitet werden. Im Bereich der Robotisierung ergriff AWL-Techniek bereits vor ein paar Jahren die Initiative zum Aufbau des Fieldlabs Industrielle Robotik. Es verfĂŒgt ĂŒber alle Einrichtungen fĂŒr Ausbildungen im Bereich Robotik. „Wir wollen unser Wissen dem

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‱ Smart-Industry-Netzwerk BOOST stimuliert Unternehmen, den Wandel zum intelligenteren und sauberen Produzieren einzuleiten. ‱ Es gibt eine FĂŒhrungsgruppe von sehr unterschiedlichen Unternehmen, die die Agenda mitbestimmt. ‱ Inzwischen sind in den Ostniederlanden viele Fieldlabs aktiv. ‱ „Manche Unternehmen kommen mit kompletten PlĂ€nen und Strategiepapieren fĂŒr die Zukunft, andere machen einen ersten kleinen Schritt.“

Markt zur VerfĂŒgung stellen. So ein Fieldlab ist natĂŒrlich nicht die Antwort auf alles, weckt aber durchaus das Bewusstsein bei Unternehmen dafĂŒr, was mit Robotern möglich ist.“ Das Fieldlab ist die PraxislehrstĂ€tte u.a. fĂŒr die Berufsausbildungen Roboterkoordinator, Roboterprogrammierer und Roboteringenieur, die derzeit gemeinsam mit den niederlĂ€ndischen Fachschul- und Fachhochschuleinrichtungen Landstede, Deltion und Windesheim entwickelt werden. Die ersten Pilotprojekte werden jetzt auf Fachschulebene angeboten. Piet Mosterd ist stĂ€ndig in der Region aktiv. So ist er beispielsweise im geschĂ€ftsfĂŒhrenden Vorstand von RCT Gelderland vertreten. „Es ist wichtig, sich ab und zu zusammenzusetzen und sich ĂŒber den aktuellen Stand der AktivitĂ€ten auszutauschen. Wir mĂŒssen uns abstimmen und ich möchte außerdem, dass die VerĂ€nderungen schneller vorankommen.“

ONE-STOP-SHOP Es tut sich viel in den niederlĂ€ndischen Provinzen Overijssel und Gelderland, zumindest fĂŒr den, der einen Blick dafĂŒr hat. Das SmartIndustry-Netzwerk BOOST ist der große Beschleuniger und Navigator, wenn es um Digitalisierung, Automatisierung, neue Technologien, kĂŒnstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Deep Learning und weitere aktuelle Themen geht. BOOST ist die regionale Aktionsagenda fĂŒr Smart Industry in den Ostniederlanden. Der One-Stop-Shop teilt Wissen und organisiert alles Mögliche, um die Fertigungsindustrie in ihrem digitalen Optimierungskampf zu unterstĂŒtzen. Die Niederlande haben fĂŒnf regionale Hubs, die sowohl mit dem nationalen ProgrammbĂŒro Smart Industry als auch untereinander zusammenar-


beiten. BOOST ist seit Kurzem offiziell der Smart-Industry-Hub fĂŒr die Ostniederlande. s „In den Ostniederlanden gibt es ĂŒberdurchschnittlich viel Fertigungsindustrie“, sagt Eddy van Hijum, der fĂŒr das Ressort Wirtschaft zustĂ€ndige Deputierte der Provinz Overijssel. „Seit jeher sind Gelderland und Overijssel richtige Industrieprovinzen. Und in der Fertigungsindustrie laufen gerade unglaublich große Entwicklungen. Es ist sehr wichtig, dass sich Unternehmen daran orientieren. Zweifellos wird es die Unternehmen und ihre Mitarbeiter in Zukunft tangieren.“ Van Hijum kennt sich bestens aus: Er besucht regelmĂ€ĂŸig Unternehmen und kommt oft stolz wieder heraus, stolz auf das, was er dort gesehen hat. Die Provinzen haben viele KMU, hĂ€ufig sind das Familienunternehmen. „Da sind prĂ€chtige Spitzenreiter dazwischen, aber auch Unternehmen, die zurĂŒckhaltend oder sich noch zu wenig darĂŒber im Klaren sind, dass die Industrie sich tatsĂ€chlich verĂ€ndert. Als die niederlĂ€ndische Smart-Industry-Agenda entstand, wollten wir deshalb sofort eine regionale Übersetzung, eine regionale Vorgehensweise, um das große Mittelfeld zu erreichen.“

BOTSCHAFTER Van Hijum blickt zufrieden auf die vielen Fieldlabs, die in den vergangenen Jahren in den Ostniederlanden entstanden sind: Praxisumfelder, in denen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam SmartIndustry-Lösungen entwickeln, testen und

implementieren, wobei einige Fieldlabs nationale Funktion haben. Jetzt blickt er neugierig auf das neue Perron038 in Zwolle, wo sich Ausbildungsbereich und Wirtschaft zusammen mit Innovationsprojekten beschĂ€ftigen sollen. „Wir mĂŒssen gerade auch die Verbindung zur Ausbildung herstellen. Wenn sich die Produktionsprozesse und GeschĂ€ftsmodelle der Unternehmen umfassend verĂ€ndern, macht das auch Änderungen bei den Ausbildungsprogrammen erforderlich. Ich sehe immer hĂ€ufiger enge Zusammenarbeit zwischen Ausbildung und Unternehmen: Das Fieldlab Industrierobotik ist ein gelungenes Beispiel dafĂŒr. Kompetenzprofile können sich so auf die sich verĂ€ndernde Nachfrage der Wirtschaft einstellen.“

Piet Mosterd, GeschĂ€ftsfĂŒhrer bei AWL: „Uns allen gemeinsam ist jedoch der Wunsch, einen Beitrag zu einer

CYBERZENTRUM

innovativeren Fertigungsindustrie in den Ostniederlanden

BOOST lĂ€uft jetzt drei Jahre und Eddy van Hijum beobachtet zweifellos Verschiebungen. „Die FĂŒhrungsgruppe aus namhaften Unternehmen ĂŒbernimmt eine wichtige Botschafterrolle. Unternehmen nutzen das Angebot intensiv: Ob es nun um die Veranstaltungen geht oder die Scans des Produktionsprozesses, den Einsatz von Wissensgutscheinen oder die Benutzung der gemeinsamen Laboreinrichtungen.“ Unternehmen könnten sich am besten gegenseitig inspirieren, betont er. Forschungseinrichtungen können unterstĂŒtzen und helfen. „Die Mitarbeiter des Fraunhofer-Ablegers an der UniversitĂ€t Twente ziehen beispielsweise durch die Provinzen, um

zu leisten.“ Foto: AWL

Unternehmen wachzurĂŒtteln und ihnen konkrete VerĂ€nderungsvorschlĂ€ge anzubieten. Das funktioniert.“ Van Hijum findet, dass im letzten Jahr mit der durch das Wirtschaftsministerium unterstĂŒtzten GrĂŒndung des Cybersecurity Centrum voor de Maakindustrie, dem Cybersicherheitszentrum fĂŒr die Fertigungsindustrie, ein wichtiger Schritt gemacht worden sei. Das soll die niederlĂ€ndische Fertigungsindustrie digital wehrhafter machen. „Es ist eine Art FORTSETZUNG AUF SEITE 29

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Notrufnummer, die Hilfe und UnterstĂŒtzung bei Cyberangelegenheiten bietet. Das Zentrum ist in der Folge konkreter Hackerangriffe entstanden, bei denen Unternehmen erpresst wurden. Es soll sich um PrĂ€vention und Sensibilisierung kĂŒmmern, und es bietet Hilfe an, wenn doch etwas schiefgelaufen ist.“

DRINGLICHKEIT Smart Industry mĂŒsse nach Van Hijums Auffassung ein wichtiger Schwerpunkt der Ostniederlande bleiben. Die Transformation der Industrie bedarf eines langen Atems. „Der Digitalisierung wird national zwar Aufmerksamkeit entgegengebracht, aber ich bleibe dabei: Die Niederlande stecken verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig wenig Geld in Smart-IndustryProgramme. Das gilt auf jeden Fall, wenn man es in Relation zu anderen IndustrielĂ€ndern wie Deutschland, Frankreich, den USA oder China sieht.“ Die pumpen Milliarden in die Erneuerung ihrer Industrie. „Bei uns ist die UnterstĂŒtzung sehr von der Finanzierung durch die Provinzen und europĂ€ische Fonds abhĂ€ngig. Ich erlebe unzureichende Dringlichkeit von Seiten des Staates, um der Politik wirklich StĂ€rke zu verleihen, das gilt sowohl fĂŒr die Unternehmen als auch die Ausbildung. Wir haben den nationalen Technologiepakt Smart & Sustainable, um mehr Jugendliche fĂŒr Technik zu interessieren, aber das Interesse der Ministerien scheint nachzulassen, jetzt, da die Techniksparte nicht mehr der einzige Bereich mit Personalmangel ist.“

TOPPRIORITÄT Auch der fĂŒr das Ressort Wirtschaft, Innovation und Europa zustĂ€ndige Deputierte der Provinz Gelderland, Michiel Scheffer, bezeichnet die Industrie als sehr wichtigen Sektor der Ostniederlande: „Ich finde es schön, dass hier, sowohl einfache Arbeiter als auch Akademiker arbeiten. Die Industrie hat Antworten auf eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Fragen: etwa Telebetreuung oder elektrisches Fahren. Ohne Industrie könnten wir nicht das Leben

Lars de Groot, Businessunitmanager Industrial Systems & Vision bei Demcon: „Ich finde es sehr wichtig, dass wir als Unternehmer die erforderlichen Themen auf die Agenda von BOOST setzen können.“ Foto: Demcon

BOOST BOOST, die regionale Aktionsagenda fĂŒr Smart Industry in den Ostniederlanden, hat einen Projektleiter: Robin Burghard. Zudem gibt es die FĂŒhrungsgruppe bestehend aus sechs Unternehmen. Sie wird umgeben von einer Kerngruppe aus Interessenvertretern wie Oost NL, VNO-NCW Midden, UniversitĂ€t Twente, Hogeschool van Arnhem und Nijmegen, Radboud UniversitĂ€t, Fraunhofer sowie den Provinzen Gelderland und Overijssel und Windesheim, Saxion, FME, CIVON, VMO, Novel-T, Koninklijke Metaalunie, RCT Gelderland, Kennispoort regio Zwolle und Kamer van Koophandel. BOOST hat Themenarbeitsgruppen: ZirkulĂ€re GeschĂ€ftsmodelle, soziale Innovation, Cybersicherheit, regionale Einrichtungen (fĂŒr die Fieldlab-

wie jetzt fĂŒhren.“ Die Industrie mĂŒsste schon wesentlich lĂ€nger fĂŒr die ganzen Niederlande TopprioritĂ€t haben. „Die Niederlande haben jahrzehntelang keine Industriepolitik betrieben. Wir in Gelderland haben uns genauso wie Overijssel und Brabant dafĂŒr entschieden, das zu Ă€ndern. Das wird dem seit jeher starken Industriecharakter gerecht.“ Gelderland hat gerade ein Experiment beendet: das erste intelligente Ausschreibungsmanagement und saubere Fabriken. Die Provinz stellte sieben Unternehmern mit besonderen PlĂ€nen fĂŒr ihre Fabriken jeweils 200.000 Euro zur VerfĂŒgung. „Zu unserer Überraschung meldeten sich beim ersten Mal sofort dreißig Unternehmen an. Die HĂ€lfte prĂ€sentierte ĂŒberzeugende Projekte, davon bekam wiederum die HĂ€lfte Geld. Das zeigt, dass Leben drin ist. Unternehmer denken darĂŒber nach, wie sie ihre Unternehmensprozesse so einrichten können, dass sie liefern, was der Markt fordert: Auf intelligente Weise produzieren und den eigenen Abfall wiederverwerten. Viele wollten etwas mit Sonnenkollektoren auf dem Dach machen. Die Gewinner arbeiten alle an Energie vom eigenen Terrain.“ Scheffer möchte sich dafĂŒr einsetzen, die Aktion in diesem Jahr zu wiederholen. „Wichtig ist auch hier, dass die Gewinner ihre Ergebnisse mit Kunden, Zuliefern, Mitunternehmern und Auszubildenden teilen mĂŒssen.“ Gelderland und Overijssel unternehmen viel ĂŒber BOOST, um Unternehmen bewusst zu machen, was auf eine zukĂŒnftige, intelligente Industrie zukommt. „Manche kommen dann mit kompletten PlĂ€nen und Strategiepapieren fĂŒr die Zukunft, andere machen einen ersten kleinen Schritt und finden dann selbst ihren Weg. Das ist prima so. Die Vorhut weiß sich selbst zu helfen. Wir konzentrieren uns auf das Mittelfeld, Leute, die gern wollen, aber nicht so richtig wissen wie und was.“

ERFORDERLICHE THEMEN AUF DER AGENDA Lars de Groot, BOOST-FĂŒhrungsgruppenmitglied und Businessunitmanager Industrial

struktur), intelligenter Produzieren, Internationalisierung, Kennenlernen & Erforschung (fĂŒr die Kommunikation) und Smart Industry in Aktion (zur Übersicht (finanzieller) Instrumente). BOOST-Netzwerk wĂ€chst 2018 erzielte Ergebnisse ‱ Zahl Fieldlabs und Cluster von 16 auf 22 ‱ Zahl der Arbeitsgruppen von 6 auf 7 ‱ Zahl der Partner von 22 auf 24 ‱ 232 Unternehmen mit einem Gutschein aktiviert ‱ 9603 Teilnehmer an 434 Workshops, GesprĂ€chen und Debatten ‱ 7775 Teilnehmer an 75 Kongressen und Reisen ‱ RegelmĂ€ĂŸige Smart CafĂ©s bei RCT Gelderland und BOOST

Systems & Vision bei Demcon in Enschede hatte kĂŒrzlich noch ein Treffen mit anderen Mitgliedern der FĂŒhrungsgruppe und Mitarbeitern der Provinzen. „Wir als großes Unternehmen wollen an einer starken Region mitarbeiten. Ich finde es auch sehr wichtig, dass wir als Unternehmer die erforderlichen Themen auf die Agenda von BOOST setzen können. Wir mĂŒssen in Zukunft intelligenter, besser organisiert sowie stark digitalisiert und automatisiert in unseren Fertigungsketten produzieren. Behörden und die Subventionsgeber mĂŒssen verstehen, womit Unternehmer zu kĂ€mpfen haben und wo sie Hilfe benötigen.“ Themen, die De Groot interessieren, sind beispielsweise Cybersicherheit, zirkulĂ€re GeschĂ€ftsmodelle und Servitization. „Unternehmer mĂŒssen ernsthaft darĂŒber nachdenken, was ihre Kunden in Zukunft benötigen. Viele Verbraucher verstehen Technik nicht mehr, wenn man ihnen aber Dienstleistungen zu verkaufen versteht – nicht die Salzstreumaschine, sondern die sauberen Straßen, wie das Unternehmen Aebi Schmidt sie anbietet – baut das HĂŒrden ab. Man kreiert GeschĂ€ftsmodelle und kann weiter wachsen.“ BOOST mache schon den Unterschied, viele Unternehmen seien erreicht worden, betont De Groot. „Unternehmer, die auf der Suche sind, können auf gute Beispiele anderer Unternehmen zurĂŒckgreifen: Was hat ein bestimmter Schritt ergeben, welche Fallstricke gab es?“ Die Region mĂŒsse sich demnĂ€chst auch woanders prĂ€sentieren, findet Lars de Groot. Er nennt BOOST ein Sprungbrett, um die StĂ€rke der Region ins rechte Licht zu rĂŒcken. „Wir sollten dafĂŒr sorgen, auch die nationale Agenda zu beeinflussen. GrĂ¶ĂŸere und intelligentere Dynamik, darum geht es uns.“

www.smartindustryoost.nl www.gelderland.nl www.overijssel.nl www.demcon.nl www.awl.nl

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DIENSTLEISTUNG DER TECHNISCHE GROSSHANDEL JEVEKA LANCIERT EIGENE SCHRAUBEN

DEVELOPED BY JEVEKA Der technische Großhandel Jeveka hat zwei neue Produktlinien auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um Schrauben der Eigenmarken Jeclin und Jextar. In diesem FrĂŒhjahr werden die Schrauben in Deutschland eingefĂŒhrt. VON ANDRÉ RITSEMA

eveka (1937 in Amsterdam gegrĂŒndet, seit einigen Jahren in Almere angesiedelt) ist von jeher ein technischer Großhandel fĂŒr Befestigungsartikel (wie Bolzen, Schrauben und Muttern) und dazugehörige Werkzeuge. Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahrzehnten vor allem aufgrund der Zusammenarbeit mit großen Marken wie Unbrako gewachsen; diese Zusammenarbeit reicht sogar bis in das Jahr 1946 zurĂŒck. Jeveka entwickelt sich weiter. „Der Unternehmensbereich Produktion ist in den vergangenen Jahren stetig grĂ¶ĂŸer geworden“, sagt GeschĂ€ftsfĂŒhrerin und MiteigentĂŒmerin Stephanie Veltkamp. So wurde bereits eine Maschine angeschafft, die Löcher in LĂ€ngsrichtung von (platzierten) Schrauben bohren kann. Das ist wichtig bei Anwendungen in einer Hochvakuumproduktionsumgebung, in der weder Luft noch Sauerstoff im Raum verbleiben dĂŒrfen.

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VIER MARKEN Jetzt kommen also die eigenen Schrauben hinzu. Auf der Hannover Messe Anfang April ist Jeveka mit vier Marken vertreten: Kato, Unbrako, Jeclin und Jextar. Die beiden letztgenannten Marken wurden 2018 „developed by Jeveka“, wie das Unternehmen aus Almere es selbst nennt. „Die neuen Artikel zeigen wir jetzt zum ersten Mal auf einer großen internationalen Messe“, sagt Veltkamp. Im vergangenen Jahr wurde – nach einigen Jahren des Forschens und Testens – die Jextar in den Niederlanden eingefĂŒhrt. Eine starke

Eigenmarke Jeclin

Schraube aus rostfreiem Stahl mit großer Zugkraft. Die Jextar wurde entwickelt, weil bei vielen Anwendungen die verfĂŒgbaren Schrauben nicht stark genug gewesen seien, so die GeschĂ€ftsfĂŒhrerin. „Wir haben die Jextar als Reaktion auf die Kundennachfrage nach stĂ€rkeren Befestigungsmaterialien aus rostfreiem Stahl entwickelt. Das ist auf jeden Fall geglĂŒckt. Sie sind ein StĂŒck stĂ€rker als normale Schrauben. Das haben all unsere Tests gezeigt. Und stĂ€rkere Schrauben bedeuten höhere FlexibilitĂ€t fĂŒr den Kunden, denn er hat mehr Auswahl.“

STARKES PRODUKT

GeschĂ€ftsfĂŒhrerin und MiteigentĂŒmerin Stephanie Veltkamp: „StĂ€rkere

Die Jeclin wurde ursprĂŒnglich Schrauben bedeuten höhere FlexibilitĂ€t fĂŒr den Kunden, denn er hat mehr Auswahl.“ Foto: Jeveka von Jeveka fĂŒr die – und in Zusammenarbeit mit der – Halbleiterindustrie entworfen. Derzeit werden die ausschlaggebend, unseren Kunden garantieren Befestigungsmaterialien in zahlreichen zu können, dass sie fristgerecht ihre Waren Anwendungen benötigt, die von Vakuumbekommen. Darum nehmen wir die Lageroder Reinraumtechnologie abhĂ€ngig sind, wie haltung des kompletten Sortiments beider Luft- und Raumfahrtindustrie und GesundMarken sehr ernst. Ein weiterer Vorteil: Weil heitstechnologie. Veltkamp: „Ein starkes Prowir den BedĂŒrfnissen der Kunden besser dukt, auch wenn man Schlitze oder Löcher nachkommen können, haben wir mehr Möghineinbohren muss. Die Produktlinie besteht lichkeiten als Unternehmen zu expandieren.“ aus verschiedenen Bolzen und Schrauben.“ Es dauert ĂŒbrigens sechs bis zwölf Wochen TECHNISCHES WISSEN bis zur Fertigung der Jeclin vom Basisprodukt Die Entwicklung der beiden Eigenmarken sei zur vollwertigen Schraube. „Weil wir unsere auf jeden Fall ein großer Schritt gewesen, sagt Kunden nicht so lange warten lassen wollen, Veltkamp. Jeveka hat sich dabei aber nicht auf halten wir einen großen Teil des kompletten dĂŒnnes Eis begeben, sondern hat insgesamt Sortiments auf Lager“, sagt Veltkamp. „Es ist vier Jahre lang nach einem geeigneten Hersteller gesucht, der die Möglichkeiten und die KapazitĂ€ten hat, die Bolzen in Serie zu produzieren. Schließlich wurde er gefunden. Veltkamp: „Der Vorteil bei dieser Suche war, dass wir selbst umfangreiches technisches Wissen haben. Außerdem haben wir unsere eigene Testeinrichtung, so dass wir die Lieferanten und ihre Produkte optimal beurteilen konnten. Mit diesen neuen Produkten können wir die Kunden noch besser bedienen, ihnen mehr Optionen bieten.“

www.jeveka.nl www.jextar.com www.jeclin.com

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