finanzwelt Ausgabe 02/2018

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hinreichend differenziert wird, dann entsteht beim Kunden schnell der Eindruck, dass er auch die weiteren 10 % ebenso wie das Agio zusätzlich bezahlen muss. Wenn der Anleger dann gefragt wird, ob er auch dann gezeichnet hätte, wenn er gewusst hätte, dass neben dem Agio noch solche weiteren Weichkosten entstehen, kann man sich vorstellen, was dabei herauskommt. Hinzu kommt, dass die Anleger bis zur Hauptverhandlung nicht persönlich befragt worden sind. Etwaige Missverständnisse konnten also im Ermittlungsverfahren nicht ausgeräumt werden, sondern sind unmittelbar in die Anklage eingeflossen. Als wir die Anleger dann erstmals im Prozess persönlich dazu befragt haben, klärte sich recht schnell, dass im Verkaufsgespräch dann doch Angaben zu den Weichkosten gemacht worden sind. Denn hierauf beruhte ja der Steuervorteil, mit dem der Fonds beworben wurde. Turgut » Was sich ganz klar dabei herauskristallisierte war, dass unser Ausbildungssystem im Vertrieb nicht zu beanstanden war. Kein einziger junger Vertriebspartner war beim Kunden alleine. Immer war ein erfahrener Berater mit entsprechender Fachkenntnis als Mentor mit anwesend, so dass stets eine doppelte Kontrolle über das Vertriebsgespräch stattfand. Außerdem hat kein Anleger beim ersten Termin sofort unterzeichnet. Es fand immer ein Folgetermin statt. Beides hat mir die Staatsanwaltschaft bei meiner Einlassung nicht geglaubt. finanzwelt: Inwieweit hat denn die Staatsanwaltschaft die komplizierte Thematik des Vertriebs von Finanzanlagen verstanden? Turgut » Das hat mich auch gewundert. Die erste Kammer, die die Eröffnung gemacht hat, sowie der zuerst ermittelnde Staatsanwalt haben wohl nicht das Emissionsprospekt gelesen. Da steht nämlich, dass 15 % Emissions-

kosten sind und die Hälfte davon, nämlich 7,5 %, sofort und die verbleibende Hälfte von 7,5 % über die Laufzeit verteilt entsteht. Das heißt, von den 100 % der Anlagesumme werden 92,5 % angelegt. Das wusste die Staatsanwaltschaft nicht und es hat anscheinend auch gar keinen interessiert. Das ist erst in der Hauptverhandlung klar geworden. Dr. Liebau » Da haben Sie Recht, dass verschiedene Dinge anfänglich nicht verstanden worden sind. Es wurde einfach mit Begrifflichkeiten hantiert, die zum Teil verwechselt und zum Teil nicht klar definiert wurden. Dr. Langrock » Ohne jemanden einen Vorwurf machen zu wollen – es liegt sicherlich auch daran, dass diese wirtschaftlichen Fragen nicht ganz einfach sind. Ich habe allerdings schnell den Eindruck gewonnen, dass es ein ganz gravierendes Missverständnis auf Seiten der Staatsanwaltschaft gab. Von den Vermittlern, die im Zeichnungsschein als Abschlussvermittler ausgewiesen waren, handelte es sich um die Vermittler, die Kunden akquirierten. Und das waren in der Regel Berufsanfänger und nicht diejenigen, die das Verkaufsgespräch mit ihrem kompetenten Fachwissen geführt hatten. Denn, der Berufsanfänger wurde immer von einem erfahrenen Vermittler als Mentor begleitet. Doch die Staatsanwaltschaft befragte den unerfahreneren Vermittler, der sich natürlich nicht so tief in der Materie befand wie sein Kollege, der das Verkaufsgespräch geführt hatte. So entstand dann der Eindruck, dass ein Heer ahnungsloser Vermittler losgeschickt worden sei, um Verkaufsgespräche zu führen. Dieses Missverständnis wurde im Laufe der Verhandlung nach und nach aufgelöst. finanzwelt: Das manager magazin schrieb, dass ohne das Wissen der Anleger bei den Investments regelmäßig besonders viel Geld in die Taschen des Finanzvertriebs floss. Bis zu 20 % oder

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mehr der investierten Summe stände aus diesem Grund gar nicht erst für den eigentlich versprochenen Investitionszweck zur Verfügung und es sei in der Folge logisch, dass es dann auch kaum möglich sei, die versprochenen Renditen zu erzielen. Wie sehen Sie diesen Vorwurf? Turgut » Wie Sie ja wissen, waren in dem konkreten Fall die Weichkosten überhaupt nicht so hoch und wurden zudem noch um die Hälfte auf die Laufzeit verteilt. Aber selbst wenn die Weichkosten bei 20 % liegen würden und ich die 80 % meines Kapitals aber mit 6 % über 20 Jahre anlege, dann habe ich doch die 100 % fast verdoppelt in dem Zeitraum. Aber darum ging es ja gar nicht in dem Prozess, sondern darum, dass die Weichkosten den Anlegern nicht angegeben worden sein sollen. finanzwelt: Ob das auch die Anleger wussten, dass es gar nicht um die Produkte, sondern um den Vertrieb ging? Turgut » Definitiv wussten das die meisten nicht. Eine Zeugin stupste mich doch sogar im Gericht an und fragte, ob sie ihr Geld von mir wieder bekäme. Dabei habe ich als Vertrieb ihr Geld doch gar nicht erhalten. Dr. Langrock » Diese falsche Erwartungshaltung der Anleger erschwerte natürlich die Befragung der Zeugen. Einer rief aus, er hätte im Wissen um die Kosten den Zeichnungsschein noch in der Luft zerrissen. In der anschließenden Befragung durch die Verteidigung, in der herausgearbeitet wurde, dass diese Kosten nicht ungewöhnlich sind und der Steuervorteil doch gerade auf diese Kosten beruhte, gab der Zeuge dann an, dass er den Fonds trotz der Kosten dann wohl doch gezeichnet hätte. Turgut » Aber: Alles in allem will ich mich an dieser Stelle bedanken, dass die Wirtschaftskammer Hof sehr an der Wahrheitsfindung interessiert war und alles soweit aufgeklärt werden konnte. (lvs)


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