BIORAMA #70

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KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

ausgabe 70 — Dezember 2020 / Jänner 2021.

P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien

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DAS GUTE PRODUKT

So wird es gemacht. Resozial: Wenn ein Inselgefängnis mit einem Weingut kooperiert. Transzendental: Die Zukunft der Welt steht womöglich in den Pilzen. Fundamental: Ein Appell an die Macht des aufgerissenen Mauls.

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E d i t o r i a l , Im p r essu m

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Gut – besser – das Mindeste

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as Gegenteil von gut ist gut gemeint.« Der Spruch ist uns allen geläufig. Die Zeiten, in denen ein nachhaltiges Produkt Verzicht beim Genuss oder der Bequemlichkeit bedeutete, sind vorbei. Was aber ist ein gutes Produkt? Was macht ein gutes Produkt besser als ein schlechtes? Und: Wann ist ein Produkt gut genug? Entscheidungen werden meist emotional, gar nicht selten aber auch bewusst getroffen. So gesehen ist jede Kaufentscheidung auch eine Antwort.

»

Die zugehörigen Fragen stellen sich viele von uns täglich. Abhängig von persönlichen Wertvorstellungen kommen wir vermutlich zu unterschiedlichen Antworten. Wir haben unterschiedliche Attribute zu gewichten: Bio ist in unserem Universum – keine Überraschung – das Mindeste, zumindest wenn es um Lebensmittel geht. Was Bio bei Lebensmitteln heißen darf, regelt der Gesetzgeber. Doch wir leben ja nicht nur von Lebensmitteln. Außerdem gehen glücklicherweise viele Rohstoffe, Produkte und Initiativen weit über den Biostandard hinaus. Klimaneutral und gar klimapositiv, unkompensiert, vegan, hergestellt unter fairen Arbeitsbedingungen, regional, fair oder auch fairtradezertifiziert, »pre-loved« also second hand oder gar vintage, plastkfrei, kompostierbar, recyclingfähig oder gar cradle-to-cradle, natürlich und auch hightech? Ansätze, Eigenschaften und mögliche Prioritäten gibt es … und das ist auch gut so. Aber es bleibt kompliziert. Die mündige Konsumentin, der mündige Konsument kauft verantwortungsvoll und ist doch nur ein Mensch. Über dieser Ausgabe schwebt expliziter als sonst die Frage nach dem guten Produkt. Die wir durch möglichst konkrete Beispiele beantworten wollen. Wir wünschen gute Lektüre und freuen uns, wie immer, auf euer Feedback!

Bilder  Michae l Mi ckl

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Luca Gasser, Ursel Nendzig, Jürgen Schmücking, Leonie Stieber, Anika Suck, Thomas Weber GESTALTUNG Michael Mickl Lektorat Mattias Feldner COVER­BILD Michael Mickl ANZEIGENVERKAUF Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber, Bernadette Schmatzer DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@ biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. biorama erscheint sechs Mal im Jahr.


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Au f tak t

70 Inhalt 03 Editorial 06 LeserInnenmeinung 08 Bild der Ausgabe 10 Street Talk 14 Frescobaldis Hefenbrüder Bioweinbau auf der Gefängnisinsel. 22 Fungutopia Altes und neues Wissen über Pilze könnte mitentscheidend für die Zukunft der Erde sein. 29 Nonplusultra Putzmittel in Pilze gepackt. 32 Faire Klinge Oliver Gothe im Interview zu seinem Fairtrade-Rasierer. 37 Emil und die

Klima-Detektivinnen Die Ökobilanz des besten Freundes des Menschen.

40 Trend Vintage Über Projektionen in alte Sachen. 44 Konsumkritik Nunu Kaller im Gespräch über schwierige Entscheidungen.

56 Mokka aus Alu? Wie problematisch sind Mokkakannen und Kaffeekapseln aus Aluminium? 61 Muh-loser Milchschaum Schäumbare Milchalternativen. 69 Lange Unterwäsche 4 µ zum Herzeigen.

14 Erntehelfer Jürgen Schmücking hat ein paar Häftlinge der toskanischen Gefängnisinsel Gorgona bei der Weinernte und die letzte gorgonische Fischerin im Hafencafé getroffen und dabei eine erstaunliche kleine Welt entdeckt.

75 Für Viele Rezepte für die Kantine der Zukunft.

Marktplatz 51

Martkplatz Kosmetik Geballte Feuchtigkeit in Hyaluron.

65 Marktplatz Food Zucker und Zuckeralternativen.

Kolumnen 78 Aus dem Verlag 82 Elternalltag

Bild  Jürge n S chmü cki ng , Michael Mic kl, Anna Feic htne r, Fa ir square d, Jo hn Bömstrup

50 Alles Paletti Wachsmalkreiden in Hautfarben.


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22 Die Zukunft steht in den Pilzen

Altes und neues Wissen über Pilze könnte mitentscheidend für die Zukunft der Erde sein.

61 Probiert: Milchersatzschaum Vegane Barista-Milch im Test durch die Redaktion.

Überzeugungstäter

Fairtrade-Unternehmer Oliver Gothe über ein Produkt, Überzeugungen und Möglichkeiten.

75 Küchenvisionärinnen

Kantinenessen wird in Berlin neu gedacht.


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Le se r i n n en m e in u n g

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Wir müssen reden … LeserInnen an und über uns Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten.

Betrifft:

»Auf der Hut vor Alu« in BIORAMA #68 (August/September 2020) »Ich habe Ihr Magazin immer gerne gelesen und es ist gut, dass Sie ein Thema wie »Aluminium« in Angriff nehmen. In dem Artikel im aktuellen Heft habe ich allerdings leider den wichtigsten Punkt, wie Aluminium in unseren Körper gelangt – nämlich gespritzt über Impfungen –, vermisst. Der Artikel spricht Pflanzen und Deos an, wobei die Mengen nicht vergleichbar sind mit der in einer Impfung enthaltenen Aluminiumdosis. Ich weiß, es ist ein »heißes Thema«, aber denken Sie nicht, dass zumindest der Vollständigkeit halber dieser Aspekt miteinfließen müsste? Wenn Sie nicht beabsichtigen, vollständig zu berichten, dann sollten solche Themen überhaupt nicht aufgegriffen werden. Es ist enttäuschend, dass in einem Magazin wie diesem vorgegeben wird, man würde sich mit Themen vollständig und kritisch auseinandersetzen, und dann ein Aspekt wie dieser »unter den Tisch« gekehrt wird. Gaukeln Sie nicht dem Leser vor, Sie würden sich kritisch mit Dingen auseinandersetzen, wenn dann journalistische Vorgehensweise und Mut außen vor bleiben.« Mit freundlichem Gruß,

len Arbeitsbedingungen im Abbau des Metalls. Und der einzige Grund hierfür sind begrenzte Ressourcen und begrenzter Platz in unserem Magazin. Wir behandeln lieber einen Aspekt ein bisschen genauer, als möglichst viele Facetten einer Frage oberflächlich zu streifen. Wir sind also nicht nur als Menschen, sondern auch als Magazin zur Unvollständigkeit verdammt und versuchen uns damit zu arrangieren, indem wir uns bemühen, gewissenhaft auszuwählen, welche Inhalte wann Platz und Aufmerksamkeit bekommen. Es sei Ihnen versichert, dass es uns keinen Mut abringt, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Impfungen zu thematisieren. Auch und eben vielleicht besser ein bisschen ausführlicher. Wir besprechen derzeit, ob das in einer unserer nächsten Ausgaben möglich ist. Dringender nur noch scheint derzeit die Beschäftigung mit einer Kultur der gefühlten Wahrheiten, irrationalen Ängste und haltlosen Unterstellungen in Richtung Medien. Hier schreit es nach einer Berichterstattung zu den gefährlichen Nebenwirkungen.

– Simone Carrier, per Mail

Betrifft:

Danke für Ihr Schreiben! Wir müssen Sie leider schon wieder enttäuschen, wir widmen uns in diesem Heft nämlich schon wieder einem Aluminium-Thema – und wieder sind es nicht die Impfungen. Auch nicht den ökologisch äußerst problematischen Dimensionen des Abbaus und der Aluminiumschmelze oder den oft katastropha-

in biorama Wien–Berlin

Die Hauptstädteausgabe »Vielen Dank für das spannende Heft! Sehr inspirierende Beiträge. Gerade die städteplanerischen Projekte in Wien machen sicherlich nicht


nur BerlinerInnen neugierig – als Wahlstuttgarter bekomme ich da ganz feuchte Augen. Toll sind natürlich auch die Innovationen aus der deutschen Hauptstadt. Leider auch schon oft gehört und bekannt – nicht zuletzt der Prinzessinnengarten. Mir ist durchaus bewusst, dass ein solches Heft nicht um solche Leuchtturmprojekte herumkommt, aber jetzt würde ich mir wünschen, dass ihr für das nächste Heft aufs platte Land fahrt und uns die InnovationstreiberInnen dort vorstellen.« – Till Deininger, per Mail

Lieber Till! Danke vielmals für den Leserbrief und den Input. Das Sonderheft Wien-Berlin war für uns ein Erstversuch und ein neuer Ansatz, der glücklicherweise aufgegangen ist. Wir haben gesehen, dass es in beiden Städten sehr viel gibt, über das wir gerne schreiben und berichten würden, dass es genug PartnerInnen gibt, die unser Magazin auflegen und verteilen, und – ebenso wichtig – genügend Unternehmen und Organisationen, die im Heft gerne werben, weil sie erkennen, dass es eine Zielgruppe gibt, die genau so ein Heft gerne liest. Wir sind uns sehr bewusst, dass auch außerhalb der großen Städte viel Innovation passiert, die engagiert vorangetrieben wird. Wir bemühen uns seit 20 Jahren um Berichterstattung von den Gegenden außerhalb der Wasserköpfe und finden natürlich immer viel mehr, als wir in unseren sechs Mal jährlich erscheinenden Ausgaben von biorama berichten können. Für Input und Hinweise sind wir aber immer dankbar. Wir haben noch viel vor und wollen noch über so vieles berichten.

Bitte mehr davon an redaktion@biorama.eu!

Alles für den positiven Unterschied. Für dich, dein Haustier und unseren Planeten. yarrah

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Bi l d d e r Au sga be


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Parasole

Bild: Marek Ujčík

Zigtausende Pilzarten gibt es auf der Welt, nur 71 davon sind bioluminiszent. Warum sie im Dunkeln leuchten, darüber wird noch gerätselt – doch sie können ihr Leuchten steuern und es einem Tag-Nacht-Rhythmus anpassen. Eine davon, Macrolepiota procera, hat – in zweifacher Ausführung – der tschechische Fotograf Marek Ujčik mit Leidenschaft für Makrofotografie eingefangen und unter dem Titel »All night together« beim Fotowettbewerb »Rediscover Nature« der Europäischen Umweltagentur eingereicht. Und zwar nicht gewonnen, es aber unter 2800 Einreichungen auf die Shortlist geschafft. Mehr davon auf eea.europa.eu/competitions. Irina Zelewitz


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Street Talk Leipzig WIR FRAGEN, 12 KAUFKRÄFTIGE ANTWORTEN.

» Woran erkennt man ein gutes Produkt?« interview und Bild Leonie Stieber

Benjamin,

Jessica,

Karolin,

35, tätig in der Automobilbranche »Ein gutes Produkt erkennt man am Aussehen und durch Empfehlungen. Ich achte darauf, ob ich es schon mal in der Werbung gesehen habe, die Werbung ist wichtig. Wenn ich es dort ansprechend finde, gehe ich in den Laden und schaue, ob ich es ausprobieren – bei Klamotten zum Beispiel anprobieren – kann. Dann schaue ich auf das Material, ich mag lieber Baumwolle als Polyester.«

33, Journalistin »Da bin ich die falsche Ansprechpartnerin, ich verhalte mich moralisch nicht einwandfrei. Mir geht es beim Einkaufen darum, dass mir etwas gefällt. Das hat für mich Vorrang. Wenn mich das Design und die Machart überzeugen, muss ich zugeben, schaue ich nicht immer auf die ethischen und nachhaltigen Komponenten. Erst danach schaue ich auf Nachhaltigkeit und die Herstellungsweise. Ich denke, es gibt sehr wenige Produkte, die tatsächlich allen meinen Ansprüchen gerecht werden. Bei Nahrungsmitteln reicht es mir nicht, wenn nur draufsteht »ohne Gentechnik«. Das ist schon ein bisschen billig, da wünsche ich mir mehr. Genauso, wie es mir bei Kleidung auch nicht ausreicht, wenn sie nur aus Biobaumwolle statt aus herkömmlicher Baumwolle gefertigt ist, da muss vielleicht auch noch mehr kommen. Aber es ist nicht verbraucherInnenfreundlich geregelt, finde ich. Es gibt zu viele Angaben, von denen man nicht weiß, wie man sie einordnen soll.«

21, Student »Mir ist tatsächlich die Verpackung relativ wichtig, dass sie hochwertig aussieht. Welche Materialien ich dabei am besten finde, ist schwer zu sagen. Eigentlich Holz, aber das gibt es nur selten. Bei tierischen Produkten ist mir eine gute Haltungsform wichtig. Bei Obst und Gemüse, wie es halt aussieht. Auf Bio achte ich nur manchmal. Oftmals erkennt man auch am Preis, ob ein Produkt gut ist, aber das ist ja als Student auch immer so eine Sache.«

René,

48, Erzieher »Ein gutes Produkt erkennt man am Preis. Außerdem ach-


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ein benutzerfreundliches Design wichtig. Was ich nicht mag, sind unnötige Materialmixe. Ich würde zum Beispiel einen Gemüseschäler aus Edelstahl einem aus Plastik und nur mit einer Edelstahlklinge vorziehen, weil dieser länger hält.«

te ich auch auf Marken, da bin ich schwer eingefahren. Ich vertraue den Marken, die ich kenne. Bei Lebensmitteln achte ich auf Qualität, zum Beispiel kaufe ich Bioprodukte. Da achte ich auf die Siegel und, wenn möglich, darauf, dass es nicht verpackt ist.«

Erna,

Elena,

30, Reha-PsychologieStudentin (Master) »An Empfehlungen und an der Qualität der Materialien. Dabei ist mir wichtig, dass das Produkt möglichst wenig Müll produziert und idealerweise schon aus recycelten Sachen besteht und so möglichst wenig Ressourcen verschwendet wurden. Gerade bei Technikprodukten ist mir auch die Herstellung wichtig. Diese versuche ich dann so lange wie möglich zu nutzen – und wenn ich sie erneuern muss, suche ich nach etwas Gebrauchtem. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an. Bei tierischen Produkten versuche ich immer, die beste Qualität zu kaufen. Da gehe ich dann schon immer in den Bioladen und achte auf das Bio- oder Demeter-Siegel, je frischer, umso besser.«

81, Seniorin »Das gute Produkt erkennt man daran, dass es frisch ist. Die Verpackung ist mir gar nicht wichtig. Es könnte mehr lose verpackt sein, aber dann fasst das immer jeder an, das ist auch nicht richtig. Ich sehe das ständig, die Menschen fassen Dinge an und legen sie wieder hin. Durch die Verpackung ist es halt geschützt … das hat ein Für und Wider. Linsen, Bohnen und Erbsen könnte man in Säcken lagern und dann einfach in eine Papiertüte füllen, oder in Wiederverwendbares, das wäre günstig.«

Frida,

23, Studentin »Bei Dingen, die ich öfter benutze, sind mir die Langlebigkeit und

Andrea,

28, Laborantin »Ich schaue auf bestimmte Siegel, vor allem bei Kleidung, zum Beispiel das Oekotex-Siegel. Ich achte auch darauf, dass in Deutschland hergestellt wurde. Vor allem für mein Kind – bei mir versuche ich es langsam auch umzusetzen. Fleisch zum Beispiel kaufen wir jetzt gar nicht mehr im Großbetrieb, sondern bei Händlern, von denen wir wissen, die schlachten auch selber. Ansonsten versuchen wir unseren Wocheneinkauf an Obst und Gemüse regional auf dem Markt zu tätigen. Oder auch im Dorf bei Händlern direkt. Ansonsten unterstützen wir z. B. Aktionen wie bei Rewe ›aus der Region‹.«


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» Woran erkennt man ein gutes Produkt?«

Uta,

Vivien,

18, Ausbildung zur Immobilienkauffrau »Mir ist generell wichtig, dass Produkte eine gute Qualität haben. Und auch, dass sie aus der Region und nicht zum Beispiel aus Asien kommen und von Kindern hergestellt wurden. In Klamotten steht ja drin, wo etwas hergestellt wurde. Wenn da dann zum Beispiel Bangladesch steht, kann man davon ausgehen, dass es nicht unter guten Bedingungen produziert wird. Wenn mir dann etwas wirklich gut gefällt, würde ich es aber trotzdem kaufen.«

77, Seniorin »Eigentlich erkennt man es gar nicht. Na ja, eigentlich sieht man das oftmals am Preis. Wenn etwas teurer ist, denke ich, dass es auch besser hergestellt ist. Außerdem ist mir wichtig, dass Produkte gut aussehen. Das ist aber heute sehr schwer, weil die Produkte oftmals auf den ersten Blick gut wirken – aber nur, weil sie gefärbt sind oder Aroma beigefügt wurde. Wenn bei einem tierischen Lebensmittel etwa die Tierhaltung nicht gut ist, dann kaufe ich das nicht – aber eben nur dann nicht, wenn ich es weiß. Genauso bei Klamotten, wenn die Menschen für drei Cent die Stunde an der Nähmaschine sitzen, das sollte man dann nicht kaufen. Auf Siegel achte ich nicht so oft. Ich finde, da kann man sich nicht drauf verlassen. Manche Dinge kommen ja auch über Umwege in die Läden. Da steht dann drauf, es sei aus Deutschland, dabei ist es das gar nicht, sondern kommt aus anderen Ländern und es wird nur ausgeschildert, als käme es von hier.«

Nathan,

30, Repetitor/Pianist und Dirigent »Ich schaue, ob ein Produkt hochwertig produziert wurde. Mir ist wichtig, dass es nicht nach ein paar Nutzungen schon kaputtgeht. Ich versuche auch bewusst einzukaufen. Ich will nicht, dass es Menschen auf der anderen Seite der Welt durch mein Konsumverhalten schlecht geht. Aber ich mache auch Ausnahmen. Ich finde, wenn man etwas wirklich gerne haben möchte, ist das auch in Ordnung. Wenn ich unbedingt mal eine eingeflogene Avocado essen möchte, kaufe ich sie auch, aber mit dem Wissen, dass es nicht natürlich und selbstverständlich ist.«


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Global Village

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Carlo,

Deutschland:

Kenne deine FuSSabdruckgröSSe! Das deutsche Umweltbundesamt hat seinen CO2-Rechner aktualisiert – und damit einige bisher wenig beachtete Emissionsquellen ins Rampenlicht gerückt.

B ild pixabay/c olin behrens

Fundraiser beim wwf »Ich versuche, Großkonzerne wie Nestlé und Unilever zu vermeiden. Und am besten finde ich Produkte ohne Verpackung. Wobei Verpackungen manchmal auch täuschen. Als ich mal eine Zeit lang vegan war, habe ich immer ein bestimmtes veganes Sojahack gekauft, bis ich dann herausgefunden habe, dass es sich um eine Marke von Unilever handelt. Das war gemein, weil die Verpackung suggeriert hat, dass es umweltfreundlich ist, aber das war es in meinen Augen dann gar nicht. Das gleiche Problem gibt es mit Produkten, auf denen steht »in Deutschland hergestellt«, und dann kommen die Zutaten eigentlich aus Argentinien und wurden nur in Deutschland zusammengemixt. Das ist für mich Etikettenschwindel.« Bei Klamotten ist es überhaupt total intransparent, da muss man vorher schon wissen, was man kaufen kann. Mammut zum Beispiel hat jetzt ihre eigene Produktionsfabrik und bestimmt so ihre Arbeitsbedingungen. Patagonia ist auch eine coole Marke. Die produzieren nachhaltig in Nicaragua. Aber ich kaufe nicht nur nachhaltige Mode. Manchmal gehe ich auch in den Laden und kaufe Socken.«

Seit der ersten Generation von CO2-Rechnern hat sich was getan. Mit dem aktualisierten Rechner des deutschen Umweltbundesamts kann sich jedeR mit einigen Klicks schon recht akkurat der eigenen CO2-Bilanz annähern – berücksichtigte Faktoren, Einstellungsmöglichkeiten und Datenbasis wurden umfassend erweitert: Die Kategorie »Mein Wohnen« berücksichtigt nun auch die durch Bau und Sanierung von Gebäuden anfallenden Emissionen, im Bereich Mobilität wird nicht mehr nur die Nutzung des Fahrzeugs berechnet, sondern auch Herstellung und Reparatur. Hoch hinaus geht es mit dem aktualisierten Flugrechner, künftig werden auch Kreuzfahrten berücksichtigt. Denn diese werden immer beliebter, die Zahl der deutschen Kreuzfahrtreisenden steigt jährlich – 2019 waren es über drei Millionen. Nicht zu vergessen: Auch durch Haustiere anfallende Emissionen können nun berechnet werden – vom Kaninchen bis zum Pferd. Die eigenen Werte werden mit denen des/der Durchschnittsdeutschen verglichen. Die Extraoption »CO2-Szenario« gibt mit zusätzlichen Fragen zur persönlichen Einstellung und zu Zukunftsplänen Auskunft, ob und wie sich die persönliche CO2-Bilanz kurzfristig und bis 2050 verändern wird. »Keine Zeit« ist ebenfalls keine Ausrede mehr, der CO2-Schnellcheck berechnet mit nur elf Angaben eine grob geschätzte persönliche Bilanz. Leonie Stieber

uba.co2-rechner.de


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Frescobaldis Hefenbrüder


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Die Gefängnisinsel Gorgona an der toskanischen Küste ist die letzte Insel ihrer Art. 50 Gefangene sitzen dort die letzten Monate ihrer Strafe ab und arbeiten dabei in der Landwirtschaft. In den Olivenhainen, bei den Schafen, den Schweinen oder im Weingarten. Text und bild Jürgen Schmücking

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ie meisten Gefängnisinseln sind heute bestenfalls Museen. TouristInnenattraktionen, die einen Hauch Abenteuer und Todesverachtung versprechen. Eine Führung durch Alcatraz unterscheidet sich kaum von einer Tour in Sea World oder Disneyland. Was bleibt, sind die Namen und die Geschichten. Große Geschichten und große Schicksale. Von Al Capone und dem besagten Alcatraz vor San Francisco. Oder von Nelson Mandela auf Robben Island oder von Alfred Dreyfus, den man – unschuldig – ein paar Jahre auf der Île du Diable vor Französisch-Guayana versauern ließ. Gorgona hat natürlich auch seine Geschichten. Einige handeln von Ausbrüchen oder Ausbruchsversuchen, andere von einer besseren Zukunft. Gorgona ist die letzte Gefängnisinsel Europas. Die Häftlinge sitzen dort die letzten paar Jahre oder Monate ihrer Strafe ab. Und das sind in der Regel saftige Strafen. Wegen eines Ladendiebstahls oder Steuerhinterziehung kommt niemand nach Gorgona. Wer hier sitzt, hat schon Kapitaleres am Kerbholz. Schwerer Raub, Körperverletzung, Totschlag. Eher diese Richtung. Vom Inselglück von vornherein ausgeschlossen sind Sexualstraftäter, Mitglieder des organisierten Verbrechens (aka Mafia) und Kämpfer der Roten Brigaden. Um die letzte Zeit der Haft auf die Insel zu dürfen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Gute


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Rund 3000 Flaschen Gorgona werden jährlich abgefüllt, bei ausgesuchten Händlern und Lokalen der Toskana erhältlich.

Führung in den Jahren davor, handwerkliches Geschick, landwirtschaftliche Erfahrung und vor allem »Resozialisierungspotenzial«. Wer nach Gorgona verlegt wird, kann (und muss) anpacken. Die Häftlinge leben hier im offenen Vollzug. Teilweise. Die Fenster sind jedenfalls nicht vergittert, und zwischen dem Gefängnis und den Weinbergen oder Ställen können sich die Insassen frei bewegen. Nur an den Strand zum Baden, das ist ihnen strengstens verboten. Das dürfen nur die Polizisten der Gefängniswache und die GorgonerInnen, die schon immer in dem kleinen Fischerdorf am Hafen der Insel leben.

Der Wein des Grafen 2012 hoben Marchese Lamberto Frescobaldi, ein tief in der Toskana verwurzelter Weinunternehmer, und Carlo Mazzerbo, der Gefängnisdirektor von Gorgona, ein soziales Projekt aus der Taufe. Auf etwas mehr als zwei Hektar wird seither ökologischer Weinbau betrieben. Die Reben sind in einem amphitheaterförmigen Kessel gepflanzt, die Rebsorten für den Weißwein heißen Vermentino und Ansonica. Vermentino ist eine uritalienische Rebsorte, die für hocharomatische und frisch-fruchtige Weine bekannt ist, Ansonica eine regionale,

Rage against the machine: nur Handarbeit im Bioweingarten.

Stolzer Adel: Marchese Frescobaldi und sein Inselwein.


17 eher seltene Sorte, die an der Küste der Toskana beheimatet ist. Die Brise, die vom Meer her durch den Weinberg weht, sorgt für eine gute Durchlüftung der Laubwand und damit auch für ideale Bedingungen für die biologische Bewirtschaftung. Mittlerweile wurden auch rote Rebsorten ausgepflanzt. Sangiovese, wie es sich für die Toskana (Chianti, Brunello) gehört, und Vermentino Nero. Allerdings noch in so geringen Mengen, dass die Weine vorerst noch in Terracotta-Vasen ausgebaut werden und am Markt noch nicht verfügbar sind. Anders der Weißwein der Insel. Er wird unter dem Namen Gorgona vermarktet. Auch die Menge dieses Weins ist überschaubar. Die Kellerei der Insel ist eine Garagenkelterei im wahren Wortsinn. Die Fässer stehen dort, wo früher die landwirtschaftlichen Geräte standen. Mehr als 20 sind es nicht. Abgefüllt sind das etwa 3000 Flaschen. Folglich auch nur in ausgesuchten Restaurants und Osterias der Toskana erhältlich. Und bei Händlern, die mit den Frescobaldis freundschaftlich eng verbunden sind. Es zahlt sich allerdings aus, nach dem Wein zu suchen. Oder zumindest zuzuschlagen, wenn man ihn auf einer Karte oder in einer Vinothek entdeckt. Der aktuelle Jahrgang (2019) ist attraktiv und wild gleichermaßen. In kräftigem Strohgelb mit goldenen Reflexen strahlt er aus dem Glas. In der Nase zwar markant und breitschultrig, dabei aber niemals aufdringlich. Nach einer ersten Fruchtschwade im Aroma sinnliche und verführerische Kräuter der Insel. Überhaupt ist das ein Duft, dem man auf der Insel immer wieder begegnet. Rosmarin, Thymian und Currykraut. Dann hat der Wein noch eine erstaunlich frische und mineralische Note. Beim ersten Schluck offenbart er das geologische Vermächtnis der Insel. Sie ist ein Vulkankegel. Ein Umstand, der sich im Wein widerspiegelt und ihm eine gewisse Spannung verleiht. Die Häftlinge, die im Frescobaldi-Projekt mitarbeiten dürfen, profitieren mehrfach dabei. Einerseits bezahlt der Markgraf den Sträflingen zehn Euro pro Stunde. Das entspricht dem in Italien üblichen Lohnniveau im Weinbau und ist auch deutlich mehr, als die KollegInnen im Rest der Insel-Landwirtschaft verdienen. Außerdem werden sie laufend von Fresco-

Kein Corona auf Gorgona: Maskenpflicht im Weinberg.


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Die Reben stets im Blick. Aber auch die Zukunft, die Freiheit.

baldi-MitarbeiterInnen unterstützt. Die etwa anderthalbstündige Fährfahrt zwischen der Hafenstadt Livorno und der Häfeninsel Gorgona ist auch eine Art Berufspendelstrecke für Frescobaldis Önologen und Kellermeister. Die Insassen erlernen dabei die Grundzüge der Arbeit im Weingarten und der Kellerwirtschaft. 20 Männer, die während ihrer Zeit auf Gorgona am Weinprojekt mitgearbeitet haben, hat Lamberto Frescobaldi bereits in seinem Weinimperium aufgenommen. Sie arbeiten jetzt in den Weingütern Tenuta Perano oder Castelgiocondo und machen entweder hervorragenden Chianti oder exklusiven Brunello di Montalcino. Auch der Gefängnisdirektor freut sich über die Zusammenarbeit. Erstens läuft es im Gefängnis harmonischer und ruhiger ab, seit Wein hergestellt wird, und zweitens liegt die Rückfallquote mit 20 bis 30 Prozent deutlich unter dem Schnitt anderer Haftanstalten. Ein Modellprojekt? Auf diese Frage reagieren alle Beteiligten mit Zurückhaltung. Immerhin ist der Vollzug auf Gorgona ein Prestige- und Luxusprojekt für die italienische Regierung. Die Kosten für Bewachung und Infrastruktur sind enorm. Und können durch den Verkauf des Gorgona-Weins nicht einmal ansatzweine hereingespielt werden.

Auf Gorgona leben drei Gruppen von Menschen. Erstens: die Häftlinge. Das sind im Moment etwa 50 Männer im Alter von 30 bis etwa 50 Jahren. Dazu kommen – zweitens – etwa 30 Beamte der Polizia Penitenziaria, die hier Dienst versehen und mit staubigen Geländewägen zwischen Hafen, Gefängnis und der Landwirtschaft pendeln. Und schließlich die GorgonerInnen selbst. Knapp 40 Menschen, die schon immer hier auf der Vermutlich die einzigen Kellereimitarbeiter der Welt, Insel leben. Die meisten die selbst nicht kosten dürfen. von ihnen verbringen nur den Sommer auf Gorgona. Sie suchen die Ruhe, das Abgeschiedensein. Nur ganz wenige leben das ganze Jahr über auf der Insel. Maria, die Fischerin, ist hier geboren. Bei der Frage, wie es sei, mit so vielen männlichen Strafgefangenen Tür an Tür zu leben, muss sie lachen. Die Frage hat sie schon oft gehört. Verstanden hat sie sie nie. Maria kennt


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Kühle Strahlkraft. Sensorisch gesehen ist der Wein von Gorgona ein Juwel

es nicht anders. Ob sie manchmal das Gefühl habe, in Gefahr zu sein? Sie schüttelt den Kopf. Gefahr kommt höchstens vom Meer. Was von ihrem Fang nicht auf der Insel verwendet wird, verkauft sie am Markt in Livorno. Sie freut sich. Mit der Fähre, mit der ihre Fische ans Festland transportiert werden, kommen heute auch

Das Dorf, der Hafen und ein Stück Strand für die InsulanerInnen.

ihre Töchter. Ob sie nicht auch manchmal den Drang verspüre, von hier fortzuwollen? Ihr Blick schweift über das Dorf. Bleibt am Meer hängen. Maria schüttelt nur unmerklich den Kopf. Sie versteht auch diese Frage nicht. Eine andere Frage, nämlich die, ob es schon einmal jemandem gelungen ist, von Gorgona zu fliehen, beantwortet der Kommandant der Polizia Penitenziaria eher zurückhaltend. Einmal habe einer ein Boot gestohlen und es bis zum Hafen in Livorno geschafft. Das einzige Boot, das für so ein Abenteuer allerdings infrage kommt, ist das der Gefängniswache. Womit die Flucht recht schnell wieder zu Ende war. Dann gab es noch einen ehemaligen Fremdenlegionär, der sich im Motorraum der Sapore di Sale, der Fähre, versteckt hat. Auch er hat es bis ans Festland geschafft. Allerdings nur bis dorthin und nicht weiter. Einem ist – vor längerer Zeit – die Flucht dennoch gelungen. Wie er das geschafft hat, darüber gehen die Erzählungen auseinander. Gesichert scheint indes, dass er sich Gorgona irgendwie doch verbunden fühlte. Er schrieb seinen Zellengenossen und der Gefängniswache eine Postkarte von – wo immer er eben gerade ist.


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De r pe r f e kte Ro h sto f f ?

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Fungutopia: Wie Pilze die Welt retten könnten Text Luca Gasser

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ie sind die ersten, ältesten, größten, widerstandsfähigsten und artenreichsten Lebewesen unseres Planeten. Sie sind uns genetisch näher als Pflanzen. Sie wirken im Verborgenen und wissen, dass wir hier sind. Sie spüren unsere Schritte, atmen und verdauen. Pilze bilden ein fantastisches, mysteriöses Reich, direkt unter unseren Füßen.

Initiation Am Anfang von Projekten, die sich mit Pilzen beschäftigen, steht oft Paul Stamets. Der autodidaktische amerikanische Mykologe (Pilzfor-

scher) ist Bestsellerautor mehrerer Bücher, ein Guru der PilzfanatikerInnen und Inspiration für viele, sich mit möglichen Verwendungsbereichen von Pilzen zu beschäftigen. In dem von ihm herausgegebenen Sammelwerk und dem begleitenden Dokumentarfilm »Fantastic Fungi« von 2019 beschreiben er und andere MykologInnen die Wunderwelt der Pilze. Und die lautet in etwa so: Vor circa 1,2 Milliarden Jahren haben Pilze als erste komplexere Lebewesen Land »betreten«. Die Pilze machten aus dem toten einen bewohnbaren Planeten. Die Landschaft war dominiert von riesigen baumartigen Pilzen. Durch

Bild Anna Fi chtne r

Altes und neues Wissen über Pilze könnte mitentscheidend für die Zukunft der Erde sein.


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ihre Vorarbeit wurde es Pflanzen und Tieren möglich, an Land zu leben. Das bedeutet, dass Pilze alle bisherigen Artensterben überlebt haben. Sogar den Asteroideneinschlag, der vermutlich das Ende der Dinosaurier war. Pilze können also stark zerstörte Natur wiederaufbereiten und neues Leben ermöglichen. Das derzeitige »6X«, das sechste Aussterben, könnten Pilze also zum Teil abwenden.

Weltweite Pilzköpfe Diese Geschichte gibt auch Mark Stüttler wieder. Er ist ebenfalls Mykologe, Gründer und ceo

von Tyroler Glückspilze und des Mushroom Research Center Austria (mrca) in Innsbruck. Das mrca betreibt Grundlagenforschung, die »Glückspilze« vertreiben Speise- und Heilpilze. Stüttler ist ein aufgeweckter, leidenschaftlicher Idealist, Fürsprecher der Pilze und Weltretter. Er spricht ohne Punkt und Komma von den Superkräften der Pilze. Sein Bruder Manuel studierte an der Wiener Universität für Bodenkultur (boku) im Fach Biotechnologie, lernte dann bei Paul Stamets. Mark Stüttler forschte in Holland und Frankreich, wo der Pilz tiefer in der Kultur verwurzelt ist.


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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Weil wir gemeinsam das Beste aus uns herausholen. Der NPO-Fonds unterstützt gemeinnützige Organisationen. Unsere Gesellschaft braucht dieses Engagement.

Foto: © Lieve Boussauw / Jeunesse – Musikalische Jugend Österreichs

Mit dem NPO-Fonds konnten bisher bereits rund 15.000 Vereine und Organisationen aus den Bereichen Sport, Kunst und Kultur, Umweltschutz oder Soziales in der Corona-Krise unterstützt werden.

Sichern auch Sie sich Hilfe für Ihren Verein: Anträge für die Monate April – Sept. 2020 nur bis 31. Dezember 2020 Anträge für die Monate Okt. – Dez. 2020 ab Anfang Jänner 2021 Alle Informationen dazu auf www.npo-fonds.at

1.000 Tipps aus dem Leben

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Das Führungsteam der »Tiroler Biopilze« zwischen den Stockbeeten in der Zuchthalle: Laura Kerger (Marketing und Kommunikation), Cornelia Plank (Geschäftsführerin) und Johannes Auer (Zucht) (v. l.).

Der Champignon (franz. für Pilz) heißt in Frankreich »Champignon de Paris«, weil er anfangs in den Kellern unter Paris angebaut wurde. Das weltweit eingeholte Wissen brachten die Brüder dann nach Tirol. Dabei war es ihnen wichtig, einen Überblick über die vielen Dimensionen der Pilze zu haben, nicht nur ein »Pilzsackl« aufzustellen. Seitdem verteilen sie ihr Wissen wie Pilze ihre Sporen und stecken immer mehr Menschen mit ihrer Faszination für Pilze an. Mittels Vorträgen, Workshops, Büchern oder über Kunst. Auf der Erde gibt es circa 1,5 bis 2 Millionen Pilzarten, weniger als fünf Prozent davon sind beschrieben. 2000 Arten sind genießbar, 700 enthalten pharmazeutische Wirkstoffe. »Wenn wir gleich langsam wie bisher weiterforschen, brauchen wir 2000 Jahre, bis alle Pilze identifiziert sind und ihr Nutzen erforscht wurde.«

Pilzbasierte Weltrettung Pilze bieten Lösungen zu den drängendsten Problemen unserer Zeit.

Bild Anna Fi chtne r, MRCA

1. Umweltverschmutzung Pilze sind die Recycler der Erde und Meister der Biochemie. Sie machen aus Giftstoffen wieder lebenswichtige Stoffe. Der Reaktor in Tschernobyl war nach der Kernschmelze innen von Pilzen besiedelt, die sich von atomarer Strahlung ernährten. Der Austernpilz frisst auch Plastik,

Anwendungen zur Bereinigung der Meere von Mikroplastik werden erforscht.

2. Klimakrise Der Amazonas und andere Regenwälder werden oft als »Lunge des Planeten« bezeichnet. Doch so wichtig die Pflanzen für die Reinigung der Luft sind, Pilze sind wichtiger. 70% des CO2 speichern die Mykorrhizapilze in ihren Myzelien und lagern es langfristig im Boden ein, wo es keine schädliche Wirkung mehr hat. Ohne die Pilze könnten die Wälder lange nicht unsere Atemluft und das Klima erhalten.

3. Ressourcenknappheit Uns gehen die Ressourcen aus. Das betrifft nicht nur fossile Brennstoffe, deren Versiegen ein Wohl für den Planeten wäre. Auch Phosphor wird knapp. Alle Lebewesen brauchen dieses Element. Ohne Phosphor keine Nahrung. Derzeit wird das Phosphor für die Düngung von Futterpflanzen verbraucht. Mykorrhizapilze helfen Pflanzen bei der Aufnahme und minimieren den Phosphorverbrauch.

4. Welthunger Pilze sind extrem nährstoff- und ertragreich. Ein Kilogramm Biochampignons hat z. B. um ein Drittel mehr Eiweiß als ein Kilogramm Biorinderhüftsteak und braucht nur acht Liter Wasser zum Wachsen, Rindfleisch dagegen 15.000. Auf

Ursula Peintner Die Mikrobiologin lehrt und forscht an der Universität Innsbruck, einem »Hotspot für mykologische Forschung« zur Mykorrhiza und BodenPilzgesellschaften.


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26 einem Hektar wachsen im Jahr 800 Tonnen Pilze, aber nur 1,67 Tonnen Schweinefleisch. Pilze wachsen auf Substraten aus Pflanzenabfällen und Viehmist. Dieses wandeln sie wieder zu Pflanzendünger um. So entsteht ein Kreislauf, der in jedem Stadium Nahrung abwirft. Mit einer Pilz-Pflanzen-Kreislauflandwirtschaft ließe sich locker die gesamte Menschheit ernähren.

5. Immunsystem Viele Pilze haben eine immunstärkende Wirkung, die in vielen Studien nachgewiesen wurde. Der Apothekerporling z. B. ist hochaktiv gegen das Pockenvirus und das Grippevirus. Paul Stamets plädiert deshalb dafür, Wälder, in denen der Agarikon wächst, im Rahmen der Landesverteidigung zu schützen.

6. Brainfood Psychedelische Pilze werden wieder zunehmend erforscht. In den 1950ern und 60ern erschienen mehrere psychiatrische Studien in den USA. Diese wurden aber im Zuge des »War on Drugs« verboten. Seit 2006 kam es zu einer Wiederentdeckung und einigen gesetzlichen Lockerungen. Psilocybin – der Wirkstoff in Magic Mushrooms – erzielte vielversprechende Ergebnisse bei der Therapie von Sucht und Depressionen. Aber auch bei gesunden Menschen stoßen die Zauberpilze auf vermehrtes Interesse –

als Quelle für Inspiration und transzendentale Erfahrung.

Aufgemischte Pilzwissenschaft »Die Wissenschaft« habe lange Zeit das vielfältige Potenzial der Pilze ignoriert und sich zu sehr auf Hefepilze und Schimmelpilze fokussiert, so Stüttlers Vorwurf. Dem widerspricht Ursula Peintner, Mikrobiologin an der Universität Innsbruck, nur eingeschränkt: »Es stimmt schon, dass z. B. der Hefepilz ein Modellorganismus ist. Aber diese Modellorganismen sind natürlich auch wichtig, um die molekularen Stoffwechselmechanismen und ihre Wirkungsweise zu verstehen.« MykologInnen wie Paul Stamets und Mark Stüttler propagieren einen praktischeren Zugang. Sie wollen das volle Potenzial der Pilze ausschöpfen und in verschiedensten Bereichen anwenden. Stüttlers Vorschläge zur pilzbasierten Weltrettung hat auch Ursula Peintner als möglich bestätigt. So werden Pilze als biologisches Ersatzmaterial verwendet. Es gibt Taschen aus Pilzleder, Plastikersatz aus Pilzen, sogar betonharten Baustoff aus Austernpilzen. Ursula Peintner: »Das Problem mit unserer Bauordnung ist wahrscheinlich, zu garantieren, dass das Material nicht von Insekten befallen wird. Pilze sind biologisch abbaubar. Aber ich weiß, dass das auf den Philippinen und in anderen Ländern schon eingesetzt wird.«

Bio-Reishi auf Baumstamm.


Der begeisterte Mykologe Mark Stüttler von den »Tyroler Glückspilzen» sieht in den Pilzen großes Potenzial. Sie seien die Antwort auf die Frage »Wie schließe ich die Kreisläufe der Natur?«

Neben diesen relativ neuen Anwendungen erfüllen Pilze schon jetzt im Verborgenen viele unerlässliche Aufgaben für unser Leben. »Bei uns im Alpenraum ist die Mykorrhiza ganz wichtig, um die Bodenstabilität aufrechtzuerhalten.« Anders gesagt sorgen Pilze dafür, dass uns die Berge nicht auf den Kopf fallen: Erosionsschutz. Das von den Pilzen abgesonderte Glomalin wirkt zusätzlich zu den dünnen, kilometerlangen Myzelien (Pilzwurzeln) als Bodenkleber. Zudem wären wir schon längst unter Bergen an organischem Abfall erstickt, würde der nicht von Pilzen abgebaut.

Bild MRCA

Praktische Pilze Dass Pilze nicht nur abbauen, sondern auch aufbauen können, hat Cornelia Plank erkannt und genutzt. Sie hat 2014 ihr Unternehmen Tiroler BioPilze gegründet. Als Marktführer für Biopilze in Österreich produzieren sie und circa 40 Angestellte zwischen 15 und 18 Tonnen pro Woche. Neben Champignons auch Austernpilze, Kräuterseitlinge und Shiitakepilze. Wenige Kilometer östlich von Innsbruck liegen die zwei Produktionshallen, eine dritte entsteht gerade. Dass hier Pilze für ganz Österreich wachsen, sieht man der Halle nicht an. Denn Pilze brauchen im Vergleich zu Pflanzen viel weniger Fläche, Wasser und Licht, um zu sprießen. Das Unternehmen Biopilze spart zusätzlich Fläche durch Vertical Farming. Die braunen Champignons wachsen übereinander auf fünfstöckigen Pilzbeeten. Johannes Auer klettert täglich auf die Gerüste, um die Entwicklung der Pilze mit einer Taschenlampe zu kontrollieren. Er ist für die Zucht ver-


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28 nen und Bauern eigenes Substrat aus Kompost herzustellen. Eine solche Kreislaufwirtschaft wünscht man sich auch bei »Biopilze«.

Die Pilzperspektive Bei allen wundersamen Kräften der Pilze bleibt doch Zweifel, ob die Weltrettung klappt. Die Pilze haben in uns Menschen derzeit einen mächtigen Gegenspieler. »Ich glaube, es ist eines unserer Probleme, dass wir immer nur eine Seite der Medaille sehen«, sagt Ursula Peintner. Der Pilz ist entweder Schädling oder Nahrung, je nach Perspektive und Situation. Wer ein Haus baut, will, dass das Haus für die Wohndauer stehen bleibt, also eben nicht biologisch abbaubar ist. Wenn das Haus abgerissen werden soll, soll es wieder dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden. Die Pilzperspektive ist eine ganzheitliche. In diesem Sinne hilft nicht nur der Pilz, sondern unser Verständnis von ihm und seinen Kreisläufen. Oder, wie Mark Stüttler predigt: »Die Natur hat Kreisläufe geschaffen und keine Daueraufträge.« Erst wenn wir das verstanden haben, können wir Pilze für unsere Zwecke nutzen. Diese sollten nämlich schlussendlich auch die Zwecke des Planeten sein. »No fungi, no future!«

Bild  MRCA, verlag Antje Ku nstmann

Unter dem affirmativen Titel »Verändere dein Bewusstsein« ist 2019 ein breitenverständliches Standardwerk zum Thema Psychedelika des HarvardProfessors Michael Pollan in deutscher Übersetzung erschienen.

antwortlich. Als studierter Landwirt hat er bei »BioPilze« seine Mission gefunden: »Es ist dringend geboten, Landwirtschaft neu zu denken. In Österreich können 90 Prozent der Bäuerinnen und Bauern nicht direkt von der Landwirtschaft leben. Das sind bezahlte LandschaftsgärtnerInnen, die Almen mähen. Das ist nett, aber hat mit wirklicher Versorgung nichts zu tun.« Die Verantwortlichen bei »BioPilze« würden gern die Versorgung von ganz Österreich ausbauen. Der Großteil der in Europa verarbeiteten Speisepilze kommt derzeit noch aus Polen und Holland. Die Verantwortung dafür sieht Auer bei uns. »Die KonsumentInnen haben die Macht, politisch und gesellschaftlich zu wirken, indem sie sich für ein Produkt entscheiden. Das muss zurück in die Köpfe. Und dann sind wir fähig, unser Produkt auszubauen.« Ein nachhaltiges Problem ist das Substrat. Bislang werden Tonnen davon aus Holland und Deutschland per lkw nach Österreich geliefert, damit die Pilze dann in Österreich »regional« wachsen können. Die CO2-Emission ist dabei ähnlich, wie wenn die Pilze selbst aus Holland kämen. Immerhin bringt das Unternehmen das abgeerntete Substrat als biologischen Dünger auf Tiroler Felder. Bei Tyroler Glückspilze ist man gerade damit beschäftigt, mit Bäuerin-


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Ze r o Waste

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Nonplusultra Weil verpackungsfreie Läden seinen Scheuerstein und seinen Pflegebalsam nicht ins Sortiment aufnahmen, entwickelte der Putzmittelhersteller Uni Sapon eine kompostierbare Mehrweg-Transportbox aus Pilzen, die auf Schalen von Sonnenblumenkernen wachsen.

Bild  U ni Sapo n

D

Wie der radikale Ansatz von verpackungsfreien Läden einem Vorarlberger Putzmittelhersteller dabei half, sein fast perfektes Produkt noch einmal zu verbessern.

a ist man dem Zeitgeist um Jahrzehnte voraus, beeindruckend konsequent und plötzlich bringen neue Visionen – von Zero Waste und einer Welt ganz ohne Abfall – den mühsam errungenen Pragmatismus ins Wanken, fordern das Wissen um die Notwendigkeit von Verpackungsmaterial und den eigenen Pioniergeist noch einmal heraus. Schließlich ließen sich Folien, Schachteln und Kunststoffgebinde oft problemlos recyceln. Bloß: Auch wenn die Europäische Union bis 2025 bei Kunststoffverpackungen eine Recyclingquote von 50 Prozent vorsieht, besagen die nackten Zahlen, dass in Deutschland nur 16 Prozent des Kunststoffmülls wirklich recycelt werden (Quelle: Plastikatlas 2019, Heinrich-Böll-Stiftung). Putzstein und Pflegebalsam waren lange der wunde Punkt im Sortiment von Uni Sapon. Seit drei Jahrzehnten predigt das Vorarlberger Familienunternehmen ein ganzheitliches Reinigungskonzept, die Reduktion auf das Allerwesentlichste: Weil nicht jeder Fleck ein eigenes Reinigungsmittel braucht, beschränkt man sich

bewusst auf vier Putzmittel. Weil es unsinnig und unökologisch ist, Wasser weit zu transportieren, bietet man Konzentrate an, die vor dem Putzen selbst mit Wasser verdünnt werden. Und weil Firmengründer Franz Reichert schon 1984 den »Plastic Planet« am Horizont sah, propagiert und praktiziert man mittlerweile in zweiter Generation sein Motto »Nachfüllen statt wegwerfen«. Einzige Inkonsequenzen waren lediglich der anfangs als schmutzlösender Scheuerstein vermarktete Putzstein und der Lederpflegebalsam aus Biowachs, mittlerweile im Sortiment als Multipflegebalsam geführt. Verpackt in Kunststoffdosen passten beide Produkte nicht wirklich ins Null-Müll-System von Uni Sapon. Was man allerdings akzeptierte, um Reformhäusern, Restaurants und Bioläden ein Komplettsortiment an zuhause wirklich nötigen Putzmitteln liefern zu können.

Nachfrage aus der Nische Erst eine Entwicklung der vergangenen fünf, sechs Jahre, die ohne die Grundausstattung von Pionierbetrieben wie Uni Sapon kaum möglich

text Thomas Weber

Marion Reichert ist Geschäftsführerin von Uni Sapon. Das Familienunternehmen mit Sitz in Feldkirch, Vorarlberg, erzeugt Waschmittelkonzentrate und Putzmittel.


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Ze r o Wa ste

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Eigentlich: Glänzender Lackporling. Holzbewohnender Pilz, der nicht gegessen, sondern in der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) als Heilpilz verwendet und als »Göttlicher Pilz der Unsterblichkeit« Verwendung findet. Aktuell experimentieren Start-ups mit Reishi als strapazierfähiges Material für Möbel und als veganer Lederersatz, etwa das kalifornische MycoWorks mit seiner Marke »Made With Reishi«.

Cradle to cradle Kreislaufwirtschaft konsequent ohne Abfall von der »Wiege zur Wiege« gedacht. Dem Produktionsansatz, den der deutsche Chemiker Michael Braungart in den 1990er-Jahren entwickelte, denkt nicht nur in biologischen, sondern auch in technischen Kreisläufen.

Das in Form gewachsene Mehrweggebinde aus Reishi-Pilz (im Bild rechts mit Pflegebalsam-Füllung) wurde gemeinsam mit einer Gärtnerei entwickelt.

Erfinder Reishi-Pilze wachsen. Binnen weniger Tage wächst das mit Pilzsporen beimpfte Substrat zu einem federleichten, aber festen Material zusammen. Nach viel Versuch und Irrtum ließ sich die Erfindung in einer speziellen Trockenkammer fixieren und zu einer stabilen Transportschale formen. Dadurch ist es »gelungen, Kunststoffdosen und Verpackungstrays aus Styropor durch ein rückstandsfreies Cradle-toCradle-Produkt zu ersetzen«, erklärt Wolfgang Seidel vom Energieinstitut, das Uni Sapon für diese Entwicklung 2020 mit dem Energy Globe Award auszeichnete.

Das Substrat aus Biosonnenblumenkernen wird durch den Reishi-Pilz zusammengehalten und getrocknet zum federleichten Styroporersatz.

Bild  Uni S apon

Reishi

gewesen wäre – die Gründungswelle an verpackungsfreien Läden –, brachte die Notwendigkeit, sich des leidigen Themas ein für alle Mal anzunehmen. »Die Unverpackt-Läden haben unser Sortiment begeistert aufgenommen, wollten aber natürlich nur Produkte listen, die sich auch unverpackt verkaufen lassen«, erzählt Marion Reichert, die das von ihrem Vater gegründete Unternehmen seit vielen Jahren erfolgreich führt. »Der Putzstein und der Pflegebalsam sind für unser Reinigungskonzept aber ganz essenziell, deshalb mussten wir uns da was überlegen.« Denn mittlerweile machen die mehr als 200 verpackungsfreien Läden im deutschsprachigen Raum den Großteil des Vertriebsnetzwerks von Uni Sapon aus. Längst liefert man von Feldkirch aus auch an Läden in Tschechien und den Niederlanden, punktuell bis nach Japan und Südkorea. Dem Erfindergeist von Reicherts Ehemann Peter Metzler ist es zu verdanken, dass es gelang, die Kunststoffdose endlich weitestgehend zu entsorgen. Gemeinsam mit Ingo Scherag, einem befreundeten Gärtner mit Faible für Pilze, machte er sich ans Tüfteln. Auf einem Substrat aus Schalen von Sonnenblumenkernen, die bei einer Bioölmühle abfallen, ließen die beiden


Der Camembert-Moment Putzstein und Pflegebalsam werden in Feldkirch nun in Edelstahlbehältnisse gegossen, härten darin aus und kommen als »Rohlinge« verpackungsfrei in die maßgefertigten Pilz-Transportschalen. »Ein paar Tausend Plastikdosen haben wir so seit Projektstart 2019 schon eingespart«, freut sich Marion Reichert. In weit über 100 Läden sind die Transportboxen am Tresen als Display im Einsatz. Ist der Inhalt verkauft, kommt er als Leergut zurück nach Vorarlberg – oder landet am Hauskompost. »Noch wäre es ein Blick in die Kristallkugel, zu sagen, wie oft sie wiederverwendbar sind«, sagt die Geschäftsführerin. »Wir vermuten, dass zwischen zehn und zwanzig Zyklen realistisch sind.« Gehe man besonders sorgsam damit um, hält man theoretisch auch bis zu 50 Zyklen für möglich. Praktisch faszinieren die Boxen dafür vermutlich zu sehr. »Die KundInnen mögen nicht nur die Idee, sondern lieben auch, wie sich die Boxen anfühlen, diesen besonderen Camembert-Moment, sie drücken daran.« Patent hat man in Feldkirch auf die Pilzboxen bewusst keines angemeldet. »Wir verdienen eh Geld mit unseren Putzmitteln und wollen die Entwicklung nicht ausschlachten und auch nur für den Eigengebrauch in Handarbeit herstellen«, sagt Marion Reichert. Aber Pilzen gehöre definitiv die Zukunft und die Idee, die gehöre hinaus in die Welt und schleunigst von anderen aufgegriffen. »Wir selbst wollen keine neuen MitarbeiterInnen und unser Tun auch nicht durch neue Wirtschaftszweige verwässern.« Auch künftig möchte man sich Putzstein, Pflegebalsam und konzentrierten Reinigungsmitteln widmen. Eine konsequente Reduktion aufs Allerwesentlichste

WÄRMSTENS EMPFOHLEN:

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Bild  Uni S apon

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Fai r t r ade

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Ehrlich. Sinnvoll. Gefragt. Wann verschwinden Produkte aus dem Sortiment? Oliver Gothe, FairtradeUnternehmer aus Köln, über sein bestes Produkt – und eines, von dem er selbst nicht wirklich überzeugt ist.

Oliver Gothe ist Fairtrade-Unternehmer, hat den Ehrgeiz, mit Produkten, die es davor nicht aus fairem Handel gab, neue Standards zu setzen, vermarktet vegane Kondome und betreibt mehrere Brands (FairSquared, FairZone, Rice&Carry).

biorama: Unter allen 580 Produkten, die

unter Markennamen wie FairSquared, FairZone oder FairKarma vermarktet werden: Welches ist das beste Produkt? Oliver Gothe: Im Sinne von Absatz oder im Sinne des perfekt erfüllten Produktnutzens? Ich würde sagen, dass mein bestes Produkt zur heutigen Zeit die Handcreme Olive ist. Sie erfüllt den Produktnutzen hundertprozentig und pflegt stark von Desinfektion beanspruchte Hände. Wir haben es mit zertifizierter Naturkosmetik zu tun. Es kommt kein Plastik zum Einsatz. Die Gläser sind wiederverwendbar, es gibt ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und ich finde das Design auch noch ansprechend. Es ist total ehrlich. Sinnvoll. Und zur heutigen Zeit noch sinnvoller als die Kondome – weil derzeit mehr Handcreme gebraucht wird als Kondome gefragt sind. Gibt es Produkte, die man schweren Herzens aus dem Sortiment nimmt? Natürlich. Wir hatten einiges auf dem Markt, wo im Nachhinein klar war, dass es das Qualitätsversprechen nicht richtig gut hält. Beispielsweise war in einer Sonnencreme ein Rohstoff verarbeitet, der im Verdacht steht – es ist bis heute nicht erwiesen! – Teil des Problems des Korallensterbens zu sein. Die Creme ist verschwunden. Und es gibt auch Produkte, die nicht mehr zeitgemäß waren. Wir hatten z. B. einen Intimrasierer im Sortiment, der sehr beliebt, aber schließlich und endlich Plastikmüll war.

»Ich werde eine Koop­ erative im Bergland von Pakistan nicht zur Bio­ zertifizierung zwingen.« — Oliver Gothe Wir haben ihn zwar durch einen Rasierer aus in Sri Lanka gesammeltem Altplastik substituiert, aber wir sind ehrlich gesagt selbst nicht wirklich überzeugt davon. Viele KundInnen finden den EcoRazor toll, aber wir selbst nicht. Warum sind denn Bioprodukte nicht automatisch Fairtrade – und umgekehrt? Der faire Handel als solcher ist ja häufig in den Ländern Subsahara verortet, oft sind das Entwicklungsländer. Viele Bioprodukte sind ja aus wunderbaren heimischen Rohstoffen. Wir müssen uns natürlich schon fragen, ob wir unsere Bäuerinnen und Bauern vor Ort fair und ausreichend bezahlen. Aber fairer Handel beschreibt klassischerweise den Austauschprozess entwickelter und nichtentwickelter Länder. Manchmal arbeitet man dort sogar ohne Pestizide und manchmal fehlt vor allem das Geld und das Bewusstsein für eine Biozertifizierung. Bei uns liegt deshalb in der Priorität Fairtrade vor Bio. Wenn wir beide Zertifizierungen zusammenkriegen: großartig! Aber ich werde eine Kooperative im Bergland von Pakistan nicht zur Biozertifizierung zwingen.

Bild  Fair S quared

Interview Thomas Weber


»

VERPACKUNGEN AUS KUNSTSTOFF SCHADEN DEM KLIMA. GLAS ODER PAPIER SIND BESSER FÜR DIE UMWELT.

»

Denken Sie so? Wenn Sie da nicht einem Märchen aufgesessen sind …

PLASTIKMÄRCHEN TEIL 2/2


PLASTIKMÄRCHEN TEIL 2/2

TATSACHE IST: DIE MEISTEN VERPACKUNGEN AUS KUNSTSTOFF HABEN GERINGERE AUSWIRKUNGEN AUF DAS KLIMA ALS DIE ALTERNATIVEN AUS GLAS ODER METALL. Klima- und Umweltschutz sind gleicher-

Wie lässt sich das erklären? Kunststoff

maßen wichtig, sollten aber nicht ständig

wird bei viel niedrigeren Temperaturen

in einen Topf geworfen werden. Denn

verarbeitet und ist sehr leicht. Verpa-

dann kann jeder Konsument jene Maß-

ckungen aus Glas oder Metall wiegen

nahmen unterstützen, die wirklich etwas

bis zu zehnmal mehr und haben daher

für unser Klima bringen. Tatsächlich

bei allen Verarbeitungs- und Logistik-

verursachen die vermeintlich „besseren“

schritten bis hin zum Recycling einen

Alternativen zu Kunststoff häufig einen

weit größeren CO 2 -Fußabdruck.

höheren CO2 -Ausstoß.

Wien

25 14

km

25 14

km

VERBRAUCH VON VERPACKUNGEN Eine Flugreise von Wien nach Mallorca und zurück entspricht dem Klimafußabdruck des Verpackungsverbrauchs einer Person in elf Jahren.

» 11 JAHRE

Verpackungsverbrauch Palma de Mallorca


Öffentliche Infrastruktur

11 %

VERPACKUNGEN MACHEN NUR EIN PROZENT UNSERES KLIMAFUSSABDRUCKS AUS

14 %

Autofahren Ernährung

15 %

18 %

Q u e l l e:

25 %

8% 7% 1% 1%

Flugreisen

Strom (Haushalte) Öffentlicher Verkehr Verpackungen

Heizung (Haushalte)

de

Konsum

nk

EN UNTERSTÜTZ G SIE RECYCLIN

st at

t

Insgesamt liegt der Anteil von Verpa-

Ganz klar ist: Keine Verpackung, ob

ckungen am Klimafußabdruck eines

aus Glas, Metall oder Kunststoff, darf

Menschen bei nur einem Prozent. Ver-

in der Natur entsorgt werden. Mit

kehr, Heizung und Konsum sind hin-

richtiger Mülltrennung kann jeder von

gegen für knapp 60 Prozent verantwort-

uns Recycling unterstützen und aktiv

lich. Wer also wirklich etwas für das

zum Umweltschutz beitragen.

SI E ENTSORGEN KUNSTSTOFF GEN VERPACKUN RICHTIG IM CK GELBEN SA

Klima tun will, sollte seine Mobilitätsund Konsumgewohnheiten überdenken.

Noch mehr Fakten

HABEN SIE GEWUSST, DASS ... ... Kunststoffverpackungen

... Kunststoff bei rund 260 °C

... recyceltes PET bis zu

seit 1991 um durchschnitt-

verarbeitet wird und Glas

90 Prozent weniger Treib-

lich 25 Prozent leichter

erst bei rund 1500 °C

hausgas verursacht als Neu-

geworden sind? Das geringe

schmilzt? Dieser deutliche

ware? Wer zu Produkten in

Gewicht reduziert die

Unterschied spielt für die

Verpackungen aus Recyc-

Emissionen beim Transport

Ökobilanz von Verpackun-

lingmaterialien greift, fördert

von Produkten.

gen eine große Rolle.

die Kreislaufwirtschaft und schützt das Klima!


AMA-BIOSIEGEL AMA-BIOSIEGEL Mehr MehrBio. Bio.Mehr MehrQualität. Qualität.

SoSo einfach istist das: Bio schützt einfach das: Bio schütztdie dieNatur. Natur.Das Das Gesetz schützt Bio. Nur Gesetz schützt Bio. Nurwas wasnach nachden denstrenstrengen Vorgaben der EUEUBio-Verordnung, gen Vorgaben der Bio-Verordnung,nicht nicht nur nurhergestellt, hergestellt,sondern sondernauch auchkontrolliert kontrolliert wurde, darf Bio bezeichnetwerden. werden. wurde, darf alsals Bio bezeichnet FürBio-Lebensmittel Bio-Lebensmittelgibt gibtesesein eineigenes eigenes Für Gütesiegel: Das AMA-Biosiegel. Gütesiegel: Das AMA-Biosiegel.

MEHRBIO. BIO. MEHR Ummit mitdem demEU-Biologo EU-Biologoausgezeichnet ausgezeichnetzuzu Um werden, müssen Lebensmittelnmindesmindeswerden, müssen beibeiLebensmitteln tens 95 Prozent der Zutaten aus biologischer tens 95 Prozent der Zutaten aus biologischer Landwirtschaft stammen. Landwirtschaft stammen. Umdas dasAMA-Biosiegel AMA-Biosiegelführen führenzuzudürfen, dürfen, Um müsseneses100 100Prozent Prozentsein. sein.100 100Prozent Prozent müssen biologische Zutaten bei landwirtschaftlichen biologische Zutaten bei landwirtschaftlichen Rohstoffen. Rohstoffen. Und das nurdie dieBasis. Basis.Zusatzstoffe Zusatzstoffesind sind Und das istist nur beim AMA-Biosiegel gegenüberdem demEU-BioEU-Biobeim AMA-Biosiegel gegenüber logo weitere Prozent eingeschränkt.Bei Bei logo umum weitere 2525 Prozent eingeschränkt. Verpackungen darf kein chlorhaltiges VerVerpackungen darf kein chlorhaltiges Verpackungsmaterial (PVC!) verwendet werden. packungsmaterial (PVC!) verwendet werden.

MEHR MEHRQUALITÄT. QUALITÄT. Werden WerdenLebensmittel Lebensmittel mit mit dem dem AMA-BioAMA-Biosiegel siegel ausgezeichnet, ausgezeichnet, müssen müssen ihre ihre chechemisch-physikalischen und und mikrobiologimikrobiologimisch-physikalischen schen Eigenschaften Eigenschaften höchsten höchsten Vorgaben Vorgaben schen entsprechen.Dies Dies wird wird durch durch regelmäßige regelmäßige entsprechen. sensorische Überprüfungen Überprüfungen und und ProduktProduktsensorische analysenabgesichert. abgesichert. analysen

ABGESICHERTEHERKUNFT HERKUNFT ABGESICHERTE Darüber garantiert garantiert das das rot-weiße-rote rot-weiße-rote Darüber AMA-Biosiegel mit der Herkunftsangabe AMA-Biosiegel mit der Herkunftsangabe AUSTRIA, dass dass die die landwirtschaftlichen landwirtschaftlichen AUSTRIA, Rohstoffe aus aus Österreich Österreich stammen, stammen, und und Rohstoffe dass alle Verarbeitungsschritte in Österdass alle Verarbeitungsschritte in Österreicherfolgt erfolgtsind. sind. reich DasEU-Biologo EU-Biologo ist ist verpflichtend verpflichtend auf auf allen allen Das Bio-Lebensmittelnzu zufinden, finden,das dasAMA-BioAMA-BioBio-Lebensmitteln siegel garantiert als Gütesiegel zusätzlich siegel garantiert als Gütesiegel zusätzlich einehohe hoheQualität. Qualität. eine Das AMA-Biosiegel ist der Goldstandard Das AMA-Biosiegel ist der Goldstandard unter den Gütezeichen! unter den Gütezeichen! / bioinfo.at / bioinfo.at


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Emil und die Klima-Detektivinnen Eine Studie errechnete erstmals, wie schwer der ökologische Pfotenabdruck von Hunden im CO2Rucksack von Herrchen und Frauchen wiegt: Ein Hundeleben in Deutschland verursacht so viele Treibhausgase wie 13 Flüge von Berlin nach Barcelona und zurück.

Bild Istock.co m/shelma1

E

mil ist an allem schuld, und vermutlich auch eine handfeste Midlife-Crisis. Denn Emil, ein fünfjähriger Gebirgsschweißhund, ist Teil jenes ausschweifenden Lebenswandels, den sein Herrchen, ein erfolgreicher IT-Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen, rund um seinen 50. Geburtstag radikal infrage stellte. Er wolle der Welt seiner fünf Kinder dereinst keine CO2-Hypothek hinterlassen, war sich Dirk Gratzel plötzlich sicher. Um sich selbst spätestens bis zu seinem Ableben »klimaneutralisiert« zu haben, zog er erst einmal persönlich Bilanz. Das Ergebnis ist durchaus spektakulär: die weltweit erste Ökobilanz eines Individuums, errechnet am Fachgebiet Sustainable Engineering der TU Berlin. Die ungeschönte Bestandsaufnahme des Lebens eines deutschen Mannes um die 50 hat Dirk Gratzel auch in einem Buch ausgebreitet. In »Projekt Green Zero« schildert er, wie es ihm gelang, seinen selbst für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlichen CO 2-Ausstoß drastisch zu verringern. Aufs Fliegen verzichtet er komplett, aufs Auto weitgehend. Geduscht wird nur noch 45 Sekunden lang, gegessen nur noch regional und saisonal. Milch-

produkte gibt es gar keine mehr, Fleisch von Nutztieren auch nicht mehr – nur mehr, was er als Jäger selbst erlegt. Und hier kommt sein vierbeiniger Gefährte ins Spiel – sowohl als Gehilfe draußen im Revier als auch als Fleisch- und Ressourcenfresser. Denn zu viel Fleisch ist schlecht fürs Klima. Das gilt auch fürs Tierfutter – und gewinnt bei europaweit mittlerweile 66,4 Millionen Hunden im Jahr 2017 durchaus an Brisanz. Denn 2016 waren es noch 63,7 Millionen Hunde gewesen. So wurde Jagdhund Emil für die Klimaforschung, was Hündin Laika einst für die Raumfahrt gewesen ist: Versuchshund Nummer eins. Um den CO2-Rucksack seines Besitzers genau berechnen zu können, war es schließlich notwendig zu wissen, wie sehr sein Hund diesbezüglich ins Gewicht fällt. »Ziemlich signifikant«, wie die beiden Forscherinnen Kim Maya Yavor und Annekatrin Lehmann unter der Leitung von Matthias Finkbeiner an der TU Berlin herausfanden. Anhand von 15 Parametern erfassten sie ein ganzes Hundeleben. Als ausdauernder Gebrauchshund mit ordentli-

Text Thomas Weber


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38 chem Kalorienverbrauch ist Emil eher am oberen Ende der entwickelten Skala anzusiedeln (im Detail nachzulesen im Paper »Environmental Impacts of a Pet Dog. An lca Case Study«).

Der deutsche Durchschnittshund wiegt 15 Kilo und wird 13 Jahre alt Denn auch wenn der Jagdhund den Anlass dazu gab, sollte die Studie auch allgemeingültige Aussagen über den Impact von Haushunden ermöglichen. Deshalb ermittelten die ForscherInnen auch einen Durchschnittshund, mustergültig für Deutschland und Mitteleuropa. Der gemeine Hund wiegt demnach 15 Kilogramm und wird 13 Jahre alt. Um wirklich seinen gesamten Lebenszyklus bewerten zu können, sah man sich nicht nur sein Futter (»Input«), sondern auch seinen »Output« genauestens an: Bei täglich 0,2

Kilogramm Kot und 0,4 Litern Urin kommt im Laufe eines Hundelebens schließlich ein ordentlicher Haufen zusammen: eine Tonne Kot und 2000 Liter Urin. »Dass unsere Ökobilanz auf den Umweltauswirkungen des gesamten Tierfutters, das ein Hund im Laufe seines Lebens frisst, basiert, aber auch auf den Umweltauswirkungen von Urin und Kot, ist ein Novum«, sagt Studienleiter Matthias Finkbeiner. Auch Ansätze, den Impact zu verringern, werden in der Studie ermittelt – und ebenso bewertet wie die Grenzen des Machbaren. »Da Hunde urinieren, um ihr Territorium zu markieren und untereinander zu kommunizieren, ließe sich der Einfluss von Urin vermutlich nicht reduzieren, ohne die soziale Struktur des Hundes zu verletzen«, schreiben die AutorInnen. Das wirkt sich negativ auf Pflanzen aus, macht Bäume anfälliger für Krankheiten, trägt

Menschenleben mit Hund

Dirk Gratzel und sein Jagdhund Emil. Mit bis zu 35 Kilogramm Körpergewicht gehört ein männlicher Gebirgsschweißhund zu den eher größeren Hunden.

Bild  Miriam Gratze l, Ludwi g Verlag

Im Buch »Projekt Green Zero« (Ludwig Verlag, 2020) schildert Dirk Gratzel, IT-Unternehmer und ehemals Vielflieger, seinen beschwerlichen Weg zur persönlichen Klima­neutralität. Ohne den Ablasshandel des Kaufs von CO2-Zertifikaten möchte er ihn mit einem Hund an seiner Seite beschreiten.


zur Versauerung der Böden und der Süßwasser-Ökotoxizität bei. Beim Einsammeln der Exkremente allerdings lassen sich die negativen Einflüsse von Emil und seinesgleichen durch das konsequente Einsammeln in Plastikbeuteln begrenzen. Die durchschnittlich zwei Plastiktüten täglich sind verhältnismäßig vernachlässigbar.

Den GröSSten Impact hat das Futter Bewusst nicht berücksichtigt wurden die ökologischen Kosten tierärztlicher Checks, von Medikamenten, Waschmitteln oder Hundespielzeug. Bei fast allen untersuchten Parametern sorgte das Hundefutter – mit fast 90 Prozent – für den Löwenanteil der Belastungen: das Soja, mit dem die dafür geschlachteten Rinder und Hühner aus Massentierhaltung gefüttert werden, die Konservenbüchsen, ihr Transport – all das wiegt schwer. Im »Optimieren des Futters« sehen die drei AutorInnen auch das größte Potenzial, um den negativen Umwelteinfluss zu reduzieren. Genauer werden sie nicht. Aber gemeint sind wohl Schlachtabfälle, Biofleisch und generell ein geringerer Fleischanteil in der Futterzusammensetzung. Explizit angesprochen wird der positive Einfluss, den Hunde auf die Gesundheit ihrer HalterInnen haben. Die Conclusio ist dennoch eindeutig: »Ausschließlich vom Standpunkt des Umweltschutzes betrachtet sind ganz offensichtlich weniger Haustiere zu begrüßen – und wenn überhaupt, dann jedenfalls kleinere Haustiere.« Auf Emil an seiner Seite möchte Dirk Gratzel jedenfalls ebenso wenig verzichten wie auf seinen allmorgendlichen Aufweckkaffee. Was Versuchshund Nummer eins zu fressen bekommt, hat er allerdings verändert. »Emil wird wahlweise mit Futter aus den Wildabschnitten und Innereien meiner Jagderfolge, die wir nicht verzehren, ernährt, und hilfsweise mit zugekauftem Futter aus Wildtieroder Schlachtabfällen«, sagt Gratzel. »Das reduziert seinen und meinen Fußabdruck erheblich.« Und auch wenn sein Jagdgefährte statistisch noch viele Jahre vor sich hat. Dirk Gratzel weiß, dass ihm auch nach Emil wieder ein Hund ins Haus kommt. »Ein Leben ohne Hund ist für mich kaum vorstellbar, auch wenn mir der Abschied jedes Mal das Herz bricht.«

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Alt, aber gut? Secondhand, Vintage oder einfach nur gebraucht – viele Namen für alte Dinge, die immer beliebter werden. Nostalgie kann gut für Psyche und Umwelt sein – mit Ausnahmen! Text Leonie Stieber

Laut Schätzungen des Umweltbundesamts werden in Deutschland durch Kleidung jährlich insgesamt 80 bis 400 Tonnen Mikropartikel freigesetzt.

Die Clean Clothes Kampagne ist ein weltweites Netzwerk, das sich für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Schuhproduktion einsetzt. cleanclothes.at

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ährend die Musik-Streaming-Dienste weiter NutzerInnen gewinnen. kommt auch ein anderes Medium immer mehr in Schwung: die Schallplatte mit ihrem nostalgisch anmutenden Charme. Das Revival der Schallplatte ist kein Nischenphänomen der Nostalgiker. Sie ist Teil eines Lifestyles, der Haptisches als etwas Exotisches in einer schon stark digital geprägten Umgebung schätzt. Und es ist ein Milliardengeschäft: Während in Deutschland vor neun Jahren rund 700 000 Exemplare verkauft wurden, stieg die Zahl mittlerweile auf 3,4 Millionen. Auch in Österreich hat sich in derselben Zeit der Umsatz durch Schallplatten verfünffacht. Ähnlich wächst auch das Geschäft mit Secondhand-Textilien: laut der Clean Clothes Kampagne, einem weltweit agierenden Netzwerk für eine faire Bekleidungsindustrie, wächst der Markt für Secondhandkleidung über 20 Mal schneller, als der für neu produzierte Kleidung. Und während der analogen Fotografie vor zwanzig Jahren der Tod prophezeit wurde, bringt Kodak mittlerweile wieder neue Filme auf den Markt.

Alt = umweltfreundlich? Einmal vom Charme der Vintage-Welt in den Bann gezogen besteht die Gefahr, alles alte durch die Rosarote Brille zu betrachten. Doch

gebraucht bedeutet nicht immer automatisch nachhaltig. Wie sieht es zum Beispiel bei Textilien aus? Laut einer Studie des Analyseunternehmens Global Data soll der Markt mit gebrauchter Kleidung bis 2029 erstmals das Geschäft mit neuwertiger Kleidung überholen. Eine große Veränderung, denn die Absatzzahlen für Textilien sind enorm: in Deutschland kaufen KonsumentInnen pro Jahr etwa 26 Kilogramm Textilien, davon sind zwölf bis 15 Kilogramm Bekleidung. Deutschland liegt damit weit über dem weltweiten Durchschnitt von acht Kilogramm. Bei Textilien hat vor allem die Herstellung große ökologische und soziale Auswirkungen. Der Einsatz von Pestiziden beim Anbau der global produzierten Baumwolle ist für rund 20 Prozent des weltweiten Insektizid- und Pestizidmarktes verantwortlich, in der Weiterverarbeitung der Baumwolle werden häufige schädliche Chemikalien verwendet, pro Kilogramm Textilien sind das bis zu einem Kilogramm Chemikalien, informiert das deutsche Umweltbundesamt. Allein der Kauf von Textilien und Bekleidung ist in Deutschland für knapp drei Prozent des durchschnittlichen Ausstoßes an Treibhausgasemissionen pro Person und Jahr verantwortlich. Hinzu kommen enorme soziale Missstände in der Textilproduktion.

Bild Istock.co m/ZoneCre ative, Ist ock.co m/maica

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V i ntage


Kleidung Eine Studie des Forschungsunternehmens Green Story zeigt, würde weltweit jedeR anstatt eines Neukaufs ein gebrauchtes Kleidungsstück kaufen, entspräche das einer Reduzierung des weltweiten CO2-Fußabdruck um zweieinhalb Milliarden Kilogramm. Doch auch bei Secondhandkleidung muss auf einige Dinge geachtet werden. Durch den Abrieb von chemischen Fasern wie Polyester entsteht, gelangt auch von Fasern gebrauchter Kleidung ständig Mikroplastik in die Umwelt. Und wenn das »Hipster-Hemd« in Regenbogenfarben mal nicht mehr in ist, kommt es auch hier auf die richtige Entsorgung an! Weltweit wird jede Sekunde ein Müllwagen vollgepackt mit Textilien entweder deponiert oder verbrannt, so die Clean Clothes Kampagne. Statt aussortierte Klamotten in den Müll zu werfen, sollte man diese wieder in den Umlauf bringen, zum Beispiel über Onlineplattformen – oder noch besser: auf dem Flohmarkt oder über Kleidertauschbörsen, das reduziere den CO2-Fußabdruck des Kleidungsstücks, so Green Story, um 79 Prozent. Doch auch hier ist bei weitem nicht alles rosarot. Einerseits landet immer häufiger Ware auf den Plattformen wie Kleiderkreisel, die allem Anschein nach neu ist, auf der sogar noch das Etikett angebracht ist. Gleichzeitig wird Kleidung, die in Europa nicht mehr verkauft wird, wird häufig in den globalen Süden exportiert und hat dort einen negativen Einfluss auf den lokalen Textilmarkt – und die Umwelt.

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Während der Vintage-Kleidung vor allem das Aussehen den Charme verleiht, kommt es bei der analogen Fotografie und den Schallplatten viel mehr auf ein bestimmtes Gefühl an: das Gefühl der Entschleunigung. Schon aus rein praktischem Grund: dem Plattenspieler als Ort des Geschehens. Musikhören zwischen Bäcker und U-Bahn-Station oder ein schneller Wechsel zwischen Alben und Interpreten ist nicht möglich. Bei der analogen Fotografie führt die Limitation der Bilder durch den Film zu einer – in der Regel – sorgfältigen Auswahl der Motive und verleiht Ihnen Besonderheit. Das Ergebnis lässt auf sich warten, der Prozess vom Einlegen des Films bis zum fertig entwickelten Foto kann schon mal mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nehmen.

Analogkameras Was macht hier die rosarote Brille? Die sitzt schief… denn eindeutig nachhaltig sind diese charmanten Begleiter gewiss nicht, doch auch die sie ablösenden Technologien schneiden nicht in allen Punkten besser ab. Für die Produktion von Filmen werden Rohstoffe wie Cellulose und Polyester benötigt, für die Entwicklung der Negative sind Chemikalien notwendig. Ein sparsamer Umgang ist also, nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus umweltschonenden Gründen, wichtig. Zwar kann digital eine vielfache Menge der Bilder umweltfreundlich gespeichert und vor dem Druck, falls dieser überhaupt noch stattfindet, aussortiert werden, andererseits benötigt die Herstellung von Digitalkameras und SD-Karten Konfliktrohstoffe, deren Abbau und Handel nicht nur ökologische, sondern auch soziale, wirtschaftliche und politische Konflikte schürt. Die ständige technische Weiterent-

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Offener Austausch zwischen Kunst, Wissenschaft und Forschung. Partizipieren, also teilhaben lassen und teilnehmen, ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Doch selten wird gefragt, wie das eigentlich genau abläuft. Mit OPEN ARTS, einer Kooperation zwischen der Akademie der bildenden Künste Wien und der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, werden neue Wege der Kollaboration mittels künstlerischer und kreativer Methoden und Praktiken erschlossen. Open Innovation, Open Science und Open Design setzen auf die verantwortungsvolle Öffnung und die Weisheit der Vielen. Im Dialog zwischen Kunst, Wissenschaft und Forschung wird gemeinsam an Zielsetzungen und Lösungen gearbeitet. Die Einbindung größerer und verschiedenartiger Zielgruppen eröffnet Erkenntniswege, aber auch einen Perspektivenwechsel auf die eigene Sache. Das Anwenden von künstlerischen und kreativen Herangehensweisen und Methoden in Workshops und Seminaren fördert einen Wissenstransfer zwischen den Disziplinen. Mit dem ersten Workshop rund um das Thema Erzählung und Narration startet die Weiterbildungsreihe OPEN ARTS, das Programm wird im Sommersemester 2021 fortgesetzt.

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wicklung macht regelmäßige Neuanschaffungen notwendig und nicht nur die Produktion, sondern auch die Datenspeicherung benötigt Energie und trägt somit zur CO2-Belastung bei. Laut einer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (bund) aus dem Sommer 2020 liegt die Summe aller CO2-Emissionen für Herstellung und Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen in Deutschland bei 739 Kilogramm pro Jahr und Person, den größten Anteil hat dabei die Herstellung der Geräte mit 447 Kilogramm, der Energieverbrauch in der Nutzung macht 292 Kilogramm aus. Der Energieverbrauch im Internet für übertragene und gespeicherte Daten beträgt etwa 46 Kilogramm. Eine lange Nutzung der Geräte sowie der Kauf von gebrauchten Geräten und die Reparatur von Defekten sind wichtige Schritte, um den Konsum von Elektrogeräten so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Einen Pluspunkt haben die analogen Kameras durch ihre lange Nutzungsdauer, da sie von LiebhaberInnen meist über Jahrzehnte genutzt und gepflegt werden und da sie – zumindest noch – sowieso nur gebraucht gekauft werden können.

Schallplattenspieler Auch Schallplatten sind bezüglich ihrer Umweltbelastung nicht ganz einfach zu verurteilen. Die Universität Glasgow hat in einer Untersuchung am Beispiel der usa berechnet, dass die Produktion von Vinyls und CDs dort vor zwanzig Jahren fast 160 Millionen Kilogramm an Treibhausgas-Emissionen verursachte. Das Musikstreaming im Jahr 2016 führte einen CO2-Ausstoß zwischen 200 Millionen und 350 Millionen Ki-

logramm herbei. Bei der Frage nach den Rohstoffen, in diesem Fall Plastik, schneidet der nostalgische Tonträger – wie zu erwarten war – schlecht ab. So wurden in den usa 1977, zur Hochphase der Schallplatte, in der Musikbranche rund 58 Millionen Kilogramm Plastik verwendet, 2016 sank diese Zahl auf acht Millionen. Die Digitalisierung schont hier zwar auf den ersten Blick Ressourcen, führt aber gleichzeitig zu immer schnellerem und größerem Konsum. Doch setzt man die rosarote Brille einmal ab und ist gnadenlos ehrlich, werden die verträumten Vintage-Geräte nicht statt moderner Technologie, sondern als Ergänzung genutzt. Nur wer das Smartphone und die Digitalkamera zur Seite legt und auf Spotify und Co. verzichten würde, dürfte sich also mit den genannten Zahlen in eine umweltschonende Vergangenheit davon träumen.

Träumen erlaubt Das Wort »Nostalgie« setzt sich aus den griechischen Wörtern »nostos« Heimkehr und »algos« Schmerz zusammen, früher wurde sie als Nervenkrankheit behandelt. Heute wird sie als »sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Gegenständen oder Praktiken« bezeichnet und eher als positive statt negative Emotion wahrgenommen. Einem Beitrag aus dem in der britischen Fachzeitschrift »Review of General Psychology« zufolge soll sie sogar das Gefühl der sozialen Verbundenheit stärken und wie eine Art Schutz vor dem Gefühl existenzieller Bedrohungen wirken. Das davonträumen in alte Zeiten tut der Psyche also gut – den Reality Check und einen sparsamen Umgang dankt die Umwelt.

Der Beitrag »Finding Meaning in Nostalgia« ist im März 2018 im »Review of General Psychology« erschienen.


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»Ich bin ein Mensch, das bedeutet: Ich kann mich entscheiden.« Nunu Kaller, die ehemalige KonsumentInnensprecherin von Greenpeace Österreich, will nicht mehr nur Appelle an die Macht der KonsumentInnen hören. DASGUTEPRODUKT

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unu Kaller ist ein Konsummensch. Seit Jahren kreist sie beruflich um dieses Thema. Zuletzt hat sie ihren Blog spontan zu einer Onlineliste »heimischer«, d. h. im konkreten Fall österreichischer Läden umfunktioniert. Anlass war das Bedürfnis, zu verhindern, dass in der Pandemie wieder vermehrt bei den Versandhandelsriesen eingekauft wird. Aber sie ist auch Konsumkritikerin und hat sich schon ausgiebig in Verzicht geübt. 2013 ist ihr Buch »Ich kauf nix! Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde« erschienen, im März 2021 soll das nächste zum Thema Konsum folgen. biorama hat sie gefragt, was sich über das gute Produkt und den richtigen Weg dorthin schon sagen lässt.

Bild istock.co m/Mic ro vOne

Interview Irina Zelewitz


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BIORAMA: Was ist das gute Produkt? Nunu Kaller: Eines, das ich wirklich brauche.

Eines, das meinen Ansprüchen genügt, nicht nur auf Produktebene, sondern auch auf ökologischer und sozialer, je nachdem, worum es sich handelt. Das gute Produkt ist eine Frage der Perspektive – und es geht um Kompromisse, leider. Ein gutes Beispiel ist Bio im Supermarkt: Es gibt eine EU-Verordnung, die vorschreibt, dass Bio und Nicht-Bio nicht gemeinsam transportiert und gelagert werden dürfen, wenn nicht eines gesondert verpackt ist. Damit wurde jahrelang argumentiert, dass die Bioprodukte verpackt waren und die anderen nicht. Weil die Bioprodukte den geringeren Anteil ausmachten und natürlich weniger Verpackung anfällt, als wenn man die konventionellen verpackt. Das klang einleuchtend. Aber was nicht dazugesagt wurde: Die Verordnung gilt nicht für den Point of Sale. Es hat also nie etwas dagegen gesprochen, dass die Produkte nicht einzeln verpackt werden und wir die Produkte unverpackt im Supermarkregal kaufen. Und inzwischen ist es ja auch oft so, dass dasselbe Produkt, zum Beispiel Äpfel, häufig sowohl in Bioqualität als auch konventionell im selben Markt lose angeboten werden. Das ist schon ein bisschen viel Verantwortung, wenn ich mich entscheiden muss zwischen Bio und Plastik und den Gesetzestext selber studieren muss, um herauszufinden: Das muss gar nicht so sein. Ich hatte nur die Wahl zwischen entweder bio und verpackt oder konventionell und unverpackt, also aus ökologischer Sicht immer ein Kompromiss. Gut, dass sich da gerade langsam was ändert. In der Gastronomie gibt es auch sehr viele gute Beispiele für Situationen, in denen der/ die KonsumentIn kaum eine Entscheidung treffen kann, eine informierte Entscheidung erschwert wird. Die EndkonsumentInnen können – wenn sie es nicht zufällig wissen – doch nicht ahnen, dass alle Regeln, die für Eier gelten, für Eier im Tetrapak, die in den Systemgastro-Kuchen wandern, nicht gelten. Wie viel Verantwortung habe ich denn als KonsumentIn, mich zu informieren?

Ich finde es gut, dass sich immer mehr Leute ihrer Verantwortung bewusst werden. Ich finde es nicht gut, dass das industriell und politisch ausgenutzt wird. Hier findet eine ungerechtfertigte Verantwortungsverschiebung statt und den KonsumentInnen wird die alleinige Verantwortung für den Klimawandel umgehängt. Aus meiner Sicht macht es sich die Industrie mit ihren großen Hebeln, mit denen sie etwas verändern kann, viel zu einfach. Du glaubst nicht mehr an die Macht der KonsumentInnen? Klar tu ich das. Unternehmen – auch die nachhaltigen – interessiert in erster Linie unsere Kohle. Insofern kann ich durch die Entscheidung, wem ich mein Geld gebe, einen großen Unterschied machen. Es findet aber gleichzeitig zu diesem Bewusstsein die erwähnte Verschiebung statt, dass anderen AkteurInnen und Ebenen die Verantwortung genommen wird, denn sie stehen ja der Macht der KonsumentInnen gegenüber. Darum denke ich: Es gibt die Macht der KonsumentInnen, aber sie ist enden wollend. Unternehmen dürfen ihre eigene Verantwortung nicht an die KonsumentInnen abschieben. Mein Lieblingsbeispiel dafür war die Eröffnung eines neuen H&M in einer großen Wiener Einkaufsstraße mit »Conscious Corner«. Ich bin hingegangen, um mir das anzuschauen, zugegebenermaßen nicht ohne Vorbehalte. Dort hab ich gleich ein riesiges Regal mit Guppyfriends (Beutel, die Mikroplastik auffangen sollen, Anm.) gesehen und mich gefreut, dass die Idee und das Start-up, das sie herstellt, so bekannt und unter die Leute gebracht werden. Dann hab ich mich umgedreht und bin vor einer riesigen Kleiderstange Polyesterblusen um 8,99 gestanden und habe mich gefragt: Was spielen wir hier? Ihr produziert das Polyesterzeug und deswegen kann ich bei euch dazu auch gleich den Guppyfriend kaufen? Das meine ich mit Verschiebung von Verantwortung. Und auch wir alle begrenzen uns selbst, wenn wir uns in der Wahrnehmung des eigenen Impacts nach außen primär als KonsumentInnen wahrnehmen. Aber man

Der Waschbeutel des deutschen Unternehmens Guppyfriend soll den Faserabrieb von Kleidungsstücken aus Polyester auffangen, damit dieser nicht in die Gewässer gelangt.


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muss es um genau diese Reduktion gehen und nicht darum, Waschsäcke zusätzlich zu verkaufen. Um zu wissen, mit welchem Ziel und welcher Strategie Nachhaltigkeitsinitiativen in Unternehmen stattfinden, muss man dann als KonsumentIn schon die crs-Berichte lesen können und wollen. Was wäre dazu notwendig? Ja, die Information ist leider eine Holschuld im Moment. Es ist aber nicht machbar, vor einer Konsumentscheidung jedes Mal zwei Stunden Lektüre einzuschieben. Deswegen richtet sich meine Kritik an die großen Unternehmen, die es uns einfacher machen müssen.

hat ja auch Impact, indem man das Maul aufreißt, nicht nur die Geldbörse! Wir müssen da lauter werden.

Nunu Kallers »Kauf mich – Auf der Suche nach dem guten Konsum« erscheint im März 2021 bei Kremayr & Scheriau.

Stichwort große Unternehmen und ihre oft nicht ganz so großen Nachhaltigkeitsbemühungen – ist das nicht unterstützenswert, weil lieber ein bisschen als gar nichts? Es geht darum, von welcher Seite ich die Frage der Verbesserungen angehe. Wenn der Startpunkt eine Analyse der größten ökologischen Probleme ist, die ich durch mein Unternehmen verursache, dann ist jeder Schritt zu Reduktion ein guter. Mit einem Beispiel gesagt: Wenn ich als Unternehmen merke, dass mein hoher Anteil an Polyester eines der größten von mir verursachten Umweltprobleme ist, dann sollte ich mir ansehen: Wo kann ich auf andere Materialien umsteigen und wo brauche ich Polyester? Es gibt schon Bereiche, wo Polyester eine Funktion hat. Weil der Baumwollbikini trocknet halt recht schlecht. Dann

Als vordergründigstes Nachhaltigkeitsmerkmal überzeugt CO2-Neutralität bei vielen Produkten nicht, aber ist es auch als Mindeststandard unbrauchbar? Wenn es sich als Mindeststandard etabliert, ist das gut. Ich habe mich auch selber oft schuldig gemacht: Wenn kleine Unternehmen sich bemühen, nachhaltiger zu werden, und

Bild  Flo Waitzbau er, Kre mayr & S cheriau

»Ja. Ich suche den guten Konsum. Ich lande bei Reduktion.« — Nunu Kaller

Du hast dich selbstständig gemacht und bietest künftig Unternehmen Beratungsleistungen in Ökologisierungs- und Kommunikationsfragen an. Hast du schon eine lange Liste an Unternehmen, mit denen du aus den oben genannten Gründen nicht arbeiten wirst? Eine kurze, aber von diesen rechne ich auch nicht mit Anfragen. Mich interessiert, ob ein Unternehmen das eigene Kerngeschäft nachhaltiger gestalten will, das ist schon einmal ein guter Indikator, um herauszufinden, wie ernst es jemand meint. Wer gleich auf Offsetting setzt (z. B. Kompensation der eigenen CO2-Emissionen durch Finanzierung von Aufforstungsprojekten o. Ä., Anm.), statt sich zuerst die eigene Produktion anzuschauen, macht sich verdächtig. Klimaneutralität ist im Übrigen ein Begriff, mit dem die EndverbraucherInnen ohnehin wenig anfangen können. Ich denke, dass der durch den inflationären Gebrauch von vielen nicht mehr ernst genommen wird.


dabei etwas tollpatschig sind, war ich früher mit dabei, sie sofort abzustrafen. Inzwischen denke ich, dass man gerade kleinere Unternehmen auf einem Weg begleiten muss, der zu sinnvollen Nachhaltigkeitsprojekten führt, vielen fehlt das Gesamtkonzept in Sachen Corporate Social Responsibility. Hast du auch den Eindruck, dass es besonders unter KleinproduzentInnen derzeit üblich ist, das eigene Produkt als »regional« und »fair« auszuloben? Fair und regional sind nicht definiert und das macht es schwierig. Eigentlich haben wir sowohl in der EU als auch international Arbeitsgesetze. Compliance reicht eigentlich nicht für Nachhaltigkeit. Fair nennen sich natürlich aber auch die, die wirklich weit über die Mindeststandards hinausgehen, und das ist gut. Im Moment gibt es da aber nicht sehr viele brauchbare Siegel wie das Fairtrade-Siegel. Eigentlich sollten hier ja neue Impulse und Standards von der uno kommen bzw. dort als Mindeststandards beschlossen werden.

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Du schreibst gerade an einem Buch übers Einkaufen. Ja. Ich suche den guten Konsum. Ich lande bei Reduktion. So viel kann ich vorwegnehmen. Und dass es nicht reicht, durch nachhaltigen Konsum einzelner Produkte ein Zeichen zu setzen. Du wirst inzwischen vor allem als Expertin für den Modemarkt wahrgenommen. In welchen Situationen fehlt dir jede Grundlage, um eine fundierte, nachhaltige Kaufentscheidung zu treffen? Ja, da gibt es Bereiche. Einerseits die Technik. Ich hab es mit den früheren Generationen von Fairphone versucht, das hat für mich nicht funktioniert. Da greif ich jetzt auf Secondhand- und Refurbed-Geräte zurück. Andererseits ist auch das Thema Mobilität ein schwieriges für mich, denn Radfahren und öffentlicher Verkehr können für mich nicht in jedem Szenario ein Auto ersetzen und dann wird nachhaltiges Verhalten auch zur Geldfrage, denn die Sharing-Modelle sind nur bei

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Konsum

seltener und kurzer Nutzung günstiger. Viele komplexe Produkte, wo ich weniger Einblick habe, wie Möbel, organisiere ich mir secondhand, weil es aus ökologischer Sicht an allererster Stelle um eine Reduktion der Produktion neuer Waren geht.

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Bio, fair, vegan, plastikfrei, CO2-positiv, langlebig, inklusiv … die Kriterien spiegeln ja auch individuelle Präferenzen wider. Kann das über Gesetze geregelt werden? Der Gesetzgeber muss das große Ganze im Blick haben. Da das Thema Klimawandel über allem steht, bedeutet das, einen Blick auf die Klimafolgen von Lebensmittelkonsum, Mobilität und Mode zu haben. Als Konsequenz müsste einmal eine Preisrealität hergestellt werden, bei Fleisch zum Beispiel. Ein Importverbot für manche Chemikalien auf Textilien auf europäischer Ebene wäre auch keine besonders komplizierte Maßnahme, die großen Effekt in der Lieferkette hätte. Durch solche grundlegenden Maßnahmen könnte man eine faire Basis für Konsumentscheidungen Einzelner schaffen. contains Fairtrade ingredients

Also gibt es keinen Mindestanspruch an KonsumentInnen?

Bild istock.co m/Mic ro vOne

LUST AUF WAS WIRKLICH NEUES?

Ist es ein relevantes Problem, dass viele Dinge unbenützt als Secondhandware verkauft werden, bei denen der/die erste BesitzerIn nie die Absicht hatte, sie selbst zu nutzen? Ja, da wird vieles an Neuware gehandelt, Kleidung, in der noch das Etikett hängt, oder nagelneue Sneaker. Es wird immer Leute geben, die solche Systeme ausnutzen, bewusst oder unbewusst. Es gibt in der Secondhandbranche bessere und schlechtere AnbieterInnen. Man kann den Leuten nur so viele Informationen wie möglich bieten, damit sie gute Entscheidungen treffen können. Und es gibt ja glücklicherweise eine Öffentlichkeit, die Unternehmen auf die Finger klopft, wenn etwa mit gespendeter Kleidung undurchsichtige Geschäfte durch den Verkauf als Secondhandware gemacht werden.


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Wir müssen konsumieren, um zu überleben. Und indem wir konsumieren, machen wir aus ökologischer Perspektive die Welt natürlich nicht besser. Jeder Mensch steht vor einer individuellen Entscheidung und die ganz richtige gibt es nicht. Das sollte okay sein. Leider erlebe ich aber, dass es das für Leute nicht ist, dass sie frustriert sind, wenn sie nicht das umfassend gute Produkt finden und haben können und sich selbst auch konsequent entsprechend verhalten. Mich hat eine Frau angesprochen, weil sie Schuldgefühle plagen, da sie ein Mal ihren Mehrwegbecher vergessen und einen Kaffee im Einwegbecher gekauft hat. Das hat sie emotional total frustriert. Sie hat da sichtbar mehr Verantwortung geschultert, als sie rein realistisch tragen müsste, und das hat sich in Frust geäußert. Da müssen wir die Ansprüche der Einzelnen hinterfragen – und landen wieder bei der Verantwortungsverschiebung durch Industrie und Politik. Woher kommt das, wenn wir ja auch in anderen Lebensbereichen nicht kapitulieren, wenn wir keine Perfektion erreichen? Ich glaube: weil wir Angst haben vor dem Bedrohungsszenario Klimawandel. Weil wir in Wirklichkeit wissen, dass es insgesamt zu wenig ernst genommen wird. Die ethische wird nie die wichtigste Dimension bei einer Konsumentscheidung sein, richtig? Mein erster Impuls wäre: Doch! Ich glaube schon. Ich war auch schon öfters hungrig im Supermarkt und das Neuromarketing im Lebensmittelhandel ist beeindruckend clever. Auch mir passiert es, dass ich dann keine guten Entscheidungen treffe und zum Beispiel vorgekochte Tortellini in Plastikverpackung kaufe. Aber das war eine Entscheidung, es war wohl nicht die ethisch richtige, aber dennoch habe ich sie getroffen. Das heißt: Ich KANN mich entscheiden. Und das heißt auch, dass ich mich für die ökologischere Alternative entscheiden kann. Ich habe fix vor, es das nächste Mal zu tun.

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Alles paletti Die Wachsmalkreiden aus Berlin repräsentieren die Vielfalt an real existierenden Hautfarben. Ihren Versand wickelt eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung ab. Alle Verkaufserlöse kommen Integrationsprojekten zugute.

Text Thomas Weber

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chon Wochen vor Weihnachten waren die Wachsmalkreiden ausverkauft, nur noch der Satz an Buntstiften verfügbar. »Leider«, sagt Marie Mechela am Telefon, »wir können erst ab Ende Januar wieder liefern«. Vorbestellung nimmt die Studentin der Politik und der Wirtschaft aber gerne entgegen. Mechela leitet das »Hautfarben«-Team bei Govolunteer, einer Community an Freiwilligen, die 2015 gegründet wurde. Als in Deutschland die offiziellen Einrichtungen angesichts der sogenannten »Flüchtlingskrise« an ihre Grenzen kamen, stellte Govolunteer der Zivilgesellschaft Strukturen zur Verfügung: Der Verein vermittelt ehrenamtliches Engagement, koordiniert und bündelt es zu sinnvollen Projekten. So wird Angela Merkels »Wir schaffen das« mitunter auch zu Produkten – wie den Malutensilien in »Hautfarben«. Bereits 2017 wurde der erste Satz an Buntstiften vorgestellt, samt Malbuch »So bunt ist Deutschland«. So richtig in Gang kam das Social Business aber erst 2020. Für Kinder im Vorschulalter gibt es mittlerweile auch ein Puzzle und einen Satz hautfarbener Wachsmalkreiden. Und die Vielfalt an Stiften hat zwei zusätzliche Verpa-

ckungen gefunden: »So bunt ist Österreich« und »So bunt ist die Schweiz«. 3200 Packungen Wachsmalkreiden wurden 2020 abgesetzt, 11.850 Sätze an Buntstiften. Eine größere Bestellung kam auch vom Goethe-Institut in China. Man belieferte pädagogische Einrichtungen in Spanien und Belgien. Im nächsten Schritt möchte man sich europa- und irgendwann weltweit engagieren. Die Motivation der Studentin ist klar: »Wir schaffen mit unserem Produkt die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche für verschiedene Hautfarben zu sensibilisieren. Sie wachsen mit Diversität auf und können sich selbst, wie sie sind, und die Nuancen der Hautfarben ihres Freundeskreises zeichnen.« Entwickelt wurden die Stifte und Kreiden in Kooperation mit Staedtler aus Nürnberg. Gemeinsam mit dem traditionsreichen Schreibwarenhersteller hat man zuletzt auch die Farbpalette des Produkts noch einmal überarbeitet. »Die neuen Farben entsprechen den realen Farben noch besser«, sagt Mechela. Anfang 2021 möchte man dann nicht nur wieder liefern können, sondern auch neue Produkte entwickeln. »Vielleicht ein Spielzeug«, meint Marie Mechela, »vielleicht auch für Erwachsene«.

Bild GoVo luntee r

Weil der eine schweinchenrosa Stift in »Hautfarbe« nie der Vielfalt unserer Gesellschaft entsprach, bringen die »Hautfarben«-Wachsmalkreiden aus Berlin nun Diversität in Kitas und Kinderzimmer.


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Text Irina Zelewitz

Bild Michael Mickl

HYALURONSÄURE Fermentiertes fürs Gesicht

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s hat ein bisschen gedauert, bis die Hyaluronsäure erfolgreich in die Naturkosmetik Einzug gehalten hat. Hyaluronsäure ist zum Beispiel ein Hauptbestandteil menschlicher Gelenkflüssigkeit, aber auch natürlicher Bestandteil unseres Bindegewebes und dort vor allem aufgrund ihrer Fähigkeit zur Wasserbindung nützlich. Entdeckt in den 30er Jahren, findet sie vielfach in Medikamenten Anwendung, auch die Kosmetik hat sie bereits vor Jahrzehnten für sich entdeckt, denn: Der natürliche Hyaluronsäuregehalt der Haut nimmt mit zunehmendem Alter ab, doch Hyaluron kann grundsätzlich auch über die Haut aufgenommen werden. In welcher Form das wie gut funktioniert und

Bild Istock.co m/Bravekanyawe

I+m Hyaluron Serum 3-fach Das Hyaluron Serum 3-fach von den vielfach prämierten I+m enthält gleich drei Hyaluronsäuren. Das soll den folgenden Vorteil haben: Während sich die hochmolekulare Säure als feiner Schutzfilm auf die Haut legt, dringen die mittel- und niedrigmolekularen Säuren tiefer in sie ein. Und weil x 3 anscheinend noch nicht genug ist, spendet die zusätzlich enthaltene Aloe vera extra Feuchtigkeit und Schmetterlingsflieder soll antioxidativ wirken und einen Anti-Blue-Light-Schutz vor Hautschäden durch blaues Bildschirmlicht bieten. Womöglich eine Wunderwaffe für Homeoffice-Tage mit trockener Heizungsluft. iplusm.berlin

wirksam ist, ist umstritten, doch hat viele HerstellerInnen wie KonsumentInnen vor allem ein Aspekt davon abgehalten, das zu testen: Hyaluron wurde aus tierischen Quellen erzeugt und damit waren nicht nur ethische Bedenken verbunden, sondern es wurden auch häufigere allergischer Reaktionen befürchtet. Seit den 90er Jahren kann Hyaluron nun durch bakterielle Fermentation hergestellt werden. Das wiederum finden nicht alle ganz natürlich, doch der Weg in die auf Nachhaltigkeit bedachte Kosmetikwelt war grundsätzlich frei. Der möglichen Austrocknung wollen die folgenden, biotechnologisch hergestellten Produkte den Kampf ansagen. Vegan und Naturkosmetik-zertifiziert.

Alverde Professional Hyaluron Glow Roll-on Das Professional Hyaluron Glow Roll-on von Alverde zieht schnell und tief in die Haut ein, das soll dank der Kombination aus lang- und kurzkettiger Hyaluronsäure funktionieren. Für eine Notfallbehandlung von trockener Winterhaut ist es in allen Dm-Filialen in Österreich und Deutschland schnell verfügbar. dm.de

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Müßiggang im Schweinsgalopp

Schon als jugendliche Abenteurerin hat Martina Hörmer das Waldviertel für sich entdeckt. Heute kostet die Grande Dame der Biobewegung dort auch die kulinarisch ergiebige Kulturlandschaft aus. Ihr Favorit: das Freilandschwein.

»Die ÖsterreicherInnen lieben Schweinefleisch«, weiß Martina Hörmer als Markenbotschafterin von Ja! Natürlich. »Aber fast niemand hat je eine Begegnung mit einem Schwein, weil auch in Österreich der Großteil gedrängt auf Vollspaltenböden gehalten wird.« Das Projekt Freilandschwein reicht bis ins Jahr 2000 zurück. Damals starteten Ja! Natürlich, Vier Pfoten und die boku im Waldviertel einen Feldversuch. Man wollte heraus-

Bild  Michae l Reidinge r

Hier möchte man Schwein sein, sich unter freiem Himmel suhlen. Gleich an der Ortseinfahrt von Rossa sehen wir, wie gut es die Tiere von Manuel Gererstorfer haben: Wellness am Wegesrand, Müßiggang im Schweinsgalopp. »Hier zeigt sich, was ein glückliches Schweineleben sein könnte«, sagt Martina Hörmer. An die 50 Tiere zählt man weit verstreut auf der Weide des Biohofs. In ein paar Monaten liefern sie, so Hörmer, »das hochwertigste Schweinefleisch, eine wirkliche Delikatesse«. Zwischen zwei und drei Kilometer legen sie täglich zurück, hat Manuel Gererstorfer ausgerechnet: »Das macht es natürlich teurer, sie aufzuziehen, weil sie mehr Energie verbrauchen, langsamer wachsen. Aber die Qualität ihres Fleisches ist unvergleichlich.« Gefüttert werden sie grundsätzlich nur mit Biofutter aus eigenem Anbau. Geschlachtet wird 22 Kilometer entfernt beim Fleischer in Irnfritz. Regionaler geht nicht. »Besser geht nicht«, sagt der Biobauer. Geschlossene Kreisläufe, artgemäße Tierhaltung, Fleisch, das – in Maßen genossen – auch strengen Anforderungen an Klimaschutz gerecht wird.


Martina Hörmer empfiehlt chlössertour durchs Waldviertel S »Viele Leute fahren nach Frankreich, um entlang der Loire eine Schlössertour zu machen. Das ist im Waldviertel genauso möglich. Es gibt hier viele, teils kaum bekannte Schlösser zu entdecken.« waldviertel.at/schloesser reimaurermuseum Rosenau F Sehr versteckt findet sich im Barockschloss Rosenau ein Museum über den Ritus und die Hintergründe der Freimaurerei. Ich fand das sehr spannend.« waldviertel.at/kultur-schloss-rosenau Einkehr in der Weinbeisserei (Schönberg am Kamp) »Ein Bioheuriger mit sehr feiner, elaborierter Küche, nicht zu traditionell, und einer bezaubernden Terrasse mit Blick übers weite Land.« Demeter-Qualität. waldviertel.at/a-hager-matthias-die-weinbeisserei Waldviertler Bio-Wurstknödel »Ein Klassiker im Tiefkühlsortiment von Ja! Natürlich, der sich – im Lebensmittelbereich nicht selbstverständlich – schon seit Jahrzehnten behauptet.«. janatuerlich.at/produkt/bio-waldviertler-wurstknoedel

B ild R ewe

Weitere Porträts unter biorama.eu/waldvierteltipps

finden, ob Schweine in unseren Breiten ganzjährig im Freiland gehalten werden können. Das kannte man bis dahin nur aus England. Zwanzig Jahre später ist das Freilandschwein längst eine Marke für sich – und das Waldviertel insgesamt zu einer der wichtigsten Herkunftsregionen für Ja! Natürlich geworden. Mehl und Mohn, Lamm- und Rindfleisch und, natürlich, Erdäpfel und Karpfen kommen aus dem Waldviertel. Letztere werden gerade, Teich für Teich, abgefischt. »Biokarpfen aus naturnahen Teichen hat ein ganz anderes kulinarisches Erlebnis ermöglicht«, sagt Martina Hörmer. »Den Wert einer intakten Natur und einer nachhaltig gesunden Landwirtschaft haben die Menschen hier im Waldviertel früh erkannt.« Schon 2005 – lange bevor sich ganz Österreich agrarpolitisch zur Gentechnikfreiheit bekannte – wurde die Initiative »Waldviertel Lebensviertel« diesbezüglich aktiv, erinnert sich Hörmer. »Damals war das visionär.« Insgesamt habe sich in der Region nicht allzu viel verändert, meint Hörmer. In jungen Jahren hat sie das Waldviertel im Zelt, campierend am Kamp oder an den Stauseen erschlossen. Heute liebt sie die Fülle an kulinarischen, handwerklichen und touristischen Angeboten. »Und natürlich die Landschaft: die Ruhe der Hochwälder, das Zurückgezogene und die Möglichkeit, sich aus dem Alltag rauszunehmen, nur eine Stunde von Wien entfernt – vom lieblichen Kamptal bis zum etwas schrofferen, kühleren, raueren Nationalpark Thayatal. Hier oben, da fühlen sich nicht nur die Schweine wohl.«

Martina Hörmer, Markenbotschafterin von Ja! Natürlich, beim Abfischen im Waldviertel. Auch bei ihr kommt zu Weihnachten immer wieder Biokarpfen auf den Tisch.

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Mein Waldviertel


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Al u mi n iu m in Ka f f e eka p se l n u n d -ka n n e n

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Mokka aus Alu? Text Anika Suck

Studie der Uni Wien Laut der unter dem Titel »Aluminum in Coffee« im Juni 2020 erschienenen Studie von Chemikern der Universität Wien enthält Kaffee, der in Alu-Mokkakannen zubereitet wurde, im Vergleich zu anderen Zubereitungsmethoden um ein Vielfaches mehr an Aluminium.

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er Hype um den Kaffee aus den bunten Aluminiumkapseln hat sich nach Jahren wieder etwas gelegt. Doch er hat Spuren hinterlassen: Selbst im Herkunftsland der Espressokanne Italien schreibt der Platzhirsch Bialetti rote Zahlen. 2018 meldete das Unternehmen grobe finanzielle Schwierigkeiten, eine Trendwende ist nicht erkennbar. 19 Geschäfte wurden geschlossen, 15 davon in Italien. Deshalb wolle man sich in Zukunft auf andere Produkte als die Mokkakanne konzentrieren, etwa Kaffeekapseln. Indessen meldete im Juli 2020 Nespresso, einer der größten Hersteller von Kaffee in Aluminiumkapseln, 300 neue Arbeitsplätze in der Kapselproduktionsstätte in der Schweiz schaffen zu wollen, was vermuten lässt, dass das Unternehmen nicht – wie Bialetti – mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat. Die Kaffeekapseln belasten nicht nur die Umwelt, sie sind auch eine mögliche Quelle für einen erhöhten Aluminiumgehalt im Kaffee. Das beliebteste Heißgetränk der Deutschen

und ÖsterreicherInnen zählt ohnehin schon zu den am stärksten mit Aluminium belasteten Lebensmitteln. Das gibt Anlass zur Sorge, denn Aluminium steht im Verdacht, eine Reihe von Krankheiten auszulösen. Etwa Brustkrebs, Alzheimer und Schäden am Nervensystem. Obwohl die Forschungsergebnisse hier nicht eindeutig sind, raten ExpertInnen, den Alu-Konsum so weit wie möglich einzuschränken, der Gesundheit und der Umwelt zuliebe. Doch wie kommt das Metall eigentlich in die Lebensmittel? Alu ist eines der am häufigsten in der Erdkruste vorkommenden Elemente. Das bedeutet, dass Pflanzen es über den Boden aufnehmen. Lebensmittel enthalten deswegen praktisch immer Aluminium in verschiedensten chemischen Verbindungen. Getreide und Gemüse sind, abhängig von den lokalen Bedingungen im Anbaugebiet, häufig besonders belastet, so auch Tee und Kaffee. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (efsa) nennt außerdem Getreide und Gemüse als typische potenzielle

Bild Istock.co m/alberto ma snovo

Der beliebteste Koffeinlieferant ist auch eine unserer relevantesten Aluminiumquellen unter den Lebensmitteln. Wider Erwarten liegt das nicht an den Alu-Kaffeekapseln.


»Wenn man eine Woche lang jeden Tag einen halben Liter Kaffee aus der Espressokanne trinkt, nimmt man etwa 0,3 bis 0,5 Prozent des Grenzwerts auf.« — Franz Jirsa, Studienleiter an der Universität Wien Quellen für die Aufnahmen von Aluminium. Lebensmittel können aber auch über Kontakt zu anderen Gegenständen Aluminium aufnehmen, zum Beispiel durch Verpackungen oder Kochutensilien. Womit wir bei den Alu-Kapseln und der Espressokanne sind.

Kapseln oder Mokkakanne? Je nach Zubereitungsmethode enthält Kaffee unterschiedlich viel Aluminium, das hat eine 2020 erschienene Studie der Universität Wien gezeigt. Der Verdacht der Forscher war, dass der Kaffee durch die Lagerung in den Alukapseln Aluminium aufnehmen könnte. Das ist allerdings nicht der Fall, wie Studienleiter Franz Jirsa erklärt: »Die Nespresso-Kapseln sind innen mit Kunststoff be-


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Al u mi n iu m in Ka f f e eka p se l n u n d -ka n n e n

58 schichtet. Das heiße Wasser kommt zwar mit den Schnittflächen, die die Maschine in die Kapsel drückt, in Berührung, die Kontaktzeit ist aber zu kurz und die Fläche zu klein, als dass darüber eine signifikante Menge an Alu in den Kaffee übergehen könnte.« 22 Prozent der Deutschen haben eine Kapselkaffeemaschine zuhause, so der Kaffeereport des Einzelhandelsunternehmens Tchibo 2020, für den 5000 KaffeetrinkerInnen zwischen »Einmal im Körper ein18 und 64 Jahren befragt wurden. Ungeschlagen gelagertes Aluminium ist laut dem Report die wird nur sehr langsam Filterkaffeemaschine, 56 wieder ausgeschieden.« Prozent der Deutschen haben eine daheim. Im— Bernd Schaefer, merhin 14 Prozent setzen Leiter der Fachgruppe auf die Espressokanne für den Herd, die, wie die Lebensmitteltoxiko­ Kapseln, meist aus Alumilogie des BfR nium besteht. Glaubt man Fans der Alu-„Mokka«, wie man sie im Herkunftsland Italien nennt, bildet sich beim Kochvorgang an der Metall­ oberfläche eine schützende Schicht, wodurch kein Aluminium in den Kaffee gerät. »Diese Schicht bildet sich auch, man kann sie mit freiem Auge sehen, aber unter dem Elektronenmikroskop sieht man auch, wie sie bröckelt und löchrig wird«, sagt der Chemiker Jirsa. Ein Forschungsteam um Jirsa hat untersucht, welche Kaffeezubereitungsmethode am wenigsten Aluminium im Kaffee hinterlässt. Klare Verliererin war die Espressokanne aus Alu. »Wir haWie viel Alu ist ben herausgefunden, dass bei der Kanne eine ungefährlich? signifikant höhere Alu-Menge ins Wasser geDie laut deutschem langt«, sagt Jirsa. »Die gute Nachricht ist wider Bundesinstitut für Risiko­ bewertung »duldbare Erwarten, dass das Kaffeepulver einen Teil diewöchentliche Aufnahmeses Aluminiums wieder absorbiert.« menge« von Aluminium liegt bei einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Grenzwerte werden nicht erreicht Aber ist der Kaffee aus der Mokkakanne gesundheitsschädlich? Nicht zwangsläufig. Allerdings gibt es wegen des Verdachts auf gesundheitliche Schäden von der efsa die Empfehlung, den Grenzwert von einem Milligramm Aluminium pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche nicht zu überschreiten. Gemeint ist hier die orale Aufnahme durch Lebensmittel. »Diesen Grenzwert erreicht man mit bloßem Kaf-

feekonsum nicht«, meint Franz Jirsa. »Wenn man eine Woche lang jeden Tag einen halben Liter Kaffee aus der Espressokanne trinkt, nimmt man etwa 0,3 bis 0,5 Prozent des Grenz­ werts auf.« Die efsa geht bei dem auf ein Milligramm festgelegten Grenzwert von der durchschnittlichen Aluminiumaufnahme eines erwachsenen Menschen aus. Normalerweise liege die zwischen 0,2 und 1,5 Milligramm pro Woche, gibt die efsa auf Nachfrage von biorama an. Solche Grenzwerte seien meist sehr niedrig angesetzt, um auf der sicheren Seite zu sein, erklärt der Chemiker Franz Jirsa. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schätzt allerdings, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Durchschnitt über Lebensmittel bereits die Hälfte der »duldbaren wöchentlichen Aufnahmemenge« zu sich nimmt, wobei hier Kosmetika wie Antitranspirante noch nicht einberechnet sind. Unter dieser »duldbaren Menge« versteht das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung jene Menge, die man pro Woche aufnehmen kann, ohne Gesundheitsschäden erwarten zu müssen. Kaffee ist also nur eine von vielen potenziellen Aluminiumquellen. Aber eine, die man leicht umgehen kann, indem man beispielsweise eine Espressokanne aus Edelstahl verwendet. »Man sollte, wenn man es sich aussuchen kann, Aluminium in jeder Form meiden«, meint der Chemiker Jirsa. Das empfiehlt auch das BfR. Nimmt man über lange Zeiträume erhöhte Aluminiummengen zu sich, könne sich das Aluminium im Körper an bestimmten Stellen anreichern. »Einmal im Körper eingelagertes Aluminium wird nur sehr langsam wieder ausgeschieden«, betont Bernd Schaefer, Leiter der Fachgruppe Lebensmitteltoxikologie am BfR. Betroffen seien davon vor allem das Skelett, Muskeln, Nieren, Leber und das Gehirn. Es gibt noch einen anderen guten Grund, Aluminium zu meiden: Die Produktion belastet die Umwelt enorm. Dabei fällt der sogenannte Rotschlamm an, der als Giftmüll in großen Becken gelagert wird und Boden, Wasser und somit AnwohnerInnen in den Exportländern verseucht. Jede Tasse Kaffee, die ohne Alu-Kapseln, zum Beispiel in einer Edelstahl-Mokka, zubereitet wurde, kann dazu beitragen, dieses Problem einzudämmen.


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MIL C HS C HAUM VEGAn

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Muh-loser Milchschaum Lange Zeit haben Cappuccino-Fans einen großen Bogen um vegane Milchprodukte gemacht. Mittlerweile mischen schäumbare Milchalternativen die Supermarktregale auf.

B ild B iorama/Mic ha el Mickl

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er jährliche Kaffeekonsum liegt bei rund 150 Litern pro Person, eine Tasse Kaffee hat einen durchschnittlichen CO2-Fußabdruck von 74,9 Gramm. Laut der Freiburger Forschungseinrichtung Öko-Institut variieren die Werte zwischen 8,5 und 13 Kilogramm ausgestoßenen CO2-Äquivalenten pro Kilogramm Kaffee. Den größten Anteil hat dabei nicht wie vielleicht vermutet der Transport, sondern die Produktion der Rohstoffe, also der Anbau des Kaffees und die Produktion der Milch oder Milchalternativen. Betrachtet man die gesamte Produktionskette, verursacht zum Beispiel Hafermilch durchschnittlich drei bis vier Mal weniger CO2-Emissionen als Kuhmilch. Aber nicht nur Kaffee, auch

Soja, Mandeln oder Hafer werden häufig in dem Regenwald abgetrotzten Monokulturen angebaut. Die einseitige Bepflanzung führt zu nährstoffarmen Böden, die wiederum aufwändig gedüngt werden müssen und so die Umwelt enorm belasten. Während eine Auswahl an biologischen Getreide-, Soja- oder Nussdrinks vor einigen Jahren fast noch nicht existent war, befinden sich die Supermarktregale mittlerweile in radikalem Umbau. Immer wieder kommen neue biozertifizierte Milchalternativen dazu und machen das ökologisch verantwortungsvolle Einkaufen leichter. Viele werben mit dem Zusatz »Barista« für ein perfektes Schaumergebnis. Doch welche von ihnen bekommt die goldene Schaumkrone verliehen?

Text Leonie Stieber


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MIL C HS C HAUM VEGAn

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Der Basic Drink:

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Aus europäischem Hafer und Soja hergestellt und mit einem Verhältnis von fünf zu eins sorgt der hohe Haferanteil für einen angenehm milden, leicht süßlichen Geschmack. Die Süße entsteht durch Fermentation des Hafers. Warum dann noch Soja? Der höhere Proteingehalt der Sojamilch sorgt für die Schaumkrone. Denn je höher der Eiweißgehalt, desto fester der Schaum. Manche reine Sojamilch verfehlt dabei die Barista-Idee und driftet Richtung Bauschaum davon – dieses Risiko geht man mit dem feinen Schaum des Barista Hafer Drinks von Dennree allerdings nicht ein.

Der Abgehobene:

Dieser Barista-Sojadrink von Allos ist ebenfalls glutenfrei und außerdem ein Südländer: hergestellt aus italienischem Soja. Dieses verleiht ihm, einmal geschlagen, eine im wahrsten Sinne des Wortes un(zer)schlagbare Konsistenz. So stabil, dass selbst nervöse KaffeedauerumrührerInnen ihm nichts anhaben können. Der Schaum scheint abgehoben, lieber für sich bleiben zu wollen. Stark auch die Sojanote. Dafür weniger süß. Ab 2,49 Euro, erhältlich u. a. im Denns Biomarkt.

Ab 1,49 Euro, erhältlich im Denns Biomarkt.

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Die Nussige:

Nussfans aufgepasst! Die Almond Barista Professional von Ecomil bringt Mandelgeschmack in den Kaffee – und das nicht zu knapp! Für EinsteigerInnen oder »Schmeckt doch fast gleich«-VerfechterInnen nicht unbedingt geeignet. Fortgeschrittene begrüßen sie als einen der wenigen Barista-Nuss-Drinks. Der höhere Fettgehalt der Nuss verleiht Glanz, durch das nicht vorhandene Gluten gewinnt sie ihre eigene Fangruppe. Ab 2,99 Euro, erhältlich u. a. bei MaranVegan oder online.

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Das nette Nordlicht:

Wie der Name vermuten lässt, ist der Oat Drink Organic am weitesten gereist. Wie auch der vielumworbene Oatly-Haferdrink kommt er aus Schweden – aber immerhin: Die Verpackung wirbt mit ihrer CO2-Neutralität. Im Gegensatz zum Marketingriesen Oatly produziert Aito auch den Barista-Drink biologisch, aus Hafer und ohne Soja – dafür erstaunlich fein aufschlagbar. Mit süßem, leicht nussigem Geschmack – verzeiht man ihm die weite Anreise, durchaus überzeugend. Ab 2,19 Euro, erhältlich u. a. im Denns Biomarkt.


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Die Überzeugende:

Wie schlussendlich immer: Die inneren Werte zählen – solange es nicht auf »instagramable Latte-Art« ankommt. Der Schaum ist eher kurzlebig, dafür ist der Haferdrink mit Soja überzeugend im Geschmack und durch das beigemischte Soja weniger süß. Ein weiteres Argument: Mit 1,45 Euro in Deutschland und 1,55 Euro in Österreich zählt der Dm bio-Drink zu den günstigsten. Dieses unschlag-

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Der Öko unter den Öko-Drinks:

Der Voelkel Hafer Barista Drink ist nicht nur als Einziger in einer Mehrwegglasflasche zu kaufen, sondern auch – trotz Vollkorn-Hafer-Basis – glutenfrei. Cremig, feinporig. Obwohl das nach der Haferdrink-Goldmedaille schreit: Empfindliche Geschmacks­ knospen werden den Drink als leicht bitter empfinden, mit Kaffee gibt sich das wieder ein wenig.

Bild B iorama /Mi chael Mickl

Ab 2,81 Euro, erhältlich u. a. bei Talea Goes Vegan.

bare Preis-Leistungs-Verhältnis setzt ihm die goldene Schaumkrone auf! Die Verpackung gibt einen anschaulich bebilderten Geheimtipp zur richtigen Entsorgung obendrauf – denn es scheint immer noch ein deutsches Staatsgeheimnis zu sein, dass Karton und Deckel getrennt voneinander entsorgt werden müssen. Ab 1,45 Euro, erhältlich bei Dm.

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Das süSSe Schaumbad:

Für LiebhaberInnen des süßen Schaumgenusses absolut empfehlenswert! Obwohl Soja hinzugefügt wurde, ist der Natumi Hafer Barista etwas süßer als andere Misch-Drinks, dennoch angenehm im Geschmack, mit Kaffee sowieso – zählt definitiv zu den persönlichen Favoriten! In Deutschland aus deutschem Hafer hergestellt! Ab 2,49 Euro, erhältlich u. a. im Denns Biomarkt.


ORF RADIOKULTURHAUS DIE HIGHLIGHTS IM JÄNNER 2021 20.

23.

MITTWOCH

SAMSTAG

Liener präsentiert LIENER

Bei "Live@RKH" präsentieren Kreisky ihr neues Album "Atlantis", das am 22. Jänner erscheinen und im Großen Sendesaal exklusiv vorab aufgeführt wird. Video-Livestream > Großer Sendesaal – 20:00 Uhr – Eintritt: EUR 19,–*

Vielschichtig, tiefgründig, augenzwinkernd und manchmal vielleicht ein bisschen verrückt – dafür steht der deutschsprachige Elektropop von Matthias Liener. > Großer Sendesaal – 19:30 Uhr – Eintritt: EUR 20,–*

© Ingo Pertramer

© Dan D. Joseph

Live@RKH: Kreisky

Matthias Liener

28.

DONNERSTAG

Kreisky

Wiener Rebellion

22.

Das hochkarätig besetzte Mikrofestival macht mit elektronisch erweiterten, "barrierefrei-modern-klassischen" Kompositionen, die Herz und Hirn erfüllen, Lust auf Revolte. > Großer Sendesaal – 19:30 Uhr – Eintritt: EUR 22,–*

FREITAG

SoloTogether: Sophie Lindinger & OSKA

Sophie Lindinger

© Teresa Marenzi

OSKA

© Reinhard Mayr

© Julia Haimburger

© Tim Cavadini

© Hanna Fasching

©

Mit Sophie Lindinger und OSKA treffen zwei vielseitige wie starke Persönlichkeiten des jungen österreichischen Pop aufeinander. Video-Livestream > Großer Sendesaal – 20:00 Uhr – Eintritt: EUR 19,–*

The Playbackdolls, Lukas Lauermann, Michael Hornek und Willi Landl

ORF RadioKulturhaus Video-Livestream Der Große Sendesaal bei Ihnen zu Hause! Erleben Sie ausgewählte Veranstaltungshighlights live auf Ihrem Computer, Smartphone, Tablet oder TV-Gerät. Unsere Video-Livestreams stellen wir für Sie auf radiokulturhaus.ORF.at bereit.

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ORF RadioKulturhaus, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien Kartenbüro: (01) 501 70-377 – Weitere Informationen und Online-Tickets finden Sie auf unserer Website:

radiokulturhaus.ORF.at


Zu c k e r para de

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65 Text und bild Jürgen Schmücking

SüSSer die Glucken nie klangen ... Biozucker und Alternativen.

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Zu c k e r pa r a de

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uch wenn es sehr frühe, prähistorische Hinweise auf Zuckerrohranbau in Asien gibt, so richtig los geht es erst ab dem 15. Jahrhundert. Also mit der »Entdeckung« der Karibik. Ein Vierteljahrhundert später wird noch etwas anderes entdeckt: der Zuckergehalt der Rübe. Und noch einmal hundert Jahre später, 1840, wird der Zuckerwürfel erfunden. Von da an ging die Post ab. Anfangs war der Zucker noch ein koloniales Luxusgut. Eine exotische Substanz, um die

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Biotiva Für Dich, Bio Xylit

Xylit klingt erst einmal gefährlich. »Was mit Xyla beginnt, ist gut fürs Holz« war ein Werbespruch in den 80ern. Für Lack und Holzschutzmittel. Der Bezug zum Holz passt aber. Xylit ist Zucker, der aus der Rinde von Birken hergestellt wird. Aus den Pflanzenfasern wird erst Xylose, dann der weiße Birkenzucker gemacht. Sein Vorteil: ein wesentlich niedrigerer glykämischer Index als herkömmlicher Zucker (gut also für DiabetikerInnen oder Menschen knapp davor). Sein Nachteil: geschmacklich gewöhnungsbedürftig. biotiva.de

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Wiener Zucker (Agrana), Bio Staubzucker (nach Wiener Art)

Kein Apfelstrudel, keine Marillenpalatschinke, kein Topfenknöderl und kein Kaiserschmarrn. Ohne Staubzucker geht zumindest in der Wiener Mehlspeisküche rein gar nichts. Österreichische Biozuckerrüben liefern die Basis für den Zucker. Der zuerst gewonnene Kristallzucker wird dann fein vermahlen und gesiebt. Das ist unabdingbar für süße Saucen und Glasuren. Und natürlich zum Backen. Geschmacklich ist der Wiener Zucker sowieso eins a. Als Würfel-, Kristall- oder Gelierzucker. agrana.at

feinen und neugierigen Gaumen des Adels zu befriedigen. Aber die Gier nach Süßem war (und ist) groß und die Nachfrage schoss in die Höhe. Bis hin zum veritablen gesellschaftlichen Problem, bekannt als Diabetes mellitus und Adipositas. Die Medizin macht uns unmissverständlich klar, dass Zucker nicht ganz so super für unseren Körper ist. Einverstanden. Dann eben weniger davon. Aber wenn schon weniger, dann lieber nur vom Besten. Hier eine kleine Orientierung.

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EZA Fairer Handel, Mascobado – Vollrohrzucker

Mascobado ist der Name für den tropischen Vollrohrzucker. Also Zuckerrohr statt Zuckerrübe. Das Zuckerrohr wird dabei gepresst und entsaftet, der Saft eingedickt, getrocknet und gemahlen. Vor allem wird er nicht raffiniert, weshalb er dunkel ist und optisch nicht viel hermacht. eza Fairer Handel hat philippinische Bäuerinnen und Bauern von der Insel Panay als PartnerInnen gefunden. Geschmacklich ist der Mascobado (manchmal auch Muscovado) recht markant: dunkle Lakritze, sattes Karamell. Hart, aber herzlich. eza.cc

4

Alnatura, Bio Rohrohrzucker

Viel näher am klassischen (raffinierten und deshalb schneeweißen) Zucker ist der Bio-Rohrohrzucker von Alnatura. Zwar immer noch nicht ganz weiß (eher zart golden) und geschmacklich eher mild und ausgewogen. Die Herkunft ist Kolumbien. Einsatzgebiet: Kuchen, Torten, Weihnachtskekse. Und wenn das mit dem Backen nicht so leicht von der Hand gehen will: Auf der Verpackung ist neben der Kalorien-Information auch noch ein Rezept für Lemon Curd. alnatura.de


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Bioenergie GW, Bio Agavenzucker

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Vor dem Verkosten war da die ganz kleine Hoffnung, dass der Agavenzucker (immerhin von der blauen Weber-Agave aus dem mexikanischen Hochland) zumindest ein wenig nach Tequila schmeckt. Tut er nicht. Gut ist er trotzdem. Ein ausgesprochen milder, aber sehr süßer Zucker. Perfekt für Drinks und Limonaden. Hergestellt wird er übrigens aus Agavendicksaft und einem Hauch Maltodextrin. bioenergie-gw.at

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Sonnentor, Bio Kokosblütenzucker

Unfassbar, was 5 Prozent Zimt ausmachen. Zimt-Zucker vom deutschen Bio-Gewürz-Zampano Lebensbaum ist eigentlich eine Gewürzmischung. Eben aus Zimt und Zucker. 95 Prozent Rohrohrzucker (etwas feiner gemahlen) und 5 Prozent Zimt. Diese 5 Prozent springen förmlich aus dem Streuer, wenn man ihn öffnet. Der Duft steigt durch die Nase und löst im limbischen System einen explosiven Flashback aus. Kindheit, Winter, Weihnacht. lebensbaum.de

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Lakritz und Karamell! Pur!! Und dunkler, rustikaler Waldhonig. Geschmacklich ist der Kokosblütenzucker von Sonnentor ein Wahnsinn. Bühne frei also für kreative Anwendungen im Dessertbereich. Für den Kokosblütenzucker werden die Blütenstände verarbeitet. Eingekocht und kristallisiert (getrocknet), um genau zu sein. Wie gesagt – ein sensorischer Segen aus Indonesien. Und auch eine Spur gesünder als raffinierter Zucker. sonnentor.at

Lebensbaum, Zimt-Zucker (demeter)

Spicebar, Geräucherter Zucker

Geräucherter Zucker? Echt? Spicebar hat das gemacht und das Ergebnis ist verblüffend. Und das Einsatzgebiet vielfältiger als vermutet. Leber zum Beispiel. Es muss nämlich nicht die tierquälerische Stopfleber sein. Auch Biogansl haben gute Lebern, und wenn man die karamellisieren möchte, erreicht man mit dem geräucherten Zucker erstaunliche Aromen. Oder für Grill Rubs, Marinaden oder selbstgemachtes Ketchup. spicebar.de

Bild Istock.c om/mi nhm2m, Isto ck.com/Kse ni ca , Istock.co m/ Se rhii Brovko

DIY

+ 300 Gramm Schlägler Roggen

+ 500 Milliliter Wasser

750 Gramm Rübenzucker

DIY-Tipp: Malzsirup Man kann den Tee oder das Müsli natürlich auch mit Malzsirup süßen. Geschmacklich geht das dann in Richtung Blockmalz und ist einfach (wenn auch nicht gerade schnell) gemacht. 300 Gramm gemälzten Schlägler Roggen (bekommt man bei den Farthofers in Öhling) in einem halben Liter Wasser ziehen lassen. Acht Stunden. Minimum. Dann mit 750 Gramm Rübenzucker aufkochen und etwas einkochen. Abfüllen. Fertig. destillerie-farthofer.at



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LANGE UNTER WÄS CHE

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Warm ist sexy Hauptsache warm – lange Unterwäsche von vier Labels mit gotsZertifizierung, die sich auch sehen lassen könnte

Bild MichÈle Pauty

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b Funktionswäsche tatsächlich ästhetischer klingt als lange Unterwäsche, ist wohl Geschmacksache – und wie sie heißt, ist eigentlich auch total egal. Wichtig ist hingegen, dass sie warm hält und dass man sich darin wohlfühlt. Wie das geht, wissen die folgenden vier HerstellerInnen, die mit dem Global Organic Textile Standard zertifiziert sind – der weltweit wichtigste Standard zur Zertifizierung von Baumwolle, aber auch für Wolle und für die Verarbeitung von Textilien. Die mit dem gots-Siegel ausgezeichneten Naturprodukte müssen aus mindestens 70 Prozent ökologisch erzeugter Naturfaser bestehen, außerdem müssen unter anderem alle eingesetzten chemischen Zusätze,

beispielsweise Farbstoffe, bestimmte umweltrelevante Kriterien erfüllen. Der gots garantiert außerdem vergleichsweise hohe Tierhaltungsstandards: Um das Zertifikat zu erhalten, ist seit 2016 mulesingfreie Tierhaltung Voraussetzung.

Schlicht und zeitlos Ungefähr 80 bis 90 Prozent der Mode von Grüne Erde sind gots-zertifiziert, den Standard hat das Unternehmen seit 2010, geprüft wird jedes Jahr neu. Das Damenunterwäsche-Wollset ist schlicht und zeitlos, die Hose kann auch als Leggings getragen werden. Die Option in der Farbe »Ziegel« bringt Farbe in graue Wintertage. grueneerde.com


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LANGE UNTER WÄS CHE

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Warme Farben für kalte Tage Die lange Unterwäsche von Living Crafts wird zwar etwas bieder präsentiert, doch die Sets für Männer und Frauen bestechen neben dem hohen Zertifizierungsstandard auch durch Funktionalität. Doch auch unter das schlichte Design haben sich einige bunte Farben gemischt. livingcrafts.de

Tragekomfort für GroSS und Klein Die Marke Hans Natur hat sich auf Kinderund Babymode spezialisiert, doch mittlerweile werden hier auch Mama und Papa fündig. Die Kinderunterwäsche aus Biobaumwolle gibt es in so süßen Mustern und Farben, dass sie automatisch die Laune aufhellen. Die Unterwäsche für die Eltern ist aus Wolle und Seide und ohne Seitennähte gefertigt, das bringt Tragekomfort. hans-natur.de

MULESING

Der Klassiker Die Fairtrade-Leggings von Comazo ist aus Biobaumwolle und ein Basic, das in jedem Kleiderschrank gut aufgehoben ist. Leider gibt es bisher nur die Damenversion gots-zertifiziert. Eine Besonderheit bei Comazo: für die Produktfotos modeln die MitarbeiterInnen. comazo.de

Bild www. comazo .de. ,Living crafts

Beim Mulesing werden den jungen Lämmern im Bereich des Schwanzes große Hautund Fleischstreifen entfernt, oft ohne Betäubung. Durch diese grausame Methode soll das Einnisten von Parasiten in den Hautfalten verhindert werden.


UNSER BIO -SONNEN-URA IST ZURÜCK!

GUT FÜR UNS Unser Bio-Sonnen-Ura wird ganz ohne Backhefe gebacken und bekommt genügend Zeit, bis die Sonne auf der Brotkruste aufgehen kann. Unsere Bio-Bäcker und Bio-Bäckerinnen machen das Brotbacken zu einer Kunst, die nichts Künstliches verträgt.

UND DIE NATUR NATÜR LICH

Der Sauerteig aus dem selten gewordenen Schlägler Ur-Roggen verleiht dem Brot einen besonderen Geschmack und hält es länger frisch.

Gibts bei:

janatuerlich.at


Gemeinsam mit NachwuchsdesignerInnen hat die Post neue Produkte aus alten Uniformen entwerfen lassen. Nun sollen diese in Serienproduktion gehen.

Bild  Ö ste rreichische Post AG, Marti n Mühl

Re:Post – Alter Stoff mit neuem Sinn


Potenziale ausschöpfen Am ersten Labor im Februar 2020 nahmen 20 DesignerInnen teil und ließen ihren Ideen in aktuell leerstehenden Räumlichkeiten der Post in Wien-Donaustadt freien Lauf. Dabei wurden Taschen aus Jacken entwickelt, Zelte entworfen, Autositzüberzüge mit besonders vielen Taschen oder auch eine Reihe von Accessoires für Haustiere. Geleitet wurde der Workshop von Industrie- und Textildesignerin Lisa Klingersberger. Nach einer Zwischenrunde, in der unter anderem Helga Ruthner von Wendy & Jim Feedback und praktische Tipps gab, wurden die Entwürfe einer Jury vorgelegt,

ENTGELTLICHE kooperation

Die Post hat 2020 ein viel beachtetes Upcycling-Projekt in Österreich gestartet. 2019 haben die rund 12.000 MitarbeiterInnen der Post neue – von Martina Hoermanseder designte – Uniformen bekommen. Die Aufgabe von Re:Post war es, den alten Uniformen durch Umwandlung in neue Produkte einen ebenso neuen Zweck zu geben. Einerseits Produkte, die wieder den MitarbeiterInnen der Post zur Verfügung stehen und zugutekommen. Aber auch Produkte, die KundInnen und FreundInnen der Marke Post gerne kaufen und verwenden. Nachdem die Uniformen aller ZustellerInnen, MitarbeiterInnen in den Filialen und in der Logistik ausgetauscht wurden, ist nicht nur die Anzahl der Uniformen groß, sondern auch die Bandbreite der Materialien: Hosen, Hemden und Kappen, aber auch Outdoorjacken und Krawatten boten viele Möglichkeiten wie Herausforderungen, die Materialeigenschaften sinnvoll zu nutzen. Als PartnerIn für die Suche nach den neuen Produkten konnte die Post das Poolbar-Festival gewinnen, dessen Poolbar-Generator schon in der Vergangenheit Studierende und Kreative in Form von Workshops versammelte, um neuartige Lösungen zu entwickeln. »Im Poolbar-Generator, dem Labor für Festival-Design, wird jährlich eine neue Gestaltung des Vorarlberger Poolbar-Festivals auf mehreren Ebenen vorangetrieben. Architektur, Grafik, Kunst, Produktdesign – oft verbunden mit Upcycling und Nachhaltigkeit. Wir sind stolz, dass wir gemeinsam mit einer so engagierten und renommierten PartnerIn wie der Post nun unsere Kompetenzen für Re:Post einsetzen konnten«, zeigt sich Herwig Bauer, Geschäftsführer des Poolbar-Festivals, erfreut. biorama begleitete Re:Post im gesamten Ablauf des Projekts. Gemeinsam wurden NachwuchsdesignerInnen dazu aufgerufen, an Re:Post teilzunehmen – an einigen Universitäten gab es dafür auch ects-Punkte.


Jacken sind das Ausgangsmaterial für Taschen, Schlafsäcke und andere Utensilien.

B ild  Österre ichische Post AG

ENTGELTLICHE kooperation

Aus Krawatten lassen sich Hunde-Accessoires machen.

die entschied, welche der Entwürfe in einem zweiten Labor weiterentwickelt und für die Serienproduktion finalisiert werden. »Abfall hat eine große Bedeutung bekommen und ist zu einem globalen Thema und Problem geworden« erklärt Fidel Peugeot vom Designstudio Walking Chair, der den Workshop begleitete: »Ich hoffe, dass dieser Workshop im weiteren Sinn die Bevölkerung und KundInnen der Post berührt und alle mitmachen, in Zukunft mehr zu recyceln.« Franziska Möhrle und Valerie Rainer, die die Studierenden im Rahmen beider Labore aktiv begleitet haben und ihnen zur Seite standen, ergänzten: »Genau wie Fidel sehen auch wir in dem Re:Post-Generator das Potenzial, mit jungen, kreativen Leuten nachhaltig Zukunft zu gestalten, indem mit der Gegenwart umgegangen wird. Neu denken, umkrempeln und Potenziale aus all dem schöpfen, was bereits da ist, weiterdenken und umsetzen, denn der Tisch ist reich gedeckt.« Dieses Nachbearbeitungslabor hat aufgrund der Pandemie letztlich erst im November 2020 stattgefunden. Unter der Leitung von Marie Nemeth und Silvia Stocker vom Wiener Designstudio Studiotut wurden die Prototypen für die weitere Produktion vorbereitet. Derzeit ist die Post auf der Suche nach Unternehmen und Werkstätten, die die Serienproduktion übernehmen und dabei die Denkanstöße und Erfahrungen aus den Laboren aufnehmen. Sehr gerne würde die Post hier mit Unternehmen zusammenarbeiten, die etwa mit sozial benachteiligten Menschen oder Menschen mit Unterstützungsbedarf arbeiten. Im Laufe des ersten Halbjahres 2021 sollen die Produkte einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Artikel werden den MitarbeiterInnen zur Verfügung gestellt und über den Post-Fanshop verkauft. »Unserer Verantwortung als Big Player gegenüber nachfolgenden Generationen begegnen wir mit der Kraft der Erneuerung. Als Traditionsunternehmen glauben wir fest an die Kreislaufwirtschaft und beweisen mit dem Projekt Re:Post, dass sie machbar ist. Jetzt freuen wir uns darauf, die nächsten Schritte in der Serienfertigung der Designs zu setzen«, zeigt sich Daniel-Sebastian Mühlbach, der bei der Österreichischen Post den Bereich »Corporate Social Responsibility & Umweltmanagement« leitet, optimistisch.


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Kantinenessen KüchenvisionärInnen bieten gratis ihre Rezepte für viele an.

Bild  John Brömst rup , Kanti ne Z ukunft

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Eine Initiative aus KöchInnen und Kücheninteressierten hat sich zusammengetan, um das Angebot der Berliner Gemeinschaftsgastronomie zu verbessern. Die »Kantine Zukunft« hat dazu ein Kochbuch mit 15 ­Rezepten und Gedanken von 15 KöchInnen aus Kantinen sowie Restaurants, BerufsschullehrerInnen und internationale PionierInnen der Biobewegung zusammengestellt. Das Buch gibt es in gedruckter Form, aber auch kostenlos zum Download. Zwei davon haben wir gleich downgeloadet.

Aubergine scharfe Tomate Joghurt von Patrick Wodni Zutaten für 10 Portionen • 15 Auberginen • 2 Knoblauchzehen • 300 ml Olivenöl • 2 kg Tomaten in Stücken (Dose) • 500 g Zwiebeln • 1 scharfe Chili • Salz

• Ras el-Hanout, nach Geschmack • 3 Zitronen (Abrieb) • 5 Minzblätter • 500 g Joghurt • 1/2 Bund glatte Petersilie • 1 Zweig Koriander • Öl zum Frittieren

»Für viele – Rezepte für Kantine der Zukunft« Ist im November 2020 erschienen und kann bestellt oder downgeloaded werden auf kantine-zukunft.de


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Gebackene Rote Bete, Selleriestampf und Kichererbsen mit Za’tar vOttmar Pohl-Hoffbauer Zutaten für 10 Portionen • 2 kg Rote Bete • 1,2 kg Sellerie • 700 g Zwiebeln • 800 g Kartoffeln (mehlig) • 600 g Kichererbsen • 50 g Portulak • 50g Petersilie • Sesam

• Thymian • Schabziger Klee • Fenchelsaat • Kreuzkümmel • Kurkuma • Sonnenblumenkerne • Olivenöl

Am Vortag: Kichererbsen in Wasser einweichen. Sonnenblumenkerne in der trockenen Pfanne rösten. Sesam in der trockenen Pfanne anrösten. Im Verhältnis 1 (Thymian) zu 3 (Sesam) in der Küchenmaschine mahlen. Die Mischung mit Salz und Schabziger Klee abschmecken.

Am Zubereitungstag: Sellerie, Kartoffeln und Zwiebeln schälen, in grobe Stücke schneiden und in Olivenöl anbraten. Fenchelsaat mahlen, hinzugeben und mitrösten. Mit Wasser bedecken, salzen, Kurkuma hinzugeben und für etwa 20 Minuten köcheln lassen. Abgießen und warmhalten. Die Rote Bete schälen und in grobe, ungleichmäßige Stücke schneiden. Mit Olivenöl und Kreuzkümmel marinieren. Bei etwa 250 °C im Ofen (trockene Hitze) für etwa 15–20 Minuten backen.

Bild  John Brömst rup

Für das Baba Ghanoush 10 Auberginen entweder über der offenen Flamme oder am Gasherd ca. 15 Minuten rösten, bis die Schale verbrannt, rissig und das Fruchtfleisch weich ist. Oder im Backofen unter dem heißen Grill rösten. Dafür die Aubergine mehrfach einstechen und ca. 1 Stunde in den Ofen schieben, bis sie aufplatzt. Die Knoblauchzehen mit der Schale ebenfalls rösten, bis sie schön weich ist. Das Fruchtfleisch von Aubergine und Knoblauch aus der Schale kratzen und die Schale auf den Kompost werfen. Nun alles in einer Schüssel mit Zitronenabrieb und den Minzblättern, Olivenöl, Salz und Ras el-Hanout vermischen. Für die Soße Olivenöl in einem Topf erhitzen, Zwiebeln mit Knoblauch und etwas Ras elHanout anschwitzen, bis sie weich sind. Chili, Tomaten und Salz hinzufügen und 15 Min. köcheln lassen, bis eine relativ dicke Sauce entstanden ist. Nochmal abschmecken und zur Seite stellen. Die übrigen fünf Auberginen halbieren und salzen. In 160 °C heißem Fett weich frittieren und danach abtropfen lassen. Den Joghurt »natur« belassen. Baba Ghanoush in die Tellermitte geben, Aubergine darauf platzieren und mit der scharfen Soße nappieren. Zum Servieren Joghurt dazugeben und Petersilie und Koriander darüber zupfen.


»60 Prozent Biobebensmittel in Verbindung mit intensiver Beratung sind unsere Instrumente, die dabei helfen die Gemeinschaftsgastronomie voranzubringen.« —  Dr. Philipp Stierand, Projektleiter der Kantine Zukunft Kichererbsen kochen. Nach dem Kochen die Erbsen leicht andrücken und mit Zitronensaft, Olivenöl, Za’tar und Kreuzkümmel marinieren. Sellerie und Kartoffeln stampfen, mit allen bisher benutzen Würzmitteln sowie Olivenöl abschmecken und flach auf dem Teller ausstreichen. Die Rote Bete auf dem Selleriestampf anrichten und die Kichererbsen darüber geben. Mit viel Petersilie und Portulak servieren. Mit Za’tar und den gerösteten Sonnenblumenkernen anrichten.


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Au s d e m Ve r l ag

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UnD sonst so, im bioramaUniversum ... Print

BIORAMA BIOKÜCHE 2021

Das BIORAMA-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die dritte Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Biogastronomie, Biomärkte und Biocatering genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum Neusiedler See. Ein Schwerpunkt widmet sich österreichischen Mehlspeisen, Rezepte gibt’s wie immer obendrauf!

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Biorama Niederösterreich #6

Die sechste BIORAMA-Niederösterreich-Regionalausgabe Im Herbst erschien bereits zum sechsten Mal die Regionalausgabe von biorama für Niederösterreich. Für all unsere LeserInnen, die mit der Geografie Österreichs nicht vertraut sind, weil sie zum Beispiel in Deutschland zuhause sind: Das Bundesland umgibt die österreichische Bundeshauptstadt Wien, enthält Berge, Seen, die eine oder andere Barockstadt, recht viel Gegend und knapp 1,7 Millionen EinwohnerInnen. Natürlich tut sich hier einiges, das aus biorama-Perspektive berichtenswert ist. Wir berichten.

BIORAMA im Kurz-Abo BIORAMA zum Kosten: 3 Ausgaben direkt in deinen Briefkasten!

Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist, kannst du es abonnieren. Das klassische Kennenlernabo ist zurück – mit dem du drei Ausgaben bekommst, dir ein Bild von unserem Magazin machen kannst und unsere unabhängige redaktionelle Arbeit unterstützt. biorama.eu/abo

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• BIO R A M A rg

Wel dein/ cher ist e Lie BioW blingsin Ös irt/in terr eich?

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Bioprodukt des Jahres

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Bereits zum dritten Mal in Folge kürten biorama und die Messe Wieselburg die »Bioprodukte des Jahres« – heuer gleich in acht Kategorien. Als Niederösterreichs Bioprodukt des Jahres wurden die Erdnüsse von Roman Romstorfer aus Raggendorf ausgezeichnet, für die der Bauer Ja! Natürlich als Vermarkter gewinnen konnte. Die umfangreiche Shortlist aller nominierten Produkte der beiden Hauptkategorien »Farm & Craft« und »Retail & Big Brand« sowie alle ausgezeichneten Produkte finden sich online. biorama.eu

ingrmrecycl Da s Unifo chischen Re:Post: ei rr er öste Projek t d Post

Event

Biogastrotrophy Immer mehr Menschen kaufen für den Hausgebrauch Bioprodukte ein. Dieser erfreulichen Entwicklung hinkt die Gastronomie hinterher. Auch wenn außer Haus essen mitunter schwierig war, hat biorama auch im Jahr 2020 wieder gemeinsam mit Bio Austria die besten BiowirtInnen Österreichs in drei Kategorien gesucht. Für 47 Biobetriebe konnte online gevotet werden, außerdem gab es einen Preis für das beste neue Biolokal und den besten zu 100 Prozent biozertifizierten Betrieb. Gewonnen haben Kolariks Luftburg (Votingsieger), das Rosencafé in Salzburg (bestes neues Lokal) und das Biohotel Rupertus in Leogang für sein umfassendes Engagement und die großartige Bioküche. biogastrotrophy.at

Das k s Ge chen für Bier n nne trinkeri

Kooperation

Re:post

Biorama hat das Upcycling-Projekt der Post begleitet. Die über 12.000 MitarbeiterInnen der Post haben 2019 neue Uniformen bekommen. Um die vielen alten Uniformen einem neuen Zweck zuzuführen, wurden in Zusammenarbeit mit dem Poolbar-Festival Labore veranstaltet, in denen junge DesignerInnen neue Produkte erdacht haben, die aus dem Material hergestellt werden können. Herausgekommen sind Taschen, Rucksäcke, Hunde-Accessoires oder auch praktische Tragegurte. Aktuell ist die Post auf der Suche nach passenden PartnerInnen – gerne mit sozialem Schwerpunkt – für die Serienproduktion.

club

Bier Club Supersud Ende 2020 starteten die KollegInnen vom craft bier fest den Bier Club Supersud – und der bietet viele Vorteile. Eintritt zu allen Craft Bier Festen für ein Jahr. • • • •

Das österreichische Bier­magazin (Abo für 4 Ausgaben) Clubkarte 6-Pack Überraschungsbiere 10 Jetons (Wert 10 Euro)

1 Jahr Bierclub d supersu o r u 39,– E

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BIORAMA

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6 Ausgaben Biorama + PrämiE*

BIOKÜCHE ÖSTERREICH 2021: 108 Seiten zur Weiterentwicklung der Biolebensmittelszene, Produkttrends und innovative ProduzentInnen, die besten Biogastronomiebetriebe, Rezepte und Küchentipps. Das biorama-Bookazine für alle, die Wert auf biologische Küche legen.


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Zur Auswahl stehen dir Auch viele weitere Prämien.*

Kochbuchempfehlung

Biofrüchtchen im 4er-set

»Immer wieder vegan« Staud s im Quartett: von Katharina Seiser; Bio Zwetschkenröster, Bio Rhabarberröster, »Immer Brandstätter, 2020. Bio Marille und Bio Rote Ribisel fein passiert. wieder vegan«

Sonnenpflege im 2er-Set Biosonnenschutz von i+m Wasserfeste Sonnenpflege auf mineralischer Basis und ohne Nanopartikel.

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E lt e r na l ltag

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Pandemieterrorverarbeitungsstrategien Text Ursel Nendzig

Es klingt nicht nur so, sondern ist tatsächlich ein langer, grässlicher Rattenschwanz. Warum ein Achtjähriger mir in der Bewältigung desselben um Nasenlängen voraus ist.

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

illustrat ion Nana Mandl

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er Sohn meiner Freundin E. ist mein neues Idol. Mittendrin in dieser chaotischen Zeit, bestehend aus Unsicherheit, Pandemie, Terror, Angst, schulfrei und zu allem Überfluss noch Novemund welche Bestimmung ist stärker als ber, hat er mich so sehr auf die richtige Spur gebracht die andere? Wer bestimmt das überwie keiner der zwölf Trillionen schlauer Artikel und haupt und warum ist heute was erlaubt, Ratschläge, die ich mir reingezogen habe. Das kam was gestern verboten war? Warum konnso: E. und ich, wir leben beide in Wien, telefonierte nicht einmal alles bleiben, wie er es ten und tauschten uns darüber aus, wie wir den Tag gewohnt war? Dieses letzte Spitzerl des nach dem Terroranschlag gehandelt haben, an dem langen Rattenschwanzes, die eine Panes unseren (wie allen Wiener) Kindern freistand, demie gepaart mit einem Terroranschlag zur Schule zu gehen. Meine Söhne – der kleine nach sich zog, war es, das ihn schließlich Volksschüler, der große Gymnasiast – blieben an überforderte. dem Tag zu Hause, weniger aus Angst vor den Meine Freundin tröstete ihn, selbst etsich vielleicht noch auf der Flucht befindenwas ratlos, aber egal, denn der Kleine wussden TäterInnen. Eher aus Angst vor den Mitte sich ohnehin zu helfen: Er würde darüber schülerInnen des großen Sohnes, die, das Hanjetzt in sein Tagebuch schreiben, verkündete dyverbot an der Schule dezent übergehend, er. Wischte die Tränen fort, nahm Buch und sicher das eine oder andere verstörende Video verachtenswerter »Nachrichten«-Plattformen parat haben » Warum kleine und große Leute würden. A., der Sohn von E., ging jedenfalls zur Schule, was für ihn einander brauchen. Nicht nur, auch völlig in Ordnung war. weil die großen auf die kleinen Dort verwirrte ihn dann aber eines: Der Turnsaal, der eigentlich aufpassen und ihnen sagen, was wegen Corona gesperrt war, war zu tun ist.« an diesem Tag offen und die Kinder durften sich darin frei beweStift zur Hand und fühlte sich augenblicklich besser. gen. Die LehrerInnen, die in die Schule Mich rührte diese Geschichte sehr. Erstens, weil kamen, beaufsichtigten dort die Kinder, der kleine, unschuldige A. sich aus diesem ganzen die in die Schule kamen, und weil alles Chaos eigenmächtig herausgezogen hat. Und zweitens, irgendwie spontan organisiert werden weil mir dadurch wieder einmal klar geworden ist, wamusste und niemand so genau wussrum kleine und große Leute einander brauchen. Nicht te, wurde eben der Turnsaal geöffnet. nur, weil die großen auf die kleinen aufpassen und ihnen Der Kleine begegnete dieser Veränsagen, was zu tun ist. Die großen mögen für die kleinen derung im ersten Moment mit Fasdie Gesamtheit im Überblick haben, sie abwägen, bewersung, bis er nachmittags zuhause ten, in Relation setzen. Die kleinen zeigen aber den grodann aber doch darüber zusammenßen, was jetzt zu tun ist, wenn der ganze Zusammenhang brach und bitterlich weinte. Es verzu überwältigend wird, es am besten ist, sich auf den einen, wirrte ihn einfach zu sehr. Wieso kleinen nächsten Schritt zu konzentrieren. ist jetzt die eine Regel außer Kraft


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Vollreife Beeren, fruchtige Apfelstückchen und Orangenschalen sowie Hibiskus und Süßholz verleihen dieser harmonisch abgestimmten dennree Tee-Komposition ihren fruchtig-aromatischen Geschmack.

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Bio-Pionier seit 1974

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Danke fürs Zusammenhalten in diesem außergewöhnlichen Jahr! Danke an Sie liebe Kundinnen & Kunden für ihre Treue, auch wenn die Regale mal leer waren. Danke an unsere Fachhändler für ihren unermüdlichen Einsatz. Danke an unsere LKW-Fahrer & Paketboten für ihr besonderes Engagement. Danke an unsere Mitarbeitenden für ihre Bereitschaft, stets das Beste zu geben. Danke an unsere Lieferanten für ihre Flexibilität, auf die erhöhte Nachfrage zu reagieren. Danke an unsere Bio-Bäuerinnen & Bauern für ihre gesunden Bio-Rohstoffe. Danke an unsere Mutter Erde die uns täglich nährt.

Wir bleiben Eine Welt – jetzt erst recht! Wir machen Bio aus Liebe.


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