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Strassenmagazin Nr. 539 2. bis 15. Dezember 2022 Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass davon gehen CHF 3.–an die Verkäufer*innen CHF 6.–Advent Fensterchen zur Welt Unser Adventskalender: Einblicke, Gedanken, Erinnerungen für jeden einzelnen Tag

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Jetzt werden wir emotional

ein Bild nach dem anderen bei uns eingetroffen. Erst mit der Zeit haben wir gemerkt: Der emotionale Bogen, den sie alle zusammen ergeben, ist erstaunlich gross. Da sind die ganz traurigen und nachdenklichen Beiträge, da werden Tränen der Rührung und Gefühle des Zusammenhalts beschrieben, es wird präzis beobachtet und lustig erinnert.

Dieses Heft ist ein Adventskalender. Den 1. Dezember, der zu Verkaufsbeginn dieser Ausgabe schon hinter uns liegt, holen wir mit diesem Editorial nach, das wir kurzerhand zu Türchen Nr. 1 erklären.

Unsere Verkäufer*innen, Kolumnist*innen, Fotograf*innen, wir selbst – und andere Menschen, die unserer Meinung nach etwas zu sagen haben – füllen jeden Dezember-Tag mit einem Beitrag. So ist in den letzten Wochen ein Text,

Illustrationen

Myriam Kaelin lebt und arbeitet in Zürich. Mit Pinsel, Stift und Pixel gestaltet sie Plakate, Getränkeetiketten und anderes für etliche Marken. Ihre Zeichnungen kommen auch in Filmen vor.

Nun wird dieses Heft bis am 15. Dezember verkauft. Aber wie Sie wissen, ist der Advent dann noch nicht vorbei. Deshalb machen wir in der nächsten Ausgabe einfach weiter, und mehr noch, wie fahren damit fort über den 24. Dezember hinaus und bis ins nächste Jahr hinein. Bis zu Weihnachten Anfang Januar, wenn es orthodoxe Christ*innen feiern, zu denen auch viele unserer eritreischen wie äthiopischen Verkaufenden gehören.

Wir wünschen Ihnen richtig lange Weihnachten!

DIANA FREI Redaktorin 4 Lea Stuber Vielleicht hörst du uns ja 7 Diana Frei «Alles Schwierige verbockseln» 10 Beni Blaser Überwintern 12 Nicolas Gabriel 5.12. 13 Klaus Petrus Nikolaus, du strenger Mann

14 Boris Müller Göttliche Komödie 16 Klaus Petrus Mariä Unbefleckte Empfängnis es ist kompliziert 18 Fokus Surprise «Ich drehe jeden Franken zweimal um» 20 Klaus Petrus Rechte für alle 22 Marguerite Meyer Fenster brennen durch die Nacht

24 Eleni Kougionis Nur das Nötigste 26 Ruedi Kälin Perspektivenwechsel 28 Florian Bachmann Nach allen Seiten 29 Michael Hofer Zeitrechnung in Schweizer Franken Impressum Surprise abonnieren 30 SurPlus Positive Firmen

Surprise 539/22 3 ILLUSTRATION COVER: MYRIAM KAELIN
Editorial
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Vielleicht hörst du uns ja

Lieber Max

Du wunderst dich vielleicht, wer dir schreibt und warum. Du kennst mich ja gar nicht. Ich kenne dich auch nicht, wahrscheinlich heisst du nicht Max, vielleicht heisst du Yassin oder Andrea oder Enrique. Du könntest mein Vater sein oder mein Götti. Mein Bruder, mein Grossvater, ein Freund, mein Nachbar oder ein Kollege. Du könntest so viele sein. Ich will ehrlich sein, Max, ich weiss nicht viel über dein Leben.Wie es dir wohl ergangen ist in den letzten Jahren, Monaten, Wochen und Tagen, in einer Zeit mit Pandemie, Krieg und Krisen? Mit lauten Debatten und leisen Sorgen?

Was ich weiss über dein Leben: Du hättest aus deiner Wohnung in einem Vorort von Bern ausziehen müssen, die neue Besitzerin des Hauses, in dem du wohntest, wollte umbauen. Deine leisen Sorgen, was sind sie schon, dachtest du vielleicht, im Vergleich zu den grossen Krisen unserer Welt? Ich überlege mir, ob du vielleicht mit einer deiner liebsten Personen darüber gesprochen hast. Oder ob du zu denjenigen gehörst, die mit niemandem reden wollen oder können. Am Tag, an dem du hättest ausziehen müssen, klingelten deine neue Nachbar*innen, die Besitzer*innen, bei dir. Wohnungsübergabe. Wenn ich darüber nachdenke, warum es auch mir schwerfällt innezuhalten und wahrzunehmen und ich stattdessen weitereile, weiter drehe, immer weiter, und dabei nur mich selber sehe, mich um mich selber drehe, dann wird mir klar, warum ich dir heute, an diesem 2. Dezember, schreibe und nicht schon viel früher. Es ist das System, in dem wir leben, ein System, das wir auch anders bauen könnten, wenn wir denn wollten und die Kraft dazu hätten. Als deine Nachbar*innen klingelten, hast du deine Tür nicht geöffnet. Die Polizei, die deine Nachbar*innen schliesslich riefen, fand dich tot in deiner Wohnung, du hast Suizid begangen.

Max, ich weiss, ich bin zu spät dran. Auch ich interessiere mich erst jetzt für dein Leben, da dein Leben zu Ende ist. Wie einfach es ist, jetzt, da du nicht mehr da bist und deine Sorgen, dein Schmerz, deine Trauer offensichtlich werden, zu fragen, warum wir deinen Tod nicht verhindern konnten. Was hätte es gebraucht, überlege ich, damit dir das Leben wieder lebenswert erschienen wäre, was immer das konkret für dich bedeutet. Eine Wohnung, die dir niemand wegnehmen kann, zum Beispiel?

Ich kenne dich nicht, Max. Mir steht es nicht zu, nach so etwas Persönlichem wie deinen Gründen zu fragen. Vielleicht sind deine Gründe jetzt auch nicht mehr so wichtig. Denn: Sie mögen persönlich sein, doch kommen deine Gründe nicht auch daher, wie wir leben, wie wir zusammenleben? Vielleicht können wir, die zu spät kommen, etwas von dir lernen. Vielleicht lehrst du uns das Innehalten und Wahrnehmen, lehrst du uns, unsere Augen und Herzen wieder zu öffnen für die Menschen um uns herum und dafür, wie es ihnen geht. Wie banal das tönt, wie abgedroschen. Ein Satz, so oft gelesen, so oft gepredigt bekommen, dass ich seine Wärme gar nicht mehr spüre. Wahrscheinlich denkst du jetzt, ich bin naiv, wenn ich sage, dass es doch so einfach sein

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könnte, wenn wir nur unsere Prioritäten neu ordneten. «Nur», sagst du vielleicht und denkst an das ganze System, das dafür neu gebaut werden müsste. In dem anderes zählen müsste als Geld, Leistung, Wachstum. Ein System, das Menschen nicht untergehen liesse, in dem wir uns nicht verlieren würden.

Heute könnte ein guter Tag sein, um mit dem Umbauen zu beginnen. Um sanft an der Hand genommen zu werden. Aber nicht, um dir einen Weg aufzuzwingen, den du gar nicht gehen willst. Sondern um zu zeigen, dass du auf dem richtigen Weg bist, egal wohin er führt, auf dem Weg, der für dich der richtige ist. Wo du ankommen wirst. Advenire würde man auf Lateinisch sagen. Advenire wie Advent. Und, Max, jetzt merke ich, vielleicht geht es gar nicht um dich oder um mich oder um die Person, die da vorne die Strasse quert. Vielleicht geht es darum, was wir alle zusammen sind. Oder was wir sein könnten. Eine fühlende, einander verbundene Gesellschaft?

Lieber Max, ich würde dir sehr gerne sagen, dass ich da bin, dass wir da sind und dich hören. Vielleicht hörst du uns ja. Ruhe im Einklang mit dir und deinem Leben.

Unterstützung bei Sorgen: Möchtest du mit jemandem reden oder chatten?

Unter der Telefonnummer 143 und 143.ch ist die Dargebotene Hand erreich bar, für Kinder und Jugendliche gibt es von Pro Juventute die Telefonnummer 147 und 147.ch, für Senior*innen 0800 890 890 und malreden.ch. Weitere Infos: reden-kann-retten.ch

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«Alles Schwierige verbockseln»

Der 3. Dezember wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen erklärt. Als Gedenk- und Aktionstag soll er das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Probleme von beeinträchtigten Menschen wachhalten und den Einsatz für ihre Würde, Rechte und ihr Wohlergehen fördern.

Wir besuchen heute Theater Hora mit ten in der Probephase des Tanzstücks «Sacre!» nach «Le sacre du printemps» von Igor Strawinsky. Seit seiner Gründung 1993 durch den Regisseur und Theaterpädago gen Michael Elber hat Hora dazu beigetra gen, die oftmals defizitorientierte öffent liche Wahrnehmung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zu verändern, indem es in der Arbeit an Theaterproduk tionen auf ihre Fähigkeiten fokussiert.

Mit Jérôme Bels Produktion «Disabled Theater» wurde die Gruppe 2012 als eine der zehn besten Inszenierungen zum Ber liner Theatertreffen eingeladen. 2016 er hielt sie vom Bundesamt für Kultur die höchste Theaterauszeichnung der Schweiz, den «Schweizer Grand Prix Theater/HansReinhart-Ring». Die Erfolge wurden nicht nur als künstlerische Leistung gefeiert, sondern auch als starkes Zeichen für die Inklusion gewertet. Theater Hora ist davon überzeugt, dass einzig die Förderung der grösstmöglichen Autonomie der Weg sein

kann, mit den Ensemblemitgliedern zu künstlerisch interessanten Resultaten zu gelangen, die zu einer echten Bereicherung der regulären Theaterlandschaft führen. Nicht die künstlerische «Normalisierung» und Anpassung der Ensemblemitglieder an die Normen und Konventionen des The aterbetriebs sei der Weg zu ihrer Inklusion, sondern die Wahrnehmung, Wertschät zung und Förderung ihrer künstlerischen und menschlichen Einzigartigkeit.

Am Gespräch sind die Ensemblemitglie der Andy Böni, Frank Häusermann und Matthias Brücker, die künstlerische Co-Lei terin Yanna Rüger und die Co-Regisseurin von Sacre! , Annina Machaz, anwesend. Auf expliziten Wunsch bleiben die Wortmel dungen bei der Verschriftlichung mög lichst nah am Original-Wortlaut der Teil nehmer*innen.

Ihr von Theater Hora bringt ein Ballett auf die Bühne. Wie ist das für euch, Andy? Andy Böni: Einfach probieren. Balletttan zen einfach probieren.

Wie habt ihr da angefangen?

Andy: Zuerst haben wir geguckt Fernsehen. Yanna Rüger: Genau. Wir haben als Erstes viele andere Inszenierungen geschaut.

Annina Machaz: Als «Le sacre du prin temps» 1913 in Paris aufgeführt wurde,

war es ein Skandal. Es war das erste Mal, dass auf der Bühne ganz anders getanzt wurde. Das war sehr radikal für diese Zeit. Deswegen fängt unser Stück auch mit ei nem Skandal an. Die Zuschauer*innen sind unzufrieden mit dem, was sie sehen, und tanzen das Stück dann selbst. Wir haben viel darüber geredet, dass man sich etwas zu eigen machen kann, das vielleicht an ders erwartet wird.

Yanna: Auch die Kostüme spiegeln diesen Ansatz wider. Die Kostümbildnerin Sophie Reble hat die Performer*innen mit einbe zogen, und jede Person hat ihr eigenes Kos tüm mitgestaltet. Und Andy Böni hilft als Assistent bei allen mit, er ist in dieser Pro duktion vor allem als Kostümmitarbeiter dabei.

Und ihr zwei spielt und tanzt?

Matthias Brücker zu Frank Häusermann: Du erklären.

Frank: Der Anfang ist so, dass wir im Kreis zusammensitzen und den Balletttänzerin nen zusehen. Wir als Zuschauer haben Sa chen an, die wir selbst genäht haben. Wir spielen Brian und Kevin.

Was sind denn das für Kostüme, die ihr anhabt?

Andy: Schön. Ich habe Gold. Und viele Haare. Eine Perücke mit langen Haaren.

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Und deines, Frank?

Frank: Also oben eine Krone. Auch mit Haaren. Hinten ein Gewand. Und vorne ein Tuch. Und eine Kette und ein Schild.

Und deines, Matthias?

Matthias: Mein Kostüm ist alles in Karton. Und alles bunt. Am Kopf auch Karton mit Papier. Roboter.

Das hört sich für mich nach einer lustvollen Befreiung aus Normen an. Geht es darum, Erwartungen zu brechen?

pier ausgedacht haben, dachten wir: Als Opfer werden oft Leute bezeichnet, die ausgegrenzt werden. Was sagt das über un sere Gesellschaft aus? Aber wir haben dann gemerkt, als wir über diese Bedeutung von Opfer gesprochen haben – also wenn je mandem etwas Schlimmes widerfährt –, dass es für euch in der Gruppe auch schwierig war, darüber zu reden, weil es in eurem Alltag ja auch ab und zu mal als Schimpfwort benutzt wird. Und deswegen haben wir ziemlich schnell gesagt: Wir ma chen diese Umdeutung.

Theater Hora

Theater Hora ist eine freie Tanz-, Theaterund Performance-Gruppe aus Zürich und in der etablierten Theaterszene lokal wie international verankert. Gleichzeitig ist Hora eine (Kultur-)Werkstatt für Menschen mit einer IV-zertifizierten «geistigen Behinde rung» (gemäss Wortlaut Hora) und als solche seit 2003 Teil der Stiftung Züriwerk, die sich für Menschen mit mehrheitlich kogniti ver Beeinträchtigung engagiert. hora.ch

Yanna: Uns ging es vor allem um die Inter pretation des Opferbegriffs. In «Le sacre du printemps» ist das Opfer das schwächste Glied. Eine Jungfrau, ein zartes Wesen, das von der Gemeinschaft zum Opfer bestimmt wird und sich zu Tode tanzen muss. In un serer Interpretation haben wir es umge dreht und uns überlegt: Wenn man sich etwas wünscht und etwas verändern möchte für sich oder die Menschen, die man liebt, oder für die Welt – was wäre man bereit zu geben? Wir haben versucht herauszufinden, wann ein Opfer etwas Heldenhaftes haben kann.

Ich denke bei einem Opfer auch erst mal eher an Ohnmacht. Habt ihr das von Anfang an umgedeutet?

Yanna: Als Stephan Stock und ich uns das als künstlerische Leiter*innen auf dem Pa

Andy, die Art, wie ihr über die Themen redet und nachdenkt, findest du das spannend?

Andy: Einfach schön.

Und gibt es etwas, das man verbessern müsste in der Welt?

Andy: Ja, dass es keinen Krieg mehr gibt. Dass wir es in der Schweiz schön haben. Dass noch mehr geknüpft wird.

Yanna: Dass sich die Welt noch mehr ver knüpft? Dass sich die Menschen noch mehr verbinden?

Andy: Ja.

Yanna: Das ist schön. Du willst immer, dass alle miteinander zu tun haben. Dass sich alle verbinden.

Frank: Ich würde wollen, dass es auf der Welt keine Drogen mehr gibt. Keine Zigaretten,

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«Ich wünsche mir, dass es keinen Krieg mehr gibt. Und dass noch mehr geknüpft wird in der Welt.»

was ungesund ist. So müsste es aussehen. Keine alkoholischen Getränke. Kein Haschisch oder Cannabis. Das dürfte es nicht geben. Ich mache mir Sorgen um die Men schen. Ich will mich für die Menschen ein setzen.

Matthias, was hast du für Vorstellungen einer besseren Welt?

Matthias zögert.

Yanna: Matthias, du hattest uns nicht ge sagt, was du verändern willst. Du hast nur gesagt, für wen.

Matthias: Richtig.

Yanna: Dass du so voller Liebe bist für deine Freundin.

Matthias: Ja, richtig.

Yanna: Dass du für sie alles tun würdest. Alle schwierigen Sachen zerdrücken und verbockseln.

Matthias: Ja, richtig!

Annina: Da hast du ein Wort gefunden, das wir beide noch nicht gekannt haben. Ver bockseln.

Yanna: Und trotzdem nochmal die Frage: Gibt es für dich in der ganzen Welt etwas, das du gerne verändern möchtest?

Matthias: Schwierig!

Annina: Du denkst lieber über deine Freunde nach, im kleinen Rahmen, als über die ganze Welt?

Matthias: Ja!

Beim Theater Hora geht es ja darum, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Wo stehen wir mit dem Thema Inklusion im Theater?

Yanna: Man merkt einen krassen Um schwung an Offenheit und Interesse an inklusiveren Theaterformen. Ein Schritt dazu waren wohl die anderen Diversitäts fragen, die zuerst angestossen wurden. Ich denke, dass die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen der nächste Schwerpunkt wird. Wir arbeiten auch mit anderen Theatern zusammen und sehen, dass sie sich zu überlegen beginnen, was es bedeuten würde, Menschen mit kogni tiver Einschränkung in ihr Ensemble auf zunehmen. Wir hatten eine Kooperation mit den Münchner Kammerspielen. Sie sind das erste Stadttheater dieser Grösse, das ein inklusives Ensemble aufgebaut hat.

Das ein super Lernfeld. Aber man merkt auch, wie anders getaktet alles ist, viel schneller, als es für beeinträchtigte Men schen machbar ist. Es ist sehr kompliziert, etablierte Abläufe so umzudenken, dass die Strukturen inklusiver werden.

Annina: Zurzeit ist Inklusion fast ein biss chen hip. Aber oft fehlt der zweite Schritt. Dass man auch bereit ist, zu fragen: Was heisst denn das konkret? Vielleicht kostet es halt ein bisschen mehr, weil auch einige Leute mehr mitkommen müssen. Vielleicht kann man nicht drei, vier, fünf Vorstellun gen hintereinander einplanen, vielleicht braucht es mal eine Pause.

Yanna: Ich denke immer, dass es für alle nur hilfreich wäre, wenn wir beeinträch tigte Menschen mehr dabeihätten. Da soll es nicht um Charity gehen, sondern um ein Geschenk an uns alle. Im Grunde ist es ein ganz grundsätzliches Missverständnis in unserer Gesellschaft, dass der menschliche Austausch weniger hoch gewertet wird als Dinge wie etwa Leistung. Eine Folge davon ist, dass man sich die Zeit füreinander nicht nimmt.

«SACRE!», ein Tanzstück von Theater Hora / Teresa Vittucci / Annina Machaz nach «Le sacre du printemps» von Igor Strawinsky, Fr, 9. Dez., So, 11. Dez., Mo, 12. Dez., Do, 15. Dez., Fr, 16. Dez., je 20 Uhr ausser Sonntag 18 Uhr, Tanzhaus Zürich, Wasserwerkstrasse 127a. tanzhaus-zuerich.ch

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«Auch andere Theater beginnen sich zu überlegen, Menschen mit kognitiver Einschränkung ins Ensemble aufzunehmen.»
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Überwintern

Es ist Anfang Dezember, und während sich die Weihnachtsmänner mit Sack und Pack auf den Weg machen, begegnet der Fotograf Beni Blaser im Dinopark in Frauenfeld noch anderen Ungeheuern bevor sie weggetragen und verstaut werden bis zum nächsten Frühling.

BENI BLASER, 59, lebt in Frauenfeld und sucht in seiner Fotografie gerne Kulturelles und Kurioses.

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5.12.

Fünf, ja fünfe Fünf vor zwölfe Höchste Not Menschen kämpfen um ihr Brot

Fünf, ja fünfe Fünfe Finger Finger spieln ein falsches Spiel

Finger drehn an den Gehirnen Führen sie weit weg vom Ziel

Schau nur richtig Entsteig dem Sumpfe und aus fünf vor zwölf wird zwölf nach fünfe

Du hast Zeit und darfst sie leben Leidenschaft wird uns gegeben

Leidenschaft ist Können, Wissen und sie kennt kein Ruhekissen

Ich will lernen bis an den Rand des Lebens Selbst im Sterben sei nichts vergebens

Fünf mal fünfe fünfundzwanzig Ein doppelt Dutzend die Nacht davor

Tief in uns da schlummert Glaube Liebe öffnet ihm das Tor

NICOLAS GABRIEL, 58, verkauft das Strassenmagazin und macht die Ausbildung zum Stadtführer der Sozialen Stadtrundgänge von Surprise.

Nikolaus, du strenger Mann

Es gibt dieses Foto aus unserem Familienalbum, aufgenommen am Abend des 6. Dezember 1973, kurz bevor es geschah. Ich sitze, ein Bub von sechs Jahren, mit weissem Rollkragenpulli auf dem roten Sofa in unserem Wohnzimmer, einen Bischofsstab in der Hand, und neben mir dieser Nikolaus, mit dem grossen Hut und dem grossen Bart und dem langen Kleid, er redet auf mich ein, derweil ich vor mich hinstarre und vermutlich denke: Was will der bloss von mir! Warum dann passierte, was passieren musste, weiss ich nicht. Meine Mutter jedenfalls fand das gar nicht lustig.

Dabei ist der Nikolaus doch ein ganz lieber, jedenfalls der Legende nach. Geboren um 280 in Patara, der heutigen Türkei, galt der Erzbischof von Myra der später eben Nikolaus genannt wurde Zeit seines Lebens als Freund der Kinder, als Patron der Gefangenen und Gefallenen und später gar als Schutzheiliger der Seefahrer und Märtyrer. Es heisst, der Mann sei aus gutem Hause gewesen. Eines Nachts kam er am Haus einer bettelarmen Fami lie vorbei. Was er sah, machte ihn zu tiefst betroffen. Aus Mitge fühl soll er heimlich Geldmünzen durch den Kamin geworfen haben, die – gewiss ein Wunder – in die darin zum Trocknen aufgehängten Socken fielen. Das machte er fortan immer wieder, bis sein gesamtes Vermögen aufgebracht war. So entstand die Tradition mit den Geschenken in Socken und Stiefeln.

Wann dem Nikolaus eine dunkle Gestalt an die Seite gestellt wurde, ist umstritten. Ab dem 16. Jahrhundert taucht dieser Grim mige jedenfalls immer öfter auf, eine Art Kinderschreckfigur, die

unartige Buben und Mädchen bestrafen sollte. Später wurde er zunehmend zu Nikolaus’ Gehilfen, der den Sack mit den Geschen ken trug (noch später kam der Esel hinzu). In Deutschland heisst er «Knecht Ruprecht», in den Niederlanden «Schwarzer Peter», bei uns ist er der «Schmutzli». (Apropos, kennen Sie den: Begeg nen sich zwei im tiefen, stockdunklen Walde, es fragt der eine den anderen: «Wer bist du?» Sagt der andere: «Ich heisse Lee, Bruce Lee. Und du?» Worauf dieser: «Ich heisse Li, Schmutzli.»)

Nach und nach wurde Schmutzli an der Seite des Nikolaus zum Sympathieträger, der die Kinder nicht länger in den Sack steckte, sondern ihnen Mandarinen und Nüsse reichte. So war es auch damals bei uns. Der Schmutzli sah zwar eigenartig aus –russschwarzes Gesicht, volle rote Lippen (was heute gar nicht mehr geht) –, doch er machte insgesamt einen freundlichen Ein druck. Ganz anders Nikolaus. Mit erhobenem Zeigefinger mahnte er mich, den Eltern aufs Wort zu gehorchen, meine Schwester nicht zu ärgern und den Hamster zu füttern.

Ich mochte das schon damals nicht: wenn mich jemand zwin gen will, brav zu tun. Das muss der Grund gewesen sein, wieso an diesem Abend passierte, was eben passieren musste. Kaum wandte dieser Nikolaus den Blick von mir ab, rannte ich mit sei nem Bischofsstab los, durch die Wohnung und aus dem Haus hi naus in die Nacht. Dass meine Mutter darüber nicht erfreut war und mit mir schimpfte, lässt darauf schliessen, dass sie mich am Ende doch noch erwischt haben. Leider.

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Göttliche Komödie

Zu Hundertausenden pilgern Gläubige aus aller Welt jedes Jahr nach Jerusalem an die Grabstätte Jesu mehr oder weniger andächtig, schien es dem Fotografen.

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BORIS MÜLLER, 49, lebt in Zürich, ist Fotograf und Bildredakteur beim Tagesanzeiger und mag Menschen und News.

Mariä Unbefleckte Empfängnis –es ist kompliziert

Es gibt wohl keinen anderen Festtag, der mit einem grösseren Missverständnis ver knüpft ist, als die Feier der unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes. Die Katho lik*innen freilich wissen Bescheid – was kein Wunder ist, ist ihre Marienverehrung bekanntlich unermesslich gross. Ja, Gott vater, der Heilige Geist und natürlich Jesus. Die Mutter Gottes jedoch, Himmelskönigin, Gnadenmutter, Heilige Jungfrau, Madonna, Mater dolorosa, Patronin voller Güte, die ihren Mantel ausbreitet, die Schirm und Schild daraus macht, damit wir darunter sicher stehen, bis alle Feinde vorüberge hen sie ist eine ganz Besondere, denn sie ist die Begnadete. Schon im Lukasevange lium steht geschrieben: «Sei gegrüsst, du Begnadete, der Herr ist mit dir.»

Aber nun zum Missverständnis, das durchaus mit Gottes Gnade zu tun hat. Auch wenn es genau danach klingt: Das Hochfest am 8. Dezember zu Ehren von Mariä Empfängnis hat mit der Geburt Jesu nichts zu tun. Dass er, der Sohn Gottes, von Maria, einer immerwährenden Jungfrau, geboren wurde, ist ein Wunder der eigenen Sorte. Bei Mariä Empfängnis geht es viel mehr um die Geburt der Mutter Gottes selbst. Ihre Eltern hiessen Joachim und Anna. Zwei Jahrzehnte lang versuchten die beiden Kinder zu bekommen, aber verge

bens. Dann endlich verkündete ein Engel Joachim, seine Frau Anna werde schon bald ein Mädchen gebären. Maria, die künftige Mutter Gottes, wurde also auf ganz natür liche Weise gezeugt und empfangen.

Was aber ein Problem ist. Denn nach christlicher Auffassung ist der Mensch mit der Erbsünde belastet – jede und jeder, ausnahmslos, befindet sich in diesem fürchterlichen Unheilzustand, an dem Adam und Eva schuld sind und an dem seit diesem Sündenfall ihre Nachfahren teil haben müssen. Sie und ich wir Normalsterblichen sind also schon von Geburt an mit dieser Last befleckt. Und Maria? Das durfte nicht sein. Sie, die Heiligste unter allen, die einzige, die als Jungfrau einem Sohn das Leben schenkte, musste vom ers ten bis zu ihrem letzten Atemzug ohne Sünde, «unbefleckt», sein.

Spätestens im 12. Jahrhundert wurde der Status von Maria als «Unbefleckte» auch kirchlich gefestigt. Der Erzbischof und Philosoph Anselm von Canterbury führte den Feiertag «Tag der Empfängnis der Allerheiligsten Gottesmutter durch Anna» ein, Papst Sixtus IV. machte daraus jeweils am 8. Dezember des Jahres ein Hochfest mit Messe und Papst Pius IX. ver kündigte 1854 das Dogma, Maria sei vom Moment ihrer Geburt durch Gottes Gnade

«von jedem Schaden der Erbsünde be wahrt» geblieben eine Begnadete eben. An jenem Tag begehen auch die orthodoxe und koptische Kirche das Fest von Mariä Unbefleckter Empfängnis.

Der Islam übrigens hat das Problem des Unbefleckten nicht – und das, obschon Ma ria ein hohes Ansehen geniesst. Ihr ist im Koran eine eigene Sure gewidmet und Je sus wird insgesamt 22-mal als «Sohn der Maria» angesprochen, als Īsā ibn Maryam, was ungewöhnlich ist, wird Männern für gewöhnlich doch der Name des Vaters hin zugefügt. Von der Erbsünde muss Maria im Koran schon deswegen nicht freige sprochen werden, weil Jesus nicht als Got tessohn verehrt wird, sondern als grosser Prophet – in der Folge aller Propheten ist er der letzte vor Mohammed.

Maria, in den Worten des Korans, ist also ein Mensch wie andere auch. Natürlich nicht ganz und gar. Ihren Sohn Jesus hat sie, wie in der Bibel, als Jungfrau geboren. Doch im Koran wird darum kein grosses Aufsehen gemacht: Als der Botschafter Al lahs Maria verkündet, sie werde einen «rei nen Knaben» gebären, erwidert diese: «Wie soll das möglich sein, da ich doch gar nicht mit einem Mann in Berührung ge kommen bin?» Daraufhin sagt der Ge sandte: «Nichts leichter als das.»

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«Ich drehe jeden Franken zweimal um»

Das heutige Weihnachtstürchen gibt einen kleinen Ein blick in den vorweihnachtlichen Trubel auf der SurpriseGeschäftsstelle Basel. Unsere Sozialarbeiter*innen haben alle Hände voll zu tun. Sie erleben die Auswirkungen der Teuerung auf Armutsbetroffene ganz konkret: Immer mehr Menschen melden sich bei uns, weil sie Hefte ver kaufen wollen. Auch benötigen viele Verkaufende nun intensivere soziale Begleitung und Beratung, um immer mehr Probleme im Alltag zu stemmen. Traditionellerweise ist der Dezember für unsere Verkaufenden die wichtigste Zeit des Jahres. Im Vorjahr haben sie dann über 70 Prozent mehr Hefte verkauft als im Monat August. Viele können sich so ein finanzielles Polster für die verkaufsschwachen Wochen Anfang Jahr anlegen.

Dieses Jahr aber ist der Verkaufsdruck noch einmal gestiegen. Die Sorgen um die Zukunft haben mit den ge stiegenen Krankenkassenprämien, Miet- und Mietneben kosten sowie Lebensmittelpreisen in der gesamten Sur prise-Familie zugenommen. Gleichzeitig sprechen viele Verkaufenden von Umsatzrückgängen. So auch Werner «Elvis» Hellinger, Verkäufer in der Basler Altstadt. Er führt den Rückgang auf ein grundsätzlich verändertes Ein kaufsverhalten zurück, für das er die aktuelle weltpoliti sche und wirtschaftliche Lage verantwortlich macht. «Das sehe ich ja bei mir selbst», sagte er mir kürzlich im Ge

spräch. «Ich drehe jeden Franken zweimal um.» Er ver gleiche die Preise bei den Grossverteilern und kaufe so oft wie möglich im Caritas-Laden ein, wo alles etwas güns tiger sei. Auf der Strasse nähmen die spontanen Heftkäufe ab, und er habe in den letzten Monaten, wie bereits zuvor in der Pandemie, einige Stammkund*innen verloren.

Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie Sie gibt – Menschen, die das Strassenmagazin kaufen, lesen und den Inhalt schätzen. Denn damit unterstützen Sie die Verkäufer*innen ganz direkt. Die andere Hälfte des Ver kaufspreises finanziert die Heftproduktion, die soziale Unterstützung unserer Verkaufenden und unsere weite ren Angebote für armutsbetroffene Menschen*. Mit dem Heftkauf unterstützen Sie zudem eine wichtige unabhän gige Stimme in der Schweizer Medienlandschaft.

Ich danke Ihnen für Ihre Verbundenheit und Ihr «Gwunder» an Surprise. Schöni Wienachte!

* Mit dem Strassenmagazin erwirtschaftet Surprise knapp 60 Prozent der finanziellen Mittel. Um die Angebote des Vereins gesamthaft aufrechterhalten zu können, sind wir zusätzlich auf Spenden angewiesen.

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ADVENTSKALENDER 1. 23. Dezember 2022, Mo–Sa: 17:30 Uhr, So: 16:30 Uhr, CHF 5.–Jeden Tag ein neuer Beitrag aus Oper, Schauspiel, Ballett, Theater Public und Kooperationspartner:innen des Theater Basel. Alle Einnahmen fliessen in den Topf ‹Eins mehr›. Sie schenken damit ein Ticket an Menschen, die sich einen Theaterbesuch gerade selbst nicht leisten können. � � theater-basel.ch/einsmehr

Rechte für alle

«Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.» So lautet der erste Artikel der Allgemeinen Er klärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948. Der Weg zu dieser Deklaration war lang und steinig. Er führte von der englischen «Magna Charta Libertatum» von 1215 über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung anno 1776 und die «Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte» nach dem Sturm auf die Pariser Bastille 1789 bis zur Charta der Vereinten Nationen, die im Gefolge der Verbrechen des Nationalsozialismus verabschiedet wurde. All diese Bemü hungen hatten und haben den Zweck, uns Menschen vor Willkür, Gewalt und Krieg zu schützen – und zwar unge achtet von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Alter. Ohne Zweifel ist das ein hoher Anspruch, den umzusetzen bis heute eine der grossen Herausforderungen zwischen menschlichen Zusammenlebens darstellt.

Ein interessanter Aspekt in der Geschichte der Men schenrechte ist, was die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum die «Ausweitung der Grenzen der Gerechtigkeit» nennt. So kamen Frauen und Sklav*innen lange Zeit nicht in den Genuss grundlegender Rechte; letzteren wurde so gar das Menschsein abgesprochen, sie wurden auf eine Stufe mit den Tieren gestellt. Dass diese Gruppen – zu ih

nen gehörten lange auch Kinder und Beeinträchtigte – nicht weiterhin ausgegrenzt wurden, hatte nicht etwa damit zu tun, dass ihnen plötzlich der Status eines Menschen zuge billigt wurde, sondern dass sie als schutzbedürftig aner kannt wurden. Diese Idee, dass wir grundsätzlich verwund bar sind und also des Schutzes bedürfen, liegt auch der Menschenrechtsdeklaration zugrunde. Ihr zufolge sind Rechte nämlich eine Art Schutzschilder, die Individuen in ihrer Verwundbarkeit anerkennen und in ihrer Integrität und Würde schützen sollen.

Nun ist Verwundbarkeit eine Eigenschaft, die bei aller Verschiedenheit (wohl) sämtliche Menschen teilen – genau das machen die davon abgeleiteten Menschenrechte so universell. Doch sind nicht allein Menschen verwundbar, sondern grundsätzlich alle Lebewesen, die empfindungs fähig sind. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind dies mit Ausnahme womöglich gewisser Insektenarten nebst Menschen auch die meisten anderen Tiere, also Kat zen, Hunde, Vögel, Kühe, Schweine, Marder, Antilopen und Millionen und Milliarden andere.

Wenn Verwundbarkeit das Kriterium ist, um Rechte zu beanspruchen, und wenn nicht allein wir Menschen verwundbar sind, sondern ebenso alle anderen empfin

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dungsfähigen Tiere – müsste man da nicht, wie Nussbaum sagen würde, die Grenzen der Gerechtigkeit auf Tiere aus weiten?

Natürlich könnte man sich auf den Standpunkt stellen, nur Menschen hätten Rechte, weil sie eben Menschen sind und Tiere nun einmal keine Menschen sind. Doch wäre dieses Argument ähnlich schwach wie das von Sexist*innen oder Rassist*innen, die behaupten, ein Mann oder eine Weisse hätte allein schon aufgrund ihres Mannseins oder Weissseins mehr Rechte als alle anderen. Vielleicht steckt hinter derlei Haltungen am Ende schlicht die Angst, man müsse auf Privilegien verzichten oder auch, man werde vom Thron gestossen. Im Falle der Tiere hält sich dieses Narrativ von der Krone der Schöpfung bekanntlich seit Menschengedenken: Wir sind oben und sie unten.

Recht auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit Dabei würde die Ausweitung der Gerechtigkeit auf Tiere die Idee der Menschenrechte weder herabsetzen noch kon kurrieren. Was sollten denn Fische mit einem Recht auf Redefreiheit anfangen oder Schweine mit dem Recht dar auf, ihre Religion frei ausüben zu dürfen? Die Rechte, um die es hier geht, sind sehr basaler Art und schützen zunächst einmal nur die Verwundbarkeit eines jeden Individuums, ob das nun ich bin, ein Rind oder ein Huhn, nämlich: das Recht auf Leben, auf Freiheit und Unversehrtheit.

Das klingt ziemlich absolut, ist es aber nicht. Wie bei Menschenrechten, so würde auch bei Tierrechten gelten, dass sie durchaus verletzt werden dürfen – falls man dafür gute Gründe geltend machen kann. Notwehr zum Beispiel ist solch ein Grund, wieso man ein anderes verwundbares Wesen verletzen oder gar töten darf; allerdings nur – und das ist der wichtige Zusatz –, wenn es nicht anders geht, man also keinen Ausweg hat.

Trotz dieser Einschränkung hätte die Ausweitung der Gerechtigkeit auf Tiere natürlich schwerwiegende Konse quenzen, und zwar nicht bloss für sie, sondern auch für uns und unseren Umgang mit ihnen. Zum Beispiel: Ange nommen, sogenannte Pelztiere – unzweifelhaft empfin dungsfähige, verwundbare Lebewesen – hätten grundle gende Rechte wie ein Recht auf Leben, Unversehrtheit und Freiheit. Dürften wir sie dann einsperren und töten, um uns mit Pelzen einzukleiden? Zumindest in unseren Brei tengraden wird das nicht der Fall sein. Und zwar deshalb, weil wir dafür keinen guten Grund anführen können. Denn wir haben durchaus ausreichend Alternativen, uns einzu kleiden und sind nicht auf Pelzprodukte angewiesen. Lei den und Tod der Pelztiere sind unnötig – und würden also ihre Grundrechte verletzen.

Oder nehmen wir Schweine, Kühe, Hühner und andere sogenannte Nutztiere: Auch sie sind empfindungsfähig, auch sie sind verwundbar und wären damit Kandidaten für Rechte. Ist es nun gerechtfertigt, sie zu züchten, zu mäs ten, einzusperren und zu töten, allein zum Zwecke unserer Nahrung? Die Antwort hängt auch hier davon ab, ob wir auf diese tierlichen Produkte angewiesen sind oder ob wir Alternativen zur Verfügung haben. Wäre letzteres der Fall –und gerade in Wohlstandsländern spricht einiges dafür –, würde die Nutztierhaltung eine eklatante Verletzung der

Tierrechte darstellen. Oder schliesslich das Beispiel der sogenannten Versuchstiere. Auch jetzt hängt alles an der Frage, ob es Alternativen zu Tierversuchen gibt; falls ja, müssten wir darauf verzichten, falls nein, wären sie unter gewissen Umständen vielleicht gerechtfertigt. Das ist be kanntlich eine strittige Frage und wohl schwieriger zu be antworten als die Beispiele der Pelz- oder Nutztiere.

Ohne Zweifel stellen sich auch unzählige grundsätzli che Fragen, würde man sich entschliessen, die Idee der Grundrechte nicht auf Menschen einzugrenzen, sondern auf alle empfindungsfähigen Tiere auszuweiten: Wenn wir aufhörten, Tiere für unsere Zwecke zu nutzen – für die Nahrung, die Kleidung, die Forschung oder fürs schiere Amusement –, was würde dann mit ihnen passieren? Müss ten wir ihnen nicht noch weitere Rechte einräumen wie etwa das Recht auf ein artgerechtes Zusammenleben mit uns und anderen Tieren, und was würde das im Konkreten bedeuten? Müssten wir uns dann alle vegan ernähren? Würde unser Planet überhaupt so viel Pflanzennahrung hergeben? Und was hiesse das für Wirtschaft und Umfeld?

Zum Glück lassen sich fast alle grossen Fragen auch im Kleinen angehen, bei sich selbst und im Alltag. Wie zum Beispiel heute, am 10. Dezember, wo alljährlich die Men schenrechte gefeiert werden – und irgendwann vielleicht auch die Rechte aller Tiere.

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18.11.22 8.1.23
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Fenster brennen durch die Nacht

Das Dorf, in dem ich aufwuchs, war eigentlich gar kein Dorf. De jure, also rechtlich gesehen, war es ein Städtchen und mächtig stolz darauf, weil es fast so alt war die Menschheit – also die Alte Eidgenossenschaft – selbst. Aber es war in etwa so klein wie ein grösseres Dorf. Und es hatte alles, was ein solches braucht: einen alten Bahn hof und ein neues Schulhaus. Einige Läden. Einen Post platz, an dem sich die Jugend betrank und irgendwann einen Jugendarbeiter, der versuchte, sie davon abzuhalten. Zum Dorf gehörte ein Hügel mit teureren Einfamilien häusern und ein Quartier mit Blöcken; und eine Mehr zweckhalle, in der von der Gewerbeausstellung bis zum Schultheater alles stattfand. Es hatte ein Pfarrhaus, und es gab einen jährlichen Risottoabend, zweimal im Jahr einen Flohmarkt und, zum Glück, einen Bus in die nächst grössere Kleinstadt.

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gab

Fenstern

vor lauter fehlenden Wörtern stumm blieben. Hinter der 11 wurde still zuhause geweint, weil sich draussen die Leute den Mund zerrissen. Es gab hinter den Fenstern unbezahlte Rechnungen und hibbelige Kinder, eklige Sup pen, hässliche Chromstahlmöbel und überkompensie rende Geschenke. Und sicherlich ab und an diese eine Person, wohl die Mutter, an der jedes Jahr die Arbeit für das Fensterbasteln hängen blieb, obwohl sie dieses Jahr doch allen das Versprechen abgerungen hatte, mitzuhelfen.

Im Dorf gab es eine Weihnachtstradition, die mir sehr gefiel: Den Tagen des Advents wurden Häuser im Dorf zugeteilt oder andersrum, den Häusern die Adventstage. Die Familien, die dort lebten, dekorierten ihre Fenster mit viel Liebe, mehr oder weniger Talent und kiloweise Krepp papier. Am zugeteilten Datum wurde hinter dem verkleb ten Fenster eine Lampe angeknipst, und siehe da! – sie strahlte in satten Farben oder durch übergrosse Scheren schnitte hindurch.

Wie die Adventsfensterfamilien jeweils ausgewählt wurden, weiss ich nicht. Vermutlich konnte man sich ein fach irgendwo melden, auf der Gemeinde oder bei einem Verein. Ich weiss nur, dass es den Anschein machte, als würden die Fenster meistens von jenen Familien deko riert, die irgendwie dazugehörten. Die bei der Fasnacht auch mitmachten und im Turnverein. Doch das kümmerte mich nicht. Ich fand die ganze Sache recht wundervoll –ein riesiger, begehbarer Adventskalender, der sich jeden Abend leuchtend vergrösserte.

Mein Vater nahm mich jeweils an der Hand, wenn wir in dicke Jacken gepackt durchs Dorf stapften, um die neuen Fenster zu entdecken. Oder er scheuchte uns alle ins Auto, um die Kalender in den umliegenden Ortschaf ten aufzuspüren. Wir Kinder drückten uns die Nasen an der Autoscheibe platt; aus unseren Mündern der warme Hauch, der auf das gefrorene Glas ein aufgetautes Guck loch zauberte.

Hier wohnen glückliche Familien, schienen die Fens ter zu singen, während sie unaufgeregt und beständig durch die Nacht brannten. Solche, die stets gemeinsam basteln. Deren Finger so flink sind, dass daraus ein Wun derwerk entsteht. Familien, in denen nie gestritten wird. Und in denen man stundenlang fröhlich zusammensitzt, um Scherenschnitte auszuschneiden.

Aber ich wurde älter, und viele Geheimnisse waren keine Geheimnisse mehr, oder ich verstand manche Dinge besser. Hinter Fenster 4 wohnte das Kind, dessen Vater verstarb. In der 15 lebte die Frau, deren Mann seine Faust nicht beherrschte, dafür aber sie. Am 24. schwiegen sich neidische Geschwister an. Bei Nummer 2 verboten Eltern ihren Kindern die weiterführende Schule. In 3, 17 und 22 gab es Mädchen, die nicht aufgeklärt wurden, und Buben, die gefoppt wurden, und es gab solche dazwischen, die

Ein Moment, eine Begegnung, ein flüchtiger Blick –das ist auch nur ein Fenster in eine Welt, die oft hinter Krepppapier verborgen bleibt. Vielleicht mache ich heute einen Spaziergang. Womöglich finde ich ein Fenster. Ich hoffe, ich kann mir beim Betrachten mehr Gedanken ma chen und dafür weniger Mutmassungen anstellen. Und vielleicht zeigt ein Adventsfenster die Welt, wie wir sie uns trotz allem vorstellen möchten: warm, einladend, herzlich.

MARGUERITE MEYER, 37, ist Journalistin, Autorin und Poetry Slammerin. Als Journalistin ist sie jeweils hinter den Fakten her, als Autorin hinter der Fiktion. Bei Surprise ist sie im Vorstand. Bei Weihnachts- (und eigentlich allem) Kitsch wird sie jeweils schwach.

Albert Anker

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«Man lernt Anker in seiner Grösse und Komplexität verstehen und kommt aus dem Staunen kaum heraus.»
MAGAZIN
Es
hinter den
unbezahlte Rechnungen und hibbelige Kinder, eklige Suppen, hässliche Chromstahlmöbel und überkompensierende Geschenke.
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Nur das Nötigste

Die Adventszeit auch eine Zeit des Rummels und der Geschäftigkeit. Umso mehr macht sich Fotografin Eleni Kougionis auf die Suche nach den stillen Momenten: im Maggiatal etwa, wo Menschen in einem Ökodorf ihr Leben aufs Wesentliche und Nötigste beschränken.

ELENI KOUGIONIS, 34, lebt in München stein BL und widmet sich Porträts und Reportagen.

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Perspektivenwechsel

Der Weihnachtsmonat ist lieber und anständiger als die anderen Monate. Man nimmt sich mehr Zeit. In der Bahn hofshalle in Zürich steht ein Weihnachtsbaum, schön ge schmückt, und Peter Conrath, mit dem zusammen ich jahrelang als Stadtführer eine gemeinsame Tour hatte, kamen beim Anblick des Baumes immer fast die Tränen.

Auch mir kommen dabei alte Erinnerungen aus mei ner Davoser Zeit in den Sinn, als meine Eltern und Gross eltern noch lebten. Peter und ich fragten auch die Zuhö rer*innen auf unserer Stadtführung immer: Was ist für euch Weihnachten? Meine Eltern leben jetzt nicht mehr, deshalb mache ich bei mir zuhause in Chur ein Essen. Auch Heini ist eingeladen, der mit mir Surprise verkauft. Wir machen verschiedene Projekte zusammen und haben zum Beispiel Flyer für ein neues Projekt für Obdachlose in Chur verteilt.

Mit Peter ging ich auch schon ans Fest der Heilsarmee am 24. Dezember, das war ein sehr schöner Moment. Mit ihm habe ich seit 2014 Stadtführungen gemacht und Sur prise verkauft, das verbindet auch in schlechten Zeiten.

Und leider gibt es sie, die schlechten Zeiten. 2020 ging ich am 27. Dezember nach Davos, Heini und Peter kamen auch. Am 24. Januar gingen Heini und Peter spazieren, mir war nicht gut, ich ging nicht mit. Peter ist beim Spa zieren zusammengebrochen. Er hatte eine Hirnblutung, seither sitzt er im Rollstuhl in der Reha in Schaffhausen. Am häufigsten besucht ihn Hans, der auch Surprise ver kauft und Stadtführer ist (und Kolumnen schreibt!), und ich gehe auch zweimal die Woche hin.

Ich bin auch nicht mehr ganz gesund. Ich habe Dia betes und war zwei Monate im Spital. Auch das war 2020, kurz vor Peters Zusammenbruch. Ich habe fast meinen Fuss verloren. Es war die dümmste Zeit, genau als der Weihnachtsverkauf begonnen hätte. Aber ich tue seither

brav, was mir der Doktor sagt. Ich schaue ein bisschen mehr auf mich, auf meine Gesundheit, meine Bedürfnisse. In der Weihnachtszeit falle ich aber wieder in Arbeitseifer. Die Stimmung ist schön, die Menschen sind freundlich, und ich bin besser drauf. Ich kann Geld zur Seite legen für Eishockeyspiele und andere spezielle Pläne. In der Weihnachtszeit habe ich eine längere Perspektive als sonst im Jahr.

RUEDI KÄLIN, 64, verkauft Surprise in Chur, Zürich und Zug. Weil er keine Familienmitglieder mehr hat, verbringt er die Weihnachtszeit am liebsten beim Verkaufen wegen der vielen guten Leute und Gespräche.

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Nach allen Seiten

«... und de sämi sis läbe nur no als schlaufe cha xee als loop unzem immer weniger iilüüchtet das alles wo hinder imm liit en schtriich söll sii wo irgendwo linx aagfange hätt und sich schteetig nach rächz wiiterziät»

Diese Passage aus dem Buch «giftland» von Dominic Oppliger, das kommenden Frühling erscheinen wird, war dem Fotografen Inspiration für sein Bild.

FLORIAN BACHMANN, 41, lebt in Zürich, arbeitet bei der WOZ und interessiert sich fotografisch für Geschichte und wie sie ausgelegt wird.

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Zeitrechnung in Schweizer Franken

Im Oktober werden die Uhren umgestellt, es wird am Abend frü her dunkel.

Der 21. Dezember ist der kürzeste Tag im Jahr. Vielleicht scheint es dadurch, als habe man weniger Zeit zur Verfügung.

Viele Menschen kaufen sich einen Adventskranz mit vier Ker zen und zünden jeden Sonntag eine Kerze an, wie es Tradition ist.

Viele Menschen haben Stress, wissen aber, dass bald Weihnachten kommt. Vielleicht führt der Stress zum Kaufrausch. Wir Surprise-Verkäufer*in nen verdienen in dieser Zeit mehr als sonst. Im Verkauf der Läden nimmt der Stress für die Ange stellten zu. Es ist eine Erwartung da. Es ist Zeit für Profitsteigerung.

Der Advent ist ein Mittel zur Ausbeutung der Kund*innen wie der lokalen Produzent*innen. In den Produkten der globalisierten Unternehmen steckt nach wie vor Kinderarbeit. Sie findet nicht zuletzt auf den Kakaoplantagen der Schokoladehersteller statt, die genau jetzt die Regale in den Läden füllen.

Am Freitag vor dem 1. Adventssonntag ist jeweils Black Friday mit reduzierten Preisen. Die Leute stürmen den Mediamarkt. Ich empfehle dann, 100 Prozent zu sparen, indem man sich nichts

Imp ressum

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Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Christina Baeriswyl, Dina Hungerbühler, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer

Mitarbeitende dieser Ausgabe Florian Bachmann, Beni Blaser, Nicolas Gabriel, Michael Hofer, Myriam Kälin, Ruedi Kälin, Eleni Kougionis, Marguerite Meyer, Boris Müller

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik

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kauft. Den Preis von Surprise kann man zum Glück nicht herun tersetzen an dem Tag. Wir feiern Advent mit vielen religiösen Feiertagen. Aber es ist mit den Jahren eine weitere Festtagsrech nung hinzugekommen, eine in Dollar, Euro oder Franken.

Der Berchtoldstag wird in vielen Teilen vor allem der Deutsch schweiz als Tradition gefeiert, aber nicht überall, auch der Drei königstag ist nur in einigen Kantonen ein Feiertag. Viele christliche Feiertage gelten nicht flächende ckend, aber den Black Friday gibt es nicht nur in allen Landesteilen, sondern weltweit. Das macht ihn nicht wichtiger für mich, im Gegenteil.

Ich profitiere auch vom Kaufrausch, im Dezem ber mache ich quasi meinen 13. Monatslohn mitten im Getümmel.

Anschliessend kommen Weihnachten und Neu jahr und zum Schluss das Jännerloch, wenn viele Menschen pleite sind und wir Surprise-Verkäufer*innen nur ganz wenig verdienen und für mich die beste Zeit zum Ferienmachen ist, wenn kein Corona da ist.

MICHAEL HOFER, 42, verkauft Surprise in Zürich Oerlikon. Er steht vor dem Neumarkt – einem Einkaufszentrum.

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FairSilk social enterprise www.fairsilk.ch Maya-Recordings, Oberstammheim

Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich Femisanum - natürliche Intimpflege, Zuzwil Scherrer & Partner GmbH, Basel Breite-Apotheke, Basel

Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden Kaiser Software GmbH, Bern Cornelia Metz, Sozialarbeiterin, Chur Fachschule LIKA, Stilli b. Brugg Liberty Specialty Markets, Zürich Schwungkraft GmbH, Feusisberg Coop Genossenschaft, Basel AnyWeb AG, Zürich

Gemeinnützige Frauen Aarau Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich Itsmytime.ch, Stefan Küenzi, Berlingen Beat Vogel - Fundraising-Datenbanken, Zürich Stadt Illnau-Effretikon

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Eine von vielen Geschichten «Noch nie habe ich irgendwo länger gear beitet als bei Surprise» sagt Roberto Vicini. Seit über 15 Jahren verkauft der 60-Jährige das Strassenmagazin in der Zürcher In nenstadt. Dabei nimmt er sich gerne Zeit für einen Schwatz und steckt seine Kund schaft mit seinem Lachen an. Er braucht nicht viel, lebt sehr bescheiden. Dennoch ist Roberto Vicini froh um die zusätzliche Unterstützung im SurPlus-Programm. Er ist viel mit dem ÖV unterwegs, um an sei nen Verkaufsplatz zu kommen. «Obwohl es nur kurze Strecken sind, schlägt der Ticketpreis schnell auf mein kleines Bud get». Neben dem Abonnement für den Nahverkehr erhält der Surprise-Verkäufer zudem 25 bezahlte Ferientage und ist bei Krankheit sozial abgesichert.

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