RCKSTR Mag- #173 Dez 2019 & Jan 2020

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ALLTAG

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ANSICHTSSACHE 87’851 Neugeborene: 45’013 Knaben, 42’838 Mädchen. Im Jahr 2018 kamen in der Schweiz im Schnitt 240 Kinder pro Tag auf die Welt. Rund 240 Frauen, die täglich zu Müttern werden. Was heisst es in der heutigen Zeit, Mutter zu sein? Oder eben keine zu sein? Arianne* und Anna* haben uns von ihren Leben erzählt und gezeigt, dass es «den einen richtigen Weg» nicht gibt. Das Muttersein ist eine Frage, die jede Frau für selbst beantworten muss. Zwei Perspektiven. Von Luisa Bider und Valérie Hug

«Bei mir hat sich einfach nie ein Kinderwunsch manifestiert. Manchmal hatte ich Angst, dass ich die Entscheidung später bereuen würde, aber das alleine ist ja noch kein hinreichender Grund, sich zu vermehren.» Arianne, 39, möchte keine Kinder. Die gelernte Hotelière ist in einer festen Beziehung und absolviert gerade in Paris ein Austauschsemester als Teil ihres Linguistik-Studiums. Für sie bedeutet ihre Entscheidung, dass sie frei über ihr Leben entscheiden kann. «Ich habe ein starkes Bedürfnis nach Unabhängigkeit, und mit einem Kind wäre mein Leben für Jahre determiniert», sagt sie. Ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit sei auch der Grund dafür gewesen, dass sie lange Zeit single geblieben war. «Lange gab es auch keinen potenziellen Vater, mit dem ich mir ein Kind hätte vorstellen können», sagt sie. «Als der dann in mein Leben trat und auch keinen ausgeprägten Kinderwunsch hatte, sah ich keinen Grund, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.» Eine klare Entscheidung traf Arianne erst vor etwa vier Jahren, als sie ein Zweitstudium begann. «Eines Tages, ohne be-

stimmten Anlass, da ging es mir so durch den Kopf, dass ich meinen Bachelor erst mit 40 hätte», sagt sie. «Mir wurde bewusst, dass das etwas spät wäre, um Kinder zu bekommen.» Und in dem Moment, da spürte sie, dass ihre Entscheidung gefällt war, und dass sie sich richtig anfühlte. Anna wollte schon immer Mami werden, das stand für sie fest. «Warum genau, das habe ich mich selbst nie wirklich gefragt. Als ich dann Emil* zum ersten Mal in meinen Armen gehalten habe, hat plötzlich alles Sinn gemacht. Emil hat mir unbewusst eine Antwort auf diese Frage gegeben.» Dass sie mit Emil schwanger war, erfuhr Anna im Oktober 2014. Damals war sie 25 und befand sie sich Mitten in ihrem Bachelorstudium zur Dramaturgin. Ihren Freund Till* kannte sie seit knapp acht Monaten. «Für mich war klar, dass ich das Kind behalten werde. Till und ich haben von Anfang an darüber gesprochen, was geschehen wird, sollte ich schwanger werden. In dieser Zeit waren wir auch extrem unvorsichtig, wir waren frisch verliebt. Doch wir wussten, dass es jederzeit passieren kann, und


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