4 minute read

GASTKOLUMNE

Stellungnahme

„Wollen die Russen den Krieg? – Ein klares und aktives NEIN ...!”

GAST KOLUMNE

Antonina Melchikova: „Jeden Tag treffe ich Menschen, die Hilfe brauchen.“

ANTONINA MELCHIKOVA. Krieg in der Ukraine Wollen die Russen den Krieg?

Am 24. Februar 2022 bin ich 34 Jahre alt geworden. Fast mein ganzes Leben ist unter Putin verlaufen. Am Abend vor meinem Geburtstag hörte ich seine Rede und verstand, dass dieser Tag kein feierlicher Tag mehr für mich sein würde. Jetzt ist es der Tag, an dem Russland einen sinnlosen und schrecklichen Bruderkrieg in der Ukraine begonnen hat.

Trauer, Verzweiflung, brennende Scham und Hilflosigkeit sind mittlerweile treue Begleiter jedes denkenden Russen. In den ersten Tagen habe ich, wie viele meiner Landsleute, geweint und darum gebetet, dass jemand damit aufhöre. Ich habe Putin nie unterstützt, ich bin zu Kundgebungen für faire Wahlen und zur Unterstützung von Alexei Nawalny gegangen, aber trotzdem liegt die Verantwortung für diesen Krieg auch bei mir. Ich entschied, dass ich den Krieg nicht stoppen kann, aber ich kann den Menschen helfen, die darunter leiden.

Hunderte in Hamburg lebende Russen und Freiwillige aus anderen Ländern helfen der Ukraine gleich in mehreren Bereichen. Wir verpacken und verladen humanitäre Hilfsgüter, die in die Ukraine geschickt werden. Wir treffen Geflüchtete, die in Hamburg ankommen, helfen ihnen bei der Ticketbeschaffung und erarbeiten die Route für die Weiterreise oder helfen bei verschiedenen Angelegenheiten, wenn sie sich für den Verbleib in unserer Stadt entscheiden.

Viele Russen helfen bei Anmeldeverfahren, bei der Beantragung des Flüchtlingsstatus, in der Bank und anderen Institutionen. Entgegen der Aussage von Sergej Lawrow, die russischsprachige Bevölkerung würde in der Ukraine unterdrückt, sprechen viele Ukrainer im Alltag Russisch. Eine weitere wichtige Sache ist die Kinderbetreuung. Kleine Ukrainer haben eine schwierige Reise überstanden. Sie verließen ihre Häuser, Freunde, Spielsachen, Väter und Opas. Kinder sind gezwungen, bei ihren Müttern zu sein, während sie viele formelle Hürden bewältigen und Dokumente erstellen müssen – bisher haben nur wenige einen Platz in den Kindergärten und den Schulen erhalten. Daher eröffnen ukrainische Lehrer zusammen mit Kollegen aus Russland temporäre Kinderbetreuungsgruppen für Flüchtlingskinder.

Das Schwierigste ist die Wohnungssuche für Flüchtlinge. Bereits Mitte März war Hamburg voll. Nach offiziellen Angaben überquerten über 4 Millionen Menschen in den vergangenen Tagen die internationalen Grenzen. Tausende Menschen kamen in unsere Stadt. Es gab Fälle, in denen Menschen in Flüchtlingsheimen ohne Matratze oder Decke auf dem Boden schlafen mussten. Ein echter Kollaps. In diesem Chaos wissen Menschen, die helfen wollen und können, oft nicht, wie sie ihre Hilfe zur Verfügung stellen können. So erfuhr ich zum Beispiel von der Familie Jürgen und Birgit (Klönschnack 04-2022). Meine Freundin traf sie in der Anmeldestelle in Rahlstedt. Sie wollten jemandem ihre leere Wohnung anbieten,

wussten aber einfach nicht, an wen sie sich wenden sollten. Ich habe die ganze Zeit daran gedacht, und als ich im Chat eine Nachricht gelesen habe: „Morgen kommt eine Familie aus der Ukraine, 5 Personen, in Hamburg an.”, da war mir sofort klar, dass ich diese beiden Familien bekannt machen sollte. Das Schwierigste bei der Wohnungssuche ist es seltsamerweise, die Flüchtlinge davon zu überzeugen, dass sie nicht in Gefahr seien, dass die Deutschen ihnen wirklich aufrichtig helfen wollen. Ich spreche mit Menschen durch den Zaun des Flüchtlingslagers, zeige meine Chats, Fotos und überzeuge sie, dass nichts schlimmer ist, als die Nacht in der Sporthalle zu verbringen. Ich bin allen Deutschen, die mit mir helfen, sehr dankbar. Diese Leute spenden Geld, aber vor allem viel Zeit und Aufmerksamkeit, um denen zu helfen, die in Not sind. Jeden Tag treffe ich Menschen, die Hilfe brauchen. Manchmal muss man sieben Stunden in den Zügen verbringen, Flüchtlinge treffen und begleiten. Es ist körperlich sehr schwierig. Emotional ist es noch schwerer: Wenn du erkennst, was für eine große Lawine das ist, die du einfach nicht bewältigen kannst, weil so viele Menschen Hilfe brauchen. Das werde ich jedoch weiterhin tun, um einem Dutzend Menschen ein klares und aktives „NEIN!“ zu sagen, auf die Frage: Wollen die Russen den Krieg? Dieser Krieg ist nicht nur für die Ukrainer eine Tragödie. Auch Hunderttausende Russen flohen vor dem Krieg. Ja, die Bomben fallen nicht auf Moskau oder Kasan, aber meine Landsleute haben genauso ihre Wohnungen und ihr ganzes Leben aufgegeben. Jemand floh, weil er in einem Aggressorstaat nicht leben konnte, und jemand Anderes vor echter Verfolgung. Immerhin ist das Regime in Russland seit einem Monat von „hybrid” zu absolut totalitär geworden. Alle unabhängigen Medien wurden geschlossen. Man wird von der Polizei verhaftet, wenn man mit einem leeren Plakat oder mit einem Plakat mit 8 Sternen darauf ( *** ***** d. h. Нет войне Nein zum Krieg) auf die Straße geht. Diejenigen, die in Russland bleiben, sitzen in der Falle. Diejenigen, die gegangen sind, sind ihrem Schicksal überlassen. Russische Bankkarten wurden im Ausland gesperrt für diejenigen, die vor dem Regime geflohen sind. Auch diese Tausende von Russen brauchen Hilfe und Unterstützung. Antonina Melchikova: Ich hoffe, dass die Weltgemeinschaft damit Journalistin und Studentin beginnt, Putins Beamte und Oligarchen von der Slavistik in Hamburg: „… auch Hundertausende Russen flohen vor dem Krieg!” Journalisten, Kämpfern gegen das Regime und einfachen Menschen, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen, zu unterscheiden. Antonina Melchikova