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DIE GESCHICHT DES BIERS IN HAMBURG

Das Alsterpanorama verdankt Hamburg tatsächlich dem Bier: Das Wasser wurde aufgestaut, um Kornmühlen zu betreiben. Gleichzeitig verdankt Hamburg das Bier von früher der Alster – denn hier kam das Brauwasser her.

Bier und Hamburg – das gehört zusammen und das schon seit über 800 Jahren! Keine Angst, wir fangen nicht bei Adam und Eva an. Hier kommt erst mal ein schneller Ritt durch die Anfänge.

Schon 1270 wird in Hamburgs Stadtrecht Bier als wichtigste Handelsware bezeichnet. Bier war damals wesentlich dünner als heute. Es hatte also nicht so viele Umdrehungen, war dafür aber schon reich an Kalorien und vor allem recht keimfrei. Anders als Säfte, Milch oder Tee war es leicht zu bekommen und sauberer als Wasser. Es gab noch keine Kühlschränke. Also war Haltbarkeit wichtig.

Bier war also wichtig. Es brachte Hamburg Ruhm und Geld. Und es veränderte die Stadt für alle Zeiten. Die Schauenburger Grafen, die Stadtherren, ließen die Alster aufstauen. Zuerst um 1200 an der Untermühle (heute Trostbrücke) und dann, wesentlich mehr, um 1230/35 durch den Reesendamm (heute Jungfernstieg). Warum? Das Wasser aus den Stauseen betrieb Kornmühlen. So wurde Mehl zum Backen und Schrot zum Brauen gewonnen. Das, was man heute also Binnen- und Außenalster nennt, ist der Biergeschichte Hamburgs zu verdanken und die passt auf keinen Deckel. Die Alster diente aber nicht nur als Energielieferant. Auch das Brauwasser kam aus der Alster. Das Wasser der Fleete war dafür zu schmutzig. Ohne Alster also kein Bier. Bis 1700 gab es mehr als 500 Brauereien in Hamburg. Die brauchten natürlich viel Wasser. Hierfür wurden Kanäle gebaut. Das gut ausgebaute Wassernetz der Stadt, schon früh eines des modernsten Europas, verdankt sich also auch dem Bier und den findigen Brauern und Brauerinnen.

Noch heute erinnern hier viele Straßennamen wie Hopfenmarkt und Hopfensack an die Geschichte des Bieres, die Hamburg zum Brauhaus der Hanse machte. Schwerpunktmäßig wurde um den heutigen Rödingsmarkt, im Bereich der Bäckerstraße und der Gegend um St. Jacobi gebraut.

Um 1600 ging es dann bergab mit dem Bier. Kaffee, Tee und Schokolade waren angesagt und die Wasserqualität war offenbar auch besser geworden. Bier verlor an Bedeutung. Auch, weil Schnäpse nun für einen billigen Rausch sorgten. Die mittelalterlichen Brauhäuser sind leider nicht erhalten. Das älteste bestehende Brauhaus der Stadt ist Gröninger, das 1793 gegründet wurde.

Erst um 1900 kam es zum Aufschwung in Hamburgs Bierszene. Wesentlich hat das natürlich mit der Industrialisierung zu tun. Die alten Brauhäuser waren zu Aktiengesellschaften zusammengeschmolzen. Erfindungen wie Kühlmaschinen und Reinzuchthefen brachten völlig neue Möglichkeiten. Eng verbunden mit dieser Entwicklung ist der Name Holsten. Die Brauerei wurde 1879

Bier ist das älteste Kulturgetränk der Geschichte

Die Elbschlossbrauerei war für die damalige Zeit ein Großbau. An der Stelle der Brauerei steht heute eine Reederei.

gegründet und zählt noch heute zu den ti Frutti“. Im Süden Hamburgs steht das größten Norddeutschlands. Fachwissen Wildwuchs Brauwerk für Bio-Bier. Braukam um 1900 vor allem aus Süddeutsch- meister Fiete braut hier nachhaltiges und land, wo jetzt auch mehr Hopfen angebaut ressourcenschonendes und kreatives Bier –wurde. Zuvor war der Norden hier führend. mal klassisch, mal aus altem Brot, mal mit

Heute ist Hamburg wieder Kaffee oder Orange. eine Hauptstadt des Bieres, Eine Verbindung zwischen mit vielen spannenden Ent- Ob Anker oder Historie und Gegenwart ist wicklungen und einer gro- Reiter – Hamburgs Oliver Nordmann mit der ßen geschichtlichen Bedeu- Biere sind bekannt Ratsherrn-Brauerei geluntung. Die Bierszene in der Hansestadt floriert. Die Marktführer Astra und Holsten kennt man weit über die Hamburger Grenzen hinaus. Astra wurde 1897 als Bavaria gegründet und sorgte besonders mit seinen Werbekampagnen „Astra. Was dagegen?“ und dem Anker-Logo für Aufmerksamkeit. Dennoch gilt das Bier mit dem galoppierenden Ritter als Wappen, das seit 1879 in der Holstenstraße gebraut wurde, als das bekannteste Bier Hamburgs.

Aber zu den Klassikern haben sich viele neue, moderne Biersorten gesellt. Gebraut werden sie häufig in kleinen Privatbrauereien, die zu Tastings und Führungen in der ganzen Stadt einladen. In Bahrenfeld braut das Landgang-Trio seit 2015 in einer umgebauten Druckerhalle Craft-Biere wie „Helle Aufregung“, „Senatsbock“ oder „Tutgen. Das Bier erblickte schon 1951 als Exportschlager der Elbschloss-Brauerei das Licht, rund 15 Millionen Liter des Premium Pils wurden verkauft. Das lockte die Holsten-Brauerei an, welche die Marke nach einem Entscheid des Bundeskartellamts 2000 wieder abgeben musste. Oliver Nordmann kaufte die Rechte und eröffnete die Brauerei 2012 neu. Damit ging es Craft-Beer-mäßig richtig in Hamburg los.

Die Landgang Brauerei in Bahrenfeld gehört zu den größeren Craft Beer Pionieren in Norddeutschland

FOTO: XXXXX

Auch Porter und naturtrübe Biere wie das Zwickel werden in Hamburg gebraut Farbenfrohe Dosen, ebenso vielfältig wie die Biere im Geschmack – Craft-Beer ist in Deutschland und Hamburg nicht mehr nur ein kleiner Trend

Aber nochmal einen Schritt zurück. CraftBier oder richtiger Craft Beer ist in vieler Münder, aber was steckt eigentlich dahinter?

Viele verbinden mit Craft Beer wohl zunächst ein hippes Etikett, viel Hopfen und einen hohen Preis. Das sind tatsächlich alles Randerscheinungen des Craft Beers. Im Kern geht es aber darum, ein Bier zu machen, dass sich auf gute Art von den Getränken großer Brauereien unterscheidet: ein Bier, das durch Handwerk (craft) glänzt. Die Biere sind oft hopfenbetont, was auch ihren Preis ausmacht. Durch die kleinen Craft-Brauereien ist die Vielfalt der Biere gestiegen und das, obwohl die Zutatenliste in Deutschland seit dem Reinheitsgebot von 1516 streng begrenzt ist auf Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Möglich ist es, indem man verschiedene Aromahopfensorten einsetzt und auch beim Malz experimentiert. So kommt längst nicht nur Gerste oder Weizen zum Einsatz. Auch Dinkel, Hafer oder Emmer werden unter anderem vergoren.

Die neue Kreativität hatte auch Einfluss auf manch große Brauerei, die sich mit neuen Sorten hochjazzen wollten. Im großen Maßstab ein Craft Beer zu brauen, ist von der Idee her sinnbefreit. Allerdings entstanden so neue Bierspezialitäten, die zwar nicht wirklich Craft-Biere sind, aber eine wertige Erweiterung darstellen. Hamburgs große Brauereien maDie Gose, ein Bier mit Salz und Koriander, braucht eine Sondergenehmigung. chen da nicht mit. Die Hansestadt hat es aber auch nicht nötig, dank großartiger Kleinbrauereien. Die kleinen, aber feinen Brauereien, wie Kehrwieder, haben gegenüber den „Big Playern“ einen großen Vorteil: Sie sind flexibel, da die Produktion nicht auf wenige Sorten fest eingestellt ist. So trauen sich die kleinen Brauereien auch zu alten Rezepten wie der Gose zu greifen. Eine Gose ist ein helles Bier, das mit Koriandersaat und ganz wenig Salz gewürzt wird. Wenn man bedenkt, dass das Reinheitsgebot eingeführt wurde, weil einstmals fast alles im Bier landete, ist das aber harmlos. Apropos, für die Gose muss man hierzulande eine Ausnahmegenehmigung zum Brauen beantragen. Geschmacklich erinnert das Spezialbier leicht an ein Radler, nur mit mehr Alkohol. Spannend.

Auch neuartige Hefen werden in Mikrobrauereien eher ausprobiert. So entstehen etwa geschmacklich herausragende alkoholfreie Biere. Trotz dieser Wiederbelebung geht es der Bierbranche zunehmend schlechter. Zwischen 1993 und 2019 ging der Absatz um rund 20 Millionen Hektoliter in Deutschland zurück. Zu Beginn der Pandemie verstärkte sich der Trend. Für die Brauereien ist das bedauerlich. Für die Verbraucher schlägt aber die Qualität mehr zu Buche. Zwar sind Craft Biere noch ein Nischenprodukt, aber sie haben zur Belebung der Bierkultur beigetragen. Insgesamt ist die Bierqualität und die Vielfalt in Deutschland gestiegen. In Hamburg kann man das – in Maßen – besonders gut testen.

Autoren: sophie.rhine@kloenschnack.de michael.wendland@kloenschnack.de

Bier ist ein wahrer Gesprächskatalysator – nur sollte man es mit der Katalyse nicht übertreiben

ZUR SACHE: Hamburgs Bier in Zahlen

Auf dem Höhepunkt im Mittelalter zählte Hamburg über 500 Brauhäuser. Spätestens mit Napoleons Einzug endete das Hochalter des Bieres in Hamburg. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es wieder richtig los. Heute gibt es drei größere Brauereien sowie elf Craft-BeerBrauereien in der Stadt. Etwa 48 eigene Biersorten zählen die hiesigen Brauereien derzeit. Allein die Anlage der größte Brauerei Hamburgs, Holsten, konnte in 2020 eine Million Hektoliter Bier und BierMischgetränke herstellen. In 2018 wies eine Studie aus, dass die Hamburgerinnen und Hamburger im Schnitt 100 Liter pro Jahr und Kehle trinken. Das klingt viel, ist aber im Vergleich zum Mittelalter, mit 1.000 Litern, geradezu verschwindend gering. Allerdings ist das Bier heute auch stärker.