Fine Ein Magazin für Wein und Genuss 3|2011

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FINE Das Weinmagazin richtet sich an Liebhaber, Sammler

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner Mitarbeiter dieser Ausgabe Ellen Alpsten, Jürgen Dollase, Michael Freitag, Christian Göldenboog, Carola Hauck, Rolf Hosfeld, Susanne Kaloff, Stuart Pigott, Uschka Pittroff, Anne Rheinländer Fotografen Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes Grau, Peter Schulte, Marc Volk Titel-Foto: Guido Bittner Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Ann-Kathrin Grauel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Firmengruppe APPL PRINT.Forum Druck GmbH, Sinsheim Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal im Jahr Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbe­ dingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haf­ tet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffent­ lichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

und Genießer großer Weine. ­Behandelt werden ausnahmslos die edelsten Weine der Welt. Mit einem Umfang von

Verehrte Leserin, lieber Leser,

über 150 ­Seiten b ­ ietet das Magazin passionierte und über­

das Weihnachtsfest naht – und wie niemals sonst im Jahr füllen sich Marktplätze, Häuser und Woh­ nungen mit den wundersamen, verheißungs­vollen ­Düften der Erwartung und des Behagens. Erinnerun­ gen an ein großes Kinderglück werden da wach, als auf dem Christkindlsmarkt die ge­brannten Mandeln ihre süßen Aromenwolken in den ­kalten Winter­ abend aufsteigen ließen, als die Großen dem von Nelken- und Zimt-Nebeln umwaberten Glühwein­ stand zustrebten oder als daheim schon der Haus­ flur davon kündete, dass die Großmutter Plätzchen und Kuchen backte, die an den Advents­sonntagen wenigstens einmal probiert werden durften, und danach der Duft der an den dicken roten K ­ erzen des Kranzes gekokelten Tannenzweige durch die ­Zimmer zog. Trauliche Gedanken auch an das extra­ vagante Parfüm, das die Mutter am Heiligen Abend anlegte und damit die Symphonie der häuslich-fest­ lichen Aromen um eine exotische Note bereicherte, oder an die edle Havanna, deren würzig-­eleganten Rauch der Vater am Weihnachtsmorgen genussvoll in die Luft blies. So war es vorgestern und gestern. Und heute? Ist es doch nicht anders – nur dass es jetzt unsere Frauen sind, die so verführerisch duften, und wir selbst uns die Zigarre anzünden. Den Kinderspaß haben nun unsere Enkel; wir erfreuen uns am köstlichen Duft des Hirschrückens und ziehen mit geschlossenen Augen das Bouquet des noblen Roten ein, den wir zum Festmahl geöffnet haben – aufgezogen ist auf­ gesogen, heißt da die Devise des Weinfreunds. Der Genießer freut sich ein ganzes Jahr lang auf das Fest der Liebe. Und Liebe, soviel steht fest, geht ihm zu Weihnachten auch durch die Nase. Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

raschende R ­ eportagen, exklusive Hintergrund­geschichten und Berichte über aktuelle Degustationen.

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FINE Das Weinmagazin 4|11 erscheint Mitte Dezember ... unter anderem mit folgenden Themen: Champagner ­Jacquesson ~ Sizilien ~ Hundert Riesling-Auslesen aus ­hundert Jahren ~ Systembolaget ~ Jürgen Dollase bei Karl-

Bodenständiges – auf die Spitze getrieben

Karl-Josef Fuchs _______________________________________________

Ein bekannter Unbekannter in Pomerol

Château L’Eglise-Clinet _________________________________________

Der Genius in der Flasche

Mode & Parfüm ________________________________________________

Duftstar aus dem Kohlenpott

Gerd Pieper ___________________________________________________

Wunschzettel für Verwöhnte

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Die Nase über das Auge verführt

François Coty _________________________________________________

Wein, Aromen und drei Sterne

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Liebe geht auch durch die Nase

Nischenparfüms _______________________________________________

A star is born: Pride 1981

Glenmorangie _________________________________________________

Der Duft von Lagoa

Eine Weihnachtsgeschichte ______________________________________

Prestige und Jahrgang

Fünfzehn große Champagner zum Fest ____________________________

Die Luft mit feinem Parfüm adeln

Duftkerzen ____________________________________________________

8 12 16 20 26 28 32 36 40 42 44 46

Josef Fuchs ~ Die besten Blau­fränkisch ~ Weingut Emrich-­ Schönleber ~ ­Reiner Wein ~ Das ­Große Dutzend: Opus One ~ Wein und Zeit: Schloss Vollrads ~ Frauen im Wein: Theresa Breuer ~ Die ­Reise zum Malbec ~ Angelo Gajas Pieve Santa ­Restituta ~ Die Stuart Pigott Kolumne ~ Numanthia ~ ­Dreißig ­Prestige-Champagner ~ Das Bier danach J E T Z T

A U C H

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F E R N S E H E N

Am 10. Dezember um 18:25 Uhr startet FINE Das Weinmagazin bei n-tv. Immer samstags entführt die zehnteilige ­Reihe in die ­schöne Welt der feinen Weine.

Werden Sie jetzt Abonnent von FINE Das Weinmagazin oder verschenken Sie es einfach! Das Magazin erscheint viertel­jähr­lich und ist im A ­ bonnement oder im ausgewählten Buch­handel zum Preis von € 15,– (D), € 16,90 (A) und CHF 30,– (­unverbindliche Preisempfehlung) erhältlich. Abonnements: per E-Mail a ­ bo@fine-magazines.de, Jahres­abonnement für vier Ausgaben D ­ eutschland € 60,– | Österreich € 70,– | Schweiz CHF 130,– W W W. F I N E - M A G A Z I N E S . D E

Der Verlag für Essen, Trinken und Genuss.


Karl-Josef Fuchs ist der Chef des Romantik Hotels ­Spielweg mit dem Gasthof Spielweg in Ober­münstertal im Schwarzwald. Das idyllisch gelegene traditions­reiche Haus ist seit 1861 im Besitz der Familie und wurde im Jahr 2003 von ihm und seiner Frau Sabine in fünfter Generation übernommen. Der einundfünfzigjährige Koch und Jäger ist ein großer Spezialist für die Wildküche und pflegt in seinem Haus das Zusammenspiel von regionalen Produkten, Erzeugern und Traditionen mit einem zeitgenössisch-entspannten Savoir-vivre. Bekannt wurde der Gasthof Spielweg aber auch als Re­fugium des genialen französischen Zeichners Tomi Ungerer, der hier immer wieder genießt und a ­ rbeitet und seine künstlerischen Spuren im ganzen Haus hinter­ lassen hat.

BODENSTÄNDIGES – AUF DIE SPITZE GETRIEBEN Karl-Josef Fuchs, der Wild-Meister aus dem Schwarzwald Ein Porträt-Puzzle von JÜRGEN DOLLASE Fotos: GUIDO BITTNER Das Gasthaus Spielweg: Von Wild und einem wilden Zeichner Das Spielweg ist eine dieser wenigen Adressen, wo man irgendwie immer Gott und die Welt trifft. Die Lage am Ende des Münstertals ist phantastisch, in ein paar Schritten ist man im Wald oder auf den Almwiesen. Bei sonnigem Wetter sind die Terrassen vor dem Haus begehrt; das Ganze wirkt mit seinen vielen Gebäuden und Winkeln wie ein Dörfchen für sich. Dann sind da die kleinen historischen Gaststuben und eine Gastronomie, die jeden Wunsch erfüllt: Im Spielweg hat man eine offene Karte, kann also im Prinzip von einfachen und kleineren Gerichten bis zur Haute Cuisine alles bekommen – mit einem deutlichen Schwerpunkt auf regionaler Küche und Wild. Natürlich sind auch die Weine so sortiert, dass selbst Spezialisten zufrieden sein ­werden. Der Chef ist eben selber ein großer Weinfreund. Und dann gibt es noch eine ganz besondere Spezialität: die im ganzen Haus unüberseh­baren Spuren eines der berühmtesten Wilden unter den Zeichnern, Tomi Ungerer. Der hat schon vor vielen Jahren das Spielweg zu einem s­ einer Refugien erkoren und ist bis auf den heutigen Tag immer wieder zum Arbeiten und Entspannen hier zu Gast. Besonders in den Ungerer-Stuben, zwei Gasträumen, deren Wände dicht an dicht mit Originalen des Meisters bedeckt sind, isst man quasi im Museum. Die meisten Arbeiten beschäftigen sich mit der Jagd, dem Verhältnis von Mensch und Tier und immer auch mit dem Spielweg, den man nur schweren Herzens wieder verlässt.

Karl-Josef Fuchs, Details Karl-Josef Fuchs hat seine Ausbildung in Häusern absolviert, die zu den wichtigsten Institutionen der deutschen Spitzenküche zählen. Die Lehre machte er in Franz Kellers Schwarzem Adler im nahen Vogtsburg-Oberbergen im Kaiserstuhl. Es folgten Viehhausers Le Canard in Hamburg und die Schweizer Stuben in Wertheim, eine Keimzelle ­vieler großer Talente wie Jörg und Dieter Müller oder Hans-Stefan Steinheuer. 1986 übernahm Fuchs die Küche im Spielweg. Fuchs realisiert immer wieder avancierte Kreationen, ohne dabei – mit seinem weit ge­fächerten Angebot an traditionellen und regionalen ­Gerichten – seine heimatlichen Wurzeln zu vergessen. Berühmt geworden ist er vor allem durch seine Interpretationen der Wildküche und seine Bücher (»Wild. Die große Wildkochschule«, 2005, und »Wild & mehr«, 2008, alle bei Tre Torri, Wiesbaden), die Standardwerke über den Umgang mit Wild geworden sind. Karl-Josef Fuchs ist selber Jäger, betreibt seit 1995 eine eigene Käserei und veranstaltet regelmäßig Kochkurse, unter anderen zum Wurstmachen (selbstverständlich mit eigenen Produkten), die stets ausgebucht sind. Seine Bodenständigkeit, die ihn regionale kulinarische Traditionen bewahren und weiterentwickeln lässt, und sein Anspruch an eine auf hohem Niveau modifizierte Wildküche haben ihn zu einer der wichtigsten Säulen der deutschen Regionalküche gemacht. Nicht unerwähnt bleiben darf seine Frau Sabine, eine geborene Rheinländerin, die dem Service in Restaurant und Hotel in unnach­ ahmlich freundlich-humorvoller Art ebenfalls ein ganz besonderes Profil gibt, und natürlich seine Mutter Josefine Fuchs, die allseits präsente Grande Dame des Spielwegs. Für den Nachwuchs ist übrigens auch schon gesorgt: Tochter Kristin studiert Hotelmanagement, und Tochter Viktoria will Köchin werden.

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Fünf Kreationen, die Karl-Josef Fuchs für seine besten hält › Münstertäler Gamsrücken im Walnusscrêpe ›  Fromage de Tête »Spice Market« mit gratiniertem Markknochen › Hirschkalbsnierle in violetter Senfsauce › Gefülltes Perlhuhn, im Pergament gebraten ›  Wildschweinbratwürstle, gefüllt mit schwarzen Nüssen und Lauchzwiebeln Dies ist quasi das ganze Spektrum der Arbeit von Karl-Josef Fuchs. Hochfeine Spitzenküche beim Gamsrücken, modern inspirierte Regionalküche beim Schweinskopf (Fromage de Tête) und den herzhaft-optimierten Würstchen.

Fünf Köche, die Karl-Josef Fuchs hervorragend findet

Drei Essen, die Karl-Josef Fuchs im letzten Jahr besonders gut gefallen haben

› Josef Bauer, Landgasthof Adler in Rosenberg

› Tapas bei Cal Pep in Barcelona

›  Hans-Stefan Steinheuer, Zur Alten Post in Bad-Neuenahr-Heppingen

› Seafood & Sushi bei Willoughby’s in Kapstadt

› Harald Rüssel, Landhaus St. Urban in Naurath-Wald › John Besh, August in New Orleans › José Manuel Manubens, Cal Pep in Barcelona Fuchs zeigt mit seinen Antworten deutlich, wie eng der Zusammen­ hang zwischen seinen persönlichen Vorlieben und seiner Arbeit ist. Das ist nicht unbedingt bei allen Spitzenköchen der Fall. Josef Bauer und Harald Rüssel gehören zu den Besten der regional verwurzelten Küche in Deutschland. Bei Bauer findet man wie bei Fuchs zudem eine offene Karte, also ein Angebot, das von einfacheren Gerichten bis zu Spitzenküchen-Qualitäten reicht. Steinheuer hat zwar eine Trennung von Gourmetrestaurant und Regionalküche, arbeitet aber auch im Gourmetbereich konsequent mit vielen regionalen Produkten und Geschmacksbildern. John Besh rühmt sich dafür, dass bei ihm die Produkte »von der Farm auf den Tisch« kommen. Im Cal Pep in Barcelona gibt es immer rund siebzig verschiedene Tapas, in denen eine konsequente tagesfrische Marktküche umgesetzt wird – mit einem leicht regional-rustikalen Touch und einer – vor allem bei Fisch und Meeresfrüchten – absolut exquisiten Produktqualität.

› Côte de Boeuf in der Auberge du Coteau in Villars Fontaine bei Nuits-Saint-Georges/Burgund Auch dies sind Essen, die ganz auf der Linie von Fuchs liegen. Bodenständig und – über die Kombination von hoher Produktqualität und souveräner Kochtechnik – zugleich von großer Finesse.

Fünf sehr gute Lieferanten, die Karl-Josef Fuchs empfehlen kann ›  »echt Schwarzwald e.V.«, www.echt-schwarzwald.de (für Rind-, Kalb- und Lammfleisch aus dem Schwarzwald) › Alfons Franz, Dornbachtal GmbH, Dornmühle 1, 92670 Windischeschenbach (für Wild) › Deutsche See (für Fisch und Meeresfrüchte) › Martin Waßmer, Bad Krozingen-Schlatt (für Wein, Spargel und Erdbeeren) › Metzgerei Linder im Glottertal, www.metzgerei-linder.de (für Wild) »echt Schwarzwald e.V.« ist eine Erzeugergemeinschaft für beste regionale Produkte. Das Wild hat Fuchs oft auch aus eigener Jagd zur Verfügung, wenn aber nicht, bleibt er natürlich ganz in der Region. M ­ artin Waßmer wird vielen nur als Winzer bekannt sein, liefert aber auch andere Dinge und vergisst bei ­seinen Besuchen im Spielweg nie, einen Korb mit gartenfrischen Produkten mitzubringen. Die ­Deutsche See ist in den letzten Jahren zu einer sehr guten Adresse für Fisch und Meeresfrüchte geworden, die längst einen Stammplatz in den Lieferantenlisten der besten deutschen Restaurants hat.

Kalbsbries mit Schnecken und Kutteln Es gibt in Deutschland leider oft ein großes kulinarisches Missverständnis. Weil man sich lange Jahre sehr stark an der französischen Spitzenküche orientiert hat, ­meinen viele Köche und Gäste, dass sich große Küche nur mit der nötigen Dosis von Steinbutt, Trüffel und Foie gras realisieren lasse. Dabei hat man vergessen, dass auch in Frankreich die Spitzenküche zu ganz wesentlichen Teilen aus der Regional­küche stammt. Mittlerweile denken unsere besten Köche selbstbewusster und authentischer. Selbstverständlich hat auch die deutsche Regionalküche alles Potential ­dieser Welt – ob in optimierter, in eher traditionell angelegter Form oder in w ­ eiter entwickelten, zeitgenössischeren Gerichten. Alle drei Formen finden sich im Programm von Karl-Josef Fuchs. Da gibt es gebackene Blutwurst mit geräucherten Bouillonkartoffeln und Flusskrebsen, Leber vom Schwarzwälder Kalb mit Apfel-Balsamico-Jus, einen Presskopf vom Wildschwein mit einer süß-sauren Würzsauce, Kräutersalat und einen gratinierten Mark­knochen oder eine hochfeine Crépinette vom Hirschfilet mit Pfifferlingen und Schupf­nudeln. Oder das Kalbsbries mit Schnecken und Kutteln, eine der typischen Fuchs-Kompositionen, die für den einen oder anderen Gast vielleicht etwas bedenklich klingt, sich dann aber als höchst überzeugende, in allen Details optimierte und vor allem sehr süffige Angelegenheit herausstellt. Das Gericht ist typisch für einen Koch, der durch seine Erfahrung eine ganz andere Sicht auf das Potential ­regionaler P ­ rodukte und Geschmacksbilder entwickelt hat. In diesem Fall überzeugt ein außer­gewöhnlich vielfältiges Aromenspiel zwischen dem leicht panierten Bries, den erdig schmeckenden Schnecken (aus badischer Zucht) und der cremigen, leichten Säure von den Kutteln. Hinzu kommt ein elegantes Texturspiel, bei dem jedes der Haupt­elemente seinen klaren Platz hat – vom leicht krossen Bries zu Beginn über die Kutteln bis zu den nachhaltigeren Schnecken –, und das Bodenständigkeit mit beträchtlicher Finesse verbindet.

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Telleranalyse: Fasanenbrust auf Pulpo-Carpaccio mit Hibiskussalz und Staudensellerie Diese Kreation aus der Küche von Karl-Josef Fuchs, zeigt am klarsten, wie weit sich sein Verständnis von Wildküche entwickelt hat. Schon der Titel verrät ein Geschmacksbild, das sich in allen T ­ eilen deutlich von den üblichen herbstlich-winterlichen Rezepten mit Wildgeflügel rund um Rotkraut, geschmorte Früchte und Chutneys unterscheidet. Die wichtigsten Elemente sind: die Fasanenbrust, ohne Haut serviert [1], etwa drei Millimeter starke Scheiben vom Pulpo [2], eine Staudensellerie-Vinaigrette [3], dünne Scheibchen von Stauden­ sellerie [4] und Hibiskussalz [5]. Trotz der ungewöhnlichen Zusammenstellung gelingt die aromatische und texturelle Inszenierung der Fasanenbrust perfekt. Die Pulposcheiben zum Beispiel ­wirken vor allem wegen ihrer zarten, der dem Fasan ähnlichen, aber etwas weicheren Textur. Die zart gegarte Brust schmeckt im Zusammenhang mit dem Pulpo dann noch feiner und schmelzender. Den leicht jodigen Hintergrund nimmt man eher als dezente Würze wahr. Wie Fisch schmeckt das jedenfalls nicht. Dafür machen sich die dezenten Röstnoten des Pulpo bemerkbar. Beim Fasan sind sie ebenfalls nur sehr unaufdringlich in der leichten Butterkruste vorhanden. Auf diese Weise hat man eher ein Zitat von Röstnoten, aber nichts, was den Gesamteindruck dominieren könnte. Eine ähnliche Funktion haben die Frucht- und Salznoten vom Hibiskussalz. Während man beim Fasan keinerlei Würze durchschmeckt, wirkt sie durch die Verlagerung auf das erst unmittelbar vor dem Servieren applizierte Hibiskussalz deutlich plastischer und kommt der Konzentration auf das reine Produktaroma näher. Eine ganz klare Interpretation rührt von der Staudensellerie-Vinaigrette mit den dünnen Sellerie­ scheibchen her. Hier fügt Fuchs dem Fasan ein ungewöhnlich frisches, vegetabiles Element bei, dessen Dosierung und Platzierung im Geschmacksbild nicht so ganz einfach ist. Wären die Sellerie­ stückchen zum Beispiel dicker, warm und gegart, bestünde die Gefahr, dass sie sich schnell mit dem Fleisch vermischen und dessen Wahrnehmung deutlich beeinträchtigen. Hier aber sind sie nach modernsten Erkenntnissen der kulinarischen Sensorik eingesetzt. Man nimmt sie aufgrund ihrer Temperatur und ihrer Textur zeitlich leicht verschoben wahr. Ein Vollakkord aller beteiligten Elemente hat also einen klaren zeitlichen Verlauf. Erst kommt etwas Würze von der Vinaigrette und vom Salz, gekoppelt mit der weichen Textur der Pulposcheiben. Dann erschließt sich durch das Kauen das Aroma des Fleisches, und erst etwas später das der rohen Stauden­sellerie­scheiben. Im Verhältnis zum Fleisch blendet es also durch, und man nimmt es in verschieden abgestuften Intensitäten wahr. Am Ende sorgt es zusammen mit der Säure der Vinaigrette und der Hibiskusnote für einen deutlich erfrischenden Eindruck.

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Der Fragebogen von Karl-Josef Fuchs trifft zu

Ein Spitzenkoch sollte:

1 grundsätzlich selber kochen · alle klassischen Techniken beherrschen × alle neuen Techniken ausprobieren · möglichst originell kochen · immer die Wünsche der Gäste beachten · Kritik nicht zu ernst nehmen · wissen, was in der Szene los ist × alle wichtigen Kollegen besuchen · nur das kochen, was er auch am liebsten isst · kein weiteres Restaurant betreiben ·

trifft nicht zu

2 × · × · × × · × · ×

3 · · · × · · · × ·

4 · · · · · · · · · ·

5 · · · · · · · · · ·

Die Antworten von Karl-Josef Fuchs zeigen, dass er nicht zu den Regionalköchen gehört, die eine größere Ideologie rund um ihre Arbeit entfalten und nichts anderes gelten lassen. Seine ­Position gegenüber der Moderne ist einerseits erwartungsgemäß ein wenig zurückhaltend. Andererseits hält er es aber für sehr wichtig, zu wissen, was in der Szene los ist. So ist das eben im Spielweg: man hat hier – bei aller Traditionalität – durchaus das Gefühl, dass dies ein Ort ist, an dem man auf eine entspannte Art und Weise ­mitten im Leben steht.

Fünf Lieblingsprodukte von Karl-Josef Fuchs Reh- und Hirschkalbsleber | Steinpilze | Kalbshaxe |  Bachforelle | Mirabellen Bis auf die Steinpilze vielleicht sind dies ausschließlich Zutaten, die man normalerweise nicht zu den Luxusprodukten zählt. Sie werden allerdings zum Luxus, wenn man sie in allererster ­Qualität bekommt. Die Wildleber ist ein typisches Beispiel dafür. Wenn ­Herkunft und Frische stimmen, wird sie zu einer großen Delikatesse, deren Aromen­spektrum dem anderer Tierlebern weit überlegen ist. Dieses Wissen hat sich mittlerweile bei der neuen ­Generation von Spitzenköchen etabliert.


DIE GEHEIMNISSE DER GROßEN KÖCHE ZU ERFAHREN, IST GAR NICHT SO SCHWER. ES GENÜGT, AN IHREM TISCH PLATZ ZU NEHMEN.

THE FINE DINING WATERS


Spektakulär ist allerdings der Wein: Bescheiden liegt das Gutsgebäude von Château L’Eglise-Clinet in einer unspektakulären Weinlandschaft.

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Pomerol ist ein seltsames Weinbaugebiet. Die acht Quadratkilometer große Anbau­fläche in der Ebene verteilt sich auf knapp zweihundert Winzer, was einem durchschnittlichen Weinbergbesitz von gerade etwas mehr als vier Hektar entspricht. Damit ist L’Eglise-Clinet mit viereinhalb ­Hektar Rebfläche in dieser klein­strukturierten Welt des teuren Rotweins eine ganz normale Erscheinung. Der Kontrast zu Château-Pracht und Erzeugungsmengen im Médoc am ­linken Ufer der Gironde ist gewaltig. Das l­ieße sich wohl als Q ­ uelle handwerklicher Individualität und geschmacklicher Vielfalt feiern, wie die wichtigsten Weinkritiker der Welt es in Burgund und an der Mosel tun. Für Pomerol benutzen die m ­ eisten jedoch Worte wie »unübersichtlich« und »verwirrend«. Und in einem Punkt haben sie dabei Recht. Die Grenze zum Nachbargebiet St. ­Emilion im Osten ist weder optisch auf der Straße noch geschmacklich im Glas zu erkennen. Manche der Gewächse aus dem äußersten ­Westen St. Emilions schmecken ziemlich ähnlich wie die besten ­Weine auf der Pomerol-­Seite d ­ ieser Grenze. Dennoch: Pomerol und L’Eglise-Clinet sind erfolgreich.

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as beruht vor allem darauf, dass die einflussreichen amerikanischen Weinkritiker und v­ iele der wohl­ habenden Weinkonsumenten rund um Planet Wein, die auf sie hören, begeistert von den hier wachsenden üppigen und geschmeidigen Rotweinen sind. Erst mit dem Aufstieg Robert ­Parkers, der mit seiner Berichterstattung über den Bordeaux-Jahrgang 1982 einsetzte, haben diese Weine eine breite internationale Anerkennung erfahren. Es ist wichtig zu wissen, dass Parkers Wine Advocate damals nicht vor­ wiegend erfahrene ältere Kenner ansprach, sondern eine neue wohlhabende Konsumentenschicht b ­ egeisterte. Dar­ unter waren viele junge Menschen, die ihr Geld in Silicon Valley oder anderswo in neuen Branchen machten. Sie woll­ ten einfach wissen, was heute Abend am besten schmecken könnte, Parker erzählte es ihnen, und seine Empfehlungen gefielen ihnen nur allzu oft. »Eigentlich müssten wir ein riesiges Standbild von ihm auf dem Dorfplatz aufstellen, schließlich er hat uns groß gemacht,« sagte mir einmal einer der führenden Winzer des Gebiets. Der eigentliche Witz dabei ist, dass L’EgliseClinet trotz der von Parker gezündeten Turbostufe unter den wohlhabenden Weintrinkern der Welt immer noch nicht berühmt ist. Vielleicht hat das einen geschmackli­ chen Grund: L’Eglise-Clinet passt in keine der üblichen Schubladen für Pomerol-Rotweine, weder in die moderne üppig-süßliche noch in die traditionelle mittelvoll-sanftherbe. Das macht diesen Wein zum großartigsten bekann­ ten Unbekannten unter den Bordeaux-Rotweinen. Es scheint vielleicht ein wenig absurd, über Probleme in einem Gebiet zu sprechen, in dem Pétrus und Le Pin oft vierstellige Europreise erzielen. L’Eglise-Clinet geht es auch nicht wirklich schlecht – für eine Flasche ­2005-er bekommt man nicht viel Rückgeld auf 500 Euro –, aber es gibt neben den großen Fans eine Menge einfluss­reicher Weinfachleute, die Pomerol nichts richtig zu gönnen ­scheinen. Am linken Ufer der Gironde fühlen diese Kenner sich einfach w ­ ohler, gerade so, als ob die längere Geschichte des Qualitäts­ wein­baus für die Richtigkeit der Sache bürge, während am


Château

L’Eglise-Clinet Ein bekannter Unbekannter

in Pomerol Text: STUART PIGOTT Fotos: JOHANNES GRAU

rechten Ufer die traditionsschwächeren ­Weine bestenfalls halbrichtig sein können. Nicht einmal von der Weltkultur­ erbe-Stadt St. Emilion sind diese Menschen beeindruckt, sie ist ihnen zu touristisch. Nur wenigen Châteaux gelingt es, erhaben über diesem Trubel zu schweben. Pomerol mag römische Wurzeln haben, in punkto Qua­ litätsweinbau ist es aber ein ­ziemlich junges Pflaster. Von 1660 datiert die erste urkundliche Erwähnung des Borde­ laiser Rotweins in seiner heutigen tieffarbigen, gerbstoff­ betonten, langlebigen Erscheinung: Haut-Brion aus Pessac/ Graves, also vom linken Ufer, wurde in jenem Jahr im Keller­buch des königlichen Hofes in London erwähnt, dann drei Jahre später von Samuel Pepys beschrieben. Dagegen ist die erste bedeutende Auszeichnung für einen Rotwein aus ­Pomerol eine Goldmedaille für Château Pétrus auf der ­Pariser Weltausstellung 1878. Warum erscheint kein Pomerol in der berühmten Klassifikation der BordeauxGewächse von 1855? Damals standen die besten Winzer des Gebiets noch am Anfang eines langsamen Aufstiegs. Manche ­Quellen aus dem 18. Jahrhundert sprechen von Pomerol als unbedeutendem Weißwein­gebiet! Erst dank der enormen Anstrengungen von Madame Loubat gelang es Pétrus als erstem Pomerol-Gewächs mit den Jahrgängen 1949 und 1953, En-Primeur-­Preise ähnlicher Größenord­ nung wie die ­Premiers Grands Crus Classés am linken Ufer zu erzielen. Doch selbst dann war Pomerol immer noch ein Insider-Tipp, und auch das nur in ­Brüssel und Paris, nicht in London oder New York.

Bordeaux« von Edmund Penning-Rowsell aus dem Jahr 1969 gibt es zwar endlich ein kurzes Kapitel zum Thema Pomerol, aber nach der Beschreibung der »reichlichen Kon­ zentration« der besseren Pomerol-Gewächse wird ihr Duft mit »braunem Zucker« verglichen, was nicht g­ erade raffi­ niert klingt. Auch die Beobachtung, dass sie unter den jun­ gen Bordeaux-Rot­weinen »die unmittelbar ansprechends­ ten« Gewächse ­seien, wirkt eher wie unterschwellige Kritik. Der englische Weinkritiker folgt darin dem Trend s­ einer Zeit, outet sich aber als erzkonservatives Mitglied des bri­ tischen Wine Establishments. Nach dessen Auffassung können die Pomerol-Rotweine nichts Besonderes sein, weil sie tenden­ziell deutlich wei­ chere Gerbstoffe b ­ esitzen als die Rotweine des Médoc. Es wird dabei ein meist unausgesprochener Z ­ weifel gehegt, ob sie w ­ irklich Jahrzehnte im Keller überleben können. Ein Médoc-Wein, der noch nach zwanzig oder mehr J­ ahren

den Mund pelzig werden lässt und knüppelhart abwei­ send schmeckt, beeindruckt solche Konsumenten, die sich viel zu selten die wichtige Frage stellen, ob das je wirk­ lich angenehm munden wird. Manche Rotweine dieser ­Bauart, auch aus dem edlen Médoc, haben ihre Frucht­ aromatik bereits gänzlich verloren, wenn die Gerbstoffe endlich durch Flaschen­reife halbwegs zur ­Harmonie gefun­ den haben. Dieser Unterschied zwischen linkem und rechtem Ufer hat vor allem mit den unterschiedlichen Traubensor­ ten auf den beiden ­Seiten der ­Gironde zu tun, und auch das wird von den Konservativen als Bestätigung für ihre Pro-Links-­Haltung betrachtet. Das Médoc ist die tra­ ditionelle Hochburg des spät reifenden Cabernet Sau­ vignon, während Pomerol vom früher ­reifenden Merlot dominiert wird (etwa siebzig Prozent aller Weinberge im Gebiet). Eine ­reife Merlot-Traube ist reich an Tanninen,

Es duftete nach braunem Zucker In seinen berühmten, 1920 in London erschienenen »Notes on a Cellar Book« singt George Saintsbury eine lange Lobeshymne auf den Bordeaux-Wein – ohne ­Pomerol auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Auch in André Simons einflussreichem, 1945 in London veröffentlichten Buch »Vintagewise« ist kein Satz zum Thema ­Pomerol zu finden. Im fundierten Standardwerk »The Wines of

Der Winzer Denis Durantou

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die aber geschmacklich ein­deutig sanfter ausfallen als bei einer Cabernet-Sauvignon-­Traube. Dazu kommt die Ten­ denz der Merlot-Traube, mehr Zucker zu bilden, was zu mehr Alkohol und Glyzerin im fertigen Wein führt. Das macht ihn süßlicher im Geschmack. Wenn viele MédocWeine der l­etzten zwanzig Jahre deutlich weicher schme­ cken als die früherer Jahrzehnte, dann liegt das nicht nur am keller­wirt­schaftlichen Hi-Tech, sondern viel mehr an der Klima­erwärmung und dem langsamen Anstieg des MerlotAnteils in den Weinbergen vieler Châteaux. Dass es Jahre wie 1953 oder 1962 gab, in denen auch die Weine vom linken Ufer der Gironde in ihrer Jugend sehr ansprechend und har­monisch schmeckten, wird von den Cabernet-Sauvignon-Fetischisten einfach vergessen. Ganz zu schweigen von Jahrgängen wie 1947 und 1959, in denen die Weine des linken Ufers üppig aus­fielen und ein wenig nach braunem Zucker rochen. Die werden verdrängt, um sich an bestimmten Vorstellungen und Schubladen fest­ klammern zu ­können. Das englische Wine Establishement tat die ­1982-er Bordeaux-Rotweine anfangs als »zu kali­ fornisch« ab und versuchte erst ziemlich spät und ziemlich krampfhaft zurückzurudern, als ihm endlich klar wurde, wie sensationell Lafite, Latour, Margaux & Co (also die gefeierte ­Elite des linken Ufers) g­ eraten waren. Das war ein fataler ­Fehler, der die neue Generation wohlhabender Konsumen­ ten förmlich in Richtung P ­ arker trieb und die Vormacht­ stellung der englischen Wein­kritiker beim roten BordeauxWein brach. Trotzdem wirft die alte englische Vorstellung von B ­ ordeaux als zeit­losem, hierarchischem Gebiet mit betont-­herben Rotweinen einen langen Schatten.

Das Gelernte mit Ernst in die Tat umgesetzt 1983, also genau in diesem Schicksalsmoment, erschien Jef­ frey Bensons und Alastair Mackenzies ausführliches, von Sotheby’s in London veröffentlichtes Werk »The Wines of St. Emilion and Pomerol« mit der ersten halbwegs stim­ migen Beschreibung von L’Eglise-Clinet. Trotzdem wurde nicht erwähnt, dass Denis Durantou g­ erade dabei war, nicht nur die Führung des Familienguts zu übernehmen, son­ dern auch eine bedeutende Rolle in der Pomerol-Revo­ lution zu spielen. »Ich mache einen technischen Wein. Ich habe hier viel neue Technik eingeführt«, betonte er gleich eingangs bei unserer ersten Begegnung im Frühling 1998. Klein, stäm­ mig und in einem Maße fanatisch, das an Manie grenzte, empfing er mich in einer s­ chwarzen Lederjacke, die wie eine selbstbewusste Antwort auf die Tweed­sakkos der Châ­ teaux-Besitzer und -Direktoren am ­linken Ufer wirkte. Wir standen im Kelterhaus, wo s­ einer Bemerkung zum Trotz nur die übliche moderne Technik wie in unzähli­ gen anderen Kellereien zu sehen war: temperaturgesteu­ erte Edelstahltanks, eine k­ leine neue P ­ umpe und derglei­ chen. D ­ urantou meinte allerdings mit »Technik« vielmehr,

Was der Winzer Denis Durantou bei der Fass­ probe im mönchischen Keller von Château L’Eglise-Clinet an profunder Sorgfalt walten lässt, auch das gibt seinen Weinen den einzig­ artigen Charakter eines großen Pomerol.

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dass er das während s­ eines Studiums von 1982 bis 1985 auf der Universität Bordeaux Gelernte sehr ernst nahm und in die Tat umsetzte.

Nur reife Trauben geben auch guten Wein Das Ziel dieser Philo­sophie, die zum ­großen Teil auf Pro­ fessor E ­ mile Peynaud zurückgeht, liegt in der g­ eradlinigen Umwandlung von r­ eifen Trauben zu stabilem Wein ohne mikrobielle Beeinträchtigung. Für Peynaud waren die Aro­ men und Gerb­stoffe ­reifer Trauben das unentbehrliche Fundament eines gelungenen Bordelaiser Rotweins, und für ihn konnte es davon nie zuviel geben, solange der Wein harmonisch ­wirkte. Natürlich wurde Peynaud von den Eng­ ländern belächelt oder gar als Vernichter heiliger Traditio­ nen dargestellt, aber auch das war ein fataler Fehler. »Alles beginnt mit reifen Trauben. Gib mir reife Trauben, und ich gebe dir guten Wein. Ich habe keine Angst vor Technik, sofern sie mir hilft, guten Wein zu machen. Aber wenn ich zu viel rede, werde ich durstig ...«, schloss Durantou seine Einführung in seine ganz konkrete Weinphilosophie ab. Es folgte meine Eglise-Clinet-Erleuchtung. Zuerst ver­ kostete ich den genialen ­1996-er und den überraschend gelungenen 1997-er aus dem Fass. Beide Weine verfüg­ ten über ­enorme Gerbstoffe, wirkten dabei aber sehr sam­ tig statt k­ antig oder aggressiv. Genauso auffallend war die ­enorme Reife (aus den Trauben), ohne einen Hauch von Marmelade. Bis heute zeichnen sich die ­Weine des Gutes in ihrer Jugend durch eine ­heitere Duftigkeit, Reinheit und Frische aus, statt durch süßlich-mollige Fülle oder plump-tintige Wucht auf hohe Punkt­zahlen bei den ers­ ten Verkostungen im März nach der Lese zu setzen. Bei ­meinen Verkostungen in den folgenden Tagen in St. Emi­ lion und Pomerol wurde mir immer bewusster, wie weit vorn die Weine von L’Eglise-Clinet standen. Denis Duran­ tous Verwirklichung eines ganz eigenen Pomerol-Wein­ stils auf höchstem Niveau sowie seine ­gezielte Provoka­ tion stereo­typer Vorstellungen über ­Bordeaux-Châteaux und ­Bordeaux-Winzer trafen bei mir voll ins Schwarze. Während jener Reise im Jahr 1998 erschloss sich mir auch endlich das eigenwillige Pomerol-Terroir. Eigentlich besteht es aus drei getrennten geologischen Formationen, die teilweise auch außerhalb der 1936 festgelegten Gren­ zen des Gebiets liegen – die übliche Inkonsequenz bei der Umsetzung des französischen AOC-Gedankens. Drei ver­ schiedene Ablagerungen wurden hier jeweils am Ende einer anderen Eiszeit aus dem Massif Central und den Pyrenäen angespült. Die Weinbergböden des Médoc sind auf die ­gleiche Weise entstanden, während sie im Kerngebiet von St. Emilion aus Muschelkalk bestehen. Die Reben von L’Eglise-Clinet wie auch der meisten anderen bedeutenden Pomerol-­Châteaux wurzeln in der eine Million Jahre alten Ablagerung aus der Günz-Stein­ zeit. Sie ist eine Mischung aus Ton und Kies, während die

Ablagerungen aus der Mindel- und Risszeit ­deutlich san­ diger sind. Je höher der Kies-Anteil im Boden ist, desto leichter erwärmt er sich, w ­ ährend ein h ­ öherer Ton-Anteil genau das Gegenteil bewirkt. Deswegen werden sehr ­kiesige Böden (wie bei Le Pin) »sols ­précoces« oder ­frühe Böden genannt und sehr tonhaltige (wie bei Pétrus) »sols ­tardifs«, also s­ päte Böden. In sehr warmen Jahren haben ­letztere allerdings den Vorteil, mehr ­Wasser ­speichern zu ­können. In Pomerol ist zu wenig ­Wasser selten das ­Problem. In ­vielen Lagen – auch berühmter ­Châteaux – liegt der Grund­wasserspiegel weniger als einen Meter tief. Reben ­hassen nasse Füße – ganz besonders solche, aus denen Rot­ weine entstehen sollen. Die Böden der Weinberge von L’Eglise-Clinet leiden äußerst selten unter sogenannter Staunässe, ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Im Keller herrschen Ruhe und Zeit Mit fünfundachtzig Prozent Merlot und fünfzehn Prozent Cabernet Franc (in ­Pomerol »­Bouchet« genannt) liegt der Rebsortenspiegel des C ­ hâteaus in der für das moderne Pomerol üblichen Norm, auch wenn diese Reben zum Teil älter als hundert Jahre alt sind. Traditionell sorgt auch der Verschnitt dieser Traubensorten mit etwas M ­ albec (der hier »Pressac« heißt) für ein wenig ­Würze; in den letzten Jahr­ zehnten wurde der jedoch in Pomerol und dem angren­ zenden Teil von St. ­Emilion (etwa auf Cheval Blanc) weit­ gehend ausrangiert. Denis Durantou erachtet eine grüne Lese als unentbehrlich, um die M ­ enge der ­Trauben – und die Teilentblätterung der Trauben­zone jeder Rebzeile – in der letzten Reifephase zu steuern und so die von ihm ange­ strebte Q ­ ualität zu erreichen. Zu früh will er nicht lesen, weil die Trauben vollreif sein müssen, zu spät aber auch nicht, weil dann Aromen dominieren können, die an Dörr­ früchte und Marmelade erinnern. So hat er etwa im Jahr 2009 zwischen dem 14. und dem 28. September geerntet, während Pétrus die m ­ eisten Trauben erst am 1. Oktober einholte. Nur die Hälfte der Fässer ist neu, was im heuti­ gen Kontext als zurückhaltend geltend kann. Im Keller setzt Durantou auf Ruhe und Zeit, er akzeptiert die Eigenart eines jeden Jahrgangs, statt durch bloßen Aktionismus zu versuchen, alle Jahr­gänge auf ein von Markt oder ­Winzer bestimmtes ­Ideal zu trimmen. Die neuen Weine von ­Durantou stammen aus Wein­ bergen in völlig unspektakulären Ecken von Lalande-dePomerol und St. ­Emilion, die er 1999 übernahm. Es handelt sich keinesfalls um überdrehte Luxus­weine in Mikro­ auflagen, s­ ondern um Weine in Durantou-Manier für etwa 30 Euro die Flasche – um Weine mit einem für Bordelaiser Verhältnisse tollen Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie werden in ebendiesem Geist erzeugt, schmecken also keinesfalls wie Kopien oder K ­ lone von L’Eglise-Clinet. Und wie L’EgliseClinet vor dreißig Jahren tragen sie keine wohlklingenden Namen. Durantous Spiel bleibt gewagt.  >



Wie man olfaktorische Visitenkarten überreicht

D E R GENIUS IN DER FLASCHE Text: USCHKA PITTROFF

»Eine

Frau, die kein Parfüm trägt, hat keine Zukunft.« Mademoiselle Coco Chanel liebte diesen ­Aphorismus des Lyrikers und Philosophen Paul Valéry so sehr und sie zitierte ihn derart generös, dass man dieses Diktum häufig der großen französischen Modeschöpferin zuschreibt. La Chanel, Wegbereiterin einer ebenso funktionellen wie eleganten Damenmode, war die Erste unter den Couturiers, die 1921 mit ihrem legendären Nº 5 einen Duft auf den Markt brachte, der den Genius ihrer Kreationen unterstrich, der Flüchtiges in Greifbares verwandelte: »In der Mode geht es nicht nur um Kleider, Mode liegt in der Luft, sie wird vom Wind getragen.« Damit löste sie eine kleine Revolution aus, die eine blühende Industrie hervorbringen sollte. Der Idee, den Geist einer Modemarke in eine ­Flasche zu f­ üllen, eiferten im Lauf der Zeit sämtliche Modehäuser nach.

Anders als in der Mode, wo es darum geht, den Zeitgeist zu erfassen, schnell wechselnde Trends zu erahnen und diese in Kollektionen umzusetzen, verlangt die Konzeption eines Parfüms das genaue Gegenteil: etwas Dauerhaftes zu erschaffen, wenn möglich sogar einen Klassiker. Die Duftkreateure wünschen sich nicht nur einen Best-, ­sondern vor allem einen Longseller. Mode ändert sich ­ständig. Einem Parfüm sollen Träger und Trägerin treu bleiben, es soll Teil deren Persönlichkeit werden, möglichst über eine lange Phase. Der Mailänder Mode­designer Giorgio Armani hat eine genaue Vorstellung von einer olfaktorischen Visitenkarte: »Ein Parfüm soll den Träger wie eine Aura umgeben, ihm vorauseilen und hinter ihm zurück bleiben. Parfüm hilft den Menschen dabei, dass andere wahrnehmen, wer sie sind.« Mit Düften umgibt er sich Tag und Nacht: »In meinem Haus verwende ich orientalischen Weihrauch und parfümierte Kerzen. In meinem Badezimmer stehen Gefäße mit Potpourris und auf meinem Nachttisch ein Glas ­Wasser mit einem Tropfen Zitronenextrakt.« Der Meister der Eleganz ist nicht nur bekennender Konsument von Duft­ stoffen – »Das erste, was ich morgens nach dem Anziehen mache, ist ein paar Tropfen meines Parfüms auf mein Shirt zu träufeln« –, er ist auch einer der erfolgreichsten Kreateure, die es geschafft haben, Mode mit kongenialem Dufterlebnis glaubwürdig umzusetzen. Vor mehr als dreißig Jahren revolutionierte er die Mode, indem er Herrenkleidung Sanftheit und Damenkleidung

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eine maskuline Note verlieh. Der Durchbruch kam mit dem Film »American Gigolo« (1980) mit dem damals noch unbekannten Schauspieler Richard Gere, der einen narzisstischen, dandyhaften Parvenu spielte – von Kopf bis Fuß in Armanis casual Chic gekleidet. »Ich habe eine Entwicklung eingeleitet«, so der Mailänder ­Perfektionist, »die den Komfort der Kleidung in den Vordergrund stellt – und dies zu einer Zeit, als Kleidung noch auf eine alt­modische, starre Weise produziert wurde.« Armani-Anzüge wurden fürderhin in einem einzigartigen Siegeszug zum Must ­junger, erfolgreicher, urbaner Karrieristen, die Marke Armani zum Statussymbol für Alpha-Männer und -Frauen. In den Achtzigern emanzipierten sich die italienischen Designer von Frankreich und der Londoner Savile Row. Giorgio Armani tat Unerhörtes: Er befreite Anzüge von Versteifungen, Schulterpolstern und Innenfutter, änderte Knöpfe und Revers und präsentierte, ecco!, das »decon­ structed jacket« (es gibt dafür keinen deutschen Begriff) in mediterran lässigem, umkompliziertem Look. Er war nicht nur der erste Designer, der 1983 ein Büro in Hollywood eröffnete und Filmstars ausstattete, er erschuf ein ganzes Armani-Lifestyle-Universum. Wer möchte, kann morgens mit Armani-Porzellan frühstücken, sich von der Unterwäsche bis zur Sonnenbrille in Armani kleiden, zuhause in Armani-Betten nächtigen, in seinen NobuRestaurants essen und seine Ferien in Armani-Resorts verbringen.

Luxus

vom Designer ist längst nicht mehr den »rich & famous« vorbehalten. Zu dieser Demokratisierung hat sicher auch die ­Liaison von Stardesignern mit Parfümhäusern bei­ getragen. Frank ­ Schnitzler, Düsseldorfer Parfüm-Experte und ­Grandseigneur der Branche sagt: »Es ist großartig, wenn sich jemand ein solch tolles Parfüm kauft, auch wenn er sich die Kollektionsteile nicht leisten kann. Feine P ­ arfüms sind wie Psychopharmaka, sie machen einfach gute Laune und tun dem Selbstbewusstsein gut.« Von den gut achthundert

Damen- und Herrendüften, die in Deutschland auf dem Markt sind, entfällt etwa ein Viertel auf High-Class- und Marken-Duftwasser. Jährlich kommen hundert neue hinzu. Allerdings ist der Erfolg nicht garantiert. »Nach etwa drei Jahren ist ein Drittel davon schon wieder verschwunden«, so Schnitzler. Sehr viel früher waren Wohlgerüche Opfergaben für die Götter. Heute muss dem Gott Mammon geopfert werden. Wir wollen keine Mythen zerstören und Sie nicht desillusionieren, Fakt aber ist: Sowohl für Luxus-Kleidung als auch für raffiniertes Parfüm machen die Materialkosten (beim Parfüm sind das im Wesentlichen »Saft« und »­Flasche«, wie Brancheninsider Parfüm und Flakon nennen) maximal zehn Prozent vom Verkaufspreis aus. Will heißen: Je exquisiter die Ingredienzien, je länger die Dauer des Kompositions- und Herstellungsprozesses, desto teurer das Produkt. Folglich gilt: Kosten Produktion, Vertrieb, Marketing, Werbung etwa acht Euro pro Einheit, geht der F ­ lakon für rund achtzig Euro über den Ladentisch. Dass Giorgio Armani ein sehr feines Näschen für das Duftgeschäft hat, zeigt sein ungeheurer Erfolg: Seit 1982 brachte er (in Verbindung mit L’Oréal) gut ein ­Dutzend Duftwässer (mit diversen Varianten) auf den Markt. Viele von ihnen sind mittlerweile Klassiker wie Giò (1982), Aqua di Giò (1995), Armani Code (2004) – aktuell: Code Sport für Herren. Was sie so anziehend macht: Die Düfte sind eher diskret, von italienischer Sprezzatura und nie aufdringlich. Armani: »Mir gefallen am besten Düfte, die an natürliche Elemente erinnern: Urlaub am Meer, ein berührendes Naturerlebnis, Bergamotte- und Zitrusnoten.« So wenig der einzige unabhängige Stardesigner (sein ­Imperium gehört ihm zu hundert Prozent) Mode für Fashion Victims macht, so wenig lässt er Kompromisse beim ­Parfüm zu. Aggressives, zur Schau G ­ estelltes, laute Düfte sind ihm ein Gräuel. Er verführt mit Stil. Armani: »Und die Essenz des Stils ist, etwas sehr Komplexes einfach auszudrücken.«


Der Duft der Mode: ­Georgio Armani wie Narciso ­Rodriguez lassen ihre Parfüms und ­deren Flakons die Essenz ihres ­Designs widerspiegeln.

Darum geht es auch dem libanesischen Designer-Star Elie Saab. »Stil, nicht style«, ist sein Credo; er will »mit Schönheit das Leben der Frauen bereichern«, wenn er mit ­seiner märchenhaften Mode ihre Trägerinnen ins ­Träumen und die Männer zu hingerissener Anbetung bringt. Wie seine glamourös schwingenden, glitzernd leichten und doch in orientalischer Opulenz schwebenden Kleider ist auch sein Parfüm. »Ich empfinde diesen Duft als ganz weiß, fast als Licht, voller Helligkeit, weiblich.« Im eleganten Flakon spiegelt sich dies alles als unverwechselbare, unvergessliche Linie.

»Was

Stil ist? Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte recht kokett die Mailänder Modedesignerin Miuccia Prada einmal in einem Interview. Obwohl sie seit 1989 mit ihrer ersten Prêtà-Porter-Kollektion (vorher entwarf sie die legendären Nylon-Bags und -Rucksäcke, Modecodes für die damaligen ­Cognoscenti, die heute Fashionistas heißen) stil­ bildend wirkt und die mutmaßlich meistkopierte und einflussreichste Modemacherin der letzten Dekaden ist, setzt ihr Chic eher auf einen Anti-Chic. Mit jeder neuen Kollektion bürstet sie Zeitgeist und Komfortabel-Gewohntes

gegen den Strich und begreift sich selbst als professionelle Experimentatorin. Die Politikwissenschaftlerin, ExKommunistin, Feministin und Erbin des von Ihrem Großvater Mario Prada 1913 gegründeten Unternehmens, das Reisegepäck für den Geldadel Europas herstellte, ist so etwas wie der Einstein des Mode-Universums. Ihre stilistischen Quanten­sprünge machten Prada zum Kultlabel (seit diesem Jahr börsennotiert), ihre Designs sind Saison für Saison ein neuer Urknall für die Fashion-Szene. Anders als der Physiker Einstein experimentiert sie nicht mit Quanten und Quarks, ihre Teilchenbeschleuniger sind reine M ­ aterie. Miuccia Prada: »Allein die Stoffe! Mit ihnen und ihrer ­Qualität verbringe ich neunzig Prozent meiner Arbeit.« Sie verwendet plüschiges Teddy-Mohair, das als absolut unverkäuflich galt. Ein Bestseller! Sie kombiniert sexy ­Stilettos mit dicken Wollstrümpfen, Tiaras mit BusinessKostümen, Rennfahrer-Pelzkappen mit MeerjungfrauenPailletten-Cocktailkleidern, plündert pervers-kitschige

und horrende Farb- und Muster-Vorlagen, verarbeitet bestes Kaschmir mit High-Tech-Fasern, bringt spießigaltmodische Materialien wie Walk-Wolle und Persianer ins Spiel, die unter ihren Händen plötzlich in umwerfendem neuen Glamour erstrahlen. Seit ihren Anfängen gilt sie als Modemacherin für intellektuelle Frauen. Ihr Credo: »Wenn ­Kleider den Körper nicht enthüllen, hat man eher die Chance, seinen Geist zu offenbaren.« So nimmt es nicht wunder, dass La Prada auch mit P ­ arfüms, die ihren Namen tragen, eigene Wege beschreitet. Amber, einfach Amber! Basta. Ihr erstes Duftwasser kam 2004 auf den Markt und hat bis heute unzählige eingeschworene Fans erobert. Weil sie Amber-Duft schlicht und ergreifend liebt, hat sie auch diesen Stoff so innovativ in ein Parfüm einbauen lassen, dass er neu und wie multidimensional wirkt (für die Reinheit Sandelholz, für das Betörende Patchouli, für das Kostbare Labdanum-Harz, für die Tiefe Benzoe). 2006 kam der Herrenduft dazu; die Linie wurde zudem mit L’Eau Ambrée zu einer AmberFamilie erweitert. Eine originelle Neuinterpretation von Iris-Duft, ultrafeminin und oszillierend zwischen Frische und Dauerhaftigkeit, gelang mit Infusion d’Iris (2007). Und jetzt der neueste Coup: ein Fest der Maßlosigkeit! Das neue Prada-Candy ist eine Übertreibung, ein Superlativ, eine Explosion aus Karamell-, Moschus- und Benzoe-Noten. Das olfaktorische Wunder: Das Parfüm riecht so köstlich, fein, zartpudrig, poetisch und süchtig machend, dass man glauben

Eine Waffe gegen Wirklichkeit: Viktor & Rolf lassen ihre Phantasie spielen und in Mode und Duft Blütenbomben explodieren.

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Ein Schwingen und Schweben: In seinen kreativen Visionen schenkt der Designer Elie Saab den Frauen Glanz und Glamour, lichtflirrende Düfte und märchenhafte Feminität.

könnte, Daniela Andrier habe beim Komponieren an Baby-­ Kaschmir gedacht und nicht an eine Ode ans Exzessive. Sie hat das laotische Harz des Storaxbaumes, Benzoe, in einer bislang nicht dagewesenen Konzentration von zwölf P ­ rozent verbaut (üblich sind etwa vier) und aus der vermeintlichen Disharmonie ein harmonisches G ­ anzes geschaffen. »Too much of a good thing can be wonderful«, meinte schon Mae West.

Ähnlich

wie Miuccia Prada nähert sich das niederländische Designerpaar Viktor & Rolf (Viktor Horsting, Rolf Snoeren) der Mode eher von einer konzeptionellen Seite, einer kognitiven Ästhetik, als sich lediglich um schwingende Rocksäume und liebliche Silhouetten zu kümmern. Aufmerksamkeit erregten sie mit ihren künstlerisch inszenierten und Leitmotivgetriebenen Präsentationen wie eine Modenschau namens Babuschka (Herbst/Winter-Kollektion 1999/2000). Das Model Maggie Rizer erschien auf einer Drehscheibe, um von den beiden Illusionskünstlern Lage um Lage in neun aufeinanderfolgende Outfits gekleidet zu werden.

Energie beziehen – extravagante Kreationen mit nüchternen Schnitten, Entertainment und zugleich das Gespür für höchste Qualität, Luxus und spielerische Komponenten – waren es, die den weltweiten Markt­führer bei Luxus­ parfüms, L’Oréal, bewogen hat, Flower­bomb (2005) mit Viktor & Rolf zu realisieren. »Flowerbomb ist ein exklusiver Blütencocktail, der die Fantasie beflügelt. Dieser Duft berührt das Herz, vertreibt Trübsal und lässt den Alltag in einem positiven Licht erscheinen«, sagen die beiden Designer über ihr ZauberElixier. Interessant: Während viele andere Labels als Tiger starten und als Bettvorleger enden, also mit kurzfristigen Megaverkäufen brillieren, um dann wie ein Sternschnuppe zu verglühen und vom Markt zu verschwinden, entpuppt sich Flowerbomb als Phänomen. Die Fangemeinde wächst stetig weiter auf dem Weg zum modernen Klassiker (jetzt neu als limitierte Weihnachts-Edition!). Auch als die beiden ihre zweite Parfüm-Kreation, den Herrenduft Antidote (Gegengift – 2006) auf den Markt brachten, entsprach dies ihrer Philosophie: Es war ein »Gegenmittel zur kalten Realität, gegen die wir nur eine einzige Waffe haben – unsere Träume.« Ähnlich wie Frank Schnitzler sehen Viktor & Rolf ein Duftwasser nicht nur als hautnahes Accessoire, sondern als eine Art Anti-Depressivum: »Antidote ist ein Zaubertrank, der das Negative ins Positive verwandelt und Freude, Wunder, Liebe und Erfolg heraufbeschwört.«

Immer nähern sie sich der so ernsten Sache Mode mit Humor – ob mit Achtfachkrägen in den Blusen, Bett­ wäsche-Kleidern oder Hirschgeweihen. Kollektionen wie Atomic Bomb (Herbst/Winter 1998/99) und Black Light (Frühjahr/Sommer 1999) waren Spektakel; zweimal paradierten die Models auf dem Laufsteg. Erst um die ­Kleider wie in einem Zirkus als Show Pieces zu ­zeigen, sportlich nonchalanter Eleganz bei extraals idealisierte Version dessen, was hernach in die Läden vaganten Schnitten zeigt sich modern und kommt – und dann in jener realen tragbaren Variante. sinnlich die Mode von Narciso Rodriguez, der ein LandViktor & Rolf l­ießen Tilda Swinton für sich auftreten, Tori mark nicht nur der amerikanischen Modewelt wurde, nachAmos und Rufus Wainwright. Mode, Kunst, Musik, Instaldem Michelle Obama 2008 ein Kleid von ihm trug. Auch lation, ­Performance – alles vereint sich zu einem avantin der Pariser Szene schätzt man den Créateur aus New gardistischen, aber (­letzten Endes) sehr tragbaren Stil, Jersey, dessen Parfüm in Duftnote und Flakon-Architekder handwerklich perfekt und mit exquisiten Materialien tur Sensibilität mit Präzision, Anmut und Schönheit mit gefertigt ist. Auch wenn sie manchen als eine Art ScherzKraft und klassischer Präsenz verbindet. kekse der Szene gelten, weil sie Pariser Salon-Chic mit urbanen Art-Events und Happenings konter­karieren, ihr Ein wahrer Magier der Mode war Cristóbal Balenciaga. Couture-Können ist unbestritten. Chirurgisch akkurate Schnitte und milimeter­genaue Maßarbeit, sie beherr- Der Spanier (1895 bis1972) galt seinem Kollegen ­Christian ­ hanel, schen die strengen Regeln des klassischen Couture-­ Dior als »master of us all«. Selbst Mademoiselle C bekannt für ihre scharfzüngigen Bonmots, erkannte Handwerks. 2008 erwarb der italienische Jeans-Unterneidlos: »Er ist der einzige wirkliche Couturier. Er kann nehmer Renzo Rosso (»Diesel«) die Mehrheit an dem wenigstens zuschneiden und nähen. Alle anderen sind Modehaus, die perfekte Hochzeit von Kreativität und nur Zeichner!« Business. Die Gegensätze, aus denen Viktor und Rolf ihre

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Unter den Stars des Modehimmels im 20. Jahrhundert galt der Spanier als der Kompromissloseste. Als Aus­statter der Königlichen Familie und des spanischen Hochadels sah er sich gezwungen, seine Heimat während des Spanischen Bürgerkriegs zu verlassen und sich in Paris anzusiedeln. Dort wurde er mit offenen Armen empfangen und so gefeiert, dass seine internationalen Kunden selbst unter großen Gefahren während des Zweiten Weltkriegs zu ihm reisten, um seine neuesten Kollektionen zu sehen und zu kaufen. Anders als Christian Diors New Look, der auf Wespentaille und Eieruhr-Silhouette setzte, bot ­Balenciaga fließendere, lineare und geschmeidigere Looks, die Frauen mit unterschiedlichen Körpermaßen gleichermaßen ­standen und dennoch schmal waren wie Skulpturen. 1951 transformierte er feminines Design völlig, indem er auf Taille verzichtete und die Schultern akzentuierte (daraus entstanden Tunika und später Hemdblusenkleid). Er entzückte seine Kundinnen mit Bolero-Jäckchen und Ballonröcken, Kasten-Mänteln mit Kimono-Ärmeln, Baby-Doll-Kleidern und der Empire-Linie. Zu seinen Marken­zeichen zählten abstehende Kragen aus steifem Duchesse-Satin und Bracelet Sleeves, dreiviertellange Ärmel. Ein S ­ kandal, als Jackie Kennedy sich in die Couture von Balenciaga verliebte. Der Präsident fürchtete, man könne seiner G ­ attin unpatriotisches Verhalten vorwerfen (die Kleider kosteten ein Vermögen). Ganz diskret wurde die Rechnung schließlich von Vater Joseph Kennedy beglichen. Nach dem Tod Balenciagas fiel seine Maison in einen Dornröschenschlaf. 1986 versuchte man, die schlafende Schönheit wachzuküssen. Erst als der fünfundzwanzig Jahre junge Nicolas Ghesquière 1997 die Kreativ-­Direktion übernahm, gelang dies (das Haus gehört heute zum Luxus­ konzern PPR). Für die Nuller Jahre in der Mode war dies, als hätte sich Keith Richards Gitarre in ein leises klassisches Konzert gestohlen: Ghesquière rockte die Fashion Crowd! Scharf geschnittene Jackets, hautenge Jodhpurs, Gothic-Motive auf T-Shirts, Spitzenblusen mit hohem Stehkragen, tulpenförmige Kleider mit Kaminkragen, MotorradLook inspirierte Handtaschen wie die äußerst begehrte Lariat oder die First mit charakteristischen Schnallen und Lederbändern. Kaum eine andere Kollektion ist so reich an Schnitt-Ideen und Details.

Dem

als neuer Messias der Mode gefeierten Franzosen, der futuristische ScienceFiction-Elemente mit organischen Formen und klassisch französischem Chic virtuos mischt, gelingt es zusammen mit Parfümeur Olivier Polge, seine Vision zu emulieren: Balenciaga Paris ist ein resoluter Duft – scheinbar leicht, aber zugleich tief mysteriös. Ghesquière zu den Ingre­ dienzien: »Das Veilchen ist ein trügerischer Freund. Es ist zuerst zart, hinterlässt aber dennoch eine bleibende Spur.« Das Kult-Parfüm aller Fashionistas wurde jetzt im Herbst durch das reizvoll widersprüchliche Pendant L’Essence ergänzt. Die sehr wertvollen und hochkarätigen Flakons ziert eine Verschlusskappe, die an ein Hämatit-Collier aus Balenciagas Modevermächtnis erinnert. »Ein guter Modeschöpfer«, sagte dieser einmal, »muss ein Architekt sein für den Schnitt, ein Bildhauer für die Form, ein Maler für die Farbe, ein Musiker für die Harmonie und ein ­Philosoph für den Stil.« Vom Duft der Mode sprach er nicht. Dieses Feld hatte er Mademoiselle Chanel überlassen, die forderte: »Ich möchte einen Duft kreieren, wie es ihn bislang noch nie gegeben hat. Einen Duft für Frauen, der nach einer Frau riecht!«. Sie hat auch damit Geschichte geschrieben. Ihr Nº5 war der erste abstrakte Duft (vorher gab es nur monoflorale Kompositionen beispielsweise aus Maiglöckchen, L ­ avendel oder Veilchen), eine Konstruktion mit A ­ ldehyden. Jene chemischen Verbindungen, die Gerüche entstehen lassen, die es vergleichbar in der Natur nicht gibt, haben seither unsere Duft- und Riechkultur verändert. Nur wird man heute nicht mehr sagen: Welch bezauberndes haitianisches Vetiver! Oh, welch schöne bulgarische Rosen! Oder: Welch schmeichelndes HyzinthenBouquet. Man wird fragen: Wow, ist das das neue Parfüm von Armani, Prada, Chanel, Balenciaga? Duft-Design hat längst unsere Nasen erobert. >


drink responsibly

w w w. m a s s v o l l - g e n i e s s e n . d e

ENJOY RESPONSIBLY


Duftstar

<aus dem>

Kohlenpott Gerd Pieper setzt mit seiner Stadtparfümerie auf Individualität Text: Michael Freitag Fotos: Rui Camilo

Wer

Parfüm liebt und über Wohlgeruch nachdenkt, dem kommt Paris in den Sinn, die Stadt der berühmtesten Parfümeure.

Vielleicht träumt er von Grasse in Südfrankreich, wo noch heute Duftstoffe für Parfüms hergestellt werden. Oder er denkt an New York, wo die Kon­ zerne beheimatet sind, die uns schöne Düfte und pflegende Substanzen verkaufen. Aber denkt er sich auch ins Ruhrgebiet? Wohl nicht unbedingt. Kohle und Stahl, Zechen, Förder­türme, rauchende Schlote und Abraum­ halden, ­Kumpel und Bergmannssiedlungen – das sind die Bilder, die sich uns fast unauslöschlich eingeprägt haben. Wie all das gerochen haben mag? Besser nicht dran denken. Es lohnt auch nicht, denn das alles ist Geschichte.

D

ie Ruhr ist heute ein sauberer Fluss, an ihren Ufern sind attraktive Wohnlagen entstanden. Der dichte Kohlesmog ist verschwunden, und der »Mond von WanneEickel«, seinerzeit besungen von F ­ riedel Hensch und den Cyprys, ist voll und rund zu sehen. Nur die Stadt WanneEickel nicht, denn die gibt es nicht mehr. Die gehört heute zu Herne. Dort ist Gerd Pieper zu Hause, der Herr über die einhundertfünfzehn Filialen der »Stadt­parfümerie Pieper« in Nordrhein-Westfalen und Nieder­sachsen, die größte inhabergeführte Parfümeriekette Deutschlands, im Familien­besitz seit 1931. Gerd Pieper kennt das Ruhrgebiet wie seine Westen­ tasche, die Vorzüge ebenso wie die Probleme. Er kennt aber auch die Welt des Parfüms von Paris bis Tokio, und er sagt ohne Zögern, in dem charakteristischen, wenn auch nur leicht wahrnehmbaren Tonfall seiner Heimat: »Mich kriegt man hier nicht weg, ich gehe nirgendwo anders hin.« Das ist einerseits eine persönliche Entscheidung – er lebt in dem Haus seiner Eltern im Herner Stadtteil WanneEickel –, andererseits kann er viel zu gut rechnen, um nicht auch den betriebswirtschaftlichen Standortvorteil zu sehen. Seine heimatlichen Wurzeln sind stark. Als er einmal zu einem Gespräch mit dem Deutschlandchef einer ­großen Marke nach Düsseldorf gebeten wurde, verstand er das gar

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nicht: »Wenn der mich kennenlernen will, muss er hier­ her zu mir kommen.« Das war zu der Zeit, als die Firmen­ zentrale im Pieperschen Wohnhaus angesiedelt war. Aus der drangvollen Enge von damals ist er mittlerweile in ein sehr großes Bürohaus direkt neben dem Lager umgezogen. Die Herner Wirtschaftsförderung habe sehr geholfen, das Objekt zu erwerben, und so verfügt jeder der achtzig Mit­ arbeiter in der Zentrale heute über ein Büro, dessen Größe viele Chefs in den teuren Metropolen neidisch machen könnte. »Wir haben früher natürlich jeden Pfennig in den Ausbau der Geschäfte gesteckt, die Zentrale war nicht so ­wichtig«, bekennt der mittelständische Unternehmer. Aber mittlerweile könne und müsse er wohl auch ein wenig mar­ kanter auftreten. Dazu passt die Art-Déco-Anmutung der Räume und neben ihrer Größe auch die Transparenz: Alle Büros, auch das des Chefs, sind verglast, er will jedem, der vorbeigeht, zuwinken können, will für jeden ansprechbar sein. Dabei hatte er nach dem Kaufmanns-Diplom 1969 zunächst gar keine Lust, ins elterliche Geschäft einzustei­ gen. Das bestand aus zwei Seifenläden, »und ich dachte, dafür habe ich doch nicht studiert« (BWL, in Köln). Aber sein Vater überredete ihn damals zu einem Jahr Bedenkzeit,

bevor er eine Karriere als Marketingmanager bei irgend­ einem großen Konzern in Angriff nähme. Nach einem Vierteljahr schon war dem Junior allerdings klar, dass er bleiben wollte, die Selbständigkeit war zu verlockend, auch wenn die Firma klein war. Hinzu kam die Begeisterung für die duftende Welt der Tiegel, Öle und Essenzen. Damals fing er an, Flacons zu sammeln; mittlerweile sind es so viele, dass sie große ­Vitrinen in den Empfangsräumen seines Hauptquar­ tiers füllen. Welches sind für ihn die schönsten Flacons? »Schön sind sie auf ihre Art ja alle, aber vielleicht einige von ­Guerlain.« Ganz sicher sei ein weißer Flacon von Dior der wertvollste – »Glas mit weißen Verzierungen, das konnte man damals noch nicht so gut.« Die Sammelbegeisterung und der Sinn für das Flüchtige und Schöne werden ergänzt durch seine kaufmännische Sorgfalt bei Kostenrechnung und Controlling. Sein Vater, mit dessen Gesundheit es nicht zum B ­ esten stand – er starb vier Jahre später –, fand die Entschei­ dung seines Sohnes »tofte« und ließ ihm alle Freiheit, Wachstum anzustreben. Denn mit den beiden »Seifen Pieper«-Läden in Herne und Wanne-Eickel allein konnte er nur unter­gehen – dafür brauchte Gerd Pieper keinen Rechenschieber.


Expansion und Augenmaß: Aus zwei vom Vater ererbten Seifen-Läden hat Gerd Pieper seit seinen frühen Stadtparfümerien im Ruhrgebiet eine stolze Kette von heute einhundertfünfzehn Filialen geschaffen.

Wo mag er wohl 1969 seinen Optimismus hergenom­ men haben, zu einer Zeit, als absehbar war, dass die alte industrielle Herrlichkeit des Ruhrgebiets langsam, aber sicher, an ihr Ende gelangen würde? Herne hatte sechzig­ tausend Einwohner. Von der Kohle, direkt oder indirekt, »lebt heute niemand mehr, wenn wir von der Hauptverwal­ tung der RAG absehen, aber das sind ja nur Bürojobs.« Und insgesamt verlor das Ruhrgebiet Einwohner, also Kaufkraft. Doch Gerd Pieper glaubte an die Zukunft und an die Menschen, die blieben. Und das waren immer noch ziem­ lich viele. Heute leben im Regionalverband Ruhr fünf ­Millionen Menschen, die ganz ordentlich verdienen. »Sogar die früheren Bergmannsfamilien sind als Kunden interes­ sant«, sagt er, denn »die bekommen ja von der Knappschaft die höchsten Renten.« So fand Gerd Pieper es durchaus lohnend, sich bei der Expansion zunächst das Ruhrgebiet vorzunehmen. »Die Wirtschaftsstruktur war zwar nicht so toll«, sagt er lako­ nisch, »aber Familien wie die Krupps und die Haniels und ihre gut verdienenden Angestellten lebten in Essen, und dort kauften sie auch ein. Das war unsere Chance.« Denn darüber müsse man sich bei Parfüms und Kosmetik natür­ lich klar sein: »Wir verkaufen Dinge, die im Ernst ­niemand braucht.«

Der Bedarf an Dingen, die man tatsächlich oder angeb­ lich dringend braucht – Autos, Waschmaschinen, Reisen nach El Arenal – war Ende der sechziger Jahre weitgehend gedeckt. In dem Maße, wie das Ruhrgebiet »kleiner, aber feiner wurde«, wie Pieper stolz sagt, konnten seine Bewoh­ ner sich dem Luxus öffnen. Und zwar überall. Nicht nur in den Großstädten mit Ladenlokalen der großen Ketten, die sich ab vierhundert Quadratmetern Verkaufsfläche aufwärts rentieren. Gerd Pieper dagegen betreibt auch in Kirchhellen, einem Stadt­ teil von Bottrop, ein Geschäft, »und ich wette, dass Sie diesen Ortsnamen noch nie gehört haben«. Einhundert­ fünfzig bis zweihundert Quadratmeter, das ist Piepers Ziel­ größe bei der Anmietung von Verkaufsflächen – wenn der Laden größer ist, lässt sich darüber reden, sofern die Miete bezahlbar bleibt, und wenn er kleiner ist, auch gut: Es gibt sogar Filialen mit nicht mehr als hundert Quadratmetern.

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röße ist für Gerd Pieper kein Kriterium: »Viele unse­ rer Läden liegen direkt neben Douglas. Die Kunden haben also jede Auswahl, die sie sich wünschen können. Unsere Heraus­forderung ist es, sie zu uns zu ziehen.« Wie er das macht? Die Läden der Stadtparfümerie sollen nicht wie Supermärkte wirken. Deshalb sind sie auch nicht uniform

­gestaltet. In jeder Stadt sehen sie anders aus, abhängig von dem Haus, in dem sie sich befinden, abhängig von der Nachbarschaft. Deshalb auch der Name »Stadtparfümerie«. Jeder Kunde wird gleich behandelt: Ob er eine Haar­ spange für 3,95 Euro kauft oder eine Kosmetikserie für 160 Euro, spielt keine Rolle. Den Kunden mit dem berühmtberüchtigten Blick von unten nach oben zu taxieren, ob er auch smart genug angezogen ist und genügend Umsatz erwarten lässt – streng verboten. Wer so etwas macht, ­riskiert eine Abmahnung. Ansonsten darf jeder Kunde erwarten, dass die Verkäuferinnen auf jeden Wunsch indi­ viduell eingehen. Diese sehr persönliche Art des Verkaufens gefällt nicht unbedingt allen, aber genügend vielen. »Bitte schreiben Sie das, darauf kommt es mir besonders an«, sagt er im Gespräch mit Nachdruck, »wir pflegen sehr gute Bezie­ hungen zu unseren Lieferanten. Chanel, Guerlain, ­Nobilis, Puig – wir verkaufen ihre Produkte gern, zum beider­ seitigen Vorteil. Aber die Marke, die uns am wichtigsten ist, heißt Pieper.« Damit meint er: Die Kunden sollen sich darauf verlas­ sen können, dass ihre Wünsche im Vordergrund stehen. Das klingt ziemlich banal. Aber genau das ist es eben nicht. Vielerorts werden die Kunden von Propagandistinnen der L ifest y le

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Sammlerglück und Augenlust: Von der Schönheit der kostbaren Flakons war der nüchterne Geschäftsmann Gerd Pieper von Anfang an so bezaubert, dass er heute eine kostbare Sammlung seltenster Parfümfläschchen sein Eigen nennt. Baumscheibe.« Jedes Jahr zwei oder drei, vielleicht auch vier neue Geschäfte, plus Renovierungen bereits beste­ hender Läden in gleicher Größenordnung und all das in ­steter Regelmäßigkeit. Konkurrenten, die rechnen ­können, sehen das mit Argwohn und können ihn dennoch nicht stoppen. Tröstlich ist für sie, dass Pieper keine Ambitio­ nen hat, bundes­weit zu expandieren. Nach Bremen etwa würde er erst dann gehen, wenn er auf dem Weg dorthin schon einige Stationen hätte, »sonst wäre die Logistik zu schwierig«. In Osnabrück ist er schon.

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Herstellerfirmen beraten, die von Provisionen leben. Wer von Dior bezahlt wird, empfiehlt nichts von Donna Karan, Davidoff-Repräsentanten verkaufen garantiert kein ­Chanel, und wer das hohe Lied von Yves Saint Laurent singt, wird nicht auf Hermès hinweisen. All das kann Gerd Pieper nicht leiden, deshalb ist es in seinen Läden verpönt. »So etwas zerstört Kundenver­ trauen«, findet er, und das betrachtet er als das größte Kapital mittelständischer, inhabergeführter Betriebe. Die großen Wirtschaftsunternehmen, vornehmlich aus dem Finanzsektor, hätten ja derzeit einen schlechten Ruf, und sie hätten ja auch genügend gute Gründe dafür geliefert. Sorge bereitet ihm da schon, dass alle Unternehmer p ­ auschal so scheel angesehen würden und dass gleich die ganze Markt­ wirtschaft verteufelt würde – »Quatsch!«. Denn die Chancen eines freien Wirtschaftssystems seien nicht zu übersehen. Er habe klein angefangen, mit fünf Mitarbeitern, heute seien es mehr als tausend – sichere Arbeitsplätze. Das funktioniere auch heute noch: »Wer ein intelligentes Konzept hat, kann ganz klein anfangen – er wird trotzdem der Darling der Lieferanten sein«. Die hassten, das sagt er vor dem Hintergrund seiner zweiund­ vierzigjährigen Erfahrung, nichts so sehr wie marktbeherr­ schende Einzelhändler: »Natürlich bekommen die Ein­ käufer von Douglas gute Konditionen, wegen der großen Abnahmemengen. Aber mit der Macht von Aldi ist all das nicht zu vergleichen.«

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leine Startups hätten verglichen mit seinen eigenen Anfangsjahren heute einen sehr wesentlichen Vorteil – die Publicity. Denn: »Es gibt die Fragrance ­Foundation, die alljährlich die Duftstars prämiert, die wichtigsten Parfüms des Jahres. Klassiker, Newcomer, für Männer, für Frauen, sehr edel oder auch geeignet für den Markt ­höherer Ver­ kaufsvolumina. So etwas ist wichtig. Preisverleihungen ­dieser Art gibt es in jeder Branche, die auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen ist – Film, Musik, Architektur, Kunst, Journalismus. Und zum Glück seit einigen Jahren auch bei den Düften.« Die Stadtparfümerie Pieper hat, gemessen an der Zahl der Ladenlokale, nur ein Zehntel der Größe des Branchen­ führers Douglas. Dennoch ist Gerd Pieper ein gesuchter Ansprechpartner für jeden, der Pläne hegt, eine Parfümerie­ kette in Deutschland aufzuziehen. Dann entpuppt er sich, zum Leidwesen derer, die Parfüm für ein leichtes Geschäft halten, als knochenharter Gesprächsspartner. Bisher hat er immer Nein gesagt, wenn andere sich an seinem Unter­ nehmen beteiligen wollten, und es sieht nicht so aus, als wolle er seine Meinung ändern. »Wir müssen zur Kennt­ nis nehmen, dass der Markt insgesamt nicht wächst, ob uns das passt oder nicht«, ist einer seiner Leitsätze. Was einer gewinne, müsse er einem anderen abnehmen. Zum Glück für die Konkurrenz expandiert Pieper nur langsam. »Sehen Sie es so wie Jahresringe an einer

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ine Ausnahme von dem geheiligten Prinzip der vorsich­ tigen Expansion in die Nachbarschaft hat Pieper nur in Hamburg gemacht. Dort erwarb er im Jahr 2000 die Ham­ burger Hof Parfümerie – eine Gelegenheit, die er nicht aus­ schlagen konnte. Zusammen mit der Gänsemarkt Parfüme­ rie und dem so genannten »Exklusiv-Store Jo Malone« in den Großen Bleichen – einer kleinen und feinen Marke aus London, bei der Gerd Pieper seinen persönlichen Duft fand – hat Pieper einen Fuß in der ­reichsten Stadt Deutsch­ lands. Das war aber kein Aufbruchs­signal – Berlin, Mün­ chen, Frankfurt stehen derzeit nicht auf P ­ iepers Liste. Vielmehr betrachtete er das Ruhrgebiet von Anfang an als seinen Beritt. Anschließend ging es ins Sieger­ land und ins Münsterland. Auch die Gegend am Nieder­ rhein und das Bergische boten Chancen, vielleicht ist bald Ost­westfalen dran, dort gibt es bisher nur in Gütersloh eine Stadtparfümerie. Auch im Rheinland ist Pieper eher schwach vertreten. Das hat einen einfachen Grund: Ladenmieten in Köln oder Düsseldorf waren lange viel zu teuer. Pieper ist ein konservativer Unternehmer, der es nicht erträgt, von ­Banken oder gar von Immobilienmaklern, die heute das Gesicht vieler Innenstädte bestimmen, abhängig zu sein; bei der Erwähnung des Wortes »Makler« verkrampft er sich unwillkürlich. Immerhin hat er gerade das erste Geschäft in Düsseldorf eröffnet – auf der Königsallee, aber »zum Glück am falschen Ende, dort sind die Mieten noch halb­ wegs bezahlbar«. Nein, eine deutschlandweite Expansion passt ihm nicht in das Konzept seines mittelständischen Familienunterneh­ mens, und der achtundsechzigjährige Firmenchef denkt nicht daran, dieses Konzept zu ändern. Schließlich sei er kein Manager, der fremdes Geld ausgebe. Er könne es sich nicht leisten, mal einfach etwas auszuprobieren, mit eige­ nem Geld gehe man sorgfältiger um. Es komme noch etwas

anderes hinzu, merkt er an: »Als ich vor zweiundvierzig J­ ahren anfing, hatte ich mir vorgenommen, die n ­ ächsten Jahrzehnte an genau diesem Platz zu bleiben. ­Manager ­müssen alle paar Jahre weiterziehen; das ist nicht meine Welt.« Familie, das ist ihm wichtig. Seine Frau Gabriele ist die Personalchefin des Unternehmens, seine Söhne ­Thorsten (40) und Oliver (36) sind vor einigen J­ ahren nach gediegener Ausbildung (Banklehre, BWL-­Studium, Auslandsaufenthalt) in die Geschäftsführung einge­ treten. Räumt der P ­ atriarch seinen Söhnen genügend

Entfaltungsmöglichkeiten ein? Bei der Antwort wird Gerd Pieper ganz ernst: »Ich habe jahrzehntelang als Präsident der IHK in Bochum aus der Nähe miterlebt, wie Unternehmer mit der nächsten Generation umgegangen sind. Ich habe gute Beispiele gesehen, leider auch sehr schlechte direkt vor meiner Haustür. Nein, ich habe genügend gelernt, um mich nicht zu überschätzen.« Für Selbstüberschätzung sei das Ruhrgebiet ohne­ hin ein schlechter Nährboden: »Hier wird man sofort auf die Erde zurückgeholt, wenn man abhebt. Sehr heilsam.« Bei seinen vielen Ehrenämtern habe er Tausende Bürger kennen­gelernt und ihnen zugehört, wo der Schuh drückt. Vierzehn Jahre lang habe er als ehrenamtlicher Bürgermeis­ ter von Herne den neunzigjährigen Jubilaren Blumen über­ reicht, und da habe er Demut gelernt. Und dann ist da ja auch noch der Sport. Pieper hält sich fit, in diesem Jahr hat er sein einundfünfzigstes Sport­ abzeichen abgelegt. Reinhard Rauball, den Vorsitzenden von Borussia Dortmund, hat er überredet, es ihm gleich­ zutun. Der hatte ihn 2003 gebeten, in den Aufsichtsrat des kriselnden Vereins einzutreten, damals, als viele andere sich »verdrückt hatten, weil sie die Pleite des Vereins fürchte­ ten.« Mittlerweile ist Pieper Vorsitzender des Aufsichts­ rates, der Verein hat in den vergangenen acht Jahren 180 ­Millionen Euro Schulden abgebaut, »und in diesem Jahr sind die Aufsichtsratssitzungen so viel entspannter als ­früher, weil wir Meister geworden sind.« Piepers Fußballbegeisterung schlägt sich auch im Unter­ nehmen nieder. Nicht dass die Mitarbeiter unbedingt GelbSchwarz-Fans sein müssen – aber es hilft. Der Besitz einer Jahreskarte für das Stadion wird wohlwollend zur Kennt­ nis genommen. Schneller befördert wird deswegen aller­ dings niemand.  >


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Männer sind viel zu treu – Jedenfalls, wenn es um ihr Parfüm geht, meint Thomas Schnitzler, Ehrenpräsident der Fragrance Foundation und Geschäftsführer der Nobilis Group (Bulgari, Creed, Jimmy Choo, Elizabeth Arden) in Wiesbaden Interview: Michael Freitag

Was ist, was macht die Fragrance Foundation? Wir sind ein Zusammenschluss von Herstellerfirmen, Ein­ zelhändlern, Grossisten und Medienvertretern. Gemein­ sam wollen wir den schönen Duft als Kulturgut anpreisen. Duft gehört zur kultivierten Lebensart, Parfüm ist kein banales Allerweltsprodukt. Und deshalb wollen wir anregen zum Nachdenken: Was ist guter Duft? Warum ist die Arbeit der Parfümeure so wichtig? Warum tut es den M ­ enschen gut, sich zu parfümieren? Unser glamouröser Show-Event »Duftstars«, bei dem in jedem Jahr die wichtigsten Düfte der vergangenen zwölf Monate gefeiert werden, ist Schwer­ punkt und Höhepunkt unserer Arbeit.

Haben alle Ihre Mitglieder die gleichen Ziele? Das wäre ein wenig übertrieben. In den genannten Berei­ chen sind wir uns einig. Aber die Märkte, in denen sich die Unternehmen bewegen, sind sehr heterogen. Die einen ­setzen ihre Schwerpunkte im Lifestyle-Segment, andere im Klassikerbereich, wieder andere bei exklusiven Luxus­ produkten. Das bedingt unterschiedliche Vertriebs­formen und auch unterschiedliche Preise. Dabei sind wir der Auto­ industrie gar nicht unähnlich: Auch die hat klar abgegrenzte Segmente, und ähnlich wie dort lassen sich unterschied­ liche Strategien erklären, rechtfertigen und am Markt durchsetzen.

Problem. Da musste also etwas geschehen. Deshalb hatte ich mich vor einigen Jahren mit meinem Kollegen Steffen Seifarth von Coty International zusammengesetzt und ein neues ­Konzept entworfen. Daraus sind dann die Duftstars entstanden. Und die Veranstaltung hat mittlerweile eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Ihre Attraktivität hat sich sogar bis zu den Autoherstellern herumgesprochen: Erfreu­ licherweise sponsern sie uns mit Fahrzeugen für ShuttleService und Verlosungen.

Wie werden die Preisträger gekürt? In einem mehrstufigen, sehr aufwendigen Verfahren. Zuerst wählt der Vorstand der Fragrance Foundation eine Jury aus fünfzehn Personen, von denen keine aus der I­ ndustrie kommt: Vertreter des Handels, Designer, unabhängige Par­ fümeure, VIPs. Keiner darf zweimal hintereinander Juror werden. Die treffen sich dann irgendwo in Deutschland in einem Hotel und küren ihre fünf Favoriten jeweils für Damen- und Herrendüfte in den Kategorien K ­ lassiker, Exklusiv, Lifestyle und Prestige. Hinzu kommen zwei Preise für das beste Flakondesign und den besten Fernseh-Spot. Klassiker müssen sich mindestens zehn Jahre im Markt bewährt haben, die Newcomer müssen im Lauf der ver­ gangenen zwölf Monate erfolgreich eingeführt worden sein. Diese engere Wahl der Jury wird an alle Mit­glieder verschickt, die dann ihre Stimmen schriftlich abgeben. Die Voten werden einem Notar übergeben. Das hat sich bewährt: Die Duftstars geben eine sehr präzise Vorstellung davon, was richtig gut und was durchgefallen ist.

Wie muss man sich die Entscheidung für die jeweiligen Duftstars vor­stellen: Gehen die Preise reihum an die Mitgliedsbetriebe?

Es gibt viele Celebrity-Parfüms am Markt. Ist die Versuchung nicht gross, einen Duft zu prämieren, der mit dem Namen des zugkräftigsten Stars verOh nein, dann wäre die Sache todlangweilig und wert­ bunden ist , um die Preisverleihung los. So etwas hatten wir früher einmal: Preisverleihungen, attraktiver zu machen?

die wenig mehr waren als ein nettes jährliches Treffen der Branche, und dabei klopfte man sich gegenseitig auf die Schulter. Viel zu viele Preise nach dem Motto: Du kannst gern deinen Preis kriegen, wenn ich meinen einstecken kann. Das interessierte niemanden – wenn wir ehrlich sind, noch nicht einmal uns selbst. Und dann hieß der Preis auch noch Fifi – für mich ist das ein Hundename, sonst nichts. In Amerika, wo dieser Preis erfunden wurde, ist das kein

Klar gibt es die. Nützt aber nichts. Erst kommt die Wahl der Duftstars, danach kann man an die Planung der Ver­ anstaltung gehen. Das heißt: Erst nachdem die Duftstars des J­ ahres feststehen, laden wir die VIP-Gäste ein. Es wäre ja wirklich sehr unhöflich, einen Giorgio Armani – um hier nur einen sehr berühmten Namen zu nennen – zur Ver­leihung der Duftstars nach Deutschland zu bitten,

wenn sein Duft nicht zu den Preisträgern gehört. Aber Sie ­können sicher sein, dass wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun.

Stichwort Prominente: Immer mehr werden von den Parfümherstellern als Zugpferde eingesetzt. Klappt das? Mit Sportlern klappt das eher schlecht als recht. Tennis­ spielen zum Beispiel hat mit Anstrengung und Schweiß zu tun, das passt nicht so gut zur Welt des Parfüms. Und deshalb ist wohl nur die Marke Gabriela Sabatini gut ein­ geschlagen – von der heute allerdings kaum mehr jemand weiß, dass sie einmal eine gute Spielerin war. Mit Autos klappt es auch nicht. Sie möchten sicher einen Ferrari, aber einen Ferrari-Duft? Eher nicht. Modeschöpfer haben eine viel größere Glaubwürdigkeit. Chanel, Dior, Oscar de la Renta – da muss man nicht viel erklären, was sie mit Stil und Lebensart zu tun haben. Gaultier war geradezu ein Sen­ sationserfolg der vergangenen Jahre, auch Issey Miyake ist bei den Kunden, die es weniger expressiv, minimalistischer wollen, eine sichere Bank. Auch Karl Lagerfeld, den man entweder liebt oder hasst, dem aber jeder ein untrügliches Gespür für die schönen Dingen des Lebens zugesteht, ist für die Welt des Parfüms ein Gewinn.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Duftstars? Größere Erfolge bei Männern. Sie sind viel zu treu. Jeden­ falls wenn es um Parfüm geht. Männer haben irgendwann ihren Duft gefunden, und das war‘s dann für die nächsten drei Jahrzehnte. Sie haben im Durchschnitt nur zwei Düfte in ihrem Schrank. Wie soll man sich damit auf unterschied­ liche Stimmungen einstellen, wenn man sich nach dem Auf­ stehen für den Tag zurechtmacht? Frauen sind da viel ver­ nünftiger. Sie haben wenigstens sieben verschiedene Düfte zur Auswahl. Auch das dürfte mehr sein, aber immerhin. Mal sind wir überschwenglich, mal vorsichtig, mal nervös, mal leicht depressiv, dann wieder in Feierlaune. Und den­ noch sollen wir immer gleich duften? Der richtige Duft ver­ treibt manchmal sogar die schlechte Laune. Fegefeuer, oder besser: Freudenfeuer der Eitelkeiten, wenn Sie so wollen. Aber wenn man nicht einmal beim Duft verschwenderisch sein darf, wann denn dann?  >

Die Gewinner der Duftstars 2011: Narciso Rodriguez for her musc c­ ollection eau de parfum intense (Narciso Rodriguez), Bang (Marc Jacobs), Guilty (Gucci), Voyage d’Hermès (Hermès Parfums), Heat (Beyoncé), Intimately Yours Men (David Beckham), 24, Faubourg (Hermès Parfums), Fahrenheit (Dior), Vetiver (Guerlain)

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Für ambitionierte Köche gibt es keine Grenzen. Zumindest nicht auf diesem Kochfeld.

Das neue Vollflächeninduktions-Kochfeld CX 480. Gaggenau präsentiert ein Kochfeld, das die gesamte Fläche zur großen Kochzone macht. 48 Mikro-Induktoren unter der Oberfläche ermöglichen freies Platzieren des Kochgeschirrs. Höchsten Komfort garantiert das intuitiv bedienbare TFT-Touchdisplay. Mit diesem können Einstellungen wie Kochstufe oder Garzeit beim Verschieben des Geschirrs beibehalten werden. So erfüllen wir ambitionierten Köchen den Wunsch nach mehr Freiraum für besondere Kreationen – und unseren eigenen Anspruch: die private Küche mit innovativen Ideen stets neu zu erfinden. Der Unterschied heißt Gaggenau. Informieren Sie sich unter 01801 1122 11 (3,9 Ct./Min. a. d. Festnetz der Telekom, Mobilfunk max. 0,42 €/Min.) oder unter www.gaggenau.com.


WUNSCHZETTEL FÜR VERWÖHNTE Text: CAROLA HAUCK Foto: GUIDO BITTNER

Adventszeit, Vorweihnachtszeit, besinnliche Zeit. Wenn nur diese brennenden Fragen nach den ­passenden Weihnachtsgeschenken nicht wären. Und die q ­ uälendste von allen: Was schenkt man dem, der alles hat? Bloß kein Nippes, keine Staubfänger, keine Deko! Nichts, was mehr oder weniger sinnlos herumsteht, Platz braucht und nimmt und am Ende vielleicht doch nur im Müll ­landet. Willkommen sollen sie natürlich sein, die Gaben für die Lieben, stilvoll und elegant, gediegen und authentisch, angemessen und persönlich, erlesen und begehrt, o ­ riginell und edel, kurz: ein Knaller.

VENEZIANISCHE TRÄUME. Bottega Veneta, die italienische Luxusmarke für feinste Lederwaren, bringt ein Parfüm auf den Markt, das den Traum eines venezianischen Landhauses wachruft: Wärme, Sonne, Schönheit und der Gesang der Zikaden. Der ledrig-orientalische Chypre-Duft mit Vanille, Sandelholz, Eichenmoos und TonkaBohne, Bergamotte aus Italien, Patschuli aus Indonesien, Jasmin aus Indien und rosa Pfeffer aus Brasilien wurde von Meister-­Parfümeur Michel Almairac komponiert – eine Weltreise im Kleinen. JE NE SAIS QUOI. Tee mit Cognac, Cognac mit Tee. Yann Fillioux, ­Master Blender der Maison Hennessy, und Guillaume Leleu, Teemeister und Gründer der Pariser Maison de Thé Theodor, haben sich zusammen­getan, um aus Fine de Cognac, Earl Grey und chinesi­ schem Grüntee betörende Cocktails zu kreieren, die die floralen Noten des Eau de Vie mit den würzigen des Tees vermählen. Die Rezepte, die so verheißungsvolle Namen wie »On va se revoir« oder »Je ne sais quoi« ­tragen, finden sich auf der Hennessy Fine de ­Cognac Geschenkpackung.

Was also? Die Antwort ist einfach: Träume. Sehnsüchte. Erinnerungen. Ein guter Ansatz, doch wo kann man die kaufen? Bevor Sie sich das Hirn zermartern, hat FINE sich mit dieser Aufgabe befasst, und die Lösung war gar nicht so schwer. UNVERGESSLICH. Glenmorangie Distillery, der gefeierte schottische Hersteller edelster Whiskys, präsentiert einen Single Malt für anspruchsvolle Liebhaber erlesener Spirituosen. Mindestens zehn Jahre lagert der Nectar d’Òr in alten Bourbon-Fässern, bevor er in handverlesenen Sauternes-Weinfässern zu einem unvergesslichen Erlebnis heranreift. Sein Aroma bringt die Wohlgerüche einer französischen Pâtisserie in Erinnerung, sein Geschmack hinterlässt im Mund eine zarte Zitrusnote, im Abgang ist er matt, süß und – mit einem Spritzer Zitrone. FERNWEH. Unter dem vielversprechenden Titel World Wine ­ iscovery bietet Moët Hennessy zusammen mit Design Reisen D eine einzig­artige dreiwöchige Luxusreise in die aufregendsten Wein­ regionen der Welt an – rund um den Globus: vom k ­ alifornischen Napa Valley über die Terrazas de los Andes in Argentinien, Cloudy Bay in Neuseeland und Cape Mentelle in ­Australien bis zu Numanthia im spanischen Toro. Ver­ kostungen exquisiter Weine, kulinarische Highlights, Ausflüge per Hubschrauber, im Heißluftballon oder zu Pferd erwarten den Weinweltreisenden. Im Oktober kommenden Jahres.

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REMINISZENZ. Seit sechshundert Jahren sind Rheingau und ­Riesling so untrennbar miteinander verbunden wie Pech und Schwefel. ­Wilhelm Weil, der das seit 1875 bestehende Kiedricher Weingut Robert Weil in der vierten Generation leitet, ist einer der ganz ­Großen unter den Riesling-­Winzern der Welt. Sein Kiedricher Turmberg von 2010 ist ein vielversprechender trockener Riesling mit hoher Mineralität, komplex bei gleichzeitiger Finesse und Eleganz, geprägt vom Schiefer­boden der Steillage unterhalb der romantischen Burg­ruine Scharfenstein.


HOMMAGE. »Deutschlands Weinelite«: Zum 100. Geburtstag des Ver­bandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist dieser opulente Bildband entstanden, in dem mehr als zweihundertfünfzig Winzerinnen und ­Winzer zu Wort kommen. Sie erzählen ihre ganz persönliche Geschichte, geben Einblicke in ihre Leidenschaften und Philosophien und berichten vom kleinen und vom großen Glück zwischen Weinberg und K ­ eller. Das zweisprachige Buch (in deutsch und ­englisch) ist eine Hommage an den deutschen Wein. NOSTALGISCHE GEFÜHLE. »Das Schlachtfest«: Burkard Schork, gelernter Metzger und Koch aus Leidenschaft (Restaurant Friedrich von Schiller in Bietigheim-­Bissingen) hat für dieses Kochbuch alte Rezepte »rund ums Schwein« gesammelt, um sie hier, zum Teil neu interpretiert, vorzustellen. Anton Hunger, Journalist und Buchautor, lässt in seinen kurzweiligen Geschichten rund ums Schlachten nostalgische Gefühle erwachen.

WAHRHEITSSUCHE. »Weinwunder Deutschland«: Stuart Pigott, gebürtiger Brite und einer der bekanntesten Weinjournalisten, beschreibt auf seine unnachahmlich augenzwinkernde Weise und mit dem größten Sachverstand seine Begegnungen mit Winzern und Weinliebhabern auf seiner Suche nach der »Wahrheit im Wein«, im deutschen Wein zumal. Ein ebenso unterhaltsames wie erhellendes Buch für Wein- und bekehrungswillige Biertrinker. GESAMTKUNSTWERK. »Kronenhalle Zürich«: Friedrich Dürrenmatt, Catherine Deneuve, Vladimir Horowitz, Marc Chagall, Sir Peter ­Ustinov, George Bush sen. und viele andere illustre Gäste aus Film und Kunst, Mode und Sport, Diplomatie und Politik haben hier Z ­ ürcher Geschnetzeltes mit Rösti genossen – vor Originalen von Giacometti, Picasso, Matisse, Chagall oder Mirò. Die bekannteste Brasserie der Schweiz ist ein Gesamtkunstwerk. Das Buch steht ihm in nichts nach. KLASSIKER. »Die neue große Wildkochschule«: Keine Angst vor Wild! Sagt Karl-Josef Fuchs, der leidenschaftliche Jäger und Koch (­Restaurant Spielweg in Münstertal) und zeigt in anschaulichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für unkomplizierte Gerichte mit Wildgeflügel, Kaninchen, Hase, Gams, Reh, Hirsch und Wildschwein, dass die auch ganz unbegründet ist. Ein Klassiker der Wildküche. WEINLEGENDE. »Château Mouton Rothschild. Weinprobe & Kunst«: Weinprobe & Kunst. Baron ­Philippe de Rothschild hat mit seiner Entscheidung, die Etiketten seiner berühmten Flaschen von zeitgenössischen Künstlern gestalten zu lassen, seine zweite Leidenschaft ausgelebt. Der prachtvolle Band, der sämtliche von 1945 bis 2003 (und das erste von 1924) erschienenen Etiketten mitsamt den Weinen des legendären Weinguts vorstellt, ist Weinlegende und Kunstgeschichte in einem – für Sammler, Weinkenner, Genießer und ein Schmuckstück für Bibliophile. (alle Bücher bei Tre Torri) NOTA BENE. Wenn all diese guten Ratschläge wider Erwarten doch nicht hilfreich sein sollten: Lassen Sie die Hoffnung nicht ­fahren. Es gibt ja noch das FINE-Abo. Träume, Sehnsüchte, Erinnerungen – alles drin. FINE Das Weinmagazin erscheint viermal im Jahr und ist für Genießer wundervoller Weine und anderer flüssiger Pretiosen ebenso unentbehrlich wie für Feinschmecker und für Liebhaber der schönen Dinge. Wer sich für ein Jahres-Abonnement entscheidet, wird mit der FINE-Sonderausgabe »Next Generation – 101 junge Winzer, die jeder kennen sollte« bedacht – gleichgültig, ob es ein Geschenk oder für den Eigenbedarf sein soll. >

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enn Franzosen an die korsische Stadt Ajaccio den­ ken, ­fallen die Stichworte etwa in dieser Reihen­

folge: Der im Stadion François-Coty beheimatete AC ­Ajaccio ist nach einer l­ ängeren Pechsträhne 2011 endlich wieder in die erste Fußballliga aufgestiegen. Napoleon Bonaparte wurde hier am 15. August 1769 als Napoleone Buonaparte geboren.

Napoleon kennt jeder. Den AC auch. Aber François Coty? Der ist für den durchschnittlichen Ajaccien in erster Linie Namensgeber der l­ okalen Fußballarena. Dabei war Coty, der übrigens immer eine entfernte Verwandtschaft mit dem ­Kaiser der Franzosen für sich in Anspruch nahm, selbst ein welt­ geschichtlicher Eroberer auf sehr französischem Terrain.

1874 in Ajaccio getauft. Erst später nahm er den Nom de plume Coty an, nach dem Familiennamen seiner Mutter. Coty klang mondän, e­ legant. Spoturno war der Name eines einfachen korsischen Bauern, mit dem er in der blasierten Pariser Gesellschaft des Fin de Siècle, die er erobern wollte, niemals hätte Fuß fassen können. Spoturno roch nach Pferde­ mist, Coty nach Rosenwasser. Natürlich lernte er, der korsischen Provinz einmal entkommen, die Geheimnisse der magischen Düfte in Grasse kennen, der Welthaupt­ stadt des Parfüms, der Stadt des Malers Fragonard und des Lavendels in den provenzalischen Bergen oberhalb von Cannes. Wo sonst als hier zwischen den endlosen lila Feldern, die den Ruhm der Gegend zwischen dem Mont Ventoux und der Cote d’Azur begründeten? Seit dem 17. Jahrhundert hatte man hier die Extraktion edler Essenzen aus Blüten­saft zu einer hohen Kultur perfektioniert, und niemand konnte dies besser als die Galimards, die Molinards, die Fragonards oder die de Chiris’. Über einen korsischen Mentor, Emmanuel Arène, lernte Coty um die Jahrhundertwende in Paris Antoine de Chiris kennen, der ihn in den Familienbetrieb einführte, wo er fast ein ganzes Jahr wie ein

Wie der Gentleman of Mystery die Nase über das Auge verführte François Coty und die Geschichte seines Hauses Text: Rolf Hosfeld

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1908 eröffnet François Coty seine Boutique mitten in Paris an der noblen Place Vendôme. Der Glas­ künstler René Lalique schafft die aufsehenerregenden Flacons zu den hinreißenden Düften.

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rançois Coty begründete vor mehr als hundert Jahren die internatio­ nale moderne Parfümindustrie. Coty Inc. ist heute bei einem Netto­ umsatz von vier Milliarden Dollar das weltgrößte Parfümunternehmen und ein Global Player in der Kosmetikbranche mit Nieder­lassungen in neunzig Ländern. Coty ist eine lang anhaltende Erfolgsstory. Bis 2015, verkündete die Konzernspitze erst kürzlich, soll der Umsatz noch ein­ mal fast verdoppelt werden – auf sieben Milliarden Dollar. Nur noch wenige können heute etwas mit dem Namen Coty anfangen, doch die Marken, die den Erfolg des Unternehmens ausmachen, kennt jeder: Davidoff, Calvin Klein, Lagerfeld, Joop, Jil Sander, Vivienne Westwood, Lancaster, Chopard, Balenciaga, Cerruti und viele andere. Ein Impe­ rium mit korsischen Wurzeln wie Napoleon, ohne Waterloo-Desaster, aber mit einer erfolgreich operierenden Grande Armee mit Truppen unterschiedlichster Herkunft. Der Gründervater, so der »New Yorker« in einem Porträt von 1930, als François Coty auf der Höhe seines Ruhms stand, war einer jener wichtigen kleinen Männer, auf die sich Frankreich seit dem Aufstieg ­seines berühmten Vorfahren offenbar spezialisiert hat. Er komman­ dierte damals über ganze Regimenter von Angestellten in uniformer weißer Arbeitskleidung, am Ufer der Seine nahe des Bois de Boulogne und am Ufer des Hudson River im westlichen Manhattan. Gerade erst hatte er bei St. Germain-en-Laye ein Jagdschloss erworben, das ein­ mal der intriganten Madame du Barry gehörte, und von einem anderen Anwesen aus sah er auf die mondäne Pferderennbahn von Longchamp, die ihn aber überhaupt nicht interessierte. Er besaß noch einige weitere, ziemlich luxuriöse Anwesen in Frankreich und Korsika, aber meist lebte er einfach in einem Hotel an den Champs-Elysées. Sein komfortables Stadtpalais in der Avenue Raphaël diente ihm dabei fast ausschließlich als Postadresse. Kaum jemand bekam ihn je zu Gesicht, und Interviews gab er auch nicht. François Coty, so der »New Yorker«, war ein »gentle­ man of mystery«. Er war einer der reichsten Franzosen, ein begnade­ ter Hexenmeister der Düfte, ein genialer Marktstratege und ein Mann mit etwas anrüchigen Beziehungen zur politischen Rechten, in die er viel Geld und Energie investierte. Was aber die amerikanischen Leser am meisten beeindruckte: Er war vor allem das Musterbeispiel eines europäischen Selfmademan. Eigent­ lich hieß er Joseph Marie François Spoturno, auf diesen Namen wurde er

neugieriger Novize verbrachte, um Grasse danach als Meisterschüler der Exzellenzklasse wieder zu verlassen. La Rose Jacqueminot hieß das bezaubernde Ergebnis seiner proven­ zalischen Alchimistenzeit, und es sollte der Grundstein seines E ­ rfolges werden. Ein Duft für die elegante Dame, wie die Werbung verkündete, – die Nase dahinter hieß François Coty. La Rose machte ihn zum Millio­ när, und ein geradezu slapstickartiges Missgeschick öffnete ihm dazu die Tür. Vergeblich hatte er die Einkäufer des Grand Magasin du Louvre



1913 eröffnet François Coty seine amerikanische Dépendance an der Fifth Avenue in New York. Der ­Welterfolg seines Hauses ist nicht mehr aufzuhalten. Den Charme des alten Jugendstil-Flacons für das ­Parfüm L’Aimant de Coty setzen heute ­Kreationen wie Oh, Lola! von Marc Jacobs, forbidden euphoria von Calvin Klein oder Love Struck von Vera Wang fort.

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von seiner Création zu überzeugen versucht und dabei ganze Romane erzählt, als ein Flacon in aufgeregter und unachtsamer Sekunde auf die Fliesen des Warenhauses fiel und zersprang. Plötzlich verbreitete sich ein betörender Rosenduft in den Räumen, der die anwesende Kund­ schaft zu begeisterten Ausrufen des Entzückens veranlasste. Coty war durch das Würfelspiel des Zufalls über Nacht ein gemachter Mann. 1917 kam Chypre de Coty auf den Markt, ein weiterer Meilen­ stein seines Erfolgs. Chypre, benannt nach der Sehnsuchtsinsel Zypern, bestand aus einer Kopfnote von Zitrusölen wie Bergamotte, Orange, Zitrone oder Neroli, einer Herznote aus Rosen- und Jasminöl und einer holzig-mosigen Basisnote aus Eichenmoos und Moschus. Es wurde oft imitiert und geriet zum Prototyp einer ganzen Duftfamilie, die von Coty abstammt. Chypre ist übrigens wegen seiner leicht maskulinen Basis­ note ausgesprochen androgyn und kann, je nach Mixtur, seine weib­ lichen oder männlichen Seiten besonders hervorkehren. Für François Coty wurde es zu einem Evergreen seiner florierenden Parfümindustrie. Die eigentliche Basis seines Erfolgs war jedoch seine Philosophie. Er produzierte als erster Edles für Jedermann. Er war ein Genie der Vermarktung. Warum, fragte er sich, sollte man Schönes in einer ein­ fachen Flasche verkaufen und nicht in einem kunstvoll gefertigten

1913 gründete Coty eine amerikanische Dependance in New York, an der Fifth Avenue, Nummer 714, zwischen dem Juwelier Schumann Sons und dem Haus, das später den berühmten Rizzoli Bookstore beherbergen sollte. Auch Amerika war von der Mode des Art N ­ ouveau gepackt, und René Lalique gestaltete die Fensterfassade des repräsen­ tativen Hauses mit florealen, ins Glas gefrästen kunstvollen Dekora­ tionen, die weithin auffielen. Der Erste Weltkrieg und die Begegnung mit Europa ließ die Nachfrage nach französischen Duft- und Schön­ heitsprodukten in den Vereinigten Staaten rapide ansteigen, und Coty besaß auch für solche ungeahnten Marktchancen die perfekte Nase. 1922 wurde Coty Inc. in New York ins Leben gerufen. Bald produzierte man seine verführerischen Mixturen aus importierten Rohstoffen in einem eigenen Labor am Hudson River, um die horrenden Einfuhrzölle für Parfüms zu umgehen. Heute hat der Konzern seinen Hauptsitz an der Avenue of the Americas im Zentrum Manhattans. Der Nimbus des »gentlemen of mystery« ist geblieben. Coty starb 1934. Er hinterließ, für viele überraschend, eine Unzahl von M ­ ätressen und illegitimen Kindern. Ein Grund, weshalb seine Frau Yvonne Le Baron schon 1929 die Ehe für gescheitert erklärte und sich durch geschickte Scheidungsprozessführung und schließliche Erbschaft in

­schönen F ­ lacon? Warum die Nase nicht über das Auge stimulieren? Coty war der Erste, der Künstler wie René Lalique engagierte; der hatte 1905 an der Place Vendôme eine Galerie eröffnet, in der er gestaltetes Gebrauchsglas zum Verkauf anbot. Die Schauspielerin Sarah B ­ ernhardt, der Erdöl­magnat Calouste Gulbenkian, der Modezar Jacques D ­ oucet, Fürst Albert I. von Monaco und der russische Zarenhof zählten zu ­seinen erlesenen Kunden. Bald beherrschte Laliques Art Nouveau mit seinen dekorativen Linien, Figuren, Farben, metallischen Fassungen und Gravuren auch die Flacons von François Coty, der natürlich dar­ auf achtete, dass sie in großen Stückzahlen zu vertretbaren Preisen her­ gestellt werden konnten. Erst Lalique machte Coty zu einer richtigen Marke. Anderer­ seits verdankte er Coty keinen unwesentlichen Teil seines Erfolgs, der schließlich auf der Pariser Weltausstellung 1925 durch einen eigenen Lalique-­Pavillon gekrönt wurde. Coty hatte ein absolutes Gespür für die Marktpotenzen der modernen, avantgardistischen Ausdruckskunst. Sie faszinierte ihn, sie war für ihn vitaler Zeitgeist. Léon Bakst, den vom Jugendstil beeinflussten Bühnen- und Kostümbildner von Serge ­Djagilews legendärem Ballet Russe, ließ er mit treffsicherem Geschmack die klassische Kosmetikdose schlechthin entwerfen, die ihm den Weg in die gehobene Produktpalette der Schönheitsindustrie im weiteren Sinn eröffnete. Selbst eine Seife von Coty hatte nun ihren konkurrenz­ losen Chic.

den Besitz seines Vermögens brachte. 1963 verkaufte sie das profi­ table Unternehmen an den Pharmagiganten Pfizer, und der wiede­ rum veräußerte es 1992 an das deutsche Familienunternehmen Joh. A. ­Benckiser GmbH. Benckiser ist nun Erbe der Legende François Coty, doch auch hier hat sich eigenartigerweise der Nimbus des »gentleman of mystery« erhalten. Irgendwo in der Kurpfalz zwischen Rhein und Neckar leben zurückge­ zogen und so öffentlichkeitsscheu wie einst Coty die vier verbliebenen Erben von Ludwig Reimann, der Ende des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit Johann Adam Benckiser in Ludwigshafen ein Chemieunternehmen gründete, das heute, lange fusioniert mit dem ehe­maligen britischen Konkurrenten Reckitt & Coleman, als börsennotiertes Unternehmen zu den namhaftesten Herstellern von Reinigungs- und Kosmetik­ artikeln auf der ganzen Welt zählt. Jeder kennt Clearasil, C ­ algonit, Sagrotan, Colgate und Kukident, jeder die breite Palette des Reimann-­ Benckiserschen Coty-Imperiums. Zwei Ausnahmemanagern verdankt das Imperium seinen Erfolg: Peter Harf und Bernd Beetz. Harf ist seit einem Vierteljahrhundert der Sachwalter des Reimannschen Vermögens. Ein Mann mit l­ ässigem Auftreten, oft in Jeans und Pullover und selten mit Krawatte zu sehen. Ein Kosmopolit, der fließend englisch und italienisch spricht, und zugleich ein nachhaltig kalkulierender Stratege, der in Generatio­ nen denkt. Beetz, seit zehn Jahren CEO von Coty, hat das Unter­ nehmen als um­triebiger Dynamiker auf dauerhaften Steilflug navi­ giert. Ihm, dem charismatischen Manager, ist das Vermächtnis des Gründers anvertraut; er mehrt, was François Coty einst begonnen hat, nicht nur materiell auf das erdenklich Schönste – er ist auch ein Mann mit Weitblick, wie Coty ein Mann mit Vision. Harf und Beetz: Man kennt sie beide in der internationalen Geschäftswelt. Aber wer kennt die ­Reimanns, die mit einem Vermögen von acht Milliarden zu den reichsten Familien in Deutschland zählen? Es gibt keine B ­ ilder, keine Skandale, keine Auftritte in der Öffentlichkeit. Man weiß nur, dass der Nachwuchs gern dazu angehalten wird, Chemie zu studie­ ren, vorzugsweise in Heidelberg. Denn ohne Chemie keine Hygiene, keine Schönheitspflege und auch keine Wohlgerüche. Nur die glanzvollen Auftritte lassen sich nicht in der Retorte erzeugen. Deshalb hat Coty erst kürzlich eine Partnerschaft mit der weltweit führenden Modelagentur Elite World SA. zur Einfüh­ rung neuer Duftlinien angekündigt. Ganz im Sinne von F ­ rançois Cotys origineller Philosophie, die Nase mit dem Auge zu verführen. Man will, so die Abteilung Global Marketing von Coty Beauty, »die emotionale Seite der Marke hervorheben sowie eine moderne und kosmopoliti­ sche Darstellung von Frauen zum Ausdruck bringen«. Richtig in Szene gesetzt, kann das kultivierte Spiel mit weiblichen Reizen so gut und berauschend sein wie ein zeitgemäßes Ballet Russe oder die ­fließenden Formen des Art Nouveau. Und so erfolgreich.  >



Wein, Aromen und drei Sterne Fotos: PETER SCHULTE

Deutscher Wein mit Tiefe und Charakter, kombiniert mit ­zarter Rotbarbe, edlen Meeresfrüchten oder einer cremigen Erdbeer-Joghurette: Bei dem exzellenten Aromenspiel aus Wein und Speisen, das hier vorgestellt wird, g ­ eraten ­Genießer mit verwöhntestem Gaumen ins Schwärmen. Denn »das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außer­ gewöhnliche ihren Wert«, erkannte schon der Schriftsteller Oscar Wilde. Wer sich als Winzer dem Außergewöhnlichen verschreibt, benötigt ein ausgeprägtes Bewusstsein für Spitzenqualität. Mit Deutschlands besten Winzern seelenverwandt sind daher jene Köche, die sich ebenfalls der Qualität auf höchstem ­Niveau verschrieben haben. Die, alle mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet, veredeln ihre einzig­artigen ­Kreationen mit Weinen der deutschen Prädikatsweingüter. Damit verleihen beispielsweise Harald Wohlfahrt, Juan ­Amador und ­Joachim Wissler ihren Speisen eine neue Dimension. Großer deutscher Wein schafft – manchmal in überraschender Kombination – Harmonien auf ganz neuer Ebene. Die folgenden kulinarischen Anregungen demonstrieren ­diese Kombinationssicherheit eindrucksvoll; sie laden ein zum lustvollen Experiment. Die Spitzenköche sind längst als Missionare des exquisiten Geschmacks auch zu Botschaftern des Trauben­adlers, also der im VDP zusammengeschlossenen ­besten deutschen Winzer, geworden. Wein, Aromen und drei Sterne – aus dieser Trilogie entsteht eine symbiotische Verbindung, die Exzeptionelles schafft – im Weinkeller und in der Spitzenküche.

Aus »Deutschlands Weinelite – 100 Jahre VDP«, Tre Torri Verlag 500 Seiten, 28 × 29 cm, zahlreiche Fotos, gebunden mit Schmuckschuber, zweisprachig: deutsch/ englisch, 100,00 € (D)

Silvaner trocken zu geeister Beurre blanc mit Imperial-Kaviar von Juan Amador Der trockene Silvaner bietet zarte Eleganz, intensive Mineralität und milde Säure sowie Aromen nach Melone, rotem Apfel, Sauerteigbrotrinde und Walnüssen. Das Aroma des Kaviars von Jod, salziger ­Brise und Meer verbindet sich in ganz wunderbarem Kontrast mit den Weinaromen. Bei diesem Rezept ist vor allem ein Wein mit einer feinen, milden Säure wichtig, sonst werden die Kaviararomen von ihm ange­griffen. Wir arbeiten dabei aber auch mit Pumpernickel und Walnussöl sowie mit reduziertem Weißwein­essig – diese Aromen und die feine fruchtige Säure finden sich auch im Silvaner wieder.

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Riesling trocken zu Rotbarbe mit Tomaten­gelee von Harald Wohlfahrt Deutscher Riesling eignet sich meiner Ansicht nach sehr gut zu Fischgerichten. Das liegt an seinen saftigen Aromen nach grünen Äpfeln und Zitrus­ früchten, an seiner eleganten Säure sowie seiner ausgeprägten M ­ ineralität. In ­diesem Gericht harmonieren die Aromen und die Säure der ­Tomaten mit dem Pfirsicharoma und der eleganten Säure des Rieslings ganz ausgezeichnet. Die Süße der Rotbarbe und die fruchtigen Komponenten des Rieslings gehen ebenfalls eine sehr schöne Verbindung miteinander ein. Die einen Hauch salzige Mineralität des Weins setzt den zarten, süßlichen Aromen des Gerichts außerdem einen sehr schönen Kontrast entgegen.

Grauburgunder trocken zu jungem Gemüseacker mit pochierten ­Wachtel­eiern, mariniertem Thunfisch und Balsamico-­Vinaigrette von Klaus Erfort

Gewürztraminer edelsüß zu gebratenem Täubchen aus dem Elsass mit Kräuterravioli, geschmorter Keule, Taubenklein und Gänsestopfleber-Emulsion von Claus-Peter Lumpp Die feine Süße der Gänsestopfleber-Emulsion, die mild-würzigen Noten des Taubenjus und die zarten Geflügelaromen benötigen einen Wein, der diese Noten unterstützt und trägt. Hervorragend ergänzt ein edelsüßer Gewürztraminer die Komposition. Seine ­Aromen von Honig, Rosen, ­Gewürzen und reifen Birnen passen genau in dieses Aromen­ spektrum. Die Süße von Honig und Birne sowie Marzipan und sogar Bitterorange verstärken die feinen Noten der Gänsestopfleber, die Gewürznoten tragen Kräuter­ravioli und das gebratene Täubchen. Vor allem die gute Balance von Süße, Mineralität und Säure sind bei der Auswahl wichtig. Zu viel Säure würde die ­zarten Noten zerstören, zu wenig Mineralität würde den Wein belanglos süß schmecken lassen. Bringt er diese Balance aber mit, fügt er sich perfekt in dieses Aromen­spektrum ein. Als Alternative ist ein Traminer trocken eine gute Wahl. Seine Aromatik ist recht ähnlich, allerdings mit mehr mineralischen Komponenten, dafür ohne Honig- und Marzipannoten.

Es sind vor allem die verschiedenen Aromen der Gemüsesorten, die das Aromenspektrum dieses Gerichts prägen, verbunden mit den intensiven Noten von Thunfisch, Trüffel, einer Vinaigrette aus altem Balsamico. Der Wein muss dieses weite Aromenspektrum aufgreifen und harmonisch ergänzen. Wir haben uns für einen Grauburgunder trocken entschieden, weil er ähnliche Aromen von Nuss und Champig­non mitbringt, aber auch Frische durch Noten von reifer Birne, Orange und Grapefruit. Er ist zart und säurearm genug, um die Aromen­vielfalt von Roter Bete, Perlzwiebel, Rucola, T ­ rüffel, getrockneten Oliven und grünem Spargel nicht zu beeinträchtigen, aber auch kräftig genug, um von diesen A ­ romen nicht bei­seite geschoben zu werden.

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Spätburgunder trocken zu Wildhasenrücken mit Wintertrüffeln gratiniert, Sauce Rouennaise und Gänseleber-Palatschinken von Joachim Wissler

Der Wildhasenrücken lässt sich in vielerlei Hinsicht mit Weinen aus dem deutschen Repertoire begleiten. Hervorragend passt dazu ein trockener Spätburgunder, der mit seinem runden Tannin und s­ einen Aromen nach Johannisbeeren, Sauerkirschen, Himbeeren, r­ eifen Feigen, Gewürznelken und Rauch vom Holzfeuer das Gericht wunderbar trägt. Besonders interessant fände ich es auch, eine sehr gereifte ­Riesling Spätlese dazu zu kombinieren. Die Süße ist perfekt verwoben, die Aromen gehen in eine wunder­ bar passende erdige Richtung, und die geschliffene Säure gibt dem Gericht noch eine besondere Facette hinzu. Moselrieslinge aus ­Jahren wie 1971 und 1976 sind eine Offenbarung im Spiel mit Wildgerichten wie in d ­ iesem Rezept. Ich finde es schade, dass diese Weine etwas aus der Mode gekommen sind.

Lemberger zu Rinderschulter, sechzig Stunden sanft gegart von Christian Bau Besonders zu einem gerbstoffreichen und nachhaltigen Lemberger mit würzigen Röstaromen, Zimt, Gewürznelken und Kirsche bedarf es eines kräftigen Fleischgerichts. Es muss einerseits rustikal genug sein, um ­seine Aromatik zu unterstützen – andererseits aber so intensiv, damit es von den Weinaromen nicht dominiert wird. Dieses Rezept findet so eine s­ chöne Balance der kraftvollen Aromakomponenten aus dem Lemberger und den sanft-würzigen Fleischaromen.

Riesling edelsüß zu Erdbeer-Joghurette von Sven Elverfeld Dieses Rezept kombiniert die intensive Fruchtsüße von Erdbeeren mit den feinherben Noten von Kakao und Schokolade sowie der frischen ­Cremigkeit von Sahne, Crème double und Joghurt. Vor allem durch den Zuckeranteil und das Erdbeeraroma ist es nicht ganz leicht, das Dessert mit einem Wein zu kombinieren. Eine der wenigen Möglichkeiten ist ein fein gereifter restsüßer Riesling. Sein Aromen­spektrum reicht von Karamell und Honig über reife Pfirsiche, Walnüsse, Quittengelee bis zu saftigen Rosinen. D ­ iese komplexe Süße unterstützt die Fruchtsüße und ergänzt hervorragend auch die dunklen Noten des Kakaos. Die feine Säure unterstreicht zudem die Frische und kontrastiert mit der Cremigkeit der E ­ rdbeer-Joghurette. >

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DIE EINE N

HA B E N ST IL.

DIE AN D EREN PR ÄGE N I H N.

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Liebe geht auch durch Es liegt was in der Luft, ein ganz besondrer Duft!

Text: Susanne Kaloff Fotos: Marc Volk

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eben einem spleeenigen Aussehen und einem kapriziösen Charakter hat der Mensch nicht viel Spielraum, um sich von der Masse abzuheben. Bleibt noch der ganz eigene Odeur, den es zu verteidigen gilt. Fragen nach dem Duft, den man trägt, sind ähnlich über­ griffig wie die nach dem Alter oder dem Liebesleben einer Dame. Was Frauen dennoch nicht davon abzuhalten scheint, andere Frauen auf ihr Parfüm anzusprechen: »Nein, du riechst aber toll!« Erster Teil des Satzes. Zweiter Teil, der den ersten innerhalb von Sekunden torpediert und die Freundschaft auf eine harte Probe stellt: »Waaas ist das?« Einzig mögliche Antwort: »Och du, das war irgendso’n Pröbchen.« Man möchte doch bitteschön unverwechsel­ bar sein, und vor allem bleiben. Und um Himmels Willen nicht so duften wie Krethi und Plethi. Das schönste Kom­ pliment, das man nach einer, nun ja, Trennung, bekommen kann: »Alles duftet noch nach dir!« Wir wollen uns tief ein­ graben, Spuren hinterlassen, in großen und kleinen Räu­ men, und vor allem: im Herzen. Der Trend, keine Parfüms aus Massenproduktionen zu tragen, liegt grad sehr in der Luft. Nie gab es mehr indi­ viduelle Kreationen, Parfümmanufakturen, alte Düfte, die wieder entdeckt werden. Nie zuvor konnte man so viele Nischendüfte, Parfüms also, die man nicht an jeder Ecke bekommt, aufspüren. Woran das liegt? Vermutlich haben wir die Nase einfach ein bisschen voll. Fine hat für Sie ein kleines, feines Potpourri an Unverkennbarkeit zusammengestellt.

Harry Lehmann

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er die Kantstraße im alten Westen in Berlin entlang schlendert, kann kurz die Orientie­ rung verlieren: Wo bin ich? Zwischen hysterisch blinken­ den Nagelstudios und dem etwas verstörenden Lingerie­ betrieb »Korsett Engelke« (der Anblick eines Bustiers in Körbchengröße F muss erst mal verdaut werden!), steht man plötzlich bei Hausnummer 106 vor einer Auslage, die mit folgenden Worten wirbt: »­Parfums nach Gewicht und künstl. Blumen« Ein kleiner skurriler Satz, der nicht nur durch den hübsch geschwungenen goldenen Schriftzug am Schaufenster ins Auge sticht. Da muss ich rein! Beim Ein­ treten ist man bereits verloren – dieser Duft, mon dieu! So dicht und dick und schwer und blumig und irgendwie wahnsinnig rührend. Was da so rührt, sind vermutlich die Bilder, die sich, ob man will oder nicht, augenblicklich vor dem inneren Auge auftun: überspannte Ufa-Stars, breite Alleen, feine Damen in Seidenstrümpfen im Café Kranz­ ler, als es in Berlin noch keinen Starbucks gab. Besitzer

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Lutz Lehmann steht mit wasserblauen Augen inmitten von Apothekerflaschen und Seidenblumen und bemerkt unge­ rührt: »Wenn ich morgens in den Laden komme, rieche ich das gar nicht mehr!« Aber das sei nun mal so wie bei den Frauen, die zuviel Parfüm auftragen, weil sie es nach jah­ relanger Benutzung nicht mehr selbst wahrnehmen: »Die Nase wird stumpf!« Lutz Lehmann ist Parfümeur in dritter Generation, sein Großvater Eduard Lehmann reiste viel durch Frankreich, brachte Essenzen und Innovationen mit und eröffnete 1926 sein erstes Geschäft in Berlin: Die vielleicht kleinste Par­ fümfabrik der Welt. Die Seidenblumen sollten ein zweites Standbein sein, damals war das Tragen von Parfüm noch eher verrucht, und die Blumen aus Stoff konnte man ja not­ falls auch besprühen. Seit 1958 ist das Geschäft an der Kantstrasse mit dem Labor im Untergeschoss unverändert: Die Apothekerwaage zum grammgenauen Abwiegen von Parfüm, Eau de Parfum,


die Nase Clive Christian

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igentlich richtet der britische Designer und Innenarchitekt Clive Christian seit den acht­ ziger Jahren Luxus-Wohnungen von Stars ein, inklusive goldenem Besteck. Als er mit der Bude von Céline Dion, Rod Stewart und Elton John durch war, dachte er sich wohl: »Mensch, das kann doch noch nicht alles gewesen sein!« Denn nicht nur an das Ambiente hat er hohe Ansprüche, auch an dessen Geruch: »Duft stellt für mich die persön­ lichste individuelle Mitteilung an die Umgebung dar und soll eine Person eher verschönern als definieren.« Diese Art der Schönheits-OP ist natürlich nicht ganz billig: Sein No. 1 for Men kostet narkotisierende 680 Euro. Aber ist ja auch ein Duft »mit starkem Charakter, raffiniert und s­ elten, unbestreitbar vornehm und äußerst originell.« Und: das teuerste Parfüm der Welt. Für seine Parfümkollektion suchte er einen Hersteller mit langer Erfahrung und Tradition und fand The Crown

Perfumery in England. Einige der Rezepturen stammen noch aus dem Archiv der alten Manufaktur. Clive Christian lancierte seine Düfte mit der selbst­ bewussten Bemerkung: »Parfümherstellung ist eine Kunstform – im selben Genre wie Musik und Malerei.« Es gibt drei Damen- und drei Herrendüfte, deren ­Flakons auch eher Kunstform als Behälter sind. Eine der Flaschen sieht aus wie eine Tiara, geschmückt mit einer golde­ nen ­Manschette. In diese ­Manschette sind, jetzt bitte fest­halten, Brillianten eingearbeitet. Sie wurde zu Ehren des goldenen Thron­jubiläums Ihrer Majestät Queen ­Elisabeth II. her­gestellt und ist heute im Victoria and Albert Museum ausgestellt. Aber es gibt auch einen Fuß­ ballschuh, einen Oscar und eine Yacht. Auf Wunsch kann man sich jedes Motiv an­fertigen lassen. Man braucht nur einen langen Atem und circa fünfzigtausend Euro. Liefer­ zeit? Sechs Monate.

Organic Glam

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Eau de Toilette und Eau de Cologne. Heute wird allerdings aufgrund von unnostalgischer europäischer Vorschriften mit »ml« gearbeitet, die Waage dient nur noch zur Dekora­ tion. Damals wie heute war immer das wichtigste der Duft, die Essenzen, das Kostbare im Inneren. Auf Luxusverpa­ ckung, Werbung und aufwendiges Drumherum wird ver­ zichtet. Das Lehmannsche Credo: Hohe Qualität zu günsti­ gem Preis. Um die fünf Euro pro zehn Milliliter. Zerstäuber, Flaschen und Flakons können nachgefüllt werden. Man erzählt sich, Hollywood käme auch manchmal bei Lutz Lehmann vorbei, aber er ist zu diskret, um Namen zu nennen. Ein Jammer, wüsste man doch zu gerne, ob Brad Pitt bei seinen Berlin-Besuchen nicht vielleicht mal kurz reinschaut, um den Bestseller »Eau de Berlin« nachzukau­ fen. Die wohl berühmteste Kundin war Marlene Dietrich, die das »Veilchen vom Potsdamer Platz« liebte. Wahr­ scheinlich der Grund, warum die Männer sie umschwärm­ ten wie Motten das Licht.

argo Marrone kommt ebenfalls aus Lon­ don, hat aber mit goldenen Flaschen in Form eines Fußballs eher weniger am Hut. Die Apothe­ kerin, Pharmakologin und Homöopathin gründete 2002 The Organic Pharmacy, den weltweit ersten Anbieter einer extrem hochwertigen und anspruchsvollen luxuriö­ sen Pflegeserie, ohne Chemie, mit hundertprozentig rein organischen Substanzen. Organic ist ja auch eine super Sache – wenn die ethisch korrekten Produkte der meisten biologischen Anbieter nicht häufig so nach nassem Lämm­ chen duften würden. The Organic Pharmacy ist weit weg von jeder wollsockigen Allüre. So etwas mögen auch Stars wie Gwyneth Paltrow, Tom Hanks und Robbie Williams. Kylie Minogue erdet ihr hübsches Gesichtchen jeden Abend kosmetisch mit der unfassbar lecker riechenden Carrot Butter. Be green, but always be glamorous! Nach Kosmetik- und Gesundheitsprodukten nahm Mrs. Marrone sich nun auch der Entwicklung von eigenen Düf­ ten an. In der dekorativen Kosmetikreihe »Organic Glam« gibt es Luxus-Parfüms ohne synthetische Duft- und Farb­ stoffe, ohne Phtalate (Duftverstärker) und garantiert ohne tierische Inhaltsstoffe. Die Parfüms sind zu hundert Pro­ zent natürlich und zu fünfundachtzig Prozent organisch und garantiert frei von giftigen Substanzen. Fünf opu­ lente Aromen sind es bisher: Jasmine, Citron, Oud, Ori­ ental Blossom und, ganz neu im Reigen, Orange Blossom. Alle in schweren Glasflaschen, die an Karaffen erinnern, mit einem geschliffenen Stopfen. Die stehen sicher auch auf dem Schminktischchen von Madonna. Natürliche Duf­ tessenzen sind äußert schwer herzustellen, und das Reper­ toire der Zutaten ist sehr begrenzt. Margo Marrone stellte nach getaner Arbeit fest: »I never would have believed crea­ ting an organic fragrance would be such a labour of love!« Liebe geht eben auch durch die Nase. L ifest y le

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Frau Tonis Parfum

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rau Toni ist eine zweiundachtzigjährige elegante Dame aus Wanne-Eickel, deren Enkeltochter Stefanie Hanssen vor zwei Jahren die fantastische Idee hatte, eine Parfüm-Manufaktur in Berlin zu eröffnen, die sich von den gängigen Großraumparfümerien abhebt. Aus­ löser war ein Besuch in der Philharmonie. Ihre Sitz­nach­ barin in der Loge roch so wahnsinnig gut, dass Frau ­Hanssen sie am liebsten angesprochen hätte. Was sie sich zwar ver­ kniff, jedoch später bitter bereute. Der Wohl­geruch ging ihr nicht mehr aus der Nase, sie zog von einer Parfüme­ riekette zur nächsten, redlich bemüht, den somnambulen Verkäuferinnen in den türkisfarbenen Kitteln dieses ganz besondere Aroma zu beschreiben. Woran sie scheiterte. Sie erinnerte sich an ihre ersten Dufterlebnisse, die sie bei ihrer Großmutter erfahren hatte, bei der sie mit viel Liebe aufwuchs: Strickrunden mit älteren Damen, die alle nach »Tosca« rochen, dazwischen ihre gute Omi Toni Luise, die nach einer blühenden Rose duftete. So etwas prägt. Und dann fand sie Herrn Lehmann, drüben im alten Westen, war betört von Tulpe, Nelke und Hyazinthe und von der Idee, einen eigenen Laden mit einer abgespeckten Version seiner Düfte zu eröffnen. Er gab ihr freie Hand: Heute gibt es in ihrem schnörkellos schönen Geschäft am Checkpoint Charlie, der eine Hommage an ihre Groß­ mutter ist, ein Duft-ABC aus sechsundzwanzig Lehmann-­ Düften, die einzeln oder als Assemblage erhältlich sind. Man kann also sein persönliches Parfüm kreieren. Dazu werden Schnupperkurse angeboten, die gerne von aufge­ regten Freundinnen in kleinen Gruppen gebucht werden – muntere Nachmittage mit Crémant, frischen Früchten und am Ende einem Fünfzig-Milliliter-Flakon mit dem ganz privaten Duft. Um den zu kreieren wird an Stöpseln der großen Glasflaschen geschnuppert, werden mehrere ­Essenzen (bis zu fünf ) übereinander auf die Haut aufgetra­ gen, Kombinationen ausprobiert – ein Prozess, der gut eine Stunde dauern kann. Aber auch mit wunderschönen Asso­ ziationen wird gearbeitet, wie zum Beispiel »der Kleege­ ruch auf der Wiese, hinter dem Haus meiner Eltern.« Hach!

The Creed

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ollten Sie jemals einen Mann kennen­lernen, der auf eine unaufdringliche Art männlich riecht, ihm dann, sollten die Umstände es so wollen, in sein Gemach folgen und dort einen Flakon »Green Irish Tweed« vorfinden: Bleiben Sie bei ihm! Zumindest für eine Nacht. Diese Männertypen haben nämlich meist eins: Klasse. Jedes männliche Wesen, das nicht einfach nur nach Hugo Boss riecht, hat die. Prinz Charles benutzt das auch. Nun, vielleicht kein überzeugendes Argument. The Creed bedeutet Kredo, ein Glaubensbekenntnis, das ­Tradition, ­Qualität und Glamour vereint. 1760 gründete JamesHenry Creed in London sein House of Creed, kurz dar­ auf wurde es zum offiziellen Hoflieferanten ernannt. Seit 1854 hat Creed ­seinen Sitz in Paris. Creed hat ein eignes Ordnungs­system für seine Kompositionen: »La Collection

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Privée« bezeichnet die ältesten Parfüms, die fast aus­ schließlich für die europäischen Höfe hergestellt wurden. »Les ­Millésimes« sind Düfte aus sehr seltenen Essenzen, und »Les Eaux de ­Toilette« sind Unisex-­Kompositionen. Mittler­weile hat O ­ livier Henry Creed die Führung des Familienunternehmens in sechster Generation übernom­ men. Hergestellt werden die Düfte in alter Manier, alles reine Handarbeit. Prinz Rainier von Monaco ließ zur Hochzeit mit Grace Kelly »Fleurissimo« aus Tuberose, Veilchen, Iris und Rosen komponieren. Cary Grant und Gary Cooper hatten die englisch-französischen Düfte vor Jahrzehnten nach Holly­ wood gebracht. Auch Frankie Boy gehörte zu den Fans. Aber dem sind die Frauen ja auch gefolgt, wenn er einfach nur nach Bourbon on the Rocks roch.  >


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A star is born

Pride 1981 von Glenmorangie

Glenmorangie beherrscht seit Jahren mit seinen limitierten Abfüllungen von edlen Whiskys den internationalen Markt. Nun überrascht das schottische Haus mit einer einmaligen Kreation: Pride 1981 bricht mit achtundzwanzig Jahren Extra-Maturation – davon zwölf in Sauternes-Fässern von Château d’Yquem – alle Rekorde und entfaltet feurige Kraft.

Stolz auf Pride: Mit seiner neuesten Schöpfung wird Bill Lumsden, Whisky-Créateur der Distillery Glenmorangie, in die Geschichte des schottischen Single Malt eingehen.

Text: Ellen Alpsten Fotos: Johannes Grau

A

n der zerklüfteten Ostküste Schottlands, hoch über den silbrigen Wellen von Dornoch Firth, einer Art Binnenmeer, das bis in das gut fünfzig Kilometer ent­ fernte Inverness reicht, ragt ein geheimnisvoller Stein in den weiten grauen Himmel. Weder weiß man genau, wie und wann das gut drei Meter hohe Monument aufgerichtet wurde, noch wer es so reich verziert hat. Es sollen die ­Pikten gewesen sein, die wilden Ureinwohner Schottlands, die um das zehnte Jahrhundert herum mit farbig ­bemalten Gesichtern und nur mit Fellen b ­ ekleidet durch das Hochland streiften. Unbekannt ist auch, was die außergewöhnlichen Symbole und Bilder auf den verschiedenen Feldern des Steins zu bedeuten haben. Bill ­Lumsden, Créateur der kostbaren Whiskys aus dem H ­ ause Glen­morangie, ist sich allerdings ganz sicher. Sein Finger folgt den Mustern und Wirbeln im quadratischen Mittelfeld des steinernen Artefakts, das heute auch das Etikett der Glenmorangie-­ Flaschen ziert: »Da, sehen Sie, das ist doch ganz klar, das ist die Reaktion des Whiskys, wenn ein Tropfen Wasser auf seine Oberfläche trifft. Wer weiß, vielleicht kannten die Pikten schon Whisky?« Tatsächlich, wer weiß – denn auch der genaue Ursprung des Whiskys ist unbekannt. Einigen Theorien zu­folge kam das Wissen über die Kunst des Destillierens mit den Händlern über die Seidenstraße aus dem Nahen Osten nach Europa. Andere vermuten einen germanisch-­ römischen Ursprung des Getränks. Nachgewiesen ist jedoch, dass die Mönche hier im Norden Schottlands

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schon im Mittelalter das destillierten, was wir heute als Whisky kennen – und zwar Whisky, wie er hier geschrieben wird, und nicht Whiskey wie in Amerika. Glenmorangie bedeutet soviel wie »See des Friedens«, doch Bill Lumsdens erste Erinnerung an Whisky ist eine blutige: Mit Fünfzehn betranken er und sein ­bester Freund sich unerlaubterweise an der Hausbar von dessen Eltern mit Whisky, bevor sie sich an der E-Gitarre ­seines älteren Bruders, eines Rockmusikers, vergriffen, sich an den Metallsaiten die Finger aufschnitten, alles mit Blut beschmierten und dann bei dessen Heimkehr von ihm grün und blau geprügelt wurden. Die folgenden Jahre machte der promovierte Biochemiker dann einen großen Bogen um Whisky und wäre dabei vielleicht geblieben, wenn nicht das Schicksal es anders gewollt hätte: Der Getränke-Konzern Diageo bot ihm noch vor Ende seines Studiums eine erste Anstellung an, eine Versuchung, der er nicht widerstehen konnte. Einige Jahre später lockte ihn dann Glenmorangie, einer der großen alten Namen der Whisky-Welt, mit der ­Leitung der Destillerie nach Tain, um ihn nur drei Jahre später als Whisky-Créateur nach Edinburgh zu holen. Tain ist wie so viele Dörfer des schottischen ­Hochlands ein kleiner, bescheidener Ort, in dem alles vom ­Touris­mus, von der Töpferei und vom Trinken, pardon, vom Whisky lebt. Eine Anstellung in der Destillerie ist wegen der Sicherheit und dem Ansehen begehrt. In der B ­ rennerei wird gerade umgebaut, um mit den ­Zeiten Schritt zu ­halten. Immer mehr Besucher kommen und ­sollen bei einem Rundgang davon überzeugt werden, dass der Whisky von Glenmorangie für sie allemal der beste ist. »Un­necessarily well made, mit unnötigem Aufwand geschaffen«, so beschreibt mit selbstironischer Unter­treibung Glenmorangie seine Whiskys, und davon überzeugen sich die Besucher, indem sie die Nase in r­ iesige Kessel stecken, in denen der Whisky in verschiedenen Phasen seiner Gärung brodelt, ehe er in der an eine moderne Kathedrale erinnernde Destillierhalle den letzten Schliff erhält. Die meterhohen kupfernen Brennkessel von Glenmorangie haben sehr viel ­längere Hälse als anderswo, was den Sud doppelt filtert und nur die feinsten ­Tropfen in den Fässern zur ersten Lagerung ankommen lässt.

Ganz in der Nähe von Tain sprudelt die Quelle, Tarlogie Springs, die die Destillerie speist. Als einzige Destillerie, die ihren Whisky mit so relativ hartem Wasser herstellt, schützt Glenmorangie die Quelle eifersüchtig, denn es soll für den sahnigen, vielschichtigen Geschmack des Produkts mitverantwortlich sein: Um die Reinheit sicherzustellen, kaufte man sechshundertfünfzig Hektar Land rund um den Brunnen. Die sechzehn »Men of Tain«, eine Wendung, die noch heute die Etiketten ziert, stehen für die jeweils sechzehn Mitarbeiter, die seit 1843, dem Gründungsjahr, in der Brennerei beschäftigt sein sollen; im gesamten Unternehmen sind es heute allerdings wesentlich mehr. Die Übernahme der Destillerie durch den Luxuskonzern Moët Hennessy Louis Vuitton (LVMH) im Jahr 1994 hat dem Unternehmen dann das gegeben, was die Kreation eines großen Whiskys braucht: Zeit.

Juwel und Fassung: Die edle Schatulle umschließt den ultimativen Malt wie eine Auster ihre Perle.


Das Kapital einer Destillerie wie Glenmorangie liegt auf Jahre und Jahrzehnte in den Warehouses, den langgezogenen Lagerhäusern. »Das sind Millionen-, wenn nicht Milliardenwerte, die hier reifen«, sagt Bill Lumsden. »Den langen Atem muss man erst einmal haben. Keine erfolgreiche Destillerie ist heute mehr unabhängig. LVMH und seine geschäftliche Weitsicht sind ein Segen für unser Haus. Aber jetzt wollen wir den Whisky kosten.« Abertausende von Fässern lagern in den kühlen, feuchten Hallen, deren Schlösser an den schweren Türen an ein Hochsicherheitsgefängnis gemahnen. Der Duft ist berauschend – der verdunstende Alkohol wird The Angels’ Share, der Schluck der Engel, genannt. Bill Lumsden fliegt förmlich mit dem kupfernen Pumpschwengel in der Hand durch die Reihen von Whiskyfässern, ehe er vor einem stehen bleibt, auf dem groß und dunkelrot RUBY gepinselt steht. »Lassen Sie uns den kosten … lassen Sie mich mal sehen. Ja, zehn Jahre in Port-Fässern gelagert, nicht schlecht.« Sein Gesicht strahlt erwartungsvoll, als er mit einer gekonnten Drehung den Kork aus dem Fass zieht und sich den Duft an die Nase wedelt.

beide Häuser zu LVMH gehören, handeln wir doch vollkommen unabhängig voneinander. Für mich war Château d’Yquem immer der Wein der Weine, und als 1999 endlich das Ja aus Frankreich kam, bin ich die Fässer selber abholen gefahren und war auch bei der Umfüllung dabei. Ich hatte dafür einen 1981er Whisky ausgewählt, feinsten achtzehnjährigen Vintage Single Malt also.« Und was geschah dann? »Nichts«, gibt Bill Lumsden zu. »Erst einmal rein gar nichts. Es war entsetzlich, und ich war oft bereit, das Experiment für gescheitert zu erklären, denn wann immer ich in den ersten drei, vier Jahren vorsichtig aus den Fässern kostete, hatte sich der Whisky nicht geändert. Ich schmeckte noch immer alles, was Glenmorangie einmalig macht, Sahne, Mandel, Apfel und Kokos, aber ich konnte einfach nichts entdecken, was auf das mit Château d’Yquem getränkte Eichenholz schließen ließ. Ich war schon ganz verzweifelt, denn ich war so stolz gewesen, die Fässer zu bekommen, und wusste, dass ich

extra-maturierten Glenmorangies spielen auf den schottischen Ursprung des Whiskys an, „aber Pride 1981 ist einfach, was es ist: unser ganzer Stolz.« Wie kann sich nun das Ergebnis von Jahren der Planung, des Hoffens und des Reifens schmecken lassen? Die Karamellnoten einer Tarte Tatin werden genannt, gefolgt von Anis und Muskat. Tatsächlich ist das unerwartete Feuer von Pride nicht wenig irritierend, sein Geschmack ist komplex, entfaltet sich in Schichten und ist gewiss nichts für Anfänger, sondern eher ein Genuss für Whisky-­ Kenner und -Liebhaber. Einige Tropfen davon genügen, um den ­Gaumen in Flammen zu setzen, und so hustet ein Novize möglicherweise ein raues »gewöhnungsbedürftig«, lässt sich dann aber doch sein Glas mit dem raren Getränk nachfüllen, um die zweite Geschmackswelle zu genießen: Limonen-Sorbet, Kiwi, Lakritz und Maroni. Pride sollte sich jedoch auch sehen lassen k ­ önnen: Das von Laurence Brabant entworfene und aus

einen Misserfolg nicht hinnehmen wollte oder konnte.« Sollte denn alles umsonst gewesen sein? Mitnichten, denn nach vier oder fünf Jahren färbte sich der Whisky langsam mit neuen Geschmacksnoten ein, die sich vollkommen von den bekannten Aromen aller Glenmorangies unterschieden. Bill Lumsden war sich jetzt sicher, etwas in der Welt des Single Malt ganz Besonderes zu schaffen, etwas geradezu Unerhörtes. Er kostete und wartete. Er wartete und kostete, während in seinem Hinterkopf die Gedanken zu diesem Wunderwerk des Whiskys einander jagten: Wie sollte die Flasche aussehen? Wie konnte man sie verpacken und wie die Auflage limitieren? Welchem Markt – und zu welchem Preis – konnte seine Schöpfung angeboten werden? Während der Whisky sich mit der Süße des Château d’Yquem mischte und sie über achtundzwanzig lange Jahre in feurige Noten wandelte, machten sich die besten Designer Europas ans Werk, Glenmorangies ganzem Stolz den angemessenen Auftritt zu schaffen. »Pride 1981, der Name kam ganz von selber«, sagt Bill L ­ umsden. »Achtundzwanzig Jahre Sonder-Reifung sind auch für Glen­ morangie ein absoluter Rekord. Natürlich wäre eine runde Zahl wie dreißig schön, aber dem Geschmack wäre das womöglich abträglich gewesen. Alle Namen der anderen

Baccarat-Kristall geschliffene Gefäß erinnert an Parfümflakons der dreißiger Jahre, zu dem die satte goldene Farbe, die der Whisky in den Château-d’Yquem-­Fässern angenommen hat, ausgezeichnet passt. Eine so kostbare Flasche kann natürlich nicht einfach in einem ­Karton in die Regale nobler Spirituosengeschäfte kommen: Der ­Holländer Wouter Scheublin, der eigentlich für seine eigenwilligen Möbelkreationen bekannt ist, entwarf eine ­Kassette aus edlem Holz, die die Erscheinung der ­Pretiose über ein raffiniertes System von Schienen und Scharnieren inszeniert. Eine Pretiose ist Pride 1981 allerdings tatsächlich: Weltweit werden nur tausend Flaschen zu dem stolzen Preis von nahezu 3000 Euro angeboten – in Luxushotels und Flughäfen und natürlich bei ausgesuchten Adressen. Pride 1981, auf dessen tausend Etiketten ebenfalls das piktische Ornament prangt, ist das Meisterstück Bill Lumsdens. In Bezug auf seine Interpretation der Darstellung wird er jedoch vorsichtig. Schützend legt er die Hand über sein Glas, wenn man sich ihm mit einer Wasser­karaffe nähert. »Nur ein paar Tropfen, mehr nicht«, mahnt er. »bloß nicht zu viel.« Damit auch die letzte Geschmackswelle sich voll entfalten kann, Rosinen, Mandel und Kokos – es dauert lange, bis die Sensation verebbt. >

Der große Moment Not bad: Hinter dem britischen Understatement verbergen sich fast zwei Jahrzehnte Geduld und Hoffnung. Denn zehn Jahre muss jeder frisch destillierte Whisky hier in Bourbon-Fässern, die aus Amerika geliefert werden und zur Kennzeichnung ihrer ersten Lagerung brandrot gestrichen werden, reifen, ehe Bill Lumsden mit seiner magischen Kunst eingreift. Schon diese Fässer werden nach den Vorstellungen des Masters of Whisky maßgezimmert: Er sucht die Bäume in den Wäldern von Kanada und Nordamerika mit aus, die dann gefällt werden, um zu einem Fass für Glenmorangie verarbeitet zu werden. Entscheidend dafür ist die Verteilung der Jahres­ringe im Stamm: Nur die weit auseinanderliegenden Ringe des Früh­holzes sind für Glenmorangie-Whisky-Fässer geeignet, es ist weich und großporig, ideal, den Bourbon­ geschmack aufzunehmen und ihn dann wieder an den jungen Glenmorangie weiterzugeben. Nach zehn Jahren Reife im roten Bourbon-Fass kommt dann für Bill Lumsden der große Moment. Alle Fässer werden geleert und für eine zweite Zehn-Jahres-­Füllung mit jungem Whisky schwarz gestrichen. Sie werden nach abermals zehn Jahren verkauft; Glenmorangie ist die einzige Destillerie, die ihre Fässer nur zwei Mal verwendet. Ein Teil des gereiften Whiskys wird als The Original in Flaschen gefüllt. Dem anderen Teil steht nun eine wunder­same Wandlung bevor: Durch erneutes Umfüllen in Sherry- oder Port-Fässer wird der Whisky in weiteren zehn Jahren zu Santa oder Quinta Ruban geadelt, Namen, die die Augen von Whisky-Liebhabern zum Glänzen bringen. Eine neue Herausforderung für Bill Lumsden kam schließlich aus der feinsten Weinwelt: Die Idee hatte Lumsden einmal zur Sprache gebracht – aber lange hatte er warten müssen, bis schließlich das Angebot kam, sechs Fässer des Sauternes Premier Cru Supérieur von dem weltberühmten Château d’Yquem für eine weitere Reifung zu erstehen. In der Erinnerung daran glänzen seine Augen leidenschaftlich: »Als ich das hörte, schlug mein Herz schneller. Die Wartezeit, bis Château d’Yquem meiner Idee zugestimmt hat, erschien mir als rechte Prüfung. Denn obwohl

Feuer und Wasser: In der grandiosen Kargheit der Northern Highlands entstehen in kupfernen Brennkesseln und hölzernen Fässern unvergleichliche Whiskys.

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Der Duft von Lagoa Text: ANNE RHEINLÄNDER Foto: GUIDO BITTNER

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ch habe noch nie so geschwitzt an Weihnachten. Es war, muss man dazusagen, auch noch nie so heiß an Weihnachten. Über vierzig Grad waren es, am liebsten hätte man seine Haut ausgezogen und sich ansonsten nicht mehr bewegt. Die Straße führte schon wieder einen Hügel hoch, gesäumt von endlosen Sojafeldern mit gelegentlich einem Eukalyptusbaum. Kerstin stöhnte. Am f­ rühen Nachmittag hatte sie trotz der Hitze ihr wichtigstes ­Utensil, die Fönbürste, benutzt, aber schon jetzt, nach zwei Kilometern Marsch auf der Landstraße, sah sie aus, als hätte sie einen Eid abgelegt, sich niemals auf Reisen die Haare zu legen. Sie war besorgt. Was sollte man im hintersten Winkel Südamerikas nur von ihr denken? »Ich muss trinken«, sagte sie und blieb stehen. »Ihr müsst auch etwas trinken.« Kerstin muss den ganzen Tag; sie muss, seit ich mich erinnern kann. Sie muss einkaufen, sie muss sich um die ­Blumen kümmern, sie muss trinken. Manchmal, das ist K ­ erstin ­wichtig, muss sie sich natürlich auch mal entspannen. Wir hatten eine Einladung bekommen, Kerstin, Karl und ich. Ein Mann, den wir nur von seinen Postkarten und Briefen her kannten, hatte uns vorgeschlagen, bei ihm in Brasilien Weihnachten zu feiern. Es ist eine lange, an dieser Stelle unmöglich zu erzählende Geschichte, wie es genau dazu gekommen ist; sie hat vor vielen Jahren mit einer alten Platte, einem Flohmarktkauf und einer Adresse begonnen, die auf dem Plattencover stand. Es war die von ­Nilson Klipp aus Lagoa. Man fing an, einander zu schreiben. Erst Karten, dann immer länger werdende Briefe.

Er wohnt in einem Dorf im Süden, dieser Nilson, und die Gegend ist so abgeschieden, dass die Bewohner nur ihre Vornamen auf die Klingelschilder schreiben. Es sind brasilianische Namen wie Ricardo, Elcio oder Eriberto. S ­ tünden die Nachnamen daneben, könnte man sehen, dass sie

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alle deutsch sind, es gibt die Klipps, die Kaysers und die Königs. Sie reden auch alle deutsch miteinander, obwohl es inzwischen um die hundertfünfzig Jahre her sein muss, dass sich ihre Vorfahren an einem dreieckigen See nieder­ ließen. Das Dorf nannten sie wie den See, »Lagoa der Drei Ecken«. Im Nachbardorf hatten sie statt eines Sees nur einen pensionierten Soldaten namens ­Müller, weshalb das Nachbardorf auch nur »Marschall Müller« heisst. Das alles hatte Nilson uns geschrieben. Inzwischen nahmen wir regen Anteil am Dorfleben. Kerstin sagte, sie würde lieber in Marschall Müller leben, nur vom Namen her, auch wenn der Bäcker dort nicht so gut sein sollte. Karl gefiel meistens Lagoa besser.

kugeln und poliertem Messing. Karl bezweifelt, dass es genau so gerochen habe, aber er hat auch nicht so eine feine Nase wie Kerstin. Karl kennt nur »riecht gut« oder »riecht nicht gut«, aber wenn dann etwas gut und vor allem: richtig riecht, dann verschwindet auch er in anderen Welten. Es ist merkwürdig, dass Gerüche kaum zu beschreiben sind. Die Sprache versagt ausgerechnet dort, wo die kraftvollsten Schneisen ins Vergessen geschlagen werden. Deshalb hängt Kerstin so an ihren Räucher­ kerzen. Anders kommt sie an bestimmte Erinnerungen nicht heran, nicht in dieser Lebendigkeit.

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anchmal hat sie Angst, dass die Räucher­kerzen­ firma pleite gehen könnte. Deshalb musste Karl einen riesigen Vorrat im Keller anlegen. Karl ist f­rüher Ingenieur gewesen; er hat viel gearbeitet und ist nur wenig gereist. Er kennt ein paar europäische Länder, nichts Besonderes. Nur einmal hat er eine ungewöhnliche Reise gemacht. Er spricht kaum über die Umstände. Es war ein seltsamer, deutlicher Traum gewesen, der ihn, den rationalen Techniker, auf Tage mit einer ungekannten Leichtig­keit beschenkt hatte. Mit einem fliegendem Teppich war er stundenlang über endlose Regenwälder und endlose ­Felder geflogen. Er lag auf dem Bauch, er spürte den Fahrtwind im Haar und schaute hinunter in ein Meer von Grün, und als das Grün irgendwann in Weiß überging, habe ihn das so verstört, dass er aufgewacht sei.

Sie behauptet sogar, sie könne sich an den Geruch der Blechbläserkapelle auf dem Striezelmarkt erinnern, eine irrwitzige Mischung aus Schneeluft, Backfett, Motten-

Inzwischen war es fast sechs Uhr nachmittags, nur noch der obere Teil der tropischen Sonne schien über die Sojafelder. »Du musst Nilson jetzt endlich mal anrufen«, sagte Kerstin verärgert, »das kann doch nicht stimmen mit dem Weg, wir haben uns verlaufen.« »Ich versuch’s doch schon die ganze Zeit. Ich kriege hier aber kein Netz. Außerdem, bei der einzigen Straße weit und breit kann man sich gar nicht verlaufen.« Aber wir waren schon seit fast drei Stunden unterwegs. Merkwürdig. Nilson hatte gesagt, es sei ganz einfach. Man

Zwei Wochen vor Weihnachten kam wieder eine Postkarte aus Lagoa der Drei Ecken. »Kerstin«, sagte Karl wie jedes Mal, wenn eine Karte kam, »wir müssten da wirklich mal hin, nach Lagoa.« Karl sagt auch ab und zu »müssen«, weil die beiden schon lange verheiratet sind. »Ja, irgendwann mal«, sagt Kerstin meistens, aber diesmal sagte sie etwas anderes: »Weißt du was? Ich bin dabei.« Bevor der Abend zu Ende ging, war die Reise beschlossen.

erstin hatte an diesem besonderen Abend das Räuchermännchen angemacht; für sie ist Weihnachten der verlorengegangene Geruch ihrer Kindheit: die Lebkuchensoße, deren Rezept verschollen ist, die Zigarre des Vaters, der ebenfalls verschollen ist, die Apfelsinenschalen, die, wenn sie von den Geschwistern beim Kerzenkokeln zusammengedrückt wurden, einen feinen Regen in die Flamme sprühten. Im Dezember beschwert sich Kerstin gern: »Nichts riecht mehr nach Weihnachten.« Sie hat ja nicht unrecht.


Weihnachten ist vor allem eins – ein ganz besonderer Geruch: Über einen Ort, den man womöglich nur mit der Nase finden kann

müsse vom Landhaus Weber, wo wir wohnten, immer geradeaus auf der Landstraße gehen, eine Dreiviertelstunde lang. Es sei so ein schöner Spaziergang. Dann komme man an eine Gabelung, und von dort aus direkt nach Lagoa. Das Landhaus Weber lag leider außerhalb von Lagoa, in einer Kleinstadt namens Não-Me-Toque oder »Rühr-mich-nicht-an«, und war weit und breit die einzige Pension. Weiter gingen wir. Immer hinter dem jeweils nächsten Hügel vermuteten wir Lagoa. Ich versuchte wieder, ­Nilson anzurufen. Vergeblich. »Hier!« Karl winkte auf einmal von der nächsten Hügelkuppe. »Hier, das muss die Gabelung sein!« Tatsächlich, die Straße bog hinter dem Hügel nach links ab, und geradeaus führte ein Feldweg weiter in einen Wald. An der Kreuzung stand ein Straßenschild: »­Marschall ­Müller, 1,5 km« und: »Lagoa, 1 km«. Mich fröstelte. Es war auf einmal deutlich kühler geworden, nein, es war inzwischen richtig kalt. Von den Eukalyptusbäumen, die am Rand des Weges standen, rieselten immer mehr weiße Flusen. Fast sah es aus wie Schnee. Ich sah, dass Karl den selben Gedanken hatte. Spielerisch fing er eine Fluse in der Luft, schüttelte sie erschrocken ab, fing gleich noch eine, und dann sah er mich erstaunt an.

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agoa, wir wussten so viel von Lagoa. Besonders über das Essen hatte Nilson viel geschrieben. In der Abgeschiedenheit des Dorfes hatten die Rezepte unverändert überdauert. Sie kamen mit den Auswanderern an den dreieckigen See; sie kamen aus dem ­Hunsrück, aus Ostpreußen, aus Sachsen und aus Schwaben. Nur die Namen der Köstlichkeiten hatten sich wohl im Lauf der Zeit zuerst vermischt, dann verändert; so ähnlich übrigens, wie man sich auch den in Lagoa gesprochenen ­Dialekt vorstellen muss. Es gab den Weihnachtskuchen Cuca, einen mächtigen Rührkuchen, der in Schweineschmalz ausgebacken wird. Der Stollen von Lagoa solle aber auch besonders gut sein,

hatte Nilson berichtet. Doch der Cuca wurde so berühmt, dass ein italienischer Bäcker namens Borghetti aus NãoMe-Toque sogar die Tochter von Adamir Röckel heiratete, um an das Geheimrezept zu kommen, weswegen die Bäckerei in Lagoa seit inzwischen drei Generationen Borghetti heißt. Bei Borghetti werden auch die Würste von Lagoa gemacht.

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u Weihnachten, so Nilson, wird immer die Scheune von Kaysers geschmückt. Das ganze Dorf findet sich dort zusammen, und jeder bringt ein überliefertes Familiengericht mit: Weißwürste mit Lebkuchensoße, mit Äpfeln und Maronen gefüllte Gänse, Cuca in allen Varianten. Dazu werden Weihnachtslieder gespielt, von der Dorfband »Musikalische Sonnenfinsternis«, und weil nicht mehr alle Jungen fließend deutsch sprechen, sagt N ­ ilson, müsse man auch mit einigen portugiesischen ­Texten rechnen. »’s wirdsch Euch g’falle!«, hatte Nilson noch in ­seinem seltsamen Dialekt am Telefon versichert, kurz bevor wir aufgebrochen waren. Die Flusen schmolzen zwischen den Fingern und hinterließen kleine Pfützen auf dem Handteller. Kerstin hatte den Schnee noch gar nicht bemerkt. Sie schimpfte nur über die plötzliche Kühle und ging voran, bis sie auf einmal stehen blieb und uns rief. Ich weiß nicht, ob wir es zuerst hörten oder zuerst rochen. Ein feiner Wind wehte Töne von Blasmusik herüber, ich erkannte die Melodie des Weihnachtsliedes, gerade kam die Stelle »... still und starr ruht der See ...«. Und mit dem Wind kamen die Gerüche. Kerstins feine Nase vibrierte. Es war der Duft von Lagoa, ein Duft von Backwaren und Braten, nach leichtem Zigarrendunst und blankpoliertem Messing, nach Schnee und Apfelsinen. Kerstin fing an zu lächeln. Es war der Duft von Weihnachten. »Geht mal weiter«, sagte Karl plötzlich. »Gleich rechts müsste jetzt der zugefrorene See kommen, und genau gegenüber liegt die Scheune von Kaysers. Ich glaube

nämlich«, flüsterte er mir zu, als er meinen verwunderten Blick sah, »ich kenne das hier. Ich bin hier schon einmal drübergeflogen.« Ich erinnere mich an ein rauschendes Fest. Man aß, man tanzte, man feierte den Heiligen Abend, und nur für den Gottesdienst verließ die Gesellschaft kurz die Scheune. Es duftete betörend, ich weiß gar nicht, nach was es alles roch, aber Kerstin zählte mir alles auf und vergaß auch die Mottenkugeln nicht. Sie vermisste nicht einmal ihre Räucherkerzen. Die Würste rochen nach fein abgestimmten Gewürzen, nach Rauch von verschiedenen Hölzern, dazwischen mischte sich Bienenwachs und Gebäck, Spuren von Nelken, Zimt und Kardamom, Rotkraut und Bratapfel.

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as für ein Weihnachten! Man trank Punsch, Karl tanzte mit Kerstin, als die Rhythmen nach Mitternacht tropischer und schneller wurden und die »Musikalische Sonnenfinsternis« trompetete und trommelte, dass man glaubte, es würde nie mehr hell werden. Irgendwann, sehr spät, sehr früh, fuhr Nilson uns zurück ins Landhaus Weber.

Wir schliefen lange am nächsten Tag. Beim Frühstück setzte sich Eugenio Weber, der Gastwirt, zu uns, und wünschte uns Frohe Weihnachten. Ob wir denn Verwandte in Não-Me-Toque haben, mit denen wir ­gefeiert hätten, hier gebe es ja viele Menschen mit deutschen und auch ein paar italienischen Verwandten, zum Beispiel die Borghettis. »Nein, wir waren in Lagoa«, sagte Karl, »in Lagoa der Drei Ecken.« Es sei aber wirklich mühsam, dorthin zu kommen, einen schönen Spaziergang stelle er sich anders vor. »Lagoa was?« Eugenio Weber schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Sie müssen sich irren. Zu Fuß kommen Sie hier nirgendwo hin.« Er lebe jetzt seit sechzig Jahren in NãoMe-Toque, sagte er, aber von einem Ort namens Lagoa der Drei Ecken habe er noch nie in seinem Leben gehört. >

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Prestige-Cuvées und J Zum Fest empfiehlt Christian Göldenboog fünfzehn grosse Weine aus der Champagne

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hampagner: Man trinkt ihn gut gekühlt, zwischen ­sieben und zwölf Grad. Alles andere würde die ­Frische, die Schaumentwicklung, das Prickeln der Kohlen­säure abtöten. Damen trinken ihn mit Zurückhaltung, in ­kleinen Schlucken, Gaumen und Geschmacksnerven angespannt. »Champagner: Der Rausch muss die Gäste in dem Augen­ blick ergreifen, wo die Korken springen; man gerät außer sich«, notiert Gustave Flaubert in seinem Wörterbuch der Gemeinplätze. Tatsächlich sollte man nicht schon beim Öffnen der Flasche außer sich geraten, vor allem dann nicht, wenn es sich um Prestige-Cuvées oder Jahrgangs-Cham­ pagner handelt, also jene Weine, die die meisten Keller­ meister nur in den wirklich besten Jahren wie etwa 1996, 1998 oder 2002 herstellen.

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Jahrgangschampagner stellen eine große Ausnahme dar: Sie machen nur knapp acht Prozent der Gesamtproduktion aus, denn die grundlegende Konzeption des Champagners ist der jahrgangslose Brut. Und so warten die Kellermeis­ ter gespannt auf jedes Jahr, um die aktuellen Grundweine auch auf ihr Potential für einen Millésime zu untersu­ chen. Freilich geben die meisten unumwunden zu, dass die Arbeit an einer Prestige-Cuvée im Vergleich zu der am Brut ohne Jahrgang ein entspannendes ­Highlight darstellt; denn ­während beim letzteren manchmal bis zu zweihundert Grundweine verschnitten werden müssen, sind es bei den Prestige-Cuvées zumeist nur drei bis fünfzehn. Hier geht es nur um die Crème de la Crème; in der Tat komponie­ ren die Kellermeister diese Prestige-Cuvées im Allgemei­ nen nur aus Grand-Cru-Lagen wie Ambon­ nay, Aÿ, Bouzy, Verzenay und Verzy für Pinot Noir und Avize, Chouilly, Cramant,

Champagne Louis Roederer Cristal 2004

Champagne Krug Grande Cuvée

1876 beschwerte sich Zar Alexander bei der Reimser Firma Roederer, die drei Vier­ tel ihrer Produktion in Russland absetzte, warum er denn das Gleiche trinken müsse wie all der adlige Pöbel. Das ­Ergebnis ­dieser Beschwerde war die Prestige­marke ­Roederer Cristal, noch heute ein Cham­ pagner der prickelnden Sensationen: lebenskräftige Frische, Karamell­ noten, dezente reife Früchte. Die Säure – die­ ser Wein durchläuft keine malolaktische Gärung – vibriert und hat Rückgrat dank des hohen Anteils von Pinot-Trauben der Crus Verzenay, Verzy und Mareuil-sur-Aÿ.

Das Aushängeschild der Familie Krug: Eine Assemblage aus mehr als hundert Grund­ weinen, darunter auch sehr alte Reserve­ weine. Diese sind dafür verantwortlich, die hohe Säure, hervorgerufen durch das Unter­ binden der malolaktischen Gärung, auszu­ gleichen. Dominant sind die blauen Reb­ sorten: fünfundvierzig bis fünfundfünfzig Prozent Pinot Noir, fünfzehn bis zwanzig Prozent Pinot Meunier, fünfundzwanzig bis dreißig Prozent Chardonnay. ­Kräftige gelbe Farbe, in der Nase Aromen von ­weißen Blüten und Honig, die im G ­ aumen von Zimt, Veilchen und wilden Rosen über­ deckt werden. Dieser Cham­pagner öffnet sich in einer Explosion unterschiedlichster Geschmacksaromen.Seidige Frische.

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Champagne Laurent Perrier Cuvée Grand Siècle Eine Besonderheit von Laurent Perrier aus Tours-sur-Marne: die Prestige-Cuvée ohne Jahrgang. Das Rezept: Die besten Char­ donnay- und Pinot-Noir-Trauben aus Grands Crus und aus drei hervorragenden Jahren werden geschickt miteinander ver­ mählt. So reift über die Jahre ein komple­ xer, h ­ armonischer Wein von großer Klasse heran: Auf intensiven Blütenduft folgt eine Symphonie aus Opulenz und Sanftheit, die vornehm ausklingt. Der Genießer denkt an Kraft und Freiheit.

Fotos: Guido Bittner

Le Mesnil-sur-Oger für Chardonnay. Jeder ­dieser Crus bringt sehr spezielle, einzigartige Aromen in die Cuvée: Chouilly etwa zeichnet sich durch markante Brioche-Aro­ men aus, Mesnil-sur-Oger durch eine ­stahlige Minerali­ tät, und die Grundweine aus Aÿ im M ­ arnetal sind an ihren elegant-opulenten Noten roter Früchte zu erkennen. Und noch etwas zeichnet diese Grundweine aus und prädesti­ niert sie für Prestige-Cuvées: ihre Langlebigkeit, ihr Poten­ tial, sich erst nach zehn, fünfzehn oder mehr Jahren von ihrer besten Seite zu zeigen. Daher verlangen diese Cuvées unsere geballte Aufmerksamkeit, nicht nur wegen des Prei­ ses – bekanntlich sind Prestige-Cuvées jene Weine, die man sowohl an ihrer besonderen Flaschenform als auch am teuren Preisschild erkennt –, sondern weil sie h ­ äufig nach der zweiten Gärung in der Flasche acht bis zehn Jahre oder noch länger in den Kreidekellern der Champagne ruhen – um sich dann im Glas besonders fein, raffiniert und ele­ gant zu präsentieren.

Champagne Salon 1999 Eugène-Aimé Salon war ein exzentrischer Pelzhändler, der sich Anfang des 20. Jahr­ hunderts seinen Jugendtraum verwirklichte: Er wollte den ungewöhnlichsten Wein der Welt produzieren. Ein Champagner nur aus den besten Jahrgängen, nur aus Chardon­ nay, nur aus Mesnil-sur-Oger. Dieser Cru ist berühmt dafür, dass seine Weine viele Jahre benötigen, um ihr wahres Gesicht zu offen­ baren. Der 1999-er stellt den erst sieben­ unddreißigsten Salon-Jahrgang überhaupt dar und präsentiert sich in bester Laune: füllig, großzügig, blumig, weiße Früchte, komplex. Die präsente stahlige Säure ­dieses Jahrgangs sollte für Langlebigkeit in der Flasche sorgen.

Champagne Pommery Cuvée Louise Rosé 1998 Für Liebhaber muss Rosé nicht unbedingt farbintensiv sein, es existiert sogar die ­Meinung: Je weniger Rot, desto gelungener und sublimer. Diese Luxus-Cuvée verblüfft durch ihre sehr helle Farbe, nur einige röt­ liche Reflexe bestätigen, dass Kellermeister Gasco seiner weißen Cuvée einen Hauch Rotwein hinzugefügt hat. Das Erstaunen über diesen ungewöhnlichen Rosé setzt sich dank seines festen, körperreichen Geschmacks am Gaumen fort.


Jahrgangs-Champagner Dom Pérignon Vintage 2002 Diese Luxus-Cuvée zeigt sich vom e­ rsten Schluck an in Hochform. Oh, diese Säure! Tatsächlich fährt dieser Mönch eine herz­ hafte Attacke auf den Gaumen. Auch wegen ­seiner ungewöhnlichen Kompo­sition: Besteht ein Dom Pérignon zumeist je zur Häfte aus Chardonnay und Pinot, über­wiegen hier die weißen Trauben. Kandierte Zitrone, inten­ sive Frucht, Mandeln, Säure und eine m ­ assive Struktur im Abgang. Ein großer, begeistern­ der Wein.

Champagne Moët & Chandon Grand Vintage Rosé 2002 Wie in den Jahren zuvor, ist auch dieser Vintage Rosé durch einen hohen Rot­ wein-Anteil geprägt – satte neunzehn Pro­ zent Pinot Noir runden den Geschmack ab: etwas Leder zum Auftakt, schwarze Johannis­beere, Gewürznoten wie M ­ uskat etwa, aber nur solcher von den indone­ sischen Inseln Ambon und Banda, die besonders markante ätherische Öle ent­ halten, und Blutorange im Abgang. Kann als A ­ peritif wie auch zum Essen geöffnet werden. Oder noch einige Jahre aufbe­ wahrt bleiben.

Champagne Veuve Clicquot Cave Privée Vintage 1990 Schon die Farbe ruft Erstaunen hervor, ein dunkles Ockergelb. Ein ausgefallener Wein, mehr als zwanzig Jahre alt, für die Liebhaber reifer Aromen. Ungewöhnlich warm war der Sommer des Jahres 1990 in der Champagne, und dies, verbunden mit einer guten Säure, findet sich hier im Glas wieder: getrocknete Früchte, Nüsse, etwas Aprikose.

Krug Rosé Auch die Familie Krug hatte einst etwas gegen den lange Zeit als Damen-Aperi­ tif abgestempelten Rosé: Erst Ende der ­1970-er Jahre entschlossen sich Henri und Rémi Krug dazu, gegen den Wider­ stand von Paul Krug II. das Steuer herumzu­ reißen. Der erste Krug Rosé erblickte 1985 das Licht der Öffentlichkeit. Schimmern­ des Rot bereitet auf den ausgewogenen Geschmack dunkler Früchte vor, danach folgt die Konfrontation mit einer impo­ santen Aromenpalette – wilder Kakao, wie ihn noch die Ureinwohner der mit­ telamerikanischen Tropen kennen, Hasel­ nüsse, Nelkenwurz, Nelkenzimt, Lakritze, Vanille, Mandeln, im Nachhall Assoziation von Curry und ein Hauch von Adstringenz.

Champagne Bollinger Grande Année 2002

Champagne Billecart Salmon Cuvée Nicolas François Billecart 1998

Champagne Moët & Chandon Grand Vintage 2002

Auch ein Jahrgang, der sich in guter Ver­ fassung präsentiert. Ein weiniger Cham­ pagner, herzhafte Frucht, Unterholz, gekochte Frucht, harmonisch, rund, ele­ gante Ausgewogenheit. Sechzig Prozent Pinot Noir, vierzig Prozent Chardonnay – der Pinot macht diesen Wein zu einem Champagner, den man gern zum Essen trinkt.

Erstaunlich: Moët & Chandon entschloss sich, den Jahrgang 2002 erst nach dem 2003-er in den Handel zu bringen. Ein Zugeständnis an die Natur: 2003 war ein sonnenreiches, eher untypisches Cham­ pagner­jahr, 2002 brachte dank des uner­ wartet guten Wetters vor der Ernte – nach viel Regen im Juli – extrem gesundes und reifes Traubengut mit viel Säure hervor. Kam also der 2003-er eher barock daher, so präsentiert sich Vintage 2002 dank fast fünfzig Prozent Chardonnay sehr trink­ freudig. Zitrus, weiße Früchte, Struktur.

Dom Pérignon Rosé Vintage 2000

Champagne Ruinart Dom Ruinart Rosé 1996

Alfred Gratien Cuvée Paradis Rosé

Das meiste an diesem Dom ist geheim, über die Assemblage wird spekuliert: etwa vier­ zig Prozent Chardonnay und s­ echzig Pro­ zent Pinot. Konzentrieren wir uns also auf das Glas: Kupferrote bis goldene Farbe, geröstete Haselnüsse, Mandeln, Erd­ beeren und Heidelbeeren in Alkohol. Keine Frage, ­dieser sinnliche Champagner lädt zu besinnlichen Debatten ein. Etwa über die nach dem Sinn des Hegelschen Satzes »Ein zerrissener Strumpf ist besser als ein geflickter. Nicht so das Selbstbewusstsein.« Wer dabei zu anderen Schluss­folgerungen kommen will als Martin H ­ eidegger in ­seinem Seminar in Le Thor 1968, sollte unbedingt zu diesem Dom als Inspira­ tionsquelle greifen.

Ruinart, die älteste aller Champagner­ firmen, gegründet 1729, präsentiert d ­ iesen großen Jahrgang. Der Rosé wartet mit einer raffinierten Assemblage auf: Fünfundacht­ zig Prozent Chardonnay aus der Côte de Blancs sowie aus der Montagne de Reims werden mit fünfzehn Prozent Pinot Noir assembliert. Ziegelrote Farbe, entwickel­ ter Duft, Noten von reifen und gekochten Früchten. Wer eine Flasche dieses kost­ baren Weines bei sich zu Hause hat, wird mit einer komplizierten Frage konfron­ tiert: Wann öffnen?

Über fünfzig Prozent Chardonnay domi­ nieren diese Cuvée, aber dies ist nicht unbe­ dingt das Entscheidende: Ausgebaut sind die Weine in kleinen gebrauchten Holz­ fässern (zweihundertfünf Liter Fassungs­ vermögen), unterbunden wird dabei die malolaktische Gärung. Frische rote Früchte und eine kräftige Säure: »Ein Reparatur­ wein«, erklärte ein Verkoster erfreut, und dies durfte nach achtundzwanzig Cham­ pagnern als großes Kompliment aufgefasst ­werden. In der Tat ist dies ein Wein, der seine wahren Qualitäten gerade nach einem langen Abend auszuspielen weiß.   >

»Die Idee der Cuvée Grande Année ist sehr einfach«, definiert der aus dem Elsass stam­ mende Bollinger-Kellermeister Mathieu Kauffmann: »Ich nehme die besten ­Trauben, Grands und Premiers Crus, von Bollinger, aber auch hinzugekaufte. Die Grundweine kommen in Fässer. Wir haben drei­tausend Zweihundertachtundzwanzig-Liter-­Fässer aus dem Burgund, viele über zwanzig Jahre alt. Die endgültige Cuvée besteht aus unge­ fähr siebzig Prozent Pinot Noir, der Rest ist Chardonnay.« So entsteht also der berühmte Bolly-Goût, der sich freilich bei diesem 2002-er eher zurückhaltend prä­ sentiert: Dezente rote Früchte, die eigent­ liche Kraft der Pinot-Traube versteckt sich. Noch – denn ­Diskretion scheint ein Kenn­ zeichen dieses Jahrgangs zu sein.

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enn wir an Parfüm denken, denken wir an K ­ örper. Es wird getragen wie eine zweite Haut und gehört so unmittelbar zu dem Menschen, der es ausgewählt und angewendet hat. Erst recht schöne Menschen sind ohne Parfüm kaum denkbar, denn zur Schönheit gehören nicht nur die Linien, die Stimme, die Bewegung, sondern auch der Duft, der seit Menschengedenken unterstützt wird durch das wundersame Hilfsmittel Parfüm.

Dabei ist Parfüm fast so ätherisch wie die Musik – noch so eine süchtig machende Kunst im Dienste des Schönen. Die Materie des Duftwassers allein sagt wenig über die Schönheit, die es hervorruft. Allein oder auf ein neutrales Subs­ trat, ein Löschpapier, aufgesprüht, duftet es möglicherweise aufregend genug, aber zu einem sensorischen Erlebnis wird es erst, wenn es auf die Haut aufgetragen wurde – auf eine ganz bestimmte Haut. So muss etwa keine Frau Angst haben, olfaktorisch verwechselbar zu sein, auch wenn sie das Pech haben sollte, bei einem Ball das gleiche Kleid zu tragen wie eine andere. Dasselbe Parfüm dagegen kann von beliebig vielen Damen getragen werden – die Ergebnisse von Shalimar, Jicky, und Opium sind, trotz der gleichbleibenden und unverkennbaren molekularen Substanz dieser berühmten Düfte, immer individuell. Wer möchte das missen? Aber Düfte sind, um sie zu genießen, nicht ausschließlich dem leibhaftigen Gebrauch vorbehalten. Sie können die Raumluft in einen ätherischen Kosmos verwandeln. Das ist allerdings nicht ganz einfach. Ein Aerosol, ein Gemisch aus Luft und mikroskopisch kleinen Tröpfchen, das ein Zerstäuber erzeugt, sinkt schnell zu Boden und wird damit wirkungslos. Es reicht auch nicht, eine Schale mit Rosenwasser zu füllen – es sei denn, man hätte zugleich einen Mechanismus, mit dem die duftenden Essenzen zu gleichmäßiger Verdunstung angehalten werden können. Da braucht es etwas, das die Chemiker einen Vektor nennen – ein Hilfsmittel, um Wirkstoffe an den Platz zu b ­ ringen, wohin sie gebracht werden sollen, in diesem Fall: überall hin. Zum Glück gibt es einen sehr einfachen Weg, Düfte in genau bemessener Menge in die Raumluft zu entlassen: mit Wärme. Anders gesagt: Das Parfüm der Wahl wird bei der Herstellung nicht zu kleiner Kerzen dem Wachs hinzu­gegeben – und schon haben wir einen idealen Vektor. ­Während das Wachs schmilzt, reicht die Randwärme der Kerzenflamme gerade aus, um genügend Parfüm-Moleküle in die Raumluft zu entlassen. Duftkerzen sind also viel mehr als nur Lichtspender, denn sie erlauben es jedem, der ihren Docht entzündet, olfaktorische Schönheit zu erzeugen. Erfunden wurde diese Methode zwei oder drei Jahrhunderte vor Christi Geburt, wahrscheinlich im unteren Niltal Ägyptens. Verwendet wurden die Vorläufer der heutigen Duftkerzen von schönen und vornehmen Damen im alten Ale­ xandria. Genau wissen wir es nicht, aber wir vermuten, dass erotische Motive dabei eine wichtige Rolle spielten. So hat Cleopatra ihr Boudoir zu einem unwiderstehlichen Ort der Verführung gemacht. Caesar konnte also möglicherweise gar nicht anders, als der Versuchung nachzugeben. Dies ist, zugegeben, reine Spekulation, doch die Ergebnisse, die mit Duftkerzen erzielt werden können, sind zweifellos spektakulär. Sparsam verwendet – das offene Geheimnis jedes Parfüms – können sie schlichte Wohnräume in ­Boudoirs verwandeln. Zum Beispiel mit Balenciagas luxuriösem Duft L’Essence. Aber auch ohne erotische Ambitionen wirkt damit jeder beliebige Raum ein wenig eleganter als ohne. Allerdings können Duftkerzen, leichtfertig verwendet, auch psychedelische Trips auslösen. In den wüsten frühen sieb­ ziger Jahren kam kein Jünger von Bhagwan Shree Rajneesh und ähnlichen Gurus ohne einen gehörigen Vorrat an Duftkerzen und Räucherstäbchen aus. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass Duftkerzen einen nicht unbedingt seriösen Ruf genießen und, bisher jedenfalls, im Mainstream der f­ einen Parfümerie nur ansatzweise angekommen sind. In Esoterik-Läden hingegen wird ein ein reiches Sortiment an parfümierten Kerzen und Teelichtern angeboten – von »blumig, frisch, fruchtig« über »süß & würzig« bis »Weihnachten«. Wollen wir damit das fragile Aroma unseres Darjeeling Second Flush befruchten? Doch wohl eher nicht.

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Ein wenig nobler kommen die Produkte daher, die in Wellness-Oasen oder in der Aromatherapie verwendet werden. ­Letztere wird gelegentlich – berechtigt oder nicht – als Unterabteilung der Esoterik angesehen. Das wird all denen herzlich egal sein, die sich mit dem Duft Glorioso der Votivo Dalian Collection aus dem cottageshop.de wohlfühlen. Doch auch, wer höhere Ansprüche stellt, muss nicht verzweifeln. Das Angebot ist allerdings überschaubar. Das liegt zum Teil daran, dass Coty und L’Oréal, zwei ­Giganten des weltweiten Parfümgeschäfts, nur wenige Produkte ­offerieren: L‘Essence ist zur Zeit die einzige Duftkerze bei Coty-Prestige, dem Premium-Segment des Coty-Konzerns; und L‘Oréal hat nur bei seiner Kernmarke Lancôme Duftkerzen im Sortiment. Wie in anderen Branchen auch lässt das Desinteresse der Großen genügend Raum für kreative und wachstums­hungrige Nischenanbieter. Herbert Frommen etwa, an den sich die Coty-Manager aus seiner Zeit als Chef ihres Wiesbadener Vorläufers Lancaster noch gut erinnern, hat mit zwei erfahrenen Parfümeuren in New York Neues angepackt. Förster & Johnson heißt die Marke, die Frommen über sein Unternehmen Toni Gard Fashion groß machen will. Deren Produkte werden exklusiv über die Douglas-Parfümerien vertrieben; mit dabei sind auch die sechs »scented candles«, die unter der Überschrift »It’s all about ...« Begriffe wie Surprise, Spa, Love, Confidence, Happiness und Serenity assoziieren. Alles positiv besetzte Bilder für Menschen, die ihren eigenen Geschmack kennen. Alle sechs – im zylindrischen Glas­körper mit silbrigem Untersetzer – strahlen schlichte Eleganz aus. Ohne solche Hüllen hätten die Benutzer wenig Freude an Duftkerzen: Ihren schönen Zweck können sie nur dann erfüllen, wenn das Wachs schmilzt, ohne sich zu verströmen. Ein wenig seltener sind die Duftkerzen von Diptyque und Rodial, zwei für Celebrities wie Kate Hudson, Lady Gaga und Natalie Portman derzeit unverzichtbare Marken aus Paris und London. Diptyque, zu finden am linken SeineUfer – 34, Boulevard St. Germain – ist berühmt für seine ­Kerzen mit ­Düften von Rosen, Weißdorn, Eisenkraut, Geißblatt, Zypressen, Geranien und vielen anderen reintönigen Sorten. Feigen- und Jasmindüfte werden auch angeboten – in gigantischen, antikisierenden Keramik-­Behältnissen für die Benutzung im Garten, auf der Terrasse oder im Labyrinth. Rodial ist als Marke nicht nur hip, sondern gehört auch zu den Firmen, die auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte Wert legen. Die Haupt­ingredienz ist Ellagsäure aus Granat­ äpfeln, ein Polyphenol, das auch in guten Rotweinen als Indikator für den Ausbau im neuen Eichenfass zu finden ist. Für die Duftkerzen Socialite (Zitrone, Apfel, Karamell), Lounge (Vanille und Karamell) und Rehab (Orange, Kokosnuss, ­Mandel, Tonka­bohne) muss niemand nach London fahren – es gibt sie bei Douglas. Auch die seriösen Naturkosmetik-Anbieter Aveda und Yves Rocher haben ein umfangreiches Sortiment an Duftkerzen zu bieten. Und Thomas Sabo, eine witzige und vor allem bei jungen Kundinnen sehr erfolgreiche Marke für Modeschmuck, betrachtet Duftkerzen als Line-Extension und wagt sich damit ins Parfüm-Geschäft vor. Abgeleitet vom Namen des Hauptprodukts, Charm, können sie gar nicht anders ­heißen als Charm Rose. Annick Goutal, ein kleines und ­feines Unternehmen der Taittinger-Gruppe, bietet ebenfalls elegante Duftkerzen an, die vor allem in den Filialen der Stadt­parfümerie Pieper in Nordrhein-Westfalen zu finden sind. Die wohl bekanntesten und teuersten Duftkerzen stammen von Molton Brown. Das Unternehmen ist modern mit Düften wie Night Tempest oder Golden Solstice, dessen Duft die Raumluft mit Noten von Bergamotte, Mandarinen, Pampelmusen, Neroliblüten und Johannisbeeren färbt. All das duftet, wie immer, am besten, wenn es nicht selbst gekauft, sondern ein Geschenk der Liebe ist. Das wird sich nicht immer machen lassen. Aber es kommt vor. Zumindest im Kino. Da sagt Jim Sturgess, aufstrebender HollywoodStar in der romantischen Komödie »Zwei an einem Tag« zu seiner Geliebten: »Ich würde Dir gern eine gehörige P ­ ortion Selbstbewusstsein schenken – oder eine Duftkerze.« >




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