FINE Ein Magazin für Wein und Genuss 2|2014

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Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner Mitarbeiter dieser Ausgabe Kristine Bäder, Till Ehrlich, Bernd Fritz, Stephan Reinhardt, Angelika Ricard-Wolf, Rainer Schäfer, Michael Schmidt, Christian Volbracht Fotografen Guido Bittner, Johannes Grau, Christof Herdt, Thilo Weimar Titel-Foto: Thilo Weimar Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Judith Völkel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Prinovis Ltd. & Co. KG  ·  Nürnberg Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal Jährlich im ausgesuchten Zeitschriftenhandel.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag h ­ aftet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

Verehrte Leserin, lieber Leser, war’s das? Schon? Manche von uns haben ja einen Bilder­buch-­Sonnensommer erlebt, mit allem, was dazugehört: Strandspaß, Wellenrauschen, Grillglück, Terrassen- und Balkonidylle. Die mögen sich nun auf einen stillen Herbst freuen, mit Erntedank, Laub­ geraschel und ein wenig Wehmut. Viele aber haben sich ganz anders durch die angeblich schönste, wo nicht kostbarste Jahreszeit gekämpft: An grauen, kühlen Tagen unter tiefhängenden Wolken sahen sie in nicht endenden Regenfluten die letzten Hoffnungspartikel auf verlässlich blauen Himmel und südliche Wärme fortschwemmen. Ob ein goldener Oktober wohl zum Ende alle beglückt? Sei’s drum. Ein Vergnügen mehr bietet sich dem Begünstigten, ein willkommener Trost dem Ge­prellten: Der Herbst schenkt allen, draußen im späten Licht, drinnen am prasselnden Kaminfeuer, die schönsten Gelegenheiten, gehaltvolle Flaschen zu öffnen – allein, zu zweit oder unter Freunden. In dieser Beilage geben wir zu erfreulichen Trinkgenüssen einige Anregungen. Dabei setzen wir auch auf Ihre Experimentierlust: Denn wenn wir einen ausführlich empfehlenden Blick auf den großen roten Italiener Tignanello ­werfen

(mitsamt einer Auflistung der besten Jahrgänge), dann wollen wir zugleich dazu ermuntern, sich auch einmal anderen herrlichen Toskanern – und nicht nur den »Supertuscans« – zuzuwenden. Wenn wir uns an den glutvollen roten Cuvées von Ômina Romana be­geistern, dem ambitionierten Weingut, das der deutsche Unternehmer Anton F. Börner im Latium nahe Rom mit hohen Investitionen aufgebaut hat, ­sollen Sie sich zugleich animiert fühlen, italienischen Weinen der südlichen Landeshälfte Ihr Interesse zuzuwenden. Gut ­Hermannsberg? Seine erlesenen ­Rieslinge stehen auch für andere tolle Kreszenzen von der Nahe. »Ein leerer Wein­keller ist wie eine weiße Leinwand«, sagt Xavier ­Thuizat, der junge Sommelier des neuen Pariser Luxushotels ­Peninsula, greift dann in die Palette ­seiner Kenntnis und bestückt ihn mit den fantastischsten Weinen der Welt. Zugleich aber überrascht er sich ­selber und seine Gäste mit immer neuen Entdeckungen. Machen Sie’s wie er: Überlassen Sie bei der Suche nach faszinierenden Weinen Ihrer Neugier das Kommando. Bei guter Wahl finden Sie in jeder Flasche das Beste eines ganzen Jahres! Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

6 Höhenflug an der Nahe 12 Revolution im Chianti 14 Überfluss in Paris 28 Opulenz in Flaschen 32 Whisky in Weinfässern 38 Zukunft im Latium 46 Lohn der Keuschheit Gut Hermannsberg

Vier Jahrzehnte Tignanello

Der Weinkeller des neuen Peninsula Hotels Luxus-Champagner

Feinster Single Malt von Glenmorangie Das Weingut Ômina Romana Die Hopfenblüte

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» Unser Geschäftspartner ist heute der liebe Gott« Der ehemalige Finanzinvestor Jens Reidel und seine Ehefrau Christine Dinse haben mit Gut Hermannsberg an der Nahe einen Neustart gewagt – und die Langsamkeit entdeckt Von Christian Volbracht Fotos Christof Herdt

Die Königlich-Preußische Weinbau­domäne Niederhausen-­ Schlossböckelheim ist nach einhundertelf Jahren als Gut ­Hermannsberg wieder an der Spitze, ein kometen­hafter Aufstieg nach ­Jahren ­mäßiger Erfolge. Was sind die ­Erfahrungen der neuen Eigen­tümer, des ehe­maligen Finanz­investors Jens Reidel und seiner Ehefrau, der promovierten Sport­wissen­ schaftlerin Christine Dinse? Sie er­zählen, wie sich ihre Lebensumstände ebenso tiefgreifend gewandelt haben wie die des traditionsreichen Weinguts an der Nahe.

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ie schuppige, flach gebogene Kupferhaube des neuen Kelter­gebäudes leuchtet den g­ anzen Tag über dem Nahetal: mit sanftem Schimmer am Vormittag, wenn der Nebel die s­ teilen Rebenhänge hinauf kriecht, voller Glanz in der Abendsonne und bis in die Nacht wie ein strahlen­des Kunst­ objekt im Licht der Scheinwerfer. ­Christine Dinse und Jens R ­ eidel sind aus Luzern nach Niedernhausen gekommen, zum Beginn der Ernte ihres sechsten Jahrgangs und zur Besprechung mit den Mitarbeitern. Die beiden übernahmen das Gut im Jahr 2009, nachdem sie ihre Vergangenheit »gekappt« haben, wie Jens Reidel sagt. Er gab seine Position als Chairman des europäischen Finanz­investors BC Partners auf, Christine Dinse ihr Engage­ment in der Sportbranche als Geschäftsführerin von Golf B ­ ioDynamics. Über das Golfspiel hatten sich


der gebürtige Frankfurter und seine Frau, die aus Torgelow zwischen Uckermark und Ostseeküste stammt, kennengelernt. Jetzt ­wollen wir ­wissen: Wie eignet man sich ein Weingut wirklich an? »Man lässt sich adoptieren, kann richtig heiraten, rein­geboren werden oder es eben kaufen«, sagt Jens Reidel. »Wir sind Quereinsteiger, das ist in Deutschland noch kein sehr geprüftes Modell der Aneignung.« Es gab auch andere Alternativen, aber beide wollten kein Weingut in der Toskana, in Frankreich oder Ungarn, sondern in Deutschland, in einer Region, in der Jens Reidel einen Teil seiner Jugend verbrachte, bevor er als Diplom-­Kaufmann zunächst zu Beiersdorf nach Hamburg ging und dann zum Miterfinder von P ­ rivate Equity wurde. »Ich war hier in der Nähe im Internat, über den Berg in Meisenheim.« Christine Dinse ar­beitete früher in Berlin als Lehrerin. Später widmete

sie sich dem Thema Golftraining, legte 2008 in ­ amburg noch eine sportwissenschaftliche Disser­ H tation über Golf-Fitnesstraining vor.

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an sieht es der Fünfzigerin und ihrem dreiundsechzigjährigen Ehemann an, dass in ihrem Leben Fitness, Wandern und Golf eine wichtige Rolle spielen, auch wenn es ihnen jetzt vorwiegend um die Performance ihres Weinguts geht. »Was uns beide eng ver­bindet, ist eine große Nähe zur Natur«, sagt C ­ hristine Dinse. »Wir ver­bringen unendlich viel Zeit ­draußen, mit Ruck­säcken und mit Wanderschuhen und ein­fachen Übernachtungen.« Vom »Familyoffice« in Luzern aus ­steuert Reidel als »Business Angel« noch mehrere ­kleinere Unternehmen, an denen er die Mehrheit besitzt, die operativ aber von j­ungen Leuten geführt ­werden: Neben einem Beratungsunternehmen

zur Energieoptimierung steht da eine Firma in Österreich für Sportmarketing, die Prominenten­ werbung mit den Rechten an Franz Beckenbauer oder Maria Riesch betreibt. Über die EckenrothStiftung beteiligt er sich an der ­Förderung junger Schreib­begabungen. »Das ist die e­ inzige derartige Talentförderung im Land der Dichter und Denker!« Doch meistens und sogar beim Wandern in zweitausend Meter Höhe geht es um das Weingut, das einen immer größeren und am Anfang gänzlich unterschätzten Zeitaufwand erfordert. »Das ist der sechste Jahrgang, den wir jetzt hier einfahren«, sagt Jens Reidel. »Und das kostet schon erheblich mehr Zeit, als wir ursprünglich gedacht haben. Es ist auch emotionaler ge­worden, mit mehr Herzblut drin.« Christine Dinse sagt: »Etwa eine Woche pro Monat sind wir mit dem Weingut beschäftigt, ­Tendenz steigend.«

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Ein Juwel zum Ruhm des Nahe-Rieslings: Weithin sichtbar leuchtet das Kupferdach des neuen Keller­ gebäudes von Gut Hermannsberg. Kellermeister Karsten Peter beeindruckt mit ausdrucksstarken und lagentypischen Rieslingen. Nach dem Kauf waren sich beide schnell einig, dass im Z ­ entrum der Außen­darstellung von Hermanns­berg immer die Geschichte der ehe­ maligen Preußischen Domäne stehen musste. Sie wurde 1902 gegründet, Strafgefangene ­schichteten die Weinberge unter der Aufsicht preußischer Beamter auf dem Gelände einer ehe­maligen Kupfer­grube auf. Paul von Hindenburg war zu Gast, Konrad Adenauer schon im Jahr 1922. ­Später bekam der Adler auf dem Etikett ein Hakenkreuz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gut zum häufigen Treffpunkt von Prominenten und ­Politikern, Bundes­präsident Theodor Heuss kam zur Weinprobe. Schließlich folgte ein Abstieg in die Zweitklassigkeit, dann die Privatisierung und nun der Neustart. Die Geschichte des Weinguts sollte zunächst ein Doktorand von der Uni aufschreiben, erinnert sich Christine Dinse. »Aber dann kamen wir auf die Idee, es wäre schlau, das selbst zu machen. So waren wir gezwungen, uns von Anfang an mit dem Gut zu befassen, um die Geschichte seit seiner

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Gründung zu erzählen.« Es wurden Dokumente gesammelt, es erging ein Aufruf an die Bevölkerung, sich mit Fotos, Erinnerungs­stücken und Anekdoten zu beteiligen »Wir haben gesagt, das ist euer Weingut hier.« Das Ergebnis ist ein faszinierender Band mit vielen Bildern und Berichten von Zeitzeugen über mehr als hundert Jahre deutsche »Geschichte der königlich-­preußischen Riesling­domäne Gut Hermannsberg«, der im Eigenverlag erschienen ist. Für das Weingut stand von Anfang an fest: Riesling, nur Riesling in bester Qualität. Für beide war es der »größte Glücksfall«, den Pfälzer ­Karsten Peter als Weinmacher gefunden zu haben, der nun mit den sechs Einzellagen Kupfergrube, Hermanns­ berg, Steinberg, Rotenberg, Kertz und Bastei seine Vor­stellungen von individuellen und lagentypischen Rieslingen b ­ ester Qualität verwirklichen kann. Die Böden der Spitzen­lagen mit vulkanischem Eruptivgestein und Schiefer sind ganz unterschiedlich und ideal für Riesling. »Wir haben die Rotweine weggehauen, auch andere weiße Trauben­sorten, und einige Flächen stillgelegt, sodass von dreißig ­Hektar,

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die wir haben, nur zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig in Ertrag stehen«, sagt Jens Reidel. »Das war eine bewusste Ent­scheidung. Wir sagten: Wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist ja ein Neustart.«

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um neuen Marketingauftritt gehören das kupferfarbene Etikett mit dem preußischen Adler und die Namenswahl nach der Monopollage Hermannsberg – mit Verweis auf die vor­ malige Domäne. »Hermann – the German« könne auch international jeder aussprechen, sagt Reidel. »Das ist ja nun mal unsere Geschichte, es ist ein preußisches Weingut, der Adler hängt ja auch im Bundes­tag – und ist das Symbol des VDP.« Das Gut gehörte 1910 zu den Gründungsmitgliedern des Prädikatsweingüter-Verbandes. Eine tiefe Zäsur gab es auch bei den Kunden. »In unserer Stunde Null trennten wir uns von den meisten«, sagt Reidel. »Das war im Nach­hinein mutig, aber richtig. Es gab große K ­ etten, die mit vierzig- bis fünfzigtausend Flaschen beliefert worden waren, da haben wir gesagt: Tut uns leid.« ­Christine Dinse: »Im Tal haben sie sich gefragt, wie lange das wohl gut geht?« Es ging gut, auch wenn manche Besucher enttäuscht sind, dass sie keine anderen Rebsorten mehr kaufen können. »Wir können hier R ­ iesling von Weltklasse machen«, sagt Jens ­Reidel, »aber bei den Roten allenfalls einen ›leckeren‹ Wein.« Die erzeugten Mengen gingen zurück, weil s­ trenger selektiert wurde, aber die Nachfrage steigt. Beim Export sei man in Österreich und den Vereinigten Staaten, in Holland und Skandinavien ganz gut aufgestellt, sagt Reidel, der zusammen mit Christine Dinse auf Messen und bei der Suche nach neuen Vertriebspartnern viel unterwegs ist. »Es gibt natürlich einen ­starken Verdrängungswettbewerb«, sagt er. »Wenn du irgendwo rein willst, musst du jemand anderen raus­schmeißen. Deutschland hat nicht darauf gewartet, dass hier ein neues Gut


Hermannsberg entsteht.« Zumal man die Preise alten Beamtenhaus des Gutes den geschwungenen sofort nach dem Niveau a­ nderer Spitzen­rieslinge Jugendstilgiebel originalgetreu nachgebaut. »Das aus Deutschland ausrichtete. »Das gab durchaus hat was mit Gefühl zu tun, das ist so ein­malig, das Ärger bei der Bevölkerung, aber es war richtig«, will man erhalten.« sagt Reidel. »Es ist immer schwieriger, sich hoch zu Der Nachholbedarf der neuen Besitzer beim argumentieren. Und wir haben ja schon die Quali­ Einstieg in das Gut war erheblich. Jens Reidel hat tät. Schließlich sind wir die e­ inzigen, deren Guts- sich seit jeher für Wein und seine Kultur­geschichte und Ortsweine ausschließlich aus Großen Lagen interessiert. »Ich hatte früher mehr Rot als Weiß stammen.« im Keller, viel aus Italien und Frankreich, auch Burgund, aber irgendwann bin ich mehr und mehr auf ber sein finanzielles Engagement äußert sich Riesling umgestiegen«, sagt er. Er erinnert sich an Jens Reidel nur zurückhaltend. »Zahlen gibt Jugendsünden: »Meinen ersten Riesling habe ich es, aber davon sprechen wir eigentlich nicht«, sagt wahrscheinlich mit zwölf ­Jahren ge­trunken.« Mit er. »Wir leben ja auch hier in einer Gemeinschaft, vierzehn habe er sich eines Tages mit Freunden aus die nicht von den Bankenhochhäusern in Frank- dem Internat abgesetzt und so viel Feder­weißen furt geprägt, sondern ländlich ist.« Man habe stark getrunken, dass ihn seine Kumpel zurücktragen investiert und viel Geld für die Renovierungen aus- mussten. »Aber danach bin auch niemals wieder gegeben, »da muss man nicht auch noch mit den wirklich betrunken gewesen, das hat mich geheilt.« Zahlen provozieren.« »Wir sind hier nicht angetreten, um unsere ür Christine Dinse war der Weg zum Wein Altersversorgung zu sichern«, sagt der Finanz­ länger. »Ich habe ja mein Leben lang viel experte. »Wenn Sie wollen, dass sich Ihre Investi­ Leistungs­sport gemacht, und mein Körper verträgt tionen in zwanzig Jahren wieder amortisiert haben, Alkohol eigentlich nur in sehr geringen M ­ engen. dann sollten Sie kein Weingut kaufen. Unsere Zielsetzung ist, dass sich das Weingut in naher Zukunft operativ trägt, also auch Gewinne erwirtschaftet, die reinvestiert w ­ erden können.« Wie schwierig es ist, das Weingut in die schwarzen Zahlen zu bringen, kann man sich leicht ausrechnen: Beim Verkauf von jährlich ein­hundert­ zehn­tausend Flaschen liegt der Umsatz über einer Million. Große Gewächse kosten über 30 Euro, der Gutswein 8 Euro 50. Aber es sind vierzehn Beschäftigte zu bezahlen, mithelfende Familienangehörige wie bei anderen Weingütern gibt es nicht. In den Steillagen des Gutes wird alles von Hand gemacht, sie erlauben kaum maschinelle Unterstützung. Die Investitionen in Grund und Boden und in die alten Gebäude seien etwas ganz anderes, meint Reidel. So habe man ganz ohne Not am

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Ich trinke sehr gern ein Glas Wein, da genieße ich dann jeden Milliliter. Ich bin nicht der Zechertyp.« Und fast entschuldigend fügt sie hinzu: »Ich glaube auch nicht, dass man, wenn man ein Weingut ­führen will, ein großer Trinker sein muss.« Im Gut Hermannsberg haben beide viel dazugelernt. Jens ­Reidel sagt: »Natürlich verkoste ich Riesling heute ganz anders, habe ganz andere Erlebnisse und Beurteilungen als vor sechs J­ahren.« Doch das Weinmachen bleibt ganz allein Sache von Karsten Peter. »Wir sind uns in der Grund­ philosophie einig«, sagt Reidel, »wir möchten diese Weinberge zum Leben erwecken, aus ­diesen sehr unterschiedlichen Lagen, die wir haben, authen­ tische Weine erzeugen. Wir probieren, kommentieren, aber wir würden ihm nicht reinreden. Das ist ähnlich wie beim Fußball. Man soll dem T ­ rainer nicht reinreden.« Zu den lehrreichen und teilweise auch schmerzlichen Erfahrungen gehörte das ­Scheitern der Absicht, das gesamte Team mit viel Eigen­ verantwortung auszustatten und »an l­anger Leine zu führen«, sagt Christine Dinse. Man habe

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Mit­arbeitern Verantwortung übertragen, die dann die Erwartungen nicht erfüllen konnten. »Bei der Personalsauswahl haben wir am meisten Federn gelassen.« Was würde Jens Reidel seinen ehemaligen Kollegen aus der Finanzbrache heute über sein neues Leben erzählen? »Die Uhren ticken anders. Aktienkurse lesen sich anders als Wetter­berichte. Man hat ganz andere Beziehungen. Ich sage immer scherzhaft: Mein Geschäftspartner ist der liebe Gott. Alles ist ein bisschen ruhiger, ein bisschen besinnlicher, etwas, wonach eigentlich jeder in der Welt irgendwie eine Sehnsucht hat.« Es ist nicht mehr diese Hektik: »Das ganze Außenrum, ­dieses Wachstum dieser Trauben, die Entwicklung der Weinberge, alles zieht dich erst mal ­runter. Und du merkst, man lebt ja trotzdem, und es geht einem trotzdem gut.« Christine Dinse ergänzt nachdenklich: »Es ist ja die Frage, ob das Weingut dazu geführt hat, dass man mehr ge­erdet wird, dass man mehr runter­kommt, oder ob es nicht unbewusst der Wunsch war, mit diesem Investment dahin zurückzukommen, wo man eine latente Sehnsucht spürte.« 10

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Nach seiner Laufbahn als Finanzinvestor sieht un ist das Vergangenheit. Jens Reidel erzählt, sich Jens Reidel jedoch keineswegs von dem Bedürfwie er vor kurzem in einem Café in Franknis getrieben, sein Image aufbessern zu ­wollen oder furt saß und dachte: »Ich bin so froh, dass ich nicht gar zu müssen. »Privat Equity ist nichts anderes, mehr zu diesen ganzen grau gekleideten, smart gelals das Geld von ­großen Finanz­institutionen in gestylten Schlipsträgern gehöre, die alle ganz wichnicht börsennotierte Unternehmen zu inves­tieren«, tige Gesichter machen. Aber ich bedauere es nicht, erklärt er. 1999 hatte ihn der SPD-Politiker Franz diese Erfahrung gemacht zu haben, etwas ­kreiert ­Müntefering als »­Heuschrecke« beschimpft, nach- zu haben.« Aber dann sei die Zeit gekommen, sich dem BC ­Partners beim Armaturen-­Hersteller neu auszurichten und gemeinsam etwas Neues Grohe ein­gestiegen war. Das war im Wahlkampf zu machen, »solange wir noch jung genug sind.« in Nordrhein-­Westfalen und sei »genial« von Christine Dinse ist zu Recht stolz, sich als Wein-­ ­Müntefering ausgeschlachtet w ­ orden, aber »erstun- Historikerin neu erfunden zu haben, freut sich über ken und er­logen« ge­wesen, sagt R ­ eidel: »Wir haben das elementare Gefühl, hier am Boden zu sein. Grohe in fünf Jahren zum profi­tabelsten Sanitär­ Einige Fragen für die künftige Strategie sind unter­nehmen der Welt gemacht, in Deutschland noch offen. Diplom-­Kaufmann Reidel, der seine maximal fünfzig Arbeitsplätze abgebaut und den Erfahrungen mit Marken­produkten beim NiveaUnter­nehmens­bereich in Ostdeutschland trotz Konzern Beiersdorf in Hamburg gemacht hat, Ver­lusten erhalten. Es war teilweise ­bitter, so vor­ beschäftigt auch der »inhärente Widerspruch« zwigeführt zu werden, aber damit war ich schon damals schen Markenauftritt und dem ­Produkt Wein. »Wir ganz gut f­ ertig ge­worden.« Es habe viel Unwissen- wollen eigentlich Hermannsberg zu einer Marke heit darüber gegeben, wie Private Equity mit dem machen. Zu einer Marke gehört vor allen ­Dingen Geld von Staatsfonds und Ver­sicherungen arbeitet auch die Reproduzierbarkeit und die g­ leiche und weltweit eine wichtige Rolle spielt. ­Qualität, was aber im Wein per se nicht möglich

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Das neubelebte Gut Hermannsberg kommt nicht nur aus dem morgendlichen Nebeldunst ans Licht, auch seine Weine erstrahlen in neuem Glanz. Vergangenheit: Alte Kontobücher, Erinnerungen an das Straf­gefangenen­lager, Fotos von H ­ indenburg, Heuss oder Helmut Kohl und François M ­ itterrand. Das Gästehaus und der kleine Saal bieten sich für geschäftliche Treffen an. Es soll kein Kongress­ zentrum Nahetal werden, aber doch ein Gesprächszentrum, für Kundentreffen und Veranstaltungen. Neue Möglichkeiten bietet der Ankauf eines ehe­ maligen Restau­rants an der Nahe, in dem zunächst Saisonkräfte untergebracht werden sollen. Man habe Zeit, sagt Jens Reidel auf Hessisch: »Eins nach ’m annern.« Und die langfristige Zukunft? »Wir haben ein Staffelholz in die Hände bekommen«, sagt ­Reidel, in vier- oder fünf­hundert Jahren werde hier immer noch Wein angebaut. »Das wird Bestand haben, während in der Welt, aus der ich komme, alles hektischer, schnelllebiger ist.« Hier komme einem das Wort Demut schnell über die Lippen. »Wenn hier morgen ein Hagelschauer drüber geht, dann ist ein ganzer Jahrgang zerstört, aber man macht trotzdem weiter.« Jens Reidel hofft im Stillen, dass vielleicht eines seiner K ­ inder aus zwei Ehen einmal übernimmt. Bei einem seiner Söhne wachse das Weininteresse. ist. Wenn man es dennoch möglich macht, ist die »Der Betrieb soll ja auch noch in ­dreißig oder vierQualität ganz unten. Wie kriegt man eine Marke zig ­Jahren bestehen«, sagt er. Und der Unter­nehmer hin für ein Produkt, das sich s­ tändig ver­ändert?« Reidel ist ehr­geizig, sucht den Erfolg: »Was hier ist, soll die Früchte t­ ragen, die es t­ ragen kann, soll nicht ut Hermannsberg soll authentisch, nach­ nur ein Topgut an der Nahe sein, ­sondern für ganz vollziehbar, bodenständig und be­scheiden Deutschland.« 2013 erkor der Wein­führer Gault sein, wünscht sich Christine Dinse. »Wir w ­ ollen Millau das Gut zum Aufsteiger des ­Jahres. ­Karsten behutsam wachsen, keine große Werbung machen.« Peter macht seit dem Jahrgang 2010 mit ­seinen Das sei eine bewusste Entscheidung: »Die k­ ommen »­wilden« ­Großen Gewächsen Furore, die vor der schon.« Das Gästehaus des Gutes mit seinen zehn Gärung nicht mehr geklärt ­werden und dadurch modern eingerichteten Zimmern neben dem besonders ausdrucksstark sind. Kupfer­dach des Keller­gebäudes ist oft Wochen im voraus ausgebucht, ohne jede ­Werbung. »Wir ugh Johnson hatte das Gut in den 1970er ­wollen eigentlich so eine Art Geheimtipp ­bleiben, Jahren als das vielleicht beste Weingut ein bestimmtes Publikum hier rein­holen, das es Deutschlands gelobt. Reidel sagt: »Wir wollen ja wertschätzen kann«. Die Betonung liegt auf Lang- nicht anmaßend sein oder überheblich, s­ ondern samkeit. Die Nahe ist unter Weinfreaks ganz denken, das war es mal, warum können wir da nicht bekannt, aber hier kommen die Leute nicht wie wieder hinkommen? Wir sind auf dem guten Weg, an der Weinstraße mit Bussen vorbei – und wenn, aber es ist sehr, sehr viel Arbeit und Einsatz. Was dann fahren sich manche Busse schon mal auf einer mal war, das können wir wieder erreichen. Das engen Brücke fest. braucht Zeit, aber ich kann sagen, dass wir, was Im Hauptgebäude wurde der kleine Hinden­ die Weine betrifft, nach den Reaktionen von außen burg-­ Saal modern restauriert, die L ­ ampen sicher weiter sind, als wir es vor fünf, sechs Jahren im Kupfer­ton, in Glas­vitrinen Fotos aus der erwartet haben.«  >

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er Weg zum Weinberg des Tignanello führt direkt ins historische Herz der Toskana, das Chianti Classico, ­dreißig Kilometer südlich von Florenz. Eine Zeit lang

fährt man über einen Bergrücken durch Olivenhaine, ab und an ist ein einsam gelegenes Haus zu sehen, Steineichen, Zypressen. Nach einer Kurve öffnet sich der Blick auf ein markantes Landschaftsbild mit einem noblen Anwesen: die Tenuta Tignanello. Eingebettet in sanfte Hügel mit Weinbergen und Wald, Pinien und Zypressen.

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ie Rebreihen des Tignanello berühren fast den Weg, fliehen hinunter in eine Senke und steigen auf der anderen Seite majestätisch auf knapp vierhundert Meter an. Die weißen Linien der Albarese-Marmorbrocken am Fuß der Weinstöcke zeichnen ein prägnantes Muster in die toskanische Landschaft. Sie flirren von weitem im Licht, durchziehen den Weinberg skelettartig und ver­ leihen ihm eine geometrische Anmutung. Tritt man näher, löst sich das Strenge auf. Seit Jahrhunderten ist der Vigneto T ­ ignanello eine geschätzte Spitzenlage. Der Hang des Hügels neigt sich nach Süden und Südwesten. Da er rundum mit Reben bestockt ist, gibt es


Der Tignanello

hat den Namen

An t i n or i in die Welt getragen Vor vierzig Jahren revolutionierte Marchese Piero Antinori mit einem einzigen kühnen Wurf den italienischen Weinbau Von Till Ehrlich Fotos Thilo Weimar

viele Ausrichtungen zur Sonne hin. Die Vielfalt Trauben erzeugt, die hier wachsen. Das sind etwa der f­ einen Unterschiede gelangt in diesem Wein achtzig Prozent Sangiovese, fünfzehn Prozent als Komplexität zum Ausdruck. Hinzu kommen Cabernet Sauvignon und fünf Prozent Cabernet rund sechzig Meter Höhenunterschied zwischen Franc. Daraus wird später die Cuvée des Tignanello Hangfuß und -spitze. Da der Tignanello in drei- komponiert, die jedes Jahr ein wenig anders ausfällt. hundertzwanzig bis dreihundert­achtzig Metern Jeder Jahrgang hat ein eigenes Gesicht. Höhe situiert ist, gibt es ein Spiel zwischen Kühle Der Tignanello war und ist mehr als ein und Wärme, das sich auf die ­Aromatik und Struk- ­großer Wein. Er hat die Tradition erneuert, mit tur des Weins auswirkt. ihm beginnt die Moderne des Spitzenweinbaus Die insgesamt siebenundfünfzig Hektar sind in ­Italien. Er hat nicht nur unzählige Nachahmer in vierundzwanzig Parzellen aufgeteilt, die jede gefunden, sondern vor allem auch einen neuen für sich geerntet und ausgebaut werden. So kann Zugang zur Tradition des Weinmachens eröffnet: der Charakter jeder Parzelle im Tignanello zur Mit ihm hat sich die Vorstellung, was ein Rotwein ­Wirkung kommen. Er wird ausschließlich aus aus Italien und insbesondere der Toskana sein kann,

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zu dreißig Prozent Weißwein der Sorte T ­ rebbiano, was zu hellen, dünnen Weinen führte. Also reiste der Marchese in die berühmtesten Wein­regionen der Welt, um die Geheimnisse ihrer Erfolge zu ­studieren. Bahnbrechend war für ihn die Begegnung mit dem Önologen Émile Peynaud (1912 bis 2004) aus Bordeaux, einem der einflussreichsten Experten auf dem Gebiet der Weinherstellung im 20. Jahrhundert. Der Marchese konnte P ­ eynaud für mehrere Jahre als Berater und Impulsgeber des weinbaulichen Wandels im Hause Antinori gewinnen. Die entscheidenden Veränderungen aber steuerte der kreative Önologe Giacomo Tachis (Jahrgang 1933) gemeinsam mit Marchese Piero bei. Tachis, der aus dem norditalienischen Piemont kam, trat schon 1961 als junger Önologe in das Unternehmen Antinori ein. Er besaß die Passion und Hingabe, die toskanische Weinidentität nicht nur zu verstehen, sondern auch zu lieben. Dazu gehörte der Umgang mit der anspruchsvollen und schwierigen Sorte Sangiovese.

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achis überzeugte Marchese Antinori, sich von der erstarrten Tradition der Weinbereitung wegzubewegen und sich modernen weinbaulichen Methoden zu öffnen. Zunächst reduzierten sie den Ertrag, was nicht nur zu komplexeren, hoch­wertigeren Trauben führte. Der Sangiovese konnte so auch besser ausreifen, was seine Säure reduzierte und die Aromatik erhöhte. Sie ver­ zichteten schrittweise auf weiße Trauben, und vermählten den ­Sangiovese mit dem Cabernet. Nicht nur im ­Chianti Classico, in ganz ­Italien war dies ein Novum. Das Experimentieren im Sinne einer lebendigen Agrikultur hat in der Familie ­Antinori eine lange Tradition. So waren schon in der ­ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchsweise ­Cabernet-Sauvignon-Reben im ­Vigneto ­Tignanello gepflanzt worden. Daran wurde angeknüpft. Die Herausforderung war, französische Reb­ sorten mit dem heimischen Sangiovese so in Einklang zu bringen, dass die toskanische Wein­ identität nicht verloren ging, sondern gestärkt Wohlgestalt und schnurgerade steigen die Rebzeilen den Hang hinan, den wurde. Da­rüber hinaus setzte Tachis auf französische ­Barriques, mit deren Verwendung er in ­Italien Vigneto Tignanello. Die weißen Linien der Albarese-Marmor-Brocken absolutes Neuland betrat. Ihr richtiger Einsatz am Fuß der Weinstöcke zeichnen ein prägnantes Muster in die toskanische erfordert sehr viel Erfahrung und FingerspitzenLandschaft. In der Tenuta genießt Marchese Piero Antinori sein Werk. gefühl. Die Meisterschaft besteht darin, dass die Aromen des Holzes nicht die des ­Weines m ­ askieren. geweitet. Sowohl in geschmacklicher als auch in wieviel Mut und Veränderungswillen es damals Der ­Tignanello war der erste italienische Wein, önologischer Hinsicht: indem er den heimischen brauchte, einen Wein wie den Tignanello zu bei dem es gelang, ihn nicht nach Kleiderschrank Sangiovese, die bedeutendste Rebsorte Italiens, neu ­kreieren. Als Marchese Piero 1966 die Führung des schmecken zu ­lassen. Dies wurde erreicht, indem interpretiert hat. Familienunternehmens von seinem Vater M ­ archese die malo­laktische Gärung – eine zweite FermenNiccolò übertragen wurde, befand sich der italie- tation, bei der die Säure des Weins umge­wandelt ie Geschichte des Tignanello wird oft als nische Wein und auch der Chianti Classico in der wird – bei einem italienischen Rotwein erstmals Revolution dargestellt, als genialer Wurf Krise. Qualität, Reputation und Preise der Weine gezielt durchgeführt wurde. Entscheidend war, dass des Marchese Piero Antinori und seines Chef-­ waren niedrig. Der Marchese spürte die Verantwor- dies in den ­Barriques geschah. Auch fand Tachis Önologen Giacomo Tachis. Dabei dürfte es sich tung, diese Entwicklung nicht sich selbst zu über- im Laufe der Jahre heraus, dass es auf die richtige eher um einen sorgfältig durchdachten und ange- lassen, sondern sie wieder in die richtige Spur zu Mischung aus neuen und gebrauchten Barriques bahnten Wandel gehandelt haben. Man muss sich bringen. Die Frage war nur: wie. ankam. die Situation des italienischen Weinbaus und der Die traditionelle Weinherstellung in der Resultat dieser Neuerungen war eine spürbar Traditionen im Chianti-Gebiet in den späten ­Toskana bot kaum Anknüpfungspunkte. Viele höhere Komplexität und eine feinere und har1960er Jahren vergegenwärtigen, um zu verstehen, Weingüter mischten ihren Chianti Classico mit bis monischere Struktur des Geschmacks, die nun

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statt Rauheit das ganze sensorische Spektrum des mit internationalen Rebsorten ver­bindet und bis Sangio­vese zum Vorschein brachte. Der Cabernet heute nicht Chianti Classico heißen darf, ver­körpert entpuppte sich als kongenialer Partner, der den das Wesen des Chianti ­Classico purer als zahllose Sangio­vese nicht verfälschte, sondern die Deli- regelkonform produzierte. Weder biedert sich der katesse seiner Frucht pur und prägnant betonte. Tignanello einem inter­nationalen Geschmack an Der erste Jahrgang dieses Weins, 1970, wurde noch bedient er Trends. Seine ­Toscanità, der Geist noch als Chianti Classico Riserva deklariert, dann toskanischer Kultur und toskanischen Geschmacks, wurde ihm der Status entzogen. Beim Folgejahr- setzt sich auch stilistisch durch. gang 1971 stand erstmals Tignanello in großen Lettern auf dem Etikett. Er galt nun als Tafelwein. ber die Komposition des Tignanello ist viel Denn die traditionelle Weinerzeugung wurde vom geschrieben und diskutiert worden. Doch ­Consorzio del Vino Chianti Classico Gallo Nero die prozentuale Zusammensetzung der Rebsorten gehütet, das auch die für Cuvées zugelassenen Reb- sagt wenig darüber, was dieses Gewächs ausmacht. sorten vorschrieb. Wesentlicher ist der Ort, an dem der Tignanello Danach hatte der einheimische Sangiovese den wächst. Er ist es, dessen Kraft und Eigenart dem Hauptanteil zu bilden neben Zusätzen der roten Wein eine Identität geben. Die französischen RebSorten Canaiolo, Mammolo und der weißen Sorte sorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc Trebbiano. Die Vorschrift ging auf einen Gedan- entwickeln hier in der Synthese mit Sangiovese ken des Agronomen Cosimo Trinci zurück, der einen Charakter, den man weder aus Bordeaux 1738 empfohlen hatte, den rauen Sangiovese mit gefälligeren Sorten weicher zu machen. Diese Idee wurde 1840 von dem italienischen Staatsmann und Chianti-­Winzer Baron Bettino R ­ icasoli (1809 bis 1880) zu jener Chianti-Formel entwickelt, die fortan als ehernes Gesetz galt: Der Q ­ ualität sei die Zugabe von Weißwein zuträglich. Er diente damit quasi als „Weichmacher”, mit dem sich nebenbei auch noch die Quantität erhöhen ließe, da ­Trebbiano höhere Erträge liefern kann als die roten Sorten. Doch Marchese Piero Antinori erkannte, dass es nicht am Sangiovese lag, der die Weine oft so rau und hart werden ließ, sondern am falschen Umgang mit der Sorte. Der Tignanello hat natürlich die Begrenztheit der Herkunftsregel des Chianti Classico aufgezeigt. Er wurde rasch ein weltweiter Erfolg und als erster Supertoskaner gefeiert. Heute ist er ein Wein der Indicazione Geografica Tipica, ein IGT-Wein. Ausgerechnet ein Wein, der den heimischen Sangiovese

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noch von anderswo her kennt. Das kann man an den vibrierenden, lebendigen Tanninen sinnlich erfahren. Dieser Wein explodiert nicht im Mund, er geht auch nicht effekthascherisch in die Breite. Mit Grip und Frische entwickelt er sich am Gaumen. Wirkt dabei weder übertrieben noch dominant. Seine feinnervige Intensität hält er von Anfang bis Ende. Er wahrt sein vertikales Geschmacksbild, dessen Struktur eine köstliche und sinnliche Aromatik entfaltet: fest, aber nicht hart, vital aber nicht rau. Intensiv und frisch, aber nicht schwer. Komplex, aber nicht kompliziert. Einer, der den Liebhaber weder ermüdet noch überfordert und sich wunderbar trinken lässt. Jeder Jahrgang hat seine eigene Identität. Man kann ihn mit Freude schon in der Jugend genießen, aber die besten Jahrgänge können Jahrzehnte in der Flasche reifen. Der T ­ ignanello ist auch im Alter frisch.

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ist. Heute trifft man hier Paolo Nardo als verantWohlbehütet ruhen die Fässer wortlichen Önologen des Tignanello. Paolo Nardo ist ein junger Mann, der stolz darauf ist, dass der in dem langen Gewölbe der Marchese an die neue Generation von Agronomen Barricaia, dem Fasskeller der und Önologen glaubt und ihr schon früh viel Verantwortung überträgt. Beim Gang durch den Keller Tenuta Tignanello. Der Önologe spürt man, welche Sensibilität er für diesen Wein entwickelt hat. Paolo Nardos erster Tignanello-­ Paolo Nardo, der 2008 seinen Jahrgang war 2008. In einem kleinen Salon des ersten Tignanello präsentierte, Gutes öffnet er eine Flasche vom Jahrgang 2011. Es ist ein vitales Gewächs, dessen Saftigkeit und hat ein außer­ordentliches Kompaktheit in Eleganz und Delikatesse transGespür für diesen großen Wein. formiert wird. Der Wein verändert sich, blüht auf und gibt plötzlich eine geheimnisvolle Fruchtnote preis, deren bittersüße Akzente einfach köstlich sind und lange im Gedächtnis bleiben. Zweifellos wird dieser Wein durch Flaschenreife immens zulegen. Paolo Nardo öffnet eine Flasche vom Jahrgang 1999. Trotz seiner Kraft besitzt der Wein eine Seine Qualität verdankt dieses Gewächs den Stein. Aus ihm sind die Renaissance-­Paläste und jugendliche Frische und ein vitales Spiel, woraus Steinen im Weinberg. Nicht weil die Trauben in -Kirchen von Florenz errichtet. Ebenso der Palazzo eine köstliche geschmackliche Intensität entsteht, einem steinigen Terrain gedeihen, sondern weil der Antinori. die nicht abrupt endet, sondern bis zum Schluss Boden selbst aus dem verwitterten Gestein entsteht. Nur wenige Schritte vom Weinberg des Tigna- ihre Spannung hält. Der Tignanello hat den Namen Antinori in Wie an der Côte d’Or in Burgund sind es kompak- nello entfernt liegt das historische Anwesen, das die tere Gesteinsarten. Weißer Albarese-­Marmor und Familie Antinori schon seit langer Zeit besitzt, die die Welt getragen. Die Familie Antinori versteht blauer Galestro-Schiefer. Dem Areal im Val di Pesa Tenuta Tignanello. Vor wenigen Jahren wurde eine Wein als etwas Lebendiges, das sich in ständiger geben sie eine eigene Aura. In der Tiefe findet man neue Kellerei integriert, die speziell auf die opti- Bewegung und Transformation befindet. Betracheine weitere Gesteinsart: Pietra Serena, der heitere male Weinbereitung des Tignanello hin konzipiert tet man die Entwicklung des Tignanello von den Anfängen bis heute, so ist es selbstverständlich, dass sich nicht nur der Wein verändert hat, sondern auch die M ­ enschen mit ihren Vorstellungen über Geschmack und Stil. Das sind Fragen jenseits der Qualität. Am Anfang, in den 1970er und 1980er Jahren, gab es zudem in der Toskana ein kühleres Klima als heute. Um die Identität des Tignanello zu bewahren und die Idee von diesem Wein lebendig zu halten, muss sie sich wandeln können. »Wenn ein Wein gut ist, fragt der Marchese, wie es noch besser geht«, sagt Paolo Nardo. So wurden nach der Jahrtausendwende enorme Anstrengungen unternommen, um den Tignanello zeitgemäß weiter zu entwickeln. Es ist charakteristisch für die Antinoris, dass man damit im Weinberg begann. Es wurde auf mehr genetische Vielfalt bei den Pflanzenklonen gesetzt und die Pflanzdichte erhöht. Vor einigen Jahren wurde das weiße Albarese-Gestein unter den Reben im Vigneto Tignanello ausgelegt. Es reflektiert das Licht, senkt die Temperatur in der Sommerhitze und bewahrt so die Frische der Trauben. Für den Ausbau des Sangiovese werden Barriques aus ungarischer Eiche verwendet. Man hat herausgefunden, dass deren Feinporigkeit den Sangiovese besser gelingen lässt als französisches Holz. Und schließlich wird seit 2004 jede Parzelle einzeln ausgebaut. Jahrgang 2006 zeigt exemplarisch, wie diese Veränderungen im Wein zum Tragen kommen. Dieser Wein ist ein stilistischer Sprung. So als sei das Wesen des Tignanello freigelegt worden. Der Wein ist unglaublich saftig, vital, er interpretiert die Kraft des Weingeschmacks neu: Intensität, die nicht auf Schwere und Körper setzt, sondern auf vibrierende Tannine, Frische und mineralische Eleganz. >

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Top Ten Tignanello —

Von allen Jahrgängen aus vier Jahrzehnten, die Fine-Autor Michael Schmidt verkostet hat (nachzulesen in Fine Das Weinmagazin Heft 3/2014), sind dies seine Favoriten

1982

Mitteltiefes Backsteinrot, das gegen den Rand hin in Orange übergeht. Ein wunderschöner Duft vereint Brombeeren mit sonnen­ erwärmten Hecken und Zedernholz. Am Gaumen ist die Frucht fast noch überschwänglich mit dem Geschmack von saftigen ­Kirschen, Brombeeren und eingelegten Pflaumen. Leder und angenehm rauchige Noten werden der ehrwürdigen Reife gerecht, Tignanello ein kräftiger Körper und feste Tannine versprechen noch lange Trinkfreude. Komplex, konzentriert und so gut wie perfekt. 1982 war nicht nur in Bordeaux ein tolles Jahr.

1983

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Kirsch- bis Ziegelrot von mittlerer Tiefe. In der Nase ziemlich verhalten, ein leichter Kirschton, ein Hauch von Walnuss. Am ­Gaumen sind rauchige und nussige Noten betonter als die dezente Frucht von Kirschen und Brombeeren, eine zarte Bitterkeit spiegelt die Präsenz von Tanninen wider. Seine dreißig Jahre sind dem 1983er nicht anzuschmecken.

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Der fast dreißigjährige Wein wirkt mit seinem mitteltiefen Kirschrot und rubinfarbenen Rand vom Aussehen her wesentlich ­jünger. Auch große Weinkritiker können sich irren, und wer dem 1985er Tignanello 1992 sieben bis zehn Jahre gab, wird 2014 von einer immer noch festen Struktur und genügend saftiger Frucht eines Besseren belehrt. Ein Hauch von Rauch, dezente Röst­ Tignanello aromen und eine fein dosierte Gewürznote tragen zu einer Harmonie bei, die das fortgeschrittene Alter gegenstandslos macht.

1985

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1990

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Tignanello

Ziegelrot von mittlerer Dichte. Eine faszinierende Aromenkomposition vereint Dörrobst mit Pilzen und Kräutern zum Ausdruck gereifter Alterswürde. Auch am Gaumen spielt der Wein mit feinen Reifenoten. Brombeeren und Backpflaumen ­tragen immer noch eine saftige Komponente bei, Champignons, Wiesenkräuter und Gewürze schaffen eine weitere Dimension, die Tignanello dem 1990er Komplexität verleiht. Die Tannine sind abgerundet, eine dezente Röstnote verfeinert den Abgang.

1997

Mitteltiefes Kirschrot mit backsteinfarbenem Rand. Die Nase übt sich in vornehmer Zurückhaltung, wobei aber in Cognac marinierte Pflaumen und der zarte Duft von Kirschpralinen große Erwartungen wecken. Am Gaumen erlegt sich der 1997er ­Tignanello dann aber keinerlei Mäßigung mehr auf. Schwarze und rote Beeren legen sich mit saftiger Kraft ins Zeug, die ­Tannine Tignanello stehen stramm, die Säure ist trotz aller Prägnanz harmonisch eingebunden. Schokolade, Tabak, Kirschen, Leder und ­Kräuter konkurrieren, ohne einander zu behindern. Ein Kraftpaket, das, immer noch entwicklungsfähig, sein großes Potential an Komplexi­ tät noch weiter ausschöpfen wird. So kann Tignanello!

2004

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2005

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2007

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2009

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Glänzend tiefdunkles Rot schwarzer Kirschen mit rubinrotem Rand. Die intensiven Fruchtaromen dunkler Waldbeeren werden von einem Hauch Gewürznelke begleitet. Am Gaumen von äußerster Dichte, Heidelbeeren, schwarze Kirschen und P ­ flaumen ­setzen ausgeprägte fruchtige Akzente, dazu kommen würzige Noten und Mokkaschokolade. Trotz seiner zehn Jahre glänzt der Tignanello Wein mit saftiger Frische, massiver Struktur und einem Rückgrat wie aus Stahl. Mit seinem kräftigen Körper und wuchtigen Ausdruck scheint er für die Ewigkeit gemacht und straft die schwierigen Bedingungen des Jahrgangs Lügen. Ein dunkles Kirschrot mit purpurfarbigen Reflexen gibt dem Aussehen eine jugendliche Prägung. Im Duft vermählen sich die ­ romen von dunklen Beerenfrüchten, aber auch Waldblumen, mit Schokolade und Zedernholz. Am Gaumen noch ungestüm A und mit ausgeprägten Tanninen, doch die Substanz der Frucht ist unbestreitbar und trägt ihren Teil zu einer soliden Struktur Tignanello bei. ­Würzige Holznoten und eine betonte Adstringenz bestätigen, dass der 2005er seine besten Jahre noch vor sich hat. Konzen­ tration und Länge des Abgangs leisten wertvolle Orientierungshilfe bei der Einschätzung des Qualitätspotentials. Kirschrot von mittlerer Dichte mit rubinroten Reflexen. Die Geruchssinne schwelgen im verschwenderischen Duft von P ­ flaumen und Kirschen, wobei Aromen von Toast und Vanille weitere feine Akzente setzen. Am Gaumen lässt der Sangiovese seine ­saftige Säure spielen. Die Tannine wirken anfangs zurückhaltend, machen sich dann aber doch noch in einer jugendlich markanten Tignanello ­Adstringenz bemerkbar. Im Finish kommt auch die unbestreitbare Substanz der roten Beerenfrüchte zum Tragen, begleitet von einem Hauch von Zimt und Zedern. Vielversprechende Eleganz im Abgang. Ein intensiver Brombeerton mit purpurnen Reflexen. Manche sehen den 2009er Tignanello als einen Jahrhundertjahrgang, und das komplexe Aromenspiel von exotischen Gewürzen, weißem gemahlenen Pfeffer und Brombeer­kompott scheint ihnen Recht zu geben. Am Gaumen in Cognac eingelegte süße Kirschen, und saftige Brombeeren, Nuancen von Vanille und Schoko­ Tignanello lade be­stätigen eine Extravaganz, die nie in Gefahr ist, in Üppigkeit abzugleiten. Substanz und Abgang deuten schon auf das Ent­stehen eines ganz besonderen Tignanello hin.

2010

Es ist nicht einfach, sich auf einen Jahrhundertjahrgang zu einigen, aber nach 2007 und 2009 stellte sich mit 2010 schon der nächste Anwärter vor. Äußerst tief und dicht umgibt sich der schwarze Farbton dunkler Kirschen mit einem glänzenden ­Purpurring. Die Aromatik der Frucht könnte kaum ausgeprägter sein mit ihren Duftnoten von Kirschen sowie schwarzen und Tignanello roten Johannis­beeren. Am Gaumen ist der Wein immens kompakt, die Frucht noch stark von den Tanninen geprägt, der Beitrag der Barriques spiegelt sich in merklichen Röst- und Rauchnoten wider. Wenn man den Wein zur Zeit auch noch eher kauen als trinken kann, lassen eine massive Substanz und endlose Länge keinen Zweifel, dass hier etwas ganz Großes im Werden ist.  > 20

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Zalto definiert das Weinglas neu M

it seiner Glas-Serie Denk’Art hat Zalto die Weinwelt revolutioniert. Drei Faktoren bestimmen die Anders­artig­keit dieses Glases: die Form und das ­Material, aus dem es gemacht ist, und der scheinbare Widerspruch zwischen beiden. Mit seinem schlanken, hohen Stiel und der eigenwilligen eckig-runden Gestalt des Kelches suggeriert das Glas ­fragile ­Eleganz – und ist dabei doch so robust, dass es sogar für die Spülmaschine taugt. Jedes Zalto Glas wird ausschließlich in traditioneller Handarbeit gefertigt. Damit ist Zalto eine Ausnahme unter den Glasherstellern, die zum überwiegenden Teil maschinell produzierte G ­ läser auf den Markt bringen. Die Wertschätzung für die ­Gläser von Zalto ist auch unter deutschen Spitzenwinzern, Gastro­nomen und

Weinliebhabern hoch. Gerade für die großen trockenen ­Rieslinge der besten Weingüter Deutschlands eignet sich das so genannte Universal Glas des österreichischen Unter­nehmens bestens. Oder wie es der bekannte Wein­ kenner und bekennende Rieslingliebhaber Stuart Pigott in seinem Buch »Best White Wine on Earth« formulierte: »Das ­Universal Glas von Zalto ist die Stradivari unter den Weingläsern«. Neben dem Universal Glas gibt es je eines für Burgunder, für Bordeaux, für Weißwein, Süßwein und Champagner. Doch nicht nur die haptische Seite überzeugt die Experten, auch die sensorische Wahrnehmung der Weine wird durch das Universal Glas zur Vollendung gebracht. Die Begeisterung vieler deutscher Winzer und der Einsatz der

Gläser bei einigen der hochwertigsten Weinproben der Welt, wie etwa der von Fine begleiteten Verkostung von 200 Rieslingen aus der Lage Steinberg des Klosters Eberbach im vergangenen Jahr, sprechen eine deutliche Sprache. Das jüngste Mitglied im kleinen, aber umfassenden Zalto-Sortiment ist das Glas Gravitas Omega. Der aus­ ladende Kelch des Zalto Rotweinglases wird nicht durch einen Fuß getragen. Eine zarte Einbuchtung im Kelch und eine Kugel am Stielende ­halten es im Gleichgewicht. Der Wein benetzt die Seitenwände und offenbart augenblicklich seinen Charakter. Die eigenständige Form fordert die ganze Aufmerksamkeit des kennerischen Weintrinkers. www.zaltoglas.at


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Der Traum des Sommeliers wird wahr Xavier Thuizat, der junge Herr über die Weine im neuen Pariser Luxus­ hotel Peninsula, durfte den Keller allein nach seinen Vorstellungen mit den kostbarsten Flaschen bestücken – für ein Vermögen Von Angelika Ricard-Wolf Fotos Johannes Grau

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eden Morgen geht er zuerst in den Keller. Nachschauen, ob Alles eine Frage der Einrichtung. Sie stammt von Xavier alles in Ordnung ist. Ein Blick auf die Klimaanlage: 13 Grad Thuizat. Er ist der Sommelier des Hauses und kann es manchCelsius, 67 Prozent Luftfeuchtigkeit – ideal! Für sich genom- mal selbst kaum fassen, dass er so viel Geld ausgeben durfte, men ist dieser vierzig Quadratmeter große Raum, fensterlos, um Weine einzukaufen. Und so liegen sie hier, ordentlich in unbeheizt, tief im Versorgungslabyrinth des neuen ­Pariser Reih und Glied, nach Ländern, Lagen und Jahrgängen geordLuxushotels Peninsula, wohl das teuerste Gelass an der ­Avenue net: fünfzehntausend Flaschen Wein vom Feinsten. Neben Kléber im vornehmen 16. Arrondissement. Für ihren Gegen- den altbewährten Preziosen wie Romanee-Conti La Tâche, wert könnte man sich in der Gegend locker ein Apartment mit Richebourg, Echézeaux Grand Cru, Mouton Rothschild (etwa Blick auf den Eiffelturm leisten. die mit dem Picasso-Etikett), Château d’Yquem gibt es neue

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Stil­ikonen wie Gevrey-Chambertin Au Vellé, roten Strohwein von Georg Lunzer und eine ganze Reihe kleiner aufstrebender Domänen. »Einmal im Leben einen noch komplett leeren Keller mit Weinen seiner Wahl bestücken zu können«, sagt Xavier Thuizat lächelnd, »davon träumt jeder Sommelier.« Für ihn ist dieser Traum ziemlich schnell wahr geworden. Gleich nach der Hotelfachschule hat er im Pariser Luxushotel Meurice als Sommelier angefangen, danach vier Jahre lang im Drei-Sterne-Restaurant des französischen Starkochs Pierre Gagnaire gearbeitet – und nun ist er, dritte Anstellung, schon Herr der Flaschen im Peninsula. Mit achtundzwanzig Jahren. Damit ist Xavier Thuizat der Benjamin unter den Mundschenken, die zwischen Hongkong und New York in den elf Weltstadthäusern von Asiens ältester Hotelluxusmarke für die Auswahl der Bouteillen zuständig sind. Woran, glaubt er, lag es, dass sich Generalmanager ­Nicolas Béliard unter den dreiunddreißig Bewerbern um den begehrten Job ausgerechnet für ihn entschieden hat? »Ich habe riskiert, nicht nur ein Zuhause für die Übernachtungsgäste, sondern meine etwas andere Vorstellung von einer guten Auswahl dar- auch ein äußerst beliebter Treffpunkt für die Ein­heimischen zulegen«, meint er verschmitzt, »es ist keine Kunst, in einem zu sein. Das funktioniert perfekt, weil alle ­Häuser mitten in First-Class-Hotel oder Sternerestaurant vor­rangig teure der City liegen und ihre Besucher, ob Veganer oder F ­ leischfex, Weine anzubieten. Das kann jeder. Die Raffinesse besteht in verschiedenen Restaurants aufs Köstlichste bewirten. Liebe darin, außergewöhnliche Weine zu einem fairen Preis auf der geht eben durch den Magen. In Paris sowieso. Karte zu haben. Dann leistet sich der Gast auch eine zweite Schnell hat sich herumgesprochen, dass man im »Pen« Flasche. Aus Neugier und weil es das Budget hergibt.« Ein einen » joli cru«, wie Thuizat sagt, einen netten Jahrgang, pro­forsches Konzept für die Nobelherberge an der ­Avenue Kléber, bieren kann. Ganze sechs Wochen hatte er vor der geplanin der die Zimmerpreise bei mehr als 1000 Euro anfangen und ten Eröffnung Zeit, um den Keller zu füllen. »Noch am Tag bei 25 000 Euro für die Penthouse-Suite enden. Ohne Früh- der Zusage habe ich gedanklich losgelegt. Ich kam mir wie ein stück. Aber Xavier Thuizats Idee gefiel auf ganzer Linie. Sie Maler vor, der vor einer weißen Leinwand steht und sie endpasst zur Philosophie des Unternehmens, an jedem Standort lich mit Farbe und Leben füllen kann.« 24

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Tagsüber ist Xavier Thuizat ständig unterwegs: Von einem der fünf Restaurants des Peninsula ins nächste. Natürlich auch in dem chinesischen Restaurant »Lili«, das sich im Erdgeschoss befindet. Und immer wieder in der prachtvollen Eingangshalle aus weißem Marmor des in der Blütezeit der Belle Epoque errichteten Gebäudes.

Portofolio passt. »Ich habe grundsätzlich ein paar mehr weiße Weine auf der Karte. Die Küche wird immer innovativer und authen­tischer. Es gibt zunehmend Fisch- und Gemüse­gerichte. Dazu mundet ein eleganter, frischer Weißwein am besten, aus dem Burgund, auch von der Loire, aus dem Elsass oder aus Deutschland. Ich liebe deutsche Weine. Rieslinge von der Mosel etwa, von Weingütern wie Dr. ­Loosen oder J. J. Prüm«.

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as Gros des Angebots stammt, wie es sein Traum war, von kleineren Domänen, vorrangig aus Frankreich. Schon wegen der Hausbesuche: Er kauft am liebsten direkt vor Ort ein. »Je mehr ich über das Land und die Menschen rund um einen Wein weiß, umso besser verstehe ich ihn und kann dies den Gästen vermitteln.« Die Nachfrage gerade nach französischen Weinen sei groß. »Die meisten Hotelgäste ­kommen aus Übersee und Asien. Sie möchten in Paris französische Weine trinken. Andererseits sind die Franzosen nicht für ›fremde‹ Weine zu begeistern. Sie trinken vielleicht ein Glas, das ­amüsiert sie, aber nie ein zweites.« Auf Dauer fröstelt man im Weinkeller. »Ich hatte zwei Ein Gemälde in Oechsle – aus den zarten Gelb- und Grün- ­Pullover übereinander an, als ich die Flaschen eingeräumt habe. tönen eleganter Weißweine über die intensiveren Barrique­ Übrigens ganz allein!«, erzählt Xavier Thuizat auf dem Weg schattierungen bis zu der Palette warmer Rot-Nuancen, die nach oben. Zurück im Licht strahlt der Marmor in der Einkräftige Akzente setzen. Eine Vision davon hatte Xavier gangshalle des Hotels umso heller. Das imposante Gebäude, ­Thuizat schon lange im Kopf. Sie ist quasi mit ihm (auf-) 1908, in der Blütezeit der Belle Epoque erbaut, steht unter gewachsen. Er stammt aus Meursault im Burgund, einer klei- Denkmalschutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das nen Gemeinde mit knapp über fünfzehnhundert Einwohnern, Hotel der UNESCO als Hauptquartier, später dem franderen Name jedem Weinkenner ein Begriff ist. Dort leben zösischen Außenministerium als Konferenzzentrum. 2010 seine Familie und seine Freunde, letztere alle Winzersöhne. erwarb Peninsula das Haus. Vier Jahre lang wurde es von

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ie Thuizats selbst haben keine Weinstöcke. »1955 hat mein Großvater einen Hektar beste Lage für 1000 Francs verkauft. Heute gehört das Grundstück einem Weingut und ist einen zweistelligen Millionenbetrag in Euro wert«, erzählt Xavier Thuizat. »Er war Bahnhofsvorsteher im Nachbarort und hatte neun Kinder, eins davon war meine ­Mutter. Damals hat er nicht geahnt, wie wertvoll das Land einmal sein würde. Den Wein aus der Gegend tranken die einfachen Leute.« Er zuckt die Schultern. C’est la vie. So ist das Leben. Scholle hin, Scholle her, den Wein hat er auch ohne eigene Reben im Blut. Das Metier hat ihn von klein auf fasziniert. »Daran ist mein Pate Vincent nicht ganz unschuldig«, verrät er, »er hat mir viel beigebracht und mich in meiner Berufswahl bestärkt.« Vincent heißt mit Nachnamen übrigens Girardin und ist der Patron einer Winzerfamilie, die seit dem 17. Jahrhundert Wein anbaut. Hat der Pate ihn auch beliefert? Xavier Thuizat nickt. ­Dessen Chassagne-Montrachet Premier Cru Abbaye de ­Morgeot, achtzehn Monate im Eichenfass gereift, hat er vorrätig. Aber nicht wegen der privaten Bande, sondern weil er ins

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Abends ist Xavier Thuizat im »L’Oiseau Blanc« anzutreffen, dem Dachrestaurant des Peninsula

versierten Kunsthandwerkern anhand der ursprünglichen da jede Menge Kondition. Wie gut, dass er früher ein ziemlich Baupläne aufwändig restauriert. Dazu gehörte die Instand- erfolgreicher Triathlet war. Heute fehlt ihm die Zeit, regelsetzung der ­Fassade ebenso wie das sorgfältige Aufarbeiten mäßig zu trainieren. Mittags und nachmittags ist er auf der von Deckengemälden, Stuckverzierungen und Vergoldungen. »Terrace Kléber« und in der einem Ballsaal ähnelnden Lobby Ein eleganter Arbeitsplatz. Xavier Thuizat, wie alle im des Hotels unterwegs. Ganz Paris findet es zurzeit »très chic«, Team im maßgeschneiderten Anzug, flitzt tagsüber von einem dort nach englischer Art den Afternoon Tea zu zelebrieren. der fünf Restaurants zum anderen. Trotz Fahrstuhl braucht er Und Xavier Thuizat öffnet eine Champagnerflasche nach der anderen. Am liebsten eine von Jacques Lassaigne. »Der ist ein Künstler«, schwärmt er, »sein Champagner hat eine ­extrem feine Perlage und Struktur im Mund.« Für den spritzigen Trunk hat er ein Faible. Er plant, mit den Spitzen­köchen ein Champagner-Menü zusammenzustellen. »Die sind groß im Kommen.«

mit dem atemraubenden Blick über die Seine-Metropole. Sein per­sönlicher Himmel jedoch befindet sich tief unter dem neuen Pariser Luxushotel, in dem fensterlosen, kühlen und engen Keller, in dem fünfzehntausend Flaschen darauf warten, von ihm geöffnet zu werden.

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berhaupt sprudelt er vor Ideen. So hat er besonders viele Weine des Jahrgangs 1973 im Keller. Es ist das Jahr, in dem Henry Kissinger, damaliger Außenminister der Ver­einigten Staaten, mit dem Politiker Le Duc Tho das Ende des Vietnamkrieges aushandelte, hier, in der heutigen »Bar ­Kléber«. Eine Spezialkarte mit kleiner Nachhilfe in Geschichte, so Thuizats Einfall, soll dieses Ereignis würdigen. Abends ist er im Dachrestaurant »L’Oiseau Blanc« anzutreffen. Seit der Eröffnung ist das mit Sammlerstücken aus der Zeit der Flugpioniere dekorierte Restaurant ausgebucht. Das gilt auch für das opulent eingerichtete »Lili«, das chinesische Restaurant im Erdgeschoss. Chef Tang Chi Keung, SterneKoch der kantonesischen Küche, würzt gern mit einer Spezial­ sauce aus Chili, schwarzen Bohnen, Oliven und Sarepta­senf. Die passt perfekt zu Fisch, Schwein und Rindfleischkreationen. Und was empfiehlt der talentierte Monsieur Thuizat, wenn’s scharf wird? Die Antwort kommt prompt: »Einen Syrah, Côte Rôtie 2012 Colline de Couzou von der Domaine Bonnefond: Der ist jung, frisch und gut verträglich.« Wie er.  >


MONTEVERRO 2010 96 PARKER PUNKTE: The flagship estate wine, 2010 Monteverro, is absolutely stunning. (…) The enormity of this wine cannot be exaggerated.

Monteverro · Strada Aurelia Capalbio 11 · I - 58011 Capalbio (GR), Italia · www.monteverro.com


Champagner Reichen Schönen = für die = = und =

Viele Champagner kommen derart aufgebrezelt daher, dass sie der Connaisseur gar nicht erst trinken will, während sie für andere erst dadurch ­interessant werden. Zumal sie über alle Massen t ­ euer sind. Was teuer ist, muss s­ chliesslich gut sein. Oder etwa nicht? Von Stephan Reinhardt Fotos Guido Bittner

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s ist Mitternacht, ich sitze nach einer l­ angen, anstrengenden Verkostung an der Bar des Nassauer Hofs in Wiesbaden und freue mich auf ein frisch gezapftes Bier. Doch statt­dessen wird mir ein Champagner serviert. Nicht, dass ich darum gebeten hätte, aber wenn der Fine-Verleger kommt und sagt: »Probier doch mal, ist ne Rarität und gar nicht mal schlecht«, dann verschiebt man das Bier eben auf später.

nicht existierenden Beliebt­heits­skala jedoch nicht weiter verwunderlich.

lange halten können, denke ich, schließlich haben Bürgertum und Popkultur längst eigene Königskinder hervorgebracht. Erben nämlich, die den Doch zurück zum Thema. Der Champagne de Reichtum der Eltern mehren oder gar davon leben Venoge Louis XV Extra Brut Rosé des Jahrgangs können, ohne allzu viel dafür arbeiten zu müssen. 2002 führt nur Gutes im Flacon: ausschließlich in Kurzum, der aus weißen Trauben gekelterte Vin des Spitzenjahrgängen je zur Hälfte aus C ­ hardonnay Princes wurde zum rosafarbenen Louis XV umgeund Pinot Noir aus Grand-Cru-Lagen berei- baut, während die biedermeierliche Karaffe nahezu tet und zuletzt mit einigen Prozent Rotwein und unverändert blieb. Allerdings, urteilt die World sechs Jahren auf der Hefe zu seinem schönen ­Encyclopedia of Champagne and Sparkling Wine, Der Verleger also spendiert mir einen schäumen- ­weinigen Charakter gebracht, präsentiert sich die reicht der leuchtende Nachfolger für die Reichen den Rosé – aus einem extravaganten Flacon. Und Prestige-­Cuvée des Hauses als trockner, eleganter, und Schönen weder qualitativ noch dem Status das mir, der die Geradlinigkeit eines Weins doch am nach roten Beeren, Rosen, Brioche und Mokka nach an die einstige Prestige-Cuvée der pickniliebsten schon mit bloßem Auge er­kennen möchte. duftender Edelchampagner mit feiner Perlage ckenden Königskinder heran. Doch welche Rolle Doch damit kann ein Champagner, der Louis XV und gut sitzender Säure. Ich notiere bierlaunige spielt das schon, wenn der Champagner nicht nur heißt und rund 150 Euro kostet, natürlich nicht 91 Punkte und google via Smartphone, dass die teuer ist, sondern auch noch so aussieht? dienen. Schon die Regentschaft ­seines Namens­ weiße Kristall­karaffe, aus der mir ein- und nachgebers – zwischen 1715 und 1774 König von Frank- geschenkt wird, ursprünglich, 1864, zur Hochblüte ch frische meine Bierbestellung auf und staune, reich und Navarra und vom Volk anfänglich als »le von ­Champagne de Venoge, als Grand Vin des wie schmucklos doch die ganze Bierprozedur Bien-Aimé« (der Vielgeliebte) be­jubelt, ­später als Princes kreiert w ­ orden war, der dem königlichen trotz unzähliger Mikrobrauereien und teurer „le Mal-Aimé (der Ungeliebte) verschmäht – kann Nachwuchs Europas während der Jagd lange Zeit Edelbiere noch immer ist. Dagegen werden in der nicht geradlinig verlaufen sein. Im Lauf von fast als Picknickwein diente, seit 1993 aber nicht mehr ­Champagne noch die banalsten Weine auf­wändig sechzig Jahren ist der Absturz auf der damals noch produziert wird. Immerhin hat er sich verdammt verpackt oder dekoriert, werden für den neuen

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Jahrgang eines Prestige-Champagners bibliophile Büchlein gebunden, die außer schönen Worten wenig sach­dienliche Informationen zu Herkunft und Bauart an die Hand geben, aber doch edles Kunsthandwerk repräsentieren. Überhaupt wäre die crossmediale Inszenierung von Champagner als Luxusgetränk mal ein eigenes Buch wert. Nicht meines allerdings, mir ist jetzt eher nach Bier.

Piper-Heidsieck, die Auszeichnung Sparkling Winemaker of the Year bereits zum siebten Mal in Folge erhielt. Kein Aufschneider also, denke ich, als ich den Rare 2002 verkoste. Ein Stil kommt mir da entgegen, der mir gefällt: herrlich klar, frisch, offen und fruchtig, mit Noten von Apfelmousse, Haselnuss und Toast. Im Mund ist der auf 55 Prozent Pinot Noir, 30 ­Prozent Pinot ­Meunier und 15 Prozent C ­ hardonnay basierende Champagner ls es endlich vor mir steht, schiebt es mir frisch, ­elegant, klar und knochen­trocken. Er ist fest der zurückeilende Verleger gleich ­wieder struktu­riert und zeigt neben explosiver Frucht auch weg. »Ich habe noch einen, den kennt hier- adelige Noten von Brot, Mokka, Haselnuss und zulande auch kaum ein Mensch, aber ich finde ihn ­reifen Äpfeln, um sich dann druckvoll, komplex ausgezeichnet«, sagt er und schenkt mir aus einer und lang anhaltend zu verabschieden. Ein gehaltdunklen F ­ lasche mit reichlich jugendstilsicherem voller, sehr seriös und zugleich raffiniert struktuBlattgold ein. Piper-Heidsiecks Prestige Cuvée rierter Jahrgangs­champagner ist das, der vielleicht Rare 2002 ist der Nachfolger des viel bestaun- wirklich mehr Aufmerksamkeit verdiente, zumal ten 1998ers, über den ich nur Gutes gelesen, den er vor drei ­Jahren vom Fine Champagne Magazin ich aber weder verkostet noch getrunken habe. zum besten ­Champagner des J­ ahres gekürt wurde. Im letzten Jahr wurde ihm die ­Vintage Champa­ gne Trophy der ­International Wine Challenge Ich bombardiere meinen Kollegen B ­ enjamin ­London (IWC) ver­liehen, während sein S ­ piritus ­Herzog via Facebook mit Fragen. Herzog ist ein rector, Régis Camus, seit 1994 Keller­meister bei Schweizer Lebemann mit Drang zu Bier und

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Champagner. Den Rare kennt er, er hat erst unlängst sämtliche Jahrgänge davon verkostet: 1976, 1979, 1985, 1988, 1998, 1999 und 2002. (Sie sehen also, warum er Rare heißt. Mein Kollege meint, er werde nur in schwierigen Jahrgängen erzeugt.) Herzog liebt den 98er und das nicht nur, weil er ausschließlich in Magnums gefüllt wurde: »In der Nase präsent, aber in keiner Weise überbordend, mit einem perfekten Mix aus floralen, fruchtigen und reifen Noten. Sehr komplex. Am G ­ aumen vif, lebendig, pur und geradlinig. Dabei aber immer auch geschmeidig. Es lohnt sich hier, das stillose Etikett auszublenden und sich auf den Wein einzulassen. Wenn man ihn sich denn leisten kann.« Tja, Herzog, das ist das Problem. Den 2002er sah ich neulich bei Hedonism Wines in London für umgerechnet rund 140 Euro. (Er ist dort übrigens einer der preiswertesten Weine.) Ich erneuere meine Bierbestellung. »Ein Sieben-­ Minuten-Pils, aber vorab bitte ein Schnitt.« Gerade will ich den ansetzen, da höre ich hinter mir die immer vertrauter werdende

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Verlegerstimme: »Moment, warte noch, einen habe ich noch, nur einen!« Und wieder füllt sich mein Glas. Der Armand de Brignac Brut Gold ist an der Reihe, ein kraftvoller, trockner, ­griffig und damit recht markant strukturierter, aber auch voll­mundiger und eingängiger Champa­ gner, der vor vier ­Jahren unter tausend Mit­ bewerbern von der Zeitschrift Fine Champagne zum besten C ­ hampagner der Welt gekürt ­worden war. 490 Euro ­kostet die mit ver­goldetem Metall um­mantelte Flasche in der S ­ ansibar auf Sylt, mehr als der Dom ­Pérignon, Krugs Grande Cuvée oder gar ­Roederers ­berühmter Brut ­Cristal. Der Armand de B ­ rignac Brut Gold oder auch Ace of ­Spades – ein Jahrgangs­blend von ­Chardonnay, Pinot Noir und Pinot ­Meunier – ist einer der extra­vagantesten Champagner überhaupt, zumindest in der Aus­stattung. Allein die leere Fasche hat einen Material­wert von 10 Euro. Seinen Ruhm verdankt die Marke des traditionsreichen ­Hauses Cattier aber nicht nur ihrem provo­zierenden Äußeren, ­sondern zahl­reichen inter­nationalen Berühmtheiten, allen voran dem Rapper Jay-Z, 30

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der die wie einen Goldbarren in Flaschenform erscheinenden Champagner mit dem markanten Pik As auf dem Bauch in seinen Musikvideos zur Geltung bringt und auch sonst keine Möglichkeit auslässt, diese sprudelnde Droge der Reichen und Schönen in den angesagten Nachtklubs ins Licht zu rücken.

nicht jahrelang auf seine Trink­reife warten, und er ließe sich im Nachtklub viel leichter süffeln als etwa der Roederer C ­ ristal, des Rappers vor­maligen Lieblingschampagner.

Unter der Marke Armand de Brignac werden noch ein Blanc de Blancs, ein Rosé sowie ein Demi-Sec erzeugt, während ein neuer Champagner wohl einen Namen verdankt das Luxusgetränk schon in den Startlöchern steht: Clos Yons, ein übrigens einer romantischen Novelle aus sorten­reiner Pinot Meunier aus einer Einzellage. der Feder der Großmutter von Alexandre Den Brut Gold gibt es übrigens auch als Limited Cattier, dem heutigen Besitzer des seit mehr als Edition in einer knallgrünen Flasche – für Golfzweihundertfünfzig Jahren bestehenden Hauses spieler. Doch um welchen Wein es sich auch hanCattier. Der Erfolg dieses Champagners ist nach delt: Alle Armand de Brignacs sind, gemessen an Ansicht von Tom Stevenson und Essi Avellan, den ihrer Qualität, abstrus teuer. Doch genau das ist, Autoren der World Encyclopedia of Champagne neben der Aufmachung, das wohl überzeugendste and Sparkling Wine, jedoch nicht in der Historie Kaufargument für einen Markt, in dem das Gesetz zu suchen. Sondern in deren Negierung: Die Idee gilt »If it isn’t expensive it can’t be good«. Wenn bestand darin, einen völlig anderen Champagner es nicht teuer ist, kann es nicht gut sein. Irgendwie zu produzieren, als man es von dem Traditions- trifft das für alle drei soeben verkosteten Champa­ haus erwarten würde. Jugendlichkeit und unbe- gner zu. schwerte Leichtigkeit machten den 2006 erstmalig lancierten Champagner so attraktiv: Man müsse Kann ich jetzt bitte endlich mein Bier haben?  >

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Grosse Weine von Mosel und Rheingau

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Whisky, der in alt Weinfässern reif

William Lumsden von der Destillerie Glenmorangie in Schottlan ver­edelt den Single Malt auf aussergewöhnliche Weise

Mit Nase und Gaumen prüft William Lumsden den Reifegrad seiner außergewöhnlichen Whiskys. Die Fläschchen mit den Fassproben zählen zu seinem wichtigsten Handwerkszeug.

Der Chef-Whisky-Designer benutzt zur Steigerung von Geschmack und Exklusivität Fässer von Château d’Yquem oder ­Sassicaia und für die neueste Sonderabfüllung Barriques vom Clos de Tart in Burgund. Wir beobachten den Meister in seinem Probenraum, wo er sich als Liebhaber grosser Weine bekennt. Von Christian Volbracht Fotos Johannes Grau

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Auf dem eckigen Fläschchen steht »Bordeaux«. Mit geschlossenen Augen nimmt »Dr. Bill« einen kleinen Schluck, saugt etwas Luft dazu, kaut und mümmelt, spuckt die Flüssigkeit schließlich in einen Plastik­becher und kommentiert: »Kräftig, herb würzig und klar strukturiert.« Und nun eine Probe aus der ­Flasche mit dem Aufdruck »Burgundy«: viel weicher und geschmeidiger. »Hier finde ich Aromen von Erde, ­Pilzen, es ist wie ein Waldboden.« Pinot Noir! Doch im Glas ist gar kein Wein, sondern Glenmorangie ­Single Malt Whisky, der zehn Jahre alt ist und die letzten zwei Jahre in gebrauchten französischen Rotweinfässern lagerte.

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ir sitzen im Probenraum des Hauptsitzes von Glen­ morangie in Edinburgh. In den Regalen ­hinter Dr. ­William Lumsden, kurz Dr. Bill genannt, s­ tehen H ­ underte von Probenflaschen mit Whisky aus den Destillerien der Firma, die seit zehn Jahren zum Luxuskonzern Moët ­Hennessy Louis Vuitton (LVMH) gehört: Glenmorangie in Tain bei ­Inverness an der Nordostküste Schottlands und A ­ rdbeg auf der Hebriden­insel Islay vor der Westküste. »Cask-Master – Not for sale« steht auf den Probenfläschchen. Die Geschmacksunterschiede zwischen Bordeaux und Burgund sind deutlich. Der Bordeaux-Whisky mit rauchiger Note ist klar strukturiert, der Burgundy-Whisky viel weicher. Noch runder und würziger schmeckt eine dritte Probe; ­dieser Whisky hat die letzten Jahre in Manzanilla-Fässern verbracht. Der Sherry verleiht ihm eine deutlich süßere Note. William Lumsden aber ist ganz auf Wein fixiert: »Die Bordeaux-­Fässer stammen von Château Montrose, und die Burgunder-Fässer sind von einem Echézaux Grand Cru aus Burgund.« Dr. Bill, der Chefdesigner der Glenmorangie-Company, ist immer in Bewegung. Die Hände sprechen mit, die Augen zwinkern, die Brauen ­hüpfen unter dem schwarzen Haarschopf. Er trägt einen beige-braun gestreiften Anzug und eine helle Krawatte mit himmel­blauen Rauten. Sein markantes ­schottisches ­Englisch mit den langgezogenen ­Vokalen und den ­vielen rollen­den Rs holpert wie auf Kopf­stein­pflaster: »Einen guten Whisky zu machen, kann zwanzig Jahre und mehr dauern. Und ich bin doch der ungeduldigste Mensch auf der Erde!«

älteren B ­ ruder eine Tracht Prügel, die ihn lange von dem schottischen National­getränk abbrachte. »Mit vierundzwanzig ­Jahren habe ich m ­ einen e­ rsten Malt-Whisky getrunken«, sagt ­William ­Lumsden. Das war gegen Ende ­seines Studiums der Bio­chemie und Zell­biologie, als er schon beim Getränke-­ Konzern D ­ iageo zu arbeiten begann. Dann wechselte er zu Glenmorangie, wurde dort 1995 ­Distillery Manager in Tain und drei Jahre später Whisky-­Creator in Edinburgh.

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leichzeitig erwachte sein Interesse an guten Weinen. William Lumsden hatte zuvor nur einfache Sorten getrunken. Der erste Wein, den er etwas bewusster ver­kostete, war ein Cabernet Sauvignon aus Chile. Danach entdeckte er ­Riesling, T ­ raminer, Sauvignon Blanc aus Sancerre, um schließlich bei seinem Lieblingswein Chardonnay aus Burgund zu landen. Durch die Arbeit bei Glenmorangie bekam er Zugang zu vielen großartigen Weinen. Und damit begann die Suche nach besonderen Fässern für das Extra-Maturing des Malz­ whiskys. Neben gebrauchten Bourbon-Fässern aus den Vereinigten Staaten sowie Port- und Sherry-Fässern kamen nun immer mehr gebrauchte Barriques aus Frankreich in die Lager­ hallen von Tain. Dr. Bill nutzt seine engen Beziehungen zu den

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chtzehn Jahre hat er warten müssen, bis der bisher größte Coup gelang, der vor drei Jahren vollendete Whisky »Pride 1981«, ein achtundzwanzig Jahre alter Malt mit zehnjähriger Nachreifung in gebrauchten Sauternes-­Fässern von Château d’Yquem. Nun stellt er gerade die neueste Ausgabe der P ­ rivate Edition von Glenmorangie fertig, mit »Extra-­ Maturing« in Fässern des Clos de Tart in Burgund, die ­Companta heißt nach dem schottisch-gälischen Wort für Freundschaft. Neben Whisky aus den Fässern dieser GrandCru-Lage wurde auch Whisky verwendet, der in Fässern eines Süßweins von der südlichen Rhône reifte – die Vins doux naturels wie der Muscat de Beaumes-de-Venise werden wie Portwein mit Alkohol verstärkt, um die Gärung zu stoppen. William Lumsden springt immer wieder auf, wenn er seine Arbeit erklärt, eilt in sein Büro zum Computer, telefoniert mit der Destillerie im Norden. Doch dem mittlerweile dreiundfünfzig Jahre alten Schotten macht das nichts aus. Schon als Kind konnte er nicht still­sitzen. »Mein Vater haute da manchmal mit der Faust drauf.« Der Vater war ein großer WhiskyTrinker. Sohn Bill betrank sich als Fünfzehn­jähriger mit einem Freund an den Vorräten daheim und bekam danach von seinem

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Sassicaia-­Fässer, durfte den Whisky dann aber nur als »Extra matured in Super Tuscan casks« vermarkten: »Die meisten Weingüter wünschen nicht, dass man ihre Namen benutzt.« Doch auch ohne die Namen ist die Liste der Eroberungen eindrucksvoll. Auf den Etiketten der F ­ laschen lese ich: »Côte de Nuits finish«, »Margaux cask finish«, »Tain l’Hermitage«. Auch La-Tâche-Fässer von der Domaine de la RomanéeConti durfte Dr. Bill ver­wenden: »Ich habe Aubert de Villaine von Romanée-Conti eine F ­ lasche Whisky geschickt. Aber ­leider hat er keine von ­seinen zurückgeschickt.« Bill Lumsden hat seinen Weinkeller zuhause, bei Glen­ morangie gibt es keinen: »Das wäre viel zu kompliziert.« Neben etwa fünfhundert Flaschen Whisky lagern rund zweihundert Weinflaschen. Stolz zählt er die Besonder­heiten auf: Château Margaux und sein P ­ avillon Rouge, Condrieu, ­Musigny, Meursault, Clos ­Vougeot, ­Chambertin Clos de Bèze, Corton Les Bressandes, Clos de Tart, Clos des Mouches, ­Sassicaia, Ornellaia. Besonders gern mag er den Cru Bourgeois ­Château Lanessan aus dem Haut-Médoc. Nur daheim kann er Whisky und Wein in Ruhe genießen und selbst dazu kochen. »­Glenmorangie ist mein Leben, das ist kein Job.«

Nicht alle Weingüter wollen auf den Etiketten der GlenmorangieMalts genannt werden. Doch das Weinhaus Chapoutier aus Tain l‘Hermitage war von der Namens­verwandtschaft mit dem schottischen Tain so begeistert, dass es seine Zustimmung gab. Im Fasskeller lagern die Whiksys verschiedener Jahrgänge.

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twa die Hälfte der Arbeitszeit verbringt Dr. Bill beim Zusammenstellen seiner Whisky-Rezepte in Edinburgh. Hinzu kommen viele Reisen, zur Fässersuche und auf PRTouren. Ständig reifen in den Lagerhäusern neue Krea­tionen heran. »Ich habe eine ganze Pipeline mit Projekten in der Planung, die Hälfte davon mit Wein«, sagt Dr. Bill. Auch auf Pride 1981 werde ein weiteres Luxus-­Projekt folgen, sagt er, ohne Details zu ver­raten. Von Pride 1981 gab es nur einFassmachern. In ­Amerika beteiligte er sich an der Auswahl der tausend F ­ laschen für jeweils fast dreitausend Euro. Jede der großporigen Weißeichenstämme für die Bourbon-Produktion, etwa sechsund­dreißig­tausend Flaschen Companta der Private in Frankreich bekam er Zugang zu vielen Weingütern durch ­Edition ­kostet rund achtzig Euro. In den Destillerien und Fasslagern ist William ­Lumsden die burgundische Firma François Frères. Dort werden viele seltener zu finden. Eine dreistündige Bahnfahrt führt nach gebrauchte ­Fässer überarbeitet und weiterverkauft. Tain, wo neben der Destillerie an der Küste Abertausende ür Glenmorangie geht es darum, Fässer der renom- von Whisky-Fässern in schlichten Lagerhallen gestapelt sind. miertesten Weingüter zu er­gattern und möglichst noch ­Handys müssen beim Betreten ausgeschaltet werden, der deren Namen werbewirksam benutzen zu dürfen. Das Alkohol­gehalt der Luft gilt als gefährlich. Es ist nicht leicht, war schon bei ­Château d’Yquem nicht einfach, obwohl das in den zehn Etagen hohen Metallgerüsten zwischen zahl­ Weingut ebenfalls zur Moët-Hennessy-Gruppe gehört. Die losen alten Jack-Daniel’s-Fässern auch Weinfässer mit den Weinfirma ­Chapoutier aus Tain l’Hermitage war von der schwer lesbaren Brandstempeln der Küfereien zu entdecken: Namens­verwandtschaft mit dem schottischen Tain fasziniert ­Tonnellerie Demptos, François Frères, Vicard, T ­ aransaud, und lieferte Fässer. Aus der Toskana bekam Dr. Bill zwar Saury, Sylvain. Die Lagerarbeiter wissen nicht, was sich hinter

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Geben Sie einem 82er Château Margaux das Gefühl, zuhause zu sein.

Der Unterschied heißt Gaggenau. Der 82er Château Margaux gehört zu den Besten seines Jahrgangs. Damit er es auch bleibt, schafft der Weinschrank RW 464 ideale Lagerbedingungen. Zwei getrennt steuerbare Klimazonen mit gradgenauer Temperaturregelung, vibrationsarmer Lagerung und voll ausziehbaren Flaschenablagen bieten Raum für bis zu 99 Flaschen. Alles, um einen Margaux auf den perfekten Moment vorzubereiten: den Genuss. Informieren Sie sich unter 089 20 355 366 oder unter www.gaggenau.com.


Von der Anlieferung der Fässer in Tain an der Nordostküste Schottlands über ihre Säuberung und Vorbereitung in den großen Hallen bis zum fertigen Produkt ist es ein weiter Weg.

den Zahlencodes für jedes Fass verbirgt. Nur der eingebrannte Namenszug Tonnellerie des Domaines Barons de Rothschild weist ungefähr den Weg: Fässer von Duhart-Milon, Rieussec oder gar Lafite? Im Präsentierkeller neben der Brennerei ­finden wir dann auch einige Barriques von der Küferei Seguin Moreau, deren Querbrett mit einem roten Y gekennzeichnet wurden. Yquem?

die erste Nase entscheidet, wie beim Wein. Auch bei den Geschmacksnoten gibt es große Ähnlichkeiten. »Viele der Schlüssel-Kennzeichen sind bei beiden vor­handen.« Etwa der Vanilleton aus dem Eichenholz, auch Frucht­noten wie Apfel oder Birne. Nicht alle neuen Geschmacks­elemente der nachgereiften Whiskys gefallen in der Welt der Whisky-­ Puristen. In der Whisky-Bibel des renommierten Kritikers Jim ­Murray wird Glenmorangies Private-Edition-Whisky ­Artein ie Proben bekommt William Lumsden in kleinen Fläsch- aus Toskana-­Fässern hoch gelobt. Pride 1981 aus Château-­ chen nach Edinburgh geliefert. Bis zu hundert Proben d’Yquem-­Fässern fiel aber durch, weil Murray der Sauternesvertrage sein Gaumen am Tag, wenn er nach zwanzig immer Whisky zu stark nach geschwefelten Fässern schmeckte. wieder eine Pause einlege, sagt er. Denn alles hängt vom ­Lumsden mag eine ganz leichte Schwefelnote durchaus. ­Gaumen von Dr. Bill ab, der die Proben mit Noten versieht Die blumige Sprache der Whisky-Prüfer steht dem Vokaund schließlich jeden einzelnen Whisky zur Abfüllung frei- bular vieler Weinverkoster kaum nach. In den Verkostungs­ gibt. Sechzig Prozent der Entscheidungen be­ruhen auf seinem notizen für die Private Edition Companta heißt es: »In der ­Wissen und seiner Kenntnis des Produkts, sagt er. Daneben Nase r­ eiche herbstliche Noten von roten Beeren und feuchtem gibt es analytische Tests im Labor und auch größere Ver­ Waldboden, mit einem Hauch von Holzrauch als Er­gänzung kostungs­runden. »Aber ich gebe das end­gültige Okay. Das ist zu aromatischer nussiger Eiche. Im Geschmack Kirschen und viel mehr eine Kunst als eine Wissenschaft.« gekochte Früchte mit Noten von süßen Pflaumen, Blutorange Das Verkosten verläuft ähnlich wie beim Wein. Es komme und Hagebutten­sirup neben Milchschokolade und braunem nur der starke Alkohol hinzu, weshalb manche Leute immer Zucker mit einem gaumenfüllenden Finish.« Die Burgunder­ mit Wasser verdünnten, sagt Dr. Bill. Er selbst fügt vor dem fässer hätten dem Whisky mehr Körper, beerenartige und zweiten Schluck nur ein paar ­Tropfen ­Wasser aus der Pipette würzige Noten gebracht, die Süßweinfässer mehr Weichhinzu, damit sich die Sekundär-­Aromen ent­falten. Aber heit für die gewünschte Balance: »Nicht zu frech und nicht zu zahm.«

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elche einzelnen Aromastoffe dem Whisky durch das gebrauchte Weinfass aus französischer Eiche zugeführt werden, vermag William Lumsden nicht zu sagen. »Wir ­arbeiten dran.« Er weiß, wieviel ­würziger Pride 1981 nach zehn Jahren im Yquem-Fass schmeckte. Aber er ist sich noch nicht einmal sicher, ob er bei einer Blindverkostung einen im einfachen Sauternes-Fass nachgereiften Whisky von einem im Yquem-Fass gelagerten unter­scheiden könnte. Vielleicht bringt die Zukunft mehr Klarheit. Lumsden hat sein Labor in Edinburgh mit neuen Analyse-­Geräten aufgerüstet: »Ich würde gern die wichtigsten Geschmacksträger aus den Weinfässern herausfinden und dann Produkte wählen, mit denen ich das maximieren kann.« Doch letztlich entscheiden weiter Gaumen und Nase von Dr. Bill über die neuen Kreationen.  >

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Weingut Robert Weil – Riesling Großes Gewächs. Einer der Großen Weine der Welt.

www.weingut-robert-weil.com


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— das weing ut ômina romana —

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Der deutsche Unternehmer Anton F. Börner und seine Tochter Katharina verwirklichen ihre Weinidee im Latium —

Wir konzentrieren uns auf die Zukunft

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Mens et manus, Geist und Hand, lautet das Motto auf Ômina Romana, dem Weingut im ­italienischen Latium. Oder, wie Anton F. Börner sagt: Alle Arbeit fängt im Kopf an. Der ­deutsche

Unternehmer ist nicht nur der geistige Vater des Weinguts, er ist auch visionärer Pragmatiker. Mit seiner Tochter Katharina Börner hat er vor zehn Jahren in Velletri in den Albaner Bergen südlich von Rom sein Familienweingut gegründet. Besonnen, ambitioniert und mit großer Weitsicht.

Von Kristine Bäder Fotos Thilo Weimar

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s klingt etwas irritierend, wenn Anton Börner davon spricht, dass der italienische Sommer in diesem Jahr eiskalt sei. Zugegeben, es ist Ende Juli, und graue Wolken verhängen den Himmel über den Weinbergen des L ­ atiums, die T ­ emperaturen liegen bei etwa 26 Grad, und es regnet ungewöhnlich oft. Doch dass die Temperaturen in der Nacht tatsächlich unter 22 Grad fallen, entlockt ­Besuchern aus nördlicheren Breiten nur ein sehnsüchtiges Lächeln. Eiskalt ist für sie etwas anderes. Das Latium gehört nicht zu den Sehnsuchts­ gefilden unter den italienischen Weinbau­gebieten. Die Weinmarke Est!Est!Est! und der Frascati, ein einfacher Weißwein aus regio­nalen Sorten, sind wohl die bekanntesten Erzeugnisse. Umso

interessanter ist die Region historisch, nirgendwo Weißweine, die gewöhnlich in ebenso schlichten sonst gibt es so viele Sehenswürdigkeiten, denen Bistros und Restaurants der nahen Provinzhauptvon der UNESCO der Titel Weltkulturerbe ver­ stadt Latina ihre zumeist touristischen Abnehmer liehen wurde, und die Sommer­residenz des ­Papstes finden. in Castel Gandolfo ist ebenso bekannt wie die Die Weinberge von Ômina Romana bieten Abtei von Monte Cassino. eher das gewohnte Bild. Doch dahinter steckt Die einstündige Autofahrt von Rom zum Wein- eine ­Akribie, wie man sie wohl nur selten ­findet. gut Ômina Romana führt über enge Straßen und Tatsächlich ist Anton B ­ örner kein Risiko ein­ Feldwege durch ver­lassen wirkende Dörfer, an ver- gegangen, als er vor etwa zehn Jahren die Entscheieinzelten Gehöften und an Wein­bergen entlang. dung traf, ausgerechnet im Latium in ein Weingut Deren Rebstöcke stehen in der selten gewordenen zu investieren. Einer der beiden Gründe ist die Pergola-Erziehung, die man hier Tendone nennt. enge ­Bindung der Familie an Italien. Der UnterGranit­pfeiler stützen ein Blätterdach, in dessen nehmer ist mit einer Italienerin verheiratet, er und Schatten vor allem einheimische Trauben reifen. seine T ­ ochter Katharina, die im Weingut vor allem Aus diesen Trauben entstehen meist schlichte den Vertrieb und das Marketing leitet, sprechen

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Auf achtzig Hektar wurden die Rebstöcke mit exakt ausgemessenem Abstand von Hand gepflanzt. Nicht nur im Weinberg achtet Anton F. Börner auf Perfektion, auch die moderne Kellerei vor dem Gutsgebäude ist musterhaft. Dass im Latium auch hervorragende Rotweine gedeihen, belegen der Cabernet Sauvignon und der Merlot aus dem Jahrgang 2011.

fließend italienisch – ein Vorteil, der einiges in der Abwicklung vor Ort erheblich erleichtert. Der zweite Grund ist ein lang gehegter Familienwunsch, neben dem Kerngeschäft im Sanitärbereich auch in der Landwirtschaft aktiv zu sein. »Mein Urgroßvater hatte einen landwirtschaftlichen Betrieb und hat außerdem Haflinger-Pferde gezüchtet«, erklärt Anton ­Börner. Weil keiner der Söhne den Krieg überlebte, musste der Urgroßvater alles verkaufen, ein »familiärer Sündenfall«, sagt er heute. Auch seine Eltern hatten andere Pläne, und so blieb der Wunsch nach dem Landleben lange Zeit nur ein Traum. Doch Anfang der neunziger Jahre ergab sich eine Gelegenheit, ein Weingut in Italien zu er­stehen. Drei Angebote gab es in Gavi im Piemont. »Unsere Kinder waren damals noch klein, und meine Frau hat mir auch aus strukturellen Gründen von der Investition abgeraten.« Auch ein Betrieb in der Gascogne stand zum Verkauf, aber ein Erfolg in Frankreich erschien dem Unternehmer doch zu unrealistisch: »Als Deutscher hat man in Frankreich kaum eine Chance.« Im Jahr 2004 waren die Umstände besser dazu angetan, das Familienprojekt Landwirtschaft noch einmal anzugehen. »Mit fünfzig Jahren war ich deutlich entspannter, meine Nachfolge war ge­regelt, da kann man noch mal etwas Neues anfangen«, sagt Anton Börner. Die familieninterne Diskussion, in welche Art der Landwirtschaft man denn

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investieren solle, war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon ausgestanden. »Wein zu machen bedeutet, eine große Freiheit zu haben und die Möglichkeit, ein individuelles Produkt herzustellen. Wein hat ein persönliches Gesicht, kann eine Marke ­werden, und man kann damit in den g­ lobalen Markt gehen. Kein anderer landwirtschaftlicher Bereich bietet diese Möglichkeiten«, fasst er das Ergebnis der gemeinsamen Überlegungen zusammen. »Im 21. Jahrhundert ist das eine große Chance.« Dass er selbst ein passionierter Wein­liebhaber ist und über einen umfangreichen Weinkeller verfügt, ist da nur passend.

tyrrhenischen Meers, fünfzig Kilo­meter sind es auf der anderen Seite bis ins Gebirge. »Selbst im Hochsommer haben wir hier niemals Stauhitze«, erklärt Anton Börner. Der permanente Wind sorgt für eine Abmilderung der Temperaturen und für eine gute ine Zufallsbekanntschaft führte dazu, dass Durchlüftung der Weinberge. Die Böden sind vor Anton Börner die Gelegenheit erhielt, im allem durch den nahe gelegenen Vulcano ­Laziale Latium rund fünfzig Hektar Rebfläche zu er­werben. geprägt. »Der hat seine Lava einmal bis hierher in Das sollte auch der einzige Zufall in der Geschichte die Ebene gespuckt«, sagt Anton Börner. Sie sind von Ômina Romana bleiben, denn Anton B ­ örner daher sehr homogen: fruchtbare Vulkanerde mit ist zu sehr Geschäftsmann, als dass er sich ein Wein- einem hohen Tonanteil und vereinzelten sandgut aus reiner Liebhaberei gönnte. Es musste eine durchzogenen Zonen. Das alles war so überzeugend, Expertise her. Die Fachhochschule in Geisen­ dass Anton Börner die Chance nutzte und hier heim erstellte ein Gutachten – mit einem mehr kurzer­hand sein Weingut gründete: »Die ­Toskana als überzeugenden Ergebnis: »Man kann wohl oder eine andere bekannte Region wäre nie in Frage sagen, dass wir hier vom agrarwissenschaft­lichen gekommen. Was will man da schon be­wegen? Man Standpunkt aus eines des besten Terroirs in I­ talien muss viel zu viele Erwartungen erfüllen.« haben«, unterstreicht der Weingutsbesitzer nicht »Was wir hier machen, ist ein Familien­projekt, ohne Stolz. Boden und Klima profitieren von ausgerichtet auf das 21. Jahrhundert, mit viel den geo­graphischen Gegebenheiten. In zwan- Wissen­schaft und allem, was die moderne T ­ echnik zig Kilometern Entfernung verläuft die Küste des bietet, dabei so viel Bio wie möglich«, fasst Anton

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Börner zusammen. Kleine Brötchen zu backen siebzig Prozent davon rot. Die Ausrichtung der liegt ihm nicht, und so war der Weltmarkt schon Weinberge zur Sonne – rote Sorten nach Süden, beim Kauf der Rebflächen sein erklärtes Ziel. Vom weiße nach Westen – wurde festgelegt, und dann Aperi­tif bis zum Dessertwein will er die ganze wurde gepflanzt. Statt mit GPS-gesteuerten Palette anbieten und zwar auf einem Niveau, das Maschinen wurden die Reben von Hand gesetzt: es ihm ermöglicht, »in zehn Jahren weltweit zu den bis zu sechstausend Reb­stöcke pro H ­ ektar, in Reih Topweingütern« zu gehören. Ehrgeizige Pläne, die und Glied und mit exakt ausgemessenem Abstand. der umtriebige Weinliebhaber mit großem Engage­ »GPS ist zu ungenau«, erklärt Anton B ­ örner s­ einen ment verfolgt und umsetzt. perfektionistischen Anspruch. Jeder einzelne Rebstock ist katalogisiert, am Anfang einer jeden Reihe ür ein Jahr verwandelte er die Gegend um das helfen kleine Schilder, sich zu orientieren. Zwanzig heutige Weingut in eine Wüstenlandschaft: Wetterstationen, verteilt auf den inzwischen achtReben wurden gerodet, Wurzeln ausgegraben und zig Hektar Fläche, messen und dokumentieren alle Olivenbäume verpflanzt. Dann lag alles für einige wichtigen Daten zu Wind, Feuchtigkeit, TemperaMonate brach, und die Fachhochschule Geisen- tur und Photonen. »So sind wir immer genau inforheim trat wieder auf den Plan, empfahl Rebsorten miert, welche Bedingungen im Weinberg herrschen, und die besten Klone für die herrschenden Bedin- und können direkt eingreifen, wenn es not­wendig gungen. »Das Latium ist eine Weißweinregion, wir ist.« Anton Börner hat für seine Reben Konditiowollen aber international erfolgreich sein, deshalb nen nahe der Perfektion geschaffen. Dass er densetzen wir auf Rotwein.« Rund fünfundsechzig noch von der Natur abhängig ist, ist ihm mehr Prozent der ausgewählten Sorten sind international, als bewusst: »Wir leben hier mit der Natur. Dass

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sie uns relativ optimale Umstände bietet, ist ein Glück.« Jahre wie dieses mit überdurchschnittlich viel Regen und relativ wenig Sonne zeigen aber die Grenzen auf. Paula Pacheco, die Weinbergsmanagerin, der beratende Önologe Claudio Gori und der Kellermeister Simone Sarnà sind seine Garantie, dass

In den Weinbergen ist die Agrar­ technikerin Paula Pacheco zuhause. Mit dem beratenden Öno­logen Claudio Gori arbeitet sie eng zusammen. Der junge Kellermeister Simone Sarnà, der seinen Platz zwischen Barriquefässern und Edelstahltanks hat, ist fasziniert von den Möglichkeiten modernster Technik.

zeigt ihre Lieblingsaufnahme aus den Wein­bergen des Weinguts, eine Rebzeile voller bunter Blumen im Frühjahr mit einem zufällig zu einem Herzen geformten Blatt: »Das Bild sagt alles aus, was mich und meine Arbeit ausmacht.« Der Keller ist das Reich von Simone Sarnà. Der junge d ­ rahtige Mann mit dem m ­ odischen Bärtchen arbeitet mit modernster T ­ echnik zwischen Edelstahltanks und Barrique­fässern. Zusammen mit zwei Doktoranden der Universität in Florenz wurde hier ein neues Verfahren ent­wickelt. »Extra velvet« nennen die Mitarbeiter auf Ômina Romana die neue Technik. Dahinter steckt ein Edelstahltank, bei dem die Maische nach der Gärung nicht mehr

Kinder für mich, ehrlich gesagt, liebe ich die Arbeit mit ihnen fast noch mehr als den Wein.« Die Herausforderung, auf Ômina Romana zu arbeiten, sieht die lebensfrohe Halbitalienerin als große Chance, sich zu be­weisen. »Es geht darum, jeden Tag auch in den Details die Qualität im Blick zu haben, Risiken vorherzusehen und Fehler zu vermeiden. Anton Börner hat meine Perspektive sehr verändert. Und mir ganz klar gesagt, dass er hohe Ansprüche an mich stellt.« Ihre gute Ausbildung, ihre pragmatische Veranlagung und ihr »nicht typisch italienisches« Wesen haben ihr dabei sehr geholfen. Als Ausländerin und als Frau musste sie sich bei ihren Mitarbeitern den ­Respekt dennoch hart erarbeiten. »Es war nicht leicht, die Leute neu anzulernen«, erzählt sie von den An­fängen. die Weine auch unter solchen Wetter­bedingungen Grüne Lese und ein anderer Rebschnitt betrafen ­seinen Qualitätsansprüchen genügen. Die drei nur die Arbeits­prozesse, dass man die ausgerauchte arbeiten mit ihren Teams in den Weinbergen und ­Zigarette ebenso wenig im Weinberg entsorgt im K ­ eller sehr eng zusammen. »Jede Ent­scheidung, wie den Plastik­becher für den Espresso, sei fast die ich im Weinberg treffe, wirkt sich direkt auf noch schwieriger zu vermitteln gewesen. »Heute die Qualität der Weine aus«, stellt Paula Pacheco schätzen die Mitarbeiter die Kontinuität und die fest. Die in Argentinien aufgewachsene Agrar­ Zukunft, die sie hier auf Ômina Romana haben.« technikerin genießt es, mit modernster ­Technik Alle haben feste Arbeitsverträge, Aushilfen oder abgepresst, sondern durch sanfte Bewegung vom arbeiten zu können und zugleich eng mit der Natur Zeitarbeiter gibt es nicht. Manchmal arbeiten drei Wein getrennt wird. »Wir profi­tieren so von einer verbunden zu sein. »Ich lebe in den Weinbergen«, Generationen einer Familie auf dem Weingut. Wie intensiveren und l­ängeren Extraktion und verhinsagt sie fröhlich. »Meine Reben sind wie meine sehr Paula Pacheco mit ihrer Arbeit verbunden ist, dern möglichst den Sauerstoffkontakt«, erklärt der junge Kellermeister. Der Einfluss auf den Wein ist bei der vergleichenden Fassprobe deutlich zu schmecken: Die »extra velvet«-Weine sind, wie der Name erwarten lässt, samtiger am Gaumen, reifer, entwickelter. »Wir harmonisieren die Weine auf diese Weise, ohne ihre Lagerfähigkeit zu beeinträchtigen«, sagt Simone Sarnà.

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as alles dient nur einem Ziel: die Weinidee der ­ amilie Börner umzusetzen. »Ich mag keine F Bodybuilder-Weine. Deshalb möchte ich Weine mit Harmonie, Eleganz und Terroir-­Charakter«, sagt Anton Börner. Die Weine von Ômina Romana überzeugen mit komplexer, intensiver A ­ romatik, einer oft duftigen Note und eleganter Mineralität. Vor allem die jüngsten Fassproben zeigen eine ganz eigene und durchgängige Handschrift fernab von plumper Frucht- und Saft-­Stilistik, dafür mit floraler Prägung und stoffiger Art und r­ eifen, manchmal fast seidigen Tanninen. Großes Potential weist der Cabernet Franc auf, dem man auf Ômina Romana

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Faszination Dry Aged Beef

Unser Gourmondo-Fleischscout Rico Schlegel arbeitet mit nur wenigen, nach strengen Kriterien ausgewählten Rinderbauern aus Norddeutschland zusammen. Die Selektion der Rinder findet durch gezielte Überprüfung anatomischer Qualitätsmerkmale statt. Rico überprüft beispielsweise den Aufbau und die Struktur der Muskulatur der Tiere, die er für die Schlachtung und zur späteren Veredelung auswählt. Wir wählen dabei ausschließlich ausgewachsene weibliche Tiere, die niemals für die Milchproduktion genutzt wurden. Ihr Fleisch ist geschmacklich am intensivsten und vielfältigsten. Unsere besten Stücke reifen 35 Tage am Knochen in eigens konzipierten Reifekammern. Während der unter diesen optimalen Bedingungen langsam stattfindenden Reifung erhält das Fleisch sein unvergleichliches Aroma. Erst unmittelbar vor dem Versand werden die Großstücke geschnitten, und im Anschluss sofort vakuumiert. Dadurch erhalten wir das volle Aroma und liefern mit einer Haltbarkeitsdauer von mindestens 14 Tagen. Unser Fleisch ist absolut frisch und wurde nicht tiefgefroren. Bei Bestellungen an Werktagen bis 16:00 Uhr erfolgt die Anlieferung bereits am darauffolgenden Werktag. Entdecken Sie ihren Lieblingscut auf www.gourmondo.de/dry-aged, zum Beispiel: Tomahawk, T-Bone, Porterhouse, Côte de Boef, Ribeye, Club, …

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Bei aller Freude an Hightech und Wissen­ schaft setzt Anton F. Börner auch auf den traditionellen Ausbau in Barriques.

Bedingungen, unter denen er hier arbeiten kann, sondern auch von den Möglichkeiten, die das Latium bietet: »Die Region ist fantastisch.« Eleganz und Komplexität im Wein sind die ent­scheidenden Merkmale für ihn, diesen Ansprüchen ordnet er alles andere unter: den Zeitpunkt der Lese, den er mit Simone und Paula abspricht, die Wahl der Barriques, die Zusammenstellung der Cuvées. Zusammen mit Katharina Börner ist Claudio Gori viel auf Messen und Präsentationen unterwegs, um dem Weingut zu mehr Bekanntheit zu verhelfen, aber auch um ein Feedback zu erhalten, wie die Weine bei den Kunden ankommen. Gerade kehrt die junge Frau aus China zurück. »Dort kennt man hochpreisige Weine nur aus Frankreich, italienische Weine sind für China billig. Man muss tatsächlich Aufbauarbeit leisten«, erzählt sie. Ob allerdings Toskana oder Latium auf dem Etikett steht, sei völlig egal. Katharina Börner hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, und ihr Engagement galt ursprünglich nur dem Kerngeschäft in Ingolstadt. Nun teilt sie ihre Zeit zwischen Italien und Deutschland auf. »Ich kann mir aber inzwischen gut vorstellen, nur noch für das Weingut zu arbeiten«, gesteht sie. »Wein hat nun mal viel mit Genuss zu tun und daher auch viel mit Emotionen.« Ein Weingut außerhalb Italiens – darin ist sie sich mit ihrem Vater einig – wäre auch für sie undenkbar gewesen. »Man muss sich damit auch identifizieren können.« Sie kennt sowohl die italienische als auch die deutsche Mentalität und ist überzeugt, »die positiven Eigenschaften beider Länder in einem tollen Projekt« vereint zu haben.

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nton Börner steht auf einem der sanften Hügel, die die Landschaft am Fuß der A ­ lbaner Berge prägen. »Das alles hier ist auf einem w ­ eißen Blatt Papier entstanden«, sagt er mit Blick über sein Weingut. Er versteht sich einerseits als P ­ ionier einer Region und hat andererseits die Welt im Blick. in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen für mich persönlich sehr wichtig«, rühmt er. Und Und doch merkt man ihm an, dass ihn mit diesem will. Die Marken­philosophie des Weinguts ist Anton ­Börner gibt das Lob zurück: »Für mich ist Boden mehr ver­bindet. Die ersten Kapitel seiner eine Reminiszenz an die Region, an ihre ­Historie Claudio die perfekte Ergänzung zu meinem Team, Geschichte, der Geschichte der Familie Börner auf sowie an die europäischen ­Wurzeln und den inter­ er hat verstanden, worum es mir geht.« Der erfah- Ômina Romana, sind geschrieben. Auf die Fort­ nationalen Anspruch. »Wir haben ein junges Wein- rene Önologe ist nicht nur begeistert von den setzung darf man gespannt sein.  > gut ohne jede Vergangenheit, daher konzentrieren wir uns auf die Zukunft.« Ômina Romana versteht sich als europäisches Weingut, geprägt von europäischer Kultur. »Ein hoher geistiger Anspruch, hohe fachliche Kompetenz und die Möglich­keit, sich selbst verwirklichen zu können – das ist für mich euro­päisch«, sagt Anton Börner. Der stilisierte Phönix auf den Etiketten ist für ihn Sinnbild der Wiedergeburt des latinischen Weins. Auch die Namensgebung ist durchdacht: Ômina, der ­Plural des lateinischen Worts Ômen, und Romana als »römisches Vorzeichen« für den regionalen Bezug des Weinguts.

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laudio Gori ist der beratende Önologe ­dieser Philo­sophie, die für ihn mehr ist als nur eine Idee. »Was hier passiert, ist etwas Besonderes«, betont er. »Für mich als Önologen ist das eine wunder­bare Erfahrung, sehr komplex und auch

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Der Riesling – Weingut Robert Weil DIE Geschichte des Spitzenweinguts Der epochale Bildband erzählt die Erfolgsgeschichte des Traditionsweinguts, das heute zur internationalen Weinelite gehört. Er ist eine Hommage an den R ­ iesling, der es dorthin geführt hat. Über den Zeitraum eines ganzen Jahres begleitet das Buch die Arbeit in Weinberg und Keller. Der Leser sieht die Frucht reifen und ist bei der Handlese im Gräfen-, Kloster- und Turmberg mit dabei. Verkostungs­ notizen geben einen Überblick über das einzigartige Qualitätsspektrum der Weine von trocken bis edelsüß. 256 Seiten | 28,0 × 29,0 cm | Hardcover

ISBN 978-3-944628-47-9

Planet Riesling Stuart Pigott – Eine Hommage an den Riesling In diesem einzigartigen Weinratgeber stellt Stuart Pigott die weltbesten W ­ inzer, Sommeliers und Gastronomen vor, die sich – wie er selbst – dem Riesling v­ erschrieben haben. Pigott reist zu den großen Riesling- Anbaugebieten der Welt – von Nordamerika und Kalifornien nach Australien, Neuseeland und Südamerika bis in die Schweiz, nach Norditalien und natürlich auch Deutschland – und b ­ erichtet unterhaltsam und gut verständlich über Weingeschichte und Geschmackserlebnisse bei der Weinverkostung. 280 Seiten | 20,0 × 25,0 cm | Hardcover

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Lohn der Keuschheit Die Hopfenblüte Von Bernd Fritz

Beschäftigt man sich mit den Gemeinsamkeiten von Bier und Wein, stößt man in Bezug auf die Agrikultur sogleich auf Trennendes: Von Wein­anbau­gebieten redet alle Welt, von Bieranbaugebieten niemand. Verlegt man sich indessen auf eine für das Bier ­konstitutive

aus Hüll ermöglichten den vom Reinheitsgebot in ihrer Kreativität eingeschränkten deutschen BrauZutat, den H ­ opfen, sieht die Sache schon anders aus: Beide, die Weinberge wie die meistern die fruchtigsten Bierschöpfungen. Hinzu Hopfen­gärten, haben nicht wenig gemeinsam und sind insbesondere für die je­weilige ­traten in jüngster Zeit die sogenannten FlavorHopfen, die den Riechkolben des Genusstrinkers Landschaft prägend. in ein Entzücken versetzen wie sonst nur buketties wird, was das Bier betrifft, nirgends Blütenblätter, in dem die Hopfenbittere steckt mit- reiche Weißweine. S ­ orten mit verheißungsvollen anschaulicher als in der ­Hallertau, dem samt den Hopfenölen und was sonst für Haltbar- Namen wie »Mandarina ­Bavaria«, »Huell Melon« ­größten zusammenhängenden Hopfen­anbau­gebiet keit, Geschmack und Aroma des Biers sorgt. Damit oder »Hallertau Blanc« lassen Bukett-Biere zu, der Welt, gelegen im Bayrischen rechts der Donau ist es vorbei, wenn die Dolden Samen tragen. die nach Mandarinen und Orangen duften, nach zwischen Ingolstadt und Regensburg. Immer ­wieder Dergleichen ist schnell passiert, denn die Honigmelonen und Aprikosen oder nach Stachelwerden hier Wiese und Wald ab­gelöst von streng ­Herren Befruchter voll­bringen ihr verderbliches beeren und Mango. recht­eckigen, in exakter Parallelität ge­musterten Werk auch aus der Entfernung – mit Hilfe des Und das alles mit Hilfe maskulinen BlütenPflanzungen, nicht unähnlich den Wein­bergen, Windes –, weshalb sie praktisch in der gesamten staubs! Ohne den der feminine Klon-Hopfen noch doch mit sieben Metern fast viermal so hoch. Hallertau aus­gejätet werden. Zur Vermehrung wird so einfältig riechen würde wie vor zwölfhundert Gewiss, auch Vitis v­ inifera, die Weinrebe, würde der maskuline Hopfen auch nicht benötigt, diese ­Jahren, als die Hallertauer Hopfengärten erstmals diese Höhe packen, wenn man sie ließe, aber die wird vegetativ erledigt, indem Teile des weiblichen urkundlich erwähnt wurden. Weinbauern lassen sie nicht – sie w ­ ollen schließ- Wurzelstocks weggeschnitten (kloniert) und einlich wein­taugliche T ­ rauben e­ rnten und keine Blüten. gepflanzt werden. Das kann gefahrlos geschehen, un zu dem Schicksal der bereits angesprocheAuf die aber haben es die Hopfen­bauern abgesehen, denn die untere Etage der Hopfinnen ist eminent nen überzähligen Hopfentriebe. Sie w ­ erden und so kann Humulus lupulus, der Hopfen, sich an produktiv: Sechzig und mehr neue Triebe ­sprießen nicht etwa entfernt und kompostiert oder den seinem Aufleitdraht in den Himmel schlingen und daraus jedes Jahr, wo doch nur drei den Draht hoch ­Schweinen vorgeworfen – sondern im Frühling, Meter um Meter Dolden über Dolden bringen. dürfen. (Was mit den überzähligen geschieht, dazu wenn sie knapp unter die Erdober­fläche r­ eichen, von Ein äußerst fruchtbarer Schlingel mithin resp. später mehr.) Hand gestochen und als Hopfenspargel verkauft. eine Schlingelin. Denn der Hopfen ist zwei­häusig, Einen Ort freilich gibt es, wo die hopfige Die Nachfrage nach dem kuriosen Edel­gemüse ist das heißt er teilt sich in männliche und weibliche Männlichkeit nicht nur unbehelligt bleibt, son- groß, der Preis mit 60 Euro das Kilo stattlich. Im Pflanzen. Im Unterschied zum einhäusigen Wein- dern sogar hochgeschätzt ist: in der Hallertauer Geschmack sind die ­Sprossen angenehm nussig, stock, der zwittrige Blüten hat und damit ganz Hopfen­kapitale Wolznach, genauer im Ortsteil von Bitterkeit keine Spur. Die ­bayerische Gastronebenbei die geschlechterliche Wunschquote Hüll. Dort bemüht sich das ­Bayerische ­Institut für nomie hat viele Rezepte er­sonnen und stellt gern von fünfzig erfüllt. Die Hopfengärten hingegen Pflanzenzüchtung ständig um neue Hopfensorten, Bier dazu, vorzugsweise das mit »­Mandarina Bava­weisen eine nachgerade ultrafeministische Traum- die nun einmal (ganz wie bei Vitis vinifera) nur ria« gehopfte Pale Ale der Regensburger Spital­ quote auf: Hier klettern und blühen ausschließ- aus ­Kreuzungen hervorgehen. So ist in den ­letzten brauerei. Es machen sich aber auch hervorragend lich H ­ opfinnen. Kein Hopferich darf auch nur in Jahrzehnten eine breite Palette von Humulus ein schlanker fränkischer Silvaner oder ein badidie Nähe kommen, denn nur die jungfräulichen ­lupulus entstanden, die den Erträgen der Hopfen- scher Grau­burgunder, womit eine weitere schöne ­Blüten besitzen, was der Bierbrauer haben will: das bauern sowohl wie der geschmack­lichen Vielfalt der Gemeinsamkeit von Bier und Wein gefunden wäre: Lupulin. Ein gelbliches Sekret aus den Drüsen der Biere sehr bekam. Insbesondere die Aromasorten als Hopfenspargelbegleiter.  >

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Foto: Gross Petr Foodcollection, strandperle.biz

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Marchesi Antinori DAS Weinbuch des Jahres Solaia, Tignanello oder Guado al Tasso – diese Namen lassen die Herzen von Weinliebhabern weltweit höher schlagen. Sie stehen für den Erfolg der floren­ tinischen Familie Antinori, die seit 26 Generationen Weinbaugeschichte schreibt. Das Buch erzählt die Geschichte der Familie und beschreibt die historische ­Bedeutung, die das Unternehmen Marchesi Antinori für den italienischen Weinbau bis heute hat. 240 Seiten | 28,0 × 29,0 cm | Hardcover

ISBN 978-3-944628-20-2

Château Mouton Rothschild DAS Kunstbuch des Jahres Kaum ein anderer Name zaubert ein solches Leuchten in die Augen von Wein­ enthusiasten wie Château Mouton Rothschild aus Pauillac. Aber auch Freunde und ­Kenner der zeitgenössischen Kunst haben ihre Freude an den Flaschen. Seit 1924 lässt das Château die Jahrgangsetiketten des Premier Grand Crus von zeitgenössischen Künstlern gestalten. Der hochwertige Bildband enthält alle Weine und Etiketten von 1924/1945 bis 2011. 304 Seiten | 28,0 × 29,0 cm | Hardcover

ISBN 978-3-944628-39-4

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