Fine Das Weinmagazin 4|2014 – Leseprobe

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WEI NMAGA ZIN

Wodka Belvedere

Der Bremer Ratskeller

Riesling Jahrgang 2004

Anne-Claude Leflaive

Grosse Weine vom Ätna

Château Latour

Top-Region Rheingau D

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RANGE ROVER LONG WHEELBASE

DAS MAXIMUM AN KOMFORT Einzigartiges Design und die typische Land Rover Leistungsfähigkeit zeichnen auch den Range Rover in der Langversion klar aus. Werfen Sie einen längeren Blick in seinen großzügigen, detailreichen Innenraum und entdecken Sie schier endlose Eleganz. Der Range Rover Long Wheelbase bietet seinen Gästen maximalen Reisekomfort – der nie aufhört. landrover.de

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4/2014

12 Château Latour

28 Billecart-Salmon

38 Roederer Cristal

46 Sizilien

60 Anne-Claude Leflaive

88 Der Bremer Ratskeller

96 Wodka Belvedere

106 Vier Rheingauer Winzer

132 Spätburgunder vom Höllenberg

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102 Der Rheingau

120 Die Große Lage Gräfenberg

144 Gunter Künstler

20 Dom Pérignon 9

F INE Editorial

Thomas Schröder

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F INE Bordeaux

Das neue Marketing-Konzept von Château Latour

20

F INE Champagne

Das Geheimnis des Dom Pérignon

28

F INE Champagne

Das etwas andere Champagnerhaus Billecart-Salmon

38

F INE Champagne

Die Geschichte des Roederer Cristal

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F INE Sizilien

Die großen Weine [1]: Rund um den Ätna

60

F INE Frauen im Wein

Anne-Claude Leflaive

66

F INE Wein & Speisen

Jürgen Dollase im Gut Lärchenhof in Pulheim

74

F INE Weinwissen

Christian Göldenboog über die Kirschessigfliege

76

F INE Tasting

Die trocknen Rieslinge des Jahrgangs 2004

84

F INE Das Große Dutzend

Der Solaia der Tenuta Tignanello

88

F INE Wein und Zeit

Der altehrwürdige Bremer Ratskeller

94

F INE Die Pigott Kolumne

Die weltweite Riesling-Revolution

96

F INE Wodka

Der polnische Premium-Wodka Belvedere

102

F INE Rheingau

Die Heimat feinster Rieslinggewächse

106

F INE Rheingau

Die Erneuerer einer alten Weinregion. Vier Beispiele

120

F INE Rheingau

Die Große Lage Gräfenberg und der Winzer Wilhelm Weil

126

F INE Rheingau

Die Spätlesen von Schloss Johannisberg

132

F INE Rheingau

Die Spätburgunder vom Assmannshäuser Höllenberg

138

F INE Rheingau

Die Ideenfülle des Christian Ress in Hattenheim

144

F INE Rheingau

Die Naturliebe des Gunter Künstler in Hochheim

152

F INE Wein und Kritik

Folge III: Der Trend, das Terroir und das Trinkvergnügen

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F INE Das Bier danach

Weingut – Bier gut

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F INE Abgang

Ralf Frenzel

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Zum Wohl des Weinbergs: Vor dem kompakten Turm, dem Wahrzeichen von Château Latour, zieht ein robustes Ackerpferd den Pflug durch die Rebzeilen.

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Alleingang Mit seinem neuen Marketing-Konzept macht sich Château Latour im Bordelais nicht nur Freunde Von Christian Volbracht Fotos Johannes Grau

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Das Geheimnis

des Dom Von Kristine Bäder Fotos Guido Bittner

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Pérignon Im charmanten Plauderton bringt Richard ­Geoffroy, seit mehr als zwanzig Jahren Kellermeister bei Dom Pérignon und Botschaf­ ter des Champagner­hauses, seinen Tischpartnern bei einer außer­ gewöhnlichen Fine-Verkostung nicht nur die Faszination Dom ­Pérignon näher, sondern auch seine Vision eines großen Champagners.

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C h a m p a g ne

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ERÖFFNUNG IM HERBST 2015


silberball.com


Eine önologische Rundreise zu den grossen Weinen Siziliens Teil 1: Rund um den Ätna

Von Michael Schmidt Fotos Thilo Weimar

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»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen.« Die Wahrheit dieses Gedicht­ anfangs von Matthias Claudius gilt heute wie vor zweihundert Jahren. Doch die Fortsetzung »Drum nahm ich meinen Stock und Hut und tät das Reisen wählen« bedarf zumindest in Anbetracht der Orts- und Straßenbeschilderung Siziliens dringend einer Aktualisierung: »Doch sollte man sein Auto nie ohne ein Navi wählen«. Manchmal kann man aber selbst solchen Widrigkeiten Glanz abgewinnen: Bin ich denn außer mit neuerworbenem Wissen über den Qualitätssprung der sizilianischen Weine nicht auch noch mit fundierten Kennt­ nissen der ver­schlungensten Feldwege am Ätna zurückgekommen?

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Welche Weinregion der Welt hat schon einen aktiven Vulkan vorzuweisen? Auf dem einzigartigen Terroir, der schwarzen Vulkanerde, fühlt sich nicht nur Dornengestrüpp wohl. Für die Unvergleichlichkeit der Weine vom Ätna sind neben dem Boden auch das Klima, die Rebsorten und nicht zuletzt die Winzer als deren Interpreten wesentliche Faktoren.

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ass Sizilien gegen Ende des 20. Jahrhunderts, ermutigt von einer schier unerschöpflichen Subventionsfreude der Europäischen Union, seine Weinproduktion ohne jede Rücksicht auf Nachfrage zu Höchstleistungen ankurbelte, hat sich derart ins kollektive Gedächnis ein­gemeißelt, dass man heute der Botschaft von einer neuen spannenden Weinkultur auf der größten Insel des Mittelmeers nur zögerlich Glauben zu schenken beginnt. Natürlich ist die Gegend um den Ätna dazu prädestiniert, höchstes Aufsehen zu erregen, denn welche andere Weinregion der Welt hat einen aktiven Vulkan vor­zuweisen? Zu Zeiten der Massenproduktion machte man von diesem Sonder­ status jedoch wenig Auf­hebens, denn Mengen ließen sich auf den Ebenen und im Flachland besser erzeugen. Dass es mit dem ­Terroir am feuerspeienden Berg aber doch etwas Beson­ deres auf sich hat, wurde schon 1968 dadurch gewürdigt, dass der Ätna als erste Weinbauregion Siziliens mit der Ein­stufung als ­Denominazione di Origine Controllata (DOC) bedacht wurde. Die Qualitäts­schlacht wird heute aber nicht nur im nord­ östlichen Teil der Insel geschlagen, sondern unter anderem auch in Trapani und Alcamo im Westen, im Agrigento im Süden, in den ­Provinzen Palermo und ­Caltanissetta und in Cerasuolo di Vittoria im Südosten, der einzigen D ­ enominazione di ­Origine ­Controllata e Garantita (DOCG). Dass viele dieser Weine nicht unter die Ursprungsbezeichnungen DOC oder DOCG fallen, sondern in die erst 2011 eingeführte Kategorie für Land­ weine, Terre Siciliane Indicazione Geo­grafica Tipica (IGT), steht nicht für geringere Qualität, sondern dafür, dass sich manche Erzeuger die größeren Freiräume dieser Appellation zunutze machen wollen. Für den Normalverbraucher wurde mit der neuen Bezeichnung allerdings wahrscheinlich mehr Ver­wirrung als Klarheit geschaffen, da es schon vorher eine inselweit geltende Sicilia IGT gab, die 2011 rundum zur DOC Sicilia befördert wurde. Dass das Weinbaugebiet um den Ätna zu Recht seine eigene Appellation trägt, demonstrierte der Berg schon auf meiner Anfahrt von Catania mit einem wahren Inferno: Ein Wolkenbruch, prasselnder Hagel und im Zweiminutentakt zuckende Blitze führten die Vorstellung von Sizilien als einer unter Trocken­heit, Hitze und Wassermangel leidenden Insel ad absurdum. Dann fiel mir auch noch ein, dass die letzte E ­ ruption

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des Vulkans weniger als ein Jahr zurücklag. Die Befürchtung, wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, sollte sich aber nicht bewahrheiten. Dagegen bewies das ­frische Grün der Flora im strahlenden Sonnenschein des nächsten ­Morgens, dass hier für die in vielen Weinbergen Siziliens übli­ chen Bewässerungs­systeme kein Bedarf besteht. Man sollte sich aber durch die selbst Anfang September mit Schnee bedeckte Bergkuppe nicht täuschen lassen: Auf der Südseite können die Temperaturen auch im Herbst noch 40 Grad erreichen. Wes­ halb sich die besten Lagen an den mit gemäßigteren Tempera­ turen gesegneten nord- und nordöstlichen Hängen zwischen sechshundert und tausend Metern Höhe befinden. Temperatur und Niederschlag allein sind natürlich nicht die einzigen Faktoren, nur im Zusammenhang mit Rebsorte, Boden und dem Winzer als deren Interpreten kann die Einzig­ artigkeit einer Lage definiert werden. Der Begriff des Terroirs mag in den letzten Jahren etwas überstrapaziert worden sein, weshalb er bei so manchem Wein­ kritiker oder -kenner fast so etwas wie eine Trotzreaktion her­ vorgerufen hat, ganz nach dem vor einiger Zeit in Australien verbreiteten saloppen Credo: Terroir is just a piece of dirt – ­Terroir ist nur ein Haufen Dreck. Nirgends sonst gibt es wohl ein geeigneteres Stück Land als die Weinberge des Ätna, um das Gegenteil zu beweisen. Selbst innerhalb einer einzelnen Lage wechseln hier die Strukturen, oft ganz abrupt, von ­Parzelle zu Parzelle. Man muss nicht geologisch vorgebildet sein, um zu verstehen, dass diese Unterschiede darauf zurück­zuführen sind, wie stark der jeweilige Vulkanausbruch war, wieviel Masse heraus­geschleudert wurde und wie weit sich die Lavaströme er­gossen. An manchen Schichten konnte der Zahn der Zeit tausend oder mehr Jahre nagen, während andere von den aller­ jüngsten ­Eruptionen stammen.

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elbstverständlich ist es nicht nur die einzigartige Erd­unter­ lage, die den Gewächsen des Ätna ihren besonderen Aus­ druck verleiht. Nerello mit seinen Spielarten Mascalese und Cappuccio bei den Roten sowie Carricante und Cattaratto bei den Weißen sind die Sorten, die in einer über Hunderte von Jahren perfektionierten Symbiose mit den vulkanischen Böden einen unnachahmlichen Charakter entwickelt haben.


Sicher werden hier auch anständige Syrahs, Cabernets und Merlots gemacht, ab und an auch mal ein Chardonnay, aber sie bleiben doch austauschbar. Mit dem Nerello und dem Ätna haben sich zwei gefunden, die einander so vollkommen ergän­ zen können, dass man an der Spitze so berechtigt von Welt­ klasse sprechen darf wie bei Syrah und Hermitage oder Pinot Noir und Côtes de Nuits. Der Nerello ist eine erstmals im 18. Jahrhundert schriftlich erwähnte autochthone Sorte des Ätna, ihre noblere Spielart Mascalese ist nach dem vermutlichen Ursprungsort Mascali in der Nähe der Küste benannt. Eine DNA-Analyse aus dem Jahr 2010 hat ergeben, dass es sich bei ihr mit großer Wahrschein­ lichkeit um einen natürlichen Abkömmling von Sangiovese und Mantonico Bianco handelt. Viele der heute auf etwa vier­ tausend Hektar im Nordosten der Insel angepflanzten NerelloMascalese-Reben haben sich bei einer weiteren Untersuchung als Kreuzungen des ursprünglichen Klons mit vier oder fünf anderen bisher unbestimmten Sorten aus den örtlichen Wein­ bergen ergeben. In den höheren Lagen erreicht der Mascalese oft erst gegen Ende Oktober seine volle Reife, wobei er wegen seiner kompakten Traubendichte bei ungünstigeren Wetter­ bedingungen für den Echten Mehltau oder durch Botrytis ver­ ursachte Fäulnis anfällig sein kann. Der Nerello Capuccio genießt nicht ganz den Ruf des ­Mascalese und bringt etwas weichere und weniger präzise Weine hervor. Man könnte seine Rolle ein bisschen mit der des Merlot in den Grands Crus von Bordeaux vergleichen. Dass er sich vom Mascalese ableitet, ist bewiesen, unbekannt sind die übri­ gen Ahnen. Nur zwei Winzer in Sizilien erzeugen einen reinen Capuccio-Wein. Außerdem stehen noch einige der landes­weit sechzehnhundert Hektar in Kalabrien. Wenn Nerello die rote Vorzeigesorte des Ätna ist, dann darf man Carricante trotz eines Anteils von nur vier Prozent den weißen Gegenpol nennen. Alle Weißweine, die das DOC-­ Siegel Etna Bianco tragen, müssen mindestens sechzig Prozent der Sorte enthalten. Eine Tendenz zu hoher Säure kann manch­ mal ein Problem werden, weshalb der Carricante relativ spät gelesen wird. Zudem hat er eine notorische Abneigung gegen den biologischen Säureabbau. Von diesem Problem wusste der floren­tinische Archäologe Domenico Sestini schon 1774 zu

berichten, der sich jahrzehntelang dem Studium der siziliani­ schen Weinkultur widmete. Während man zu seiner Zeit den ­Carricante über die Wintermonate auf der Hefe lagern ließ, um ihn dann mit der Wärme des Frühlings zur malolaktischen Gärung zu ermuntern, versucht man heute, dieselbe Wirkung mit der Mikro-Oxygenation zu erzielen,die durch den fran­ zösischen Berater-Guru Michel Rolland bekannt wurde. Die profunde Säure ist auch ein Grund, warum der Carricante oft mit anderen einheimischen Sorten wie Catarratto, Inzolia und Minella Bianca verschnitten wird, obwohl er unter idea­ len Bedingungen ganz auf sich allein gestellt Weine mit flora­ lem Duft, lebendiger Frische, köstlichen Zitrusnoten und feiner Mineralität hervorbringen kann. Die erste namentliche Erwähnung des Catarratto Bianco als sizilianische Traubensorte findet man schon 1696 in Francesco Cupanis »Hortus Catholicus«. Mehr als vierzigtausend Hektar allein in Sizilien untermauern ihren Ruf als Lieferant für Massen­ ware, aber bei zurückhaltenden Erträgen kann sie durchaus einen wertvollen aromatischen Beitrag leisten, wie einige der besten Weißweine aus Trapani, Palermo, Agrigento und nicht zuletzt vom Ätna beweisen. Unweit des Städtchens Randazzo, das in seiner Geschichte zweimal fast der totalen Vernichtung anheimfiel – einmal durch die Pest im 16. Jahrhundert, das andere Mal durch eine massive Bombenattacke der Alliierten im Zweiten Weltkrieg –, liegen die Weingüter Terre Nere, Cottanera, Firriato und Cantine Russo nur wenige Minuten Fahrt voneinander getrennt.

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DANIEL DECK ER S  WEIN UND ZEIT XIII

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Allerheiligsten

der deutschen Weinkultur Der Bremer Ratskeller

Fotos Marco Grundt

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Unterirdische Weihestätte

Abbildungen: Staatsarchiv Bremen

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s duftet. Doch wonach? Feuchtigkeit liegt in der leicht temperierten Luft, aber nach Moder oder gar Schimmel, wie er einige Meter unter dem Pflaster Bremens zu erwarten wäre, riecht es nicht. Auch die zwölf gleichmütig brennenden Kerzen geben nichts her als das schwache Licht, das den fensterlosen Raum erhellt. Der betörende, an konzentriert-öligen Honig und zarte Rauch­ noten gemahnende Duft muss den zwölf Holzfässern entströmen, die dem ehrfürchtig Staunenden zur Rechten wie zur Linken das Geleit geben. Sieben von ihnen sind noch spundvoll mit Wein – doch mit welchem? Nicht Jahre ist er alt, auch nicht Jahrzehnte. Mehr als zwei Jahrhunderte sind vergangen, seit die ältesten der hier lagernden Weine ihren Weg vom Rhein und von der Mosel in den Apostel-Keller fanden, die Vorhalle des heiligsten aller heiligen Orte des deutschen Weins. Einst hatte Wilhelm Hauff mit den Aposteln und ihren Weinen eine lange Nacht verbracht. Doch der schwäbische Dichter, dem danach nur noch ein Jahr zu leben vergönnt war, blieb nicht allein. In seinen »Phantasien aus dem Bremer Rats­keller«,

Ausgebufft: Die Bremer Weinordnung des Jahres 1635 bestätigt das Rheinweinmonopol des »erbar Rahts«, 1804 müssen Rheinweine und andere Kostbarkeiten herhalten, um die Franzosen günstig zu stimmen.

die er im Jahr 1827 zu Papier brachte, schwang die alte Rose, wie der Keller daneben heißt, das Tanzbein, und selbst der steinerne Roland verließ kurzentschlossen seinen Posten vor dem Rathaus, schaute auf ein paar Gläser Wein vorbei. Denn was wäre der Apostel-Keller mit seinen Weinen, wenn er den Gast nicht einstimmte auf jenen Raum, in dem das Rosen-Fresko an der hohen Decke seit dem Jahr 1602 über das Kostbarste wacht, was die Bremer Weinherren in deutschen Gefilden erstanden, damit die für ihre Weinkultur hochberühmte Hansestadt es sich zur Zier und ihren Gästen zur Ehre gereichen ließe. 1653er Rüdesheimer prangt auf jenem geheimnisvollen, von der Zeit dunkelgegerbten Fass, das vor der Stirnseite des Rose-­ Kellers wie ein Gral alle Blicke auf sich zieht. Und wo ruhen der 1731er und der 1723er Mosel, nicht zu reden von den Rüdesheimern aus den Jahren 1666 und 1748? Als wollten sie dem 1653er nur ver­stohlen Spalier stehen, geben sie sich erst dem zu erkennen, der »sub rosa« steht. 1405 ist das Jahr, in dem die Geschichte jenes Ratsweinkellers offiziell beginnt, der n ­ iemals zer-

Ausgetanzt: Auch im Wien des Jahres 1814/15 und bei dem englischen Diplomaten Cockburn verfehlen »Hocks«, Weißweine vom Rhein, ihre Wirkung nicht.

stört und niemals bis auf den letzten ­Tropfen geplündert wurde. Mochte die Bremer Kaufmannschaft schon immer in französischen Weinen machen, so wie die Hamburger und die Lübecker oder so wie die Danziger zu Hochzeiten der Hanse in spanischem Wein – keine norddeutsche Hansestadt lag günstiger zum Rhein hin als die mittel­alterliche Bischofsstadt, in der freilich die Bürgerschaft schon früh das Sagen hatte. Was sie zu Wasser oder zu Land vom Rhein kommen ließ, musste den Weg durch den Ratskeller nehmen, um getrunken oder gehandelt werden zu dürfen. Nicht nur den alltäglichen Weinverfälschungen wollte man vorbeugen und den Ruf des Bremer Rheinweins von jedem Makel rein halten. Gleich ob er an Ort und Stelle verzapft wurde oder seinen Weg nach England, Skandi­navien und später nach Amerika fand – die ­Steuern und Abgaben, die auf dem Wein lagen, waren die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, der Wein mithin Garant der Bremer Freiheit. Oft schon wäre es um ein Haar mit dem Ratskeller vorbei gewesen. In Hamburg und Lübeck hatten Napoleons Leute kurzen Prozess gemacht. Die Ratskellerweine waren versteigert worden, der Erlös half die Kriegskasse zu füllen. Den Bremer Weinen blieb dieses Schicksal erspart, obwohl die Franzosen von 1806 bis 1813 in der Stadt das Sagen hatten. 1945, zur amerikanischen Besatzungszeit, ging etwa im Wiesbadener Kurhaus das unendlich kostbare Flaschenweinmuseum verloren. In Bremen waren die Apostel- und Rose-Weine den Blicken der Befreier sorgfältig verborgen worden – dank eines amerikanischen Soldaten, so berichtet es Rats­keller­ meister Karl-Josef Krötz. Als der Held den Ratskeller nach Jahrzehnten nochmals besucht habe, sei alles so gewesen wie damals, im Frühjahr 1945. Der Dank des Senats in Gestalt einer Flasche 1727er Rüdesheimer Apostelwein war dem Mann gewiss. So aber stehen auch wir an jenem aller­heiligsten Ort der deutschen Weinkultur, lassen uns be­tören von dem sonnengetränkten Duft von Jahr­hunderten und beginnen zu phantasieren.

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» Ich bin ein RoggenMädchen« 96

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Claire Smith, die Londoner Mixologin, mischt den polnischen Premium-Wodka Belvedere auf Von Christian Volbracht

Wodka – Männersache? Für einen der Top-Wodkas der Welt ist der Gaumen einer jungen Engländerin verantwortlich. Claire Smith, ehemalige Barkeeperin mit Jurastudium, stieg im Luxuskonzern LVMH zur Kreativ-­ Chefin für Belvedere-Wodka auf. Modern, aber der polnischen Wodka-Tradition verpflichtet, kreiert sie die verschiedenen Geschmacksrichtungen der Marke. Sich selbst nennt sie ganz einfach »the Rye-Girl«, das Roggen-Mädchen.

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s klingt ein bisschen wie »Bond-Girl«, wenn die aparte junge Frau das in der Bar des Sofitel in Danzig sagt, einem Hotelpalast an der Badeküste der Stadt. Sie hätte an die Seite von Superagent James Bond passen können, der so viel dazu beitrug, dass Wodka das alte Image als Billig-Alkohol ab­gelegt hat. Denn Bond-Bücher und -Filme sorgten dafür, dass der Wodka-Martini sich neben dem klassischen Martini mit Gin ­etablieren konnte. Im ersten Bond-Roman »Casino Royale« aus dem Jahr 1953 ließ der trinkerfahrene Autor Ian Fleming seinen Helden einen »Vesper«-Martini mit Gin und Wodka ordern, im Champagnerglas statt im traditionellen Cocktailspitz. Später orderte der Leinwand-James-Bond fast immer Wodka-Martinis ohne Gin – immer geschüttelt und nicht gerührt. Ian Fleming ließ den Agenten sogar einmal ausdrücklich Wodka aus Polen oder Russland verlangen – und einen Barmann sagen, dass aus Roggen gebrannter Wodka der beste sei. Das passt wunderbar zur Marketing-Strategie von Belvedere und zur Wodka-Philosophie von Claire Smith. Mit ihr lerne ich die Welt der edlen und wohlschmeckenden Roggen-­Wodkas bei einer Reise »vom Getreidekorn bis zur Flasche« kennen, von Danzig zu den Roggenfeldern in der masowischen Ebene bis zur Brennerei und Abfüllung im Westen von Warschau. Claire Smith, die attraktive junge Londonerin, hat an der Nottingham Trent University Jura studiert. »Das brachte mich zum Trinken.« Kein Scherz – in einer bekannten Bar in Nottingham erlernte sie während des Studiums das Cocktail-Mixen, gleich nach dem Jura-Examen zog sie in der Uni-Stadt eigene Cocktail-Bars auf. Es folgte eine Karriere als Mixologin mit zahlreichen Bartender-Wettbewerben und 2001 ein Sieg beim größten britischen Cocktail-Wettbewerb.

Fotos: Wodka Belvedere

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ie Juristerei gab sie ganz auf, arbeitete als »WodkaBotschafterin« für verschiedene Marken und kehrte dann nach London zurück, um in angesagten Bars wie Lonsdale oder der Rockwell-Bar im Trafalgar-Hotel zu ­arbeiten. Als Sechsundzwanzigjährige wurde sie schließlich 2003 von Moët Hennessy in England als Wodka-Botschafterin engagiert, stieg auf zur internationalen Kommunikations-Managerin und schließlich zur Kreativ-Chefin mit dem schönen Titel »Head of Spirit Creation & Mixology«. Ein vielfältiger Job mit der Verantwortung für den Belvedere-­ Wodka, der auf Wikipedia unter Verweis auf immer neue

Auszeichnungen unwidersprochen als »der weltweit beste« bezeichnet wird. Früher von New York, jetzt von London aus reist sie alle paar Wochen nach Polen in die Belvedere-­Brennerei und zu Promotion-Tours. Ideen und Anregungen holt sie sich oft bei den Bartendern, die sie auf ihren Reisen trifft. In Polen ist Wodka ein Teil der nationalen Kultur, aber einen Markt für teure Super-Premium-Wodkas gibt es nicht. Auch ist die Alkohol-Werbung in den Medien verboten. So zeigt man sich hier in besonderen Locations wie einer exquisten Dach-Bar unweit des Grandhotels am Vergnügungsstrand von Gdansk. Zum Wodka on the Rocks mit Gurken­scheiben oder Grapefruitschale schauen wir durch Glasfenster mit Belvedere-­ Gravur aufs Meer. In der Mitte der weiten Bar mit Holz­ fußboden und weißen Sitzgarnituren steht kurioserweise eine Dusche. Barmann Mateusz verrät: »Die bauen wir auf, wenn

Seit James Bond hat Wodka das Image als Billig-Alkohol abgelegt. Aus Roggen gebrannter Wodka soll der beste sein. Das wusste auch der Barmann, der dem Geheimagenten sein Lieblingstränk kredenzte: Wodka-Martini.

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Verborgene Grösse Warum im Rheingau grandiose Weine entstehen. Vier Beispiele

Von Till Ehrlich Fotos Alex Habermehl

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at der Rheingau seine Zukunft verschlafen? Wer hinfährt und vorurteilsfrei Winzern und Weinen begegnet, dem zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Es gibt fantastische und stilvolle Weine – provozierend individuelle und manchmal gar radikale Interpretationen der Weinbau­tradition, über die kaum oder zu wenig außerhalb des Gebiets bekannt ist. Im Rheingau gibt es heute eine ­beeindruckende Phalanx von Spitzenbetrieben, die innovativ und konsequent mit neuen, unverbrauchten Ideen die alte Kunst des Weinbaus im 21. Jahrhundert voranbringen. Vielleicht werden deren Weine in den letzten Jahren von den Meinungsmachern der deutschen Weinszene nicht mehr so ignoriert wie noch vor einer Dekade, aber doch immer noch unterschätzt und schlechter bewertet, als es diesen Gewächsen zusteht. Wir haben von der Rheingauer Winzer-Avantgarde vier sehr unterschiedliche Betriebe besucht, die wir hier exemplarisch vorstellen. Es sind Güter, die auch über die Region hinaus wertvolle Impulse geben und auch in dieser Funktion noch nicht uneingeschränkt gewürdigt und wahrgenommenen werden.

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Liebe Fine-Leser, Wein ist immer etwas Besonderes, und der Jahrgang 1999 gehört zu den ganz besonderen in unserem Haus. Als ganz besonderes Weihnachtsgeschenk oder einfach für den eigenen Weinkeller haben wir für die Leser von Fine eine exklusive »Gaja Collection Case 1999« zusammengestellt, die wir den Weinen des Jahrgangs 1999 aus unseren Einzellagen in B ­ arbaresco widmen. Eine einmalige Auswahl von drei Weinen aus dem Keller unseres Weinguts, die sie so nicht mehr finden können. Der Jahrgang 1999 zählt zu den klassischen im Piemont. Die Weine zeigen eine außergewöhnliche Struktur und altern exzellent. In jeder »Gaja Collection Case 1999« finden Sie

2 Flaschen Costa Russi 1999 2 Flaschen Sorì Tildin 1999 2 Flaschen Sorì San Lorenzo 1999 Die Weine in der limitierten hochwertigen Holzkiste mit Fine-Logo gehören zu den Schmuck­stücken unseres ­Weinguts. Als leidenschaftlicher Winzer war mein Großvater Giovanni Gaja so klug, die heute unbezahlbaren Weinberge rund um das Dorf Barbaresco schon früh zu erwerben, da er ihr großes Potential erkannte. Mein Vater Angelo verstand rasch den eigenen Charakter jeder Lage und entschloss sich daher, die Weine der Einzellagen getrennt auszubauen, damit jede Lage ihren eigenständigen ­Charakter entfalten kann. Alle Weine bestehen zu mehr als 90 Prozent aus der Rebsorte Nebbiolo und werden ergänzt durch einen kleinen Teil Barbera. Sorì San Lorenzo: Der Name »Sorì« entstammt dem lokalen Dialekt und bedeutet soviel wie »Spitze des nach Süden gewandten Hügels«. Der Boden des Weinbergs Sorì San Lorenzo weist einen hohen Kalksteingehalt auf. Auf­grund der Nähe zum Fluss herrscht ein sehr mildes Mikroklima, das dem Wein einen intensiven Geschmack verleiht. Sorì Tildin: »Tildin« ist die Verkleinerungsform von Clotilde. So hieß meine Urgroßmutter, deren Hartnäckigkeit und Ernsthaftigkeit Giovanni und Angelo inspirierte. Der Weinberg Sorì Tildin ist der höchstgelegene der drei Weinberge. Seine Lage und sein trockneres Mikroklima ergeben einen harmonischen, fruchtbetonten Wein mit ausgeprägter mineralischer Note. Costa Russi: Das Wort »Costa« bezeichnet den Abhang eines Hügels, und »Russi« war der Spitzname des alten ­Pächters, der den Weinberg bewirtschaftete. Der Boden zählt zu den kühlsten des gesamten Gebiets, und seine ­Weinstöcke, die in den 50er Jahren gepflanzt wurden, gehören zu den ältesten. Die Weine entwickeln während des Alterungs­prozesses ätherische Geschmacksnoten. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dieser Kollektion außergewöhnlicher Weine! Herzlich Ihre Gaia Gaja


• Exklusiv für Fine-Leser •

Gaja Kollektion 1999 Limitierte Auflage: 6 exklusive Barbarescos des Jahrgangs 1999 aus den drei berühmten Einzellagen nur 1.799,– Euro

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Bestellungen per Telefon 0611 5799-0, Fax 0611 5799-222 oder Email: freunde@fine-magazines.de Bei Bestellungen bis zum 10. Dezember 2014 garantieren wir eine Lieferung bis zum 24. Dezember 2014. Limitierte Auflage, nur solange der Vorrat reicht. Das Weingut Gaja garantiert, dass die Weine der exklusiven Fine-Kiste »Gaja Collection Case 1999« seit ihrer Ernte im Jahr 1999 unter optimalen Bedingungen im ­Weingut Gaja in Barbaresco gelagert wurden, bis sie im November 2014 von Fine Das Wein­magazin abgeholt und anschließend an Sie versendet wurden.

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