Fine Ein Magazin für Wein und Genuss 1|2011 – Duftstars 2011

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Catherine Walsh über Stardüfte und Duftstars Parfüm und Wein: James Heeley und Gaia Gaja Psychologie des Duftes Ein Diner von Ruinart Der Herr und sein Duft Parfüm in der Literatur Guerlain: Eine LuxusReise zum eigenen Duft Duft-Klassiker

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Duftstars 2011 Publikumspreis Prestige Damen

The new Essence of Joy



E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion: Carola Hauck Art Direction: Guido Bittner Autoren: Prinz Asfa-Wossen Asserate, Till Ehrlich, Michael Freitag, Ingeborg Harms, Ursula Heinzelmann, Rolf H ­ osfeld, Uwe Kauss, Krisztina Koenen, Susanne ­Reininger, Hannelore Schlaffer Fotografen: Guido Bittner, Marco Grundt, Alex Habermehl, Christof Herdt, Marc Volk Titel-Foto: Guido Bittner Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Ann-Kathrin Grauel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Societäts-Druck WVD GmbH, Mörfelden-Walldorf

Verehrte Leserin, lieber Leser,

»Mein Lieblingsduft?«, so antwortete uns eben unser toskanischer Weinfreund, »das ist der Duft der jungen Weinblüte, wenn ich in diesen Tagen durch meine Sangiovese-Zeilen gehe: kaum wahrnehmbar zart, aber wenn du ihn einmal in der Nase hast – unvergesslich und betörend!« Wein und sein Duft sind eine Verbindung, die Winzer und Weinliebhaber in Verzückung setzen können. Aber: Parfüm und Wein? Bei ernsten Verkostungen, wo alle Sinne allein auf Bouquet und Geschmack des Weins ausgerichtet sind, ist ein Duftwasser natürlich eine unwillkommene Konkurrenz. Ansonsten ist sicher aber gerade die Nase des Weinfreunds auch für kostbare und die Phantasie aufs Schönste ins Schwingen bringende Essenzen aus den Phiolen der Duft­ kreateure empfänglich.

Fine – Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin.

Fine unternimmt es in dieser Beilage »für Wein und Genuss« daher auch zu prüfen, ob es nicht Berührungspunkte zwischen den natürlichen Aromen des Weins und den künstlichen Duftkompositionen der Parfümeure gibt – seien sie olfaktorischer, im weites­ten Sinn ­sensueller, kultur­geschichtlicher oder auch gesellschaftlicher Art. Berauschend ­können sie in ihren schönsten Versionen beide sein. Dazu schnuppern wir in die Kulturhistorie des Dufts und erzählen P ­ arfüm-Geschichten aus Literatur und Mode, aus Psychologie und P ­ raxis. Anlass bietet uns der renommierte Parfum Preis »Duftstars«, der von der F ­ ragrance Foundation Deutschland am 27. Mai zum neunzehnten Mal in Berlin verliehen worden ist: in vier Kategorien für Damen- und Herrendüfte – also an acht, dieses Mal ausnahmsweise an neun Parfüms. In veränderter Form wird diese Beilage zu Ehren des deutschen ParfümOscars auch in der Juni-Ausgabe von Fine Das Weinmagazin erscheinen. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei dieser duftigen Lektüre.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt ein­gereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in d ­ iesem Magazin veröffentlichten Artikel sind ur­heber­rechtlich geschützt.

Ralf Frenzel Herausgeber

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Thomas Schröder Chefredakteur Fine

»In New York rieche ich Energie« Catherine Walsh über Stardüfte und Duftstars

Das Tor zum Unterbewussten Sieben Versuche über Düfte und Gerüche

Parfüm und Wein – beides hat sein Terroir James Heeley trifft Gaia Gaja

Den Zeitgeist am Geruch erkennen Eine kleine Kulturgeschichte des Parfüms

Der Duft des Herrn Einblicke in die Welt männlicher Parfüms

Mode und Parfüm Im Bett nur ein Hauch Chanel

Hedonisten können besser riechen Ein spielerisches Diner von Ruinart

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Der Traum im Flakon Die Kunst des Flakons und die Grazie des Parfümierens

Französisch Kram und Kölnisch Wasser Wie das Eau de Cologne die Welt eroberte

Die flüchtige Leidenschaft Parfüm und Literatur

Harmonie und Kontrapunkt Eine Luxus-Reise zum persönlichen Parfüm von Guerlain

Ewige Klassiker Düfte, die niemals aus der Mode kommen

Duftstars 2011 Die Gewinner

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Fotos: COTY PRESTIGE

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Fotos: Vera Wang by CARTER SMITH

Catherine Walsh mit Vera Wang

» In New York rieche ich Energie« Catherine Walsh über Stardüfte und Duftstars Interview: SUSANNE REININGER Fotos: GUIDO BITTNER Catherine Walsh, Jahrgang 1961, ist Senior Vice President bei Coty Prestige, einer ­Division des größten Parfüm-Konzerns der Welt, und leitet die Abteilung »American Fragrances«. In der Branche gilt sie als ­Visionärin. Vor wenigen Jahren setzte sie einen Meilenstein: mit einem Duft, den Walsh und ihr Team gemeinsam mit dem Hollywoodstar Jennifer Lopez schufen, wurde ein ­neuer Trend geboren – »Celebrity Fragrance«, der personi­fizierte Starduft. Die Markteinführung von »J.Lo Glow« im Jahr 2005 war ein großer Erfolg und animierte weitere Berühmt­heiten zu eigenen Duftkreationen. Mittler­ weile sind zahl­reiche Stars aus der Musik- und Filmbranche, darunter Gwen Stefani und Sarah Jessica Parker, bei Walsh unter Vertrag. Auch renommierte Modedesigner wie Marc Jacobs, Kenneth Cole und Vera Wang gehören zum Portfolio der New Yorkerin mit der sicheren Nase für Weltstars.

In Ihrer Branche galt es als äußert schwierig, für ­einen Parfüm-Konzern einen Star unter Vertrag zu nehmen. Ihnen ist dieser Coup gelungen, und J. Lo Glow war der Auftakt zu einem neuen Trend. Wie war Ihre erste Begegnung mit Jennifer Lopez? Nach welchem Duft steht Ihnen an diesem Frühlings­morgen der Sinn? Ich arbeite momentan mit der Modedesignerin Vera Wang an einem neuen Duft. Deshalb sieht es in meinem Badezimmer aus wie in einem Labor – überall kleine Glas­ flaschen mit Proben. Derzeit teste ich jeden Tag andere Duftvarianten mit Vera. Heute werde ich gleich mehrere Düfte auftragen. Der fertige Duft wird aber erst in etwa eineinhalb Jahren auf den Markt kommen.

Was können Sie uns schon jetzt über diese neue Kreation verraten? Veras Stil ist sehr elegant, feminin und exquisit. Das soll auch ihr neuer Duft widerspiegeln – durch anmutige ­florale und fruchtige Noten. Eine Verbindung aus Sinn­ lichkeit und Jugendlichkeit, denn wir entwerfen einen Duft für junge Frauen.

Wie sieht ein Arbeitstag mit Vera Wang aus? Sehr entspannt und zugleich sehr konzentriert. Ich schaue nach diesem Interview bei ihr zuhause vorbei. Sie wohnt gleich um die Ecke. Oft sagt sie mir, dass sie ­einige Duftproben ihren beiden Töchtern zum ­Testen gegeben hat, und die haben ihn mit in die S ­ chule genommen, um ihre Klassenkameradinnen schnuppern zu l­assen. D ­ iese ­Mädchen gehören auch zu unserer Testgruppe. Vera und ich arbeiten die einzelnen Duft­noten durch, testen ­Kombinationen und machen Notizen. Doch wir reden nicht nur über Düfte, sondern auch über ihre n ­ euen Ent­würfe. Ihre Biografie, sie studierte an der ­Pariser ­Sorbonne, und ihr großes Faible für Kunst sind eben­ so wichtig. Ihre Persönlich­keit soll sich auch in ihrem Duft widerspiegeln. Er soll Veras Handschrift tragen und nicht nur einem Trend folgen. Ich bin mir sicher, dass ein ­Parfüm, das nur aufgrund einer bestimmten Marketing­ strategie auf den Markt kommt, keine Chance hat. Die Leute ­würden es spüren.

Das werde ich nie vergessen. Ich habe sie das erste Mal getroffen, als sie aus der Dusche kam. Mit ihrem dama­ ligen Ehemann Chris Judd verbrachte sie gerade ihre Flitter­wochen in Venedig, als ihr Agent mich in Paris anrief und fragte: »Haben Sie Zeit? Sie können J ­ ennifer in Italien treffen!« Also flog ich hin. Jennifers Body­ guards haben mich in ihre Hotelsuite gebracht, wo ich auf sie ­wartete. Dann erschien sie: barfuß, nur mit einem Bade­mantel bekleidet. Sie begrüßte mich und sagte: »­Catherine, r­ iechen Sie mal an mir, so soll auch mein Duft sein!« Sie duftete herrlich nach Seife. Sie wirkte so natür­ lich, rein und frisch, war ungeschminkt und sah einfach um­twerfend aus. Als ich sie so von Kopf bis Fuß betrach­ tete, dachte ich: »Jennifer leuchtet!«. Seitdem ging mir »Glow« nicht mehr aus dem Kopf. Auch das frisch ver­ mählte Ehepaar war von diesem Namen sofort begeistert. Mittler­weile haben wir zusammen ein halbes ­Dutzend Düfte ent­wickelt. Erst letzte Woche traf ich sie in Los Angeles, um an einem neuen Duftprojekt zu ­arbeiten. Näheres ­darüber kann ich Ihnen leider nicht verraten.

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Catherine Walsh, Jon Bon Jovi, Kenneth Cole und dessen Duft R.S.V.P

Sie haben auch männliche Prominente in Ihrem Portfolio. Sind die ebenso assoziativ und ­impulsiv wie J. Lo? Ich arbeite überwiegend mit Frauen. Sie sind tatsächlich duftaffiner als Männer. Doch die Annäherung an einen Duft ist eine ganz individuelle Sache. Manche ­Künstler sind fasziniert von der gestalterischen Ästhetik. Sie beginnen zuerst mit dem Äußeren, mit der Gestaltung des Flakons ...

Und wie entwickeln Modedesigner wie zum ­Beispiel Marc Jacobs einen Duft? Marc ist ein intuitiver und spontaner Typ mit einer außer­ gewöhnlichen Vorstellungskraft. Er beschäftigt sich am liebsten zuerst mit dem Namen eines Mädchen, für das ein Duft bestimmt sein soll. Einer seiner jüngsten Damen­ düfte heißt Lola. Dieser Name kam ihm spontan in den Sinn, und er war nicht mehr davon abzubringen. Also begann er, Lola zum Leben zu erwecken. Er stellte sich vor, welche Kleidung Lola tragen könnte, welche ­Farbe ihr Teint, ihre Augen und Haare haben, wie sie sich ­frisiert und wie sie sich bewegt. Für ihn war klar: Sie hat mehr Sexappeal als ihre Vorgängerin Daisy. Die war für Marc die jugendliche Unschuld, verspielt, ein blondhaariger Sonnenschein. Eine Aura wie ein schöner Frühlingstag: mit floralen Noten nach Veilchen, Gardenie und Jasmin, mit fruchtigen Komponenten aus Erdbeere, roter Grape­ fruit und Vanille. Lola hingegen ist eine erwachsene Frau: Eine sinnliche, selbstbewusste Persönlichkeit, die sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst ist. Bei Lola kamen ganz andere Duftkomponenten ins Spiel: Tonkabohne, rosa Pfeffer, Anjou-Birne und rote Grapefruit, als Herz­ note Fuchsia-Pfingstrose. Bis wir mit Marc die perfekte Aura und den Charakter seiner Lola eingefangen hatten, vergingen Monate und Jahre. Diese Zeit ist üblich für die Entwicklung eines Dufts.

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Sie und Ihre Parfümeure arbeiten aber auch ganz konventionell mit Stars zusammen, die e ­ inen ­bereits entwickelten Duft verkörpern. Als G ­ esicht für den neuen Damenduft von Calvin Klein verpflichteten Sie im Herbst 2010 den deutschen Holly­woodstar Diane Kruger. Ja, das war eines der interessantesten Projekte für mich und Calvin. Denn bislang waren Calvin-Klein-Parfüms nicht bekannt für markant florale Düfte. Doch nun haben wir einen sehr edlen floralen Duft geschaffen, der auf Lilien basiert. Kein üppiges Blumenbouquet, sondern nur eine einzelne, perfekte Lilie. Unsere Vision war der präsente Duft einer einzigen Blume: puristisch, edel und schön. Wer konnte diese solitäre Schönheit als Person verkörpern? So kamen wir auf Diane – sie trägt diese Ele­ ganz, Grazie und klare Präsenz in sich. Diane repräsentiert unseren Duft wie keine zweite in Hollywood. Für unser Fotoshooting und das Promovideo kamen wir nach ­Berlin und bauten in einem Studio unsere Kulissen auf. Während unseres Drehs verkörperte sie Calvins neue Komposition mit ihrer Mimik und Gestik so authentisch, dass ich den Duft förmlich riechen konnte.

Wenn Sie auf Galas, Film- und Duft­premieren ­neben Ihren Schützlingen abgelichtet ­werden, ­wirken Sie ebenso glamourös wie ein Star. ­Tatsächlich gelten auch Sie in der Branche als Star, wurden für Ihre Arbeit mehrfach aus­ gezeichnet. Fühlen Sie sich wie ein Duftstar? Nein, das würde mir nie in den Sinn kommen. Natürlich werde ich mit vielen Stars fotografiert, weil ich ja die­ jenige bin, die den Vertrag mit ihnen unterzeichnet und mit ihnen zusammenarbeitet. Aber ich selbst ein Star? Niemals! Marc Jacobs sagte mir bei einem unserer e ­ rsten Treffen: »Wenn dir jemand erzählt, er macht die Show ganz allein, dann lügt er.« Und Marc hat recht: Ein ­Parfüm zu entwickeln ist keine One-Man-Show. Es ist ein kreativer Prozess, in den viele Menschen eingebunden sind. Das ist für Außenstehende nur schwer verständlich. Es ist eine wunderbare, aber auch sehr zeitintensive Arbeit. Doch ich liebe und lebe diesen Job.


Catherine Walsh mit Jennifer Lopez und Diane Kruger

Sie leben abwechselnd in New York und in P ­ aris. Verraten Sie uns bitte: Wie riecht es in diesen ­beiden Duftmetropolen? Wenn ich in New York ankomme, rieche ich zuerst ­Energie: Eine einzelne Duftnote, sehr klar und ausdrucks­ stark. Eine gewisse Kühle. Ein Geruch nach Stahl, Stein, Straßenverkehr und Subway, auch eine zarte Note von Ruß. Ich lebe ganz in der Nähe des Central Parks, aber damit verbinde ich New York nicht olfaktorisch – keine grünen oder blumigen Noten. Paris hingegen riecht nicht so modern, eher nach Alter Welt – ausgeglichener und ruhiger. Dort nehme ich als erstes ein ganzes Spektrum warmer Düfte wahr: Textilien, altes Holz und GourmandDüfte wie Croissants, Brioches und Kaffee. In Paris ist mein Lebensstil viel entspannter. Ich renne nicht so viel herum und nehme mir mehr Zeit für die Dinge.

Wie erholen sich Ihre Sinne am besten, und wo l­assen Sie sich inspirieren? Ich bin sehr in der internationalen Kunstszene verankert und ich habe ein Faible für die Alten Meister. Wann immer ich kann, besuche ich Ausstellungen, Vernissagen und Kunstmessen. Meine Lieblingsmesse ist die European Fine Art Fair in Maastricht. Wenn ich es einrichten kann, komme ich jedes Jahr dorthin, auch um Bekannte und Freunde zu treffen. Außerdem sieht man dort Exponate, die der Öffentlichkeit noch nie zuvor zugänglich waren. Doch ich bin kein echter Sammler. Ich bin eine strenge Minimalistin und habe einige wenige ausgesuchte Kunst­ werke zuhause.

Bleibt zwischen Kunst und Kosmetik Zeit fürs ganz Private? Natürlich hätten wir alle gern mehr Zeit für uns persönlich. Aber ich bemühe mich, meine Work-Life-Balance ­besser zu organisieren. Wenn ich Urlaub mache, dann ent­spanne ich möglichst weit entfernt von meinem Arbeitsleben. Mein Verlobter und ich fahren zum Beispiel gern in die Berge zum Wandern. Dort ist die Luft ganz frisch, rein und klar.

Zu Beginn unseres Gesprächs beschrieben Sie Ihr Badezimmer als ein Labor mit einer Armada von Düften. Findet sich darunter auch Ihr ­persönlicher Duft? Aber natürlich! Er ist noch nicht ganz fertig, ich arbeite ständig daran. Aber ich kann Ihnen verraten, dass d ­ ieser Duft nicht für ein großes Publikum geeignet wäre. M ­ eine persönlichen Duftvorlieben sind sehr speziell, nicht sehr blumig. Doch es ist ein wunderbarer Duft, der sich am besten so beschreiben lässt: wie in einer Kirche. Sehr ­präsent, aber nicht dominant. Spirituell. Dezenter Weih­ rauch, altes Holz und Sandstein. Als Farbe habe ich ein wunderbares Altgold vor Augen, dazu ein Hauch Rot. Das ist eine meiner Lieblingsfarben, ich verlasse nie das Haus ohne meinen roten Lippenstift. >

Parfüm-Kreationen von Marc Jacobs

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Sieben Versuche über Düfte und Gerüche Text: KRISZTINA KOENEN

Duft ist Lust »Lust und Duft sind enge Verwandte: Der Abendwind säuselte wie in sehnsüchtigen Seufzern, wie Liebeslaute durchwallten die Orangen- und Jasmindüfte das Boskett, sich mischend in das lose neckhafte Spiel … Immer reger und lauter wurde die Lust …« Wenn E. T. A. Hoffmann die Worte Lust und Duft eng miteinander verflicht, so ist das kein bloßes Spiel der Formen. Die weibliche Anziehung ist immer wieder wie der Sog eines dunklen Wirbels und fast immer wird sie vermittelt durch »magische Düfte«, die den Mann in ein hilfloses Spielzeug seiner Sehnsüchte verwandeln. Düfte machen hilflos, rauben buchstäblich den Verstand. Sie wirken tief in jene S ­ chichten des Bewusstseins hinein, über die der Mensch nicht Herr ist. Düften religiöse Auf­gaben zuzuschreiben liegt unter diesen Umständen nahe. So waren sie schon vor Tausen­ den von Jahren berufen, die Brücke von den unfrisch riechenden Erdenwürmern zum Gött­lichen zu schlagen. Griechen und Römer verbrannten wohlriechende Kräuter und ­Essenzen, um mit den Mächtigen des Himmels in Kontakt zu treten. In ihrer Nachfolge mag die Katholische Kirche bis zum heutigen Tage nicht auf den Duft von Weihrauch verzichten, wenn es besonders durchgeistigt zugehen soll. Der Geruchssinn ist der sinnlichste aller Sinne. So, wie Pflanzen Duftstoffe entwickeln, um Insekten anzuziehen, produziert der Mensch – allen Säugetieren gleich – P ­ heromone, um sexuelle Partner anzulocken. Beim Menschen gelangen diese Botenstoffe über die Schweißdrüsen an die Körperoberfläche und entscheiden dort über Anziehung und Abstoßung. Ob er oder sie es will oder nicht.

Der Geruch des Bösen Wenn es um Verführung geht, ist das Böse niemals weit. Charles Baudelaire malte die Lust an den betörenden Düften der »Blumen des Bösen« hemmungslos aus. Die aber sind die des Todes und der Verwesung, sie begleiten die ewigen Qualen jener, die »­lieber als das Nichts der Hölle Glut« wählen. Dass wir manche Gerüche als abstoßend empfinden, wird uns in der frühen Kindheit antrainiert. Der Geruch des Todes jedoch ist ein genetisch verankertes Alarmzeichen, das alle Kulturen kennen. Verwesung bedeutet Gefahr, ihr Geruch mahnt, Abstand zu halten, noch besser, die Flucht zu ergreifen. Warum wirken Düfte auf das Unterbewusstsein, auf die Emotionen stärker als alle ­anderen Sinneseindrücke? Womöglich weil sie die älteste Form der Kommunikation sind. Alle Lebewesen streuen durch Düfte Botschaften: Sie locken und finden sich, wehren Feinde ab und markieren ihr Revier. Im Vergleich zu den Tieren sind Menschen keine guten Riecher, und trotzdem wird das menschliche Verhalten durch Gerüche in ähn­licher Weise gesteuert. Mit einem, den man nicht riechen kann, wird es niemals gut gehen.

Es riecht das Tier im Menschen Riechen ist der älteste Sinn. Schon primitive Lebewesen, die weder sehen noch hören können, besitzen die Fähigkeit, über Duftstoffe ihre Umgebung zu analysieren. S ­ ignale der Düfte werden in den ältesten Hirnregionen des Menschen verarbeitet. Der physi­ kalische Riechapparat liefert seine Signale im Hypothalamus ab, dem wichtigsten Steuerungs­zentrum des vegetativen Nervensystems, der unter anderem an der Gestal­ tung der Nahrungsaufnahme und am Sexualverhalten beteiligt ist. Die eigentliche Riech­empfindung, die mit Emotionen, Erinnerungen und Urteilen des Geschmacks ver­ bunden sein kann, entsteht in den evolutionsgeschichtlich alten kortikalen Hirnzentren. Dort ist der Mensch dem Tier am nächsten und seiner antrainierten Selbst­kontrolle am entferntesten. Dem entspricht wohl auch, dass das Geruchsvermögen der Frauen dem der Männer weit überlegen ist. Der Vorsprung gilt sowohl für die Nase als auch für die verarbeiten­ den Hirnregionen. Die Verursacher sind schnell gefunden. Es sind die weiblichen Hor­ mone: Spritzt man männlichen Ratten Östrogene, entwickeln sie einen besseren Riecher.

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Die Sprache der Düfte Weil Düfte direkt zu den Gefühlen sprechen, tut sich die Sprache schwer, sie in Worte zu fassen. Dem Pflanzenkundler Linné verdanken wir eine Kategorisierung, die bis in die Gegenwart Bestand hat. Es geht über sieben Stufen von aromatisch, wohlriechend bis ekelerregend und widerwärtig. Düften einen Namen zu geben, ist eine besonders schwierige Aufgabe, die meist mit Metaphern und Vergleichen angegangen wird. Hersteller von Parfüms haben es längst aufgegeben, ihre Kreationen beschreiben zu wollen. Sie verwenden andere Signale: Parfüms, die grün oder gelb sind oder in grünen oder gelben Flaschen stecken, sind in der Regel frisch oder herb. Je weiter die Farbe in Richtung Rot verschoben wird, des­ to süßlicher ist der Duft.

Gerüche sind Erinnerung Dinge und Ereignisse, die mit Gerüchen verbunden sind, graben sich tief ins Gedächtnis ein, so dass man sie noch Jahrzehnte später wach rufen kann. Der Geruch des Eltern­ hauses, des ersten Autos bleiben unauslöschlich im Gedächtnis haften. Das tiefe Geruchsgedächtnis macht sich die Werbung zunutze. Küchen, die nach Apfel­ kuchen duften, lassen sich besser verkaufen, Hotelketten, die immer und überall gleich riechen, sollen den Effekt »nach Hause kommen« erzeugen, und der Duft »neues Auto« hat schon so manchen Käufer für ein bestimmtes Modell gewonnen.

Gerüche und Ekel Es mag sein, dass Ekel und Wohlempfinden bei Gerüchen uns anerzogen sind. Doch auffallend ist, dass Vorlieben und Ablehnung interkulturell weitgehend übereinstimmen. Alle Völker mögen den Duft von Früchten, Blumen oder des Wassers. Abgelehnt wird dagegen der Geruch von Fäkalien, der Fäulnis und der Verwesung. In allen Kulturen mögen die Menschen den Körpergeruch ihres Partners, ihrer Kinder und von Menschen, die ihnen nahe stehen. Das könnte sowohl an der Gewöhnung als auch am Bedürfnis nach Sicherheit liegen: Der Mensch mag ein überschaubares, eingegrenztes Lebens­ umfeld mit bekannten und vertrauten Gerüchen.

Düfte und Gerüche Der moderne Mensch will alles und das am besten gleichzeitig. Er will sich unter Kon­ trolle haben. Aber er will sich auch seinen Gefühlen hingeben, stürzen, sich fallen lassen. Er möchte sich den unbewussten Anziehungen des anderen Geschlechts hingeben, tut aber alles, um genau jene Signale zu unterdrücken oder zu übertünchen, denen er gerne besinnungslos gehorchen möchte. Er möchte schmutzig sein und dabei sauber bleiben. Hier hat die Stunde der Parfümeure geschlagen. Warum sich Menschen parfümieren, ist eigentlich ein Rätsel. Greifen sie zu den Essenzen, um ihren vermeintlich schlechten Körpergeruch zu überdecken? Sicherlich ist es so, und in unserer Massengesellschaft ist diese Absicht gewiss nicht zu verachten. Wer abends, wenn die meisten Fahrgäste von der Arbeit nach Hause fahren, eine voll besetzte S-Bahn benutzt, weiß dem ­Himmel für die Erfindung von Deodorants und Parfüms zu danken. Allerdings hat die Unterdrückung der körpereigenen Gerüche einen besonderen Neben­ effekt: Sie verhindert damit genau jenen von Düften getragenen Informationsaustausch, der die Menschenkinder auf natürlichem Wege zueinander führen könnte. Männer ­können die Pheromone der Frauen leider nicht riechen, Frauen jedoch die von ­anderen Frauen und die der Männer allemal. Das allerdings nur unbewusst. Um den so ent­ stehenden Verlust zu kompensieren, sollen gewisse Duftwässer künstliche Pheromone enthalten. Aber wozu, wenn die Signale nicht echt sind? Dass die Moleküle verschiedener Duftstoffe, aufgenommen durch Nase und Haut, an Nervenzellen andocken und so Psyche und Physiologie beeinflussen können, ist schon lange bekannt. Jasmin regt an und steigert die Aufmerksamkeit, Lavendel stärkt die Nerven, beruhigt und fördert einen gesunden Schlaf, Melisse soll Melancholie lindern und Traurige trösten. Rose, Sandelholz, Jasmin und, ja, Weihrauch sollen das sexuelle Desinteresse zu bekämpfen helfen. Und so, könnte man denken, gewinnt man auf ­dieser Seite wieder, was man auf der anderen verloren hat. >

Foto: VikaValter/Vetta/Getty Images

Das Tor zum Unterbewussten

Trotz der vielen wissenschaftlichen Versuche ist es kaum möglich, unser Verhältnis zu Düften auf eine rein objektive Grundlage zu stellen. Einen direkten Zusammenhang zwischen der molekularen Struktur eines Duftstoffes und dem daraus resultierenden Geruchsempfinden kann man nicht herstellen. Stoffe, die eine sehr ähnliche molekulare Struktur haben, können sehr verschiedene Geruchsempfindungen hervorrufen. Aber es ist zumindest möglich, künstliche Duftstoffe herzustellen, die den natürlichen nachge­ bildet sind. Heute arbeitet die Parfümindustrie viel seltener als früher mit Naturstoffen wie Moschus oder Amber, weil die sehr teuer sind. Bei unserem schwach entwickelten Riechvermögen reichen die billigeren Ersatzstoffe vollständig aus.


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1962: Seine erste Solo-Ausstellung D i e G e b u r t s s t u n d e d e r Po p A r t

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Parfüm und Wein – beides hat sein Terroir

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Barbaresco liegt nur eine Autostunde südlich von Turin in den Piemonteser Bergen. Doch wer sich dem weltberühmten Weindorf mit seinem pittoresken Wehrturm hügelaufwärts nähert, der begreift, warum mancher Senior unter ­Angelo Gajas Mitarbeitern die Provinzhauptstadt nie betreten hat. Das hier ist eine andere Welt, und die kostbare Frucht, die in ihr wächst, darf frivoler Reisen wegen nicht im Stich ge­lassen werden. James Heeley ist vom verwunschenen Ziel seines Ausflugs sogleich restlos bezaubert. Gaia Gaja, die ältere der beiden Winzertöchter, lädt zur Verkostung in eine Stube mit weiter Aussicht über die Reblandschaft ein. Die hohen Kassetten­ decken sind bemalt, doch der Blick geht an diesem Morgen nach innen. Denn die besten Dinge im Leben, so fasst James Heeley am Ende das Treffen zusammen, »transportieren dich woanders hin, nicht durch Reisen, sondern geistig. Sie ver­ setzen dich in eine andere Dimension.« Der Plan, Wein und Parfüm parallel zu testen, wird schnell auf­ge­geben: Das Parfüm hätte den Duft des Weins korrumpiert. Zur Einstimmung entkorkt Gaia Gaja den nach ihr und ihrer Großmutter benannten Gaia & Rey von 2004. Und was mit dem Aufsteigen seines Chardonnay-Bouquets beginnt, hat etwas von der Leichtigkeit und der ­surrealen Quali­tät eines Gesprächs über Wolken. Sein Gegenstand ist äußerst flüchtig: Düfte und Geschmackseindrücke. Was Nase und Gaumen ­spüren, will in Worte gefasst und in Sinneseindrücke übersetzt w ­ erden: »Honig, Haselnuss, eine Spur Birne, sehr fruchtig, etwas von altem

Wie der Duftdesigner James Heeley und die Winzerin Gaia Gaja in Barbaresco in einen Aromenwirbel geraten

Text: INGEBORG HARMS Fotos: MARCO GRUNDT

Apfel und grüne Mandel«, analysiert James Heeley ohne Zögern. Gaia atmet tief ein: Kaffee, schlägt sie vor. »Aber in Holzkohlennähe, Birken­ scheite«, erklärt der Parfümeur: »Die Gewürzsituation ist sehr k­ omplex, ein schwacher Geruch von Kaneel. Etwas Grasiges, Heu, Vetiver vielleicht. Gerade habe ich zwischen Honig und Nüssen Pfirsich gerochen.« Gaia nickt, doch die räumliche Ordnung des Parfümstrategen ist ihr neu. »Eher Nelke als Zimt«, korrigiert er sich, »und rosa Pfeffer. Aber auch Pflaume, Dattel, Feigenkonfitüre und Himbeeren.« Die Pflaume interessiert Gaia besonders. Denn sie gilt als Charakteristikum der für Barbaresco typischen Nebbiolo-Traube, die mit einem Barbaresco von 2007 nun im Zentrum steht. »Sehr mächtig, viel Körper, fast Weihrauch, Leder, Holz und Pflaume«, begrüßt James den Wein mit spontanem Respekt: »Dunkle Kirsche. Weingummi. Und Mandeln. Als Kind habe ich Kirschkerne aufgebrochen, seither ist mir dieser Geschmack von tiefer fruchtiger Mandel auf der Zunge.« Das, lächelt Gaia, »ist für mich die Nebbiolo-Eleganz. Sie schreit nicht aus dem Glas heraus, sondern fordert Aufmerksamkeit. Sie ist kein offenes Buch.« Ihr Gegenüber assoziiert grüne Walnuss, dampfendes Moos: »Aber nur im Geruch. Der Geschmack ist würzig.« Gaia schmeckt Minze. »Das ist die grüne Seite«, sekundiert James: »Chlorophyll«. »Süßer Tabak«, schlägt sie vor. »Pfeifen­tabak«, präzisiert er, »der nach Kirschen und Leder riecht. Nach dem Kosten verändert sich der Geruch, weil der Gaumen den Geschmack festhält.« Er erinnert sich daran, wie er als Junge einen Feigenbaum beschnitten hat und der Hof erfüllt war vom Geruch der austretenden Milch. »Es riecht nach Eisen, nach Leben«, sagt Gaia: »Ich schmecke das Leben in diesem Duft. Wie wenn ich Shrimps im Restaurant bestelle, und sie sind roh und crunchy.« »Ein Parfüm«, erklärt James, »braucht diese fleischige Seite: Es wird langweilig, wenn es zu süß und sauber ist.« Auch mit der 1999er Flasche Sperss ist eine Nebbiolo-Traube im Gespräch, die im benachbarten Barolo wächst. »Das könnte ein P ­ arfüm sein!«, ruft James aus. Vor kurzem habe man noch nichts davon gespürt, versichert Gaia, »ganz egal, wie sehr Sie das Glas drehen und wenden. Er fing Ende 2009 an, sich zu öffnen. Für mich ist dies der beste Moment, den Wein zu trinken. Denn jetzt hat man Jugend, aber auch schon Entwicklung und Komplexität.« Als James später sein Parfüm Cardinal

versprüht, kommt sie auf den Sperss-Duft zurück: »Da ist etwas sehr Altes, das Kirchenmauern absorbiert haben«. »Und die Luft strömt herein«, spinnt James den Faden weiter, »frisches Leinen liegt auf dem Altar, Weihrauch steigt auf, ein Harzgeruch. In der Tiefe hat er mehr Wärme, das ist ein sehr spiritueller Wein. Aber er hat auch Blut …« Als James den Wein kostet, ist er über dessen Leichtigkeit verblüfft: »Er besitzt etwas Frisches, Reinigendes, aber Weihrauch hat das auch.« Gaia denkt an trockene Blüten. Immortellen, schlägt James vor: »Sie schmecken wie karamellisierter Curry. Aber da ist auch Ledergeruch. Lie de Vin, das benutzt man in Parfüms, den Bodensatz der Weinfässer. Ein sehr nobles Ingredienz.« Darmagi heißt der nächste Kandidat, ein Cabernet Sauvignon von 2004. Der Parfümeur ist fasziniert: »Amber, alte Orange. Er riecht fast wie ein Buch.« »Balsamisch«, sagt Gaia. »Ganz und gar, aromatisch, Basilikum, natürlich rote Früchte, ein Dessert, das man mit Johannisbeeren und Basilikum serviert.« Cassis? »Eine Zimt- und Nelkennote.« Die waren schon vorher im Spiel: auch ein versierter Parfümeur hat seine Vor­ lieben. »Etwas Verbranntes«, sagt Gaia, »Asche. Kohle«, präzisiert James: »Anis, und Fenchel, der zeigt sich jetzt auch.« »Lakritze«, sagt Gaia, als sie ­kostet: »er ist klebrig«. »Und Stein, Teer«, begeistert sich James, »der fliegt mir entgegen. Warmer Stein, auf den man Wasser gießt. Stroh, trockenes Gras.« Veilchen? Eintopf? James nickt: »Gemüse, Sellerie. Und etwas Metallisches.« »Milch«, sagt Gaia, »Crème brûlée«. »Sandelholz«, hält er mit, »aber der erste Eindruck war Amber.« Der letzte Nebbiolo wird geöffnet: Barbaresco 1989. »Mein Lieblingswein«, verrät Gaia, »unter allen Weinen der Welt. Das war ein großes Jahr.« James lässt ihn auf sich wirken: »Er sitzt viel tiefer. Ein Geruch von Whisky, Tabak. Die holzige Seite eines irischen Malzwhiskys.« »Aber mit so viel Süße«, gibt Gaia zu bedenken. »Eine Kirschtrüffelpraline mit Alkoholfüllung«, folgt James der neuen Spur: »Tabak-Pflaume-KirschTonkabohne-Schokolade. Ein eleganter Wein, sehr gut erzogen«. »Port«, suggeriert Gaia und fragt, wie man es nennt, wenn der Seewind alles kebrig macht? »Salzlake«, erwidert er, »die Brise, das Salz auf der Haut, genau das wollte ich mit Sel Marin erreichen. Aber hier ist auch etwas F I N E   |   D U F T S TA R S 2 0 1 1

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feiert, Earl Grey und bittere Orangenmarmelade integriert. Gaia erspürt auch die Gurke, die auf dem Sandwich den klassischen High Tea b ­ egleitet. Dann greift sie noch einmal zu Sel Marin: »Die Gerüche ändern sich, wenn man zu ihnen zurückkehrt, wie beim Wein. Ihre Identität wird klarer. Hier haben Sie mediterranes Holz benutzt.« »Zedern«, sekundiert James, »erwärmt von der Sonne. Solche Erfahrungen macht man nur, wenn man mehr als ein Parfüm benutzt.«

Wie die Winzerin Gaia Gaja und der Duftdesigner James Heeley einander in der Suche nach dem Absoluten gleichen

Japanisches …« »Ah ja, eingelegte Pflaume.« »Salzige Pflaume, jetzt haben wir’s!« »Und Sojasauce«. »Ja, und etwas Rauchiges: Feuerholz. Kohliger Isle-of-Skye-Whisky.« »Das ist Asche, sie ist süßer als Kohle.« »Als käme man in ein Landhaus, in dem ein Kamin gebrannt hat«. Die Mittagsglocken läuten, als James Heeley seinen Koffer öffnet. »Wachs und Tier, Gelatine«, tastet sich Gaia am ersten Probe­blättchen schnuppernd vor. Sushi? »Venusmuschel«, sagt sie. Es geht um Cuir Pleine Fleur, ein Spiel mit den ­Aromen feinster Leder. Hellwach wird sie bei Proband Nummer zwei: »Gin Tonic! Ich d ­ enke an ein Spa«. Sie wedelt Esprit du Tigre in die Luft, James ­Heeleys Hommage an Tiger Balm, die t­ausend ­Jahre alte chinesische Einreibmedizin auf der Basis von Minze und Kampfer. »Ah, deshalb habe ich an geschlossene Schränke gedacht«, stimmt Gaia zu. Nelke und Zimt, der Lieb­lings­akkord des Parfümeurs, sind als Kontrapunkt dabei: »Heiß und kalt, Yin und Yang; der Duft ist voller Energie und zugleich beruhigend.« Gaia fällt ein Hot Pot ein, den sie im chinesischen Chengdu gekostet hat. Er basiert auf Öl, das mit Gewürzen erhitzt wird, ­Muskat, Zimt, Nelke, Pfeffer. »All das ist drin!«, sagt James: »Heiß und kalt, Yin und Yang, voller Energie und zugleich beruhigend. Deshalb ist es ein Nischenparfüm, für viele ist das zu komplex.« Mit Figuier hat der Parfümeur einen Feigenbaum mit all seinen Aromen eingefangen. Und weil sich so eine Essenz nicht extrahieren lässt, musste er den Eindruck aus anderen Düften komponieren. Die soll Gaia nun erspüren. »Kokosnuss, O ­ range, ­Zitrone«, steigt sie ein, nun schon viel sicherer: »etwas Grasiges, grüner Pfeffer«. Auch der köst­liche Duft der exotischen Mangosteen kommt ihr in den Sinn. James Heeley, der bis zu fünfzig Essenzen in einem Parfüm vereint, ist zufrieden. »Und weiße Schokolade!«, setzt sie hinzu. »Das ist Laktose«, erklärt er, »sie repräsentiert die Feigen­baum­ milch«. Das Titelgewächs in James Heeleys jüngster Kreation ­Hippie Rose erkennt die Winzertochter sofort; dass sie auch Pfeffer erwähnt, freut den Erfinder, denn rosa Pfeffer ist ein Teil des Patchouli-Dufts, den er integrierte, weil die Rose allein allzu unschuldig ist. Er sprüht das Parfüm auf seine Haut, Gaia atmet tief ein und registriert Eisen. James nickt: »Meine Düfte sind nie süß, und bei einem Mann kommen die Hölzer viel stärker heraus, das Orientalische.« Auch Iris de Nuit wird in die Armbeuge gesprüht: »Aus der Flasche riecht es fast nach Baby, sehr weich. Aber auf der Haut wird es warm und sinnlich.«

So sehr Gaia Gaja und James Heeley in der Sinnenforschung h ­ armonieren, sind sie andererseits doch wahre Gegensätze. Die Muttersprache des seit fünfzehn Jahren in Paris lebenden Parfümeurs hat einen französischen Akzent angenommen, in seiner Arbeit verwendet er Primär­essenzen aus aller Welt und erwartet von einem Parfüm, dass es an andere Orte und in neue Dimensionen transportiert. Auch Gaia reist viel für den Wein der Familie, doch sie bezeichnet sich als Satellit des Hauses, der um das Heimatdorf weite Kreise zieht. Mit großer Genugtuung nimmt sie zur Kenntnis, dass James am Ende der Verkostung die unverwechselbare Identität der beiden Barbaresco-Weine hervorhebt, die ihm fast schon wie alte Bekannte vorkommen und direkt unter den Fenstern wachsen. Geld und gute Trauben genügen nicht, sagt sie, es kommt auch auf die Erde an. Gaia ist eine unerschütterliche Advokatin des Terroirs, der Traditionen und Gaben des heimischen Bodens. Die Nebbiolo-­Traube wird in Barbaresco seit mindestens tausend Jahren angebaut. Auch wenn das dionysische Gewächs in der Antike aus Griechenland und dem O ­ rient kam und die Gaja-Spezialisten nicht aufhören, seine Geheimnisse zu studieren, sind diese Rätsel längst solche des Piemonteser Bodens ge­worden und der seltsamen Affinität, die Klima und Lagen mit dem ­Potential des Nebbiolo verbindet. Die schwere Zugänglichkeit, die Gaia an den ­besten Barbaresco-Jahrgängen schätzt, ihre vornehme Sprödigkeit und Verhaltenheit, ist auch ein Zug ihres Wesens. Vor vier Generationen sind die Gaja-Ahnen ins Piemont gezogen; sie kamen aus Spanien, das dem Orient immer näher war. Der große Erfolg, den Angelo Gaja über v­ iele Rückschläge mit der Nebbiolo-Traube ertrotzte, erscheint aus d ­ ieser Perspektive fast wie ein Gleichnis, wie der zu liefernde Beweis, dass ­Menschen wie Weine nur zum Terroir gehören, wenn sie es sich erkämpfen. Man muss schon nach Barbaresco reisen, um dieses ­Wunder der Stimmigkeit zu erfahren und Weine zu kosten, die so am rechten Platz und lebendig sind wie die spanisch dunkle Winzertochter. Der Ort, an den James Heeley nach zwei Stunden im Aromenwirbel transportiert wurde, war kein anderer als das Weingut selbst. Doch jeder Reisende weiß, dass zwischen Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen nichts so ungewiss ist wie die sinnliche Präsenz. Und obwohl die kostbaren Wasser des Parfümeurs den einzigen Ort nicht kennen, so sind sie insofern doch wahre Kosmopoliten, als sie die Erinnerung an sinnlich wahre Orte gespeichert haben. Und wenn sie sich auf der Haut erwärmen, den Luftzug spüren und zu erzählen beginnen, dann wecken sie die Sehnsucht nach Reisen, die zu einem wirklichen Ziel ­führen, auch wenn man danach suchen musste. Absolutes heißen die botanischen Duftessenzen im Fachvokabular. Dass James Heeley die Stadt Paris für sich als etwas Absolutes entdeckte, das durch nichts anderes zu ersetzen ist, und Giovanni Gaja vor mehr als zweihundert Jahren dieselbe Erfahrung mit Barbaresco machte, ließ sie zu Meistern des Absoluten werden, zu Künstlern, die die Welt daran erinnern, dass es das Terroir für jeden gibt und dass es manchmal nichts als einen wahren Wein und ein komplexes Parfüm braucht, um sich zu einer Erinnerung, die aus der Zukunft kommt, auf den Weg zu machen.  >

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Ophelia ist das einzige Parfüm, das nur für Frauen gedacht ist. Gaia registriert die Süße als Jasmin. Ein Treffer: Der Extrakt, so James, riecht wie Erdbeere. Als Gaia Holz bemerkt, verrät er, dass es sich um Moschus handelt. »Das von den Tieren?« Genau, aber auch Eichenmoos. Das lässt Gaia an Millais’ präraffaelitische Ophelia denken. Ein Lieblingsgemälde des Briten: »Darum geht es bei diesem Parfüm!« St. Clement’s heißt der letzte Flakon, ein Parfüm, in dem James Heeley seine britische Heimat



Vom altägyptischen Amun-Priester mit der duftenden Kyphi-Schale bis zur neuen »Opium«-Kampagne: Über Jahrtausende spannt sich die Geschichte des Parfüms als kulturprägendes M ­ edium. Die Kultur und den Geist seiner Zeit formte 1977 auch Yves Saint Laurent mit seiner so sensationellen wie skandalösen Duftkreation Opium, dessen erster Flakon vom berühmten D ­ esigner Pierre Dinand entworfen und von Kate Moss glamourös visualisiert wurde. Heute zeigt sich das Parfüm in frischer Aufmachung.

Den Zeitgeist am Geruch erkennen Eine kleine Kulturgeschichte des Parfüms

Text: ROLF HOSFELD

Patschuli roch in den Swinging Sixties nach Janis Joplin oder indischer Sitar, während der zeitlose Klassiker Chanel Nº 5 in diesen Jahren schon eher eine Mémoire involontaire an die verhaltene Trompete von Chet Baker oder Miles Davis aufkommen ließ. Duft ist Zeitgeist.

Als Yves Saint Laurent 1977 seine erfolgreichste C ­ réation unter dem Namen Opium lancierte, war die komplette Avantgarde dieser Zeit zugegen. Andy Warhol und seine Factory ebenso wie Grace Jones. David Lynch zeichnete für die Werbung verantwortlich. Man traf sich im angesagten Studio 54 an der 54. Straße in Manhattan, das gerade eröffnet hatte und schnell zu einem der legendärsten Nachtclubs der Welt aufstieg. Yves Saint Laurent outete sich in dieser ekstatischen Nacht als homosexuell. Jeder wusste, dass er seit einem Nervenzusammenbruch im Algerienkrieg dauerhaft unter Drogen stand. Das war vielleicht der Grund, weshalb die allgegenwärtige amerikanische Drug Enforcement Administration misstrauisch ­wurde und erst einmal wissen wollte, ob die schweren Düfte des schrägen Vogels aus Paris nicht tatsächlich auch gefährliche Bestandteile aus entfernten roten Mohnfeldern enthielten. »Opium«, eine orientalisch-würzige Duftnote mit Piment, Orange und einem Schuss Moschus, durfte zwar in E ­ uropa, aber einstweilen nicht in den Vereinigten Staaten verkauft werden. Übrigens auch nicht in China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das änderte sich erst, als ein staat­liches Gutachten belegen konnte, dass Saint Laurents »­Opium« tatsächlich clean war. Coco Chanel, sagte Pierre Bergé einmal, habe den Frauen die Freiheit gegeben, das traurige Genie Yves Saint Laurent die Macht. Auch durch seine Düfte. Duft ist Zeitgeist: Unzählige Male hat Ed Feingersh ­Marilyn Monroe fotografiert, teils in sehr privaten Posen. An der Balustrade auf dem Balkon eines Flats hoch oben über den Straßenschluchten von New York City, schlafend in einem Eisenbahnabteil, Zeitung lesend und ganz entspannt in einem Korbsessel, unter Passanten der Grand Central ­Station oder eingezwängt in der Untergrundbahn. Auf einem seiner Fotos ist ihr der Träger des schulterfreien

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Kleides auf den Oberarm gerutscht, die linke Hand spreizt sie vor den Ausschnitt, die Augen sind halb geschlossen, und in der Rechten hält sie das Objekt der Begierde, das sie offenbar in diesem Augenblick in einen Zustand lasziver Verzückung versetzt hat. Es ist ein geöffneter Flakon, glasklar wie ein Diamant, und jeder kennt ihn. Chanel Nº 5 war das Lieblingsparfüm der Diva. Gabrielle Bonheur Chasnel, die sich Coco Chanel nannte und vom Time Magazine zu den hundert einflussreichsten Personen des zwanzigsten Jahrhunderts gezählt wurde, h ­ atte diesen Dauerbrenner 1921 auf den Markt gebracht. Coco, bevor sie die Welt der Mode revolutionierte und nach der Devise »simplicity is the keynote of all true elegance« die Damen vom Korsett befreite, hatte damals den Parfümeur Ernest Beaux mit der Herstellung verschiedener Rezepturen beauftragt, aus denen sie dann die beste aussuchen ­wollte. Beaux stellte ihr zehn vor, nummerierte sie durch, und Coco entschied sich treffsicher für die Nummer fünf. Es wurde das Jahrhundertparfüm schlechthin. Man sollte es, meinte Coco, am besten dort auftragen, wo man geküsst werden will. Als begabte Liebhaberin wusste sie genau, wovon sie redete. Neurobiologen sprechen hier von der komplizierten Verarbeitung der Sinnesdaten in den Netzwerken des Riechsystems zu neuronalen Codes, zu ­Signalen. Und zwar unbewusst und direkt, ohne Umweg über die Großhirnrinde. Gefühle gehen durch die Nase. Im Gegensatz zu den Tieren, die sich ohne ihr wichtigstes Orientierungsmittel, die Nase, kaum in der Welt zurechtfinden würden, ist der Mensch olfaktorisch eher dürftig ausgestattet. Immerhin kann er mit seinen dreihundertfünfzig Rezeptoren in der Nasenschleimhaut um die zehntausend Gerüche wahrnehmen, voneinander unterscheiden, ihre Botschaften empfangen und nachhaltig in seinem


Langzeitgedächtnis speichern. Düfte sind ein sentimentales Museum. Die Duftwelt der Menschen hat etwas mit der komplizierten Welt ihrer Emotionen zu tun. Mit Eros und Thanatos, mit Harmonie und Disharmonie. Düfte ­ziehen an und stoßen ab, sie erzeugen Bilder und ­Melodien. Einen Duft wahrnehmen, schrieb Rainer Maria Rilke einmal nur scheinbar paradox, ist, als ob man Musik in einem Spiegel sähe. Die Wohlgerüche waren aber schon immer auch eine Domäne der Macht. Düfte öffneten einst das Tor zum Jenseits. Sie kamen aus dem Gottesland, wusste schon das Buch Exodus, und trugen die Sehnsüchte der Menschen dem Himmel entgegen. Tutenchamun, Ramses und die Pharaonen scheuten keinen Aufwand, die besten Ingredienzien aus Somalia auf langen Karawanenwegen in ihre Paläste zu transportieren, und gerieten bisweilen in regelrechte Dufträusche. Keine ägyptische Totenzeremonie ohne Wohlgerüche. Holo­fernes betörte das schwere Parfüm der Judith so sehr, dass ihm die Sinne schwanden, bevor ihm der Racheengel das Haupt abschlug. Parfüm, das wussten schon die Alten, war ein weibliches Wesen, dem die Königin von Saba ihr Geheimnis und die schöne Helena ihre List verdankte. Der Grieche Herodot schwärmte in den höchsten Tönen vom Rosenduft aus Damaskus. Und schließlich hatten die luftigen Ver­ lockungen aus Felix Arabia keinen unwesentlichen Anteil an dem für die Zeitgenossen überraschenden Siegeszug des Islam im siebten Jahrhundert. Al Kemet, die Alchimie, entwickelte sich prächtig zur Blütezeit der großen Kalifate. Der Universalgelehrte Ibn Sina, den die Abend­länder Avicenna nannten, erfand die Methode der modernen Parfüm­her­stellung. Wie Rilke einst über einen Alchimisten dichtete, experimentierte er mit allerlei Dingen in ­seinem geheimnisvollen Labor in Isfahan und schob »den Kolben fort, der halbberuhigt rauchte./ Er wusste jetzt, was er noch

brauchte,/ damit der sehr erlauchte Gegenstand/ da drin entstände.« Ibn Sina war der erste, der Rosen­wasser er­zeugte, indem er mit Hilfe von Alkohol ätherisches Öl aus Blüten isolierte. Durch die große Globalisierungs­welle der Kreuzzüge gelangten die Wunderwässerchen und die Methode ihrer Herstellung ins damals kulturell noch eher unterentwickelte Abendland. Das erste euro­päische P ­ arfüm war im 14. Jahrhundert Elisabeth von Ungarns Eau d’Hongrie, eine Mischung aus ätherischen Ölen und ­Alkohol und ein ­früher Vorläufer von Giovanni Maria ­Farinas 1709 in Köln auf den Markt gebrachtem Evergreen namens Eau de Cologne. Madame Dubarry, die Mätresse Ludwigs XV., impor­tierte diesen Frischespender aus Köln im Zuge des Sieben­jährigen Krieges nach Frankreich und löste damit einen geradezu revolutionären Natürlichkeitskult aus. Denn zuvor h ­ atte man, auch aus medizinischem Aberglauben der Körper­ hygiene eher abgeneigt, schwere Düfte hauptsächlich zur penetranten Übertünchung unangenehmer Ausdünstungen benutzt. Nun aber war, auch durch Rousseau und die Enzyklopädisten, die Natur in Mode gekommen. Im 19. Jahrhundert schlug dann, unterbrochen durch die Wirren von Revolution und napoleonischen Kriegen, die große S ­ tunde des französischen Parfüms. Grasse mit den traditionsreichen Häusern Molinard und Fragonard, oberhalb von Cannes in den Bergen gelegen und umgeben von riesigen violetten Lavendelfeldern, ­wurde endgültig zur Welthauptstadt des Parfüms. In der P ­ ariser Rue de Rivoli eröffnete Pierre-François Pascal Guerlain einen Duftladen, in dem sich bald der Prince of Wales, die Königin von Belgien und Zar Ferdinand von Bulgarien die Klinke in die Hand gaben. »Ein erfolgreiches Parfüm ist eines, dessen Duft einem Traum entspricht«, meinte Guerlain. Die Zeit der individuellen Düfte und sich ­ständig vervielfältigenden Kompositionen war angebrochen. Je

diskreter das Parfüm, desto wertvoller, ­lautete jetzt die ­ evise. Je eigensinniger, desto besser. Je mehr der StunD de des Tages oder der Nacht angepasst, desto kulti­vierter. Die Belle ­Époque war auch eine Zeit des Sinnenrauschs. Es gibt ­keine Geisteshaltung, ließ Oscar Wilde zu dieser Zeit ­seine Dandyfigur Dorian Gray sagen, die nicht in den Sinnen eine Ergänzung findet. Diese Haltung hat überlebt und sich dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Man kann ihn riechen. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war exzentrisch und exotisch. Es gab Krea­ tionen wie Mitsouko, Divorçons (»Trennen wir uns«), Foxtrott oder Jersey. Der Klassiker Chanel Nº 5 war eher die Ausnahme. Die vierziger und fünfziger Jahre rochen ­extrem feminin. Und schließlich wurden vor allem seit den acht­ ziger Jahren verschiedene eher coole Pour Hommes und Designer­parfüms wie Calvin Kleins Obsession zu den ­großen Rennern der europäischen und amerikanischen Wohlstands- und Leistungsgesellschaften. Dass ­Couturiers dabei seit langem führend sind, so die Schriftstellerin ­Colette, liege daran, dass bei ihnen ein Thema zur Melodie werden kann, weil sie stets die ganze Person im Auge haben. Über elftausend Düfte sind heute im Handel erhältlich, und jedes Jahr werden rund zweihundert neue eingeführt, darunter sechzig bis achtzig in der Luxusklasse. Rein wirtschaftlich bedeutet das allein in Deutschland einen Umsatz von jährlich etwa achthundert Millionen Euro. Und doch. Das Geheimnis des schönen Dufts bleibt, wie es einst ­Victor Hugo beschrieben hat: »Das Parfüm ist ein Hauch des Himmels.« Selbst wenn Kulturpessimisten immer ­wieder die Behauptung aufstellen, der Geruchssinn sei mit dem Anbruch der Neuzeit in ständigem Niedergang begriffen. Der Erfindungsreichtum der Parfümeure und ihre Nase für den wechselnden Zeitgeist jedenfalls mit Sicherheit nicht. > F I N E   |   D U F T S TA R S 2 0 1 1

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Standesgemäß empfängt Prinz Asfa-Wossen Asserate im Frankfurter Hotel Villa Kennedy: mit Château Pétrus und einer Empfehlung exklusiver Duftwässer für Individualisten der Upper Class.

Ein HERR hat eine starke Schulter, an die man sich anlehnen kann, einen Blick, der unter die Haut geht, ein offenes Ohr, wenn es um Probleme geht, und eine feine Nase, wenn es um ­SEINEN Duft geht. Die Auswahl ist groß, denn immer mehr Männerparfüms kommen auf den Markt, doch nur die wenigsten überleben. Parfümistisch betrachtet sind es Düfte, die schon immer jeden Trend und Zeitgeist überdauerten. Sie sind eine Harmonie aus Duftkonzepten wie Fougère, ein Zusammenspiel von Lavendel, Eichenmoos und Cumarin. Das »orientalische« Konzept und seine Interpretationen bestimmen würzige Akkorde, einen ausgeprägtem Vanille-Fond und Honig-Aromen. Das ­dritte Konzept, Chypre, wird von drei holzigen ätherischen Ölen wie Sandelholz, P ­ atchouli und Vetiver beherrscht. Immer mit vielen Varianten, mal in die frische Richtung, mal mit rauchigen Ledernoten. Text: PRINZ ASFA-WOSSEN ASSERATE Fotos: CHRISTOF HERDT

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eu ist das alles nicht. Die ersten Düfte entstanden bereits vor fünftausend Jahren in Mesopotamien. Hier, im fruchtbaren Tal zwischen Euphrat und Tigris, sind die Sumerer ihrer Zeit weit voraus. ­Riesige Gärten dehnen sich um die Städte aus, angereiste Karawanen treffen in den Zentren zusammen und erfüllen die Luft mit den ­Düften von Gewürzen, Hölzern, Weihrauch und Myrrhe. Hier herrscht Wohl­ geruch. Es wird gesalbt und geölt gegen alle möglichen Krank­heiten, gegen schlechten Geruch und um etwaige Dämonen zu vertreiben. Das Interesse für duftendes Räucherwerk erwacht fast zu gleicher Zeit in Ägypten. Die Priester am Nil wittern das profane Geschäft und beginnen, parfümierte Salben und Öle herzustellen und an die finanzkräftige Kundschaft zu verkaufen. Sie haben reichlich zu tun. Aromapillen zur Parfümierung des Atems sind ebenso beliebt wie Salben­kegel, die man bei Abendeinladungen auf die nachtschwarze Perücke setzt. Die mit Myrrhe aromatisierten Hochbauten schmelzen im Verlauf des ­Festes, rinnen über Perücke und Kopfhaut und bilden dabei ein stark riechendes Duft-Depot. Die Sagen der Antike, der Talmud, die Bibel, die Legenden der ­Heiligen, sie alle erzählen von verzaubernden Düften. »Salbe dich mit Öl und genieße das Leben mit der Frau, die du liebst«, heißt es bereits in der Bibel. In den Märchen aus Tausendundeiner Nacht, in den Memoiren des Herzogs von Saint-Simon, des Chronisten am Hofe Ludwigs XIV., und in einigen Shakespeare-Stücken mit ihren nach Zibet duftenden Dandys gibt es immer Beispiele dafür, dass Männer im Umgang mit ­Parfüms sehr geübt waren. Bekannt ist Neros Vorliebe für Rosen – bei seinen Banketten waren sie überall verstreut –, und König Davids Gewänder dufteten nach Myrrhe, Aloe und dem zimtartigen Kassia. Anfang des 19. Jahr­hunderts begann dank Napoleon ein neues Zeitalter.


Der

Duft des

Herrn Die schweren Parfüms verschwanden, denn der Kaiser duldete bei ­seinen Männern nur das stärkende Kölnisch Wasser (und nicht wenige ­stärkten sich damit auch von innen). Sein Favorit war ­Farinas Eau de Cologne. Sauberkeit und spartanische Sitten waren angesagt, und nur k­ räftige Zitrus­noten und die holzigen Aromen galten als männlich. Natürlich gab es Ausnahmen von dieser Regel: Jicky von Guerlain, das die ­Dandys der Belle ­Epoque noch vor den Frauen entdeckten, und Pour un Homme von Caron, ein nach ­Vanille duftendes Herrenparfüm, Moustache von Rochas, das nach Eichenmoos und der Frucht des Zedratbaumes riecht. Und nicht zu vergessen das legendäre Knize Ten. Der Chypre-Duft ist seit 1925 bis h ­ eute ein Geheimtipp unter Gentlemen, klassisch riechend nach Leder und weißen Blüten. Nach 1945 wurde der ­Klassiker der italienischen Parfümerie, Pino Silvestre von Vidal, lanciert. In den ­Vereinigten Staaten folgte bald darauf Old Spice von Shulton, und in Deutschland war Tabac Original von Mäurer & Wirtz mit seinen Moschus­noten in den fünf­ziger ­Jahren der große Erfolg. Dann erst trat ein Duft auf den Markt, der sämtliche männlichen olfaktorischen Regeln durchbrach: Eau Sauvage von Dior. Sein Schöpfer, der französische Parfümeur Edmond Roudnitska, hat es 1956 als Damenduft kreiert. Es lehnt sich an den Maiglöckchenduft von Diorissimo an. Mit dem zarten und doch ­haftenden Eau Sauvage lancierte Dior gewagte Blumennoten, die bis dahin in Herren­parfüms verpönt waren. Doch die Herren der Schöpfung schätzten es und lieben es bis heute. Heute hat der Herr es schwer, zwischen zeitgeistigen Modewässerchen der letzten Jahrzehnte seinen Duft herauszufinden. Wer einmal in einer Parfümerie gestanden hat, vor sich Dutzende Duftwässerchen, bekannt aus Funk und Fernsehen, der kennt das Problem. Erste Regel: Ignorieren Sie Werbung und Promotion-Aktionen. Die zweite Regel

lautet: Kaufen Sie einen Duft, der nicht in der Marketingabteilung eines großen Konzerns entstanden, sondern der Phantasie und der Spür­nase eines Parfümeurs entsprungen ist. Denn diese Parfüms sind wie ein edler Cognac: aromatisch, mild und einzigartig. Was duftet nun männlich, elegant und exklusiv? Wer gehört zu dieser Upper Class für Individualisten? Wer absolut auf Nummer sicher gehen möchte, kauft britische Eaux de Toilettes ein. Damit kann man nichts falsch machen. Unter den englischen Düften ist Penhaligon’s Blenheim Bouquet sicher der berühmteste. Das liegt schon an seinen Verwendern: Winston Churchill hat ihn ebenso benutzt wie Andy ­Warhol. Komponiert wurde er von William Penhaligon im Jahr 1902. Eine ­klare, sauber-­ frisch riechende Mixtur aus Pinien- und Zitrusnoten. Wer es etwas üppiger und aufregender möchte, dem gefällt von Penhaligon Hamam Bouquet; es enfaltet ein Bouquet aus Lavendel und Bergamotte, gefolgt von Rose, Zeder und Jasmin, sexy begleitet von Amber und Moschus. Ein weiteres englisches Traditionshaus und in Familienbesitz befindlich heißt Floris. Es wird bereits in der achten Generation geführt. Der männliche Bestseller unter den Düften ist Nr. 89. Sein Steckbrief: Kopfnoten aus Zitrus und Bergamotte, florale Herznoten und als Basis Moos und Sandelholz. Gerüchten zufolge hat ihn James Bond getragen, gesichert ist jedenfalls, dass dessen Schöpfer, Ian Fleming, ein Fan war. Ebenfalls ein Klassiker: Creed. 1760 in London von James Henry Creed gegründet, ist das Haus noch heute fest in Familienhand. Gegenwärtig komponiert Olivier Creed die Düfte. Prinz Charles und Kevin Costner zählen zur Fangemeinde. Das Angebot ist vielfältig, doch Nummer eins nach wie vor ist Creed Mil Men Aventus mit fruchtigen Aromen wie Ananas, Apfel und schwarzer Johannisbeere und blumigen Nuancen von Jasmin und Rose auf der Basis von Amber, Eichenmoos und Moschus.

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Kennerisch lehrt Prinz Asfa-Wossen Asserate: Edle Düfte entfalten ihre betörende Wirkung nur dann, ...

In keinem anderen Land der Welt werden Eleganz, Luxus und Individualismus so kultiviert und zelebriert wie in Frankreich. Die großen Modehäuser wie Yves Saint Laurent, Chanel, Givenchy und Dior wahren seit Jahrzehnten ihren spezifisch eleganten Stil, auch Modemarken wie Azzaro, Jean Paul Gaultier, Issey Miyake, Hermès und Thierry Mugler besitzen das besondere Pariser Flair. Ganz ähnlich verhält es sich in der Welt der männlichen Düfte. Ein parfümistisches Paradebeispiel ist das Haus Guerlain. Als Klassiker im Herren­ bereich sind hier Habit Rouge, Héritage, Mouchoir de Monsieur und ­Vetiver längst e­ tabliert. Typisch französische Herrendüfte wie Azzaro pour Homme, Terre d’Hermès, L’Eau d’Issey pour Homme, Gentlemen von Givenchy, YSL pour Homme und ­Allure Homme von ­Chanel sind männliche, elegante, komplex aufgebaute Duftkreationen – facetten­reich komponiert von den besten Parfümeuren der Welt. Italien ist das Herz von Europa. Aus diesem Land kommen Herrendüfte, die Altes mit Neuem verbinden. So wie schon die alten Römer aus den Kulturen der Ägypter, Griechen, Kelten und Germanen alles absorbierten, was ihnen interessant und genussvoll erschien. Typisch italienisch ist die Verbindung aus Innovationslust, einem ausgeprägten Stil und Qualitätsgefühl. Düfte von Armani wie Acqua di Giò pour Homme sind Bestseller, auf der anderen Seite verordnet Giorgio Armani eine duftende Rarität wie die herb-ledrige ­Mixtur Attitude oder einen Mono-Duft aus seiner Privé-Linie. Und was kommt aus Amerika? Aus der neuen Welt gibt es außer dem Klassiker von Estée Lauder Aramis, das sie für ihren Mann komponierte, einige Geheimtipps, die sich ­gerne in den Regalen der Parfümerien verstecken: So das würzig-warme Halston Z14, ­Ralph ­Laurens Polo oder Grey Flannel von Geoffrey Beene, um nur einige zu nennen. In den letzten zwanzig Jahren sind zahllose Artikel über »die neuen Männer« erschienen, die alle zu dem Ergebnis gelangten, dass sich deren Haltung gegenüber Parfüms stark verändert hat. Die Herren achten mehr auf Körperpflege und sind – man höre und ­staune – ihrem einmal entdeckten Lieblingsduft treu ergeben. Der darf dann auch etwas kosten, wie zum Beispiel das für Staatsgäste komponierte Amouage Gold for Men. 1983 beschloss s­ eine Königliche Hoheit Sayyid bin Hamoud al bu Said, in seiner Heimat Oman die ­große a­ rabische Kunst der Parfümerie wieder zu beleben. Er engagierte den legendären französischen Parfümeur Guy Robert, der ihm »das kostbarste Parfüm der Welt« ­kreieren ­sollte. So entstand Amouage Gold aus mehr als einhundertzwanzig kostbaren Ingredienzien. Über dieses duftende Meisterwerk schreibt der wohl berühmteste Parfüm­kritiker der Welt, Luca Turin, in seinem Buch »Perfumes – the Guide«: »Der Duft startet mit einer ­blumigen Symphonie aus Rose und Mimose, gefolgt von einer wundervollen Wolke aus

... wenn man sie an den richtigen Körperstellen aufträgt.

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frischen Zitronen- und orientalischen Weihrauch-Aromen. Wenn man sich wirklich wie ein französischer Gentle­man fühlen möchte, dann sollte man dieses Parfüm tragen.« Preis derzeit für diesen Genuss: etwa 204 Euro für fünfzig Milliliter – das teuerste Herren­ parfüm auf dem Markt.

Die Auswahl und wie der Herr von heute sein »Wässerchen« trägt Für den Kauf eines Duftes muss man sich Zeit nehmen und notfalls die Parfümerie wieder verlassen, wenn man sich nicht sicher ist. Denn nach drei Duftproben streikt die Nase, und man kann nichts mehr unterscheiden. Zwischen den Duftproben zwei bis drei Kaffeebohnen zerkauen, das neutralisiert den Geruchsinn. Parfüm braucht ein paar Minuten – bei einem komplexen Duft auch wesentlich länger –, bis es sich voll entfaltet. Man sollte es auf nicht parfümierte Haut auftragen – morgens also möglichst neutrale Seife oder Duschgel verwenden. Am besten probiert man den Duft am Handgelenk aus, auf keinen Fall einreiben, da er sich dadurch verändert. Der Morgen ist die günstigste Tageszeit. Man ist ausgeruht, die Sinne sind hellwach. Kaum aufgesprüht und schon vom Winde verweht? Edle Düfte entfalten ihre betörende Wirkung nur dann, wenn man sie auf den richtigen Körperstellen aufträgt: am Hals und auf der Brust, in der Ellenbeuge, am Ohrläppchen oder auch in den Kniekehlen. Hier entfalten die Düfte für lange Zeit ihre volle Intensität. Ganz falsch ist der berühmte Tropfen hinters Ohr, so die Experten. Der Grund: Dort ist die Haut zu fettig, um die Essenzen aufnehmen zu können. Und dezent sprühen! Für einen Feinschmecker kann es eine Zumutung sein, wenn die Duftwolke eines Parfüms die kulinarische Köstlichkeit umgibt. Das erinnert mich an eine Geschichte. Als Jugendlicher in meiner Heimat Ä ­ thiopien entdeckte ich das legendäre Knize Ten in einem Roman. Es hat mich sehr neugierig gemacht, aber im Addis Abeba der sechziger Jahre gab es diesen österreichischen Herrenduft nirgend­ wo zu kaufen. Erst viele Jahre später sollte ich in einer Wohnung im Frankfurter Westend meinen Traumduft zum ersten Mal kennenlernen. Die Gastgeberin, die eine ­bekannte Boutique betrieb, hatte einen Werbetisch mit Parfüms für ihre Gäste aufgebaut. Und da stand das Objekt meiner Begierde. Ich besprühte mich – ausgiebig. Der Erfolg bei m ­ einer Begleitung blieb aus, im Gegenteil: »Mein Gott, was hast du gemacht, mir wird ja ganz schlecht«, rief mir meine Freundin entgegen. Ein Gentleman sollte eben bei einem unbekannten Duft darauf achten, ihn auf keinen Fall mit anderen Düften zu mischen oder ihn in die Hände zu sprühen!  >



Mode und Parfüm: Im Bett nur ein Hauch Chanel Text: URSULA HEINZELMANN

Düfte, Aromen, sinnliche Eindrücke in ­Worte zu fassen ist eine schwierige Auf­ gabe, eine große Herausforderung. Wenn die Blume eines gereiften Mosel­rieslings von Cassis und Pfirsich, ­Kräutern und ­nassem Schiefer erzählt und Bilder von atemraubend steilen Hängen auf­steigen lässt, wenn der Duft von C ­ hanel N° 5 die berückende Eleganz von R ­ osen, J ­ asmin und weißen Lilien vors innere Auge z aubert, dann kann man das nur so ­ wieder­geben.

Eine Modekreation, ein Kleid beispielsweise, lässt sich in Farbe, Schnitt und Machart hingegen sehr genau beschreiben. Doch wie es an seiner Trägerin wirkt, gewagt oder selbstverständlich, verführerisch oder schrill, verlangt wiederum nach poetischen Bildern. Wenn Kleid und Duft aus einem Hause stammen, kommt im Idealfall eine von einem bestimmten Stil geprägte klare Hand­ schrift zum Ausdruck.

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Fotos: Chanel

Ähnlich wie bei großem Wein beruht das Wunder eines grandiosen Parfüms nicht auf einer Anhäufung einzelner Aromen; es ist der Gesamteindruck, der betört und ver­ führt. Scheinbare Gegen­sätze wie frisch und üppig, süß und herb oder dunkel und strahlend ergeben ein über­ raschend komplexes Ganzes, das erst Erwartungen auf­ baut und sie dann gar übertrifft, langsam aber ­stetig wachsend, ohne dabei aufdringlich laut zu w ­ erden. Das lässt sich allerdings nicht beim schnellen ­Verkosten oder mittels eines der Papierstreifen am Kosmetik­tresen erle­ ben. So wie ein g ­ roßer Wein über eine ganze Flasche hinweg beobachtet, verfolgt, erlebt werden will, ­möchte auch ein Parfüm sich in immer neuen Nuancen in Erin­ nerung rufen, während es sich auf der Haut entfaltet. Vielleicht hat das Kommunikationsproblem damit zu tun, dass sich die Wissenschaftler immer noch nicht so ganz einig sind, wie Olfaktorik und Emotionen tatsäch­ lich zusammenhängen. Vielleicht aber auch mit der Ver­ gänglichkeit des Augenblicks – so viele Variablen sind im Spiel: Erinnerungen, Kultur, Gefühle.


Gabrielle »Coco« Chanel war 1921 nicht die erste Mode­ designerin, die ihr Tätigkeitsfeld auf Parfüm aus­weitete – das ­hatte zehn Jahre zuvor schon Paul Poiret mit s­ einem Parfümhaus Les Parfums de ­Rosine getan, das er jedoch für ­seine Tochter gründete, ohne seinen ­eigenen Namen damit in Verbindung zu b ­ ringen. Als Präsent für die Stammkundinnen von Chanel entstand mit der ­schwarzen ­Nummer Fünf auf dem schlichten ­weißen ­Etikett ein Klassiker. Gerade erst hatten Paul Poiret und noch mehr Madeleine Vionnet die Frauen vom Korsett befreit, und der Lippenstift war gesellschafts­fähig geworden, da prä­ sentierte Mademoiselle weiche, kurzröckige Kostüme und ­diesen Duft – Rosen, Jasmin, die Idee ­weißer Lilien. ­Natürlich schadete es nichts, dass Marilyn Monroe 1954, pünktlich zum Chanel-Comeback, die legendären W ­ orte sprach, im Bett trage sie lediglich einige Tropfen aus dem eckigen Flakon. Line Extension durch Parfüms oder Accessoires ist für viele Modedesigner heute ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Daher fallen inzwischen besonders die­jenigen auf, die sich diesem Trend verweigern. Der Belgier Dries van Noten etwa, der betont: »Wer Dries van Noten kauft, kauft ein Kleidungsstück und keine Marke.« Dabei wäre es natürlich spannend, seine farbenfrohen, lebens­munteren Designs in Duft übersetzt zu erleben. Umgekehrt ver­ weigert das Parfümhaus Guerlain ähnlich kategorisch den Schritt in die Modebranche. Der Stil der ­Japanerin Rei Kawakubo liegt W ­ elten vom kleinen Schwarzen ent­ fernt, ihr Label Comme des Garçons provoziert mit einem asymmetrischem Fetzenlook, der gern auch als apokalyp­ tisch oder Ästhetik der Armut beschrieben wird. Konse­ quenterweise beschreitet sie auch beim Duft neue Wege: die schlicht Odeur genannten Anti-Parfüms ­fangen die Aromen der Stadt ein. Pure, intellektuell immens stimulie­ rende Avantgarde, die nie zum Mainstream werden wird.

Kleider duften und Düfte kleiden: Der Stil einer Kollektion soll sich auch im Parfüm des Modehauses finden – bei Chanel die damenhafte Eleganz, bei Issey Miyake die beschwingte Frische, bei Versace schließlich der verspielte Chic.

Fotos: Versace

Bei Kenzo sind die Kleider ein Fest der Farben, M ­ uster und Formen, während sich in Kenzo Jungle Elephant lust­ voll Nelken, Trockenpflaumen und superreife ­Bananen mischen. Wer den Werdegang von ­Vivienne Westwood auch nur entfernt mitverfolgt hat, wird nicht überrascht sein, dass Boudoir, Anglomania oder Let it Rock nicht jedermanns Sache sind. Wie könnte es anders sein bei der Queen of Punk, deren wunderbar schrille Mode­kreationen respektlos, provokant und dabei doch meister­ h aft geschnitten sind?

Fotos: Issey Miyake

Mode entwerfen, Wein machen und Parfüm komponie­ ren – das hat zuallererst mit Handwerk, Know-how und Erfahrung zu tun. Und doch unterliegen diese Metiers keiner linearen Logik. Um hier wahrhaft Großes zu schaf­ fen, braucht es eine impulsive, leidenschaftliche, ­kreative Komponente – schwer zu beschreiben. Ein aufwendiger Werbespot, den der Regisseur Baz Luhrman (»Moulin Rouge«) 2004 für Chanel N° 5 drehte, fängt die Poesie ein, die Schwerelosigkeit, das Träume­ rische, die Verlockung, die ein großes Parfüm ausmacht. In Form eines Film­trailers erzählt er folgende ­Geschichte: Die berühmteste Frau der Welt ist des Glamours müde und sucht vor den allgegenwärtigen Paparazzi in einem Taxi Zuflucht. Dass sie dort auf einen hin­reißend gut aussehenden, weltfremden Schriftsteller trifft, mit dem sie hoch über den Dächern von New York romantische Augen­blicke erlebt, bevor sie schließlich wieder pflicht­ bewusst auf dem roten Teppich steht: das ist die logisch zu erfassende Rahmenhandlung. Dass sie im Blitzlicht­ gewitter jedoch wie ein sterbender Schwan förmlich ins Taxi schwebt, in einem extrem langen, blassrosa flatterndfließend-federgleichen Traum von einem Kleid: das ist die vielleicht gelungenste Übersetzung eines Dufts in die Bild­sprache. Die wenigsten werden einen solchen Traum je hautnah erleben – aber einige Tropfen Parfüm, why not? >

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Hed onisten können besser riechen Es ist nie zu spät, den Geruchssinn zu schärfen. Übung macht auch hier den Meister. Ein Anfang beim Diner von Ruinart. Text: KRISZTINA KOENEN Fotos: MARC VOLK

An diesem Frühlingsabend in München wird mir nahegelegt, ein Hedonist zu werden. Ein ­bisschen zumindest. Diese Aufforderung steht auf der Tischkarte, die einen Platz gegenüber dem Schauspieler Erol Sander für mich frei hält, am langen Tisch, an dem sich langsam die anderen potentiellen und die schon geübten Hedonisten aus dem Kreis der Schönen und Berühmten Münchens einfinden. Wir sind im Restaurant Emiko des Hotels Louis, das seit einem guten Jahr eine lobende Wertung nach der anderen von Testern und der Fachpresse erhält und das von vielen Besuchern als das schönste Designerhotel Münchens bezeichnet wird.

Vor mir auf dem Tisch steht neben dem Zubehör für das Diner ein g­ elbes Kästchen mit der Aufschrift Ruinart, dem Veranstalter des Abends. ­Heute sollen wir nicht nur wie Hedonisten genießen, wir sollen auch was lernen: Über Champagner, über ausgeklügelte Gerichte und vor allem etwas über uns selbst. Was wiederum zurück zum richtigen, weil bewussten Genießen führen soll, indem wir unsere Sinne und Fähig­ keiten stärken, dies zu tun. Im Kästchen befinden sich acht kleine Fläschchen mit Ziffern von eins bis acht: darin Essenzen von Düften, wie sie auch in Ruinarts Blanc de Blancs enthalten sind, den wir seit Anbruch des Abends trinken dürfen. Und sie werden sich in jedem der einzelnen Gerichte wiederfinden lassen, die uns der scheue Chef des Emiko präsentieren wird. Wir sollen in den kommenden Stunden unsere Nasen testen und ein wenig besser riechen lernen. Durch die Reihe der Selbstversuche werden uns zwei Personen f­ ühren, für die Nasenarbeit essentiell ist. Die eine ist Frédéric Panaïotis, Keller­ meister von Ruinart in Reims, die andere die Chemikerin und Duftkünstlerin Sissel Tolaas. Als Weinmacher sollte man Fachmann für Gerüche und Aromen sein, und so ist Panaïotis permanent im Training, sozusagen. Er habe durch die tägliche Riecherfahrung, die er bewusst sucht, ein besonderes Gedächtnis für Düfte und Aromen entwickelt, und eben dies sei das, was den meisten Laien fehle. Da pflichtet ihm auch Sissel Tolaas bei, wie sich die beiden auch in vielen anderen ­Fragen rund ums Riechen ganz einig sind.

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Ein exklusiver Abend in ­Münchens schönstem Designerhotel: Beim Ruinart-Diner mit Champagner und ­erlesenen Speisen erklären die Duftkünstlerin Sissel Tolaas und Chef de Caves Frédéric Panaïotis den ­prominenten Gästen das Spiel, mit dem sie ihre sensorischen Fähig­keiten auf die Probe stellen und ­trainieren können.

Zum Beispiel darüber, wie wichtig es ist, mit dem bewussten Riechen schon in der frühen Kindheit zu beginnen. Denn ebenso wie die Fähigkeit zum musikalischen Hören könne man die Riechfähigkeit umso ­besser ausbilden, je früher man damit anfängt. Doch sie haben auch Trost für untrainierte Erwachsene wie mich übrig: Man könne durchaus einiges nachholen. Und damit beginnen wir jetzt. Wir haben eine Liste mit achtzehn Düften und sollen ankreuzen, welche sich in den kleinen Fläschchen und eben in Ruinarts Blanc de Blancs befinden. Oder sagen wir so: Welche wir wiederzuerkennen glauben. Die Nummer 1 dürfte nicht schwierig sein, sagt Panaïotis und schaut erwartungsvoll in die Runde. Sie sei im Chardonnay ausgesprochen intensiv und in so gut wie allen Damenparfüms enthalten, die Königin der Düfte könnte man sie nennen. Sie beeinflusse das Gehirn und beruhige das Gemüt, wenn über die Haut aufgenommen. Einige wissen nun schon Bescheid, die Nummer 1 ist Jasmin. Die nächsten beiden ­Düfte sind schon schwieriger, vor allem, weil sie einander so ähnlich sind. Ich rieche zweimal Zitrone, mit einer geringen Abweichung voneinander, worin die besteht, könnte ich nicht sagen. Es handelt sich dabei tatsächlich um Zitrone und Zitronat. Und so geht das weiter, Fläschchen um Fläschchen. Man ist immer wieder erstaunt, wie anders plötzlich ­Düfte daherkommen, wenn sie ohne Aromen und ihre natürliche Umgebung allein da sind. Ingwer beschert mir ein Erfolgserlebnis, Kardamom

jedoch erkenne ich überhaupt nicht. Und wer vermöchte, ohne weiteres die Düfte von weißem und rotem Pfeffer zu unterscheiden? Die ungleich schwierigere Aufgabe freilich ist, die gleichen Düfte im Champagner und – noch eine Stufe schwieriger – im Essen wiederzufinden und zu identifizieren. Ich bin schon froh, dass ich sechs der acht Düfte auf meinem Zettel richtig einordnen konnte. Woher aber kommen die besonderen Fähigkeiten von Menschen wie Panaïotis oder Sissel Tolaas, der Grande Dame der Düfte? Die ­gebürtige Norwegerin, studierte Chemikerin und berühmte Wandlerin zwischen Wissenschaft und Kunst, geht erst einmal kritisch mit uns Riechlaien um. Die Menschen hätten verlernt, ihre Nasen zu benutzen, sagt sie. Das habe damit zu tun, dass wir Gerüche in der Regel als wenig zivilisiert, also negativ einordneten. So seien wir von unserer frühesten Kindheit an konditioniert. Sissel Tolaas bewahrt in ihrem Berliner Labor – oder sagen wir lieber Atelier? – eine Sammlung von siebentausendsechshundert Gerüchen in Dosen. »Ich sammle Gerüche, statt ein Tagebuch zu führen«, sagte sie einmal über ihre Leidenschaft. Um sie einzufangen, arbeite sie mit einem Gerät, das sie Headspace nenne, erklärt sie später im Tischgespräch. Die gesammelten Gerüche analysiert sie Molekül für Molekül,

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um sie dann künstlich nachbauen zu können. So bekommt sie sowohl ein sen­sorisches als auch ein chemisch-physikalisches Bild von ihnen. Dieses Wissen nutzt sie dann bei der Herstellung von eigenen Parfüms wie zum Beispiel »Breathe«, oder auch bei ihrem Projekt »Berliner Luft«. Der Duft »Northsoutheastwest« vereint Berlins Gerüche, die sie in KebabBuden in Neukölln, in Sonnenstudios von Reinickendorf oder auch in den Schuhgeschäften von Mitte eingefangen hatte. Daraus kreierte sie das Parfüm, das von Parfümeuren als »belebend« oder auch »sprudelnd frisch« beschrieben wird. Dass es uns so wenig gelingt, Gerüche im Champagner und in den ­Speisen zu identifizieren, liege daran, sagt Tolaas, dass wir uns dauernd mit künstlichen Gerüchen umnebeln. Das führe auch dazu, dass wir gar nicht mehr wissen, wie wir selber riechen. Die Kinder würden früh darauf konditioniert, was die Gesellschaft als angenehm und als unangenehm einordnet, und danach richteten sie sich fortan. Tolaas provoziert gern und spielt öfter mit unserer, wie sie meint, falschen Konditionierung und damit, wie man sie trotzdem für sich nutzen könne. Sie f­ ordert immer wieder dazu auf, lieber den eigenen Körpergeruch zu unter­streichen statt ihn mit Deos und Parfüms zu unterdrücken.

hätten zu Hause mehrere Flaschen Ihres eigenen Duftes. Dann ­könnten Sie, je nach Bedarf, den Duft für Erfolg auswählen oder auch den für die Verführung.« Verführung hat Sissel Tolaas schon etlichen Unternehmen leichter gemacht, indem sie einen Duft für deren ­Corporate Identity entwickelte. Wir Laien streiten uns erst einmal weiter, ob in der »Makrele Maki« tatsächlich Kardamom herauszuriechen sei – oder nicht viel mehr A ­ nanas. Die Frage bleibt unentschieden, ich selbst habe längst kapituliert. Doch Sissel Tolaas und Frédéric Panaïotis versprechen uns, durch kontinuierliches Nasen-Training viel bessere Genießer werden zu können. Essen und Trinken würden dann einen höheren Wert erhalten, was nicht einmal bedeuten muss, dass es teurer wird. Wir selbst sollten uns vielmehr verändern, um mehr Freude am Essen und am Trinken empfinden zu ­können, sagt Panaïotis zu guter Letzt. Das sind gewiss gute Aus- und Absichten. Darauf können wir getrost noch einmal unsere Gläser erheben.  >

Und wozu soll das gut sein, fragt da der staunende Zuhörer. »Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Bewerbungsgespräch«, sagt sie lachend. »Und Sie

Exklusiver Rat für die Gäste des Ruinart-Diners in München: Sissel Tolaas, Chemikerin und Duftexpertin, kennt auch den Geruch von Erfolg und Verführung.

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• Traum Der

Flakon

im

Über die Kunst des Flakons und die Grazie des Parfümierens

Text: TILL EHRLICH Fotos: MARC VOLK

F

Lelia Eau de Cologne, Flakon mit Zerstäuber, um 1920

lakons sind weder Verkleinerungen noch verzwergte Miniaturen,

wie es sie von Wein- und Schnapsflaschen für jene Sammler gibt, die dem Liliput-Thema Reize abgewinnen können. Flakons sind

im besten Fall edle Gefäße und eine Klasse für sich, sie ­bewahren

die Essenz auf, den kostbaren Tropfen, das Parfüm, gewonnen aus tausend

­Blüten und raren Extrakten, dessen Volumen klein ist, weil man so wenig

davon braucht. Dem entsprechen die Proportionen und Größen der Flakons. Das gestalterische Spektrum der Flakons reicht von Nippes bis zu wertvollen Zeugnissen der Glaskunst, die oftmals Sammlerobjekte sind. 28

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Wo der Flakon die Verführung des Parfüms verschleiern soll, wird ihm eine geometrische Strenge verliehen. Berühmte Vertreter sind der Flakon von Chanel Nº 5 aus dem Jahr 1921 oder der an einen gläsernen Tresor erinnernde Kristallflakon des Parfüms V’e ­Versace, den 1989 der Designer Thierry Lecoule entworfen hat. Das sind Flakons mit Glasschliff, sie haben Facetten und Kanten, die das Licht brechen und das Parfüm als sichtbare Essenz und Kostbarkeit inszenieren. Edles Parfüm, dessen natürliche Farbe an gereifte weiße Bur­ gunder oder Beerenauslesen erinnert – von mittlerem Gold bis Bernstein. Das ist der Ton der natürlichen Öle und Harze; je dunkler die Farbe, desto öliger das Parfüm. Die Farbe des Parfüms nimmt den Charakter seines Duftes vorweg, noch bevor der Stopfen aus dem Flakon gezogen wurde und sich der Duft in der Luft oder auf der Haut entfaltet. Die goldene Farbe des Parfüms ist eine Assoziation von Zähflüssigkeit; je dunkler der Ton, desto schwerer der Duft. So erwartet man, dass die Düfte die Konzentration ätherischer


n

Kristall-Flakon geschliffen, um 1900

Mouson, Rauchtopas-Flakon für Lavendeldüfte, um 1950

Öle haben. In einer Speise bewirken Öle Geschmack, im Duft Dauerhaftigkeit. Parfüms ohne Wasser sind Öle mit Alkohol. Öle machen Flecken, deshalb tragen Frauen echtes Parfüm gern hinter den Ohren oder am Hals, jedoch nicht auf Kleidung und organischem Schmuck – das Öl zerstört Perlen und Korallen.

Welche Wirkungen Düfte entfalten – das ist etwas sehr Persönliches, Intimes und nur schwer in Worte zu fassen. Es gibt auf schnelle Wirkung fixierte Düfte, die starke Reize auslösen sollen und einen eher ordinären Charakter haben. Und es gibt die großen Düfte, die von eigener Klasse sind. Sie haben einen Klang, eine Musikalität, die genau abgestimmt ist, und sie werden am Morgen anders wahrgenommen als in der Nacht. Die Kunst des Parfümierens beschränkt sich nicht allein auf die Auswahl des passenden ­Duftes für den passenden Moment; darin erweist sich, ob jemand Geschmack und Stil besitzt. Die Kunst des Parfümierens beginnt mit anmutigen Bewegungen und ­Gesten. Das ist der Moment, in dem die Frau den Flakonkörper zunächst berührt, dann fester anfasst und den Stöpsel mit Daumen und Zeigefinger umschließt. Wenn der Flakon einen Glasstopfen hat, wird sie ihn vorsichtig mit leichtem Druck herausziehen, wenn es ein Schraubverschluss ist, ihn behutsam aufdrehen. Wie auch immer der Stöpsel konstruiert ist – vollendetes Lupfen hat Grazie, und wie eine Dame damit umgeht, lässt Rückschlüsse auf ihr Wesen zu.

Ende. Er entfaltet sich in der Zeit. Und er ist wie ein Kleid, das getragen sein will. Manche Frauen machen daraus einen Zaun, andere eine Sirene. Echtes Parfüm ist hoch konzentriert, je mehr Alkohol es verdünnt, desto härter und eindimensionaler ist sein Duft. So ist Kölnisch Wasser sehr dünn, gefolgt von Eau de ­Toilette und Eau de Parfum. Die höchste Konzentration, das »Parfum« oder »Extrait Parfum«, ist eigentlich das, was wir meinen, wenn wir an Parfüm denken: ein besonderer Duft, der mit einem Menschen verbunden wird und darin die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit s­ einer selbst überlebt, weil er Spuren im Gedächtnis hinterlässt. Die Parfüms großer D ­ üfte sind, obwohl sie hoch konzentrierte Essenzen sind, viel unaufdringlicher und differenzierter als die stärker verdünnten Versionen eines Duftes wie Eau de Parfum oder Eau de ­Toilette. Diese sind anders komponiert als das Parfüm, duften anders und entwickeln den Duft unterschiedlich.

Dies betrifft auch den Duft selbst. In der Werbung wird die Erotik eines Parfüms oft überdimensioniert und klischeehaft dargestellt. Doch kein großer Duft ist vordergründig erotisch und verführerisch. Er ist komplex aufgebaut, hat Dauer, besitzt Anfang, Mitte und

Flakons kommen und gehen, wie ihr ätherischer Inhalt. Dabei ist das Gefäß ebenso w ­ ichtig wie das Parfüm – etwa fünfzig Prozent der Kaufentscheidungen sollen vom Flakon beeinflusst sein. Wenn ein Parfüm zwei Weihnachtsgeschäfte überlebt hat, gilt es schon als ­Klassiker. Und unter diesen gibt es einige wenige, die als zeitlos gelten, weil sie die Zeitläufte überdauern und damit die Flüchtigkeit der Duftmoden. Zu diesen Schöpfungen zählt Mitsouko des französischen Parfümeurs Jacques Guerlain, dessen Flakon vor fast ein­ hundert Jahren, 1912, von der lothringischen Kristallglasmanufaktur Baccarat entworfen wurde. Bis heute wird Mitsouko in diesem Flakon vermarktet, der einen markanten Stöpsel hat. Doch sein Inhalt, das Parfüm, hat sich verändert, die Komposition wurde immer

Avon, Unforgettable, um 1970

Olitätenflakon für Parfümöle, um 1920

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Givenchy, Organza, seit 1990

Edel geschliffener Kristallverschluss

wieder auf den jeweiligen Zeitgeist abgestimmt. Es ist ein komplexer Chypre-Duft, ­dessen Basisnote herbes, bitteres Eichenmoos Tiefe gibt. In den letzten Jahren ist er immer süßer, leichter und weniger komplex und harzig geworden. Können Düfte überhaupt über so ­lange Zeit­räume hinweg unverändert bleiben, sind sie letztlich nicht auch Kinder ihrer Zeit? Ein in seiner Abstimmung unveränderter Duft aus der Belle Epoche erschiene uns heute als ein selt­sames Fossil. Doch man braucht in der Geschichte eines Duftes nicht so weit zurück­zu­gehen. Allein der Unterschied zwischen Parfüms aus den sechziger Jahren des ver­gangenen Jahrhunderts und heutigen Düften ist gravierend. So waren seinerzeit harzige Düfte von orientalischer Schwere und Würze beliebt. Doch je schwerer ein Duft wirkt, als desto üppiger wird auch die Frau assoziiert, die ihn trägt. Heute sind die Frauen schlanker und die Düfte floraler, frischer und jungfräulicher geworden. Diesen Trend bedienen Düfte wie das Chance Eau Tendre von Chanel, das momentan ein beliebter Mainstreamduft ist.

Ein zeitgeistatmendes Beispiel dafür ist der Flakon des Eau de Parfum Untitled der ­Maison Martin Margiela. Er ist am Hals, wo ein klassischer Stöpsel sitzt, eng mit weißem Faden umwickelt – eine japanische Bindung, wie man sie in Europa für Apothekerflaschen übernommen hat. In seinem Innern befindet sich Eau de Parfum, dessen zartgrüner Farbton – nicht schrill, nicht blass – zusammen mit dem Glas des Flakons Glanz bekommt. Es wirkt wie ein kostbares Destillat. Das Glas ist zum Teil mit kremweißer Farbe bedeckt, die eine wellenförmige Linienführung hat. Die Komposition aus mattem Weiß und glänzendem Grün ergibt in ihrer extremen gestalterischen Reduktion eine optische Verneinung, dem entspricht der Name des Parfüms. Als einzige schmückende Elemente können der in ­Klammern gesetzte Produktname und die Alliteration Maison Martin Margiela g­ elten, die in schlichter Schreibmaschinenschrift gehalten sind. Dadurch anonymisiert sich der Schriftzug, was paradox wirkt, aber beabsichtigt ist. Man öffnet die Flasche, indem die ­Bindung abgestreift wird, und ist überrascht, weil man einen Stöpsel herausziehen will, aber auf einen Parfüm­zerstäuber aus poliertem Weißmetall stößt. Die Kunst dieses ­Flakons besteht in ihrem gestalterischen Alles-oder-Nichts – Gegensätze werden aufgebaut, um einander aufzuheben. Die juwelgrüne Farbe verspricht einen floralen Duft, den das ­Parfüm tatsächlich einlöst. Herbe Noten lassen an zerriebene junge Blätter und aufgerissene R ­ inde ­denken. Die dezente Komplexität birgt eine entschiedene Duftintensität, die wir aber nicht be­nennen können. Eben: Untitled.  >

Heutige Parfüms verbinden oft zitrusfrische und fruchtige Duftstoffe wie Grapefruit, Limette, Orange oder Quitte mit floralen Düften wie Orchidee, Hyazinthe oder Jasmin. Dem entsprechen die Flakons, die oft in schlanken, geometrischen Formen gehalten sind, meist reduziert streng und zugleich subtil. Auch die Parfümfarben sind längst nicht mehr golden oder bernsteingelb, sie werden gern rosa oder grün abgetönt, was die Assoziationen von Frische und floraler Süße hervorrufen soll.

Maison Martin Margiela, untitled

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Die historischen Flakons sind Teil der Sammlung des Europäischen Flakonglasmuseums am Rennsteig in Kleintettau, Oberfranken. www.glasbewahrer.de



Die schlanken Rosoli-Fläschchen von Farina und der Kropf-Molanus-Flakon von 4711

Französisch Kram und Kölnisch Wasser »Er Farina oder 4711: Wie das Eau de Cologne die Welt eroberte Text: UWE KAUSS

riß die Augen auf und stöhnte vor Vergnügen. Dieses Parfum war kein ­Parfum, wie man es bisher kannte. Das war ein völlig neuartiges Ding, das eine ganze Welt aus sich erschaffen konnte, eine zauber­hafte, r­ eiche Welt, und man vergaß mit einem Schlag die Ekelhaftigkeiten um sich ­herum und fühlte sich so reich, so wohl, so frei, so gut …« Der Autor Patrick Süskind erzählt in seinem Roman-Welterfolg »Das Parfum«, wie der alte Pariser Parfümeur Baldini zum ­ersten Mal an der Komposition des jungen Grenouille riecht, der mit dem absoluten Geruch ausgestatteten Hauptfigur des opulent-grausigen Romans. So ähnlich könnte es sich in Köln zu Beginn des 18. Jahr­hunderts zugetragen haben, als der Parfümeur Giovanni Maria F ­ arina die ­Formel eines noch nie dagewesenen Dufts entwickelt ­hatte, der bald darauf als Eau de Cologne die Welt eroberte. Das für Zeit­genossen damals so außergewöhnlich und hinreißend ­riechende ­Wasser ist das erste, älteste und bis ­heute lang­lebigste Marken­parfüm der Welt. Es entstand in einer Zeit, als die Städte stanken – nach Abfall, Abwasser, Rauch, Schwefel, Kohle, Schimmel und dem Schweiß der Menschen.

Johann Maria Farina

ihn sein Bruder zuvor in einem Brief ermuntert. So r­ eiste der junge Giovanni Maria ins Rheinland. Aus G ­ iovanni wurde Johann.

Dem Mythos nach habe der Kölner Bürger Paul de ­Feminis den Farinas die Formel für das so besonders duftende Giovanni Maria ­Farina wurde 1685 im piemontesischen ­Wasser übereignet, das er wiederum von einem orientaliSanta Maria Maggiore geboren. Seine Großmutter C ­ aterina schen Mönch erhalten habe. »Die lange Geschichte des Eau Gennari lebte in Venedig und arbeitete, wie einige Familien­ de Cologne ist randvoll mit solchen Mythen«, erzählt Ulrich mit­glieder, als angesehene Aromatiseurin. Vielleicht hatte Soénius, Leiter des Rheinisch-Westfälischen Wirt­schafts­ Giovanni eine besonders feine Nase, denn die Groß­mutter archivs und hervorragender Kenner der Geschichte der schrieb an seinen Onkel, der in Maastricht ein erfolg­ Familie Farina und der ihres später härtesten ­Konkurrenten: reicher Unternehmer und Mitglied des Stadtrates war: »Er Die Kölner Familie Mülhens, die »4711« zur zweiten ­großen ist anders. Er teilt Menschen in ›gut und böse riechen‹ ein.« Eau-de-Cologne-Marke machte. Doch für ­Soénius sind die 1700 ging er in die niederländische Stadt, absolvierte eine Belege eindeutig: »Farina selbst hat das berühmte Duft­ Lehrzeit im H ­ andels- und Speditionsgeschäft seines Onkels wasser geschaffen.« Der pure Duft an sich hatte noch ­keinen und reiste durch Europa. Ein paar Jahre später ging er nach Wert wie heute. Die Wässer sollten vor allem Schutz vor Köln und trat 1714 in das von seinem Bruder ­Giovanni Krankheiten und sogar deren Heilung bieten. Der feine Battista fünf Jahre zuvor gegründete Handelsgeschäft für Duft unterschied das Wasser aber von Lebenselixieren und »Französisch Kram« ein. So wurden damals Luxusartikel -balsamen, Heilölen und Wunder­salben, die zu Hunderten genannt, beispielsweise Perücken, Federn, Schnallen, G ­ ürtel, mit den absurdesten Versprechungen feilgeboten wurden. Kristallbecher und Duftwässer. Farina hatte bei der Herstellung gegenüber den anderen Produzenten einen wichtigen Vorsprung: Er verstand es, In Köln wollte sich Giovanni Maria Farina aber vor allem aus dem oft nach Kartoffeln, Wein oder Schnaps riechenmit Düften beschäftigen. »Deine Wässerchen kannst du den Weingeist einen fast ­reinen und somit geruchsfreien auch hier mixen. Wir räumen Dir genug Platz ein«, hatte Alkohol herzustellen. Außerdem gilt er als der Erste, der 32

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die zitrusfrische Bergamotte als Kopf­note in einem Duft einsetzte. 1708, mit dreiundzwanzig Jahren, gelang ihm etwas, das er so beschrieb: »Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Früh­lings­morgen erinnert, an Berg­narzissen, Orangen­blüten, kurz nach dem Regen. Er erfrischt mich, stärkt ­meine Sinne und die ­Phantasie.« Die Formel war gefunden, doch dies ist nicht der Grund, ­warum das Wasser sich an den prunkvollen Herrscher- und Fürsten­höfen verbreitete. »Er hat diesen Duft als Erster reproduzierbar gemacht«, erklärt Johann Maria ­Farina, der das Unternehmen heute in ­achter Generation im Haus ­seiner Vorfahren in Kölns Innenstadt gegenüber dem Jülichplatz führt. »Die Formeln der D ­ üfte waren Geheimnisse«, sagt Farina, »aber selbst wer ein Geheimnis ­kannte, hat selten die Aromen so wie das Vorbild komponieren ­können. Die natürlichen Grundstoffe stammen aus Südfrankreich, aus Italien, aus Nordafrika. Und in jedem Jahr riecht die Ernte von Limetten, Bergamotte, von ­Lavendel, ­Blüten und vielen anderen Stoffen ganz anders.« Doch Johann Marias Duft roch stets gleich.

»Das Hauptgeschäft war lange der Kommissionshandel und die Spedition, denn für Luxusartikel war es wichtig, nicht nur in Köln verkaufen zu können. Von vierzigtausend Einwohnern hatten nur zehn Prozent den Status eines Bürgers, und von denen waren nur wenige so wohlhabend, um sich Luxuswaren leisten zu können«, berichtet Farina, »wer aber in eine andere Stadt lieferte, brauchte einen vertrauens­ würdigen Partner, der am Ziel auslieferte und das Inkasso übernahm.« So konnten Johann Battista und Johann Maria gute Geschäfte in Maastricht und in Städten machen, in denen weitere Verwandte lebten. 1732 starb Johann ­Battista, und Johann Maria übernahm das Geschäft ganz. Die Nachfrage nach dem edel duftenden Wasser stieg. Er erweiterte seine Handelsbeziehungen und begann, Kontakte zu den Herrscherhäusern zu knüpfen. »Das Geschäft lief nur über die Kammerherrn«, erzählt Farina, »denn das Duftwasser war sehr, sehr teuer. Nur sie hatten persönlichen Zugang zu den Herrschern und durften ihnen Waren empfehlen. Sie waren der Schlüssel zum Erfolg. Und es gab für einen An­bieter viele Wege, sie zu überzeugen«, sagt ­Farina und lacht.



werdenden Dufthändler verwendeten aus Image­gründen den Namen Farina, den sie sich meist von unbekannten Namensvettern der Familie über Gesellschaftsverträge besorgten.

Der Durchbruch gelang, als König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und Kurfürst Clemens August von Köln zu ­Kunden wurden. Diese Namen benutzte Farina geschickt, um bei den vornehmsten Adressen bekannt zu w ­ erden. Ab 1745 gehörte auch König Friedrich der Große zu den Ab­nehmern des Wassers, das Farina inzwischen ­elegant »Eau de ­Cologne« getauft hatte. Er lieferte die edle Essenz damals in einer einhundertzehn Milliliter f­assenden ­schlanken F ­ lasche, die Rosoli genannt wurde. Doch die Herr­schaften ver­wendeten es ganz anders als heutiges ­Parfüm: Man betupfte sich damit, wischte sich die Stirn, rieb sich ab und legte sich getränkte Tücher in den Nacken. Zwei solche ­Flaschen kosteten so viel wie das Monatsgehalt eines königlichen Beamten. Der K ­ ölner Kurfürst brauchte täglich eine R ­ osoli. Die politischen Wirren der Zeit l­ ießen das mittlerweile b ­ erühmte Wasser auch in Frankreich populär werden. Denn mit dem Siebenjährigen Krieg, der ganz ­Europa erschütterte, kamen französische Soldaten auch nach Köln. Die eleganten a­ dligen Offiziere entdeckten das Eau de Cologne und machten es in Paris bekannt – dem damaligen Zentrum Europas. Dass sich das Aqua mirabilis, das Wunderwasser gegen allerlei Krankheiten, zum reinen Duftwasser wandelte, liegt allerdings an der großen Politik und an Napoléon. Von 1794 bis 1815 gehörte Köln zur französischen Republik. 1810 hatte Napoleon verfügt, sämtliche Inhaltsstoffe von Heil­mitteln müssten offengelegt werden, um Gesund­heits­

Knapp vierzig Jahre nach Farinas Tod begann auch der in Troisdorf geborene Unternehmer Wilhelm Mülhens, in Köln mit allerlei Handel zu Erfolg zu gelangen. Er betrieb im Haus Glockengasse 4711 »Speculationsgeschäfte«, wie es das zeitgenössische Adressbuch der Stadt verzeichnet, und handelte mit Wein, Quellwasser, Seefischen – und Eau de ­Cologne. Auch er kaufte 1803 einem allerdings mit der Parfümeursfamilie nicht Verwandten das Recht ab, das be­gehrte »Farina« im Unternehmensnamen zu führen – und ver­ Die Familie Mülhens verbreiterte dagegen ihr Produkt­ kaufte ihn für gutes Geld gleich dreißig Mal w ­ eiter. Jahr­ angebot und nutzte konsequent die Möglichkeiten, die nun die beginnende Industrialisierung bot. Aus dem Luxuszehnte­lang prozessierten die Familien Farina und ­Mülhens duft wurde ein hoch rentables und bezahlbares Massengegeneinander, bis Nachfahre Ferdinand M ­ ülhens im Jahr 1881 den Urteilsspruch des höchsten zuständigen preußischen Gerichts vernahm: Ihm wurde die Verwendung des Namens Farina verboten. Revision nicht zulässig. So benannte er flugs das Unternehmen um. Nun hieß es: »Eau de Cologne & Parfümerie Fabrik Glocken­gasse No. 4711 gegenüber der Pferdepost von Ferdi­ nand Mülhens«. Die Haus­nummer 4711 im Namen entstand durch die französischen Besatzungs­truppen, die im Oktober 1784 vor Köln ­standen. Der Rat der Stadt verfügte damals, »alle Häußer der Stadt ohne Unterscheid nummerieren und nach Maasgab der Ent­legen­heit beleuchten zu lassen.« Mülhens prächtiges Haus in der Glockengasse erhielt die ­Nummer 4711. Schon im Jahr 1811 Dorado des Dufts: Die heiligen Hallen von 4711, historisch wurde die durchlaufende Nummerieprodukt, das als schick galt – befeuert durch clever inszerung wieder abgeschafft – doch Mülhens zeigte die Ziffer ab 1839 als Erkennungsmerkmal in seinem Firmennamen, der nierte und zeitgemäß funktionierende Werbung. Als zweite nun »F. Marie Farina No. 4711« hieß. Eine der berühmtes- Marke wurde Tosca lanciert, später kam das Aftershave Sir hinzu. Das deutsche Wirtschaftswunder roch nach 4711. ten Duftmarken der Welt war geboren. Den französischen Soldaten jedoch, der zu Pferd und mit elegantem Schwung Die Mülhens-Erben verkauften das Unternehmen 1994 nach ­langem Familienstreit an Wella. Heute gehört es zum das Haus in der Glockengasse kennzeichnet, hat es nur in ­Parfüm-Hersteller Mäurer & Wirtz. der Werbung der Firma Mülhens gegeben.

Wilhelm Mülhens, dessen Geschwister alle großen Wohlstand erworben hatten, war früh auch selbst in die lukrative Produktion von Eau de Cologne eingestiegen. Er bewegte sich darin sehr geschickt und n ­ utzte die guten Beziehungen zu seinen Geschwistern, die Banken und Vertriebsunternehmen gegründet hatten. 1820 schaffte sein Nachfolger Ferdinand Mülhens die schmale RosoliFlasche ab und füllte sein Duftwasser in die eigens gestaltete Kropf-Molanus-Flasche, die den Transport sehr vereinfachte und bis heute eines der Erkennungszeichen geblieben ist. Sein Marketing funktionierte: Das Duftwasser erreichte nach einigen Jahrzehnten die höchsten Kreise Europas. 1873 wurde er Hoflieferant des niederländischen Königshauses und eröffnete eine Filiale in New York, 1880 lieferte er an den russiFlair der Vergangenheit: Farina füllte einst sein Eau de Cologne in Flakons nach dem Vorbild schen Zaren, 1908 kam das Eau de der Champagnerflasche, 4711 setzte in seiner Werbung auf den eleganten Duft der weiten Welt. Cologne zum Kaiser von Österreich.

gefahren zu vermeiden und Scharlatanerie zu verhindern. Damit hätten die Parfümeure ihre streng gehüteten ­Formeln offenlegen müssen. Doch es gab einen Ausweg: »Die ­kölsche Lösung«, wie Soénius sie nennt: »Eau de Cologne war fortan kein Heilwasser mehr, sondern eben ein belebendes Duftwasser«, erklärt er, »wer sich damit seine Blessuren ein­ reiben wollte, konnte das schließlich weiterhin tun.« Die gewaltigen Preise, die sich längst dafür erzielen l­ ießen, entfachten einen langen, harten Wettbewerb. Als der g­ roße Parfümeur 1766 starb, gab es in Köln rund vierzig Hersteller von Eau de Cologne. Farinas Nachfahren mussten sich gegen harte Konkurrenz wehren – viele der immer zahlreicher 34

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Doch woher Gründer Wilhelm Mülhens die Rezeptur mit intensiver Minznote hatte, »ist heute nicht mehr nachzuvollziehen, es gibt keine Dokumente«, sagt Ulrich ­Soénius. Gern erzählt wird die Geschichte, ein Kartäusermönch habe ihm die Rezeptur zur Hochzeit geschenkt. Sie klingt sehr bekannt – durch Farina. »Wir wissen heute, dass diese ­Story erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lanciert ­wurde, um das Image zu verbessern.« Der Erste Weltkrieg markierte für die beiden verfeindeten Unternehmen eine scharfe Zäsur. Die Nachschubswege für Duftöle und Rohestoffe, die beide zum Teil in der Parfümhauptstadt Grasse bezogen, waren verschlossen. Und

Der Unternehmenssitz von Farina befindet sich noch immer in demselben Haus, in dem Parfümeur Johann Maria ­seinen betörenden Duft schuf. Er wird von siebenundzwanzig der siebenundfünfzig Mitarbeiter nach der mehr als drei­ hundert Jahre alten Rezeptur produziert. »Am Jülichplatz, Haus Obenmarspforten, begann etwas, das wie ein Sog um die Welt ging, eine globale Industrie schuf – und das der »Parfum«-Autor Patrick Süskind so beschreibt: »Es gibt eine Überzeugungskraft des Duftes, die stärker ist als ­Worte, Augenschein und Wille.«  >

Fotos: FARINA GEGENUEBER (4), RWWA/4711 (3)

Palais des Parfüms: Das Farina-Haus in Köln

beide Konkurrenten waren von ihrem wichtigsten Markt abgeschnitten: Frankreich. Das war nun Feindesland. »In ­dieser Zeit entstand auch der Begriff ‚Kölnisch Wasser’, erzählt Soénius: „An der Westfront stationierte deutsche Militärs hatten sich bitterlich beschwert, als sie sahen, wie sich ­Offiziere nach einem Gefechtseinsatz gegen Frankreich mit Eau de Cologne einrieben. Das ging nicht. So übertrug man den Namen ins Deutsche.« Nach dem ­Ersten Weltkrieg bewegten sich beide Unternehmen in verschiedene Richtungen: Farina blieb stets eine Manufaktur, achtete peinlich auf die Qualität ihres traditionellen Produkts – und auf Präsenz in besten Kreisen.


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Die flüchtige Leidenschaft – Parfüm und Literatur Text: HANNELORE SCHLAFFER

»Nachbarin, Euer Fläschchen!«, haucht Gretchen und sinkt in Ohnmacht. Die verführte Unschuld, schwanger mit einem Kind von Faust, hat sich in den Dom geflüchtet und vor Gott, aber sie soll nicht gerettet werden. Ein böser Geist rechnet ihr die Sünden vor; was Wunder, dass sie, um Buße zu tun, zum falschen Mittel greift: zum Duftfläschchen eben. Sie kalkuliert mit irdischer Medizin, mit Duftwasser, das den Kopf befreit und Übelkeiten verscheucht, wo doch die christliche Kirche eine himmlische Essenz bereit hielte, um ihre Gläubigen zu erfrischen: den Weihrauch. Gretchen also büßt ihre Sünden nicht, sie versündigt sich vielmehr ein weiteres Mal, wenn sie der Nachbarin Fläschchen erbittet, durch mangelndes Gottvertrauen.

Sobald in der Literatur von Parfüm die Rede ist, wird das Geruchserlebnis mit der Sünde verbunden. Die neue Geruchskultur, die der Bürger im 19. Jahrhundert vom Adel übernahm, bescherte der Literatur damit ein neues Motiv. Viel wusste sie bis dahin zu sagen von Liebe, nun aber r­ edete sie von sinnlicher Leidenschaft, von der körperlichen Ausstrahlung der Frau, ihrer sexuellen Attraktion auf den Mann, seiner Lüsternheit, und nie wieder wird sie davon so fasziniert reden wie damals. Das Ver­wirrende einer neuen sinnlichen Erfahrung, der sich die Epoche grundsätzlich konfrontiert sah, schlug in literarische Produktivität um, und es entstand eine eigene Gattung der Duftpoesie. Sie beginnt bei Balzac, hat ihren Höhepunkt bei Baudelaire, nähert sich der philosophischen Theorie in den Werken Robert de Montesquious und Joris-Karl H ­ uysmans’ und mündet im 20. Jahrhundert in den Kriminalroman, ­dessen weltweit erfolgreichster Abschluss Patrick Süskinds »­Parfum« ist. Es kann nicht verwundern, dass fast alle Duftpoesie aus Frankreich kommt. Auch Süskind verlegt den Spielplatz seines Romans in das Frankreich des 18. Jahrhunderts. Die Wirkung der Duftwässer, dieses Luxus, der dem Bürgertum neu war, wurde dämonisiert, das Glück des R ­ iechens mit exotischen Erfahrungen verbunden und die sinnliche Erscheinung der Frau mit schwer analysierbaren Duftkombinationen umgeben. Die Prachtentfaltung orientalischer Herrscher entrückte die verführten Bürger ihrer b ­ analen Wirklichkeit, während gleichzeitig der neue Geruch­fanatismus den Dichter mit Melancholie inspirierte. Balzacs Roman von Aufstieg und Fall des Parfümeurs César Birotteau (1837), als frühes Werk der Duftkultur noch eine lakonische soziale Studie, nutzt den Aufschwung, den die

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Parfüm-Produktion hatte, zu einer Physiologie des ­kleinen Mannes, der ein großer werden will. Birotteau hat gut­ gehende Parfümwaren, die duftende Sultana-Creme und das Carmina­wasser, erfunden und zudem das Comagenöl (von lat. coma = Haar), ein parfümiertes Haarwuchsmittel. Er zieht daraus den Schluss: »Ich habe Talent zum ­Parfümeur«. Seiner Frau macht er klar: »Wir wären kleine Krämer, ­müssten uns abrackern«, falls er dies Talent nicht nutze und inthronisiert sich nach dieser Aufklärung selbst zum Herrscher: »Nicht umsonst heiße ich César!« Nun kann ein Kaufmann mit jedem Produkt fallieren; ­Birotteau jedoch hat der Duft berauscht, berauscht betreibt er nun auch sein Geschäft, und berauscht torkelt er in den Untergang. Der Duft allerdings macht ihn auch zum Poeten. Neben den Duftkreationen entwickelt er eine bis dahin für einen Kaufmann untypische Begabung: berühmt ­werden vor allem s­ eine Werbetexte. Freilich ist Birotteau kein Baudelaire, der im Vokabular der Düfte ertrinkt. Birotteau vielmehr ver­bindet in seiner Werbung den Geruchstraum mit dem praktischen Nutzen, der heilenden Wirkung der ­Wässer, und legt Wert auf eine Anerkennung durch die Akademie der Wissenschaften: »Diese Creme heißt Sultana-Creme, weil sie von einem arabischen Arzt für das Serail erfunden wurde. Sie wurde […] auf ein Gutachten unseres berühmten ­Chemikers Vauquelin hin von der Akademie der Wissen­schaften preisgekrönt. Diese köstliche Creme, der ein süßer Duft entströmt, entfernt die hartnäckigsten Sommer­sprossen, macht die sprödeste Haut weich und verhindert den Handschweiß, über den Männer wie ­Frauen gleichermaßen zu klagen haben.« Balzac, der Schöpfer dieses Parfümeurs und Bankrotteurs, hebt dessen Geschick eigens hervor: »Es war eine glänzende Idee zu


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einer Zeit, in der alle Welt nur vom Orient sprach, ein kosmetisches Mittel Sultana-Creme zu nennen, noch dazu in einem Land, wo jeder Mann ein Sultan und jede Frau eine Sultanin sein wollte.« Birotteau hat das bis heute in der Werbung übliche, wenngleich in sich widersprüchliche Versprechen auf Sinnenrausch und Seriosität erfunden. Die wissenschaftliche Approbation des Luxus, diese Werbetaktik, entspringt dem Moment, da Medizin und Ökonomie sich treffen, da es nicht mehr nur um Heilung, sondern auch um die Ver­größerung des Lebensglücks geht. An Birotteaus Geschäftsgebaren zeigt sich zudem die Verschiebung des Luxusgütermarkts auf eine weibliche Kundschaft. Zwar erfindet er ein Rasierwasser, doch sein Comagenöl, das dem von der Perücke entlasteten Mann durchaus hätte nützlich sein können, entfaltet sich, Birotteaus Werbung zufolge, vor allem im Haar der Frau, wie überhaupt das auf jeden Lufthauch reagierende Haar zu einer der wichtigen Duftfahnen der neu ent­stehenden Literatur des Boudoirs wird.

verzückt in schwelgerischer Muße, jenes Weihrauchkorn ge­atmet, das eine Kirche durchduftet, oder in einem ­Beutel den alt­gewordnen Moschus?« Was Fausts Gretchen noch voller Schuldbewusstsein gebrauchte, der Nach­barin Fläschchen, genießt der französische Dichter im vollen Genuss seiner Sündhaftigkeit; dieser Genuss soll Kirche und Moral brüskieren. Wie Zola am Grafen Muffat zeigt, ist der Geruch ein animalischer Angriff der Frau auf die gute Sitte. M ­ uffat, betäubt von den Parfümschwaden in der Theater­garderobe, flüchtet in die Arme der Kokotte, die der Volksmund l­ieber »Putain« nannte, die Stinkende. Auch die Ange­betete des Dichters der »Fleurs du Mal« lebt im »Weihrauch des Alkovens«, aus dem ein Geruch aufsteigt, »wild und raubtierhaft.«

»Das Parfum« mit einem Hinweis auf diese ästhetischen Theorie: Grenouille, der Held ohne Körper­aus­dünstung, ist »mit dem primitiven Geruchsorgan, dem niedrigsten der Sinne« ausgestattet. Huysmans hatte schon vor ­Süskind in seinem Roman »A Rebours« (1884) eine R ­ evision ­dieser ästhetischen Rangordnung vorgenommen und den Geruchssinn als das eigentliche schöpferische Stimu­lans der Kunst benannt. Diese Umwertung bezeichnet den Übergang von der Kunst der höheren Sinne, Musik und ­Malerei, zur Schöpfung des verbotenen, ja anrüchigen Sinns, des Geruchs, der den Kunstverstand durch eine Mémoire ­involontaire inspiriert und in die tiefen Zonen der individuellen Erinnerung hinabführt. Die Verbindung von Geruch und Erinnerung stellt bereits Baudelaire her: »Reiz t­ iefen ­Zaubers, mit dem im Gegenwärtigen uns die erneuerte Vergangenheit berauscht! So pflückt an einem angebeteten L ­ eibe der L ­ iebende die Wunderblüte der Erinnerung.« Des Esseintes, Huysmans Held, schließt die Augen, um auf den Spuren von »Duft­sträußen« Wanderungen über Wiesen, durch Wälder, ja sogar durch Industriegebiete erinnernd zu wiederholen. Er behauptet eine Duftkunst, die zu verstehen es, wie bei der Ohrenund Augenkunst, Schulung und Kenntnis brauche.

»La Chevelure«, Das Haar, eines der Gedichte in Baude­ l aires »Fleurs du mal« (1857), ist diesem Duftspender gewidmet: »O Vlies, das tief hinab sich über den Nacken kräuselt! O Locken! O Im 20. Jahrhundert verfliegt das schwer und träger Wohlgeruch! literarische Interesse am Duft. Verzückung! Um heute Nacht Nur im Kriminalroman f­allen den dunklen Alkoven mit Erinnemanchmal noch Geruchssinn rungen zu bevölkern, die in dieund Spürsinn zusammen. Eines sem Haar schlummern, will ich ­seiner ­ersten Exemplare, ­Gaston es schwenken in der Luft gleich Leroux’ »Das Parfum der Dame einem Taschentuch.« Dieser Duft in Schwarz« (1908), stattet den weht durch Baudelaires gesamten ­Helden ­Rouletabille mit einer Gedicht­zyklus, wie denn überNase und einer psychologischen haupt »Fleurs du mal« auch der Leidenschaft aus, die Süskind in Name eines Parfüms sein könnte. seinen Roman übernehmen wird. Das Lob, das Balzac seinem ParfüRouletabille erinnert sich nur des meur Birotteau zollt, weil der mit Geruchs, den seine Mutter trug, seiner Werbung die exotischen spürt d ­ iesem hinterher und lässt Träume der Käufer so geschickt sich zu Ver­brechen ver­leiten: »Da genutzt habe, dürfte er auch BauDie Frau als Flakon, als sinnlich-sündiger Hochgenuss: Über dem »Lesenden Mädchen« (1887) von Théodore ­Roussel ich ihr ­liebes Gesicht nie gesehen delaire spenden. Die Düfte, die wie dem »Bücherwurm« (1910), dem liegenden Akt von Hermann Fenner-Behmer, liegt noch ein Abglanz des habe, nur ihr ­Parfüm, wenn sie seinen Gedichten entsteigen, sind ­exotisch schwülen Flairs, das die Literatur des 19. Jahrhunderts gern als Wesenszug weiblicher Sinnlichkeit feierte. mich in die Arme nahm, g­ ierig einschwer, schwül, exotisch: »Auf den sog, ­lebte ich weniger von ihrem flaumigen Borden eurer gewundenen Flechten berausche Solcher Exotismus ist mehr als poetische Schwärmerei; Bild als von ihrem Duft. An den Tagen nach ihrem Besuch ich inbrünstig mich an den vermischten Gerüchen von er kaschiert eine wichtige historische Entdeckung: die stahl ich mich heimlich in den leeren Empfangssaal, atmeKokosöl, Moschus und Teer.« Aus diesen Essenzen steigt Sinnlich­keit der Frau und deren Wirkung auf den Mann. te andachtsvoll die Luft ein und ging hinaus, das Herz voll »das schmachtende Asien« auf »und das glühende Afrika, In der Epoche der Prüderie ist das Parfüm eine Möglich­ von Wohl­geruch.« Süskind verknüpft diese Geruchserinneeine ganze Welt, sehr weit ent­legen, fast gestorben, lebt in keit, leidenschaftlich von Obsession, Sexualität und rung mit der ­psychologischen Ana­lyse eines Fanatikers, der deinen Tiefen, Wald voller Aromate! Wie die Geister ­andrer ­sexueller Ausstrahlung zu reden. Hinter der Maskerade keinen Körpergeruch und also keine Individualität hat, und hintreiben auf der Musik, so schwimmt, o m ­ eine Liebe! der des Duftes entwickelt sich eine neue Lustkultur. Der Choc, einer massenpsychologischen ­Studie: Das Verbindende der meine auf deinem Duft.« In diesem »Parfum Exotique«, den ­diese Entdeckung auslöst, weckt allerdings zugleich Menschen sei das, was sie am ­wenigsten wissen ­wollen, der so der Titel eines Gedichts, schwebt der Liebhaber, »von Katastrophen­phantasien. Nana, das sinnliche Tier, muss Geruch. Der geruchstote Grenouille, ein Aus­ge­stoßener, ­deinem Duft geleitet«, »zauberischen Himmelsstrichen« an Pocken ­sterben, der D ­ ichter der »Fleurs du mal« ver- ist besessen von der Idee, ­Liebe zu erringen, und das heißt: und »grünen Tamarisken« zu. sinkt in Trübsinn, der allerdings eine neue Sprache gebiert. einen Duft für sich zu kreieren. Dafür studiert er erst e­ inmal ­Geschriebenes Parfüm riecht nicht – es zum Duften zu die ­gesamte Geschichte der Parfümherstellung. Um L ­ iebe Mallarmé schließt sich in einem seiner berühmtesten bringen, bedarf es einer Bereicherung des Vokabulars, einer zu finden, muss er »einem lebenden Wesen die ­duftende Gedichte, »L’Éventail«, Baudelaires Duftinszenierung an. Wortpalette, auf der sich neue Kombinationen mischen Seele r­ auben«. Er ermordet vierundzwanzig Jungfrauen und Zwar ist es diesmal nicht das Haar der Frau, das die Atmos­ ­lassen. Die Lyrik, von den Gesetzen der Grammatik füllt ein Flakon »mit der zu T ­ ropfen g­ eronnenen Aura«. phäre mit sinnlichen Düften schwängert, sondern ihr Fächer. ­emanzipiert, ist daher der eigentliche Ort der Duft­poesie – So entgeht der für seine Verbrechen zum Tode VerurteilDie französische Lyrik macht ohnehin die Frau selbst zum und die Parfüm-­Industrie hat sich ihr angeschlossen. Der te, »maskiert mit dem b ­ esten ­Parfüm der Welt«, der HinFlakon: Mit jeder ihrer Bewegungen und Kleidungsstücke Gang durch eine Parfüm­abteilung gleicht noch heute dem richtung. Wegen des berauschenden Duftes be­freien ihn verflüchtigt sie sich im Raum und verwandelt sich in einen ­Blättern im Poesie­album: La Fougeraie au ­Crépuscule, die Menschen und verherrlichen ihn wie einen Gott. Er verführerischen Wohlgeruch. In der berühmten Spiegel­ L’Heure bleu, Vol de Nuit, ­Dolce Vita, Je r­ eviens, J’adore, aber bringt sich ihnen zum Opfer dar – denn sie haben szene des dritten Kapitels von Zolas »Nana«, die Männer als Addict Shine – zusammengenommen klingt das wie der ihn nun zum Fressen gern: Sie zer­reißen und verspeisen den Gipfel der Geschmacklosigkeit, F ­ rauen als Entdeckung Vers eines duftberauschten Dichters. Parfümgeruch jeden- ihn. In seligem Wohlbehagen ver­dauen sie das Opferlamm. sublimer Nuancen der weiblichen Sexualität lesen, löst sich falls verleitet, wie Wein­genuss, zum Spiel mit der S ­ prache, ­Diese kannibalische Nahrungskommunion ist der Gipfel der Nana, die Kokotte, durch ihre ­lasziven Bewegungen in Licht Duftkaskaden lösen Wort­kaskaden aus. Die großen ­Worte ­Blasphemie, zu der die Duft­poesie fähig ist. und Luft auf: in einen optischen Reflex im Spiegelglas und der Philosophie begannen, wie die der Religion, im 19. Jahreinen betörenden Duft, der den Raum erfüllt. hundert zu verblassen; seither fasziniert die ­Sprache der Baudelaires sündige Sinneserfahrung hatte so viel R ­ ealität, Sinnlichkeit. dass sie den Richter auf den Plan rief und den ­Dichter vor Die Inspiration durch den Anblick und das Parfüm der Gericht brachte. Süskinds Kannibalismus bleibt ein literariFrau, der sinnliche Hochgenuss, den sie bereitet, schlägt Die Abwertung des Geruchssinns genügte einer philosophi- sches Spiel, wie überhaupt im Kriminalroman der Geruchssich im Gedicht als sündige Lüsternheit und B ­ lasphemie schen Ästhetik, die Auge und Ohr den höchsten Rang ein- sinn seine dämonische Energie entfaltet, ohne die Wirklich­nieder. Baudelaires »Le Parfum« macht das Sachet, das räumte als den Sinnesorganen, die zu ästhetischer Wahr- keit zu tangieren. Inzwischen ist das Parfüm eine angenehme Duft­kissen der Frau, zum Weihrauchkessel und das Bou- nehmung befähigen. Der Geruchssinn hin­gegen sei der Überraschung für die Nase, die allerdings, man bedenke die doir zur Kathedrale der Liebe: »Leser, hast du bis­weilen, niederste der Sinne. Patrick Süskind eröffnet s­ einen Roman Namengebung, viel von der Poesie gelernt hat.  > 38

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Harmonie un Der Weg ist noch nicht das Ziel: Über den lieblichen ­Rheingau, die herrliche Pfalz und die charmante Champagne lenkt der Reisende den Range Rover schliesslich nach Paris zum Ort der Bestimmung – der Maison Guerlain.

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s ist ihm klar, dass sein Vorhaben extreme Reaktionen provozieren könnte. Deshalb hat er allen, die ihn kennen, Friends and Family, wie er sie nennt, nichts davon erzählt, er wollte sich ihre verständnislosen Blicke ersparen. Er weiß ja, dass sie seinen speziellen Spleen, seine immer intensivere Suche nach den viel zu flüchtigen, d ­ uftigen Aromen im Wein, für verrückt halten. Er hält das Bouquet des Scharzhofbergers, des Montrachet, des Vouvray für die feinsten und sympathischsten Erscheinungsformen von Schönheit. Und deshalb kann er es nicht mehr hören, wenn sie ihn necken: ­Schnüffelst Du schon wieder? Machen das sonst nicht nur Junkies? Und jetzt, da er sich vor­ge­nommen hat, auch noch ein eigenes Parfüm komponieren zu lassen, das seine Lieblingsweine und ihre Aromen in sich trägt und ihm so erlaubt, sie immer an seinem Körper mit sich zu t­ ragen, befürchtet er, dass sie glauben könnten, er sei übergeschnappt.

»Bitte nicht falsch verstehen«, sagt er schnell, »ich mag meine Freunde und meine F ­ amilie sehr, und ich glaube, sie mögen mich auch. Immerhin sind sie tolerant. Aber ihnen sind maßgeschneiderte Anzüge egal. Mir nicht«. Er wisse wohl, sagt er so, als müsse er sich rechtfertigen, dass es wichtigere Dinge auf der Welt gebe – Libyen, Fukushima, plagiierte Doktorarbeiten, jaja – als die bauschige Ausweitung des Ärmelansatzes bei Jacketts aus dem Atelier guter Schneider. »Aber in der Zeit, die ich morgens vor dem Spiegel stehe, wird die Welt hoffentlich ohne meine Teilnahme auskommen. Meine Freunde haben auch nie etwas dagegen einzuwenden, meine schönsten Weine mit mir zu teilen. Aber meine Frau ermahnt mich gelegentlich, es nicht zu übertreiben, und musste der letzte Weinkauf wirklich so teuer werden?« Ja. Es ging nicht anders. Denn auf der Suche nach Schönheit im Wein konnte er sich nicht um Geld kümmern, es geht um die Erregungen der Geschmacksknospen, die zu seinem Bulbus olfactorius führen, einer Gehirnregion, die auf Deutsch – unschön, wie er findet – Riechkolben heißt; um die Emotionen, die entstehen, während er die Aromen in sich aufnimmt. Stille Ekstase, Meditation mit dem Glas in der Hand, Glückssuche: Dabei könne er

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Eine Luxus-Reise nach Paris zum persönlichen Parfüm von Guerlain Wie das Traditionshaus Guerlain ein Parfüm komponiert, das Weinnasen zufriedenstellt

nd Kontrapunkt Text: MICHAEL FREITAG Fotos: ALEX HABERMEHL

doch nicht anfangen zu rechnen! Er sagt, dass für ihn als Unternehmensberater die Wirtschaftlichkeit sein Métier sei. Geld sei neutral, ergänzt er, es habe mit Glücksempfindungen nichts zu tun – das Vermögen, das er verdient habe, erlaube ihm allerdings, über die Finanzierung seiner Leidenschaft nicht nachdenken zu müssen. Er hat noch nicht alle Weine der Welt getrunken. Er hofft, das während seiner Lebensspanne noch ändern zu können. Sehr viele allerdings kennt er schon, und die meisten mag er, auf ihre spezifische Art. Die Mineralität und Finesse des Winninger Uhlen, die ­florale ­Opulenz des Meursault von Coche-Dury, der erdige, mitunter etwas salzig wirkende Aromen­fächer eines alten Chablis, die Kraft und Fülle des Westhofener Morsteins, die feinen Cassis-, Leder-, Tabak- und Schokonoten eines reifen Bordeaux. Das Parfüm, das es noch nicht gibt, das nur ihm gehören soll, das seine Liebe, seine Leidenschaft für den Wein widerspiegelt, wäre nach seiner Vorstellung ideal, wenn es alle diese Duftnoten in sich vereinigen könnte. Aber schon bei seinem ersten Treffen mit Thierry Wasser, »le nez« genannt – die Nase, prosaischer ausgedrückt: Chef des Traditionshauses Guerlain auf den Champs-Elysées in Paris – musste er sich von dieser Idee verabschieden. »Monsieur«, beschied ihn Wasser mit strengen Worten, »ein Parfüm, das alle diese Elemente in sich vereinigt, wäre schizophren. Noch schlimmer: Es hätte zu viel der guten Dinge – und nichts ist schlimmer für ein Parfüm als Übertreibung. Ist es nicht genauso mit dem Wein?« Wir greifen vor. Auf Guerlain war unser Abenteurer der Aromen gestoßen, weil er im ­Internet davon gelesen hatte, dass man hier darauf vorbereitet sei, individuelle Parfüms zu komponieren. Auf der Guerlain-Website fand er denn auch eine Seite über »parfums sur mesure«. Im Rückblick findet er naiv, was er sich darunter vorgestellt hat: »Ich dachte, dass man mich in einen Raum führt mit vielen Flakons, eleganten Creme-Tiegeln, lichtgeschützten Phiolen voller kostbarer Essenzen, und dass dort mal das eine Ventil sanft geöffnet wird, mal das andere. Nach einer Stunde wäre mein Parfüm bereitet, flösse in eine Flasche m ­ einer Wahl, und nach dem Begleichen einer fürstlichen Rechnung könnte ich es mitnehmen.«

Heute gibt er leicht schamgequält zu, dass diese Vorstellung wohl ein wenig, nun ja, o ­ rdinär war. Schon am Telefon wurde ihm bedeutet, dass die Maison Guerlain »keine Instant-­ Parfüms« verkaufe und dass es ohne einen Termin mit dem Chef nicht abgehe, mindestens einen. Und er solle viel Zeit mitbringen, es gebe eine Menge zu besprechen. Das klang nicht so, als wollte Guerlain ihm unbedingt etwas verkaufen. Man begegnete ihm höflich, war aber keineswegs einladend: Wir machen es so und nicht anders, gut, wenn Sie einverstanden sind, wenn nicht, auch gut. Dadurch fühlte er sich herausgefordert und angespornt. Für diese R ­ eise nach Paris schien ihm weder Flugzeug noch Bahn angemessen. Und auch der Porsche durfte in der ­Garage bleiben. Er wollte sich und seine S ­ inne vorbereiten und sie nicht durch den direkten Weg auf der ästhetisch so ungemein ermüdenden Autoroute in den Tiefschlaf versetzen. Ein kleiner Abstecher in die Pfalz musste eingeplant werden. Die Anmutung der Toskana auf den kleinen, nicht sehr hohen, aber steilen Terrassen des Dürkheimer Michelsberges, wo Karl Schäfer eines seiner liebsten Großen Gewächse erntet, schob sich vor seine Augen, er meinte, den Frühlingsduft des von Zypressen gekrönten Weinbergs zu spüren. Dort brauchte er den Range Rover. Da er zu diesem Zeitpunkt unsicher war, ob der Weg nicht schöner als das Ziel sein w ­ ürde, plante er Abstecher in die Montagne de Reims im H ­ erzen der Champagne und, weiter südlich, zum großen Hang der Grands Crus von Chablis mit ein, um sich einzustimmen auf das, was Guerlains »Nase« ihm präsentieren könnte und welche Antworten hilfreich wären bei den unausweichlich drohenden Fragen: Wer sind Sie, was suchen Sie bei uns zu finden, haben Sie noch unerreichte Ziele vor sich, und, einfacher: welche Düfte irritieren Sie, welche spornen Sie an? In seiner Erinnerung ist er dankbar für diese gründliche Einstimmung, denn Thierry Wasser machte es ihm nicht einfach. »Bedenken Sie, dass wir old-fashioned sind«, das waren ­Wassers erste Worte nach der Begrüßung: »Wir sind alt, ich bin nach beinahe

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einhundertsechzig Jahren immerhin schon der fünfte Chefparfümeur unseres Hauses. Aber Fashion im Sinne von schnell wechselnden Modetrends ist nicht unser Stil. Wir haben den Ehrgeiz, Klassiker zu erschaffen.« Das klang so reserviert, dass er sich die Frage nicht verkneifen konnte, ob man denn überhaupt Interesse daran habe, sein Parfüm zu k­ omponieren. Die Antwort: »Ich weiß es noch nicht. Es hat nur Sinn, wenn wir beide uns ganz darauf ­konzentrieren. Ich muss wissen, wer Sie sind, muss Ihre Ziele, Ihre Träume, Ihre Erfolge, Ihr Selbstbewusstsein kennen, aber auch Ihre Zweifel, Ihre Ängste, Ihren Abscheu, Ihren Hass. Sie müssen sich öffnen, sonst kann ich nichts für Sie tun. Wollen Sie das, können Sie das?«

Parfüm komponiere, kostet das 35 000 Euro oder auch 50 000, je nachdem, ­welche Inhaltsstoffe wir verwenden.« Und es dauere so lange, wie es eben dauere. Vielleicht eineinhalb Jahre, plus ein Jahr für die notwendigen rechtlichen Dinge, Verträglichkeits­prüfungen, Allergie­tests. Unser Abenteurer schluckt, macht aber trotzdem einen Witz: »Okay, das ist auch nicht mehr, als ein Frank­furter Investmentbanker für den Mini Cooper S Cabrio ­seiner Geliebten bezahlt.« Das kommt gar nicht gut an. Thierry Wassers Blick wird streng: »Monsieur, wir bei Guerlain sind nicht frou-frou. Bitte respektieren Sie das. Wollen wir anfangen? Dann müssen wir ernst werden.«

Das musste er erst einmal verdauen. Wasser tat zunächst nichts, um die Schwere der P ­ ause zu mildern. Dann wurde er verbindlicher. Es gebe ja die Möglichkeit, aus den Düften in der so genannten Collection privée einen herauszusuchen, der schon fertig komponiert sei, in dem langen, bei Guerlain üblichen Prozess. Wenn er fündig werde, gehöre dieser Duft für alle Zeiten ihm, er bekomme zwei Liter Eau de Parfum in den berühmten Guerlain-­Flakons, das sei genug für etwa fünf Jahre. Nicht nur das: Auch die Formel werde ihm überreicht, zur späteren Verwendung. Oder vielleicht spreche ihn auch der wunderschöne Duft ­Tonka Impériale aus der neuen High-End-Serie L’Art et la Matière an, dann könne man sich alle Mühen sparen, und er erhalte ein formidables Produkt für einen vernünftigen Preis? War das nur so dahingesagt, oder hatte Wasser den richtigen Instinkt, um eine Entscheidung auszulösen? »Vernünftiger Preis« – das klingt für ihn wie Preis-Leistungs-Verhältnis, und das mag er gar nicht. Deshalb entschied er sich auf der ­Stelle: »Kein Kompromiss, es muss mein Parfüm sein, unverwechselbar das Meine. Mein Wein-Parfüm, auch wenn es lange dauert und möglicherweise anstrengend ist, koste es, was es wolle.«

Ein Parfümhaus, das von Frivolität nichts hält? Auch das ist etwas, das er erst lernen muss. Aber dann beschreibt er, was ihn interessiert, und er grenzt seine sensorischen Bedürfnisse ein. »Auch wenn ich fast alles mag, bin ich ein Riesling-Freak. Mineralisch soll er s­ chmecken, ein wenig salzig, erdig, aber auch rassig, säurebetont, fruchtbetont mit ein wenig Exotik, natürlich mit Zitrustönen, aber bitte nicht nur vordergründige Frucht­aromen, sondern etwas mehr Tiefgang. Ein wenig ­Cassis, wie im Calmont? Vielleicht. Zarte Schokotöne wie im Doctorberg? Natürlich Länge. Und so stelle ich mir auch mein Parfüm vor. Geht das?« ­Wasser kräuselt die Stirn. Kaum merklich wird er lockerer. Und er schickt s­ eine ­Phantasie auf die Reise. »Im Frühling liegt in den Weinbergen des L ­ avaux, zwischen Montreux und Lausanne, dort, wo ich aufgewachsen bin, ein ganz wunderbar zarter Duft in der Luft. Weinblütenduft.« Ehe die Erinnerung ihn fortträgt, sagt er sachlich, es ­handele sich dabei um das Molekül Methyl-Dihydro-Jasmonat. »Das wurde 1946 bei Givaudan entdeckt, dem Marktführer bei chemisch produzierten Aromen. Aber die dortigen Parfümeure zeigten den C ­ hemikern die kalte Schulter und verschmähten es. Deshalb wurden die Rechte an Firmenich verkauft, ebenfalls in Genf ansässig und Nummer drei des Weltmarktes. Die machten es unter dem Namen Hedion zu einem der größten Erfolge auf dem Aromenmarkt.« ­Hedion könnte die Grundlage des neuen Parfüms bilden. Hedion gebe, musikalisch gesprochen, die Grundharmonie des Stücks, die Tonart vor. Aber es sei konturlos, amorph, und um ihm mehr Rückgrat, mehr Struktur zu verleihen – einen Kontrapunkt –, möchte Monsieur Wasser Ethyl-Oenanthat hinzugeben, einen Ester der Önanthsäure, das rufe die

In diesem Moment durchfuhr ihn die vage Empfindung, dass es sich womöglich nicht ­gehöre, nach den Kosten zu fragen, aber wohl notwendig sei: »Monsieur Wasser, kann es sein, dass der, der nach dem Preis fragt, sich sein persönliches Parfüm nicht leisten kann? Ich frage trotzdem: Was kostet es, und wie lange dauert es?« Guerlains Nase stutzt und sagt: »Das war ein schönes Bonmot, aber wir sollten einander ehrlich gegenübertreten. Wenn ich Ihr

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Das Ziel ist mehr als der Weg: Im Institut de Beauté von Guerlain wird der Reisende auf der Suche nach dem passenden Parfüm für einen passionierten Weinfreund vom Chefparfümeur des Hauses, Thierry Wasser, sanft, aber nachdrücklich auf die richtige Duftspur geleitet.

Empfindung von Mineralität hervor, zusammen mit champagnerartiger F ­ rische. Anklänge an Chablis mit grünen Noten sollten hinzukommen. Schwierig: Säure ist in der Nase nicht präsent und wird nur am Gaumen empfunden. »Also müssen wir den Eindruck davon in der Nase erwecken, wir Parfümeure verkaufen Empfindungen, Phantasien, Illusionen. Deshalb müssen wir manchmal die Wahrnehmung der Sinne täuschen.« Vielleicht etwas Ambroxan. Es riecht ein wenig so, wie Steine im Sommer riechen. »Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Steine tatsächlich riechen?« Plus einen Hauch Cyclo-Ethyl-Propionat, das macht den olfaktorischen Eindruck von Säure deutlicher. »Damit könnten wir spielen.« Er schlägt vor, ganz zarte Feuersteinnoten (Silex) hinzuzufügen: »Die Chasselas-Weine aus dem Lavaux haben das, ich mag diese Würze. Und ich habe ein kleines Molekül dafür.« Wie es heißt, verrät er nicht. Aber er redet von winzigen Mengen, denn die Gefahr der Übertreibung lauere überall. »Sie mögen doch die Johannisbeernoten eines guten Bordeaux. Die brauchen wir. Sie werden hervorgerufen durch einen Stoff, der Mercapto-Methyl-Pentanon heißt. Eine sehr gefährliche Substanz. Nehmen Sie eine Spur zu viel davon, stinkt es nach Katzenpipi.« Um seinem Kunden die Verlegenheit zu nehmen, beim Spiel mit einem großen ChemieBaukasten zuzuschauen, erzählt Wasser Anekdoten: »Auch beim Wein hat man schon immer Tricks angewendet, um die Aromen intensiver hervortreten zu lassen: Die Nonnen des Hospice de Beaune gaben während der Mazeration der Rotweine Iris-Wurzeln hinzu. Die Knollen enthalten den Duftstoff Beta-Ionon, der an Veilchen erinnert.« Wegen der Fruchtaromen macht sich Wasser keine Sorgen. Er beginnt mit ein wenig Salbei – nicht mit dem Heil- und Küchensalbei Salvia officinalis, sondern mit Salvia sclarea, auch Muskatellersalbei genannt, aus offensichtlichen Gründen. Salvia rutilans gibt zarte Ananasnoten dazu. Wirkt weich, fruchtig, ist eine schöne Facette. Brauchen wir dunkles Laub, geschnittenes Gras? Und etwas Weinbeeriges. Aber wenn es um die leichte Salzigkeit mineralisch betonter Weißweine geht, zieht ­Wasser seine Stirn in Falten: »Wie soll das gehen, wie duftet Salz?« Totale Abstraktion, ein Alptraum für den Parfümeur. Aber er gibt zu, dass er die Herausforderung »cool« findet. In seinem

Parfüm-Baukasten habe er nichts dergleichen, also wird er sich bis zum nächsten Treffen etwas einfallen lassen. Jetzt fehlt ihm nur noch ein wichtiger Bestandteil des P ­ arfüms, das Wein widerspiegelt: Körper. »Wie würden Sie den Duft von Körper beschreiben? Sehen Sie: Das ist kaum möglich.« Es geht nicht nur um hohe Alkohol-Grade, sondern das Gefühl von wohliger Breite, vielleicht Fettigkeit. »Aber im Wein ist kein Fett. Glycerin gibt uns dieses Gefühl im Mund, aber Glycerin ist auch ein Alkohol, kein Fett. Olfaktorisch gibt er gar nichts her. Also muss ich auch hier Tricks anwenden.« Er deutet auch gleich die Richtung an: »Wenn wir Haselnussbäume schälen, tritt Saft aus. Der hat einen wundervoll würzigen Duft. So etwas muss hinzukommen. Und dann etwas Gewürznelke. Aber auch die Gartennelke, wenn sie sich nicht durchdringend in den Vordergrund schiebt, müssen wir verwenden. Also Methyl-Iso-Eugenol. Sehr zart, mit einem kleinen Anklang von Vanille und Crésol. Das ist ein Phenol, das wir auch im Wein finden und viele Verkoster an Teer erinnert.« Ein winziger Hauch davon, das wolle er in Ruhe ausprobieren. In einem halben Jahr könne man sich wiedersehen und prüfen, ob die Blüten­ träume gereift sind. »Wollen Sie immer noch? Habe ich Sie noch nicht abgeschreckt?« Er selbst denke bei Wein ja lieber an Rotwein, zum Beispiel an Château La Lagune, d ­ essen Name ihn immer an Venedig erinnere, oder an Cos d’Estournel. Mit seinem Stiefvater habe er vor einigen Jahren im Louis XV. in Monte Carlo eine Flasche des legendären Jahrgangs 1961 leergetrunken, und weil sie so schön war, gab es gleich noch eine zweite Flasche. »Es erstaunt mich selbst, dass ich mich dabei an keine bestimmten Aromen mehr erinnere, sondern nur noch an Gefühle wie samtige Weichheit und Harmonie.« Weißweine findet Monsieur Wasser in der Regel weniger komplex und einen Hauch langweiliger. Aber zum Condrieu von der nördlichen Rhône bekennt er sich, und zwar auch hier erstaunlicherweise nicht wegen der überbordenden floralen Aromen, sondern wegen seiner schieren Kraft. »Sie mögen den Condrieu nicht? Kein Problem. Jean-Paul Guerlain, mein direkter Vorgänger als Parfümeur der Maison Guerlain, sagte mir einmal: Jeder hat das Recht auf seinen schlechten Geschmack.« Aber Ihr Parfüm, setzt er gnädig hinzu, wird vom Gegenteil künden.  >

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Düfte, die niemals aus Text: SUSANNE REININGER

Schon zu Lebzeiten galt die amerikanische Filmprinzessin Grace K ­ elly als Stil-Ikone. Als sie im Frühling 1956 den Fürsten von Monaco Rainier III. Grimaldi heiratete, trat sie in einem ­weißen Traum aus Spitze und Tüll vor den Traualtar. Umhüllt wurde die bildschöne Braut von einem unsichtbaren Schleier aus Veilchen, Iris, Tuberose und Rose. Ein blumig-elegantes Duft-­Unikat, das der monegassische Regent eigens vom Traditionshaus Creed für den schönsten Tag seines Leben entwerfen ließ und seiner Braut zum Geschenk machte: F ­ leurissimo blieb fünf Jahre lang allein Fürstin Gracia Patricia vorbehalten. Nach Ablauf der Exklusivfrist war Jacky Kennedy eine der ersten Damen, die Fleurissimo orderten. Heute legt auch Popstar Madonna den fürstlichen Duft auf. Doch ein Klassiker wurde das Parfüm mit der märchenhaften Liebes­geschichte nicht. Der erklärte Lieblingsduft der monegassischen Fürstin, Joy von Jean Patou, hingegen stieg in den Olymp der ewigen Klassiker auf – auch wenn seiner Entstehung in den dreißiger Jahren ganz und gar ­keine Liebes­geschichte zugrunde lag: Der Parfümeur Henri Alméras entwarf Joy für den berühmten Modeschöpfer Jean Patou während der anhaltenden Weltwirtschaftskrise. Weil sich nun auch die wohl­habenderen ­Kundinnen seine exquisiten Kleider nicht mehr leisten konnten, s­ ollten sie sich wenigstens an seinem extravaganten Duft erfreuen. Wie auch bei der Couture wurden für den Duft von Patou nur kostbarste Stoffe ver­wendet: Die Basis von Joy bildete ein üppiges Bouquet aus achtundzwanzig Dutzend Bulgarischer Rosen und zehn­tausendsechshundert Jasminblüten – hochkonzentriert in z­ wanzig Milli­litern. Zwischen den dreißiger und den siebziger Jahren galt Joy denn auch als das teuerste Parfüm der Welt. Heute sind dreißig Milliliter für 40 Euro zu haben. Im Jahr 2000 wurde das hochkarätige Duftjuwel bei den amerikanischen FiFi Awards – dem Vorbild der deutschen Duftstars – als »Duft des Jahrhunderts« ausgezeichnet und nimmt nach Chanel Nº 5 Platz zwei auf der Liste der meistverkauften Parfüms aller Zeiten ein. Die unangefochtene Nummer Eins der meistverkauften Parfüms ist zugleich auch das älteste Parfüm unter den Duft-Klassikern: »­Chanel Nº 5 war 1921 eine absolute Sensation«, erzählt Dirk Usener,

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Maître de Parfum in Frankfurt am Main. »Erstmals wurden im groß­ zügigen Stil synthetische Duftstoffe verwendet, um dem Duft Strahlkraft zu verleihen. Denn ein Parfüm, das reichlich Aldehyde enthält, riecht man auch drei, vier Meter im Umkreis der Dame, die es trägt«, er­läutert der Duftexperte, dessen geschulte Nase zweihundert verschiedene Parfüms erkennen kann. Gabrielle »Coco« Chanel soll von den Düften zu Beginn des 20. Jahrhunderts wenig begeistert gewesen sein: Sie seien »zu eindimensional« und »spiegelten nicht den Charakter einer Frau wider«. So entwickelte Coco mit dem Parfümeur Ernest Beaux ein komplexes, feminines Duftkleid aus Mairosen, Ylang-Ylang von den Komoren und Jasminöl aus Grasse. Der Duft von Vetivergras verlieh dem Parfüm eine sanft-süßliche Komponente, ein Hauch von Sandelholz die Wärme und Samtigkeit. Weihnachten 1921 wurden die ersten hundert Flakons Chanel Nº 5 an die treuesten Kundinnen des Modehauses verschenkt. Als ­diese ­weitere Proben nachfragten, bot Coco Chanel ihr »Parfüm für eine Frau mit dem Duft einer Frau« 1922 offiziell zum Verkauf an. Heute gilt Chanel Nº 5 als der erfolgreichste Duft überhaupt. Auch die Damendüfte anderer berühmter Modehäuser stiegen in den Olymp der ewigen Klassiker auf: So brachte Yves Saint Laurent sein ­erstes Parfüm 1977 parallel mit seiner chinesischen Modekollektion auf den Markt. Er provozierte damit einen Skandal: Der Duft war schwer, mystisch-orientalisch und trug den Namen einer Droge: Opium. 1985 revolutionierte das Haus Christian Dior die Parfümwelt mit Poison: Ein sinnlich-samtiger, würzig-opulenter Duft, der in einen amethystfarbenen Flakon in Form eines Apfels gebannt war. Rund zehn Jahre ­später traf der New Yorker Modemacher Calvin Klein mit dem fruchtig-­ frischen CK one, dem ersten Unisex-Parfüm, den Nerv der Zeit und initiierte einen Dufttrend, dem auch Modehäuser wie Hermès und ­Gaultier folgten. »Ein Duft muss die besten Augenblicke des Lebens wachrufen«. Das ­Credo des Modepapstes Karl Lagerfeld hätte der französische Modedesigner Thierry Mugler nicht besser interpretieren können als mit ­seiner Duftrevolution der neunziger Jahre: Er wünschte sich ein P ­ arfüm,


der Mode kommen das ihn an seine Kindheit erinnert – mit einem Duft nach kandierten Früchten, gerösteten Mandeln, Kakao und Schokolade. So entstand 1992 mit Angel der erste »Gourmandduft«. Mugler verzichtete völlig auf Blumenessenzen und setzte auf üppige kulinarische Noten. »Man ­hatte das Gefühl, in den Duft hineinzubeißen. Das war völlig neu: Noten von Kakao, Schoko­lade, Cumarin. Einen solchen Durchbruch hat es in den letzten Jahren nicht mehr gegeben«, schwärmt Duftexperte U ­ sener. Auch für die ­Pariser Parfümeurin Daniela Andrier, eine der besten Nasen der Welt, spielen Gerüche aus ihrer Kindheit eine wichtige Rolle: »Ich erinnere mich zum Beispiel an die geschälten und mit Zitrone beträufelten Äpfel im Kindergarten, an die süßlich duftenden Mottenkugeln und an Zedernholz aus meinem Elternhaus.« Andriers jüngste K ­ reation Untitled, die sie für die Modemarke Maison Martin Margiela schuf, ist ein frischer Duft mit herben Wald- und Zitrusnoten: Das pure Grün der Natur. Passend zum Konzept: der Titel und der puristisch gestaltete Flakon, der der Trägerin des Dufts viel Raum für Phantasie lässt. »Ich bin mir sicher, dass dieses durchaus intellektuelle Duftkonzept als ­Symbol für Kreativität und Freiheit verstanden wird«, sagt die Absolventin der berühmten Parfümakademie von Grasse. Was macht einen Duft zum Klassiker und lässt ihn nach einer Saison nicht wieder aus den Regalen verschwinden? »Er sollte in unterschiedlicher Konzentration – als Parfüm, als Eau de Toilette und als Eau de Parfum – erhältlich sein, damit sich die Kundin ihre Konzentration aussuchen kann. Er sollte sich mindestens zehn Jahre am Markt behaupten und noch immer interessant sein«, weiß Dirk Usener, der als Duft­berater in der renommierten privaten Parfümerie Kobberger arbeitet. Zudem solle sich ein Duftklassiker »treu bleiben, die Rezeptur und der Flakon nicht wesentlich verändert werden«. Bei Chanel Nº 5 werden Rezeptur und Flakon alle zehn Jahre so unmerklich dem Zeitgeist angepasst, dass es nur Experten auffällt. Einem Klassiker, der in den dreißiger Jahren beispielsweise sehr ledrig roch, wird heute eine leicht fruchtige Komponente hinzufügt. »So spricht er durch die nuancierte Veränderung auch jüngere Kundinnen an«, erklärt er. »Bei den Herren entwickeln sich Klassiker leichter, denn sie bleiben ihren Düften treuer als die Damen. Die Herren wechseln nicht so oft«,

merkt der Duftexperte an. Als Durchbruch bei den Herren­düften ­zählen im frischen Bereich Eau Sauvage von Dior, das 1966 auf den Markt kam, sowie das legendäre Knize Ten, das der Besitzer des ­Wiener Herren­ schneiders Knize & Comp, Friedrich Wolff, 1925 für seine Kunden entwerfen ließ: »Der erste ü ­ ppige Duft nach Leder und Blumen. Dieser Klassiker verkauft sich heute noch sehr gut«, sagt Usener. Als ein ­weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Herrenparfümerie gilt Tabac ­Original. Seit 1959 auf dem Markt, hielt der herbe Duft aus ­Ambra, Edelhölzern, Moschus und blumigen Noten zum Beginn des neuen Jahrtausends noch immer einen Platz unter den Top Drei der Herrendüfte. »Aramis hingegen hat 1964 mit seinem gleichnamigen Duft ein weibliches Duftkonzept auf­genommen: Die männliche Ausprägung von Cabochard von Grès, das war für die ­Herren ein großer Durchbruch«, erinnert sich Usener. Dafür sorgte auch der neue Vertriebsweg: Bei der Markteinführung 1964 war Aramis der weltweit erste Herrenduft, der auch in Kaufhäusern erhältlich war. Auch ihre männliche Klientel kleiden Modemacher nicht nur in ­feinen Zwirn, sondern auch in Düfte mit der Lizenz zum Klassiker, etwa ­Giorgio Armani mit Acqua di Giò, Hermès mit Eau d‘Orange Vert, Dior mit Eau Savage und Fahrenheit sowie Wolfgang Joop mit Joop! Homme. 1995 lancierte Jean-Paul Gaultier mit Le Mâle seinen ersten Herrenduft, mit einem meerblauen Flakon in Form eines Matrosenhemdes über einem muskulösen Männertorso. Als Verpackung diente eine Blechdose. Der eigenwillig holzig-würzige Duft mit reichlich Lavendel gilt seit vielen Jahren als einer der beliebtesten Männer­düfte Europas. Eine Garantie auf einen ewigen Klassiker aus dem Duftlabor gibt es nicht. Letztlich zähle das Zusammenspiel aller Dinge, glaubt Maître de P ­ arfum Dirk Usener: »Je harmonischer die Melange aus dem Duft, ­seinem Schöpfer, dem Flakon, dem Namen und dem Etui, je runder das Gesamtkunstwerk, desto wahrscheinlicher ist es, dass daraus ein Klassiker wird.« Ob Klassiker, Trendsetter oder Summer-one-shot für eine einzige Saison – für Daniela Andriers Duftkreationen ist das unerheblich. Das Produkt ihrer Arbeit ist zeitlose Poesie: »Ein Parfüm ist wie ein Band, das sich durch die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft flicht.«  >

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Die Duftstars begeistern! So gelingt es, Parfüm als ein ­prägendes Kulturgut im Bewußtsein von immer mehr Menschen zu verankern. Darauf bin ich sehr stolz. Thomas C. Schnitzler, Ehrenpräsident der Fragrance Foundation

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Glanzvolles Ereignis: In Berlin verlieh die Fragrance ­Foundation

­prominentem Publikum aus Kultur, Wirtschaft, ­Medien und

Deutschland zum neunzehnten Mal ihre renommierten Duft­

­Politik wurden die elf Awards, von einer nam­haften Fachjury

stars, die begehrten höchsten Auszeichnungen für Damen-

aus vierzig nominierten Duftkreationen erkoren, den Gewinnern

und Herrenparfüms. In einer festlich-glamourösen Nacht mit

überreicht. Und dies sind die Duftstars 2011:

Kategorie Exklusiv

Damen

Herren

Narciso Rodriguez for her musc ­collection eau de parfum intense Narciso Rodriguez

Bang Marc Jacobs Marc Jacobs sorgte in den letzten ­Jahren schon mit seinen beiden Damendüften Lola und Daisy für Furore. Mit Bang er­oberte er die Welt der Herrendüfte: Holzig-­würzige Noten, dominiert von verschiedenen Pfeffer­aromen, versprühen Sexappeal und Männlich­keit.

Das prämierte for her eau de parfum intense ist der Damenduft aus der musc collection von Narciso Rodriguez. Diese besondere MoschusSpezial-Edition ist eine sinnliche Hommage an den Lieblingsduft des Designers mit den kuba­ nischen Wurzeln. Schon 2007 wurde er mit Narciso Rodriguez for her mit einem Duftstar ausgezeichnet.

Kategorie Prestige

Kategorie Lifestyle

Damen

Herren

Guilty Gucci

Voyage d’Hermès Hermès Parfums

Guilty, der jüngste Damenduft von ­Gucci, erhielt den begehrten Award in der Kate­gorie Prestige. Kein Wunder: Orientalisch-­florale Elemente sowie die Basisnoten ­Patchouli und Amber verleihen diesem Duft eine ver­ führerische, unwiderstehliche Feminität.

»Ich bin zur Überzeugung gekommen, dass im Spiel zwischen dem Weiblichen und dem Männlichen der richtige Weg liegt. Ein ­Parfüm für Mann und Frau zugleich«, beschreibt ­Parfümeur Jean-Claude Ellena seinen Duft für das Haus Hermès. Der Unisex-Duft inspiriert die Sinne durch holzige Moschusnoten und die extravagante Umhüllung – der Flakon ist einer antiken Reiselupe nachempfunden.

Damen

Herren

Heat Beyoncé

Intimately Yours Men David Beckham

Mit Heat landete die Sängerin Beyoncé auch in der Duftwelt einen sensationellen Hit: den Duftstar in der Kategorie Lifestyle. ­Beyoncés Duftpremiere im feuerroten Flakon hat die Aura ihrer Schöpferin: sexy, temperamentvoll und selbstbewusst. Ein Celebrity-Duft mit der Lizenz zum Klassiker.

2006 zum schönsten Fußballer der Welt gekürt, beweist David Beckham auch außer­ halb des Rasens ein ausgeprägtes Stil­gefühl. Mit Intimately Yours Men, seiner sechsten Duftserie für den Herrn, gelang dem briti­ schen Fußballstar ein besonderer Coup: Die Auszeichnung für seine sinnlich-maskuline ­Komposition.

Kategorie Klassiker Damen

Herren

Herren

24, Faubourg Hermès Parfums

Fahrenheit Dior

Vetiver Guerlain

Formvollendet verkörpert 24, ­Faubourg den einzigartigen Stil und Geist des Pariser Mode­hauses Hermès: 1995 schuf Parfümeur Maurice Roucel den legen­ dären sinnlich-femininen Duft, der seit­ her unverändert blieb – anmutig wie ein hauchzartes Seidentuch.

Dieser ausdrucksstarke Duft wurde Ende der achtziger Jahre im Hause Christian Dior entworfen und galt mit seinen Kopf­ noten von Mandarine als revolutionär. Heute ist Fahrenheit Legende und zählt zu den zehn meistverkauften Herren­ düften der Welt.

Mit Vetiver feierte Jean-Paul ­Guerlain 1959 eine sensationelle Premiere: Zum ersten Mal wurde die im tropi­ schen Asien beheimatete VetiverWurzel als Duftkomponente ver­ wendet. Binnen kurzer Zeit avancierte der natürlich-elegante Herrenduft mit der exotischen Frische zur Ikone unter den Herrenparfüms.

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