mag 09

Page 1



VORWORT D

as neunte Heft in dieser Reihe ist fast fertig. Noch ein paar letzte Korrekturen, Ergän­ zungen, kleine Änderungen. Zeit, das Vorwort zu verfassen. Das Blättern in der Rohfassung ist gleichermaßen eine Art Spaziergang durch eine lebendige und bunte Ausstellung in der sehr unterschiedliche Projekte beispielhaft gezeigt werden. Dieses Mal beginnt es sozusagen im „Foyer“ mit einer Kurzdarstellung der Lehr­ gebiete, die von den hauptamtlich lehrenden Professorinnen und Professoren vertreten werden. Natürlich gibt es außer diesen noch eine ganze Reihe weiterer und anderer Lehrer und Lernender, ohne die diese Arbeit gar nicht möglich wäre, aber die anstehende Umstruk­ turierung der beiden Studiengänge Bachelor und Master legt nahe, die Kernaussagen unserer gemeinsamen Arbeit an dieser Stelle noch einmal zusammenzufassen. Ändern sich auch die Rahmenbedingungen und Studienverläufe (Näheres dazu im Ausblick), so bleiben doch die Menschen, die mit ihren Anliegen und Erfahrungen das Profil und die Lebendigkeit des Fachbereichs weiter gestalten und prägen werden. In den „Ateliers und Laboren“ sind dann die Projekte zu sehen. Fast schon traditionell be­ ginnt es mit Arbeiten zur ersten, zweiten und dritten Haut, nimmt Fahrt auf im Raum der Sinne und geht klassischerweise über in erste

kleine Entwurfsprojekte, die mit den schönen Betonmodellen des „Nanohouse“ entstehen. Ein Pavillon für Alnatura zeigt erste Übungen mit realen Bauherren und Architekten. Pläne für ein Studentenwohnheim lassen sich gut auf eigenen Erfahrungen aufbauen. Für einen konfessionsfreien Andachtsraum für die Hoch­ schule Bonn-Rhein-Sieg kann man spannende Beiträge sehen, die im Rahmen eines Studen­ tenwettbewerbs in Gemeinschaftsarbeit zweier verschiedener Studienjahre entstanden sind. „Wohnen ist wie Essen“ heißt es bei „Orten für Asyl“ und das „give me five“ Projekt beweist, dass einfache Raummodule alles andere als langweilig sein können. Das Interesse an regio­ nalen städtebaulichen Projekten zeigen Pläne für den Bahnhof Roisdorf oder den Franken­ platz in Bonn. „Reverse Architecture“ zerlegt, um zu begreifen. Ressourcenoptimierung bedeutet ökologische, ökonomische und soziale Potentiale zu stärken und in den Bachelorarbeiten finden sich dann alle erlernten Themen wieder und werden mit der „Friesen Vrijheid“ sogar bis nach Nordholland vertreten. Im Masterstudiengang begegnen wir vor allem den forschenden Fragen. Projektent­ wicklung, Projektmanagement und viele beeindruckende Beispiele zeigen, dass hier nicht nur die Architektur als Objekt im Mit­ telpunkt steht, sondern diese vor allem aus

dem Prozess heraus gedacht wird: Mit dem Institut für Prozessarchitektur (IPA) hat der Fachbereich eine neue Einrichtung gegrün­ det, die auch zukünftig für die Weiterentwicklung der Einheit von Weg und Werk steht. In diesem Heft können Sie dazu unter anderem etwas über „Stadtraumpuzzle“ in Paderborn oder „kleine Helferlein“ in Sierra Leone finden. Besonders stolz sind wir darauf, dass die Masterkollegen und Studierenden mit dem Forschungsprojekt „Baukultur konkret“ einen spannenden und vielversprechenden Beitrag zur Förderung regionaler bürgerschaftlicher Initiativen mit prägen und schließlich zeigt, wie ich meine, das „Drumherum“ oder die Gespräche mit „Menschen“ die Vielfalt und Freude mit der unser gemeinsames Wirken an dieser außer­ gewöhnlichen Hochschule diese Bilder einer Ausstellung zum Klingen bringt! Am Aufbau beteiligt waren natürlich mal wieder in erster Linie die Studierenden: Allen voran der „mag-club“ mit Nola Bally, Dominique Buchmaier, Sebastian Pilz, Miriam Hamel und Simon Koolmann. Ihnen, aber auch allen anderen die am mag neun mitgemacht haben gebührt ein herzlicher Dank! Den geschätzten Lesern wünsche ich viel Spaß bei den eigenen Entdeckungen in unseren Räumen! ■ Benedikt Stahl


INHALT 3

VORWORT

4

INHALTSVERZEICHNIS

64 Masterplan Freie Waldorfschule Werder

(Havel) Christian Morgenstern – Bachelorarbeit 66 Stadtentwicklung am Roisdorfer Bahnhof

– „Roisdorf macht Platz!“ – Bachelorarbeit 68 De Friese vrijheid – Bachelorarbeit 70 Freiraum – Lernraum – Schlafraum x3 –

Bachelorarbeit

BACHELOR PROJEKTE 18 Warum Wir Planen –

LEHRGEBIETE KERNTHEMEN 8 Architektur und Stadtraum – Prof. Benedikt Stahl 9 Architektur und Kunst im Dialog – Prof. Willem-Jan Beeren 10 Architektur und Ressourcen – Prof. Swen Geiss 11 Architektur und Gesellschaft –

Prof. Nikolaus von Kaisenberg 12 Bautechnologie –

Prof. Dr.-Ing. Mathias Wirths 13 Konstruktives Entwerfen –

Prof. Marek Nowak 14 Gemeinschaftsorientierte

Projektentwicklung – Prof. Brigitte Scholz 15 Projektmanagement –

Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge 16 Organische Architektur –

Prof. Pieter van der Ree 4

erste, zweite und dritte Haut – Einführung in das Bauen 22 Im Raum der Sinne –

Mensch und Architektur 24 NANOhouse – Mini-Haus für Studenten

Baukonstruktion und Baustoffe 1 28 Pavillion für Alnatura –

Einführung in das Enstwerfen 32 B-Wohnbar –

Baukonstruktion und Baustoffe 2

MASTER PROJEKTE

36 Andachtsraum –

Innenraum und Stadtraum 40 Wohnen ist wie essen – Orte für Asyl –

Gebäudelehre 44 give me five – Wohnhaus aus fünf

Raummodulen – Konstruktives Enstwerfen 48 Volkshaus Rotthausen – Gebäudetypologie 52 Regionale Projekte –

Entwurfslehre Stadtplanung 56 Reverse Architecture – Technischer Aus-

bau und energieeffizientes Bauen 60 Experiment: Baugruppe –

Ressourcenoptimiertes Planen und Bauen

74 ForschungsForum vor Ort –

Projektstudium und Forschungsforum 76 Königsplätze Paderborn – Jahresarbeit 78 Entwicklungsbausteine für Pujehun –

Jahresarbeit 80 Gemeinschaftsproduktion: Selber machen

– Grundlagen der Projektentwicklung 82 VHR 2.0 – Rahmenbedingung

(nachhaltiger) Standort + Projektentwicklung 84 STRUKTURwandel – Masterarbeit 86 Strandbad. Blaue – Masterarbeit


DRUMHERUM

EXKURSIONEN

WEIT UND BREIT

NAH UND FERN

96 Mittwochsforum

116 All the World’s Futures – Interdisziplinäre

Exkursion nach Venedig

98 Architektur Lehren – Architektur Lernen

– Werkbundakademie 2015 99 Spaziergänge durch die Baugeschichte –

Freihandzeichnen

118 Militello – Exkursion nach Sizilien 120 Berlin-Erfahrungen – Master-Exkursion 122 München – Exkursion BA 4.4 Gebäude-

lehre

100 Analoge Photographie –

Raum und Bewegung 102 Farbenlehre – Raum und Ausdruck

FORSCHUNG PROJEKTE 90 Baukultur konkret – Forschungsprojekt im

Auftrag des BBSR 92 Testbetrieb Volkshaus Rotthausen –

Forschungsprojekt im Auftrag der Stadt Gelsenkirchen 94 IPA – Das Institut für Prozessarchitektur

103 Der Letzte Mantel – Raum im Kontext 104 Studies On Conlon Nancarrow –

Temporäre Intervention 106 Arbeit an einem Ort für Erinnung –

Arbeit an der Erinnerung vor Ort – Temporäre Intervention 107 Vom Objekt zum Raum: Formenlehre –

Raum und Bewegung 109 108 Tragwerklehre 109 Feldenkrais und Architektur –

Raum in der Wahrnehmung wicklung – Architekturgeschichte

MENSCHEN

112 Architekturtheorie und Formfindung

HIN UND WEG

110 Baugeschichte im Spiegel der Kulturent­

114 Von der Kunst des Kommens und Gehens

– Fachbereichsfeier

124 3x10 127 Telefongespräche + Ortsgespräche –

Mini-Interviews mit Studenten und Alumni 131

AUSBLICK

133

IMPRESSUM

5


6


LEHRGEBIETE Kernthemen


Lehrgebiete

ARCHITEKTUR UND STADTRAUM PROF. DIPL.-ING. BENEDIKT STAHL

I

m mittlerweile zehnten Jahr an der Alanus Hochschule erlaube ich mir in diesem Zu­ sammenhang einen zusammenfassende Dar­ stellung meines Lehrgebietes mit dem Versuch den sogenannten „roten Faden“ auszumachen, der sich durch viele Projekte, Begegnungen und Ereignisse zieht. Die Module, die ich mithilfe engagierter wissenschaftlicher Mitarbeiter und studentischer Hilfskräfte seitdem betreue, ziehen sich durch das ganze Studium. Beginnend mit den Einführungskursen zur Annäherung an die Architektur über Projekte wie „Erste, zweite und dritte Haut“ oder ersten kleinen Entwurfsprojekten, geht es über in Vertiefungsseminare zur Gestaltung von Innenräumen oder, mit einem FreihandzeichnenKurs, zur Darstellung von Architektur. Später dann, mit der Thematisierung komplexer werdender Fragestellungen, geht es in die Lehre zum Städtebau und Vertiefungsseminare zur Stadtraumgestaltung. Praktische Übungen, Entwurfsworkshops, Gespräche, Präsentationen, Ausflüge und Exkursionen, Vorträge und

8

Vorlesungen, Referate, Gastkritiken, klassisches und experimentelles Arbeiten in den Ateli­ ers und im Raumlabor, wo im Maßstab 1:1 ausprobiert wird, prägen in allen Modulen den Projektverlauf. Die Bandbreite der Themen entsteht in der Regel aus konkreten Initiativen und Projektideen, die entweder im Lehrgebiet gefunden oder aber von außen an uns heran getragen werden. In diesem Heft werden dazu einige ausgewählte Arbeiten des letzten Stu­ dienjahres präsentiert. Neben der Vielfalt und den teilweise sehr individuellen und innovativen Lösungsansätzen, geht es in allen Übungen immer wieder darum, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Maßstäben zu suchen und Gestaltungskonzepte zu erfinden, die die Qualität des Kleinen ebenso berücksichtigen wie den Bezug zum Großen und Ganzen. Stadt- und Freiräume, Architektur, also das Bauwerk an sich und Innenräume, also Räume die wir bewohnen, bestimmen fortwährend und im ständigen Wechsel die Qualität unseres Lebensraumes. In den Studienprojekten geht

es vor allem darum, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Einflussfaktoren zu entdecken und zu lernen, diese sinnvoll und verantwortungsbewusst miteinander zu kombi­ nieren, zu gestalten, sie künstlerisch forschend zu durchdringen. So in etwa würde ich im Rückblick auf sehr viele spannende, inspirieren­ de und bewegende Projekte, Begegnungen und Ereignisse den „roten Faden“ des Lehrgebiets Architektur und Stadtraum beschreiben. Na­ türlich nicht ohne abschließend zu erwähnen, daß vor allem die Menschen, die sich in diesem Kontext begegnen, die Studierenden, Kollegen, Mitarbeiter, Freunde und Gäste unseres Hauses diese Zusammenhänge durch ihr Tun und Mitwirken daran lebendig machen. Die Fortsetzung dieser Arbeit wird sich im Kern ihrer Sache auch in den neuen Studien­ gängen wiederfinden. Ändern wird sich dabei die engere Verknüpfung mit anderen Lehrgebieten und damit auch mit den Personen, die die jeweiligen Inhalte vertreten. Darauf freue ich mich! ■ Benedikt Stahl


ARCHITEKTUR UND KUNST IM DIALOG PROF. DIPL.-ING. WILLEM-JAN BEEREN

K

ONTEXT: Zum Spezifikum der Architektur-

Lehre an der Alanus Hochschule gehört die Anschauung, dass die Architektur als „Tochter“ der Künste und Wissenschaften große Teile ihres methodischen Repertoires und ihrer Aus­ drucksmöglichkeiten eben diesen Künsten und Wissenschaften verdankt. Gleichzeitig bietet die Architektur mit ihrer Kerndisziplin, dem Entwerfen, eine integrierende und synthetisie­ rende Kulturtechnik an, die einerseits Objekte der sichtbaren Welt (Räume, Bauten, Städte) entstehen lässt, andererseits einen Beitrag lie­ fern kann zu einer sozial, ökologisch und öko­ nomisch nachhaltigen Kulturentwicklung. Die Studienangebote des Fachbereichs Architektur der Alanus Hochschule reflektieren diesen Ansatz durch die Integration künstlerischer und wissenschaftlicher Angebote. LEITFRAGEN DES LEHRGEBIETES: Welche spezi­ fischen Beiträge liefern die Künste für die Architektur und bereichern ihre Ausdrucks­ möglichkeiten, aber auch ihr methodisches Repertoire? Wie lassen sich Gestaltungstech­ niken und Gestaltbildungen aus den verschie­ denen Künsten übertragen und intergrieren in die Entwurfspraxis? Wie können Erfahrungen in sozial-künstlerischen Prozessen übertragen werden auf Entwurfs- und Projektprozesse? Wie funktioniert das (architektonische) „Gestalten“ und vor welchem Hintergrund entstehen „Gestalten“? Auf welchen Ebenen des menschlichen Ausdrucksvermögens spielt sich „Gestaltung“ ab und wie hängen diese mit der menschlichen „Gestalt“ als physisch-psychischmentalem Phänomen zusammen?

LEHRE IN BACHELOR UND MASTER: Die Veranstaltungen des Lehrgebietes bieten Raum für künstlerisch-gestalterische Erfahrungen sowie die Reflexion und Vernetzung zu anderen (Wissenschafts-)Disziplinen wie Soziologie, Architekturtheo­ rie oder Planungsmethodik. Durch Einbezug von darstellen­ den und bildenden Künstlern entsteht ein lebendiger Dialog zwischen Mensch, Werk und Prozess und ein Labor interdiszi­ plinärer Zusammenarbeit. Die Lehrangebote sind in der Lernsäule „Grundlehre Künste“ sowie im Modul „Einführung: Mensch und Archi­ tektur“ verortet. Sie bieten eine Ergänzung zu den zentralen Entwurfsmodulen und Semesteraufgaben, um spezifische Interaktionen von Kunsterfahrung und Entwurfsarbeit (z. B. Schauspiel und Städtebau: Der öffentliche Raum als Bühne, Formenlehre und Gebäudelehre: Archetypen und Verwand­ lung, Körperarbeit und Tragwerkslehre: Tragen und Lasten als leibliche Erfahrung) zu ermöglichen. FORSCHUNG UND KÜNSTLERISCHE ENTWICKLUNGSVORHABEN: Das Lehrgebiet Architektur und Kunst im Dialog beforscht künst­ lerisch und wissenschaftlich den Zusammenhang zwischen sinnlicher Wahrnehmung, künstlerischer Gestaltung und architektonischer Gestaltungsmethodik. Sie tut dies durch künstlerische Entwicklungsvorhaben (z. B. „Raum auf Zeit“: sozialräumliche Intervention urbaner Orte durch performa­ tive Aktionen) und wissenschaftliche Veranstaltungen (z. B. interdisziplinäre Symposien mit dem Studium Generale) sowie durch entsprechende Dokumentationen und Veröffent­ lichungen. AUSBLICK: Im Rahmen der bevorstehenden Neustrukturierung der Architekturstudiengänge ist eine stärkere Verknüpfung einzelner Lehrinhalte in zusammenhängende Module vorgesehen. Ich hoffe zugleich auf eine Intensivierung der künstlerisch-gestalterischen Erfahrung und darauf, dass diese Erfahrungen für die Entwurfsarbeit konsequenter zum Tragen kommen können. ■ Willem-Jan Beeren 9


Lehrgebiete

ARCHITEKTUR UND RESSOURCEN PROF. DIPL.-ING. SWEN GEISS

A

LLES BLEIBT NEU(N)! Das Themenfeld des

Lehrgebiets Architektur und Ressourcen, umfasst die Fragen Nachhaltiger Entwicklung und Ressourcenorientierten Bauens vom Städtebau bis zum Detail. In Sinne der „triple bottom line“ (Prof. Susannah Hagan) gilt es, Nachhaltigkeit als integrales Paradigma des So­ zialen, Ökonomischen und des Ökologischen in der Architektur zu begreifen und wieder­ kehrend zu erkunden. Als ich den Lehrbereich Architektur und Ressourcen 2006 (nach drei Jahren in London) erstmals an der Alanus Hochschule besetzten durfte, standen Fragen der bauphysikalischen Entwurfslehre (Wärmeschutz) und der kom­ plementären, regenerativen Gebäudetechnik im Fokus meiner Lehre. Diese Themen sind nach wie vor wichtige und zentrale Inhalte in den Modulen im Bachelorstudiengang, gerade weil sich in diesem Bereich in den vergange­ nen neun Jahren fundamentale Innovationen vollzogen haben. Neue Perspektiven auf dieses Themenfeld ergaben sich uns u.a. durch die Gastdozentur von Sonja Tinney, die nun mehr 10

im dritten Jahr am Lehrgebiet tätig ist und in dieser Zeit die damit verbunden Fragen (im Bachelor) inhaltlich weitergetragen hat. Parallel dazu, mit dem Start des Masterstudiengangs Pro­ zessarchitektur im Herbst 2010 erschlossen sich mir (und dem Lehrgebiet Architektur und Ressourcen) neue Themenfelder im Spannungsfeld prozessualer Planung und gemeinschaftsorien­ tierter Projektentwicklung. Die Erkundung vielfältig vorge­ prägter Standorte, die Entwicklung projektspezifische Nach­ haltigkeitsansätze und der Entwurf damit korrespondierender (Prozess-)Architekturen wurden Schwerpunkte der Arbeit in der Lehre und zunehmend in der Forschung, in „Baukultur konkret“ und im „testbetrieb“. Im Herbstsemester 2015 ergab sich dann die Möglichkeit mein Tätigkeitsfeld innerhalb des FB Architektur in den Bereich der Gebäudelehre auszuweiten und damit in einen Kernbe­ reich der Architektur(lehre) zurückzukehren. Gemeinsam mit Studierenden gilt es hier die Frage zu erörtern, wie Nutzung und Raum in Dialog gebracht werden können. Vor dem Hinter­ grund der zuvor beschriebenen Erfahrungen, freue ich mich im Rahmen der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge die Be­ reiche Architektur, Ressourcen und Gebäudelehre gemeinsam mit Studierenden in erneuerter Konstellation erkunden und inhaltlich als auch thematisch entwickeln zu dürfen, in diesem Sinne … alles bleibt neu(n)! ■ Swen Geiss


ARCHITEKTUR UND GESELLSCHAFT PROF. DIPL.-ING. NIKOLAUS VON KAISENBERG BAUEN HEISST FORSCHEND TRENNEN, UM SCHÖPFERISCH VERBINDEN ZU KÖNNEN

A

rchitektur ist der Wahnsinn: Groß soll das Haus sein – und klein der Preis. Schnell soll das Projekt am Ziel sein – und doch in gründlichen Schritten. Geborgenheit soll das Gebäude vermitteln – und Offenheit nach allen Seiten. Auf Bewährtes zurückgreifen – und ein neues Baukonzept ganz individuell anlegen. Architektur als Spannungsfeld vitaler Gegen­ sätze. Kennen wir diese Spannung irgendwoher? Können wir sie in uns selber finden? Zum Beispiel die Spannung zwischen dem Bedürfnis der Zurückgezogenheit, Selbstbegegnung und der Suche nach Kontakt zur Gemeinschaft, zum Sehen und Gesehen werden? Häuser sind Pullover zwischen Ich und Welt, zwischen Familie und Gesellschaft. Gebäude gleichen das Individuelle mit dem Allgemeinen aus. Und sie stellen auch Identität her. Wer baut die Häuser? Die einen erstellen Bau­ teile, sie legen die Fundamente, andere ziehen die Wände hoch, die nächsten bauen das Dach. Der Architekt baut das Ganze, das Haus, den Wohnraum. Und wer baut die Stadt, den Stadt­ raum? Da stehen neben Wohngebäuden auch Schulen, Warenhäuser, Banken, Krankenhäuser und Produktionsstätten. Für Architekten ist die Schule zunächst das Schulhaus, die Bank ist das Bankgebäude. Bis sie bemerken: Kunst wohnt im Museum, Andacht hinter Kirchentüren und Handel lebt in der Markthalle. Wenn wir erkennen, dass

das Projekt Heilung größer ist als das Krankenhaus, dann beginnt Forschung zwischen Architektur und Gesellschaft. Jedes Studien­ projekt beginnt mit der Erkundung von Lebenszusammenhängen bis Verständnis der Situation zur richtigen Aufgabenstellung führt und damit zur treffenden Lösung. Dies sind die Lern- und Arbeitsfelder: SENSING: Aufspüren und wahrnehmen von gesellschaftlichem Ent­ wicklungsbedarf. Was möchte über unsere Zeit hinaus entstehen? Was brauchen wir jetzt und hier dafür? RESEARCHING: Erforschen und vertiefen von Lebensfeldern zwischen Mensch, Architektur und Gesellschaft. Das Selbstverständnis von Wissenschaft lebensnah weiterentwickeln. LEARNING: Kennen und gestalten können. Im Austausch mit anderen Lerngruppen Lernwegen schöpferisch folgen. IMPLEMENTING: Verankern und vernetzen gesellschaftlicher Ent­ wicklungsarbeit in transdisziplinärer Kooperation mit anderen Institutionen und Initiativen. Das Lehrgebiet arbeitet im Bachelor-Studiengang werkori­ entiert. Es stützt sich dabei in der Entwurfslehre auf Unterrichtselemente der Phänomenologie, der Gebäudeanatomie und der Typologie. Auf Master-Niveau wechselt der Fokus vom Objekt­ design zur Prozessarchitektur, zur Weggestaltung als Werkgestal­ tung. Die Studierenden lernen nun, auf Bauherrenseite Prozesse aufzufangen und zu gestalten, die durch Fragestellungen eines Bauvorhabens ausgelöst werden. Die Typologie wechselt nun von der Gebäude- zur Methodendiversität. Als Lernformate nützen alle transdisziplinären Begegnungsplattformen zwischen Theorie und Praxis, zwischen Nutzern und Planern. Wir lernen darin, in forschender Haltung immer deutlicher Sachverhalte zu unterschei­ den und zu trennen, um sie dann in schöpferischer Haltung umso inniger neu verbinden zu können. ■ Nikolaus von Kaisenberg

11


Lehrgebiete

BAUTECHNOLOGIE PROF. DR.-ING. MATHIAS WIRTHS

L

aut Duden bezeichnet „Technik“ eine „ausgebildete Fähigkeit, Kunstfähigkeit, die zur richtigen Ausübung einer Sache notwendig ist“. Die Vorsilbe „Bau-“ gibt einen Verweis auf den Aufgaben­ bereich eines Architekten. Somit ist „Bautechnologie“ die Lehre einer Kunstfähigkeit, die zur richtigen Ausübung einer „Bau“-sache oder -angelegenheit notwendig ist. An der Alanus Hochschule umfasst das Fachgebiet Bautechnologie verschiedene technische Fächer der Architekturausbildung u.a. Tragwerklehre, konstruktives Entwerfen, Bauaufnahme sowie Ingenieurplanung und Baubetrieb. Die Studierenden erfahren die Bedeutung integrativen Handelns, das Zusammenspiel von unterschiedlichen künstlerischen und bautechnischen Disziplinen, die das gemeinsame Ziel haben, unter Berücksichtigung terminlicher und finanzieller Rahmenbedingungen den Nutzern dienende Bauten zu realisieren. Es soll vermittelt werden, dass die erfolgreiche Realisierung einer Entwurfsidee nur in Ver­ bindung mit den über die Entwurfsphasen hinausgehenden Leistungen von Architekten und Ingenieuren möglich ist. ■ Mathias Wirths

12


KONSTRUKTIVES ENTWERFEN PROF. DIPL.-ING. MAREK NOWAK

B

AUKONSTRUKTION: Der ganzheitliche Ansatz

der Baukonstruktionslehre verbindet tech­ nisches Fachwissen mit der Poesie der Ästhetik und konstruktive Formfindung mit kulturge­ schichtlichem Hintergrundwissen. Konstruktion wird nicht nur als eine Frage der Technik oder Technologie verstanden, son­ dern auch als Ergebnis eines künstlerischen, kreativen Willensakts, der umso besser um­ gesetzt werden kann, je mehr die technisch konstruktiven Grundlagen beherrscht werden. Wie entsteht ein Gebäude? Wie realisiert man einen Entwurf? Wie lässt sich konstruie­ ren, was man sich als Architekt gestalterisch und funktional vorstellt? Es geht im Fach Baukonstruktion also um Konstruktionen des baulichen Gefüges, um die geeignete Material­ wahl und die geeigneten Materialverbindungen von der primären Rohbaukonstruktion bis zu allen Ausbaudetails. Ziel der Baukonstruktionslehre ist die Entwicklung einer konstruktiv und bauphy­ sikalisch einwandfreien Gesamtkonstruktion eines Gebäudes jeder üblichen Größenordnung in allen Teilen - von den Fundamenten bis zum Dach - nach aktuellem Stand der Technik. Besondere Berücksichtigung finden dabei auch die in einem erheblichen strukturellen Verän­ derungsprozess befindlichen Bedingungen und Möglichkeiten heutigen Planens und Bauens. Zielsetzung des Fachgebiets ist die Vermitt­ lung sowohl eines fundierten baukonstruktiven Grundwissens bezüglich Material, Konstruktion, Detail und Ausführung, als auch des Bewusst­ seins um das Zusammenwirken von Baukonst­ ruktion, Gestalt und Form. ENTWERFEN: Dementsprechend wird Baukonst­ ruktion nicht losgelöst vom architektonischen Entwerfen, sondern im Zusammenhang gelehrt und von Beginn an, bereits im Grundstudium, die Auseinandersetzung mit architektonischen Qualitäten von Konstruktionen gefordert. Voraussetzungen sind ein architektur- und baugeschichtliches Basiswissen und die ständige Auseinandersetzung mit der zeitge­ nössischen Architekturszene. Weiterhin die regelmäßige Übung darin, den eigenen Ansatz immer wieder zu analysieren, zu hinterfragen zu ersetzen, die Phasen des Entwerfens, den Prozess zu „durchleben“: zu fragen, zu hinterfragen, zu einer komplexen Lösung zu integrieren.

Entwerfen heißt freies Denken; heißt zugleich aber auch die Nahtstellen zwischen Form, Konstruktion und Material aufzuspüren und zu entwickeln, den Entwurf in ganzheitliche Zusammenhänge zu stellen. In der Entwurfslehre liegt der Schwerpunkt auf der Erar­ beitung und der konsequenten Umsetzung stimmiger Ent­ wurfskonzeptionen als Reaktion auf Programm, Umfeld und Gebrauch. Bei der Darstellung aller Entwurfsphasen in Skizzen, Plänen und Modellen wird besonderer Wert gelegt auf Professi­ onalität, Sorgfalt und Präzision bis ins Detail.

LERNZIELE BA 3.1: „BAUKONSTRUKTION UND BAUSTOFFE I“:

• Praxisnah orientierte Vermittlung eines fundierten, baukon­ struktiven Grundwissens bezüglich Konstruktion, Material, Detail und Ausführung • Bewusstseinsentwicklung über das Zusammenwirken von Baukonstruktion, Gestalt und Form. Befähigung zur Anwen­ dung konstruktiver Grundprinzipien im Planungsprozess. • Vermittlung der Herstellungsmethoden, Technologie und die Ökonomie der einzelnen Bauweisen. LERNZIELE BA 4.3: „BAUKONSTRUKTION UND BAUSTOFFE II – PROJEKT 3“:

• Entwerfen und Konstruieren wird als ein simultaner Prozess verstanden und im Zusammenhang vermittelt. • In Projektarbeiten sollen die behandelten Inhalte anhand eigener Entwürfe praxisnah vertieft und das Herstellen fach­ übergreifender Zusammenhänge vermittelt werden (Trag­ werklehre und Technischer Ausbau). • In Vorlesungen wird das Verständnis für das Gesamtsystem Bauwerk und die Integration der Subsysteme Tragwerk, Hülle, Ausbau und Technische Ausrüstung unter den Aspekten der Funktionalität, Ästhetik der Gestalt und der Nachhaltigkeit vermittelt. ■ Marek Nowak

13


Lehrgebiete

GEMEINSCHAFTSORIENTIERTE PROJEKTENTWICKLUNG PROF. DIPL.-ING. BRIGITTE SCHOLZ

W

ie können Projekte angestoßen werden? Welche Rollen spielen dabei Ort, Idee und Kapital? Wer steht hinter (oder vor) den Projekten? Diese und weitere Fragen sind Gegen­ stand des Lehrgebietes "Gemeinschaftsorientierte Projektent­ wicklung". Der Blick geht über den klassischen Bereich der Projektentwicklung hinaus und beleuchtet planungstheoretische Hintergründe, erforscht Akteure und Instrumente und nimmt Fragen der Prozessgestaltung in seinen Fokus. Das Denken und Handeln im Interesse der Gemeinschaft spielt dabei eine wesentliche Rolle. REFLEKTION ALS BASIS: Als Grundlage eigener Strategien werden die Studierenden mit den Grundlagen der projektorientierten Planung vertraut. Sie analysieren vor dem Hintergrund gesell­ schaftlicher Herausforderungen die Akteure und erkennen, welche Beziehungen sich zwischen Markt, Staat und Zivilge­ sellschaft entwickeln. Das zwingt auch zur Reflektion der Rolle des Architekturschaffenden, der mehr als Architektur gestalten

schaft wird untersucht, welche Rechtsformen und Entschei­ dungsstrukturen es gibt. Dazu gehört die Entwicklung eines Nutzungskonzeptes als gemeinsame Grundlage der Projektent­ wicklung und Programmierung des Raumkonzeptes. Daneben werden Finanzierungsstrategien und Förderkulissen betrachtet. PROZESSE GESTALTEN: Ähnlich wie ein Musikstück hat jeder Pla­ nungsprozess seine eigene Melodie. Dies beginnt mit der Akti­ vierung der Menschen, der Einbindung in den Planungsprozess und der Rolle in der Nutzungsphase. Grundlagen der Moderation werden vermittelt als Voraussetzung, aktiv mit Gruppen zu arbeiten. Die Studierenden erlernen für die Gestaltung von Kommunikations- und Beteiligungsprozessen ein umfassendes Methodenspektrum – angefangen bei Wettbewerbsverfahren über Methoden der Bürgerbeteiligung bis hin zu unterschied­ lichen Kooperationsformen. Sie entwickeln ein Verständnis für eine eigene Choreographie und ein eigenes Prozessdesign ihrer Projekte.

kann, nämlich den Projektentwicklungsprozess selbst. Anhand von Literaturstudium, Hausbesuchen und ausgewählten Formen der empirischen Sozialforschung wie beispielsweise Interviews, Befragungen oder Beobachtungen erkennen die Studierenden Rollenmuster und Handlungslogiken. Parallel vertiefen sie die Anwendung wissenschaftlicher Arbeitsmethoden. PROJEKTE KONZIPIEREN: Jedes Projekt folgt einer eigenen Entwick­ lungslogik. Für die gemeinschaftsorientierte Projektentwicklung ist die Auseinandersetzung mit verschiedenen Träger- und Betreibermodellen wichtig, da sich die Idee der Gemeinschaft direkt in der Rechtsform abbildet. Aus Sicht der Gemein­

THEMENFELDER: Inhaltlich werden diese Fragen auf der Ebene

14

von Region und Haus diskutiert. Dieser Maßstabssprung er­ laubt den Blick auf regionale Strategien und ihre Übersetzung in konkrete Projekte. Ein Beispiel dafür sind Internationale Bauausstellungen, die sowohl im großen als auch im kleinen Maßstab arbeiten. Ein besonderes Themenfeld ist die Ausei­ nandersetzung mit Fragen des gemeinschaftlichen Wohnens. Das Lehrgebiet vermittelt verschiedene Modelle der Projekt­ entwicklung von der Baugruppe bis zur Genossenschaft, zeigt Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf und vertieft diese an konkreten Projekten. ■ Brigitte Scholz


PROJEKTMANAGEMENT PROF. DR.-ING. FLORIAN KLUGE

D

ie Module des Lehrgebiets Projektma­ nagement sind überwiegend im Master­ studiengang angesiedelt. Die Vermittlung erfolgt in verschiedenen Lehrformaten: Die grundlegenden Kenntnisse werden im Projektmanagement-Seminar vermittelt, das in den ersten drei Mastersemestern parallel zu den zentralen LABs angeordnet ist. In einer Mischung aus Input und teamorientierter Übung werden die ersten Tools erlernt und angewendet. Ergänzend soll das Wissen in die eigenen Studienprojekte transferiert werden, wobei insbesondere das magLAB I Spielraum für vielfältige Anwendungsformate bietet. Eine besondere Rolle bei der Vermittlung spielen auch temporäre künstlerische Interventionen. Anhand dieser können die Studierenden ihre Management-Kenntnisse im gesamten Lebenszyklus eines realen Projekts anwenden, überprüfen und weiterentwickeln. Die Studierenden sollen befähigt werden, prozessorientiert zu arbeiten und in komplexen Projekten tätig zu sein. Projektmanagement soll ihnen dabei auf verschiedene Ebenen dienen: Organisation der eigenen Arbeit, Bearbeitung studentischer Gruppenaufgaben, bürointerne Zusammenarbeit und Kooperation mit externen Beteiligten in komplexen Konstel­

lationen. Die hierfür notwendigen Methoden und Verfahren werden im Seminar vermittelt. Zunächst geht es um die zentralen Anliegen des klassischen Projektmanagements: den Aufbau von Projekt- und Organisationsstruk­ turen, die Steuerung der Zielgrößen Kosten, Termine und Leistung sowie um Methoden des Risiko-, Einsatzmittel, Finanz- oder Qualitäts­ managements. Darüber hinaus ist – gerade in der Prozessarchitektur - die Fähigkeit zur moderativen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse sowie zur kommunikationsorientierten Interaktion in interdisziplinären Teams genauso wichtig. Die Studierenden sollen daher erlernen, effizient in Gruppen zu arbeiten, Projektteams zu leiten sowie Kommunikations- und Prozessstrategien zu entwickeln. Durch enge Kooperation mit Praxispartnern, z. B. der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement und dem DVP (Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft) konnten mehrere Stipendien für Alanus-Studierende generiert werden. Parallel zur Lehre wurden im Lehrgebiet Projektmanagement in den letzten Jahren zahlreiche Forschungs- und künstlerische

Entwicklungsprojekte durchgeführt. Neben Projektmanagement-Inhalten standen hierbei Themen wie Baukultur, Kommunikation und Prozessgestaltung im Fokus – dazu wurde eine Vielzahl von künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum entwickelt. Realisiert wurden diese Projekte in enger Zusammenarbeit mit hochschulexternen Part­ nern wie Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Bundesstiftung Baukultur, Museum für Architektur und Ingenieurskunst (M:AI), Montag Stiftung Urbane Räume und Regionalverband Ruhr (RVR). Eine besondere Stellung nimmt dabei das Forschungsprojekt „Baukultur konkret“ ein, das seit 2014 im Auftrag des BBSR entwickelt wird. Im Verbund mit Partnern aus Leipzig und Österreich wurde deutschlandweit die Szene der Baukulturinitiativen untersucht, exemplarisch mit zwölf Initiativen kooperiert und drei öffentliche Werkstätten durchgeführt. Gemeinsam mit den Fachbereichs-Kollegen sollen die Forschungs- und Projektaktivitäten weiter vorangetrieben werden. Hierzu werden zurzeit Ideen zur Gründung eines Instituts für Prozessarchitektur entwickelt. ■ Florian Kluge 15


Lehrgebiete

ORGANISCHE ARCHITEKTUR PROF. DIPL.-ING. PIETER VAN DER REE

D

er Lehrstuhl für Organische Architektur wurde 2005 auf Initiative der Alanus Hochschule und mit finanzielle Unter­ stützung der holländischen Iona-Stiftung eingerichtet. Anlass bildete eine Wanderausstellung zur Thema „Organische Archi­ tektur, Mensch und Natur als Inspiration für das Bauen“, welche ich 2003 in Auftrag der Iona Stiftung zusammengestellt habe und ein Buch zum gleichen Thema, das ich ein paar Jahre vor­ her geschrieben hatte. Im Hintergrund stand der Gründungsimpuls der Architekturabteilung, die 1980 selber aus der organi­ schen Architektur und deren anthroposophischen Hintergrund hervorgegangen war. Bei der Neuausrichtung des Fachbereichs nach seiner staatlichen Anerkennung 2002, wollte man dieses Thema wieder in die mittlerweile stark erweiterten Fächer aufnehmen. Nach ein Paar Jahren kam die Frage ob ich, im Rahmen des Lehrgebiets, auch Baugeschichte unterrichten könnte. Anfangs schien mir dies etwas außerhalb der Thematik meines Lehrgebiets zu liegen, aber allmählich wurde mir klar, dass die Bau­ geschichte, wenn sie als Spiegel der Kulturentwicklung betrachtet wird, eigentlich eine sehr gute Grundlage für die organische Architektur bildet. Denn die organische Architektur ist an einem Wendepunkt der Architekturgeschichte entstanden, wo die historischen Baustile ausgedient hatten und neue Grundlagen für die Gestaltung gefunden werden mussten. Sie möchte in unserem industrialisierten Zeitalter ein neues Gleichgewicht zwischen Natur, Technik und Kultur schaffen und Form und Inhalt wieder zur Einheit verbinden.

16

Obwohl sie sich oft durch eine lebendige Gestaltung auszeichnet, ist sie kein „Stil“ im historischen Sinne. Sie ist eher eine Heran­ gehensweise, wobei versucht wird, so wie die Natur dies tut, eine sowohl funktional wie konstruktiv und bildhaft passende Gestaltung aus einer Entwurfsaufgabe zu entwickeln. Diese offene Herangehensweise schien mir auch deshalb wichtig, weil nicht jeder Student mit einer Affinität für organische Gestaltung oder Anthroposophie zur Alanus Hochschule kommt. Entwurfsaufgaben bekommt aber jeder zu bewältigen und der Versuch eine Methodik zu entwickeln, um ganzheitliche Lösungen aus einer Aufgabe zu entwickeln, schien mir für Jeden ein wertvoller Ansatz. Nachdem die organische Architektur in den neunzehnachtziger und -neunziger Jahren weltweit eine Blüte erlebte, traten Anfang dieses Jahrhunderts andere Themen, wie das nachhaltige Bauen und computerunterstütztes Entwerfen, in den Vordergrund. Beide sind wichtige Themen, lassen aber die Fragen nach der Bedeutung der Architektur für den Menschen und wie man dessen Bedürfnisse gerecht werden kann, unbeantwortet. Diese Fragen gewinnen, gerade durch die ständig zunehmenden technischen und gestalterischen Möglichkeiten, immer mehr an Aktualität. Dazu habe ich den Eindruck dass es, auch bei den Studenten, ein verstärktes Bedürfnis nach Eigenständigkeit gibt. Alles Herkömm­ liche hat nur noch beschränkten Wert. Nur was selber erfahren und angesehen ist, kann noch als Grundlage dienen. Gleichzeitig gibt es aber ein starkes Bedürfnis nach Anhalts­ punkten, welche Richtung geben können. Auch dadurch stellt sich die Frage nach einem Weg, den man im Entwurfsprozess auf individuelle Weise gehen kann. So hat sich in den ersten zehn Jahren des Lehrstuhles der Schwerpunkt im Unterricht allmählich verlagert: von der Gestaltung und deren Hintergründen zu einem vertieften Verständnis für die Bedeutung der Architektur für den Menschen und die Suche nach Wegen, um auf individuelle Weise ganz­ heitliche Lösungen aus einer Entwurfsaufgabe zu entwickeln. ■ Pieter van der Ree


BACHELOR Projekte



WARUM WIR PLANEN – ERSTE, ZWEITE UND DRITTE HAUT BA 4.1 EINFÜHRUNG IN DAS BAUEN // PROF. BENEDIKT STAHL + DOMINIQUE BUCHMAIER M.A. // 1. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

A

uf der Suche nach uns selbst finden die un­ terschiedlichsten Begegnungen statt. So wie sich unser Umfeld ändert, so verändern wir uns ebenfalls. Wir treffen neue Entscheidungen und stecken uns höhere Ziele. Es ist ein ständiger Wandel in dem wir stets die Augen offen halten, wohin es als nächstes gehen wird. Mit dem Einstieg in das Architekturstudium ist ein Schritt der Veränderung bereits getan: Die Entscheidung für einen neuen Lebensweg. Eine Richtung, wo dieser Weg hinführen soll, weist uns das Projekt der ersten, zweiten und dritten Haut. Unter dem Leitaspekt wie viel Platz der Mensch überhaupt braucht, erlernen wir hier grundlegende Werkzeuge der Architektur, wie das Messen von Längen und das Betrachten von Verhältnissen. Der Sophist Protagoras sagte einst, der Mensch sei das Maß aller Dinge. Doch womit wird überhaupt gemessen? Um diese Frage zu beantworten, setzen wir uns mittels eines künstlerisch gestal­ teten Entwurfs, einer 1:1-Zeichnung unserer Selbst, kritisch mit der ersten Haut, unserer Körperproportion, auseinander. Diese Übung

soll nicht nur zeigen, wie wir uns derzeitig in Betracht nehmen, sondern auch, welche Er­ wartungen wir an den Planungsprozess in der Architektur haben. Wie beim vitruvianischen Menschen des Meisters Leonardo DaVinci können wir dazu bestimmte Körperlängen miteinander vergleichen, um Idealmaße, die dem menschlichen Körper inne liegen - den goldenen Schnitt – zu ermitteln oder zum Beispiel errechnen, wie viele Kästen Bier eine Körpergröße ergeben. Anschließend beleuchten wir die Kleidung genauer, unsere zweite Haut, die uns schützt und wärmt. Hierbei tritt erstmals der Aspekt der Materialität in den Vordergrund. Wie fühlen sich die unterschiedlichen Stoffe an; Wie sind sie zu bearbeiten? Zudem rückt die Maßarbeit in eine neue Dimension, denn statt wie zuvor auf Papier, arbeiten wir nun am dreidimensionalen Körper. Folglich wird ein Kleidungsstück geschaffen, das unter einem bestimmten Thema bezüglich der Art seiner Herstellung oder seiner Materialität seine Individualität erlangt. 19


Bachelor

20


Die dritte Haut, der uns umgebende Raum, stellt die letzte Aufgabe des Seminars dar. Hier werden meist kleine Räume für eine oder wenige Personen geschaffen, um zu erkennen wie viel, beziehungsweise wie wenig Platz der Mensch zum Wohlfühlen benötigt. Dazu werden die zuvor erlangten Erkenntnisse mitgenommen und angewendet. Wie beim Modulor von Le­ Corbusier kann der Raum nach den Propor­ tionen von Höhen- und Längenverhältnissen geplant und mit den gewünschten Materialien und dem dazugehörigen Bearbeitungsverfahren geschaffen werden. Als Abschluss der Projektreihe findet, wie gewohnt, eine Präsentation der gesammelten Eindrücke der Studenten des ersten Semester und ihrer Werke statt. Hier wird sich noch einmal untereinander, mit Familie, Freunden und Gästen über den Weg und das Ergebnis ausgetauscht. Die Einführung in das Bauen zeigt uns durch den ersten Einstieg in den Planungspro­ zess, was uns im Laufe des Studiums erwartet, welche Aufgaben auf uns zukommen werden, welche Ansprüche wir dabei an uns selbst haben und wo unsere Talente liegen. Denn planen bedeutet vorauszuschauen, zu erahnen was auf uns zukommen wird und dies mit dem bisher Erlebten abzugleichen, um davon zu profitieren. So können wir für den Augenblick leben und in der Veränderung die Orientierung behalten. ■ Max Bentler

21


Bachelor

IM RAUM DER SINNE BA 5.1 MENSCH UND ARCHITEKTUR // PROF. WILLEM-JAN BEEREN + DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND // 1. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 15/16 »ALLE SINNE SIND AM ENDE EIN SINN. EIN SINN FÜHRT WIE EINE WELT ALLMÄHLICH ZU ALLEN WELTEN.« (Novalis: aus Heinrich von Ofterdingen)

S

inne erleben, Sinne beurteilen, Sinne gestalten – Häuser, Gegenstände, Umwelt. Sinneseindrücke sind Grundlage des Lebens. Sie sind lebensnotwendig. Architektur existiert nur in unserer sinn­ lichen Wahrnehmung. Erst die Körpersinne erschließen den umbauten Raum, lassen seine Dimensionen, seine Orientierungen und Ordnungen sowie seine atmosphärischen Qualitäten spürbar werden.

22

Aber welche Sinne werden durch Architektur in welcher Weise angesprochen? Lassen sich Wahrnehmungsphänomene so messen und verifizieren, dass sie in der Architektur gezielt anwendbar sind? Wie sehr sind unsere Sinne in der Architektur an eine massive Körperlichkeit gebunden – können auch Glasräume sinnliche Räume sein? Für den Menschen sind Raum-Erfahrungen immer auch Erfahrungen mit dem eigenen Körper. Man erlebt Räume durch Bewegung in Verbindung mit verschiedenen Wahrneh­ mungseindrücken. Der sinnliche Aneignungs­ prozess wird dabei als eine Form der atmo­ sphärischen Raumwahrnehmung verstanden, die die Wahrnehmenden im Raum ebenso wie die Beschaffenheit der räumlichen Umgebung als eine gemeinsame Wirklichkeit zwischen Subjekt und Objekt begreifen.


»DIE REDE VON DER ATMOSPHÄRE BEZEICHNET ETWAS UNBESTIMMTES, DIFFUSES, ABER GERADE NICHT UNBESTIMMT IN BEZUG AUF DAS, WAS ES IST, SEINEN CHARAKTER. IM GEGENTEIL VERFÜGEN WIR OFFENBAR ÜBER EIN REICHES VOKABULAR UM ATMOSPHÄREN ZU CHARAKTERISIEREN: HEITER, MELANCHOLISCH, BEDRÜCKEND, ERHEBEND, EINLADEND, EROTISCH ...« (Böhme 1995, S. 22)

Architektur: das sind die Gebäude. Raum: das ist die von Wänden umgebende Leere. Und genau hier liegt das Missverständnis, denn der Raum ist nicht Leere, sondern ein wirkliches, von Mauern umschlossenes „Lebensmittel“, ein die Sinne stimulierendes Lebensmedium. Das sind vor allem Licht und Schatten, Proportionen und Farbe, Perspektiven und Dekors, aber auch Töne die widerhallen, Oberflächen die wir mit unseren Füßen betreten, Texturen, die wir berühren, Temperaturen, die uns Wohlbehagen vermitteln und Düfte, die uns umhüllen und betören – alles Dinge oder „Sensationen“ die, zusammengenommen, die Wirkung zu einem von uns als homogene Umgebung wahrgenom­ menen Ganzen verstärken. Sinne erleben, Sinne beurteilen, Sinne gestal­ ten... aber was sind das für Sinne, wie wirken sie in uns, was macht sie aus, welchen Sinn haben sie …?

Diese Fragen erforschten die Studierenden des ersten Semesters im Modul BA 5.1 Mensch und Architektur. In experimentellen Sinnesperformances wurde eine Annährung zu den Themen: Bewegen, Gleichgewicht … Wärme, Wohlbefinden …, Schmecken, Riechen …Farbe, Form …, Klang, Hören, Gestalt …, Individuali­ tät, Stil, Synästhesie gesucht. Dabei waren, neben dem wissenschaftlich erklärenden Blick auf die Theorie auch gerade die experimentellen Unter­ suchungen von Bedeutung. ■ Annett Hillebrand

Fotos: Nikolai Kaufmann

23


Bachelor

24


NANOHOUSE – MINI-HAUS FÜR STUDENTEN BA 3.1 BAUKONSTRUKTION UND BAUSTOFFE 1 // PROF. MAREK NOWAK + DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND // 2. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2014

B

ei der Übung „Konstruktives Entwerfen“ werden in vergleichenden Arbeiten die Grundlagen des Fügens von Bauteilen verschie­ dener Konstruktionsprinzipien (Massivbau, Flächenbau, Skelettbau) erprobt und in Vorbe­ reitung auf die Projektarbeit des 2. Studienjahres Grundlagen der Baukonstruktion sowie der Darstellung und des Modellbaus geübt. „Die Häuser passen in ihren Augen in eine Gesellschaft, in der niemand mehr nach Fleiß, aber jeder nach Flexibilität fragt. Die These: In Zukunft könnte das bewegliche, ökologische Haus die einzig zeitgemäße Unterkunft sein. Ein Mini-Heim spart Energie, Platz und Mate­ rial. Es verändert eine Landschaft nur wenig – und ist sogar metropolengeeignet. Architektur auf wenigen Quadratmetern entspringt der Erkenntnis, dass ein Gebäude all denen Platz wegnimmt, die nicht darin leben. Letztlich ist Kleinheit, wie der Kompaktwagen, ein Gebot der Klugheit“, Alexander Krex. In Rahmen der Semesteraufgabe sollen sechs gleiche Mini-Häuser für Studenten in der Nähe des Johannishof entworfen werden. Jedes NANOhouse soll die 15 qm Grundfläche nicht überschreiten, dabei soll das Einzelge­ bäude als Massivbau (Schichtmauerwerk und Stahlbeton) und mit der Holz-Skelettbauweise konstruiert werden. Es soll ein Entwurfskonzept für ein NANO house entwickelt werden, bei dem vor allem auf die Gebäudeproportionen, die Lage der Öffnungen (Fenster, Tür), die Lichtwirkung, die Zusammenfügung der Bauteile, die Zugäng­ lichkeit, die Anordnung der Gegenstände und die sich ergebenden Blickbeziehungen geachtet werden soll. Alle Entwurfs- und Konstruktionszeichnungen sollen parallel während des Se­ mesters entwickelt werden. ■ Marek Nowak

25


Bachelor

26


27


Bachelor

Modellfoto – Studienarbeit von Alexander Barthold und Joelle McCready

28


PAVILLON FÜR ALNATURA BA 4.2 EINFÜHRUNG IN DAS ENTWERFEN // PROF. BENEDIKT STAHL + DIPL.-ING. RAMONA METJE // 2. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

A

lnatura, langjähriger Förderpartner der Hochschule, ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Aus diesem Grund soll in Darmstadt Mitte des Jahres der Spatenstich für den Neubau des Firmensitzes des Naturkost­ händlers gesetzt werden. Auf einer Fläche von 50.000 qm entsteht auf einem brachliegenden, früher vom US-Militär genutzten Gelände der Alnatura Campus. Wo früher Panzer gewartet wurden, werden jetzt neue Bürogebäude, ein Kindergarten sowie ein Alnatura Supermarkt und eine „Bio-Erlebnisfarm“ gebaut. Durch den Umbau und die neue Nutzung kommt wieder Leben auf das Gelände und es werden Impulse für eine ökologische, nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt. Das Grundkonzept für den Alnatura Campus stand also, was noch fehlte war ein Pavillon für Mitarbeiter, Kunden und neugierige Besucher des öffentlich zugäng­ lichen Campusgeländes, zum Verschnaufen, Entspannen und für die Raucherpause. Unter dem Arbeitstitel „Upcycling Alnatura – ein Pavillon für den Alnatura Campus“ stellten sich die 22 Architekturstudenten um Benedikt Stahl, Professor für Architektur und Stadtraum, dieser Herausforderung. Es galt einen zehn bis fünfzehn Quadratmeter großen Raum auf dem Gelände zu schaffen, der vor Wind und Wetter schützt und in Gestaltung und Materialwahl einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legt. Die Standortwahl innerhalb des Campus war den Studenten freigestellt. In Zweierteams entwi­ ckelten, skizzierten, zeichneten und bauten die Studenten ihre Konzepte, die sie schließlich Alexander Link, Mitglied der Geschäftsleitung bei Alnatura sowie dem betreuenden Architekten Martin Haas, Inhaber des Architekturbüros haascookzemmrich vorstellten. „Ich war von der Zusammenarbeit positiv überrascht“, so Haas. „Die Studenten hatten eine sehr fundier­ te Vorkenntnis, gerade was Raumempfindung und Material angeht.“ Vor allem schätze er die inhaltliche Auseinandersetzung und das Nachdenken über den Kontext. „Die Entwürfe sind wirklich passend für den Raum und das Projekt konzipiert“, so der Architekt.

INTENSIVER PROZESS UNTER REALEN BEDINGUNGEN:

Allen zehn eingereichten Entwürfen ging ein intensiver dreimonatiger Arbeitsprozess voraus. Dabei standen zunächst die inhaltliche Ausei­ nandersetzung mit dem Konzept des Campus, dem Zweck des Pavillons und das Nachdenken über Material, Größen und Proportionen im Fokus. Ein Bild von dem Gelände konnten sich die Studenten durch eine ausführlichen Präsentation des Architekturbüros und Gespräche mit dem Architekten machen. Danach galt es, mehrere Ideenansätze zu entwickeln und in Diskussionen mit den Teampartnern und der Gruppe festzulegen, welcher letztendlich ver­ folgt werden soll. „Diese Diskussionen sind ein wichtiger Bestandteil des Lern- und Arbeits­ prozesses und eine ideale Vorbereitung auf die realen Arbeitsbedingungen später. Meist arbeitet man im Berufsleben in Teams zusammen. Wie man da mit kleineren Reibereien umgeht, lernt man am besten schon vorher“, erzählt Benedikt Stahl, der neben seiner Professur als Architekt tätig ist. Dem folgen Skizzen und das Bauen von Modellen, einige Studenten halten ihre Gedanken in Texten fest, die sie in der Gruppe präsentieren. Langsam nähert man sich dem finalen Entwurf. „Besonders das Arbeiten mit Modellen und dass nicht direkt alles digital bearbeitet wird, habe ich als sehr sinnvolle Ar­ beitsweise empfunden“, betont auch Architekt Martin Haas. Weiter führt er aus: „Insgesamt halte ich das Ausbildungskonzept des Studienganges für ein gutes Format. Anhand eines realen Projektes mit einem realen Bauherrn zu arbeiten, ist für die Studenten sicherlich ein wichtiger Impuls in ihrer Ausbildung. Ich hatte das Gefühl mit Menschen zusammen­ zuarbeiten, die wirklich eine Leidenschaft für die Architektur haben.“ Dem kann Student Daryan Knoblauch nur beipflichten „Was uns am meisten getragen hat, war die Leidenschaft für das Projekt. Wir konnten uns mit dem Bauwerk gut identifizieren. In seiner Einzigartigkeit kann es nur an einem Ort stehen – und das ist auf dem Alnatura Campus.“ ■ Susanne Krause, Pressetext 29


Bachelor

LOTOS PAVILLION DARYAN KNOBLAUCH + FELIX DEHN

I

nspiriert von der Anatomie einer Lotusblüte steht das geschwungene Grundgerüst auf einer steinernen Plattform in der Nähe des zu künftigen Teiches. Die schwungvolle dynamische Felix Dehn & Daryan Raphael Knoblauch Energie der „Blütenblätter“ erzeugt eine geheimnisvolle Atmosphäre, durch ihre Form und Anordnung ist aber auch ein optimaler Einführung in das Entwerfen / Architektur und Städtebau / Alanus Hochschule für Schutz gegen Wind gewährleistet“. ■

DER LOTOS PAVILLON

Kunst und Gesellschaft / Prof. Benedikt Stahl & Ramona Metje / FS 2015 / 01.07.2015

2

3

1

4

5

10

6

9 7

Entwurfsskizzen

30

8


SINNESWANDEL KEVIN OSENAU + KAROLINE STEINSIEPEN

D

er Weg vom geplanten Parkhaus zum Haupteingang wird von einer langen Wand aus Stampfbeton begleitet. Nischen, Vor- und Rücksprünge, Podeste und Sitzbänke laden hier zum Verweilen ein. Die Wand wirkt sowohl raumtrennend als auch verbindend, jede Zwischenstation widmet sich einer anderen Sinneserfahrung. ■

Entwurfsskizzen

NATURRELAX JOHANNES KLAPFER + VALENTIN QUECKE

E

ine Plattform am Wasser. Darüber große Holzbögen die bewegliche Segel tragen. Aufenthaltsplatz für die Momente der Be­ sinnung, der Entspannung, des Innehaltens. Treffpunkt und Kommunikationsraum. Ort zur Bereicherung des alltäglichen Schaffens. ■

31


Bachelor

B-WOHNBAR BA 4.3 BAUKONSTRUKTION UND BAUSTOFFE 2 PROF. MAREK NOWAK + DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND 3. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

L

EBENSRAUM FÜR STUDIERENDE IN BONN

… wie gewohnt? Also gewöhnlich? Oder lieber ein Lebens­ umfeld schaffen, in dem Gemeinschaft und Privatheit, Zurück­ gezogenheit und ein funktionierendes Miteinander einhergehen mit der Möglichkeit zur individuellen Gestaltung sowohl im räumlichen als auch im sozialen Umfeld des Quartiers? Studentisches Wohnen kennt viele Facetten, im Herbstsemester 15/16 galt es, nach einigen vorgegebenen Parametern, ein Gebäudeensemble zu entwerfen, welches den oben genannten sozialen Ansprüchen gerecht wird und diese in eine ästhetisch-gestalterische als auch konstruktiv-technische Formensprache übersetzt. Nahe der Bonner Innenstadt stand den Studierenden des 2. Jahres im Modul BA 4.3 Baukonstruktion und Baustoffe für diese Aufgabe ein ca. 1.000 qm großes Eckgrundstück zur Verfügung. Für den dort zu planenden viereinhalbgeschossigen Gebäudekomplex war im Erdgeschoss eine gemeinschaftliche Nutzung vorzusehen, die auch als Begegnungsort des Quartiers fungieren kann. Die darüber liegenden drei Regelschosse sollten als Ort für studentische Wohngemeinschaften (Zweier- bis Sechser-WGs) dienen, für das letzte Geschoss, sowie das Dach­ geschoss, war die Nutzung für individuelle Wohnformen über zwei Etagen einzuplanen. Neben der infrastrukturellen Analyse des Umfelds sollten auch stadträumliche Bezüge erarbeitet und auf die besonderen Anforderungen des Eckgrundstücks mit straßenseitiger SüdWest-Ausrichtung reagiert werden, so dass ein stimmiger Ge­ samtkomplex entsteht, der neuen Lebensraum für Studierende in Bonn generiert und somit auch eine Belebung des Quartiers ermöglicht. ■ Annett Hillebrand 32


Valentin Schily + Johannes Klapfer – Studentengarten

33


Bachelor

STUDENTENGARTEN VALENTIN SCHILY + JOHANNES KLAPFER

D

ie Kubatur aufweiten, sich zur Sonne hin öffnen, das Licht, das Leben einlassen, den Blick nach innen gewähren und den nach außen vielfältig ermöglichen. Freiflächen anbieten die sowohl den Bewohnern als auch den Nachbarn des Quartiers Raum bieten, in dem Gemeinschaft und Miteinander gedeihen können. Der Studentengarten, kein hortus conclusus, sondern ein offener Ort, in dem die Vielfältigkeit des Lebens sichtbar wachsen kann. ■

34


STUDENTENWOHNHEIM KATARAKT DARYAN KNOBLAUCH, PETER PIOTROWSKI + VALENTIN QUECKE

D

er Gebäudekomplex als städtische Felsformation durch die das lebendige Miteinander strömt, für die Bewohner als Ort des Rückzugs einzelne Felsen, sich öffnend, einander zugewandt, untereinander verbunden, um wiederum Ausgangspunkt zu sein sich kaskadenartig ins quirlige Bunt zu stürzen. ■

35


Bachelor

ANDACHTSRAUM BA 5.2 VERTIEFUNG: INNENRAUM + BA 5.4 VERTIEFUNG: STADTRAUM // PROF. BENEDIKT STAHL, PROF. WILLEM-JAN BEEREN + DOMINIQUE BUCHMAIER M.A. // 3. + 7. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

E

ine besondere Aufgabe, die ganz konkret für eine bestimmte Situation gestellt und bearbeitet wurde. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg beabsichtigt im Zuge anstehender Neubauergänzungen, einen Andachtsraum zu planen und diesen, so wie das auch an anderen Hochschulen immer mehr gefragt wird, als Raum der Stille und des Rückzugs in das Hochschulleben zu integrieren. Unab­ hängig von der konfessionellen Ausrichtung sollen Angehörige der Hochschule die Möglichkeit bekommen, ihren spirituellen Bedürfnissen nachzugehen. Die Anforderungen des Raumprogramms waren übersichtlich. Ein Raum, ca. 50 qm, kleine Abstellräume, möglichst flexibel nutz- und möblierbar, einfache Ausstattung und Materialien. Anspruchsvoller und damit auch gleich als Studienobjekt interessanter war die Tatsache, dass es zum einen galt, auf dem gesamten Campus nach dem richtigen Ort zu suchen, zum anderen aber auch die geeignete Architektur- und Innenraumqualität zu entdecken und auszuarbeiten. Diesem Anlass entsprechend, wurden die beiden Module „Innenraum“ und „Stadtraum“ zusammengelegt, um durch die sinnvolle Durchdringung beider Themenbereiche möglichst gute Ergebnisse zu erzeugen. Der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist es zu verdanken, dass das Projekt als studentischer Wettbewerb mit stattlichen Preisen ausgeschrieben wurde. Nach einer ausführlichen Einführungs- und Analysephase mit Studien vor Ort, Interviews mit Studenten, Auswertungen von Plänen, Skizzen und Fotos, Ausflügen zur Bruder-Klaus-Kapelle in Mechernich und zum Museum Insel Hombroich, war reichlich Stoff zusammengetragen, um mit ersten Skizzen und Arbeitsmodellen in die Entwurfsarbeit einzusteigen. Viele Gespräche und Korrekturen, vor allem aber hilfreiche Zwischenpräsentationen mit Gastkritikern aus Sankt Augustin und Alfter führten schließlich zu ebenso unterschiedlichen wie spannenden Entwürfen. In der abschließenden Presseerklärung heißt es dazu: „Der Himmel auf Erden, Spiele mit Licht und Schatten und ein in den Boden eingelassenes Gebäude: Die Ideen für einen Andachtsraum auf dem Campus der Hochschule Bonn-RheinSieg, die Studenten aus dem Studiengang Architektur und Stadtraum der Alanus Hochschule umsetzten, sind facettenreich. Neun Entwürfe präsentierten die Studenten-Teams der Jury aus Sankt Augustin und Alfter, die sich für die Vergabe von drei Preisen und zwei Auszeichnungen entschied. Der Siegerentwurf „AndachtsBaum“ wurde mit 2.000 Euro prämiert.“ Als Preisrichter wirkten mit von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Kanzlerin Michaela Schuhmann, Vizepräsident Rainer Clement sowie Kommunikations­ leiter Michael Flacke, von der Alanus Hochschule Rektor Marcelo da Veiga, Benedikt Stahl und Willem-Jan Beeren aus dem Fachbereich Architektur sowie die Leiterin der Hochschulkommunikation Julia Wedel, außerdem der evangelische Studentenpfarrer Michael Pues. ■ Benedikt Stahl

Kurzbeschreibung der drei Sieger­entwürfe mit Bildern auf den folgenden Seiten. 36


3. PREIS: TIWAZ THOMAS BOHNE, CONRAD SCHOCH + MAX BENTLER

»ABSEITS VON KULTURELLER PRÄGUNG UND RELIGIÖSER SYMBOLIK WOLLEN WIR EINEN RAUM ERSCHAFFEN, DER DEM MENSCHEN DIE MÖGLICHKEIT ERÖFFNET, AUF SEINE EIGENE WEISE ANDÄCHTIG ZU WERDEN. MITTELS EINER SYMBOLIK DIE EIN JEDER ZU ERKENNEN WEISS: DEM HIMMEL.« Max Bentler

PERSPEKTIVE || INNENRAUM

S

GRUNDRISS || MASSSTAB 1:50

o schreiben es die Entwurfsverfasser in ih­ rem Erläuterungstext. Am Ende einer lan­ gen Raumachse, die durch den Campus zieht, errichten sie am Rande der angrenzenden Felder eine nach außen eher verschlossen wirkende steinerne Box. Ein labyrinthartiger Zugang steigert die Spannung und angekom­ men im eigentlichen Andachtsraum blickt der Besucher über einen riesigen geneigten Spiegel direkt in den Himmel. Die so geschaffene Stim­ mung soll Konzentration und Meditation ermöglichen. Das große Schauspiel der Natur wird zum zentralen Element spiritueller Handlung. ■

37


Bachelor

2. PREIS: SPEKTRUM HELENA DEIFUHS, DARYAN KNOBLAUCH + ALEXANDER BARTHOLD

D

ie Entwurfsarbeit zu diesem Projekt ist stark geprägt von der Suche nach geeigneten Begriffen und deren Übersetzung in räumliche Erlebnisfolgen. Vor allem der „Weg“ als Symbol innerer und äußerer „Bewegung“ bestimmt die gestalterische Leitidee dieser Arbeit. Auf dem gesamten Campus werden an bestimmten Stellen „Tore“ errichtet, die mit unterschiedlichen Bedeutungen besetzt, den Alltagsweg begleiten, ihn unterbrechen oder zum Innehalten anregen. Der eigentliche An­ dachtsraum entwickelt sich aus dieser Wegfolge und steigert die schwellenartigen Übergänge zwischen innen und aussen. Enge und Weite, hell und dunkel, Konzentration und Einsicht, Sinnlichkeit, Pflanzen und Licht schaffen eine eindrucksvolle Raumkomposition. Feuer, Luft, Erde und Wasser werden zu „Stellvertretern der Götter“ und fügen sich zu einem Spektrum spiritueller Bedürfnisse. ■

38


Modellfoto – Innenraum

1. PREIS: ANDACHTSBAUM ANTON EVTIKHOV, JANA FRANKE, ANDREAS LEUFEN, CAROLINE STEINSIEPEN, ANNABELLE SPETH + VALENTIN QUECKE

E

in ungenutzter Innenhof zwischen den Bestandsgebäuden wird zum neuen Ort der Stille. Der zentral angeordnete Andachtsraum ist etwa zwei Meter tief in die Erde abgesenkt. Über eine „langsame Rampe“ oder die „schnel­ lere Treppe“ gelangt man zunächst in einen Vorhof mit Baum. Damit wird der Übergang in den stillen und atmosphärisch belichteten Innenraum auf besondere Weise akzentuiert. Die amorph geformten Räume ermöglichen freie Gruppierungen von einfachen Möbeln. Symbole können je nach Wunsch temporär aufgestellt und eingebracht werden. Der Baum steht für den Anfang und das Ende, für Leben und Tod. Der Raum soll sich zurücknehmen zugleich jedoch ein Gefühl von Geborgenheit erzeugen. ■

»WIR SIND ZU DEM SCHLUSS GEKOMMEN, DASS ANDACHT AM BESTEN IN EINEM RAUM FUNKTIONIERT, DER SICH SEHR ZURÜCKNIMMT.« Valentin Quecke

Lageplan

Längsschnitt

39


Bachelor

40


WOHNEN IST WIE ESSEN – ORTE FÜR ASYL BA 4.4 GEBÄUDELEHRE // PROF. NIKOLAUS VON KAISENBERG + DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND // 4. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

W

o schläfst du heute Nacht? Weiß nicht, mal sehen, erst mal hier wegkommen, irgendwie. Dann irgendwo pennen. Sie werden uns schon nicht auf der Straße rumliegen lassen, nicht mit den Kindern. Was werdet ihr essen? Nichts, oder was sie uns geben von dem, was sie dort essen, samt Schweinefleisch. Wo wird das sein? Keine Ahnung nur nicht hier, alles ist besser, nur nicht zuhause. Das Leben wird nicht zuhause sein, aber hoffentlich sicherer.“ Wenn es um Asyl geht, geht es nicht um schöner Wohnen, sondern um das nackte Leben. Asyl heißt: das eine, die Heimat verlassen um vielleicht das andere, die Zukunft zu gewinnen. Migration ist in den meisten Familiengeschichten. Migration heißt: erst mal aus den meist hastig gepackten Koffern oder Taschen leben, die neuen Wurzeln nicht so tief treiben, offen bleiben für neuen Standortwechsel, mit Freunden zusammen­ halten, sich überall zuhause fühlen, erstaunt und dankbar sein für neue Freundschaften, rätseln wer man selber ist und wer die anderen. Was hat das mit uns zu tun? Wir können bei anderen sehen, wie sie ihr Leben neu aufbauen, welche Prioritäten sich zeigen. Erst die körperliche Sicherheit, dann das körperliche Wohlbe­ finden, aber auch die soziale Einbettung. Und als Architekten, was sagt uns da die Bedürfnishierarchie? Wer wohnen kann, kann auch alles andere. Wohnen ist wie essen. Nach Stunden der Abwesenheit hungern wir nach wohnen. Dann suchen wir vier Wände auf, ein Dach oder eine Jurte und wohnen uns satt. Wer Wohnen entwerfen kann, kann auch alles andere entwerfen. Denn im Wohnen kommt alles vor: Gemeinschaft und Rückgezogenheit, Ernährung und Reinigung, Leben und Erholung. Wohnen ist die Königsdisziplin und das Schwarzbrot zugleich. Und es ist ein Spiegel unseres Seins. Architekten nehmen den Bewohnern das Wohnen nicht ab. Sie können dafür sorgen, dass Wohnen einen Körper findet, ein Wohnhaus.

Wohnhäuser sind der Wahnsinn. Sie sollen Geborgenheit bieten und gleichzeitig die Bewohner frei lassen; sie sollen Funktionen kleingliedrig ordnen und gleichzeitig großzügige Flächen bieten. Wohnkörper, die uns stützen und tragen ohne dass wir an sie anstoßen. Wohnköper sind Baukörper. Sie sind getragen vom Skelett der Stützen und Wände, sind geschützt von der Außenhaut. Im Bauch tragen sie allerhand Versorgungs- und Abflussgefäße, Wärme und Luft durchzieht den Körper. Er hat auch Energie­ bahnen und Wahrnehmungsorgane. Und Öffnungen, durch die wir nach draußen schauen können, durch das Gesicht, die Fassade. Die Lehre von dieser Gebäudeanatomie heißt Gebäudelehre. Sie lehrt die Teile und das Ganze, darum geht sie analytisch vor und auch synthetisch, sie zergliedert, um die Teile zu kennen, und sie fügt die Teile schöpferisch zum Ganzen zusammen. Sie ist die Nachbarin der Konstruktionslehre und auch der Entwurfslehre. Ihren morphologischen Zusammenklang kennt die Gebäudetypologie. Im Frühjahrssemester 2015 stand für die Studierenden des zweiten Jahres im Modul Gebäudelehre das Thema Wohnbau für Asylanten, Obdachlose, Jugendliche, Stadtnomaden und andere Reisende im Fokus. Eine Exkursion führte zu aktuell umstrittenen Vorbildprojekten in München und Augsburg. Zur geografischen Verortung des Entwurfsprojektes stand ein Grundstück im Kölner Süden zur Verfügung. Zur ideellen Verortung der Ausgangsposition (Entwurfsphilosophie) waren die Studierenden aufgerufen, einen vorläufigen Standpunkt zum Thema Asyl zu suchen und ihn auf gestalterische Konsequenzen hin zu untersuchen. ■ Nikolaus von Kaisenberg

Asylantenheim Elisium – Lisa Küpper und Elisa Maschmeier

41


Bachelor

ELISIUM LISA KÜPPER + ELISA MASCHMEIER

W

o Milch und Honig fließen, da sind die Häuser ganz schön lang und groß. Damit viele drin wohnen können. Gleichzeitig. Jeder für sich, oder auch gemeinsam. Man kann in den unterschiedlichen Wohnungen zusammensitzen, auf den großzügigen Laubengangterrassen oder auch unter Bäumen zwischen den Häusern. Man weiß nicht, ob die Siedlung klein oder groß ist. Das ist gut so. Eigentlich wollte keiner dorthin. Aber nun sind die meisten froh, dort anzukommen, mitten in Deutschland, mitten zwischen uns, mitten zwischen Bienen und Gemüsebeeten. ■

䜀爀甀渀搀爀椀猀猀 䔀琀愀最攀

Grundriss und Ansicht eines Wohnblocks

Grundriss 2 Personen Wohnung

娀眀攀椀ⴀ倀攀爀猀漀渀攀渀ⴀ圀漀栀渀甀渀最

Modellfoto

42

䄀渀猀椀挀栀琀


FRISCHE ERDE JOHANNES HOFFMANN + TIMO RÖTZEL

S

ie meiden unnötige Entscheidungen. Eine Siedlung wie ein offener Koffer. Ein Blick genügt. Einblick gewährt auch das offene Typenhaus. Es funktioniert wie ein Regal, in das Boxen zum Wohnen eingeschoben werden. Kein Plan, Frau Merkel? Situativ handeln? Kein Problem, die Häuser reagieren flexibel. Wer soll mit wem wohnen? Niemand soll. Alle sind eingeladen. Die Kölner, die dort zur Ergänzung der Neuankömmlinge hinziehen, werden es gut haben. Die Gäste auch. Mal schauen, wer länger bleibt. Wir sind alle nur Gäste. ■

Grundriss und Schnitt eines Wohnblocks

Grundriss

Modellfoto

43


Bachelor

GIVE ME FIVE – WOHNHAUS AUS FÜNF RAUMMODULEN BA 4.5 ENTWERFEN VON TRAGWERKEN // PROF. DR.-ING. MATHIAS WIRTHS // 5. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

A

USGANGSSITUATION: Die jährliche Produktion von Gebäuden aus vorgefertigten Bausystemen in Deutschland beträgt circa 2.500.000 qm. Eine Auseinandersetzung mit den konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten von „Modulbauten“ findet in der Ausbildung von Architekt/innen derzeit eher wenig Raum. Die „rechteckige Kiste“ ist aus architektonischer Sicht zunächst weder gut noch schlecht. So wundert es auch, dass viele Vorurteile gegenüber „Raummodulen“ auch in der Fachwelt bestehen. Unter vorgefertigten Raumsystemen sind gemäß des Bundesverbandes Bausysteme „modulare, vorgefertigte Raum­ systeme, die zu individuell und flexiblen Gebäuden, sowohl für temporäre als auch für langfristige Nutzungen zusammen­ gesetzt werden“ zu verstehen. Das konstruktive Projekt im Herbstsemester 2015 soll dazu anregen, kreativ mit dem Thema Modulbau umzugehen. AUFGABE: Fünf mit herkömmlichen Tiefladern zu transportierende Module (circa 13,50m x 2,55m x 2,90m) können räumlich vollkommen frei zu einem exklusiven Wohnhaus kombiniert werden. Die Einbausituation zum Beispiel Innenstadt, Klippe am Meer, Gebirge, et cetera ist selbst zu wählen. Konstruktionen für Unterstützungen, Aufständerungen, Treppenhäuser sind zusätzlich zu planen und müssen nicht im Volumen der fünf Module enthalten sein. Eine spätere modulare Erweiterung des Gebäudes ist vorzusehen. ■ Mathias Wirths

Ansicht

44


Collage der Details

COOP JOHANNES HOFFMANN

I

m Stil einer Wohnmaschine aus den 1960 Jahren klammert sich „COOP“ unter eine Siegbrücke nördlich von Bonn. Für eine opti­ male Ausrichtung zu Licht und Landschaft wurden konstruktive Lösungen für die Drehbarkeit der aufgehängten Konstruktion entwickelt. ■

Johannes Hoffmann – Coop – Grundriss

Schnitte

Axonometrie

45


Bachelor

GRACHTENHUIS LISA KÜPPER + ELISA MASCHMEIER

M

it der Wahl eines Grundstückes in einer Häuserzeile in Amsterdam zeigt „Grach­ tenhuis“ den Dialog zwischen moderner modularer Konstruktion und Gestaltung mit den gewachsenen Strukturen der umgebenden Bebauung. ■

Ansicht GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

Querschnitt (1)

1:30,79

Längsschnitt GSEducationalVersion

Detail

EXCLUSIVE MODULAR HOME BALTHASAR MOOS

D

er Entwurf eines exklusiven modularen Ferienhauses am See zeigt anschaulich wie die einzelnen Elemente zu einem Ganzen gefügt werden, wie Kräfte verlaufen und konstruktive Anschlüsse entwickelt werden können. ■

46

Axonometrie


3 4 5

2

15

6

x 25

7

x 18 1 5

8 9 10 11 12 13 14 15 3 4 5

2

15

6

x 25

7

x 18 1 5

8 9 10 11 12 13 14 15

Piktos der Entwürfe „Erde“, „Wasser“+ „Luft“

5 ELEMENTE SEBASTIAN PILZ

GSEducationalVersion

Axonometrie der Tragstruktur zum Entwurf „Feuer“

I

m Entwurf „5 Elemente“ werden fünf Raummodule entwickelt, die unter sehr unter­ schiedlichen Randbedingungen zu ästhetischer und funktionalräumlicher Architektur kompo­ niert werden können. ■

BUNKTAINER TIMO RÖTZEL + VIVICA TSCHIRNER

D

as als Parasit auf einem Bonner Hochbun­ ker aufgesetzte Wohn- und Bürogebäude „Bunktainer“ spielt kreativ mit den Klischees von Baustellencontainern. Das „Büromodul“ fungiert als Aufzug und lässt sich nach Büro­ schluss an das Wohngebäude andocken. ■

GSEducationalVersion GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

Ansichten

Modellfoto

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

47


Bachelor

VOLKSHAUS ROTTHAUSEN BA 5.3 GEBÄUDETYPOLOGIE // PROF. SWEN GEISS // 5. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

K

ONTEXT UND THEMA: Das Volkshaus Rotthau­ sen ist ein im Backstein-Expressionismus erbautes Kultur- und Gemeinschafthaus im Stadtteil Rotthausen, im Gelsenkirchener Süden. 1921 entworfen und erbaut vom Essener Architekten Alfred Fischer, steht das Volkshaus beispielhaft für öffentliche Bauten der jungen, schnellwachsenden Städte des Ruhrgebiets in der Weimarer Republik. Nach diversen Umnutzungen zu verschie­ densten Zwecken, wurde das Gebäude 1986 unter Denkmalschutz gestellt und erstmalig teil- saniert. In den letzten Jahren diente das Haus als Vereins- und Veranstaltungshaus. Eingebettet in ein erneuerungsbedürftiges Quartier, wird aktuell nach einem neuen, nachhaltigen und von der Bürgerschaft breit getragenen Nutzungskonzept für das Volks­ haus gesucht. Hierzu wurde vom Lehrgebiet Architektur und Ressourcen das partizipato­ rische Prozessformat „testbetrieb“ entwickelt, in dem unter Einsatz sowohl analytischkommunikativer als auch künstlerischexperimenteller Formate, mit interessierten Bürgern und Kulturschaffenden unterschied­ lichste Nutzungen beispielhaft entwickelt und im „testbetrieb“ im Mai 2016 erprobt werden sollen.

48

Das Modul BA 5.3 Gebäudetypologie im Ba­ chelorstudiengang Architektur und Stadtraum ist in diesen Prozess eingebunden, soll Wissen zum Gebäude, seinen Eigenarten, Begabungen und Begrenzungen generieren. Hierzu soll das Volkshaus sowohl gebäudetypologisch als auch funktional-räumlich analysiert sowie zeichne­ risch, fotografisch und im Modell dokumen­ tiert werden. Darauf aufbauend sind einzelne Nutzungsszenarien für Teilbereiche des Hauses zu entwickeln und damit verbundenen plane­ rische Eingriffe in einem gemeinsamen Modell zu entwerfen und zu testen. BEARBEITUNG: Nach einem theoretischen Einstieg in das Themenfeld Gebäudelehre und Gebäudetypologie erfolgt die Bearbeitung der Seminaraufgabe in drei Arbeitsabschnitten: 1. Recherche zu Versammlungsstätten sowie Bauten der Gemeinschaft und der darstellende Künste in Gelsenkirchen. Erstellung einer vergleichenden steckbriefartigen Kurzanalyse in der Seminargruppe. 2. Gebäudetypologische und räumlich-funk­ tionale Analyse des Volkshaus Rotthausen: • grafische Dokumentation (in maßstäblichen Plänen) • fotografische Dokumentation • Erstellung eines gemeinsamen Modells

Die Bearbeitung erfolgt aufgrund der Größe des Objekts arbeitsteilig im Studienjahrgang. Hierzu sind gemeinsam Fragenstellungen und Arbeitspakete zu entwickeln, unter den Teilnehmern des Seminars aufzuteilen und nach Bearbeitung in einer Dokumentation zusammenzuführen. 3. Entwicklung möglicher Nutzungsszenarien und Raumexperimente: Um den Beteiligungs­ prozess und den nachfolgenden „testbetrieb“ anzureichern und zu befördern, sollen neben der analytischen Grundlagenarbeit zum Gebäude beispielhaft Nutzungsszenarien für zu benennende Nutzergruppen und damit verbundene, planerische Eingriffe in diagram­ matischen Skizzen, Grundrissen, Schnitten und im Modell konkretisiert werden. Die folgenden Seiten zeigen anhand von drei ausgewählten Studienarbeiten beispielhaft die Bandbreite der Bearbeitung durch die Studierenden und zeigen zugleich die ange­ wandten gebäudeplanerischen Methoden und Werkzeuge. ■ Swen Geiss


SKATEPARK JUGENDHALLE ROTTHAUSEN AUREL KAISER, CARL FISCHER + BALTHASAR MOOS

D

as Projekt „Skatepark“ greift die ursprüng­ liche Widmung des Hauses als Jugendhalle (mit zentraler Turnhalle) auf und erneuert diese Idee unter dem Vorzeichen aktueller Jugend-(Skater-)Kultur. Inhaltlicher Pate der Nutzungsidee ist die überregional bekannte Skaterhalle „Wicked Woods“ in Wuppertal. ■

Perspektive

Schnitt

Grundriss

49


Bachelor

FESTSAAL ROTTHAUSEN MAGDALENA ZÖLLNER + SEBASTIAN MÜNCH

D

as Projekt Festsaal greift die langjährige Nutzung des zentralen Saals des Volkshauses als Festsaal auf und ordnet diese Ideen auch die Nutzung der umgebende Seitenflügel unter. Beleuchtung und die Nutzung des Saals von bis zu 400 Personen z. B. im Rahmen eines AbiturBalls werden in Schnitt und Modell atmosphärisch erprobt und vermittelt. ■

Schnitt

Saal und Bühne

Saal und Bühne

Backstage

Backstage

Cafe/Bar, Lounge

Cafe/Bar, Lounge

Speiseraum

Speiseraum

Erschließung

Erschließung

Grundriss GSEducationalVersion

Modellfoto

50


Modellfoto

Dachformvarianten

MUSIK HAUS TIMO RÖTZEL + VIVICA TSCHIRNER

D

as Projekt Musik Haus begründet sich in der z. Zt. lebendigsten Nutzung des Volks­ hauses Rotthausen als Probe-Ort von verschie­ densten Musikgruppen und -vereinen und entwickelt dieses als Haus von und für Musiker weiter. Hierzu werden zusätzliche, größere und Musik kleinere (Probe-)Räume in den verschiedenen Vereine Geschossen des Hauses angeordnet und dabei Gastronomie der Saal durch EinbautenNebenräume räumlich differen­ ziert und zugleich auf eine bedarfsgerechte Größe reduziert. ■

Schnitt

SCHNITT M 1:250

Grundriss

51


Bachelor

52


REGIONALE PROJEKTE BA 4.6 ENTWURFSLEHRE STADTPLANUNG // PROF. BENEDIKT STAHL // 6. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015 »WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN, WENN DAS GUTE LIEGT SO NAH?« J. W. Goethe

M

it der vielzitierten Goethe-Frage kann man die Beschreibung dieses Entwurfsseminars zu städtebaulichen Projekten in der näheren Umgebung treffend beginnen. Die Studierenden waren aufgefordert, vor Beginn des Semesters selber eine Aufgabe zu suchen, die sie bearbeiten wollten. Voraussetzung waren der regionale Bezug und eine am Anfang der Arbeit vorzu­ stellende Idee, warum es gerade dieser Ort sein soll. Mithilfe eines Steckbriefes wurden eine ganze Reihe von möglichen Projekten im KölnBonner Raum vorgestellt und diskutiert. Die verschiedenen Versuche, die Notwendigkeit planerischer Eingriffe zu begründen, war zugleich das Hinterfragen des persönlichen Bezugs zu den entsprechenden Aufgaben und eine erste Spur auf dem Weg zu Lösungsansätzen. Was gefällt mir, oder was stört mich am Ort meiner Wahl? Für wen oder wofür könnte es gut sein, sich darum zu kümmern? Was be­ wegt mich selbst und welchen gesellschaftlichen Mehrwert hätte eine Neu- oder Umplanung? Solche und ähnliche Fragen bestimmten den Einstieg in die Entwurfsprojekte. Die räumliche Nähe erleichterte die Möglichkeit, so oft wie möglich vor Ort zu sein. Dort zu arbeiten. Interviews zu führen, Beobachtungen zu machen, Entdeckungen mittels Skizzen, Fotos und Textnotizen festzuhalten und sich mehr und mehr mit den räumlichen Gegebenheiten

und der Atmosphäre vertraut zu machen, sich einzufühlen. Neben vielversprechenden Ansätzen für die Neugestaltung des Ebertplatzes oder der Um­ gestaltung eines kleinen Quartiersplätzchens am Südpark in Köln, Ideen für einen neuen Bahn­ hofsvorplatz in Bad Godesberg, einer Neuen Mitte für Dottendorf und einem Konzept zur Umgestaltung des Budapester Platzes in Bonn, werden hier zwei Projekte in besonderer Weise und stellvertretend für die Bandbreite aller Themen vorgestellt. Da ist zum einen die seit langem auch in der Öffentlichkeit viel diskutierte Zukunft des Frankenplatzes in Bonn. Genährt wir diese Diskussion aus vielerlei verschiedenen Interessen der Anwohner und Bürger. Mit dem Projekt „FUSION“ schlagen Helena Deifuhs, Liz Feinen und Thomas Bohne nach gründlicher Recherche und vielen hilfreichen Gesprächen und Ideenskizzen eine ganze Reihe von zum Teil sehr unkonventionellen Maßnahmen vor, die als Bausteine umgesetzt werden könnten. Nicht nur der Platz selber, sondern auch das ganze Quartier und die Stadt könnte auf diese Weise zu lebendigen neuen Orten kommen. Die vorgeschlagenen Eingriffe sind behutsam und mutig zugleich. Mit Begriffen wie „heilen, aufmerksam machen, verknüpfen, zonieren, zwischennutzen“ und so weiter, entstehen ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten den Platz mitsamt denkmalgeschütztem Franken­ bad, dem Baumbestand und heute bereits be­ stehenden und beliebten Nutzungsangeboten einladend und menschengerecht zu gestalten. Natürlich müssen dafür auch mal zu viele Autos weichen (das ist nicht unmöglich!) oder

althergebrachte Herangehensweisen hinterfragt werden. Aber gerade das macht dieses Konzept so spannend: neue Wege entdecken und unter Beteiligung der Menschen vor Ort dafür wer­ ben, Gestaltung selber zu wollen und sie auch in die Hand zu nehmen. Zuzutrauen wäre es den drei Pionieren ganz gewiss! Ein weiteres Projekt befasst sich mit Ideen für die Neugestaltung des Roisdorfer Bahnhofs. Fußläufig nur einige Minuten vom Atelierhaus der Architekten in Alfter entfernt, liegt so ein Vorhaben besonders nahe. Simon Koolmann und Leonard Palm haben diese Gelegenheit dafür genutzt, den Weg des Ankommens und Abreisens an so einer Stelle einmal etwas ge­ nauer zu studieren. Auf der Basis historischer Karten und Fotos haben sie die Chancen für ein neues Stück Roisdorf zusammengetragen und entworfen. Insbesondere die Aufnahmen des alten schönen Bahnhofs waren dabei prägend für die Idee, anstelle eines herunter­ gekommenen Stellwerkgebäudes hier wieder ein neues raumbildendes und belebendes Gebäudeensemble vorzuschlagen, das an die Prägnanz und Ausstrahlung der historischen Situation anknüpft und zugleich belebende neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet. Wohnen und Leben an der Bahn lassen sich hier ebenso denken, wie die Verbindung der durch die Bahnlinie getrennten Ortsteile oder die Ge­ staltung eines autofreien neuen und belebten Platzes. Die Roisdorfer Bürger haben darauf zunächst einmal sehr positiv reagiert. Wer weiß, vielleicht finden diese Gedanken ja auch noch Eingang in die weiteren Entwicklungen. Das offene Interesse der Stadtverwaltung lässt hoffen. ■ Benedikt Stahl

Leonard Palm + Simon Koolmann – Bahnhof Roisdorf – Perspektive

53


Bachelor

P A C K S T A T I O N

P H O T O S

Parka

utoma

t

K ART

IN T KUNS NER BON gkg

M FORU

TLER KÜNS

N

PLATZKONZEPT M 1:200

FRANKENBAD - FUSION HELENA DEIFUHS, THOMAS BOHNE + LIZ FEINEN

B

ehutsame Eingriffe mit temporären Maßnahmen als Wiederentdeckung des Stadtraumes. ■

Modellfoto

54


BAHNHOF ROISDORF LEONARD PALM + SIMON KOOLMANN

D

er Bahnhof als zentraler Ort des Kommens und Gehens. Ein Platz zum Wohnen und Leben. â–

55


Bachelor

REVERSE ARCHITECTURE BA 3.3 TECHNISCHER AUSBAU UND ENERGIE­ EFFIZIENTES BAUEN // DIPL.-ING. SONJA TINNEY 6. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

M

Reverse Engineering oder ein Experiment Technik neu zu ordnen. Einführungsworkshop zum Modul. AugenBlickMal 2015 (Fotos: Carl Fischer)

56

it dem Modul 3.3 - technischer Ausbau und energieeffi­ zientes „Bauen“ - wollen wir uns mit den verschiedenen technischen Installationen eines Gebäudes und dem Thema Energie auseinandersetzen. Doch welche Installationen sind in einem Gebäude notwendig? Und wie kann man diese möglichst energieeffizient einsetzen? WIR WOLLEN ZERLEGEN, UM ZU VERSTEHEN! Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir in einem ersten Schritt beispielhafte Architekturen und ihre technischen und energetischen Funktionen untersucht. Dabei haben wir uns am Prozess des „Reverse Engineering“ orientiert. Begleitet von wöchentlichen Einführungen in Aufbau und Funktionsweisen der verschiedenen Themen wie Wärme, Lüftung, Wasser, Strom und Gebäudehülle haben wir die Pro­ jektbeispiele Stück für Stück zerlegt und analysiert. Wie wird beispielsweise die Wärme im Gebäude erzeugt und wie wird sie verteilt? Welche Geräte und Leitungen werden benötigt? Spielt die Form des Gebäudes, die Anordnung der Räume oder das Material auch für die Raumwärme eine Rolle? Wie unterscheiden sich die Funktionen für Wärme am Tag und in der Nacht oder im Sommer und im Winter? Die Antwort des Gebäudes auf diese Fragen sollte in einer abstrakten und einfachen Modellsequenz gebaut werden. Dabei musste präzise überlegt werden, welcher Ausschnitt und Abstraktionsgrad geeignet ist, um die Komplexität des Konzeptes - losgelöst vom Gebäude - treffend zu fassen. Das Bauen dieser Modellsequenz erforderte daher eine in­ tensive Auseinandersetzung mit dem Thema und dem Projekt denn nur durch das Weglassen von irrelevanten Merkmalen des Gebäudes, wird die eigentliche Strategie dahinter sichtbar. Auf diese Weise konnten wir die unterschiedlichen technischen und energetischen Strukturen verschiedener Gebäude erarbeiten und uns so einen gemeinsamen Setzkasten der verschiedenen Konzepte bilden.


WIR WOLLEN NEU ORDNEN! Mit den Analyse­

modellen haben wir uns eine gemeinsame Grundlage möglicher Strategien zum Umgang von Energie und Technik in der Architektur geschaffen, die wir in einem nächsten Schritt zu einem eigenen kleinen Entwurf zusammen­ gesetzt haben. Dabei sollten neue und sinnvolle Kombina­ tionen oder eigene Strategien für den Entwurf anhand der analysierten energetischen und technischen Strategien der Projekte entstehen. Innerhalb von klar definierten Parametern, galt es ein Reihenhaus zum Wohnen für ein Paar oder eine Familie zu entwerfen und mit allen notwendigen technischen Installationen zu versehen. Anders als sonst im Architekturentwurf üblich, sollte das Gebäude jedoch „rückwärts“ entworfen werden, beginnend mit den technischen Installationen und der optimalen Gebäudeform für den effizienten Einsatz. Die energetischen und technischen Qualitäten des Entwurfes sollten dabei zum Katalysator für die Idee einer architektonischen Gestalt werden. ■ Sonja Tinney

Die nachfolgenden Seiten zeigen einen Ausschnitt aus den im Semester entstandenen Modellen und der entwickelten Konzepte. 57


Bachelor

Wir wollen zerlegen, um zu verstehen! Einige Modellsequenzen aus dem gemeinsamen Setzkasten der analysierten Projektbeispiele.

Wir wollen neu ordnen! Einige Modellbeispiele der entstandenen StegreifentwĂźrfe zum Reihenhaus.

58


Sommer - Tag

Sommer - Nacht

Winter - Tag

Winter - Nacht

STEGREIFENTWURF – ENERGIEFUGE ANTON EVTIKHOV + SIMON KOOLMANNN

D

as Energiekonzept versucht solare Gewinne zu maximieren und durch ein luftbasiertes Heizen und Kühlen das Gebäude zu temperieren. Zentrales Element hierfür ist eine Polycar­ bonatfassade, welche die dahinterliegende Luftschicht sich erwärmen lässt, um die Energie im Luftkollektor an die Zuluft der Räume und einen Warmwasserspeicher abzugeben. Über eine Energiefuge findet die Verteilung der Energie sowie das Kühlen mittels erdgekühlter Luft und einer massiven Wand als Speichermasse statt. ■

Schnitt

Grundriss

59


Bachelor

EXPERIMENT: BAUGRUPPE BA 4.7 RESSOURCENOPTIMIERTES PLANEN UND BAUEN // DIPL.-ING. SONJA TINNEY // 7. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

R

ESSOURCEN DEFINIEREN, ERKENNEN UND OPTIMIEREN! Dieser schwierigen Herausforderung haben wir uns mit dem Modul 4.7 zum ressourcenoptimierten Planen und Bauen gestellt. Deshalb lautete auch die erste Frage: Welche Ressourcen spielen in der Architektur eine Rolle? Ressourcen können sowohl materieller als auch immaterieller Herkunft sein. Sie umfassen ökologische Ressourcen wie beispielsweise Energie, Rohstoffe, Baugrund oder Baumaterial. Aber auch wirtschaftliche Ressourcen wie das zur Verfügung stehende Kapital oder die Produktivität im Bauprozess können eine entscheidende Rolle in der Architektur spielen. Und zuletzt stellen natürlich auch soziologische Aspekte wie die Gesellschaft oder das Zusammenleben in der Gemeinschaft eine wichtige Ressource dar. In der Architektur findet sich also eine Vielzahl von Ressour­ cen. Dabei erfordert nicht jeder Ort, jede Situation oder jede Bauaufgabe eine gleichermaßen intensive Auseinandersetzung mit allen ökologischen, ökonomischen oder soziologischen Aspekten. Um aber die Bedeutung einer Ressource zu bewerten und eine eigene Position finden zu können, ist es notwendig, diese für den jeweiligen Ort und die Aufgabe immer wieder neu zu definieren. Erst das Erkennen von Einfluss und Potential, ermöglicht eine Ressource ihren Möglichkeiten entsprechend zu optimieren! Mit dem großen Projekt des Moduls im Bachelorstudiengang Architektur + Stadtraum wollen wir uns diesen Themen widmen. Das Ziel sollte es sein, eine eigene Position zum Umgang mit den vorgefundenen Ressourcen zu entwickeln und diese in einem komplexen Entwurf zu erarbeiten. Als Bauaufgabe haben wir uns einem derzeit aktuellen und beispielhaften Thema zur Ressourcenoptimierung angenommen: dem Bauen in der Gemeinschaft. 60

WIR WAGEN DAS EXPERIMENT BAUGRUPPE! Eine Baugruppe als

Bewohner zu gründen oder als Architekt zu begleiten, ist meist der Beginn eines Abenteuers. Es bietet einerseits viele Freiheiten, Lebensmodelle neu zu denken und kann ein sehr kreativer Prozess sein. Anderseits erfordert es ein kompromissbereites und organisiertes Miteinander. Um sowohl die Seite der zukünftigen Bewohner als auch die des planenden Architekten kennenzulernen, haben wir das Experiment als Tandem-Teams begonnen. Über Steckbriefe der eigenen Wohn- und Zielvorstellungen haben sich Baugruppen aus drei bis vier Bewohnern gegründet, die sich eine der anderen Gruppe als Architekten gesucht haben. Bewohner und Architekten haben anschließend gemeinsam die Bauaufgabe konkretisiert, Vorstellungen zum gemeinschaft­ lichen Leben und Arbeiten formuliert, ein passendes Baugrund­ stück ausgewählt und Ziele zum ökologischen und technischen Standard benannt. Im Laufe des Semesters wurden die Projekte vom städtebau­ lichen Maßstab bis ins Detail anhand der selbst formulierten Ziele erarbeitet. Neben der Entwicklung eines schlüssigen Ge­ meinschaftskonzeptes und die Umsetzung im Entwurf, gehörte vor allem auch die konstruktive Umsetzung und der Einsatz nachhaltiger Materialien sowie die Integration von baulichen und technischen Komponenten zur passiven und aktiven Ener­ gienutzung zur Aufgabenstellung. ■ Sonja Tinney

Einen Überblick über einige der im Semester entstanden Entwürfe zeigen die nachfolgenden Seiten.


EDAMM 75B LEONARD PALM, CARL FISCHER, NOLA BALLY + THOMAS BOHNE

F

rei gestaltbare Wohnungen mit einem großen Innenhof und Räume für Gemein­ schaft, jedoch bei bezahlbaren Mieten, für junge Menschen zu schaffen – so lautet die Idee zum Entwurf. Rationale Spannweiten, vorgefertigte und einfache Konstruktion aus Beton und Holz sowie der Verzicht auf zusätzliche Bekleidungen und Oberflächen ermöglichen das kostengünstige Bauen. Daraus entstanden ist ein Projekt, das die Lebendigkeit der Bewohner und des Innen­ hofs über mutige Farben auch in den Stadtraum trägt. ■

61


Bachelor

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

R11 ANNABELLE SPETH, JANA FRANKE, ANTON EVTIKHOV + JULIA BRÜGMANN

Dach von innen nach außen 362mm Gipskartonplatte Luftschicht | Konterlattung Dampfbremse Sparren | Dämmung Dämmplatte Wasserabweisende Schicht (diffusionsoffen) Luftschicht | Konterlattung MDF Platte Bitumenbahn Zinkblech (Doppelstehpfalz)

12,5 30 3 180 87 3

mm mm mm mm mm mm

30 24 5 3

mm mm mm mm 365

U-Wert: 0,145 W/m²K

405

Dachterrassenboden von oben nach unten 454 mm Holzbelag Kiesschüttung Dränplatte Trennschicht Abdichtung Dämmung Abdichtung Betondeckenplatte Putzschicht

30 45 18 15 3 150 3 180 5

mm mm mm mm mm mm mm mm mm

Geschossdecke von oben nach unten 300 mm Bodenbelag Parkett Estrich | Fußbodenheizung Abdichtung Perlite Trittschalldämmung Betondeckenplatte Putzschicht

10 50 3 50 180 5

mm mm mm mm mm mm

Balkon von oben nach unten 300 mm Holzbelag Kiesschüttung Dränplatte Trennschicht Abdichtung Betondeckenplatte Putzschicht

30 45 18 15 3 180 5

mm mm mm mm mm mm mm

D

er Grundgedanke, so wenig Technik wie möglich zu verwenden, zeigt sich in dem konsequenten Verzicht technischer Maßnahmen bei der Lüftung. Neben der optimalen Querlüftung über Fenster verfügen auch die fenster­ losen Bäder über ein natürliches Lüftungsprinzip: Frische Luft wird an Fassadenöffnungen eingesogen und durch die Decken in die Bäder leicht vorgewärmt transportiert, während Solar­ kamine auf dem Dach für den Abtransport der verbrauchten Luft sorgen. ■

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

Außenwand von innen nach außen 402 mm Putzschicht Poroton (S9) Wärmedämmputz

12 365 25

mm mm mm

U-Wert: 0,202 W/m²K

Kellerdecke von oben nach unten 430 mm Bodenbelag Parkett Estrich | Fußbodenheizung Abdichtung Perlite Trittschalldämmung Betondeckenplatte Dämmung Putzschicht

10 50 3 50 180 140 5

mm mm mm mm mm mm mm

U-Wert: 0,198 W/m²K

Fassadenschnitt M 1:20 GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

62


16,27m

27,70m 3,70m 5,50m

OE31 HELENA DEIFUHS, LIZ FEINEN + SIMON KOOLMANN

D

lVers

tiona

duca

GSE

er Entwurf richtet sich mit verschiedenen Wohnungstypen - vom Stadthaus im Erdgeschoss bis zu größeren, auch mehrge­ schossigen Wohnungen – vor allem nach den Bedürfnisse junger Familien. Die Grundrissgestaltung ermöglicht jede Wohnung den Zugang zu beiden Fassadenseiten und dadurch neben der optimalen Belichtung auch eine natürliche Lüftung ohne weitere technische Maßnahmen. ■

ion

lVers

tiona

duca

GSE

ion

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

GSEducationalVersion

63


Bachelor

Perspektive

MASTERPLAN FREIE WALDORFSCHULE WERDER (HAVEL) CHRISTIAN MORGENSTERN CLAUDIUS BÄUML + GEORG KREUER // BA 4.9 BACHELORARBEIT // PROF. BENEDIKT STAHL + PROF. SWEN GEISS // 8. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

W

ie kann eine seit 25 Jahren bestehende Waldorfschule, die – rein auf die Schüler­ zahlen bezogen – gerade erst den Kinderschuhen entwächst, planerisch im Rahmen einer Bachelorarbeit in ihrem Wachstumspro­ zess unterstützt werden? Auf der Suche nach einer Antwort musste der Spagat zwischen der vorgegebenen Abfolge und Logik einer Bachelorarbeit und den sporadisch - sich ändernden Rahmenbedingungen der Planung und den Wünschen eines realen Bauherren gemeistert werden. Neben den Prä­ sentationen an der Hochschule gehörten für uns auch vier Besuche mit Präsentationen und Planungsworkshops vor Ort zur Arbeit. ANALYSE: Vom Großraum Berlin über die land­ schaftsprägende Havel bis hin zum Standort der Waldorfschule und dessen Entwicklungs­ 64

bedarf und -potenzial wurden verschiedene Maßstäbe beleuchtet. Auch die Schulge­ meinschaft musste auf ihr Leitbild und ihre Entwicklungsziele hin befragt werden. Den Betrachtungen der Rahmenbedingungen des Ortes schloss sich eine Auseinandersetzung mit den inneren Anforderungen einer (Waldorf-) Schule an. STÄDTEBAU: Ideenbilder: Hier wurde anhand verschiedener Skizzen die Haltung zu unter­ schiedlichen Visionen abgefragt. Diese Skizzen sollten der Schulgemeinschaft dazu dienen, auszuwählen, von welcher Vision sie sich in die Zukunft „ziehen“ lassen möchte. Strategiebilder: Basierend auf den Leitbildern entstanden grundsätzliche Strategien zur baulichen Erweiterung mit dem Fokus auf städtebaulich-räumlichen Aspekten.

Ideenbilder


HOCHBAU: Schließlich wurden zwei strategisch

grundsätzlich verschiedene Lösungen aufge­ zeigt, zu denen die Schule aufgefordert war aus ihrem Selbstverständnis heraus eine Haltung einzunehmen. In der ersten Lösung erfanden wir ein städtebauliches Szenario zur Entwicklung eines neuen Stadtteils. Dieses Szenario zielt auf eine langfristige Umsetzung und beinhaltet für die Schule eine Rolle als prägender Impulsgeber und belebende Kraft eines neuen Stadtgebietes. Die zweite Variante ist eine konkrete bauliche Lösung für die Erweiterung der Waldorfschule allein auf dem bestehenden Grundstück. In eher pragmatischer Weise wurde versucht, die Raumbedarfe der Schule durch ergänzende Neubauten und durch geringfügige Umstruktu­ rierung des Bestands zu decken. Ergänzt wur­ den ein Werkstattgebäude, eine Mehrzweckhal­ le und ein Kindergarten. ■ Claudius Bäuml

Lageplan

Perspektive Kindergarten

Strategiebilder

Perspektive Werkhaus

65


Bachelor

Perspektive

STADTENTWICKLUNG AM ROISDORFER BAHNHOF – „ROISDORF MACHT PLATZ!“ KLARA ESCH // BA 4.9 BACHELORARBEIT // PROF. BENEDIKT STAHL + PROF. SWEN GEISS // 8. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

D

er Roisdorfer Bahnhof war einer der ersten und - so sagt man - auch einer der schönsten Bahnhöfe an der sogenannten Rheinischen Strecke, welche linksrheinisch zwischen Köln und Bonn verläuft. Historisch gesehen trug er viel zur wirtschaftlichen Entwicklung Roisdorfs bei und auch heute noch macht er die Stadt als Wohnort attraktiv, insbesondere für Pendler und junge Leute. Nur er selbst ist nicht mehr so attraktiv wie damals, das einst prächtige Bahnhofsgebäude musste vor einigen Jahr­ zehnten abgerissen werden, an seine Stelle rückte ein sehr funktionell gehaltenes Gebäude, welches heute einen eher verwahrlosten Eindruck macht und kaum noch nutzbar ist. 66

Ein bisschen heruntergekommen und verwahrlost, einen solchen Anschein hat heute das gesamte Areal rund um den Bahnhof: Der Bahnhofsvorplatz ist eigentlich nur noch Parkplatz, die Unterführung besonders zu später Stunde ein Angstraum, das Gleis bietet keine adäquaten Warte- und Aufenthaltsmög­ lichkeiten, die Bahnhofsrückseite wirkt leer und verlassen. Der Roisdorfer Bahnhof, ein so zentraler Ort in der Geschichte der Stadt, wirkt leblos und verloren.


Schnitt

Schnitt – Stdentenwohnheim

Axonometrie – Bahnhofsplatz mit Ladenlokalen

Der Entwurf dieser Bachelorarbeit will diese Probleme beheben und den Roisdorfer Bahnhof wieder zu einem belebten Ort werden lassen. Dazu wird zunächst der Bahnhofsplatz vom ruhenden Verkehr befreit. Dieser rückt in einen neu entstehenden multifunktionalen Gebäudekomplex, welcher neben einem Park+Rast Parkhaus auch neue Wohnungen und Einzelhandelsflächen beinhaltet. Auf der anderen Seite entsteht entlang der Zugstrecke ein Studentenwohnheim. Als Pendant dazu werden auf der Bahnhofsrückseite, ebenfalls entlang der Zugstrecke, neue Ateliers und Werkstätten errichtet. Am Kopf des Bahnhofsplatzes ist ein großes Dach vorgesehen, darunter ein neues Bahnhofsgebäude mit kleiner Wartehalle, Toiletten und Einzelhandel/Gastronomie. Das Gleis wird überdacht und mit Aufenthaltsräumen versehen, auf der Bahnhofsrückseite entsteht ein Turm als Blickfang. Roisdorf macht also in zweierlei Hinsicht Platz: Autos domi­ nieren nicht länger den Ort, werden aus dem Mittelpunkt des Geschehens geräumt, was neuen Freiraum ermöglicht. Gleich­ zeitg wird durch einen Mix aus neuem Wohnraum, Einzelhandel, Gewerbe und Gastronomie ein neuer Raum gestaltet, der wieder Platz für Menschen und deren Bedürfnisse bietet. ■ Klara Esch

Axonometrie – Wohn-Park-Haus

Axonometrie – Studentenwohnheim

Lageplan – Bestand

67


Bachelor

Isometrie

DE FRIESE VRIJHEID IDO DE BAAT // BA 4.9 BACHELORARBEIT // PROF. BENEDIKT STAHL + PROF. SWEN GEISS // 8. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

T

rotz der idyllischen Landschaft und einer ausgeprägten Kultur, droht der Region Friesland laut aktuellen Prognosen ein weiterer Rückgang der Bevölkerungsdichte. Die so genannte Landflucht scheint vor allem bei jungen Menschen nicht aufzuhalten zu sein. Der Grund für diese Entwicklung ist zu einem Teil in komplexen politischen Prozessen auf staatliche Ebene erklärbar. Ich bin jedoch der Ansicht, dass es auch einfach damit zusammenhängen kann, dass die Menschen anders leben wollen: die drastische Zunahme von Teilzeitarbeit, Einzelunternehmern und Freelancern hat immer mehr Einfluss auf die Anforderungen an attraktive Lebensbedingun­ gen. Die betroffenen Menschen wünschen

Geländeschnitt

68

sich mehr Flexibilität und individuelle Ent­ wicklungsmöglichkeiten in der Gestaltung ihres Lebensalltags. Durch den beschränkten friesischen Arbeitsmarkt und verhältnismäßig teure Wohn- und Arbeitsräume, erweist sich ein Leben als Selbständiger, oder Freelancer in Friesland als schwierig. Dies treibt viele Bewohner in die westlichen Städte. Eine bedauernswerte Entwicklung, denn wer die friesische Geschichte kennt, oder Gespräche mit den Menschen vor Ort führt, wird schnell feststellen, dass es gerade die regional über Jahrhunderte geprägte „selbständige Note” und die historischen Eigenheiten in der Entwicklung der Arbeitsmarkts sind, die so gut zu Friesland passen.

Der Wunsch und Wille, teilzunehmen an die­ ser Entwicklung, ist fast typisch für Friesland und auch an den Fähigkeiten dazu fehlt es nicht. Die Voraussetzung dafür ist jedoch – unter anderem - ein Lebensraum, der an diese Bedürfnisse angepasst werden kann. Maßstab dafür sind die Menschen vor Ort und die Eigenheiten der friesischen Ökonomie. Auf einem Grundstück in dem friesischen Dorf Grou (in der direkten Umgebung meiner Heimat), habe ich versucht ein städtebauliches Modell zu entwickeln, dass sich bemüht, eine räumliche Struktur und Gestaltung für diese Anforderungen zu bieten. Zunächst einmal braucht es eine starke Nachbarschaft in dem soziale Netzwerke


Ansichten und Grundrisse der Parkhuizen

entstehen können. Außerdem müssen neben den Räumen zum Wohnen und Arbeiten auch attraktive Freiräume angeboten werden. Das erzeugt genau wie in den alten Dörfern und Städten Identifikation und Lebensqualität. Die räumliche Struktur des Entwurfs basiert auf alten Bestandsfundamenten der früheren Fabrikgebäude. Damit wird ein Teil der Ge­ schichte sichtbar und es entsteht Stadtraum mit unterschiedlichsten Plätzen und Freiraumen. Gut angelegte und verteilte Funktionsräume und -flächen wie Parkplätze, Anlegestege, Gärten und Lagerräume ermöglichen passende Nutzungen. Häuser zum wohnen und arbeiten erhalten flexible Grundstrukturen mit guten Beziehungen zu den Außenräumen. Der

individuelle Raumbedarf ist durch Erweiterung oder Reduzierung sowie geeignete Nutzungs­ trennungen anpassbar. Zur Stabilisierung des sozialen Geflechts werden unterschiedliche Wohn- und Arbeits­ formen gemischt. Von Wohnbooten über Grachtenhäuser bis hin zu anspruchsvolleren Wohntürmen werden verschiedenste Raumfor­ men angeboten, die dem Grundbedürfnis nach individueller Lebensgestaltung entsprechen. Aus meiner Sicht entsteht hier ein neues (altes) städtebauliches Modell, mit dem das eigenwillige „friesische Herz” ein Zuhause finden kann! ■ Ido de Baat

69


Bachelor

FREIRAUM – LERNRAUM – SCHLAFRAUM X3 JULIA SCHLÖSSER + RUBEN SOMMER // BA 4.9 BACHELORARBEIT // PROF. MAREK NOWAK + PROF. SWEN GEISS // 8. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

D

ie Bachelorarbeit Freiraum–Lernraum– Schlafraum x3 entwickelte sich aus dem Regionaleprojekt ForumBildungsBerkel, bei welchem es sich mehrere Projektpartner zum Ziel gemacht haben, Bildungsangebote rund um die Themen Natur, Umwelt, Kultur und So­ zialem in der Region des westlichen Münsterlandes besser zu vernetzen. Durch Gespräche mit den Projektpartnern des Kunstklärwerks in Stadtlohn, der Biologischen Station in Zwillbrock und der Sirksfelder Schule bei Coesfeld formulierte sich eine übergeordnete Entwurfsaufgabe, bei welcher es darum ging, eine gemeinsame Idee und Bilder für die einzelnen Standorte zu entwickeln. Wie kann Vernetzung im architektonischen und gestalterischen Sinne standortübergreifend aussehen? Das Kunstklärwerk ist ein stillgelegtes

70

Klärwerksgelände, welches partiell als Künstleratelier genutzt wird. Der Standort der Biologischen Station entwickelte sich aus einer ehemaligen Dorfschule und die Sirksfelder Schule, ebenfalls eine ehemalige Dorfschule, wird heute als Landschulheim genutzt. An den Standorten lies sich durch thematische Besonderheiten jeweils ein Potenzial definieren, von welchem die anderen Standorte profitie­ ren sollten, um so die Orte inhaltlich miteinan­ der zu verbinden. Kunstklärwerk – Potenzial Freiraum Biologische Station– Potenzial Lernen Sirksfelder Schule – Potenzial Schlafen Über die Analyse der Standorte und weitere Recherchen zum Bauen im ländlichen Raum ergab sich ein Archetyp, der die Grundlage für alle standortspezifischen Entwürfe bildet. Er

nimmt die Formsprache des typischen müns­ terländischen Hauses mit Satteldach auf und interpretiert es durch neue Materialien und klare Formen modern. Der Archetyp gliedert sich in drei Ausbaustufen: FREIRAUM: Ein Raum im Freien wird über das Aufstellen mehrerer Holzrahmen gefasst. LERNRAUM: Die Holzrahmen bekommen eine isolierende Außenhaut. Der entstehende Innenraum kann für Seminare und Workshops genutzt werden. SCHLAFRAUM: Der entstandene Raum wird durch Küche, Sanitär- und Schlafräume ergänzt. Im Wesentlichen ging es darum, eine standort­ übergreifende Architektursprache zu entwickeln, die zum einen dem ländlichen Raum gerecht wird und zum anderen ein zeitgenössisches Bau­ kulturverständnis vermittelt. ■ Julia Schlösser


71


72


MASTER Projekte


Master

FORSCHUNGSFORUM VOR ORT MA 3.1 FORSCHUNGSFORUM UND PROJEKTSTUDIUM // PROF. SWEN GEISS, PROF. DR.-ING. FLORIAN KLUGE, PROF. BRIGITTE SCHOLZ // HERBSTSEMESTER 2015/16

D

as ForschungsForum ist das Herzstück des Masterstudiengangs Prozessarchitektur – ein gemeinsames Lehrformat mit vielen Ak­ teuren: die Studierenden beider Jahrgänge, die Professoren Swen Geiss, Florian Kluge, Brigitte Scholz und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Miriam Hamel sowie ein jeweils wechselnder Gast. Dreimal im Semester kommen alle Betei­

74

ligten zusammen, um gemeinsam zu verschie­ denen Themen und Fragestellungen mit Bezug zu den Jahresprojekten der Studierenden zu arbeiten. Das bisher bewährte Format sah vor, nach einem Input am Vormittag jeweils am Nachmittag Fragestellungen in der Gruppe zu diskutieren und gemeinsam Lösungsvorschläge zu entwickeln und zu präsentieren.

Im Herbstsemester 2015 – zum fünfjährigen Bestehen des Masterstudiengangs – beschloss das Masterteam, das Format zu ändern: Das ForschungsForum ging auf Reisen! An drei verschiedenen Orten, in drei verschiedenen Kontexten wurde das neue Format angewen­ det und an außerhochschulische Lernorten getestet: zur „Baukultur konkret“ in Nordkir­ chen, zum „testbetrieb“ Volkshaus Rotthausen in Gelsenkirchen und zum „bio innovation park Rheinland“ zwischen Meckenheim und Rheinbach. Eingebettet in drei (Forschungs-) Projekte des Fachbereichs Architektur wurde gemeinsam mit lokalen Akteuren Programme entwickelt, die das ForschungsForum vor Ort zu einem Gewinn für beide Seiten werden ließ. Im ersten ForschungsForum am 13.10.15 war das FoFo in Nordkirchen im Münsterland zu Gast. Im Rahmen des BBSR-Forschungs­ projekts „Baukultur konkret“ wurde gemein­ sam mit der Initiative „DORFschafft*“ ein Workshop mit Schülern aus Nordkirchen durchgeführt. Gemeinsam waren Schüler und Studierende aufgefordert, den „jugendlichen


Blick“ auf die Baukultur Nordkirchens zu werfen. Anschließend wurden – ohne engere Vorgaben zu Inhalt oder Format – Skizzen, Bilder, Collagen, Modelle und Fotomontagen entwickelt, die neue Visionen, Lösungen, Bauten oder Events für Nordkirchen aufzeigten. Eingebettet in andere Präsentationen des For­ schungsprojekts wurden die Ergebnisse des Workshops unter dem Titel „SchülerAnsichten“ eine Woche später der Öffentlich­ keit präsentiert. Die Ausstellung in einem großen Schaufenster eines lokalen Händlers fand großes Interesse beim Publikum und wurde als erfrischende und mutige Position in Ergänzung zu den heiß diskutierten Forschungsinhalten wahrgenommen. Am 10.11.15 war das zweite ForschungsForum im Semester zu Gast im Volkshaus Rotthausen. Einbettet das Projekt testbetrieb Volkshaus Rotthausen, entwickelten und konkretisierten Studierende und Lehrende des Master Prozessarchitektur zusammen mit Mitarbeitern des Projektpartners, dem Referat für Hochbau und Liegenschaften der Stadt Gelsenkirchen, in einer Ideenwerkstatt erstmals mögliche Veranstaltungsformate für den Monat des testbetriebs im Mai 2016. Dabei wurden Methodik und Arbeitsgrundlagen zur Entwicklung weiterer Veranstaltungsformate für den anstehenden Aktivierungs- und Beteiligungsprozess erprobt und geschärft. Zugleich wurde der zur Zeit weitgehend brachliegende Saal des Volkshauses (im Rahmen des Projekt testbetrieb) erstmals bespielt und in seinen Möglichkeiten räumlich und atmosphärisch erkundet. Die konkreten Arbeitsergebnisse des ForschungsForums vor Ort wurden in einer folgenden Ideenwerkstatt (am 28.11.2015) mit lokalen Akteuren aufgegriffen und fortgeführt.

gemeinsam mit dem Planungsteam des Masterplans, wie die sensiblen Forschungsarbeiten für Interessierte lebendig werden können. Nach einem dreistündigen Spaziergang im Freiland und den Forschungsgewächshäusern entwickelten drei Arbeitsgruppen erste Konzeptansätze. Entstanden sind ein begehbares Forschungsmodul, ein neuer Rundweg mit Aufenthaltsorten und Ideen einer „lesbaren Landschaft“ mit der gezielten Verwendung von Energiepflanzen. Das Planerteam bedankte sich für die „Frischluftzufuhr“ durch das Forschungsforum und nimmt die Ideen mit in den weiteren Bearbeitungsprozess .

Die dritte Station am 8.12.15 war der Campus Klein-Alten­ dorf der Universität Bonn. Hier ist der Nukleus für den „bio innovation park Rheinland“, eine einzigartige Forschungs- und Produktionslandschaft direkt vor den Toren Bonns. In enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und den Städten Meckenheim und Rheinbach werden Zukunftsfragen zur Ernährung, nachwachsenden Rohstoffen, Klimaschutz und Gesundheit untersucht. Durch einen Masterplan soll diese besondere Parklandschaft in ihren Strukturen herausge­ arbeitet und erlebbar werden. Die Studierenden untersuchten

Das ForschungsForum vor Ort war ein voller Erfolg: Die Studierenden waren involviert in reale Projekte, die lokalen Akteure bekamen kreative Unterstützung, Forschung und Lehre konnten miteinander verschmolzen werden, das Format brachte neue Erkenntnisse auf beiden Seiten und Fachbereich und Hochschule konnte sich in der Region präsentieren. Angesichts des hohen Aufwands für alle Beteiligten wird das Format jedoch eine Ausnahme bleiben: Im nächsten Semester freuen wir uns, die Gäste wieder an unserer Hochschule begrüßen zu dürfen. ■ Brigitte Scholz & Florian Kluge 75


Master

KÖNIGSPLÄTZE PADERBORN AVILA DIETRICH // MA 3.1 PROJEKTSTUDIUM UND FORSCHUNGSFORUM // PROF. SWEN GEISS + PROF. DR. FLORIAN KLUGE // 2. + 3. SEMESTER // FRÜHJAHRS- + HERBSTSEMESTER 2015/16

K

ÖNIGSPLÄTZE PADERBORN – GESTERN – HEUTE – MORGEN – REVITALISIERUNG EINES STADT-

QUARTIERS: Die Paderborner Königsplätze im Zentrum der Stadt, sind als Verkehrskomplex in den 1970er Jahren entwickelt worden. Das einstige Vorzeigeprojekt, das Verkehrsführung und autofreie Innenstadt auf zwei Ebenen realisierte, hat seine Qualität heute jedoch ver­ loren. Die Situation mit über 60 Eigentümern und ca. 40% Leerstand ist komplex und schwer steuerbar. Neben der Auseinandersetzung mit den Problemen des Ortes, gilt es Potentiale zu erkennen und zu fördern. Beispielhaft seien die zentrale Lage, die große Zahl an Studenten, der

ungewöhnliche Ort und die Unterstützung von städtischer Seite genannt. Ziel war ein integriertes Konzept, das sich mit der Gegenüberstellung von Nutzern/ Akteuren und Architektur/Raum auseinan­ dersetzt. Das Konzept soll die Heterogenität (bei Eigentümern, Architektur, Nutzern und Besuchern) gestalterisch und prozessbezogen aufgreifen, um Möglichkeiten zur Revitali­ sierung des Ortes aufzuzeigen. Dabei ist ein Handbuch entstanden, das die zwei Schwer­ punkte Architektur und Prozess zusammen­ führt und den Akteuren vor Ort Handlungs­ spielräume aufzeigt.

PROZESSMODELL Leitbildentwicklung

PROZESSMODELL Leitbildentwicklung

Plenum/Workshop mit allen Eigentümern

76

Teilziel Fertigstellung Leitbild

Themen AG‘s Workshop in

Zusammenführung von gemein-

kleinen Gruppen

sam Erarbeitetem

Standortgemeinschaft Königs-

Zwischenstand

plätze e.V. (Eigentümer)

- Verein zur Zwischennutzung

Stadt Paderborn

Experten /Fachplaner

Neue Nutzer


SST RA NS TR

WOHNEN

KÖ NIG

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

MA RIE

B AC

WOHNEN BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

AS SE

HS

TR AS

WOHNEN

SE

WOHNEN PAD E R QUE L L G E BIE T WOHNEN

WOHNEN WOHNEN STOFFGESCHÄFT

WOHNEN

GASTRONOMIE

WE

BE

RB

ER

G

WOHNEN

WOHNEN WOHNEN

KIEFERORTHOPÄDE WOHNEN

WOHNEN

WOHNEN

B AC

WOHNEN

GASTRONOMIE

HS

TR AS

SE

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

MA RIE

NS TRA

GASTRONOMIE

SS E

TREPPENHAUS WOHNEN

GASTRONOMIE

KÖNIGSS TRASSE

FRISEUR

SCHUHGESCHÄFT

JUWELIER

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

SUPERMARKT

WOHNEN

TREPPENHAUS WOHNEN GALERIE

B E K L E I D U N G SGESCHÄFT BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

JUGENDTREFF

WOHNEN

REISEBÜRO

HAUS

SPORTNAHRUNG EISDIELE

SICHERHEIT

R IE

NS

TR

AS

SE

KÖ N I GS PLAT Z

TREPPENKÖNIGSP LATZ

BR ÜCK EN G A SSE

MA

SPIELOTHEK

IM D ÜS TE R N

TREPPENFRISEUR

STOFFGESCHÄFT GASTRONOMIE TREPPENHAUS

HAUS

SCHUHGESCHÄFT

TREPPENHAUS

B E K L E I D U N G S-

FRISEUR

GESCHÄFT BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

JUWELIER

REFORMHAUS

GAMESHOP TREPPENHAUS

GASTRONOMIE

CLUB+LOUNGE

TREPPENHAUS

KÖ N I GS PLAT Z GASTRONOMIE

MARIENGÄSSC HEN

ALT E

TO RG

NAGELSTUDIO

AS SE

MA R I E N PLAT Z

GASTRONOMIE

TREPPENHAUS

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

EISDIELE

P PARKHAUS

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

TREPPENHAUS

TREPPENHAUS

AS SE

DROGERIE

TR NIG SS

BUCHHANDLUNG

KAUFHAUS

IMBISS

WES TER

NST RAS

SE

SCHUHGESCHÄFT

TER IM DÜS

N

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

KINO

PARFÜMERIE

WE ST

ER NS

TR AS

SE

BEKLEIDUNGSGESCHÄFT

Stadtraumpuzzle

BAUSTEINKATEGORIE Dienstleistung + Gesundheit

Mit dem Ziel ein buntes, gemischtes Quartier entstehen zu lassen, das unterschied­ lichen Anforderungen gerecht wird sowie vielfältig und flexibel handhabbar ist, habe ich zunächst einen Baukasten mit den Kategorien Einzelhandel, Dienstleistung + Gesundheit, Kultur + Bildung, Event + Gastronomie, Labor entwickelt. Mit Hilfe der Bausteine entstanden Grundrisskonzepte, die mögliche baulich-räumliche Anwendungen aufzeigen. Das Wechselspiel zwischen Baukasten und Grundriss ermöglichte es, individuelle und ungewöhnliche Raumkonzepte mit engem Bezug zum umliegenden Stadtraum zu ent­ wickeln. Das dazugehörige kooperative Prozessmodell zeigt einen Weg auf, wie eine Eigentümer gemeinschaft unter Beteiligung von Nutzern und unter Begleitung der Stadt einen Masterplan für den Standort Königsplätze

entwickeln könnte. Dabei ist es wichtig, dass die Eigentümer im ersten Schritt Vision und Leitbild entwickeln und daraus eine gemein­ same Zieldefinition für das Gesamtprojekt ableiten. Im zweiten Schritt werden neue Nutzer hinzugezogen, um mit ihnen im dritten Schritt den Masterplan zu erarbeiten. Der gemeinsame Prozess führt Eigentümer und neue Nutzer zu einer ganzheitlichen Zukunftsvision für die Königsplätze. Um Architektur und Prozessmodell zusam­ menzuführen, habe ich ein Moderationstool entwickelt: Eine großdimensioniertes Stadt­ raumpuzzle, an dem gemeinsam Grundrisse, Nutzungsideen, Anwendungsbeispiele und Microstories erprobt werden können. Dieses Instrument ermöglicht Aktivität, Flexibilität und Individualität in der gemeinschaftlichen Planung sowie Moderation von Raum und Prozess. ■ Avila Dietrich

BAUSTEINKATEGORIE Einzelhandel

BAUSTEINKATEGORIE Event + Gastronomie

BAUSTEINKATEGORIE Kultur + Bildung

BAUSTEINKATEGORIE Labor

BAUSTEINKATEGORIE Wohnen

77


Master

ENTWICKLUNGSBAUSTEINE FÜR PUJEHUN KATHLEEN JAH // MA 3.1 PROJEKTSTUDIUM UND FORSCHUNGSFORUM // PROF. SWEN GEISS + PROF. DR. FLORIAN KLUGE // 2. + 3. SEMESTER // FRÜHJAHRS- + HERBSTSEMESTER 2015/16

P

ujehun ist eine Stadt im Süden des westafri­ kanischen Landes Sierra Leone. Das Leben des größten Teils ihrer rund 9000 Einwohner ist mühsam. Viele, vor allem junge Leute ziehen von Pujehun in größere und entwickeltere Gegenden von Sierra Leone. Ziel der Jahresarbeit ist es, Entwicklungsbau­ steine für Pujehun zu erarbeiten. Diese sollen an den Kontext angepasste Ideen aufzeigen, die Erleichterungen im Alltag der Bewohner von Pujehun schaffen und somit gleichzeitig der Landflucht entgegenwirken. DER ENTSTANDENE ENTWICKLUNGSBAUKASTEN, SETZT SICH AUS INSGESAMT VIER TEILEN ZUSAMMEN:

TEIL 1 – ANALYSE VON PUJEHUN: Um eine Grundlage

für die Entwicklung der Bausteine zu schaffen, befasst sich der erste Teil des Baukastens mit dem Leben in und den Menschen aus Pujehun. Anhand grundsätzlicher Fragen werden der Ort und das Leben in Pujehun analysiert. Themen der Energieversorgung, Bildung, Mobilität, Ökonomie, des Wohnens und vieles mehr wird erforscht und Problematiken offen­ gelegt. Die gewonnenen Informationen sind in zehn Analysekapiteln zusammengefasst. Als Informationsquelle hierfür dienten größtenteils Gespräche mit Leuten vor Ort. Als besonders kritisch erweisen sich in der Analyse die Kapitel Bildung und Ökonomie. Neben der tragischen Tatsache, dass viele Eltern ihren Kindern aus finanziellen Gründen den Schulbesuch nicht ermöglichen können, stellt sich heraus, dass die Schulen in Pujehun maßlos überfüllt sind und es an den grundle­ gendsten Dingen wie zum Beispiel Kreide und Büchern mangelt. Dementsprechend ist die Lehre an diesen Schulen unzufriedenstellend. Viele Eltern schicken aus diesem Grund ihre Kinder für den Schulbesuch in größere, ent­ fernte Städte in der Hoffnung, ihnen dadurch eine bessere Bildung ermöglichen zu können. Die Ökonomie Pujehuns betreffend ist fest­ zustellen, dass der Ort ein immenses landwirt­ schaftliches Potential hat. Dieses wird zur Zeit jedoch nur zu einem unzufriedenstellenden Maße genutzt. Trotz der zahlreichen potentiellen Anbauflächen rund um Pujehun, werden so gut wie alle Lebensmittel, die auf dem lokalen Markt angeboten werden aus anderen Städten, teilweise sogar aus den Nachbarländern importiert.

78

TEIL 2 – PROJEKTE FÜR PUJEHUN: Auf der Analyse

basierend wurden sieben Projektskizzen für Pujehun entwickelt. Diese Idee entstand aus der Beobachtung, dass es in Pujehun sehr viele Menschen gibt, die alleine an ihren kleinen Pro­ jekten arbeiten, es aber eher selten vorkommt, dass Sie dauerhaft und verbindlich zusammen­ kommen und gemeinsam Projekte angehen, die sie alleine nicht bewältigen können. Als Ausgangspunkt und Initiator dafür schlägt die erste Projektskizze die Gründung einer Gemeinschaftsorganisation in Pujehun vor. In einer Detailstudie wird untersucht, wie diese aufgebaut und organisiert werden könnte. Grundlegend für dies ist die Zieldefinition der Organisation. Auf den in der Analyse gewon­ nenen Kenntnissen basierend, wird festgelegt, dass die potentiellen Projekte Einfluss sowohl auf der Ebene der Ökonomie, der Ökologie und der Bildung als auch soziale Einflüsse erzielen sollen.

Neben dem Projekt der Gründung einer Gemeinschaftsorganisation, schlagen die sechs weiteren Projektskizzen Projekte zu verschie­ denen in der Analyse deutlich gewordenen Problematiken vor. Das Landwirtschafts-Pro­ jekt soll den Anbau von landwirtschaftlichen Produken in Pujehun fördern und somit die Versorgung im Ort verbessern, Arbeitsplät­ ze schaffen und Bauern weiterbilden. Das Mobilitäts-Projekt zielt darauf ab die Mobilität innerhalb Pujehuns zu verbessern. Das Kunstund Handarbeits-Projekt soll lokale Künstler mit externen Märkten verbinden und das Bildungsprojekt durch die Weiterbildung von Lehrern, Kooperationen mit anderen Organi­ sationen und Stipendien das lokale Bildungs­ system verbessern. Das Recycling-Projekt greift den Umgang mit Müll und dessen Verwertung auf und durch das Projekt der Selbstbauschule sollen verschiedenste Do-It-Yourself- und Selbstbaumethodiken vermitteln.


TEIL 3 – SELBSTBAUSCHULE: In einer Detailstudie zu dem Projekt der Selbstbauschule, wurden unter anderem Grundrisse und eine Selbst­ bauanleitung für Sandsackhäuser erarbeitet. Da in Pujehun genügend kostengünstiger Sand zu Verfügung steht, könnte die Sandsackkon­ struktion eine günstige Option des Hausbaus für die Menschen in Pujehun bieten. Zudem könnte durch ein geschicktes Marketing der Gemeinschaftsorganisation, das zur Zeit eher schlechte Image von alternativen Baumethoden verbessert werden. TEIL 4 – „KLEINE HELFERLEIN“: Der vierte und letzte Teil des Entwicklungsbaukastens besteht aus einer Kollektion von „kleinen Helferlein“. Diese bieten eine Sammlung von guten Ideen, Pro­ jekten und praktischen Tipps, die im Laufe der Recherchearbeiten entdeckt wurden und auch für Pujehun interessant sein könnten. Jede Idee ist auf einer Karteikarte zusammengefasst.

Die vier Teile der Arbeit werden durch den Entwicklungsbaukasten – einen großen „Karteikasten“ zusammengeführt. Die Box soll letztendlich im Hauptquartier der Gemein­ schaftsorganisation aufgestellt werden und von ihr und allen Interessenten als Handwerkskas­ ten vor Ort genutzt werden. ■ Kathleen Jah

79


Master

GEMEINSCHAFTSPRODUKTION: SELBER MACHEN MA 2.1 GRUNDLAGEN DER PROJEKTENTWICKLUNG // PROF. BRIGITTE SCHOLZ // 1. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

I

n den letzten Jahren zeigt sich in Stadt und Land ein neues Phänomen: Die Bürger/ innen werden selbst zu Unternehmern, die Wohnungen errichten, Freiräume entwickeln oder Quartiere verändern. Klassische Aufga­ ben von Investoren oder Kommune werden in eigenen, durchaus ungewöhnlichen Praktiken umgesetzt. Diese neuen Wege sind so unter­ schiedlich wie die Projekte selbst, wagen sich auf unbekanntes Terrain vor, entdecken neue Möglichkeiten und entwickeln eigene Inst­ rumente. An sieben Fallbeispielen aus Berlin und Köln konnten die Studierenden diese neue Vielfalt untersuchen und machten dabei ganz unterschiedliche Entdeckungen. In der Projektentwicklung gehen wir von drei bestimmenden Faktoren aus: Idee, Lage und Kapital. Sie stehen in enger Wechselwirkung zueinander, bedingen sich gegenseitig,

und doch kann es hilfreich sein, sich nur mit einem der drei Aspekte zu beschäftigen. Im Seminar stand die Idee als Impulsgeber im Vordergrund, die Menschen zusammenbringt, sie einen Ort und das erforderliche Kapital fin­ den lässt. Konkret haben wir folgende Fragen untersucht: IDEE: Welche Idee treibt das Projekt an (Moti­ vation)? Welche Relevanz hat die Idee für die Gesellschaft? AKTEURE: Wer macht was im Projekt? Aus wel­ chen Welten kommen die Menschen? STRUKTUR: Wie organisiert die Gemeinschaft ihre Aufgaben (Organigramm)? Wie sichert sie diese Struktur ab (Rechtsform)? INSTRUMENTE: Was unterstützt? Was behindert? Wie greift die öffentliche Hand (Kommune, Land, Bund) in die Projekte ein? Als Untersuchungsbeispiel dienten sieben

realisierte Projekte aus den Bereichen Wohnen, Freiraum und Gewerbe. Alle Projekte haben wir vor Ort besucht und mit den Machern gesprochen, denn nur über die Menschen las­ sen sich die Projekte wirklich verstehen. Hier einige Schlaglichter: RUBRIK WOHNEN

Fast in jeder deutschen Großstadt gibt es heute Wohnungen, die von ihren Bewohner als Baugruppe selbst gebaut statt anonym von einem Investor gekauft werden. Die Bauwil­ ligen finden sich als Baugruppe zusammen, gründen eine Genossenschaft oder suchen sich einen Partner, um ihre eigene Vorstellung vom Wohnen umzusetzen. BIG YARD (BERLIN): AUSGEZEICHNET WOHNEN IN DER STADT // SELVI BILGICI: Das Neubauvorhaben mit 45 Wohnungen im Prenzlauer Berg besticht durch seine klare Architektur, die mit einer klaren Projektentwicklungsstrategie korres­ pondiert: Die Architekten „zanderroth“ waren gleichzeitig als Projektentwickler „smartho­ ming“ tätig, suchten und sicherten die Baulü­ cke, entwickelten eine Gemeinschaftsarchitek­ tur mit Townhouses, Pent- und Gartenhäusern mit einem gemeinsamen Gartenhof und suchten die passenden Bewohner. Die Gruppe lebt als Eigentümergemeinschaft zusammen. BEGINENHOF EG (KÖLN): IN SOLIDARITÄT GEMEINSAM LEBEN // ISABELLA DI PRIMA: Die Frauenbewe­ gung aus dem Mittelalter möchte Frauen ein selbstbestimmtes Leben in wirtschaftlicher Unabhängigkeit und sozialer Verantwortung ermöglichen. In Köln haben sie die erste

80


auch andere Formen des Wirtschaftens hervor. Genossenschaften haben wieder Konjunktur, und sie gehen in ihren Zielsetzungen häufig weit über das Wohnen hinaus und entwickeln eine extreme Kreativität in den Organisationsstruk­ turen. HOLZMARKT (BERLIN): DAS DORF IN DER STADT // OSCAR

Frauen-Wohn-Genossenschaft in NRW ge­ gründet und ein Haus mit 27 Wohnungen am westlichen Stadtrand gebaut. Ungewöhnlich: Die Genossenschaft hat drei unterschiedliche Finanzierungsformen für ihre Wohnungen unter einem Dach: frei finanziert, öffentlich gefördert und eigentumsähnlich. Gemäß ihrer Zielsetzung engagieren sie sich sozial für ihren Stadtteil. VILLA ANDERS (KÖLN): EIN SCHUTZRAUM FÜRS EIN AN-

Vernetzungs- und Bildungsort für andere Ur­ ban-Gardening-Initiativen und die Allmende als Ausdruck der Gemeinschaft. Die Berliner Senatsverwaltung hat das Tempelhofer Feld in einem Teilbereich für Pionierprojekte geöffnet mit Pachtverträgen auf Zeit ausgestattet. Das Allmende-Kontor entfaltet ein buntes Leben und ist offen für Gärtner jeder Couleur. Ein Verein sichert den Freiraum, zum Gärtnern selber muss man aber dort nicht Mitglied sein.

DERES LEBEN // SEBASTIAN RADEMACHER: Die Villa

anders ist mehr als ein normales Mehrgene­ rationenwohnprojekt der Kölner Wohnungs­ baugesellschaft GAG: Sie bietet Schwulen, Lesben und Transgender einen Schutzraum in der Gesellschaft. Mitsprache in der Projekt­ entwicklung gab es wenig, aber ein Bewohner­ verein wählt die Mieter aus. Trotz der Suche nach dem Besonderen nach unserem Eindruck eher ein alltägliches Projekt in Architektur und Projektentwicklung.

RUBRIK GEWERBE / QUARTIERSENTWICKLUNG

Das Selber machen beschränkt sich nicht nur auf Wohnen und Freiräume, sondern bringt

MORA: Die Berliner Bürgerinitiative Mediaspree hat den Weg geebnet für eine ungewöhnliche Bebauung im Herzen Berlins. Statt der ursprünglich geplanten Bürohochhäuser am Holzmarkt hat eine Genossenschaft den Zuschlag bekommen, die ein Dorf in der Stadt bauen möchte, in dem die Bewohner aktiv mit­ bestimmen können. Der „Möhrchenpark“ ist schon da, die ersten Gebäude in Bau, und im „Eckwerk“ soll Platz für die Kreativwirtschaft sein. Äußerst kreativ ist auch das Finanzie­ rungs- und Organisationsmodell. AUFBAUHAUS (BERLIN): KREATIVKULTUR ALS EINHEIZER // IDO DE BAAT: Hier findet man ihn, den verantwor­

tungsvollen Unternehmer, der nicht nur sein Au­ genmerk auf das eigene Haus, sondern das ganze Quartier richtet. Das Aufbauhaus am Kreuz­ berger Moritzplatz in Berlin setzt ein doppeltes Zeichen für die Neubelebung des Quartiers: Im Haus haben über 40 Mieter einen Platz, alle aus der Kreativbranche, aber alle aus anderen Milieus. Ein guter Nährboden für die Wieder­ belebung des Quartiers, der Ido ein „Hurra! Für den freien Markt“ entlockt. ■ Brigitte Scholz

RUBRIK FREIRÄUME

In Urban Gardening Projekten finden sich Menschen zusammen, die sich im gemeinsa­ men Gärtnern die Stadt aneignen, aus Brachen grüne Oasen machen und darüber neue Dinge anstoßen. Dabei ist das soziale Miteinander häufig wichtiger als das Gemüse. NEULAND (KÖLN): GEMEINSCHAFTSGARTEN IM ZUKÜNFTIGEN PARKGÜRTEL // SAADET TAS: Eine Brache in

der Kölner Südstadt wird besetzt und dem Eigentümer ein Zwischenpachtvertrag für ein mobiles Gartenprojekt abgerungen. Bis die Ge­ bäude kommen, wachsen hier Salat, Tomaten und Experimente. Neuland ist ein offener Ort, entschieden wird jeden Donnerstag im Ple­ num, der Verein dient lediglich zur rechtlichen Absicherung des Projektes. ALLMENDE-KONTOR (BERLIN): GEMEINSCHAFTSGARTEN AUF DEM TEMPELHOFER FELD // CLAUDIUS BÄUML:

Schon der Name macht den Anspruch des Projektes deutlich: Der Kontor als ein Anlauf-, 81


Master

37

9

139

45

B 4.4.2

B 4.4.3

B 4.4.4

B 4.4.5

63

151

B 4.4.6

65

85 B 4.4.8

B 4.4.7

B 2.1.1

B 2.1.3

B 2.1.2

B 2.1.4

B 2.1.3

B 2.1.1

B 2.2.3

B 2.2.1

B 2.1.2 B 2.2.2

B 2.2.4

91

15

7,10 m 2 KÜCHE

WOHNZIMMER

7 BESTUHLUNGS-FLUCHTWEGEPLAN

ESSDIELE

10 REIHEN ZU 22 PLÄTZEN 10 REIEHN ZU 21 PLÄTZEN INSGESAMT

12,88 m2

28,04 m2

= =

1

2

Szenario

Szenario

16,35 m 2

Szenario

6

7

Szenario

Szenario

STAHLGELÄNDER BR. 96

TERASSE

Kommerzielle Nutzung

Kommerziele betreiber (Vergabe an Investoren)

2,18 m 2

22 3

22 5

22 7

22 9

22 11

21 2

21 4

22 13

21 6

22 15

21 8

22 17

21 10

22 19

21 12

21 14

21 16

21 18

21 20

22 1

2 m2,57 m 2,07 m1,32 2

92,56 m2

VORR. WC

2

HERREN

STUHLLAGER

31,42 m2 1

1

1 1

1 1

1 1

1 1

1

1

1

1

1 1

1

1

1

1

38,46 m2 KINDERSTUBE FLUR

52,67 m 2

UMKLEIDER.

10,08 m 2

FLUR

36,86 m 2

4

WANDELHALLE

162,46 m2

BÜRO

6

UMKLEIDER. FLUR

24,65 m 2

5,49 m2

KASSENR.

GARDEROBE

FLUR

4,39 m2

WF

3,58 m2

KASSENR.

7,62 m 2

FLUR

TREPPENHAUS

WF 7,43

3

2 5

GRUPPENRAUM

GARDEROBE

35,16 m 2

34,83 m 2

14,24 m2

WC + DUSCHR.

23,37 m 2

5,59 m 2 m2

2 1,401,49 m 2 1,76 m2 m VORR. HERREN-WC

9,85 m 2

6,72 m 2

6,07 m 2

TEEKÜCHE

54,81 m2

52,97 m2

Das Haus der Veranstaltung

2 m2 m1,24

Umnutzung zu einem Veranstaltungshaus

2,29 m 2

SportHostel Rotthausen

KLEINER SAAL

DAMEN 1,42

Frühere Nutzung des Hauses aufgreifen. Rettung des Hauses durch Investor.

FLUR

All You can Move

BÜHNE

Sozialer Treffpunkt für Bewegungssport. Konzept: schrittweise aufzubauen

KLEINER SAAL

102,59 m2

Community School

1

HAUSMEISTERWOHNUNG IN DER MOZARTSTR. 9

Ort der Bildung mit Entwicklungs - & Chancengleichheit als Ziel, Kooperation

UMKLEIDERAUM

BiVolk

360,33 m 2

Haus für verschiedene Bildungseinrichtungen

NEUE THEKE

HAUS DER JUNGEN KULTUR

2

11,82 m 2

Zwischennutzung für junge Kreative Musik, Malerei, Performence, Startups

Das Vereints Haus

Ein Vereinshaus für alle Vereine.

1. KINDERZIMMER2. KINDERZIMMER

24,49 m2

45 Szenario

Nicht kommerzielle und öffentliche Nutzungen

WC

4,31 m2 3,93 m 2

14,55 m2

3 Szenario

220 PLÄTZE 210 PLÄTZE = 430 PLÄTZE

SCHLAFZIMMER

BAD + WC AR. DIELE

11

97

VERSAMMLUNGSR. JUGENDCAFE

Naturschutzgebiet Mechtenberg

Ansicht Süd-West

Grundriss 1:250 EG

Verein

Junge

Agentur für

lokale Akteure:

Ilir Brahaj,

Familien,

Käufer des

und deren Mitglider aus Gelsenkirchen.

kreative und unternehmerische Menschen

Arbeit, IHK, Bildungsstätten

Hauptschule am Dahlpusch, “Kraftpaket”, Turmschule etc.

Folkwangszene, lokale unternehmungslustige Sportler

kleine und große Gruppen, Schulklassen und Backpackers

Hauses, Partner für die Veranstaltungen und Mieter der Räume

145

67

141

95

VereinTs Haus

Volkshaus Rotthausen

71

43

121 115

Saal / Bühne B 2.2.5

B 2.2.8

Nutzung zu bildenden Zwecken Nutzung für das leibliche Wohl Wandelhalle / Erschließung

B 2.1.1

Toiletten Sonstige Nutzungen B 4.4.10 OG Planung 1919

Wohneinheit

B 2.2.6

B 2.2.7 B 2.2.7

B 2.2.9

17

B 2.3.3.8 31

B 4.4.12 OG aktuell

B 4.4.13 DG aktuell

33

87

82


VHR 2.0 MA 4.1 RAHMENBEDINGUNGEN (NACHHALTIGER) STANDORT- + PROJEKTENTWICKLUNG // PROF. SWEN GEISS // 1. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16 IMMOBILIEN UND IHREN STANDORT

PLANUNGSKONTEXT QUARTIER: Dokumentation,

BEFRAGEN, BEWERTEN …

Analyse und Bewertung des näheren und weiteren Planungskontexts z. B. hinsichtlich: • Stadtökologie (Grünraumvernetzung, Gewässer, Mikroklima, Windexposition, Immissionen) • lokale / regionale Umweltressourcen (Ener­ gie, Wind, Wasser Sonne, Geothermie, Landwirtschaft) • soziale Infrastruktur (Schulen, Kindergär­ ten, Daseinsvorsorge) • technische Infrastruktur (Ver- und Entsor­ gung, Erschließung, Verkehr) • wirtschaftliche und kulturelle Infrastruk­ tur (Nahversorgung, Dienstleistungen, Erholung) • planungs- und baurechtliche Rahmenbe­ dingungen (Landschaftsplan, FNP, städti­ sche Satzungen) • Entwicklungsflächen, Brachen, Störungen und besondere Potentiale • nachbarschaftliche Potentiale (Netzwerke, Initiativen, bottom-up Phänomene)

UND DOKUMENTIEREN

K

ONTEXT + THEMA: Das Volkshaus Rotthau­ sen ist ein im Backstein-Expressionismus erbautes Kultur- und Gemeinschafthaus im Stadtteil Rotthausen, im Gelsenkirchener Süden. Um 1920 entworfen und erbaut vom Essener Architekten Alfred Fischer, steht das Volkshaus beispielhaft für öffentliche Bauten der jungen, wachsenden Städte des nördlichen Ruhrgebiets nach dem 1. Weltkrieg. Nach diversen Umnutzungen zu verschie­ densten Zwecken wurde das Gebäude 1986 unter Denkmalschutz gestellt und erstmalig Ende der 1980er Jahre saniert. In den letzten Jahren diente das Gebäude als Vereins- und Veranstaltungshaus. Eingebettet in ein (aus der Sicht der Stadt Gelsenkirchen) erneue­ rungsbedürftiges Quartier (mit Aussicht auf Städtebauförderung), wird aktuell nach einem neuen, nachhaltigen und von der Bürgerschaft breit getragenen Nutzungskonzept für das Volkshaus gesucht. Hierzu wurde vom Lehrgebiet Architektur + Ressourcen das partizipatorische Prozess­ format „testbetrieb“ entwickelt, in dem unter Einsatz sowohl analytisch-kommunikativer als auch künstlerisch-experimenteller Formate, mit interessierten Bürgern und Kulturschaffen­ den unterschiedlichste Nutzungen beispielhaft entwickelt und im „testbetrieb“ im Mai / Juni 2016 erprobt werden. Das Modul MA 4.1 Rahmenbedingungen (nachhaltiger) Standort- und Projektent­ wicklung war in diesen Prozess eingebunden und sollte einen differenzierten Blick auf das Volkshaus und dessen Quartierskontext rich­ ten, deren verborgene Entwicklungspotentiale aufzeigen und diese im Rahmen einer syste­ matischen Objekt- und Standortbetrachtung analysieren, bewerten und dokumentieren.

PLANUNGSKONTEXT GRUNDSTÜCK + GEBÄUDEBESTAND: Dokumentation, Analyse + Bewertung

des Grundstücks und des Gebäudebestands, z. B. hinsichtlich: • Grundstück, Bauland, Baugrund und Topographie • Kartografie, historische Entwicklung (Alt­ lasten) und (aktuelle) Nutzungen • Ökologie (Wasser, Grünstruktur, BioDiversität) • vorhandene Bebauung (Baukonstruktion, Erneuerungsbedarf, Zukunftsfähigkeit) • baurechtliche Voraussetzungen (Baulasten, Bebauungsplan, Sanierungsgebiet, Denk­ malpflege) Dabei gilt es, diese Analysestruktur auf das jeweils zu betrachtende Objekt gezielt anzupassen.

ZIELE + INHALTE: Im Rahmen des Grundlagen­

ERKENNTNISINTERESSE IM SEMINAR: Aufbauend

moduls MA 4.1 sollen die Teilnehmer einen Standort beispielhaft erfassen, die mit ihm verbundenen Einschränkungen erkennen und seine Entwicklungspotentiale als Startpunkt einer Projekteentwicklung in alternativen Szenarien prüfen und bewerten. Dazu sind folgende (zunächst generische) Themenfelder in Betracht zu ziehen:

auf die zuvor genannten Analyse-, Bewer­ tungs- und Dokumentationsstruktur wurde für die Seminarbearbeitung vorgeschlagen, die Rahmenbedingungen der Standortund Projektentwicklung des Volkshauses Rotthausen entlang folgender Punkte und Aspekte zu untersuchen und dokumentie­ ren:

GESCHICHTE DES VOLKSHAUSES: Literaturrecherche, Übersicht von lokalen Wissensträgern und Archiven, Ansätze der Aufarbeitung ARCHITEKTUR DES VOLKSHAUSES: architektur­ geschichtliche Ursprünge (unter anderem Expressionismus), Recherche zu anderen Volks­ häusern, Nutzungsgeschichte des Volkshauses Rotthausen, verfügbare historische und aktuelle Pläne, gegebenenfalls Perspektiven der Denk­ malpflege und der Bauaufsicht KONTEXT DES VOLKSHAUSES: Lage in der Stadt, Sozioökonomie des Quartiers, städtebauliche Rahmenbedingungen, Wechselverhältnis von Volkshaus und Quartier Themen und Maßnahmen der Stadterneuerung in Rotthausen AKTEURE IM UMFELD DES VOLKSHAUSES: aktive Akteu­ re und Nutzergruppen im Umfeld des Volkshau­ ses und des Quartiers ÖKONOMIE DES VOLKSHAUSES: Bau- und Betriebs­ kosten, Mieterträge, mögliche Träger- / Betreibermodell NUTZUNGSOPTIONEN DES VOLKSHAUSES: potentiell einzubeziehenden (lokale) Kulturschaffende, Partner und Kollaborateure im Bereich Gastro­ nomie und Eventmanagement DOKUMENTATION UND KOMMUNIKATION: Die zuvor beschriebene Recherche und Bewertung ver­ deutlichte die Beschränkungen, Ressourcen und Potentiale des Gebäudes, des Standorts und des Kontexts des Volkshauses. Das generierte Wissen und die damit verbundenen Erkenntnisse wurden abschließend konsistent dokumentiert und visu­ alisiert, um diese an ein Laienpublikum (ebenso wie ein Fachpublikum) ansprechend kommuni­ zieren zu können. Form, Struktur und Inhalt der Dokumentation wurde von den Studierenden im Rahmen des Seminars im Sinne einer Gemein­ schaftsproduktion im Team entwickelt. ENTWICKLUNGSSZENARIEN: Aufbauend und in Ablei­

tung der zuvor beschriebenen Analyse, war jeder Bearbeiter aufgefordert, ein mögliches Entwick­ lungsszenario für das Volkshaus 2.0 zu skizzieren und zu konkretisieren. In der Summe der Semi­ narbearbeitung wurde so eine variantenreiche „Zukunft“ des Volkshauses erkennbar werden. Die Ergebnisse auch dieses Arbeitsschritts fließen in den Beteiligungsprozess „testbetrieb“ ein und bereichern den Austausch zur Perspektive des Volkshauses in Rotthausen. ■ Swen Geiss 83


Master

STRUKTURWANDEL MAX WESTER // MA 3.2 MASTERARBEIT // PROF. DR.-ING. FLORIAN KLUGE + PROF. WILLEM-JAN BEEREN // 4. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

D

ie Masterarbeit „STRUKTURwandel“ kam auf Einladung der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen zustande, die sich einen Beitrag des Fachbereichs zur Ausstellung „Green City, Geformte Landschaft – Vernetzte Natur“ wünschte. In Vorgesprächen zwischen der Kuratorin Nina Dunkmann, den betreuenden Professoren Prof. Dr. Florian Kluge und Prof. Willem-Jan Beeren wurde vereinbart, Entwurf, Organisation und Aufbau der gewünschten temporären Installation von Max Wester im Rahmen seiner Masterarbeit realisieren zu lassen. Durch diese besondere Konstellation waren im Rahmen der Masterarbeit drei Rollen aus­ zufüllen und zu dokumentieren: • Der Künstler, der sich mit der Ausstellungs­ aufgabe auseinandersetzt, das Konzept ent­ wickelt, die Idee detailliert, die Installation entwirft sowie Auf- und Abbau realisiert. • Der Koordinator, der Planung und Durch­ führung des Projekts organisiert, strukturiert, kalkuliert und managt. • Der Konstrukteur, der alles zu Material, Konstruktion, Statik und Bau plant, über­ prüft und entwickelt. In enger Verflechtung dieser drei Rollen ist das Konzept „STRUKTURwandel“ entwickelt und in Oberhausen umgesetzt worden. Die

84

Installation sah vor, mehrere hundert Bahnen Alufolie von der Decke des Eingangsbereichs des Museums abzuhängen, die ein gesamtheit­ liches Bild, eine veränderte Geräuschkulisse und eine neue Raumstruktur erzeugen sollten. Thema und Idee der Ausstellung „Green City“ aufgreifend, wurde mit dem einerseits lokal hergestellten, andererseits kontrovers dis­ kutierten Industrieprodukt Alufolie gearbeitet. In der Herstellung sehr energieaufwändig, aber doch direkt wiederverwendbar oder vollständig recycelbar. Die Materialwahl war daher weniger als Provokation, sondern vielmehr als Bezugnahme zur Diskussion lokaler Standorte und realer Ökobilanzen zu verstehen. Die Form der langen Streifen griff die Besonder­ heit der Ruhrgebietsstrukturen auf: Einerseits durchschnitten von Stromtrassen, Straßen, Lei­ tungen, Bahnen und Wasserwegen. Andererseits verbunden durch Achsen, vernetzt und untrennbar ineinander verwoben. Die reflektierende Wirkung der Alustreifen, die durch Windzug oder durch Besucher ausgelöste Bewegung sowie die knisternde Ge­ räuschkulisse haben das Raumgefüge spürbar verändert und ein dynamisches, facettenreiches Bild erzeugt, das beim Besucher nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat und zum Gespräch einlud. ■ Max Wester


85


Master

STRANDBAD. BLAUE DOMINIQUE BUCHMAIER // MA 3.2 MASTERARBEIT // PROF. SWEN GEISS + PROF. BENEDIKT STAHL // 4. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMSESTER 2015

D

ie Dürener Service Betriebe, insbesondere aber deren Leiter Herr Müllejans, sind dafür bekannt, mit innovativen Projektideen neue Ressourcen zu erschließen und kreative Lösun­ gen für die Entwicklung der Stadt zu erfinden. So ist aus einem aktuellen Planungsthema zur Sanierung oder Erneuerung des Dürener Stadtbades am Jesuitenhof diese Masterarbeit entstanden, die unterstützt durch die Service Be­ triebe verschiedenen möglichen Lösungsansät­ zen nachgeht und einen Vorschlag vorstellt, auf welche Weise das anstehende „Problem“ gelöst werden könnte und welche Entwicklungschancen sowohl für die gebauten Dinge als auch für die Neugestaltung von Stadtkultur sich damit auftun. Vom Schwimmen in der Landschaft. Ein altes Schwimmbad in der Stadt. Ein neues Schwimmbad. Ein neuer Standort. Ein Ort am See. Außerhalb der Stadt. Wie kommt das eine zum anderen? Welcher Weg muss beschritten werden, um ein neues Werk entstehen zu lassen? Welche Menschen sind daran beteiligt? Was sind die Ideen für ein neues Schwimmbad? Wer nutzt das, wem nützt das? Was ist Schwimmkultur?

Die Erfindung der Aufgabenstellung fragt danach, welche Gestalt das Projekt annehmen kann, wenn alle daran Beteiligten den Entstehungsprozess noch vor Beginn der eigentlichen Raumplanung begleiten. Hier geht es darum sowohl den Prozess zu ent­ werfen als auch Ideen für den konkreten Bau zu erfinden. Die Masterarbeit entwirft zunächst nach einer ausführlichen Aufgaben- und Ortsana­ lyse Szenarien für neue Möglichkeiten. Das alte städtische Schwimmbad ist als Sportbad ungeeignet und außerdem sanierungsbedürf­ tig. Zudem ist der Umgang mit den örtlichen Gegebenheiten, dem geschichtsträchtigen Baubestand in der Nachkriegszeit nur sehr unbefriedigend gelöst worden. Ein Abbruch des Schwimmbades könnte an dieser Stelle zu sinnvoller Stadtreparatur führen: ein „neuer Jesuitenhof “ schafft in geeignetem Maßstab die Ergänzung des historischen Bestands und bietet zugleich Raum zum Wohnen und Arbeiten. Mit diesem Schritt könnten Mittel zur Umsetzung des neuen Schwimmbades am Dürener Badesee er­

schlossen werden. Damit kommt zusammen, was zusammen gehört. Der Badesee als Ganzes. Wasserfläche, Strand, Freizeitaktivitäten. Ferienhäuschen. Strandbad. Badesteg. Treffpunkt für Jung und Alt. Schwimmzeit. Ins BLAUE. Der Weg hinaus auf das Wasser. Sand. Großzügige Treppenstufen, eine Rampe, bilden den Auftakt. Sie führen auf den Steg, das Strandbad. Der Weg auf den See wird bestimmt durch Erlebnisse. Das Ankommen, die Begrüßung, das Außen vor dem Innen. Die Vorbühne, der Vorplatz. Ort für flüchti­ gen variablen Gebrauch. Die Schwelle, der Übergang. Ein Punkt zwischen Kommen und Gehen. Zwei Gebäu­ de, Café und Häuschen, bilden den Durch­ gang. Man durchschreitet das Tor. Dem Weg folgend, geht man weiter, passiert Häuser, kleine und große, gelangt von Gassen auf Plätze. Saunahaus. Kinderhaus. Dampfbad. Kleines Bad. Sportbad. Ferienhäuschen. Stadt auf dem Wasser. Dazwischen: Einbli­ cke, Seitenblicke, Ausblicke. Am Ende der Blick in die Ferne. ■ Dominique Buchmaier

13,30 12,00

8,00

7,80

7,50

6,25 5,60 5,00 3,80 2,60

o,oo

-0,30

Ansicht

Grundriss

86


Lageplan Dürener Badesee mit Strandbad Blaue

» BEI DEN GRIECHEN GEHÖRT WASSER ZUM LEBEN. « Demus B.

50 m

RUTSCHE

25 m

SAUNA

KINDER

CAFÉ

Demus B.

Hallenbad Jesuitenhof, 2015

° C

SPRUNG

Badesee Düren, 2015

Raumprogramm

87



FORSCHUNG Projekte


Forschung

BAUKULTUR KONKRET PROF. DR.-ING. FLORIAN KLUGE, PROF. SWEN GEISS + DIPL.-ING. MIRIAM HAMEL

S

ich mit Baukultur zu beschäftigen, kann vieles bedeuten: Arbeit in Dorf- und Stadterneuerung, Gestaltung konkreter Plätze, Räume und öffentlicher Bauten, strategische Überlegungen zur Dorfentwicklung, Pflege von Baudenkmälern, Umnutzung von Leerständen, gezielter Rückbau, Aufarbeitung der Siedlungs­ geschichte, kompetente Bauherrenberatung oder Experimentieren mit partizipativen Planungsprozessen. All das ist Baukultur. Viele dieser Aktivitäten gehen jedoch nicht (mehr) von der öffentlichen Hand aus, sondern wer­ den initiiert und betrieben von bürgerschaft­ lichen Initiativen, die sich für die Baukultur ihrer Heimat engagieren. Hier setzt das Forschungsprojekt „Baukultur konkret“ an. Nachdem viele Jahre baukultu­ relles Engagement von Kommunen untersucht und gefördert wurde, richtet dieses Projekt den Fokus gezielt auf ehrenamtliche Baukulturin­ itiativen. Es geht darum, Kenntnisse über den Stand von Baukulturinitiativen im ländlichen Raum, bzw. Klein- und Mittelstädten zu ge­ winnen sowie die Hindernisse und Beschrän­ kungen ihrer Arbeit zu erfassen. Zudem sollen

90

zwölf Initiativen im Rahmen des Projekts vor Ort professionelle Unterstützung bei der Durchführung von baukulturellen Anliegen erhalten. In kurzen Intensiveinsätzen soll das Forschungsteam dabei helfen, konkrete Erfolge zu erzielen und die Initiativen strategisch weiterzuentwickeln. Die dabei anzuwendenden Formate (Inputs, Dialoge, Aktionen, Work­ shops, Beratung etc.) wurden im Rahmen des Projekts entwickelt. Ausgeschrieben wurde das Forschungspro­ jekt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Vergeben wurde der Auftrag an ein interdisziplinäres und internationales Forschungsteam. Neben dem Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule – vertreten durch Prof. Dr. Florian Kluge, Prof. Swen Geiss und Miriam Hamel – sind das Büro für urbane Projekte (Leipzig) sowie der Verein LandLuft (Moosburg, AT) Teil der Arbeitsgemeinschaft. Nach Projektbeginn Anfang 2014 galt es zu­ nächst, geeignete Initiativen zu identifizieren. Ziel war ein Portfolio mit einer großen Band­ breite an Problemstellungen, um unterschied­ liche Arbeitsformate anwenden und vielfältige

Erkenntnisse gewinnen zu können. In einer bundesweiten Recherche sowie einem Projektvaufruf wurden Initiativen gesucht, die • p unktuell hochwertige Projekte umgesetzt haben und diese Ansätze in eine konse­ quente Baukulturstrategie weiterentwickeln möchten, • s trategische Ansätze auch in qualitätsvolle Bauprojekte übersetzen wollen, • b islang keine ausreichende öffentliche Wahr­ nehmung und Unterstützung auf kommunaler Ebene erfahren haben, • g ezielt die eigene baukulturelle Weiterent­ wicklung suchen und für neue Impulse aufgeschlossen sind. Anhand eines Kriterienkatalogs wurden als Pilotprojekte Bischofswerda, Baiersbronn und Dingden ausgewählt, im Projektverlauf kamen Dübener Heide, Ilzer Land, Kalbe, Nordkirchen, Pleß, Schmidtheim, Schwarzatal, Sonthofen und Unkel hinzu. Das Team der Alanus Hochschule war dabei federführend für die Initiativen Dorfentwicklung Dingden, DORFschafft* Nordkirchen, Interessengemein­ schaft Schmidtheim sowie Entwicklungsagen­ tur Unkel verantwortlich. In Dingden wurde in einem dreitägigen Workshop eine Vielzahl von Formaten durch­ geführt: Eine in Goldfolie verpackte Scheune machte auf das Anliegen der Initiative auf­ merksam, in einem Dorfspaziergang wurden verborgende Potentiale gesucht, in mehreren Workshops wurden Projekte, aber auch die zukünftige Entwicklung der Initiative thema­ tisiert, Alanus-Studenten produzierten Bilder rund um Dingden und in einer abschließenden Präsentation wurde öffentlich diskutiert.


In Schmidtheim wurden sämtliche baukulturellen Fragen auf die Dorfmitte fokussiert: Mehrere Workshops und Aktionen mündeten in einer öffentlichen Präsentation, die in zahlreichen Lokalitäten rund um die Dorfmitte Station machte: In MusikCafé, Fahrschule, leerstehender Bäckerei, ungenutzter Bank, im Hotelsaal und auf dem Dorfplatz wurden die gemeinsam erarbeiteten Produkte diskutiert und die Dorfmitte punktuell wiederbelebt, dazu die ungeliebte Bahnüberführung temporär illuminiert. In Nordkirchen gelang es, zusammen mit Bürgermeister, Bauamtsleiter, Investor und Initiative einen Workshop zu einem heiß umstrittenen Objekt durchzuführen, um gemeinsam weiterführende Ideen zu entwickeln. Darüber hinaus produ­ zierten Schüler aus Nordkirchen und Alanus-Studierende mit dem „jugendlichen Blick“ und künstlerischer Freiheit Collagen, Bilder, Modelle und Pläne zur Zukunft Nordkirchens. Sämtliche Ergebnisse der gemeinsamen Aktivitäten wurden in über 20 Schaufenstern der lokalen Händler rund um die Dorfmitte gezeigt und waren so in das Herz des Dorflebens integriert.

In Unkel konzipierte das Forschungsteam eine Reihe von Baukultur-Dialogen, die über einen Zeitraum von vier Monaten mit unterschiedlichsten Formaten, darunter ein Stammtisch, eine Vernissage und ein Filmabend, zu Gesprächen über Baukultur in und außerhalb Unkels einluden und damit weitere Projekte, Veranstaltungen und Ideen anstießen. Ein weiteres wichtiges Kommunikationsformat des For­ schungsprojekts waren drei öffentliche Werkstätten in Baiers­ bronn, Alfter und Leipzig. Das Programm umfasste jeweils Präsentationen der Initiativen, fachliche Inputs aus der Praxis und Diskussionsrunden zum direkten Erfahrungsaustausch. Die Werkstätten standen allen Baukulturinitiativen offen und boten die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und sich zu vernetzen. Im Juni 2016 wird zudem ein großes abschließendes Werkstattsymposium durchgeführt, das Ergebnisse des For­ schungsprojekts zur Diskussion stellt, bevor im Oktober 2016 der Abschlussbericht erstellt wird. Für den Fachbereich Architektur stellt das Forschungsprojekt einen großen Gewinn dar. Das Team konnte sich als Akteur im Forschungssektor positionieren und auf breiter Ebene vernetzen; die Hochschule konnte sich im Rahmen der öffentlichen Werk­ statt in Alfter bundesweit präsentieren. Auch die Lehre konnte vom Forschungsprojekt profitieren: In Dingden waren acht über das Projekt geförderte Stipendiaten aktiv, in Nordkirchen wurde im Rahmen des ForschungsForums der Masterstudierenden der Schüler-Workshop durchgeführt und in Unkel entwickelten Bachelor-Studierende eine künstlerische Intervention, die zent­ raler Bestandteil der Dialogformate war. ■ Florian Kluge

FORSCHUNGSVORHABEN „BAUKULTUR KONKRET“ AUFTRAGGEBER: Bundesministerium für Umwelt,

AUFTRAGNEHMER: Arbeitsgemeinschaft „Baukul­

Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Berlin, vertreten durch Gabriele Kautz und Anne Keßler Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor­ schung, Bonn, vertreten durch Martina Kocks (bis 11/2015 Anca Cârstean) Das Forschungsvorhaben wird begleitet von der Bundesstiftung Baukultur, vertreten durch Niklas Nitzschke

tur konkret“: 1) Büro für Urbane Projekte, Leipzig vertreten durch Björn Teichmann (Feder­ führung), Wolfram Georg, Andreas Paul und Anna Eckenweber 2) Alanus Hochschule für Kunst und Gesell­ schaft, Fachbereich Architektur, Alfter, vertre­ ten durch Prof. Dr. Florian Kluge (Federfüh­ rung), Prof. Swen Geiss und Miriam Hamel

3) Landluft – Verein zur Förderung von Bau­ kultur in ländlichen Räumen, vertreten durch Roland Gruber (Federführung), Judith Leitner, Josef Mathis und Thomas Moser AUFTRAGSSUMME: rund 750.000,00€ BEARBEITUNGSZEITRAUM: 01/2014 – 10/2016 WEITERE INFORMATIONEN:

www.baukulturinitiative.de

91


Forschung

TESTBETRIEB VOLKSHAUS ROTTHAUSEN PROF. SWEN GEISS, DIPL.-ING. MIRIAM HAMEL

S

eit Oktober 2015 ist das Lehrgebiet Archi­ tektur und Ressourcen vom Referat für Hochbau und Liegenschaften der Stadt Gelsen­ kirchen mit der Entwicklung einer Reaktivie­ rungsstrategie für das Volkshaus Rotthausen betraut. Dem Wunsch von Politik und Bürger­ schaft nach einer Erneuerung des Gebäudes Rechnung tragend, soll der partizipatorische Aktivierungsprozess „testbetrieb“ einen Weg für dessen Wiederbelebung und die Stärkung seiner Rolle im Stadtteil sowie in der Gesamt­ stadt aufzeigen. Das vom Architekten Alfred Fischer ent­ worfene, 1920 erbaute und seit 1986 denkmal­ geschützte Volkshaus Rotthausen wird, nach zeitweiliger Einschränkung der Nutzung im Jahr 2012, zur Zeit ausschließlich von lokalen Vereinen zu günstigen Konditionen genutzt. Der zentrale Saal, Herzstück des Hauses, wird dabei nur punktuell bespielt. Insofern ist der Betrieb des Gebäudes insgesamt defizitär. Die letzte Gebäudeinstandsetzung erfolgte in den 1980er Jahren. Zwischenzeitlich zeigt das Ge­ bäude wieder erheblichen Erneuerungsbedarf. Bevor jedoch hohe Investition getätigt werden, soll zunächst im ergebnisoffenen Prozess des „testbetriebs“, unter Einbindung zahlreicher Akteure, die Möglichkeit des Experimentierens und Erprobens der Zukunft

92

des Volkshauses gegeben werden: Der experimentelle Teil des „testbetriebs“ zielt auf die Aktivierung der Akteure rund um das Volkshaus und deren Beteiligung an der Entwicklung des zukünftigen Nutzungskonzepts. Dabei sollen lokale Akteure, Gäste und Hochschulen angesprochen werden, gemeinsam mit Experten aus Planung, Partizipation, Kultur und Veranstal­ tungsmanagement verschiedene Nutzungsideen für das Volk­ shaus und dessen Saal zu entwickeln und diese zu erproben. Der erprobende Teil des „testbetriebs“ zielt auf die Belebung des Volkshauses durch lokale und externe Nutzungen und Formate. Dabei soll getestet werden, welche Nutzungen für das Gebäude geeignet erscheinen, so zum Beispiel Formate aus den Nutzungsbereichen Kunst und Kultur, Veranstaltung und Fest, Gastronomie und Herberge sowie Vermietung und Service. Der Gesamtprozess des „testbetriebs“ wird durch das Projektteam der Alanus Hochschule kuratiert, inszeniert und moderiert. Die grundsätzliche Ausrichtung und Choreografie des Prozessformats orientiert sich an den Fragen: • Wie lässt sich das Volkshaus neu erfinden? • W elche Nutzungen sind von Interesse und lassen sich dauer­ haft etablieren? • Welche Rolle kann und soll das Volkshaus zukünftig im Stadtteil, in Gelsenkirchen und gegebenfalls darüber hinaus spielen? Die Prozessstruktur des „testbetriebs“ sieht eine konti­ nuierliche Arbeit in fünf Phasen – Konzeption, Recherche, Planung, Umsetzung und Auswertung – zwischen Mai 2015 und August 2016 vor: In der Konzeptionsphase erfolgte von Mai bis Juli 2015 die Entwicklung des Gesamtprozesses. Zudem wurde die politische Zustimmung zum Projekt eingeholt, das


Budget gesichert und schließlich die Beauf­ tragung des Fachbereichs Architektur mit der Durchführung ermöglicht. Auf Einladung des Bezirksbürgermeister Michael Fath fand am 23.06.2015 eine Öffentliche Sitzung der Bezirksvertretung Gelsenkirchen Süd im Volkshaus statt, in welcher die Projektskizze zum Aktivierungsprozess erstmalig öffentlich präsentiert wurde. Nach der politischen Absicherung des Projekts im Sommer folgte daraufhin von September bis Dezember 2015 die Recherche­ phase. Zum einen wurde unter Einbindung von Studierenden aus Bachelor- und Master­ studiengang, die Grundlagenrecherche in den Bereichen Geschichte und Architektur sowie Lage und stadträumlicher Kontext des Volks­ hauses durchgeführt. In diesem Zusammenhang hat auch ein Forschungsforum mit Masterstudierenden zur beispielhaften Entwicklung und Konkre­ tisierung einzelner Nutzungsbausteine im Volkshaus stattgefunden. Zum anderen erfolgte parallel dazu der suk­ zessive Aufbau eines Akteurs-Netzwerks durch zahlreiche Gespräche mit aktuellen Nutzern, lokalen Vereinen und Institutionen sowie Kulturschaffenden. In den Gesprächen ging es darum, mögliche Programmformate zu entwickeln und Mitstrei­ ter zu gewinnen. In diesem Zusammenhang fand am 04.11.2015 die zweite öffentliche Informationsveranstaltung statt. Zum Start des Aktivierungs- und Beteiligungsprozess wurde hier Aufbau und Zielsetzung des Prozessformats erläutert. Zudem fand am 28.11.2015 eine erste Ideenwerkstatt im Volkshaus Rotthausen statt. Gemeinsam mit aktuellen Nutzern des Volks­ haus sowie Rotthauser Vereinen und Instituti­ onen sowie Vertretern der Stadt Gelsenkirchen wurde gemeinsam auf den „testbetrieb“ im Frühjahr 2016 geblickt und die in den Nutzer­ gesprächen genannten Programm-ideen und Veranstaltungsformate für den aufgenommen und gemeinsam konkretisiert. Zum Abschluss der Recherchephase fand am 16.12.2015 eine dritte öffentliche Informationsveranstaltung zur Vorstellung des Projektstands im Volks­ haus statt. In der folgenden Planungsphase ging es, aufbauend auf den Ergebnissen aus der Recherche, von Januar bis April 2016 um die konkrete Planung und Organisation des „testbetrieb“-Monats Mai. Damit verbunden war die weitere Konkretisierung der einzelnen

Veranstaltungsformate in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Akteuren wie auch das kontinuierliche Weiterentwickeln der Gesamtchoreografie. Wichtige Bausteine dabei waren wiederkehren­ de Konkretisierungsgespräche mit den Aktiven sowie eine erste Konkretisierungswerkstatt unter anderem am 05.02.2016 im Volkshaus. Im Mai 2016 wird schließlich die eigentliche Umsetzung des „testbetriebs“ erfolgen. Hier werden ausgewählte Nutzungsideen in Form von öffentlichen Veranstaltungen in einem kompakten Veranstaltungsmonat erprobt. Experimentell partizipative und erprobende Formate sollen hier ineinandergreifen. Von Juni bis August 2016 wird schließlich die Auswertung erfolgen. Auf diesem Weg soll aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem

Gesamtprozess ein überzeugendes Nutzungs­ konzept für das Gebäude entwickelt werden, welches in der Stadtöffentlichkeit breite Zustimmung erfährt. Dieses soll auch über die Testphase hinaus langfristig im Volkshaus etabliert und kultiviert werden. Im Idealfall wird der „testbetrieb“ auch potentielle Träger und Betreiber des zukünftigen Nutzungskon­ zepts hervorbringen, die eine Verbindung zum Ort und ein Anliegen an dessen Neubelebung haben. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich in den „testbetrieb“ einzubringen! ■ Miriam Hamel

FORSCHUNGSVORHABEN „TESTBETRIEB VOLKSHAUS ROTTHAUSEN“ AUFTRAGGEBER: Stadt Gelsenkirchen, Referat Hochbau und Liegenschaften, ver­

treten durch Bettina Lenort AUFTRAGNEHMER: Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Fachbereich

Architektur, Lehrgebiet Architektur und Ressourcen, Prof. Swen Geiss, Miriam Hamel, Avila Dietrich, Claudius Bäuml, Simon Koolmann, Daryan Knoblauch, Jakob Fedler AUFTRAGSSUMME: ca. 91.500 € BEARBEITUNGSZEITRAUM: 10/2015 – 08/2016 WEITERE INFORMATIONEN:

www.testbetrieb-volkshaus.de www.facebook.com/testbetriebvolkshaus

93


Forschung

IPA – DAS INSTITUT FÜR PROZESSARCHITEKTUR I

m Zuge der Umstrukturierung der Studiengänge hat der Fachbereich Architektur einstimmig beschlossen, das „Institut für Prozessarchitektur“ (IPA) zu gründen. Mit der Umstellung auf ein konsekutives Studienmodell werden beide Studiengänge nur noch „Architektur“ heißen und damit der Be­ griff „Prozessarchitektur“ aus dem Namen des Studiengangs wegfallen. Auch die Struktur der prozessorientierten Inhalte im Lehrprogramm wird geändert und leicht reduziert. Dies heißt jedoch nicht, dass sich der Fachbereich von den Inhalten der Prozessar­ chitektur verabschiedet – im Gegenteil: die gemeinsam im bisherigen Master (und davor) geleistete Arbeit soll weitergeführt und die gemeinsamen Inhalte weitergedacht werden: Die Alanus Hochschule steht weiterhin für Ex­ pertise im Bereich Prozessarchitektur und der Fachbereich möchte dies mit der Gründung des Instituts für Prozessarchitektur dokumen­ tieren. Mit einem solchen - noch zu konstituie­ renden - Institut sollen mehrere Ziele verfolgt werden. In erster Linie soll das Institut eine ge­ meinsame Denkwerkstatt zum Thema Prozessarchitektur darstellen, in dem die beteiligten Kollegen des Fachbereichs eine Plattform für Austausch, Feedback und kritische Diskussion finden. Auf Basis dieser Plattform gilt es, die Aktivi­ täten des Fachbereichs in Forschungs- sowie künstlerischen Entwicklungsprojekten zu ver­ stetigen und bestenfalls auch auszuweiten. Mit dem Institut soll es gelingen, die Vernetzung in Wissenschaft, Berufspraxis und Kunstszene zu verstärken und die Chancen bei Forschungsund Projektbewerbungen zu erhöhen. Konkrete Aktivitäten des Instituts sollen sein: 1) Ent­ wicklung und Durchführung gemeinsamer

94

Projekte, 2) Gewinnen von Partnern, 3) Akquise von Drittmitteln, 4) Herausgabe von Publika­ tionen, 5) Durchführung von Veranstaltungen und 6) Gemeinsamer Außenauftritt. Das Institut soll dabei an die erfolgreichen Forschungs- bzw. künstlerischen Entwicklungsprojekte der letzten Jahre anknüpfen. For­ schungsaufträge wie „Baukultur konkret“ im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) oder das Pro­ jekt Volkshaus Rotthausen im Auftrag der Stadt Gelsenkirchen haben gezeigt, dass der Fachbereich auch große Projekte der Pro­ zessarchitektur erfolgreich bewältigen kann. Diese bisherige Arbeit soll fortgeführt, jedoch mit gebündelten Kräften und gemeinsamen Auftritt fokussiert nach außen vertreten und vernetzt werden. Mit einem Institut im Rücken gewinnen die jeweiligen Projektleiter einen Resonanzboden, ein Feedbackgremium und im Bedarfsfall personelle Unterstützung. Bei der Bewerbung um zukünftige Projekte kann die gebündelte Kompetenz der am Institut be­ teiligten Kollegen in die Waagschale geworfen werden. Mit der Einführung des Instituts soll auch die Verknüpfung von Forschung und Lehre intensiviert werden. Bereits bisher war es ge­ lungen die Studierenden in verschiedenen Formaten in die Forschungsprojekte zu integrieren: Als studentische Hilfskräfte, als Stipendiaten, als Teilnehmer von Planungsund Strategieworkshops sowie im Rahmen des ForschungsForums des Masterstudiums. Zukünftig wäre der Ausbau derartig for­ schungsorientierter Kooperationsmöglich­ keiten und eine Ausweitung des Angebots für Bachelorstudierende wünschenswert; auch eine Teilhabe der Studierenden am Institut selber ist denkbar.

Das Institut wird zunächst keine eigene Rechtsform haben, sondern als integrierter Bestandteil in die Strukturen von Hochschule und Fachbereich eingebettet sein. Ohne eigenes Personal und Budget ist das Institut ein lockerer Zusammenschluss interessierter Fachbereichskollegen, die gemeinsam rund ums Thema Prozessarchitektur tätig sein wollen. Der Entwicklungsprozess des Instituts wird mittel- und langfristig vorangetrieben werden müssen. Nach einer ersten Formierungs- und Konstituierungsphase müssen gemeinsame Ziele und konkrete Maßnahmen für die kommenden Monate und Jahre entwickelt werden. Ein öffentlicher (und öffentlich­ keitswirksamer) Auftakt - beispielsweise ein Gründungssymposium – kann den Abschluss dieser ersten Entwicklungsphase dokumen­ tieren. Von mindestens ebenso zentraler Bedeutung ist die darauf folgende Test- und Experimentierphase, in der es gilt, geeignete Formate und Veranstaltungen zu etablieren, Projekte zu entwickeln, Außenwirkung zu produzieren und Gelder zu akquirieren. Dieser Prozess ist extrem abhängig von den Aktivitäten der In­ stitutsmitglieder und deren Kapazitäten und Ressourcen. Es ist daher mit einem vermut­ lich langsamen, aber (hoffentlich) stetigen Entwicklungsprozess zu rechnen. Struktur, Arbeitsweise und Erfolg der Institutsarbeit sollten einer regelmäßigen Evaluierung un­ terzogen werden, um ehrlich und transparent den Fortgang des Instituts zu beleuchten und über seine Weiterführung zu befinden. Bis dahin gilt es, mit Schwung, Engage­ ment und Ausdauer, das Institut mit Leben zu füllen und das Thema Prozessarchitektur voranzubringen. ■ Florian Kluge


DRUMHERUM Weit und Breit


drumherum

MITTWOCHSFORUM RINGVORLESUNG // PROF. BENEDIKT STAHL, LEONARD PALM + SIMON KOOLMANN

FoFo MiFo RINGVORLESUNG SOMMERSEMESTER 2015 ALANUS HOCHSCHULE FACHBEREICH ARCHITEKTUR ALANUS.EDU

FRÜHJAHRSSEMESTER 2015 DAS ERSTE HAUS

B

emerkungen zur eigenen Biographie und die Entstehung von Architekturprojekten: Im Rahmen unserer Gastvorträge freuen wir uns über die Möglichkeit, mit diesem Forum nicht nur interessante Projekte näher kennen zu lernen, sondern diese auch von ihren Machern vorgestellt zu bekommen. Das erzeugt ein hohes Maß an Authentizität und erlaubt dem neugierigen Publikum Rückfragen. Immer wieder spielt dabei auch die Bio­ graphie der Referenten eine Rolle, ist eine besondere Beziehung von Schöpfer und Werk spürbar. Da leuchtet etwas auf, was den Antrieb oder die Energie nährt, die es braucht um zum Ziel zu kommen. In diesem Sinne fragen wir nicht nur nach Werk und Weg, sondern auch danach, wie die Reise in das Projekt über­ haupt zustande gekommen ist, wer dafür verantwortlich war, woher die Ideen kommen und ob es einen immer wiederkeh­ renden Themenschwerpunkt gibt, der sich wie ein roter Faden durch die Arbeiten zieht. In dieser Vortragsreihe interessierten wir uns insbesondere für die Erfahrungen mit dem sogenannten „ersten Haus“. Wie lautete die Aufgabenstellung, wer waren die Bauherren, die Mit­ wirkenden, Ingenieure, Handwerker, Behörden und Fachleute? Was hat die Vortragenden bei diesem Thema oder auch in dieser Zeit besonders interessiert und vielleicht auch: was würden sie heute genau so oder eben anders machen? ■ Benedikt Stahl

96

11.30 - 13.00 uhr campus II raumlabor 24.03. Andreas Schneider, Senior Projekt Manager Hafencity Hamburg GmbH ProjektStrukturen Moderation Prof. Dr. Florian Kluge 05.05. + Rainer Kroll, wohnprojekt , Karlsruhe Kann man Gemeinschaft bauen? Ein Werkbericht. Moderation Prof. Brigitte Scholz 02.06. Prof. Susanne Hofmann (angefragt) Moderation Prof. Swen Geiss

11.00 - 12.30 uhr campus II semi 14 DAS ERSTE HAUS 22.04. Björn Martenson, Amunt Haus mit Hut 06.05. Margot Deerenberg, Paradocks Packhaus 20.05. N.N.

03.06. Anne-Julchen Bernhardt, BeL Rationator 17.06. Eike Roswag, ZRS Architekten

Verantwortlich Prof. Benedikt Stahl Leonard Palm, Plakat Simon Koolmann

LISTE DER GÄSTE UND THEMEN:

22.04.15 – Björn Martenson, Amunt „Haus mit Hut“ 06.05.15 – Margot Deerenberg, Paradocks „Packhaus“ 20.05.15 – Gert-Jan Stam + Breg Horemans, TAAT „Theater as Architecture Architecture as Theater“ 03.06.15 – Anne-Julchen Bernhardt, BeL „Rationator“ 17.06.15 – Eike Roswag, ZRS Architekten, „Bauen mit Lehm“


HERBSTSEMESTER 2015 / 16 RAUM INNEN STADT INNEN RAUM

LISTE DER GÄSTE UND THEMEN:

ine etwas ungewöhnliche Wortfolge, mit der sich allerdings – so meinen wir – einiges anstellen lässt. Natürlich ist es zunächst der Raum, der uns Architekten interessiert, dessen Gestaltung wir all unsere Aufmerksamkeit widmen. Der gebaute Raum. Der Raum für den Menschen, für menschliche Bedürfnisse. Wenn es gut geht, gilt das gleichermaßen für Innenräume wie für Stadträume. Stehen die einen aber eher für das Private, für das Kleinere, für die Möglichkeit des Rückzugs, des Behütetseins, sind die anderen mehr dem öffentlichen Leben gewidmet, größer, offener, Räume des Sich-Zeigens. Jeden Raum für sich zu sehen, bietet dabei genug Stoff für stundenlange Gespräche und Betrachtungen. Was jedoch ist los an den Übergängen, an den Stellen, wo Innen- und Stadtraum sich berühren? Und was etwa sind die Innenräume der Stadt? Wo sind ihre Eingänge, ihre Flure ihre Zimmer, ihre Wohn­ räume? Was dagegen sind die Stadträume in der Innenarchitektur? Die Gassen, Straßen, Plätze, Freiräume? Gibt es da Analogien? Gibt es ähnliche Fragestellungen im Entwurf dieser verschiedenartigen Räume? Was sind die Krite­ rien nach denen sich etwas über die Raumqua­ litäten sagen lässt? Solche und ähnliche Fragen bestimmten das Mittwochsforum des Herbstse­ mesters und die Beiträge unserer Vortragsgäste konnten das Reden und Denken zu diesem Thema sehr bereichern. ■ Benedikt Stahl

14.10.15 – Peter Degen, ARGOS Architektur 28.10.15 – Jörn Gertenbach, Urban Catalyst Studio 11.11.15 – Uta Graff, TU München 25.11.15 – Thomas Burlon, Brandlhuber + emde burlon 09.12.15 – Gordian Blumenthal, Capaul Blumenthal

E

Mittwochs Forum Alanus Hochschule Fachbereich Architektur jeden zweiten Mittwoch 11:00 Uhr bis 12:30 Uhr Campus II Semi14 Thema Raum Innen Stadt Innen Raum Termine 30.09 FachbereichsForum 14.10. Peter Degen 28.10. Jörg Gertenbach 11.11. Uta Graff 25.11. Thomas Burlon09.12. Gordian Blumenthal

orum

hsF ittwoc

M

ata-

ban C

, Ur nbach

erte Jörn G dio u t S lyst chen‘ dt ma a t S m einsa ‘Gem

ARGOS Architektur, Basel

Urban Catalyst Studio, Berlin

TU München, München

Brandlhuber+, Berlin

us II

Camp

i 14

// Sem

och 2

Mittw

11oo

15

20 8.Okt.

hr 2 3o U

-1

Capaul Blumenthal, Ilanz (Schweiz)

RINGVORLESUNGEN HERBSTSEMESTER 2015/16 ALANUS HOCHSCHULE FACHBEREICH ARCHITEKTUR VERANTWORTLICH PROF. BENEDIKT STAHL / LEONARD PALM

97


drumherum

ARCHITEKTUR LEHREN ARCHITEKTUR LERNEN WERKBUND AKADEMIE // KOOPERATION DER ALANUS HOCHSCHULE UND DER DETMOLDER SCHULE FÜR ARCHITEKTUR UND INNENARCHITEKTUR // 12. - 14. JUNI 2015

I

n den, von vielen Teilnehmern der Akademie mittlerweile wohl bekannten und geschätzten Räumen des Schlosses Gnadenthal bei Kleve und dem vor allem für die Atempausen und für abendliche Gesprächskreise gern genutzten Schloßpark, treffen sich alljährlich im Sommer Mitglieder des Werkbunds, Lehrende und Ler­ nende verschiedener Hochschulen, Referenten, Gäste und Freunde um sich drei Tage lang zu einem ausgewählten Rahmenthema auszutau­ schen. Diesesmal geht es um das Lehren und Lernen von Architektur. Um was geht es? Wer sind die Lehrenden, wer die Lernenden? Was beschäftigt sie, was sind ihre Themen, ihre Anliegen? Wer lernt eigentlich was und von wem? Was braucht es um gute Architekturlehre zu vermitteln und zu studieren? Wo und wann beginnt das Lernen überhaupt? Wie war es in der Vergangenheit, wird es in Zukunft sein? Was können oder wol­

98

len wir mit dem Erlernten erreichen? Geht es darum, atemberaubende Architektur zu erzeugen oder soll man das Wissen in der Entwicklungs­ hilfe einbringen wo es zunächst einmal um nichts weiter geht als ein stabiles und schützendes Dach über dem Kopf? Gibt es Regeln? Lernt man von und durch das Studium der Typologien? Braucht man überhaupt Lehrer oder bringt man sich das nötige Wissen selber bei? Folgt man dem Beispiel berühmter Architekten wie Frank Lloyd Wright oder Mies van der Rohe, die als Autodidakten gelten? Spürend, spielend, denkend lernen. Den Intuitionen folgen. Bewegt und auf dem Weg sein. Hellhörig, neugierig, offenherzig, einfühlsam. Klassisch lernen. Von „der Pike auf “. Das Erzeugen von Plastiken vom Gestalten von Skulpturen unterscheiden können. Und, rückblickend auf das bisher gelebte Lernen resümieren ob der Weg, den man gegangen ist der richtige war und begründen – so wie es zum

Ende der Akademie Wolfgang Meisenheimer ge­ tan hat – warum „er kein Steinbach sein wollte“. Lauter Fragen und sehr verschieden argu­ mentierende Referenten, die das Gespräch über unser Thema Tag und Nacht wachhalten, auffüllen und bereichern. Sogar Walter Gropius (der Lehrer aller Lehrer …) gibt sich die Ehre: an einem Abend am Schlossteich packt jemand sein I-Phone aus, um über die Mini-Box einen originalen Gropiusvortrag abzuspielen. Die sonore Stimme und der weitblickende Inhalt des berühmten Bauhausgründers lässt sogar das laute Quaken der Frösche verstummen. Wohl belehrt und mit Hunger auf mehr, tauchen danach alle wieder in ihre Alltagsteiche ab und lassen das Gesprochene noch lange nachwirken. Bis zum nächsten mal vom 17.–19. Juni 2016 an gleicher Stelle mit dem Thema: Nähe und Ferne. Architektur zwischen Intimität und Globalität. ■ Benedikt Stahl


SPAZIERGÄNGE DURCH DIE BAUGESCHICHTE BA 1.1 RAUM IN DER WAHRNEHMUNG // JAHRGANGSÜBERGREIFEND // 8. - 12. FEBRUAR 2016

M

ontags gemeinsam mit Paul Petry und Willem-Jan Beeren überhaupt erst einmal warm werden. Loszeichnen. Spielend zeichnen. Mit geschlossenen Augen. Den Stift gehen lassen. Hinsehen. Wegsehen. Sich selbst ver­ trauen. Gespannt sein. Überrascht sein. Warm genug sein. Dienstags mit Benedikt Stahl den Spaziergang fortsetzen. Zunächst in die Bibliothek. Reise­ eindrücke sammeln. Bilder finden. Übertragen in das Skizzenbuch. Mit diesen Souvenirs zurück ins Raumlabor. Dort gemeinsam ein großes Reisefresko auf Papier malen. Palladios Villa, die Loos Bar, Altes Museum und Pump­ werk von Schinkel, Paddington Station, Bilbao, Autobahnkirche, Bienefeld-Haus. Was ist an diesen Bauwerken besonderes? Warum diese Auswahl? Wie lassen sich die Skizzen aus den Büchern auf das große Blatt übertragen? Welche Darstellungsmöglichkeiten eignen sich? Wie wird aus den Teilen ein Ganzes?

Mittwochs mit Hans Günter Hofmann in Brühl. Schloss Augustusburg. Treppenhaus von Balthasar Neumann. Perspektive üben. Das Wesentliche zeigen. Details erst einmal über­ sehen, wenn die Zeit nicht reicht. Nach einer guten Stunde weiter im Max Ernst Museum. Innenräume. Skulpturen oder Figuren mit im Bild. Räumliche Tiefe probieren. Wie macht das der Zeichenlehrer und wie kann man das selber eines Tages vielleicht auch schaffen? Nachmittags mit schönen Ergebnissen beim Cappuccino im Museumscafé. Donnerstags und Freitags mit Konrad Geyer aus Ulm. Der befreundete Architekt und Maler kommt nun schon seit Jahren für diese zwei Frühjahrstage nach Alfter und arbeitet am liebsten mit weichen Graphitblöckchen auf Vorsatzpapier. Da wird wild gezeichnet, mit Druck, mit Temperament, mit ganzen Händen. Verreiben, verschmieren, abdecken, durchfrot­ tieren, hervorheben, überzeichnen, aus dem

Blatt heraus und in das Blatt hinein arbeiten. Keiner geht hier abends ohne schwarze Nase raus, dafür aber mit zufriedenem Glänzen in den Augen. Das Wesentliche in dieser Woche ist nicht das „Zeichnen lernen“, dafür braucht es viele viele Wochen und unendlich viele Skizzenblät­ ter mehr. Sinnvoll allerdings ist es, in so einer kompakten Zeiteinheit erfahren zu können, wie unterschiedlich man an dieses Thema herangehen kann und wenn es gut geht, finden alle, die mitmachen auch ein kleines Stückchen mehr zum eigenen Ansatz. Das Abschlussge­ spräch am Freitag mit kleiner „Ausstellung“ der Wochenwerke bestätigt das. Viel reden allerdings, muß man über das Zeichnen zunächst einmal nicht. Hauptsache ist: man tut es. Also los, inspirieren lassen und ran an die Stifte! ■ Benedikt Stahl

Skizze Baugeschichte, 1,20 x 4,50 m

99


drumherum

100


ANALOGE PHOTOGRAPHIE BA 1.2 RAUM IN BEWEGUNG PROF. WILLEM-JAN BEEREN JAHRGANGSÜBERGREIFEND HERBSTSEMESTER 2015/16

I

m Zusammenhang eines Modules zur analogen Photographie lernten die Teilnehmer mit Verschlusszeit, Blende und den Chemikalien des Entwicklungsprozess umzugehen. Kontraste, Übergänge und scharfe Kanten zwischen Licht und Schatten prägen die Aufnahmen. Mit modernen Kameras oder Mobiltelefonen wird eine Vielzahl von Bildern in wenigen Sekunden aufgenommen und gegeben falls wieder ge­ löscht. Das perfekte Photo entsteht meist durch Zufall. Ein Film bietet nur eine begrenzte An­ zahl von möglichen Versuchen. Jeder analogen Aufnahme geht eine gewisse Vorbereitung und Planung voraus. Wie der zeichnende Architekt einer Perspektive hat der Photograph bereits eine sehr genaue Vorstellung seiner Aufnahme vor Augen, bevor er diese ablichtet. Über das Lichtverhältnis, Helligkeit und Tiefenschärfe lassen sich Aufnahmen an die individuellen Vorstellungen anpassen. Shift-Objektive bieten die Möglichkeit perspektivischen Verzeichnun­ gen entgegen zu wirken. In der Architektur­ photographie finden diese häufig Anwendung, um auch bei Aufnahmen, die nicht horizontal aufgenommen werden, exakt senkrecht fallende Gebäudekanten abbilden zu können. Die Entwicklung bietet eine Vielzahl von wei­ teren Möglichkeiten. Das Bild lässt sich nicht nur ganz oder teilweise heller bzw. dunkler auf das Photopapier ablichten. Belichtungszeit, Blende und die Abdeckung bestimmter Bereiche gehören zu den klassischen Anpassungsmög­ lichkeiten. Ebenso wie sich der Film je nach Kamera zweifach belichten lässt, kann auch das Photopapier mehrfach belichtet werden, bevor die Belichtung durch den chemischen Prozess sichtbar gemacht wird, die Entwicklung gestoppt und fixiert wird. Die Ausbreitung der Entwicklerflüssigkeit auf dem Photopapier bietet die Möglichkeit den Bildausschnitt auf dem Fotopapier fließend verlaufen zu lassen. Das Thema „Raum in Bewegung, Bewegung im Raum“ zieht sich insbesondere durch Aufnahmen verschiedener Treppen, die als Sinnbild für die Bewegung innerhalb architek­ tonischer Stilmittel stehen. ■ Balthasar Moos

101


drumherum

FARBENLEHRE BA 1.3 RAUM ALS AUSDRUCK // BEN BAYER + PROF. THOMAS KESSELER // JAHRGANGSÜBERGREIFEND // 6. - 12. MÄRZ 2016

E

ine wichtige Basis der Architektur und Innenarchitektur bildet die Farbe. Was wäre ein Raum ohne ihre Sinnlichkeit? Was wäre eine Stadt ohne ein farbiges Stadtbild? Malerei und Farbgestaltung bilden daher eine wesentliche künstlerische Basiserfahrung im Studium. Am Anfang der Geschichte der Malerei steht das Kennenlernen der Pigmente. Feinst gemahlene organische und anorganische Stoffe wurden nach und nach entdeckt und in der Malerei mit verschiedenen Bindemitteln benutzt. Dieses Vorgehen kann man seit der Steinzeit konstatieren. Das gleiche Pigment kann zum Beispiel mit Knochenleim oder Kasein oder Kieselsäure oder Kunststoffdisper­ sionen oder Ölen gebunden werden. Mit jedem Bindemittel erscheint die Farbe anders, mal dunkler, mal aber auch kaum verändert. Für viele besteht Farbe heute nur als zu erwerbender fertiger Artikel, das verkürzt aber die Kenntnis und Vielfalt der Anwendung in den verschiedensten Anforderungsprofilen an die Farbe. Je nach Untergrund, ob Papier oder Stein, je nach Lichtbeständigkeitsanforderung, wird man bewusster sein Mittel aus der Erfah­ rung wählen. Deshalb steht bei mir in der Farblehre keine fertige, angemischte Farbe zur Verfügung. Mit Spachteln, Pigmenten und Bindemitteln werden auf Glaspaletten die Pigmente angerieben und vorbereitet. Plötzlich erkennt man die

102

Viskosität der Farbe, ihre plastische Wirkung und mischt viel bewusster jeden Ton. Auf Holztafeln werden die ersten freien malerischen Versuche gemacht. Mit Absicht stelle ich keine Pinsel zur Verfügung. Mit den Spachteln wird auch die Farbe aufgetragen, modelliert, verteilt, gemischt. Diese Methode fördert die Eindeutigkeit des Gebrauches und das Verständnis des Materialaspektes. Ohne Pinsel wird die Malerei automatisch frei von Absichten und inhaltlichen Vorformulierungen. Ich möchte neu beginnen mit den Studenten und sie auf sich selbst zurückwerfen, indem möglichst vorgefertigte Bilderwartungen ausgeschlossen werden. Um so tiefer kann die Erkenntnis eigener Farbvorlieben und die Entwicklung eines individuellen Ausdrucks sein. Alle Erfahrungen der Malerei, materialbezogen wie die Wirkung der Kontraste etwa können 1:1 in die Architektur übertragen werden. Diese Schule des Sehens und Beobachtens der Phänomene hilft und bereitet die Praxis des Architekten vor. Hierzu halte ich eine Vorlesungsreihe, die natürlich in den zwei Tagen in der Alanus Hochschule bei meinem mittlerweile dritten Seminar sehr verkürzt wird. Der Beginn vermittelt ele­ mentares Wissen zur Geschichte der Farbe und der Pigmente. Der Überblick über die Geschichte der Farbe, Farbtheorien über vier Jahrtausende und die Entwicklung des farbigen Raumes schaffen einen Grundschatz für das Entwerfen. Das Kennenlernen von Pigmenten und Bindemitteln schult für die Anwendung in der Architekturfarbigkeit und bildet die Kenntnisse für das Erstellen von Farbmusterflächen. Nach Erfahrung in der freien Malerei und ersten ange­ wandten Aufgaben wurde auch Wissen zur Farbplanung ver­ mittelt, was in der Kürze der Zeit nur angeschnitten werden konnte. ■ Thomas Kesseler


DER LETZTE MANTEL BA 1.4 RAUM IM KONTEXT // PROF. WILLEM-JAN BEEREN // JAHRGANGSÜBERGREIFEND // FEBRUAR 2015 ENTWURFSWORKSHOP FÜR DIE GESTALTUNG EINES DACHGARTENS DER PALLIATIVSTATION AM UNIKLINIKUM BONN

F

ür viele ist der Tod ein Tabuthema, nicht so für die Teilnehmer eines Entwurfs­ workshops, der Anfang 2015 im Rahmen des Architekturstudiums stattgefunden hat. Die Studenten legten fünf interessante Konzepte zur Gestaltung des Dachgartens vor. Eine ausgeprägte Naturverbundenheit, Rückzugs- sowie Gemeinschaftsflächen – dies sind die einenden Elemente der fünf Konzepte, die Architekturstudenten im Februar 2015 in einem Entwurfsworkshop für die Gestaltung eines Dachgartens entwickelt haben. Nun handelt es sich aber nicht um irgendeinen Dachgarten. Das Projekt verlangte den Studen­ ten unterschiedlicher Fachsemester nicht nur Kreativität sondern auch Einfühlungsvermö­ gen und Sensibilität ab. Unter der Überschrift „Der letzte Mantel“ galt es, im Auftrag der Palliativstation des Uniklinikums Bonn eine räumlich-atmosphärische Umgebung zu schaf­

fen, die Schutz bietet und die Menschen friedund würdevoll durch die letzte Lebensphase begleitet. Initiiert wurde das Projekt durch Professor Radbruch, Direktor und Chefarzt der Palliativ­ station. In seiner Abteilung finden Patienten, die keine Heilung mehr zu erwarten haben, die Lebensqualität, die ihnen woanders nicht oder nur schwer ermöglicht werden kann. Neben medizinisch-therapeutischer Versorgung be­ steht auch das Angebot zu psychosozialer und spiritueller Begleitung, denn für die Erholung von Körper und Seele sollte es in der letzten Lebensphase genug Raum geben – nicht nur im übertragenen Sinn. Die sieben Studenten um den Architektur­ professor Willem-Jan Beeren stellten sich der Aufgabe, den Dachgarten des für 2017 geplan­ ten Gebäudes der Neurologie, Psychiatrie und Palliativmedizin, kurz NPP, zu gestalten. „Der Bezug von Studienaufgaben zu realen Projekten ist etwas, worauf wir generell viel Wert legen: Die Studenten können ihre bereits

erworbenen Fähigkeiten an einem Projekt wie diesem erproben und anhand einer realen Fragestellung weiterentwickeln“, so Beeren. Eine Woche lang setzten sich die Studenten in täglichen Begegnungen mit dem Kranken­ hausgelände und den Gegebenheiten der zu planenden Fläche sowie den Bedürfnissen der Palliativ-Patienten, ihrer Angehörigen und dem Personal auseinander. Zudem hatten die Studenten die Möglichkeit, sich mit den Architekten auszutauschen, die das Gebäude der NPP planen. Beeren hebt dies als zusätzlich „aufschlussreich und inspirierend“ für die angehenden Architekten hervor. Aus ihren Erlebnissen und Ideen entwickelten sie fünf Konzepte. Professor Radbruch zeigt sich begeistert von den Skizzen, Modellen und Beschreibungen der Studenten für den Neubau: „Die Treffen mit den angehenden Architekten waren sehr inspirierend. Wir freuen uns über die fruchtbare Zusammen­ arbeit. In dieser einen Woche sind viele gute Ideen entstanden.“ ■ Nina Kep, Pressetext 103


drumherum

STUDIES ON CONLON NANCARROW BA 1.4 RAUM IM KONTEXT // PROF. WILLEM-JAN BEEREN // JAHRGANGSÜBERGREIFEND // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015 TEMPORÄRE KLANG-RAUM-INSTALLATIONEN IN DER GESELLSCHAFT FÜR KUNST UND GESTALTUNG BONN

I

m Rahmen der Ausstellung „88 tasten – Conlon Nancarrow und das Selbstspielklavier“ der gkg – gesellschaft für kunst und gestaltung bonn haben sieben Studenten unterschiedliche Klang-Raum-Installationen für das studio der gkg entwickelt und umgesetzt. Vorangegangen war eine Beschäftigung mit Leben und Werk des amerikanischen Komponisten, der in den Augen und Ohren vieler namhafter Musiker zu den herausragenden Komponisten des 20. Jahrhunderts gehörte. Nancarrow komponierte vorrangig für das sogenannte „player piano“, einem mittels gestanzter Notenrolle selbstspielenden Klavier. Dieses Instrument gilt als Vorläufer der Schallplatte; im 19. Jahrhundert besaß die wohl­ habende Bevölkerung ein player piano mit einer entsprechenden Bibliothek von Rollen-Aufnahmen bedeutender Pianisten. Conlon Nancarrow entdeckte in der Spielweise des Instru­ mentes bis dahin ungeahnte kompositorische Möglichkeiten, weil die menschlichen Beschränkungen (zehn Finger, bestimmter Anschlag pro Zeiteinheit) aufgrund der mechanischen An­ triebssteuerung wegfielen. Rythmische und metrische Komple­ xitäten, extreme Tempi, massive Klangteppiche, die ein noch so begnadeter Pianist nie hätte spielen können, fanden Eingang in

104

seine sogenannten „studies“, die mittlerweile zum Kanon zeitgenössischer Musik gehören. Mit Hilfe von Michael Denhoff, Musiker, Komponist und Kurator der Ausstellung „88 tasten“ konnten die Studenten einen Zugang zum nicht eingängigen und sehr komplexen Werk Nancarrows bekommen. Sie entschieden sich dafür, einzelne Aspekte des komposito­ rischen Schaffens oder auch der technischen Vorgänge im player piano als Grundlage für eine eigene Klang-Raum-Arbeit näher zu untersuchen. Ergebnisse dieser Auseinandersetzung wur­ den anhand von drei nacheinander gezeigten Installationen bzw. Performances im Rahmen­ programm der Ausstellung vorgestellt und präsentiert. ■ Willem-Jan Beeren

Beteiligte Studenten: Sebastian Pilz, Johannes Hoffmann, Timo Rötzel, Daniel Lafèrriere, Walter Castillo, Leif Czymmek


88 Kunststoff-Kugeln an Gummi-Ösen sind auf einer sich drehenden Holzachse gereiht und diese an der Wand befestigt. Durch den rechteckigen Querschnitt der Achse, durch Reibung und Schwerkraft werden die Kugeln in unterschiedlichem Tempo nach oben gedreht und fallen nach unten gegen die Wand. Es entsteht ein rythmisch komplexes und sich ständig veränderndes Klopfen.

In einem von der Decke abgehängten rechteckigen Kasten fährt eine Lichtquelle auf einer Kette herum. Sie beleuchtet von innen an den Längsseiten ein bestimmtes Lochmuster, das aus unterschiedlich langen schwarzen Strohhalmen besteht. Das Licht fällt durch die Halme auf einen vor dem Kasten hängenden transluzenten Schirm und erzeugt ein wanderndes Lichtpunktmuster voller Interferenzen.

Eine Reihe von Weingläsern, unterschiedlich mit Wasser gefüllt, stehen verteilt auf dem Boden. In der Mitte dreht ein kleiner Motor eine Kunststoff-Lanze im Kreis herum. Je nach Abstand zu den Gläsern und den jeweiligen Wasserständen entstehen unterschiedliche Klänge. Die Studenten bewegen die Gläser in einer Live-Performance zum Zentrum hin oder davon weg: Ein komplexes rythmisches und klangliches Konzert entsteht.

105


drumherum

ARBEIT AN EINEM ORT FÜR ERINNUNG – ARBEIT AN DER ERINNERUNG VOR ORT BA 1.4 RAUM IM KONTEXT // PROF. WILLEM-JAN BEEREN // JAHRGANGSÜBERGREIFEND // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015 30. APRIL 2015, EINSTIMMEN: Zusammenführung von drei Fachbereichen und zwei Hochschulen, Einstimmung auf die gemeinsame Arbeit bei Grillwürstchen und Tofuscheiben. Die Studie­ renden der Malereiklasse berichten von ihrer bisherigen Arbeit über das Thema Biografie und Erinnerung. Das Erinnern ist komplex. 01. MAI 2015, EINZIEHEN: Begrüßung und Einfüh­ rung, Rundgang durch das Gelände: Begegnung mit den Spuren der Vergangenheit und dem neuen Wohnquartier. Begegnung mit ehemaligen Bewohnern und Mitarbeitern des Kinderheimes: Lebensgeschichten, die sich am gleichen Ort kreuzen. Unterschiedliche Erlebnisse der „ge­ prügelten Generation“, aber viel Kälte, Distanz, Sprachlosigkeit trotz vieler Worte. Das Erinnern ist schmerzhaft. 02. MAI 2015, UMGEHEN: Drückende Stimmung, vereinzelte Ratlosigkeit. Erinnerungen an die eigene Kindheit. Das Zurückgeworfensein auf sich selbst. Welches Motiv taucht auf? Welcher Frage möchte ich nachgehen? Was will ich hier? Erste zaghafte Ideen, Austausch. Zusammenar­ beit zeichnet sich ab. Das Erinnern braucht Mut. 106

03. MAI 2015, LOSLASSEN. DAZWISCHEN: Individuelle Arbeit im Atelier in Alfter oder Saar­

brücken. 15. MAI 2015, WIEDERKEHREN: Neuer Blick auf das alte Haus, Spu­

ren lesen. Was bringe ich mit, was kommt mir entgegen? Ideen diskutieren, hinterfragen, abwägen. Alleine sein, den Austausch suchen. Da sein und hinhören. Position beziehen und Stand­ punkte wechseln. Das Erinnern ist ein Gespräch. 16. MAI 2015, VERORTEN: Wo ist unser Raum? Wo ist unser Ansatz? Wo ist unser Material? Wo ist das Ganze? Versuche, den Ort zum Sprechen zu bringen. Unnötigen Ballast abwerfen. Sauber machen. Das Erinnern bedeutet Ordnung schaffen. DAZWISCHEN: Individuelle Arbeit im Atelier und vor Ort. 19. JUNI 2015, EINGREIFEN: An allen Ecken und Enden wuselt es kunstvoll: Das Gebäude wird zum Mosaik. Neue Eingriffe verbinden sich mit alten Spuren, alles wird Bild. Dazwischen rote Feuerlöscher und grüne Fluchtwegschilder, Bauzäune. Das Erinnern ist eine Baustelle. 20. JUNI 2015, ZEIGEN: Viele Menschen sind gekommen, Reden werden gehalten, Gespräche geführt. Dialog mit dem Ort, seiner Geschichte und den Menschen in angeregter, stiller, nachdenkli­ cher, ausgelassener, heiterer, trauriger Atmosphäre. Die Erinne­ rung ist ein Ort, den ich aufsuchen kann. ■ Willem-Jan Beeren


VOM OBJEKT ZUM RAUM: FORMENLEHRE BA 1.2 RAUM IN BEWEGUNG // PROF. WILLEM-JAN BEEREN // 3. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

Z

ur Grundlagenausbildung von gestalterisch Tätigen gehört neben dem Freihandzeichnen die Formenlehre als dreidimensionale Gestal­ tungslehre. Ausgehend von der Betrachtung und formender Nachahmung natürlicher Objekte (Stein, Frucht, Muschel, Gewächs, Knochen u.a.) und der Gegenüberstellung mit von Men­ schenhand hergestellten Objekten wurden die wichtigsten plastischen Grundtendenzen (wie konkav, konvex, eben) und Oberflächenqua­ litäten (wie gespannt, schlaff, flächig, kantig, brüchig) entwickelt und untersucht; anschlie­ ßend auch in eigene freie Kompositionen zusammengebracht. Eine zweite Arbeitsphase führte vom Objekt in den Raum. Dazu wurde das Material Ton gegen Schaschlik-Spieße eingetauscht. Mit Hilfe von Heißklebepistolen lassen sich zügig raumbildende Strukturen aufbauen, die formal genormt und zunächst gegenüber der Flexibilität des Tons sehr eingeschränkte Gestaltungsmög­

lichkeiten bieten. Für Architekten besteht oft die Herausforderung, aus normierten und stan­ dardisierten Bausystemen durch intelligentes Zusammenfügen plastisch ansprechende Bauten und Strukturen zu entwickeln. Im experimen­ tellen Arbeiten wurden jedoch bald Techni­ ken gefunden, die zuvor im Ton erfahrenen plastischen Qualitäten auch in diesem Material umzusetzen. In einer dritten Arbeitsphase entwickelten die Studenten während des Bauens eine von der Decke des Raumlabors abgehängte raumgrei­ fende Struktur, die die dynamische Plastizität leiblich erlebbar machte. Der Kurs diente der Anregung eigener Form- und Raum-Forschungen im Rahmen der Entwurfsmodule. Dabei wird der Tatsache gro­ ßen Wert beigemessen, im experimentellen und dreidimensionalen Arbeiten Ideen generieren zu können, die man durch bloßes Nachdenken oder zweidimensionales Zeichnen unter Umständen nicht gefunden hätte. ■ Willem-Jan Beeren

107


drumherum

TRAGWERKLEHRE BA 3.2 TRAGWERKLEHRE // PROF. DR.-ING. MATHIAS WIRTHS // 4. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

D

ie Studierende erlernen Kenntnisse der Einwirkungen von Lasten auf Bauten. Sie können Lastaufstellung erarbeiten und sind befähigt zur Bemessung statisch bestimmter Systeme (Biegeträger, Stützen). Die Studie­ renden sind in der Lage, eine überschlägige Dimensionierung und beanspruchungsgerechte Konstruktion von Tragwerken zu erarbeiten. Sie verfügen über ein Bewusstsein zur Einheit von Konstruktion, Funktion und Gestaltung im Bauwerk als architektonisches Ziel des Gesamtentwurfs. Das eigene Erleben der Wirkung von Kräften in tragenden Konstruktionen durch Realisie­ rung und Erprobung von Tragwerkmodellen ist neben der numerischen Annäherung, z. B. durch Berechnung der Schnittgrößen und der Dimensionierung, wichtiger Bestandteil der Lehre. In dem Projekt „Konstruktives Entwerfen“ wird das Einbetten konstruktiver Notwendigkeiten in die Entwurfsidee erprobt. Die Studierenden sollen befähigt werden, den Verlauf der Kräfte nachzuvollziehen und die Wechselwirkungen zwischen Entwurf und Tragwerk zu erkennen. Der Zusammenhang zwischen Tragwerk und Raum wird verdeut­ licht. ■ Mathias Wirths

108


FELDENKRAIS UND ARCHITEKTUR BA 1.1. RAUM IN DER WAHRNEHMUNG // ANDREA KLASSEN // 2. SEMESTER // FRÜHJAHRSSEMESTER 2015

A

rchitektur und Feldenkrais sind wie Stand- und Spielbein des Menschen. Das Standbein ist fest, ruhig, statisch, sicher, das Spielbein bewegt sich. Architektur schafft Differenzierungen, Perspektiven, wie innen und aussen, rechts und links, bildet einen Rahmen und Beziehungen zum Raum. Architektur wird durchwandert, durchschritten. Es ist das menschliche Auge, das die Wirkung von Architektur wahr­ nimmt. Der Mensch ist ständig in Bewegung und lässt Archi­

hängen eng zusammen. Der Mensch bewegt sich durch den Raum und Räume bewegen Menschen. Bewegungsangebote können das innere Körperbild verändern, den Blick nach außen weiten, so dass sich ein tiefes Raumempfinden entwickeln kann und Platz geschaffen wird für neue Räume. Du lernst neue Sichtweisen kennen und un­ gewöhnliche Perspektiven einzunehmen und schliesslich lernst du, einen Raum mit dem Körper zu denken. Es ist gut, zwischen dem Stand- und Spielbein hin und her pendeln zu können, um im dynamischen Gleichgewicht zu bleiben. ■ Andrea Klaßen

tektur auf sich wirken. „Wenn ein Mensch zwischen rechts und links unterscheidet, teilt er den Raum auf in Bezug zu sich selbst und betrachtet sich als Mittelpunkt, von dem aus sich der Raum erstreckt“, so Moshé Feldenkrais (1904-1984), der eine Methode zur Verfeinerung der menschlichen Bewegung entwickelt hat. Die Feldenkrais-Methode kann einen positiven Einfluss auf die Gestaltung von Räumen und ihrer Wirkung auf die Men­ schen ausüben. In den Feldenkrais-Lektionen lernst du deinem Körpergefühl mehr Aufmerksamkeit zu schenken und deine Bewegungsab­ läufe so zu organisieren, dass du dich möglichst koordiniert und harmonisch bewegst. Im Mittelpunkt der Methode steht, WIE du dich bewegst – wie leicht, wie unaufwendig, wie spontan, wie anstrengungsfrei. Durch Wahrnehmungs- und Bewegungsübungen werden innere und äußere Räume erkundet, zusammenhängende Bewegungen erforscht und in Beziehungen zum Raum gesetzt. Veränderungen im Körper - den inneren Räumen - bringen stets eine Veränderung in der Wahrnehmung unserer Umwelt mit sich. Denn Raumwahrnehmung und Körperwahrnehmung 109


drumherum

110


BAUGESCHICHTE IM SPIEGEL DER KULTURENTWICKLUNG BA 6.1 BAUGESCHICHTE // PROF. PIETER VAN DER REE // 1. SEMESTER // HERBSTSEMESTER 2015/16

I

n den Vorlesungen Baugeschichte wird ein Überblick gegeben über die Entwicklung der europäischen Architektur und des Städtebaus von den Anfängen bis in die Gegenwart. Aus jeder Epoche werden dazu einige charakteris­ tische Beispiele gewählt, die in ihrem gesell­ schaftlichen und kulturellen Kontext gezeigt werden. Dabei versuchen wir zu verstehen, war­ um Bauwerke und Siedlungen so aussehen, wie sie es tun. Welche Bauaufgaben gab es in einem bestimmten Zeitalter zu bewältigen, wie waren die gesellschaftliche Verhältnisse, wer war Auftraggeber, welche Baumaterialien und Tech­ niken standen zur Verfügung, welches Weltbild und welche Werte waren vorherrschend? In der Gestaltung fließen all diese unterschiedlichen Aspekten zusammen und werden zu einem sichtbaren „Bild“. Dieses Bild kann man versu­ chen zu „lesen“ und zu verstehen. Dies üben wir durch eine gemeinsame Nach­ besprechung der angeschauten Beispiele. Wir versuchen heraus zu finden, was sich in einer bestimmten Epoche geändert hat, im Vergleich zur vorangegangenen Zeit. Was ist z. B. der Unterschied zwischen einer altägyptischer und einem griechischen Tempel oder zwischen bei­ den und einer christlichen Kirche? Wie prägen die unterschiedlichen religiösen Vorstellungen die Gestaltung und wie werden Stilformen durch bautechnische Neuerungen ermöglicht? So entsteht nicht nur ein Überblick über die Baugeschichte, sondern auch über die Entwick­ lung der Bautechnik, der sozialen Verhältnisse und der kulturellen Inhalte. Architektur und Städtebau werden erlebbar in ihrer lebendigen

Wechselwirkung mit dem wirtschaftlichen, ge­ sellschaftlichen und kulturellen Leben. Es wird ersichtlich, wie sie aus diesem Leben entstehen, dadurch geprägt werden, davon in ihrer Gestal­ tung zeugen und nach ihrer Fertigstellung dafür Platz bieten müssen und darauf zurückwirken. Verfolgt man die Baugeschichte bis in die Gegenwart, so stellt sich unweigerlich die Frage, wie die Entwicklung von Architektur und Städtebau wohl weiter gehen kann. Diese Frage lässt sich nicht mehr aus der Geschichte beantworten, sondern appelliert an die eigenen Motive und konfrontiert mit der Frage, wie ich selber als Architekt mit den Herausforderungen meiner Zeit umgehen möchte. Die entdeckten Zusammenhänge zwischen Architektur und Gesellschaft, materielle Mittel und ideelle Werte, können helfen, diese Fragen individuell zu beantworten. Ein drittes Element im Unterricht bilden die Gestaltungsübungen welche wir nachmittags machen. Anfangs ging es mir vor allem darum, die Formensprache der verschiedenen Baustile durch eigene Nachbildung besser verstehen zu lernen. Die architektonische Gestaltung ist ja eine „Formensprache“ deren Vokabular sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat. Wenn wir entwerfen bedienen wir uns dessen „Buchstabe“ und „Vokabular“ und es ist wichtig sich bewusst zu werden, welche Aussagen man mit unter­ schiedlichen Gestaltungsmitteln wie „gerade und krumm“, „horizontal und vertikal“, „sym­ metrisch und asymmetrisch“, machen kann. Allmählich wurden mir noch andere Aspekte der Übungen wichtig, die ebenfalls wertvolle

Erfahrungen bieten. So geht es bei jeder Aufgabe darum, eine bestimmte Form oder Konstruktion in einem vorhandenen Mate­ rial zu realisieren. Dabei merkt man, dass jedes Material seine eigene Möglichkeiten und Unmöglichkeiten hat, lernt man mit Werkzeugen umzugehen und Hindernisse, welche unweigerlich auftreten, durch kreative Lösungen zu überwinden. Dieses Gespür für Materialien und die Herausforderung der eigene Kreativität beim Finden von konst­ ruktiven und ästhetischen Lösungen ist mir wichtig, weil wir immer mehr mit fertigen Geräten wie Smartphones und Laptops arbeiten, die diese Fähigkeiten nicht mehr ausbilden. Bei den Übungen bildeten sich oft spontan kleine Gruppen, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeiteten. Auch das ist ein wertvol­ les Übungsfeld, denn in der Praxis kommt es oft auf soziale Kompetenz an. Wie verteilt man eine Arbeit, wie werden unterschiedli­ che Fähigkeiten produktiv gemacht, wie löst man gemeinsam auftretende Probleme, wie geht man mit der Zeit um? Und zum Schluss gibt es die wichtige Er­ fahrung des Stolzes und der Freude, wenn es gelingt, etwas Schönes und Gelungenes hin­ zukriegen. Diese Erfahrung tritt aber nur auf, wenn man richtig in eine Aufgabe eintaucht, sich mit dem Material verbindet, dessen Möglichkeiten benutzt und so Ideelles und Materielles im Schaffen zur Einheit verbindet, wie dies auch die große Baukünstler der Ge­ schichte getan haben. ■ Pieter van der Ree 111


drumherum

ARCHITEKTURTHEORIE UND FORMFINDUNG BA 6.2 ARCHITEKTURTHEORIE // PROF. PIETER VAN DER REE // 3. + 4. SEMESTER // FRÜHJAHRS- UND HERBSTSEMESTER 2015/16

N

achdem ich mehrere Jahre die Entwicklung und Hintergründe der organischen Architektur im Rahmen der Architekturtheorie unterrichtet hatte, entstand bei mir das Bedürf­ nis, diese auf eine breitere Basis zu stellen. Ich wollte das Missverständnis ausräumen, dass es sich um einen Stil handeln würde und dazu den Studenten eine größere Freiheit bieten, ihre eigenen Ansätze zu finden. Im letzten Jahrhundert ist eine noch nie da gewesene Gestaltungsfreiheit entstanden. Gleichzeitig gibt es aber keine allgemeingültige Theorien und Ideologien mehr, die als Anhaltspunkte darin dienen können. Abgesehen von einem Wald an Baugesetzen, ist es weitgehend den persönlichen Auffassungen überlassen „worauf wir bauen“. Architekturtheorie kann in diese Lage helfen, eine Orientierung zu finden. Ein vertiefter Einblick in die Grundelemente der Architektur kann, jenseits von Ideologien, zu einer Quelle für Gestaltung werden. Trotz allem Individualismus gibt es noch immer einen objektiven Anhaltspunkt im Ent­ wurfsprozess und das ist die Bauaufgabe selber. Damit sind immer Menschen verbunden, die etwas Konkretes wollen, die bestimmte Bedürfnisse und Anliegen haben, dazu gibt es ein Grundstück mit einem bestimmten Cha­

112

rakter und Bebauungsplan, es wird ein Budget geben und bestimmte Baumaterialien, die zur Verfügung stehen. Wie man sich mit diesen Gegebenheiten auseinander setzt, wie intensiv man das alles auf sich wirken lässt und damit lebt, wird die Qualität des Endergebnisses bestimmen. Je umfassender und lebendiger die Vorstellung, die man sich von der Aufgabe bildet, umso reicher und lebendiger wird auch das Ergebnis des Entwurfsprozesses sein. Dabei handelt es sich nicht nur um die Entwicklung von Gesichtspunkten, sondern auch um die Ausbil­ dung von neuen Fähigkeiten. Im Studienjahr 2014/15 wurde der Versuch gewagt, jeden Studenten seine eigene Architek­ turtheorie bilden zu lassen, worin beschrieben wurde, was ihr oder ihm die wichtigsten Ele­ mente und Anliegen in der Architektur sind. Am Anfang stellten wir uns die Frage, was „gute Architektur“ ausmacht und welche Aspekten dazu berücksichtigt werden müssen. Dabei wurden Themen genannt wie die Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse, das Verhältnis von Form und Funktion, die Beziehung zur Umgebung und Umwelt, eine materialgerechte Umgang mit Baumaterialien und so weiter.

Jeden dieser Themen widmeten wir einen Studientag, an dem wir es inhaltlich vertieften und durch einen Stegreifentwurf künstlerisch erforschten. So gab es die Aufgabe, eine bestimmte Funktion in Gestaltung zum Ausdruck zu bringen. Wir schauten uns die verschiedenen Ergebnisse an und fragten uns, was eine bestimmte Form wohl für eine Funktion zum Ausdruck bringen konnte und wodurch es diesen Eindruck erzeugte. Auch gab es die Aufgabe, einen Entwurf auf eine gegebene Umgebung abzustimmen. Besonders spannend war die Aufgabe eine „zeitgemäße“ Form zu schaffen. Erstaunlicherweise ließ sich, rein aus der Empfindung, ziemlich genau bestimmen was eine geschichtliche Form war, was „aktuell“ und was noch etwas Zukünftiges war. Diese inhaltliche Überlegungen und Ge­ staltungsübungen wurden am Ende des ersten Semesters in einer Eigenarbeit dokumentiert. Im zweiten Semester wurde versucht, die gleichen Elemente anhand einer kleinen Entwurfsaufgabe zur Einheit zu verbinden. Es sollte dabei kein ausgearbeiteter Entwurf entstehen, sondern geübt werden, wie man ein Entwurfsmotiv aus einer Aufgabe entwickeln kann. Formfindung statt Formsetzung. Als Aufgabe wurde ein Neubau für den Waldorf­


kindergarten „Sonnenblume“ in Alfter gewählt, der in einem Nebengebäuden des Schlosses beheimatet ist. Diese Räumlichkeiten wurden besucht, der Leiter des Kindergartens befragt, ein Raumprogramm aufgestellt, ein passendes Gelände gesucht, seine Qualitäten untersucht und schließlich ein Entwurfskonzept daraus entwickelt. Ein schönes Element dabei war, dass dieser Prozess mitbegleitet wurde durch den Leiter und einen der Gründungseltern des Kindergartens. So konnten alle Ideen, Überle­ gungen und Vorschläge gleich geprüft werden und die Studenten bekamen ein direktes Feed­ back aus der Praxis. Im jetzigen Studienjahr wird teilweise auf diese Arbeitsweise aufgebaut, es werden aber auch neue Elemente integriert. So gab es den Wunsch, zu den verschiedenen Themen auch Texte aus der Architekturtheorie zu studieren. Diese werden durch den Studenten referiert und anschließend gemeinsam diskutiert. Der Themenkreis hat sich dabei erweitert mit Grundelementen der Architektur wie Raum, Licht, Material und Form, welche in ihre Wirkung erforscht werden und in den Übungen künstlerisch erprobt. Denn die Theorie sollte nicht nur in den Häuptern, sondern auch in den Herzen und Händen leben. ■ Pieter van der Ree 113


drumherum

VON DER KUNST DES KOMMENS UND GEHENS FEIER ZUR BEGRÜSSUNG DER NEUEN STUDIERENDEN UND VERABSCHIEDUNG DER ABSOLVENTEN // 28.09.2015

114

I

m September kommen die neuen Studierenden an die Hochschule. Sie kommen aus allen Richtungen, bringen unterschiedlichste Erfahrungen mit und richten sich gemeinsam in ihrem neuen Lebensabschnitt ein. Ein selbst mitgebrachter Leerstuhl hilft dabei: Er erzählt Geschichten über das bisherige Leben und bringt ein Stück Vertrautes in den neuen All­ tag. Im September 2015 haben 29 Studierende ihren Leerstuhl vorgestellt, und als Lehrstuhl wird er sie über die Jahre im Studium begleiten. Mit der Begrüßung der neuen Studierenden verbinden wir die Verabschiedung der Ab­ solventen. Zwölf Bachelor- und fünf MasterStudierende haben erfolgreich ihr Studium abgeschlossen. Bevor sie in die Welt ziehen, teilen sie ihre Erfahrungen mit den Neuen, stellen gegenseitig ihre Arbeiten vor und freuen sich über das gemeinsam geschnittene und gerührte Buffet. In der Revue der Abschluss­ arbeiten geht es um neue Schulen, alternative Lernorte, Umnutzungskonzepte, Quartiersent­ wicklungen, temporäre Flüchtlingsunterkünfte, ein neues Strandbad und eine künstlerische Rauminszenierung. Gratulation und alles Gute für den weiteren Lebensweg! ■ Brigitte Scholz


EXKURSIONEN Nah und Fern


Exkursionen

ALL THE WORLD’S FUTURES PROF. WILLEM-JAN BEEREN // INTERDISZIPLINÄRE EXKURSION ZUR KUNSTBIENNALE VENEDIG // SEPTEMBER 2015 GEMEINSAME EXKURSION ZUR 56. KUNSTBIENNALE VENEDIG (IT) MIT BILDHAUERN, MALERN, ARCHITEKTEN UND KUNSTPÄDAGOGEN

D

ie Welt von oben sehen, dem Raum ent-ho­ ben. Die Alpen breiten sich unter uns aus. Die Erdoberfläche aufgeworfen, zusammengeschoben, ineinandergefaltet. Dramatischer Anblick aus distanzierter Entfernung. Wir sind in Erwartung der diesjährigen Biennale unter dem paradigmatischen Titel „All the World’s Futures“. Es geht also (mal wieder) ums Ganze. Der Kurator Okwui Enwezor, gebürtiger Nigerianer, international gefragter Museums- und Ausstellungskurator (u.a. documenta 11 in Kassel), fragt mit der diesjährigen Biennale nach dem Zustand der (Kunst-)Welt in Zeiten marktökonomischer Globalisierung. Als „dialektisches Bild“ (W. Benjamin) im Hintergrund verwendet er dabei Paul Klees „Angelus Novus“. Dieser Engel, so Walter Benjamin, sei der Engel der Geschichte: Er stehe mit dem Rücken zur Zukunft, das Ge­ wordene im Blick, die Augen und den Mund aufgerissen. Im Blick hat er nicht eine Folge von Erscheinungen, sondern eine einzige Ka­ tastrophe, „die unablässig Trümmer auf Trüm­ mer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ (aus: Walter Benjamin - Geschichts­ thesen - Über den Begriff der Geschichte) Venedig empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Acht Bildhauerei-, zwei Malerei-, zwei KPTStudierenden sowie drei Bildhauerei- und ein Architekturdozent tauchen für fünf Tage ein in das venezianische Kunst- und Kulturleben. Eine kleine geografische Standortbestimmung am San Marco, ein kurzer Blick auf die wech­ selvolle, dramatische Entwicklung der einst weltbeherrschenden Venezianer. Wir nehmen das Archipel als Real-Bild und Einladung zur eigenen Erkundung: Inseln innerhalb von Inseln innerhalb von Inseln, dazwischen flie­

116

ßendes Wasser. Die beste Methode, Venedig zu entdecken, ist das driften. Kein Stadtplan (man kommt sowieso irgendwann ans Wasser), im­ mer den Sinnen nach. Das Biennale-Gelände hat heute geschlossen, aber die Stadt ist voller Kunst. Wie begeht man zusammen eine Kunstaus­ stellung dieses Ausmaßes und dieser inhaltli­ chen Komplexität? Zunächst widmen wir uns zusammen und doch jeder für sich in seinem Tempo dem zentralen Ausstellungs- sowie dem deutschen Pavillon. In der von Enwezor kura­ tierten Hauptausstellung (Teil 2 befindet sich im Arsenale) begegnen uns vielfältigste Positi­ onen, die sehr stark (sozial-)politischer Natur sind. Eine sowohl räumlich als auch inhaltlich zentrale Position spielt „Das Kapital“ von Karl Marx in einer Werkzusammenstellung von Isaac Julien (GB): Zum einen wird (leider nur drei mal täglich für je zwanzig Minuten) das Ende des 19. Jahrhundert verfasste Grundla­ genwerk in Form einer Dauerlesung über die gesamte Laufzeit der Biennale vorgetragen, zum anderen die Installation KAPITAL (2013) vorgestellt. Diese zeigt auf zwei Bildschir­ men ein Gespräch zwischen dem englischen Filmemacher und Professor der HfG Karlsruhe Isaac Julien und dem US-amerikanischen So­ zialtheoretiker David Harvey. Eigentlich geht es um die Frage, wie Kapital als theoretische Größe visualisiert werden kann, schnell aber geht es ums Ganze: Über Kunst und Markt, über die Aktualität marx’scher Thesen vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrisen der letzten Jahre. Da sind wir also: Mitten in der Katastrophe entfesselter Märkte, sozialer Verwerfungen, krasser Ungerechtigkeiten. Wer die schnelle Erlösung erwartet, wird enttäuscht: Ent-Täuschend, also ohne Täu­ schung zeigt uns Enwezor durch die Fülle der Arbeiten, durch die Vielschichtigkeit der Positionen, dass einfache Antworten nicht zu bekommen sind. Stattdessen spüren wir den Sturm des Fortschritts in unseren Flügeln... Wir behalten unseren Venedig-Modus des Driftens bei und verlassen uns auf Instinkt, Geistesgegenwart und Spontanität. Zwischen­ durch verabreden wir uns zum Austausch von Erlebnissen, Entdeckungen oder Enttäuschungen. Die Biennale wirkt weiter als wir momentan verarbeiten können, werden wir später zuhause mit etwas Abstand feststellen.

Die Hauptausstellung im Arsenale, ebenfalls von Enwezor kuratiert, weist eine ähnliche Dichte und Vielschichtigkeit auf, entwickelt aber aufgrund der räumlichen Disposition (ein gerader Weg) einen anderen Sog als die Ausstellung im Zentralpavillon in den Giardinis. „Klassische“ Positionen (Grosse, Baselitz) finden sich ebenso wie „tagesaktuelle“ Auseinandersetzungen. Was bleibt diesmal von Venedig und der Biennale? Trotz vieler Kritiken im Vorfeld an dem Kurator und sein Konzept: Wenn man sich freimacht vom Anspruch vollständiger reflexiver Durchdringung, bleiben kleine und große Berührungen mit existentiellen Fragen. Seien es sehr persönliche Geschichten oder große historische Zusammenhänge, es scheint das menschliche Bemühen und seine Kraft zur Erneuerung hindurch. Kann der Engel der Ge­ schichte seinen Blick wenden und zum Engel der Zukunft werden? ■ Willem-Jan Beeren


117


Exkursionen

MILITELLO PROF. BENEDIKT STAHL, DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND // EXKURSION NACH MILITELLO, SIZILIEN // SEPTEMBER 2015

D

er Ätna ist in Sichtweite. Etwa eine Auto­ stunde entfernt von Catania, verbringen wir eine Woche in dem kleinen sizilianischen Städtchen Militello. Zunächst hatten wir daran gedacht, von dort aus kleine Ausflüge zu machen und so etwas über die Insel der Dolci zu erfahren. Syrakus zum Beispiel. Davon hat Benjamino so geschwärmt. Oder das Theater

von Taormina, die Besteigung des Vulkans, Catania und ein Tag am Meer. Das was in der Vorstellung und auf der Karte so einfach scheint, ist jedoch vor Ort ganz anders. Nicht nur, dass man für solche Unternehmungen entsprechend ausgerüstet und mobil sein muss, es braucht auch Zeit und die nötige Muße wirklich etwas aufzunehmen. Skizzen

Simon Koolmann, Dominique Buchmaier, Prof. Benedikt Stahl, Max Bentler Dipl.-Ing. Annett Hillebrand, Avila Dietrich, Lucia Fritschi, Alexander Barthold

118

machen, fotografieren, beobachten, etwas über das Gesehene schreiben, die Zusammenhänge zwischen Handlung und Form studieren, ein­ tauchen in eine andere, besondere Kultur die sich angesichts des rauchenden Berges über Jahrtausende entwickelt hat. Der Empfang in Militello ist süß. Herbert Jakob Weinand, Architekt, Designer und Künstler, der seit Jahren hier lebt, begrüßt uns in einem Café mit dem ersten leckeren kleinen schwarzen Kaffee und Süßspeisen. Diese Kombination, guter Freund, nette Menschen, kitschig glitzerndes Interieur, Gerede, Geplapper, laufender Fernseher, Musik und große Neugier wirkt nicht nur belebend, sondern eröffnet ein Fest der Sinne, mit dem wir die nächsten Tage hier verbringen werden. Ein Spaziergang durch die Stadt und die Aussicht auf die Mög­ lichkeit im alten Palazzo Baldanza arbeiten zu können, lässt uns die zuhause genährten Aus­ flugsgelüste schnell vergessen. Zu entdecken gibt es hier mehr als genug und in unserem „Agriturismo“ mit Schwimmbad fühlen wir uns sofort wohl!


Die nächsten Tage sind reich gefüllt mit unvergesslichen Eindrücken. Das beginnt mit einem Fest zu Ehren der heiligen Maria. Bereits morgens böllern die ersten Begrüßungskano­ nen in den strahlend blauen Himmel und die ganze Stadt ist von früh bis spät auf den Beinen, um dieses Ereignis zu feiern. Das ist ein Schau­ spiel! Mit der prachtvollen Barockfassade der Chiesa Santa Maria della Stella als Bühnenbild wird am späten Nachmittag unter Glocken­ geläut, Freudenrufen und mit Trompeten und Fanfaren die große vergoldete Gottesmutter auf einer Sänfte von den stärksten jungen Männern des Ortes durch das Kirchenportal nach draußen getragen. Die breite Freitreppe wird zur Bühne und man reicht kleine Kinder zum Segnen über die Köpfe nach oben zur „Mama!“. Darauf folgt die lange Prozession durch die Stadt und erst in der Nacht kommt der Zug singend und schwankend wieder zurück um den Ausflug der Gottesmutter samt nacktem Bengel zu beenden und die beiden unter lautem Geklatsche und in aufgeregter Stimmung wieder an ihren angestammten

Bühnenplatz hinter dem Altar zu verstauen. Tief beeindruckt von dieser Üppigkeit und der überspringenden Festlaune lassen wir uns später in Träume fallen, in denen sich der Tanz und die Stimmung, die barocken Ornamente und prachtvollen Fassaden mit dem Nach­ geschmack von Reisbällchen und Rotwein vermischen und eine Ahnung davon erzeugen, was dieses Leben hier so einzigartig macht. Auch die nächsten Tage sind voll mit immer wieder neuen Erlebnissen. Auf unseren Stadtspa­ ziergängen mit Herbert lernen wir etwas über die Geschichte der Häuser, der Straßen, und der Menschen. Ein wunderbar gestaltetes kleines Museum in alten Mauern dokumentiert die Formenvielfalt und den Bilderreichtum dieser Kultur. Gerne beobachten wir das Treiben auf den Plätzen auf denen die Männer auf Stühlen sitzen, kartenspielend, rauchend, miteinander im Gespräch, während die Frauen die Einkäufe tätigen, zuhause kochen oder aber in den Haus­ eingängen sitzen und von dort aus in eine eigene Ferne blicken. Über Jahrhunderte einstudierte Rollenspiele bestimmen den Tagesrhythmus.

Die Arbeit im alten Palazzo entwickelt sich. Hier entstehen viele Skizzen und Fotos, werden Rauminstallationen ausprobiert und beschrieben. Kleine Entdeckungsstreifzüge durch die Stadt unterbrechen das konzen­ trierte Arbeiten in den leeren stimmungs­ vollen Palasträumen. Im Laufe der Woche verdichtet sich eine ganz schöne Sammlung unterschiedlichster Fundstücke. In ausgelassener Stimmung und einer spontanen Idee folgend beschließen wir am Ende der Woche unsere Entdeckungen mit einem großen Wandbild in Giovannas Restaurant, unserer Lieblingssizilianerin, zu zeigen. Wie sollte es anders sein: auch diese Reise endet so mit ei­ nem herrlichen Fest. Nicht nur wir sind von der Schönheit dieser kleinen Stadt begeistert, auch die neuen sizilianischen Freunde sehen vieles, was sonst der Alltag verschluckt, auf einmal mit anderen Augen. Die Freude darüber teilen wir bei Pasta und Wein und genießen singend und lachend die Magie des Augenblicks. Den rauchenden Ätna in Sichtweite. ■ Benedikt Stahl 119


Exkursionen

BERLIN-ERFAHRUNGEN PROF. BRIGITTE SCHOLZ + DIPL.-ING. MIRIAM HAMEL // MASTER-EXKURSION NACH BERLIN // NOVEMBER 2015

E

inmal im Jahr geht der Master Prozess­ architektur mit allen Studierenden und Lehrenden auf Exkursion, um die Architektur hinter der Architektur zu erkunden: Was treibt die Macher der Projekte an? Wie organisieren sie sich und die Planung? Und welche Auswirkungen hat das auf die Gestaltung? Nach London und Zürich jetzt Berlin, die wieder wachsende Stadt. Unser Blick galt der besonderen Stadtgeschichte, neuen Wohnungs­ bauprojekten, eigenwilligen Arbeitswelten und Stadtentwicklungsprojekten von unten. Und eines haben wir gleich zu Anfang gelernt: Es ist alles sehr, sehr kompliziert – und manchmal doch ganz einfach! Berlin wächst, und die Prognosen gehen im Mittel von einem Plus von 250.000 Menschen bis 2030 aus ohne Berücksichtigung der aktuellen Flüchtlingszahlen. Feierte sich die Stadt 2013 noch als „Self-made-City“, verengen sich nun die Spielräume der Selbermacher insbesondere auf dem Immobilienmarkt. Baugruppen als eine andere, nicht-renditeorientierte Form der Wohnungsproduktion haben in Berlin eine bunte Palette unterschied­ licher Antworten auf die Frage entwickelt, wie die Zukunft des Wohnens aussehen kann. Fast schon legendär ist das Projekt R 50 in der Ritterstraße 50 in Kreuzberg, weil es in der Pla­ nung eine intensive Auseinandersetzung mit 120

den Wohnwünschen der zukünftigen Eigentümer/innen und Übersetzung in eine eigene Architektursprache gab. Der freiste­ hende sechsgeschossige Wohnturm mit Dachgeschoss hat eine robuste Grundstruktur mit innerem Erschließungskern und ei­ ner Art umlaufenden Laubengang, der als zweite Erschließung, Balkon für alle und Kommunikationszone dient. Durch die Betonskelettbauweise mit einer modularen Holzfassade konnten die Grundrisse individuell entsprechend der Wohnwünsche entwickelt werden. Die Oberflächen im Treppenhaus sind eher ruppig: offene Installationen, Sichtbeton und das Gefühl, überall weiterbauen und verändern zu können. Im Erdgeschoss liegt der zweigeschossige Gemeinschaftsraum, der auch durch das Quartier genutzt werden kann und bei unserem Besuch als Wohnung für Flüchtlinge diente. Ein Haus also, das robust und flexibel ist und auf neue Anforderungen reagieren kann. Diese Haltung zeigt sich auch in der neu gegründeten Ge­ nossenschaft Spreefeld: Das Gelände mit den drei freistehenden Häusern am Ostufer der Spree ist öffentlich zugänglich. Zweige­ schossige Optionsräume im Erdgeschoss werden als Werkstatt, Versuchsküche oder Büro genutzt. In den siebengeschossigen Bauten gibt es großzügige Balkone als private Freiräume und unterschiedlichste Wohnformen – Single-, Familien- und Clusterwohnungen mit einzelnen Appartements und einer gemeinsamen Küche. Selbermachen geht hier weit über die Planungsphase hinaus: In der Werkstatt werden die Platten für den Innenausbau der Wohnungen geschnitten, der Garten wird schrittweise in Kultur genommen und in der Genossenschaft verwalten die über hundert Bewohner/innen sich selbst. Dieser Blick auf die Produktionsbedingungen von Stadt und Architektur hat uns die ganze Exkursion begleitet. Wir haben


andere Formen der Baugruppenprojekte kennengelernt, in denen der Architekt als Projektentwickler mit Grundstück und Entwurf die passende Bewohnerschaft findet. Wir haben gesehen, wie man am Moritzplatz in Kreuzberg intensiv wirtschaften kann – als Verein im Prinzessinengarten oder als Kreativ-GmbH im gegenüberliegenden Aufbauhaus. Wir haben Menschen kennengelernt, die ihre Vision von einem neuen Stück Berlin am Holzmarkt kreativ umsetzen und selbstbewusst wirtschaften. Und in der Gedenkstätte Berliner Mauer war die Geschichte der ehemals geteilten Stadt zum Greifen nahe, eine Geschichte, die viele der Studierenden nur noch aus den Büchern kennen. Auf dem riesigen Tempelhofer Feld zeigte sich eine neue Seite der zukünftigen Geschichte Berlins: Mit einem Volksentscheid haben die Bürger/innen das Gesetz „100 % Tempelhofer Feld“ auf den Weg gebracht, statt neuer Wohnbebauung am Rand des ehemaligen Flugplatzes, steht nun ein riesiges Wiesenmeer mitten in der Stadt. In zwei Teilbereichen ermöglicht der Berliner Senat seit mehreren Jahren Zwischennutzungen. Das Allmende-Kontor mit seinen Holzkisten-Beeten ist ein Pionier der ersten Stunde und bietet die Möglichkeit, ein bis mehrere Quadrat­ meter Beet zu bewirtschaften - nutzen und ernten dürfen alle. Und dann saßen wir am Bollerofen im ehemaligen Bootshaus der DDRGrenzsoldaten an der Spree, erzählten uns die Geschichten des neuen Berlins und versuchten, die Eindrücke zu sortieren. Aber wofür sortieren? Besser weiter erleben und eintauchen! ■ Brigitte Scholz

VIER TAGE BERLIN NEUE MITTE: Lustgarten, Humboldtforum / neues Stadtschloss, Townhouses am Hausvogteiplatz, Zeitenlauf Finanzministerium. KREUZBERG + CO: 36 Rooms Hostel, Street Food Thursday Markthalle, Görlitzer Park, Luisenstäd­ tischer Kanal, Mariannenplatz, Bürobesuch mrp, Baugruppe R20, Moritzplatz: Prinzessinnengarten und Aufbauhaus, Berlinische Galerie „The Dialo­ gic City“, Flughafen Tempelhof, Tempelhofer Feld, Allmende-Kontor SPREEUFER: Holzmarkt eG, Spreefeld eG, DAZ Deutsches Architekturzentrum IM OSTEN: Gedenkstätte Berliner Mauer / Kapelle der Versöhnung, Townhouses Bernauer Straße, Baugruppe Big Yard, Mietergenossenschaft Selbstbau eG WAS IHR WOLLT!: Kürprojekte: Bikinihaus, Jüdisches Museum, Die Wohnungsfrage und weitere …

121


Exkursionen

MÜNCHEN PROF. NIKOLAUS VON KAISENBERG // EXKURSION NACH MÜNCHEN // FEBRUAR 2015

E

xkursion heißt Hinauslaufen, heißt Lehr­ veranstaltung im Freien. Wer lehrt? Bildung durch Bewegung. Bildung durch Begegnung. Gebäudelehre ist der Hintergrund. Bauen für und mit Geflüchteten ist das Thema, das Anrei­ cherung sucht. Hier die Stationen vom 27. bis 30. April 2015: Augsburg 1: Anatomie einer Studenten­ wohnanlage. Das Holzständerbauwerk ist noch offen, zeigt alle Organe des Tragwerks, alle Gefäße des Heiz- und Kühlkreislaufes, alle Energiebahnen und Nervenstränge der Ge­

bäudesteuerung. Staunen über den Platzbedarf der Innereien, die in Hohlräumen durchs Haus geführt werden. Wie kann ich den Raumbe­ darf für Installationen schon beim Entwerfen einschätzen und berücksichtigen? Augsburg 2: Das Grandhotel Cosmopo­ lis. Die weiteste Anreise hatten hier oft die Mitarbeiter. Denn sie kommen aus aller Welt. Als gemischtes Team veranstalten sie ein Hotel für gemischte Zielgruppen: für Touristen und Flüchtlinge. „Das geht eigentlich gar nicht.“ Genau deswegen findet es europaweit Beachtung. Jedes Zimmer des ehemaligen Altenheimes heute ein künstlerisches Unikat. Jede Begegnung 122

auch. Kommt und seht. So kann das heute gehen. Super. Danke. Augsburg 3: Die Fuggerei, eine Sozialsiedlung aus dem 16. Jahrhundert, die bis heute besteht. In 140 Wohnungen leben 150 bedürftige Bürger für eine Jahresmiete von 0,88 €. Sie sprechen für die Stifter dreimal täglich ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria. Ein sozial nachhaltiges Siedlungs­ konzept überschreitet die Sechshundert-JahrGrenze. München 1: Der Mehrgenerationenplatz Forstenried zeigt, wie Wohnen, Erziehung und Bildung zusammen gehen. Die Freie Waldorfschule München Südwest hat mit ihrer Gründung gleich ein Genossenschaftsprojekt für Wohnen mit initiiert. 700 Kinder mit ca. 100 Lehrern und Erziehern teilen sich mit ca. 300 Bewohnern zwei Hektar Fläche. Begegnungs-mitte sind die Mensa und die gemeinsamen Gärten. München 2: Der Olympiapark von Frei Otto und Günther Behnisch. Dort sind immer noch einige Arbeitsmodelle zu besichtigen. Was ist so schwer an leichten Flächentragwerken? Wie er­ klärt man heute, dass damals alle Lastannahmen empirisch ermittelt wurden, dass keiner genau wusste, in welche Form die Dachlandschaft einpendeln würde und dass alles pünktlich zur Olympiade 1972 fertig war? Zwischendurch die Stadt aufsaugen, den wilden Isarlauf, den stolzen Alpenblick. München 3: Die Herz-Jesu-Kirche der Ar­ chitekten Allmann, Sattler, Wappner. Was soll man da sagen? Wir machen eine Probefahrt ins Kirchengestühl. Das Gotteshaus kann wie ein Schrein mit zwei Torflügeln seine ganze Front öffnen. Wenn du dich auch so öffnen kannst – dann stimmen Transparenz der Kirche und der Besucher überein, dann gibt es nur noch einen Raum – Weltinnenraum. Danach runter kommen mit Bier im Englischen Garten.

München 4: Kunstareal und TU München. Nein, das ist nicht zu schaffen. Alle sind platt und kapitulieren angesichts der enormen Kulturdichte um die Pinakotheken, Glyptotheken, griechische und ägyptische Samm­ lungen und Museen Moderner Kunst. Dann besuchen wir die Fakultät für Architektur in der TU mit Präsentationen digitaler Entwurfs­ werkzeuge. Phantastisch, was eure Rechner alles können, staunt ein Alaner. Aber meine Vorstellungskraft wird immer weiter reichen. Kunst trifft Technik. Wir werden Freunde. München 5: Abschluss im Büro Otto Steidle. Eine Steidle-Wohnanlage als Architekturwerk­ statt. So sieht das aus, wenn Erdachtes auch gebaut wurde und wenn die Autoren auch nach Jahrzehnten noch dazu stehen. Stummes Staunen. Heimfahren und verdauen. Und dann selber was zeigen. ■ Nikolaus von Kaisenberg


MENSCHEN Hin und Weg


Menschen

3X10 INTERVIEW MIT PROF. BENEDIKT STAHL, PROF. MAREK NOWAK + PROF. SWEN GEISS

A

RCHITEKTUR AN ALANUS MIT BENE, MAREK UND SWEN: Zehn Jahre sind nun vergangen, seit die drei Professoren Benedikt Stahl (den alle Bene nennen), Marek Nowak (der als Marek angesprochen wird) und Swen Geiss (der eben der Swen ist) im Fachbereich Architektur an der Alanus Hochschule mit ihrer Arbeit begonnen haben. Grund genug, hier einen Moment inne zu halten und darüber zu reden, was seitdem so passiert ist, dachten sich Dominique Buchmaier und Miriam Hamel und luden zum Interview ein. Ein rasender Reporter der mag hat dieses Treffen beobachtet und versucht hier einmal zusammen zu fassen, was da so gesagt wurde. Dominique und Miriam haben vorsorglich eine Flasche Rotwein mitgebracht. Nicht, dass die drei Herren das unbedingt nötig hätten, aber so ganz abgeneigt scheinen sie auch nicht, denn nach einem langen Arbeitstag an der Hochschule mit vielen Gesprächen, einer langen Konferenz und allerhand ver­ schiedenen Themen, sorgt das gute Tröpfchen für ein bisschen Entspannung und heitere Erzählstimmung. Gemeinsam sitzt die Runde also nun in einem der Alanus Seminarräume und nach ein wenig Vorgeplänkel stellt Dominique die erste Frage: „Sagt mal, was hat sich eigentlich so verändert seitdem ihr hier seid?“ Münder werden gespitzt, Blicke gehen nach oben und Bene beginnt. Er berichtet davon, dass er Alanus zum ersten Mal mit der Abgabe seiner Bewerbungsunterlagen am Johannis­ hof besucht hat. Das war zum Tag der offenen Tür, der damals noch „Blickfeld“ hieß und an dem er direkt einen Gesamtein­ druck von den verschiedenen Fachbereichen und Arbeiten mit nach Hause nehmen konnte. Besonders aufregend sei die Architektur Ausstellung allerdings nicht gewesen. Man habe an­ dererseits aber vom ersten Moment an sehr wohl gespürt, dass es einen „besonderen Geist“ gibt, der unsichtbar über allem schwebe. Marek und Swen stimmen dem sofort zu. „Ich habe mir gedacht“, so Bene, „hier kannst du etwas einbringen, was es vielleicht noch nicht so gibt. Die offene Atmosphäre, die gute 124


Stimmung und vor allem die sehr, sehr freund­ lichen Menschen haben mich sofort gefangen genommen und begeistert! Daneben natürlich die Verbindung von Architektur und Kunst, einer Nachbarschaft unterschiedlicher Disziplinen, die nicht etwa in Frage gestellt, sondern ganz im Gegenteil: sogar erwünscht ist!“ Da ist Begeisterung spürbar und die Kollegen be­ stätigen das auf ihre Weise. „Das stimmt“, fügt Marek hinzu, „und wenn Du fragst, was sich verändert hat, so hat sich zumindest an dieser positiven Grundstimmung aus meiner Sicht ei­ gentlich gar nichts oder kaum etwas verändert! Die Art und Weise wie man miteinander kom­ muniziert, da braucht es manchmal gar keine Gespräche, da guckt man sich nur an und hat sich verstanden. Das hat auch eine große Rolle dabei gespielt, wie wir unsere Lehre aufge­ baut und miteinander abgestimmt haben.“ Swen war eigentlich damals ganz woanders. In London in seinem Büro oder während des Sommers beruflich in Brasilien unterwegs, als ihn die Anfrage erreichte, ob er nicht Lust hätte sich vielleicht auch an der Hochschule zu bewerben. „Das war schon ein eigentümlicher Gedanke“, sinniert er, „da gibt es bereits so viele Architektur-Hochschulen und warum dann jetzt noch so eine kleine dazu? Wie ver­ rückt muss man eigentlich sein, um so etwas anzubieten?“ Genau das scheint ihn aber auch besonders neugierig darauf gemacht zu haben, hier vielleicht selber mit zu wirken. „Also wenn ihr mich fragt“, sagt Bene, „dann hat sich ja doch einiges verändert seitdem. Alanus

ist zum Beispiel viel bekannter geworden! Es gibt mehr Kollegen, viel mehr Studenten, eine weitaus größere Präsenz in der Öffentlichkeit! Sei es nun die Hochschule als Ganzes oder aber nur unser Fachbereich: man kennt uns, redet über uns und vor allem auch mit uns! Ich mer­ ke das immer wieder, wenn ich vor allem in der Region hier zu tun habe. In Köln, in Bonn, in der Umgebung, da haben wir uns seitdem mit allerhand Projekten eingebracht und dabei viel Freude gehabt und Freunde gefunden!“ „Ja, und das nicht nur hier!“ ergänzt Marek, „überall wo ich unterwegs bin, im In- und im Ausland, erzähle ich gerne und mit Stolz von

unserer Arbeit!“ Marek hat in seinem Büro bei GMP in Aachen viele international bekannte Fußballstadien entworfen und deren Umset­ zung betreut. Seinen spannenden Geschichten darüber, hört man immer gerne zu. „Also was mich damals sehr begeistert hat, war, dass es Nik (Nikolaus von Kaisenberg, damaliger Fachbereichsleiter, Anm. d. Red.) gelingen konnte, so unterschiedliche Typen wie uns hier hin zu holen. Das war das Gegenteil von Schule. Das versprach von Beginn an, maximale Vielfalt in der Lehre“ sagt Swen. „Ja, und doch haben wir uns von Anfang an sehr gut verstanden, oder eben gerade deshalb!“ meint Bene. „Die Freiheit in der Lehre das machen zu können, was man auch wirklich vertreten kann und will, das ist es, worauf es an der Hoch­ schule zunächst einmal ankommt und das konnten und können wir alle hier immer noch wunderbar ausbreiten, uns darin austauschen und in vielen verschiedenen Aufgaben und Arbeiten auch mit den Kollegen der anderen Fachbereiche anwenden. Damals haben wir ja erst einmal im Alfterer Schloß gearbeitet. Das war zwar sehr besonders, aber eigentlich eher so eine Art Trutzburg, verschlossen, wenig einladend. Der einzig wirklich gute Raum da für unsere Zwecke, war der Innenhof, eine Art Raumlabor unter freiem Himmel in dem ganz schön viel passiert ist.“ Marek lacht. „Ja, und die Studenten waren eine echt lustige Gruppe. Da gab es so ein Schild an der Tür zu einem ihrer Arbeitsräume auf dem stand: Architektur ist Vertrauen. Dahinter saßen dann drei coole Typen, richtige Gangster (wahrscheinlich Dirk, Jonas und Daniel, Anm. d. Red.), und mit denen hat es sofort richtig Spaß gemacht!

125


Menschen

Die waren mit Haut und Haaren dabei und man hatte auch mit allen anderen ganz schnell ein herzliches Verhältnis und im Ergebnis der Arbeit tolle Projekte!“ Marek beschreibt das sehr gestenreich und die beiden anderen geben ihm Recht. „Die waren neugierig und offen. Das war damals so und hat sich auch bis heute nicht verändert. Verrückte Typen, die etwas wollen, die nicht hier hin gekommen sind um einfach nur Architektur zu studieren, sondern die daran interessiert sind, mit zu gestalten, andere in ihr Denken mit einzubeziehen, sich selber mit Mut einzubringen und bei denen man eigentlich jeden Tag spürt, dass sie gerne hier sind!“ sagt Bene. „Was habt ihr denn verändert?“ fragt Miriam. „Tja, das ist keine leichte Frage“, antwortet Swen, „ich glaube, ich würde eher fragen, was die Hochschule und diese Zeit hier an uns verändert hat.“ „Da hast Du eigent­ lich Recht“, antwortet Bene, „aber wenn ich

Fragestellungen austauschen. So lange, bis Rauch aufsteigt, könnte man sagen!“ „Haben wir uns verändert?“ fragt Marek. „Klar,“ sagt Bene „wir sind natürlich schöner geworden!“ und alle müssen herzlich lachen. „Wir haben viele Erfahrungen in allen möglichen Bereichen gesammelt. Sei es nun in der Begleitung unseres neuen Campus, sei es in der Gremienarbeit in der Hochschule, im Senat, im Fachbereich, wo und wie auch immer. Da kommt schon ganz schön was zusammen in all den Jahren und das geht natürlich nicht spurlos an einem vorüber. Etwas sehr Besonderes ist aber nach wie vor gleich: die grundsätzliche Freude daran, diese Arbeit machen zu können und mit dieser Hochschule die Möglichkeit dazu zu haben ist nach wie vor ungebrochen und darauf müssen wir, wie ich finde, einfach einmal anstoßen!“ Das tun alle fünfe dann. Bevor der Beobachter dieses lustigen Stelldicheins mit seinem neuen Fahrrad zum nächsten Termin aufbricht, wünscht

zum Beispiel darüber nachdenke, was du hier verändert hast, dann würde ich spontan darauf antworten, dass du zum Beispiel viel am Reden und Denken über deine eigenen Themen, die du mitgebracht hast verändern konntest und kannst. Das passiert mit den Studenten, aber auch unter uns Kollegen und ich finde, hier gibt es immer wieder Momente, da wird die eigentlich klar verteilte Rolle von Lehrer und Lernenden einfach überwunden und alle wer­ den zu Menschen, die auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen und sich zu bestimmten

er den drei Geburtstagskindern noch alles Gute, gratuliert im Namen der mag Redak­ tion und freut sich schon jetzt darauf, dass es aus diesem Anlass im Herbst ein kleines Geburtstagsfest geben soll! „Ja, die Feiern hier sind unvergesslich!“ meint Marek noch, „beim letzten Mal musste ich anschließend fünf Tage lang meine Jacke lüften um den Geruch des Lagerfeuers raus zu kriegen!“ und wenn man die kleine Gruppe dann da so fröhlich sitzen sieht, kann man sich sofort vorstellen, wie das gemeint ist. ■

126


WAS MACHSTE SO? TELEFON- UND ORTSGESPRÄCHE MIT DIPL.-ING. ANNETT HILLEBRAND HELENA DEIFUHS Nach einer echt anstrengenden Abgabephase, mit unendlich vielen Nachtschichten und Turbulenzen, die, sich aber auch gelohnt haben, ist wieder ein Semester vorüber ! Wir haben sehr viel gelernt, sind wieder an uns gewachsen und haben bei einem Wettbewerb für einen Andachtsraum in Sankt Au­ gustin den 2. Platz gemacht. Ich bin sehr glücklich über den Erfolg! Jetzt befinde ich mich etwas müde, aber sehr zufrieden in Kopenha­ gen bei meiner besten Freundin, die dort ihr Abschluss-Zeugnis in „Global Health and Nutrition“ verliehen bekommen hat. Ich mache ein Semester Pause, um ein Praktikum zu machen und zu reisen. Eine Inspirationsquelle vor dem Bachelor Abschluss im Semester darauf. Ich bin gespannt. ■

AVILA DIETRICH … lernen, arbeiten, leben, reisen, entwerfen, erforschen, entwickeln, experimentieren, ausprobieren, gestalten, testen, präsentieren, besprechen, überlegen, ausdenken, grübeln, überarbeiten, lachen, reden, diskutieren, quatschen, lieben, wünschen, freuen, darstellen. Mit interessanten, inspirierenden, motivierenden, netten, guten, lustigen und unterschiedlichsten Menschen. ■

DIRK HELLINGS Ich bin ich seit Anfang des Jahres Büropartner im Büro „Grotegut Architekten“, vormals Architekturbüro Rainer Grotegut, in dem ich seit 2006 zunächst als freier Mitarbeiter und seit 2008 als angestellter Architekt arbeite. Schwerpunkt des Büros ist privater Wohnungsbau von energetischer Sanierung über Baudenkmäler zu „gehobenen“ Wohn­ häusern und Mehrfamilienhäusern. Alle Leistungsphasen von der ersten Entwurfsskizze bis zur Fertigstellung. Das Büro kommt ursprünglich aus der Sparte ökologischem Bauen, ist mittlerweile auf acht Mitarbeiter angewachsen und hat seit der Bürogründung 1986 rund 300 Projekte geplant und gebaut.Wir freuen uns, dass seit Anfang Februar auch Sonja Siewert als weitere „Ehemalige“ bei uns arbeitet. ■

DARYAN KNOBLAUCH Wenn Zeit schnell vergeht, hat man Spaß und wächst an seinen Erfahrungen, so heißt es. Von der ersten Haut, bis zu der in welcher ich nun stecke, hat sich einiges getan: Packpapier + Kreide. Pläne in Aquarell. Rau­ cherpavillons. Praktikum in San Francisco. Digitales Entwerfen. Studentenwohnheime. Andachtsräume. „Hiwi“ werden. Und all das in einem Jahr. Hier wird Architektur als dreidimensionaler Ausdruck einer Gesellschaft verstanden und dadurch zum lehrreichen Lebens­ stil, statt staubigem Studium. ■ 127


Menschen

ANNA MARCHENKO Ich treibe weiter mein kleines Büro am Ende der Welt (in Dnipropetrowsk). Wir haben zur Zeit zwei Projekte für Innen­ architektur auf dem Tisch: eins in Kiew und eins hier. Gleich fängt die Baustelle an … Deswegen sind wir bisschen im Stress. Gleichzeitig machen wir noch zwei Outsourcing Aufträge für unsere Partner in Deutschland: ein kleiner Anbau und eine DHH. Im Januar haben wir an einem ukrainischen Wettbewerb teilge­ nommen und warten auf die Ergebnisse … Ich bin auch weiter ehrenamtlich tätig in der Initiative „Сад Поруч“ für Transformation des öffentlichen Raums (welche wir selbst initiiert haben =). Da kämpfen wir zur Zeit für Fördergelder für ein cooles partizipatives Dach auf einem Mehrfamilienhaus … eh … ich glaube, das wars. Viele herzliche Grüße an alle Alaner! ■

LISA KÜPPER „Ich liebe es, abends noch spät im Atelier zu arbeiten. Wir helfen uns gegenseitig, wenn es darum geht, noch schnell ein Modell fertig zu bauen oder ein aufwendiges Detail zu zeichnen und es ist garantiert immer super lustig!“ ■

GREGOR SCHMIDT Freiberuflicher Lebenskünstler, primär unterwegs in der Realisierung eigener Vorhaben in der industriellen Wirtschaft und der Beratung, aber auch in der persönlichen Weiterbildung und vermehrt in der Nachwuchsförderung. Planung und Realisierung von Bauvorhaben u.a. als Investor werden durchgeführt und stehen in der Zukunft auf dem Plan. ■

KEVIN OSENAU Da ich trotz der erholsamen Pause zwischen den Semstern das Entwerfen nicht ganz lassen kann, plane ich im Moment ein Vogelhaus in unserem Garten. Noah (Taube auf dem Bild) ist zwar letzten Sommer gestorben, aber es gibt eine Hals­ bandsittichfamilie, die jeden Tag vorbeikommt. Ich finde das Motiv einer Raststation ganz spannend, schließlich wohnen die farbenprächtigen Vögel nicht bei uns - sondern schneien immer nur kurz rein. ■ 128


TIMO RÖTZEL Ich zeug‘ ein Kind, ich pflanz‘ nen Baum und bau‘ ein Haus...? ■

SONJA SIEWERT, MAREN BRIXIUS + LENA SCHMIDT Sonja und Maren haben sich mit Lena „als Geisterjäger-Trio“ selbstständig gemacht! Nebenbei sind die beiden dennoch in der Architekturbranche tätig und arbeiten in Bonn bei Grotegut Architekten bzw. ulrich hartung gmbh - Stadtplanung Projekt­ entwicklung. Auf der Baustelle gab es schon die ein‘ oder andere unheimliche Begegnung. ■

BARBARA SCHULTZE-FLOREY Ich bin Barbara Schultze-Florey und habe von 1990-1992 an der Alanus Architektur studiert. Den Rest des Studiums habe ich an der FH Köln gemacht, da es damals noch kein staatliches Diplom an der Alanus gab. Wir haben im Schloss studiert, was sehr schön war. Unsere Dozenten waren Herr Ferger und Herr Hildebrandt. Heute arbeite ich hauptsächlich als Farbgestalterin und plane und führe farbige Wandlasuren aus. Meine Kollegin ist Jorien Joisten-Jonges, sie hat gleichzeitig an der Alanus Bildhauerei studiert. Auf dem Foto sieht man uns beide, rechts bin ich, links Jorien. Also eine richtige Alanus-Connection! Je nach Auftrags­ lage arbeite ich auch für Architekten. Dass Architektur hauptsächlich nur noch am Rechner stattfindet, finde ich langweilig… Außerdem habe ich noch einen Job als Mutter von drei Jungs. Ob die auch Architekten werden? ■

MAX ULLRICH ’S machta’ so? Wettbewerbe und Bauherren glücklich machen… ■ 129


130


AUSBLICK FÜNF JAHRE ARCHITEKTUR STUDIEREN!

D

er Fachbereich Architektur reformiert seine Studiengänge zum Herbstsemester 2016 / 2017. Wie lange soll man Architektur studieren und welche Themen sind dabei wichtig? Das Kollegium im Fachbereich Architektur hat die Re-Akkreditierung des Masterstudienganges zum Anlass genommen, grundsätzlich über das Studienangebot, die Schwerpunkte und die Anschlussfähigkeit mit anderen Hoch­ schulen nachzudenken. Dabei wurde nach längerer Beratung beschlossen, die seit 2007 geltende Studienstruktur (4 Jahre Bachelor Vollzeit, 2 Jahre Master Teilzeit) auf ein konsekutives 5-jähriges Modell (3 Jahre Bachelor, 2 Jahre Master, beide in Vollzeit) umzustellen. Ein entsprechender Antrag auf Akkreditierung wurde Anfang des Jahres bei der Agentur AHPGS eingereicht; mit einer Akkre­ ditierung ist im Sommer zu rechnen, sodass die neue Struktur voraussichtlich zum Herbstsemester 2016/2017 eingeführt werden kann. Es handelt sich hierbei in erster Linie um eine strukturelle Änderung, da die inhaltliche Klammer „mag: Mensch-Archi­ tektur-Gesellschaft“ nicht aufgegeben, sondern mit dem neuen Modell eher noch verstärkt werden soll. Die jeweiligen Eingangsmodule im 1. Semester widmen sich vor allem der Fragestellung, welche Rolle der Architekt im Zusammenspiel von Mensch und Gesellschaft, dem Individuum und der Gemeinschaft einnehmen kann und welche Archi­ tektur dabei entsteht. Die tragende Studiensäule bildet das Projektstudium, in dem von Anfang an das Entwerfen als Kunst interdisziplinären Schaffens im Mittelpunkt steht. Von Semester zu Semester wird eine Teildisziplin der Architektur, sei es technisch-konstruktiver oder gestalterisch-räumlicher Art the­ matisiert und in die Projekte integriert. Das nötige Handwerk­ zeug für Darstellungsarten, Kommunikation und Präsentation wird ebenso geschult wie der Blick für die Geschichte und Theorie der Architektur. Begleitende Kunst-, Philosophie- und Ästhetik-Fächer erweitern den Horizont und ordnen das eigene Tun in einen größeren Kontext ein. Der neue Masterstudiengang Architektur bietet eine beson­ dere Vertiefung im Entwerfen und Konzipieren von komple­ xen Projekten mit gesellschaftlich relevanten Themen. Dafür werden neben den klassischen Arbeitsbereichen vor allem auch Methoden des Projektmanagements und der gemeinschaftsorientierten Projektentwicklung angewendet und mit der Praxis der künstlerisch-räumlichen Intervention verknüpft. Insgesamt soll den Studierenden eine Möglichkeit eröffnet werden, ihre zukünftige Rolle als Mitgestalter von Gesellschaft aktiv vorzube­ reiten und die Architektur als Werkzeug dafür zu verstehen.

Bachelor- und Masterstudiengang werden zukünftig noch mehr miteinander verknüpft. Das wird sich ganz besonders auch in der Arbeit im Atelierhaus be­ merkbar machen, wo durch die beiden Vollzeit-Modelle ein noch intensiverer Aus­ tausch zwischen allen Lernenden und Lehrenden des Fachbereichs entstehen wird. Unserem gemeinsamen Anliegen, Gestaltungsaufgaben ganzheitlich zu begreifen und zu versuchen verantwortungsvolle Lösungsvorschläge sowohl für das Werk wie aber auch den Weg zu finden, wird mit dieser Reform Rechnung getragen. Mit der strukturellen Änderung folgt der Fachbereich der Mehrheit deutscher und internationaler Studiengänge für Architektur, den Master als berufsbefähi­ genden Regelabschluss zu etablieren. Gleichzeitig können Absolventen 3-jähriger Architekturbachelor anderer Hochschulen besser und reibungsloser in den Master aufgenommen werden und erhalten damit die Möglichkeit, ihre bisher erworbenen Fähigkeiten im Kontext von Kunst und Gesellschaft besonders zu vertiefen und zu ergänzen. An dieser Stelle zeigen wir gerne den dazu erstellten neuen Studienverlaufsplan und freuen uns auf erste Berichte und Erfahrungen zu dessen Umsetzung im nächsten „mag“. ■ Benedikt Stahl + Willem-Jan Beeren

131


132


IMPRESSUM mag09 HERAUSGEBER Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Fachbereich Architektur Prof. Benedikt Stahl Prof. Willem-Jan Beeren Villestr. 3 53347 Alfter www.alanus.edu mag@alanus.edu REDAKTION UND KOORDINATION Sebastian Pilz Simon Koolmann Miriam Hamel Benedikt Stahl GESTALTUNG UND LAYOUT Nola Bally Dominique Buchmaier LEKTORAT Florian Kluge DRUCK Druckhaus Süd Medien GmbH, Köln Sechtemer Str. 12, 50968 Köln

AUFLAGE Limitierte Auflage: 1000 Exemplare PAPIER RecyStar Natur, 80g/m2, Papyrus SCHRIFTEN Minion Trade Gothic HINWEIS Alle Inhalte (Texte, Bilder, Illustrationen, freie Arbeiten und Grafiken) sind urheberrechtlich geschützt. Die Rechte liegen bei den jeweiligen Autoren. Ohne die ausdrückliche Zustimmung der Autoren / Rechteinhaber ist der Abdruck und die sonstige Verviel­ fältigung auf analogem oder elektronischem Wege nicht gestattet.

Danke allen Autoren und Illustratoren, die uns ihre Beiträge zur Verfügung gestellt haben und René Schiffer für den professionellen Blick auf das Layout! Mai 2016 ISSN 2190-3565

133





Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.