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Der รถffentliche Raum



Vorwort

Mit dieser neuen und vierten Ausgabe des mag habe ich das erste Mal die Ehre, als neuer Fachbereichsleiter ein Vorwort schreiben zu dürfen. Diesen öffentlichen Raum möchte ich zunächst einmal gerne nutzen, meinem Vorgänger Prof. Nikolaus v. Kaisenberg im Namen aller Kollegen und Studenten herzlich für seine Arbeit zu danken. Prof. v. Kaisenberg hat den Fachbereich viele Jahre lang geleitet und ist als leidenschaftlicher „Alaner“ wesentlich für dessen Entwicklung verantwortlich. Mit stetem Einsatz und unermüdlichem persönlichen Engagement hat er es geschafft, die Architektur als Studienfach an der Alanus Hochschule zu verteidigen und sowohl die staatliche Anerkennung des Studienabschlusses wie auch die Weiterentwicklung und Akkreditierung in die heute bestehenden Bachelor- und Masterstudiengänge zu führen. Ich selbst schätze ihn als hervorragenden Kollegen, dem ich gerne begegne, der etwas zu erzählen hat, von dem ich gerne lerne und dessen Wachsamkeit vor allem auch für die Gespräche über die unsichtbaren Räume sehr dazu beiträgt, unsere Arbeit unter die Oberfläche zu bringen und die eigenen Grenzen auszuloten. Nach einer langen Zeit mit vielen verantwortungsvollen Aufgaben hat er nun den Stab weitergereicht und kann sich – wohlverdient – wieder mehr seinen Lehr- und Forschungsaufgaben widmen. Dabei wünsche ich ihm viel Glück, neue Entdeckungen und weitere wunderbare Jahre an Alanus. Ich freue mich, dass ich die neue Aufgabe nicht alleine bewältigen muß und mir mein Kollege Prof. Swen Geiss gegenübersitzt. Gemeinsam mit unserem Fachbereichsmanager Willem-Jan Beeren wollen und werden wir uns gerne bemühen, zum Wohle des Fachbereichs zu arbeiten. Das Spinnen von Fäden auf Plätzen, die Darstellung von Masken als Fassaden des Schauspiels aber auch das Erfinden von Ideen für verschiedenste Stadträume gehört in eine Dokumentation von Semesterarbeiten zum Thema „Öffentlicher Raum“. Auch dieses Heft ist wieder einmal gefüllt mit allen möglichen Eindrücken aus der Werkstatt der Architekturarbeit an unserer Hochschule. Beim Durchlesen des Manuskriptes sind es weniger die einzelnen Beiträge – die ich als skizzenhafte Dokumentation verstehe –die mich gefangen nehmen als vielmehr der Gesamteindruck. Erst das Verbinden einzelner Orte spannt – so sagt es der Philosoph Günter Seubold in seinem Interview – Raum auf. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen beim Spaziergang durch unsere Räume spannende Inspirationen.

Prof. Benedikt Stahl Fachbereichsleiter


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Inhalt

EDITORIAL Mit dem Fachbreich auf der Plan 10 in Köln

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Im ersten Studienjahr: Mensch & Architektur / Die erste & zweite Haut

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Der Neumarkt in Aachen wird gestalltet Das Raumlabor, Innenraum-Vertiefung

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Excursione a italia

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Prof. Dr.-Ing Florian Kluge stellt sich im Interview unseren Fragen

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Das dritte Jahr entwirft ein Zentrum für Handwerker & Künstler im Kulturpark Alfter

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Stegreif in Potsdam / Studentenarchitekturwettbewerb

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Unsere Studienangebote

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Das Mittwochsforum - Der öffentliche Raum

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Im Interview mit Prof. Dr. Phil. habil. Günther Seubold über Philosophie & Architektur

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Diplomarbeiten

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Impressum

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..auf der

in Köln Mit Wäscheleinen und Knüpftechnik haben Studierende des Fachbereichs Architektur den Brüsseler Platz in Köln mit einer performativen Installation verwandelt. Unter der Leitung der Architekturdozenten Benedikt Stahl, Ulrike Platz und Willem-Jan Beeren fand die Aktion vom 24. September bis zum 1. Oktober 2010 statt. Im Rahmen der plan10 unter dem Motto „Die Architektur, die Stadt, die Künste“ arbeiteten 15 Studierende des 2. und 4. Studienjahres des Bachelorstudiengangs „Architektur und Stadtraum“ an einer „spinnigen“ Struktur. Sie griffen die vorhandenen Qualitäten des Platzes auf, veränderten sie und steigerten sie in einer begehbaren Installation zu neuen Raumerlebnissen. Die Aktion war von Anfang an dialogisch und kommunikativ angelegt: Anwohner und Passanten mischten sich unter die Arbeitenden und legten selber mit Hand an. Viele Gespräche „sponnen“

sich anknüpfend an das Gesehene und Erlebte zwischen den Besuchern und Akteuren. Die Einfachheit der Konstruktion, die chaotisch aussehende und doch einheitlich erlebte Gestaltung sowie die ständig wachsende Skulptur fand bei den Besuchern jeden Alters viel Zuspruch. Eine ausführliche Dokumentation finden Sie unter www.issuu.com/alanus-architektur


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Mensch & Architektur

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Im ersten Studienjahr

Prof. Nikolaus v. Kaisenberg, Dipl.-Ing. Willem-Jan Beeren Lehrgebiet Architektur und Gesellschaft Modul: Einführung: Mensch und Architektur

Wie nehmen wir Architektur wahr? Wie nehmen wir als Mensch überhaupt wahr? Gibt es grünen Klang und riecht „eckig“ laut? Derartigen Fragen wagten wir uns zu stellen in unserem ersten Semester als Architekturstudenten. – Wie bitte? Als Architekturstudenten? „Architektur ist im Idealfall immer direkte Auseinandersetzung mit dem Menschen.“ Mit diesen Worten bringt der Amerikanische Architekt Richard Meier kurz zum Ausdruck, welche Prämisse die Grundlage für unser Selbststudium im ersten Semester war. Im Laufe des ersten Semesters gelang es uns, ein Panorama der menschlichen Sinnesfähigkeiten vor Augen zu führen. Wie sinnerfüllt die Beschäftigung mit den Sinnen war, zeigte uns jede Sitzung, in der wir dem grünen Klang und dem laut riechenden Eck mehr und mehr auf die Schliche kamen. Es sei nun Goethe zitiert, dessen Ausspruch, gewissermaßen programmatisch, am Ende unserer Arbeit auf einem Papier in einem Briefumschlag stand. An diesem Umschlag erfuhren wir die glatte Oberfläche des Papiers, die amorphe Gestalt beim Aufreißen, leichten Schmerz beim Anstupfen der Ecken oder beim Entlangfahren

an den scharfen Seiten, unser lokales Verhältnis zu ihm, den Übergang von Nähe zu Ferne und Ferne zu Nähe desselben, die exakte Rechtwinkligkeit der Kanten, den neutralen bis leicht süßlichen Geruch und Geschmack des Papiers und des Klebers. Wir sahen verschiedenste Schattierungen von Grau, Blau und Gelb, fühlten wie unsere Körperwärme vom Papier aufgenommen wurde, hörten das Rascheln und Knistern des Umschlags samt Inhalt, lasen und sprachen innerlich die geschriebenen Worte, schufen im Geiste ein Bild des Gesagten und erlebten zum Abschluss Jemanden, der diese Zeilen verfasst haben musste:

„Wär’ nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt es nie erblicken; Läg’ nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt uns Göttliches entzücken?“ (J. W. v. Goethe)

Für die „Erstsemestler“: Claudius Bäuml.


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Erste & Zweite Haut

Prof. Benedikt Stahl Lehrgebiet Architektur und Stadtraum Modul: Einführung in das Bauen

Einer der wesentlichen Unterrichtsinhalte des ersten Semesters der Architektur ist die Einführung in das Bauen. Die Unterrichtseinheiten waren so aufgebaut, dass wir zunächst vom Körper des Menschen ausgingen. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper ermöglichte einen Zugang zur menschlichen Proportion. Im zweiten Projekt ging es um Maskenbau. Die Maske als Etwas das den Menschen unmittelbar umgibt. Der dritte Schritt der Einführung in das Bauen ist dem Errichten einer ersten Architektur gewidmet. ERSTE HAUT Der erste Teil des Semesters handelte von dem Thema der körperlichen Proportionen. So ist die erste Haut auf dem Weg zur Architektur die Eigene. Um einen Zugang zu den menschlichen Maßen zu bekommen, haben wir den eigenen Körper etwa im Maßstab 1:1 gezeichnet. Wir einigten uns auf eine Wand, auf der alle Studenten des ersten Semesters mit ihrer Zeichnung erscheinen sollten. Dafür haben wir uns in Pose gestellt und mit einem Photo die StudentenKomposition festgehalten.In dieser Pose hat sich jeder selbst gezeichnet. Nach dem die Zeichnungen fertig waren, wurden die Umrisse der Personen ausge-

schnitten und eine Kollage an der Wand erstellt. Es entstand ein nettes Bild der Erstsemesterstudenten. Im Anschluss haben wir Fäden durch die Kollage gezogen, welche die Beziehungen der Einzelnen mit dem Umfeld zeigten.

ZWEITE HAUT Die zweite Haut ist die Kleidung. Die menschliche Kleidung schützt uns insbesondere vor Kälte und bildet um unseren Wärmeorganismus eine Hülle. In unserem Fall gehört zur zweiten Haut auch die Maske. Masken werden zu seltenen Gelegenheiten getragen. Sie bergen stets Symbolcharakter. Im Theater werden sie als gezieltes Stilmittel eingesetzt, mit dem das Innere der Theaterfigur zum Ausdruck kommt. Bauwerke werden in der Regel auch bekleidet. Dadurch wird die Bausubstanz vor äußeren Einflüssen geschützt. Eine Fassade muss nicht nur schützen. Sie kann auch zur Zier angebracht sein, so auch bei der Kleidung und einer Maske.

Jakob Kraul, Student des ersten Semesters.


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Erste Haut Haut Erste


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Zweite Haut


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Im Studienfach Konstruktives Entwerfen war in diesem 3. Semester die Aufgabe gestellt, für den Neumarkt in Aachen eine optimiertere Organisation des Geländes und die sich auf ihm befindlichen Bestandteile in einem neuen Entwurf zu erarbeiten. Das Thema der Semesterarbeit – Projekt 3 „Öffentlicher Raum“ ist die Entwicklung eines Städtebaukonzeptes mit Platzgestaltung und einem Cafégebäude am Neumarkt in Aachen. Dieses soll inhaltlich stadträumlichen und architektonischen Bedürfnissen des Ortes gerecht werden. Die

Neumarkt Aachen

durch Prof. Nowak gestellte Aufgabe beinhaltete die Untersuchung bestimmter Faktoren, die in einem zu erstellenden Entwurf berücksichtigt werden konnten. Unter anderem fanden sich unter diesen: Verkehr, Art der Bewohner des Viertels (u.a. Altersstruktur, sozialer Stand oder Bedürfnisse), Vegetation oder zum Beispiel der Bestand der Umgebungsbauten. Den zeichnerischen Entwurfsarbeiten hatte jedoch ein klares Konzept vorauszugehen. Florian Komescher (Student)

Prof. Marek Nowak Lehrgebiet konstruktives Entwerfen Modul: Baukonstruktion und Baustoffe


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Student: Betreuung: Semester:

Jan Henning Eggers Prof. Marek Nowak 3

Platzgestaltung Prägendstes Element der neuen Platzgestaltung ist die Senke, die den mittleren Bereich des Platzes aus der charakteristischen Schräge heraus wieder in die Waagerechte bringt und über gemächliche Treppen und eine lange, Bobbycar-herausfordernde Rampe erschlossen wird. Der Sonntagnachmittag lässt sich auch wunderbar beim Boulespiel auf den zwei neu angelegten Plätzen verbringen. Auch Schaukeln, Wippe, Sandkasten und der Wasserlauf über die Treppe laden zum Spielen ein: Die eckigen, harten Formen werden durch das Wasser, die üppige Begrünung und natürlich die Aachener Bürger und vor allem die Kinder belebt und erfüllen so ihren Zweck. Jede Funktion findet - auch gefühlt - ihre Ecke!

Cafépavillon Die zwei Kupferkammern bekommen durch das besondere Material eine ausgefallene, einzigartige Note. Sie werden von einem elegant schlichten Rahmen aus Sichtbeton eingefasst - es ergeben sich gerahmte Einblicke, Neublicke auf den Platz. Die westliche Kupferkammer enthält die öffentlich zugänglichen, großräumigen Toiletten, die auch von Cafébesuchern benutzt werden können. Die östliche Kupferkammer enthält die Cafébar; der Sitz- und Genießerbereich schließt sich an und wird von der Glasfassade begrenzt.


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Studenten: Betreuung: Semester:

Neumarkt Aachen Martin Böttcher Prof. Marek Nowak 3

Café am Neumarkt Als funktionierender Platz in Aachen hat der jetzige Neumarkt drei hauptsächliche Funktionen inne: Die Marktfläche als Freifläche, Spielflächen und die Gastronomie. Im Entwurf sollten diese Nutzungen erhalten bleiben und lediglich die Anordnung dieser Flächen eine übersichtliche und sinnvolle Gestaltung erfahren. So findet man im Entwurf die Freifläche durch Treppenstufen eingefasst in der Mitte des Platzes umgeben von Grün- und Spielflächen. Der Sandkasten im Westen für morgendliche Ostsonne, das Wasserspiel im Osten für die warmen Tageszeiten und das Café im Nordosten der Nachmittagssonne zugewandt. Mit dieser Gliederung soll der Platz den unterschiedlichen Altersgruppen seiner Besucher gerecht werden, diese jedoch nicht segregieren, sondern miteinander verbinden. Das Café ist eine Leimbinder-Konstruktion bestehend aus insgesamt 30 unterschiedlichen Trägern mit einem Innen- und Außensitzbereich. Im EG befindet sich lediglich eine kleine Bar; Küche und WC sind im UG untergebracht. Über einen Speiseaufzug sind Bar und Küche miteinander verbunden.


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Neumarkt Aachen

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Student: Betreuung: Semester:

Hannah Kosche Prof. Marek Nowak 3

Der Neumarkt in Aachen liegt im Frankenberger Viertel. Je nach Tageszeit wird er von Menschen unterschiedlichen Alters genutzt. Ein Mal pro Woche findet ein Markt statt. Momentan wird abends von dem Café an der Bismarckstrasse eine Art Biergarten auf dem Neumarkt geöffnet. Der zugehörige Wagen soll durch ein eigenes Gebäude ersetzt werden und der Platz neu gestaltet werden. Durch den Entwurf bleiben die vorhanden Grundfunktionen und Bereiche erhalten und bekommen eine neue Form, die das Ganze mehr zu einer Einheit zusammenfasst und dennoch die Bereiche klar abtrennt. Die Materialien des Platzes ergeben sich aus der Funktion: Der Außenbereich unter den Bäumen soll mit grauem Kies belegt werden. Der innere Korpus nimmt die Farbe von außen auf, so dass eine Einheit gebildet wird und davor heben sich das der Form angepasste Holzregal und die Theke gut ab. Die Möblierung wiederum ist aus Metall, so dass sich ein Kontrast ergibt und die Tische und Stühle sowohl innen als auch aussen benutzt werden können.


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Der Unterbau des Pavillons soll mit Holzdielen versehen werden. Der Sandkasten und der Spielbereich bekommen eine Metallumrandung, um das Material zu fassen und um eine Rückenlehne für die Holzsitzfläche zu erhalten. Das Café hat eine Ellipse als Grundriss und eine weitere leicht versetzte Ellipse bildet das Dach, welches einen großen Teil des Caféaußenbereichs überdacht. Es ist eine weiße Membrankonstruktion, die über die rote Stütze abgespannt werden soll und sich bis auf das Dach zu den durch die Glasfassade gehenden Stützen hinzieht. Der Bereich in Richtung der Spielflächen ist aus Glas. Der Teil der Fassade zur Hauptstrasse hin ist

aus Stahlbeton, welcher mit glattem rotem Putz versehen werden soll. Hier befinden sich der Lagerraum und die Toiletten, welche auch von außen separat zugänglich sind. in diesem Bereich kommt das Tageslicht durch Milchglasöffnungen. Das Dach ist zur großen Stütze hin geneigt, so dass das Regenwasser abfliessen und direkt als Brauchwasser genutzt werden kann.


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Student: Betreuung: Semester:

Neumarkt Aachen

Dominique Buchmaier Prof. Marek Nowak 3

Die Nutzung und der Gebrauch des Neumarktes im Zusammenspiel mit der Umgebung soll anhand der Entwicklung eines Städtebaukonzeptes mit Platzgestaltung und einem Cafégebäude am Neumarkt im Frankenberger Viertel in Aachen aufgezeigt werden. Mein Entwurf ist eine Symbiose aus Platz- und Cafégestaltung, wobei sich durch die Wahl der Materialien eine einheitliche Gestaltung ergibt. Die drei Bereiche des Cafés, des Marktes, sowie des Spielplatzes sollen in einem Gesamtbild erscheinen und nicht nebeneinander stehen.


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Student: Betreuung: Semester:

Neumarkt Aachen

Julian Fischer Prof. Marek Nowak Hauptstudium (Diplom)

Gedanken zum Entwurf Der im Frankenberger Viertel gelegene Neumarkt ist ein städtischer Platz, der allseits von Verkehr umflossen ist. Im Norden befindet sich eine wichtige Verkehrsader des Viertels, die Bismarkstraße. Im Osten und Westen zwei Nebenstraßen, die vorranig von Anwohnern und zum Parken benutzt werden. Der Baumbestand an allen vier Seiten des Platzes ist inhomogen. Es gibt ca. drei verschiedene Baumgrößen. Insgesamt wirkt der Baumbestand zu groß für den Platz und somit drückend. Der Grund für diese massive Bepflanzung kam wohl nicht aus dem Bedürfnis, den Platz zu markieren und zu umfrieden, sondern eher daher, Sicht- und Schallschutz für die umliegenden Häuser zu erhalten. Mein Ziel ist es, den Platz in seiner Funktion, Gesicht, Bespielbarkeit und Durchquerung neu zu gliedern.


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Erschließung und Zonierung Der Hauptweg durchläuft den Platz von Nord nach Süd mit einem leichten Schwung, ohne auf Hindernisse zu stoßen. Der zweite Weg, oder Nebenweg führt den Besucher unmittelbar zu den Ereignisfeldern des Platzes. Er verläuft wie ein Serpentinenweg, auf dem der Wanderer in jeder Wegbiegung neue Einblicke und Betätigungsmöglichkeiten vorfindet. In der letzten Biegung befindet sich der Cafepavillion, „die Almhütte“. Dieser Weg zoniert den Platz klar in einzelne Bereiche.

Zone I

Zone II

Zone III

Cafe

Biergarten

Sandkasten I

Boul

Frankenburg

Sandkasten II

Wasserspiel

Zone IV

Markt

Markt / Sportfläche

Zone I grenzt an die Bismarkstraße, die belebteste Seite des Platzes. Hier ist auch der Cafepavillion plaziert. Er wirkt mit seiner tranzluzenten Profilglasfassade von der Straßenseite eher geschlossen, eröffnet aber zum Platz einen offenen Hof mit viel Tranperenz und lädt so zum Verweilen ein. Gegenüber dem Pavillion befindet sich eine große Fläche, die im Sommer hervorragend als Caféerweiterung und als Biergarten genutzt werden kann. Zone II Hier schneidet der Nebenweg tief in die seitlichen Begrenzungskästen und schafft so eine besondere Sitzgelegenheit im Halbrund. Der daran angrenzende Sandkasten lädt besonders Eltern mit ihren kleinen Kindern zum Verweilen ein. Zusätzlich ist es der Ort auf dem Platz, an dem die Morgensonne zuerst scheint. Mittags ist dieser Ort wieder verschattet

3,4m 3,0m

0,9m

0,0m

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durch die umliegenden hohen Bäume. Gegenüber des Sandkastens, getrennt durch den Hauptweg befindet sich eine Kiesfläche, die fürs Boulespiel in all seinen Facetten prädestiniert ist. Zone III Hier ist gegenüber einem weiteren Sandkasten, wie in Zone I ein Platz für einen Spielplatz mit Geräten, wie Schaukel, Wippe und Kletterburg für größere Kinder vorgesehen. Zone IV Sie bietet eine unverstellte Fläche für den Wochenmarkt an. Im Zentrum befindet sich eine begehbare Wasserfläche mit kleinen Springbrunnen und Wasserdampf.


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Das Raumlabor und das Fach „Vertiefung Innenraum“ sollten für das 3. Semester eine verschmelzende Einheit ergeben, sodass Raumstudien zum ersten Mal im Massstab 1:1 in die Realität umgesetzt werden konnten. Es gab keine Vorgaben, Einschränkungen, Regeln oder Hindernisse, die das Studienjahr beachten musste. Das Material wurde den Studenten durch ein besonders aufmerksames Sponsoring der Firma Knauf zur Verfügung gestellt. Leitbilder und Inspirationen zum übergeordneten Rahmenthema „Architektur als Erlebnisraum“ stellten die verschiedenen Pavillons der Architekturbiennale Venedig dar, die einige Studenten im Vorjahr besucht hatten. Nach einer Materialeinführung durch Matthias Dlugay von der KnaufAkademie hiess es ab ins Raumlabor, an die Materialien und fertig los. Dominique Buchmaier, Studentin

Prof.Benedikt Stahl Lehrgebiet Architektur und Stadtraum Modul: Vertiefung Innenraum

Im Raumlabor


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FB Architektur, Prof. Benedikt Stahl Exkursion Nach Vicenza und Venedig vom 08.09.2010 bis 13.09.2010 Teilnehmer: Maren Brixius, Eliot Wilson, Jan Henning Eggers, Dominique Buchmaier, Annalena Hänel, Julian Fischer, Julian Meißner, Florian Komescher, Max Ullrich

Eine kleine Reise in die Geschichte der Architektur.

Die Vergangenheit Vicenza, eine Stadt in Venetien, die vor allem durch den Architekten Andrea Palladio bekannt geworden ist. Ungefähr in der Zeit zwischen 1540 und 1580 lebte und arbeitete der bekannte Baumeister an diesem Ort und hinterließ hier, in der Umgebung und auch in Venedig einige der berühmtesten Bauwerke der westeuropäischen Baugeschichte. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal irgendwo eine Abbildung der „Villa Rotonda“ gesehen und keinem Venedigreisenden dürfte der Anblick der beiden Kirchen „Il Redentore“ und „San Giorgio Maggiore“ entgangen sein.

Excursione a italia

die Antike bezieht. Die Renaissance, die „Wiedergeburt“ als Prozess einer kulturellen Wandlung der Gesellschaft mit revolutionären Neuerungen in Kunst und Wissenschaft. Bis heute haben die Grundgedanken Palladios, die er als schreibender Baumeister in seinen „4 Büchern über Architektur“ ihre Aussagekraft nicht eingebüßt, kann vieles von dem was er festgehalten hat auf moderne Architektur übertragen werden.

Manchmal bei wolkenbruchartigen Unwettern wo im Hintergrund eine kleine Gruppe U2 live spielt und der Regen aus den hohen Wasserspeiern mit Getöse auf den Steinplatz platscht. Was will man mehr?

Das Reisen ermöglicht uns im wahren Sinne des Wortes einige interessante Einblicke. Nur so kann es gelingen, auch einmal hinter die Kulissen zu schauen. Uns fällt zum Beispiel auf, das die Fassaden der Stadtpaläste eigentlich viel wichtiger sind als das, was sich dahinter abspielt. Die „Villa Rotonda“ thront wie eine 4-köpfige Sphinx mit vier gleichen Gesichtern auf einer Anhöhe und ist Zeuge einer Suche nach dem schönsten, besten und allgemeingültigsten Bild einer neuen Welt. Da hilft am Abend nur eine genüssliche Abkühlung mit ortsüblichen Kaltgetränken und einem richtig leckeren italienischen Essen im Marens Lieblingsrestaurant Righetti.

ist vielleicht am deutlichsten in Venedig zu spüren. Nicht in der alten Stadt, die muss darum wohl immer mehr bangen, aber auf der „Biennale di Venezia“ die im jährlichen Wechsel der Kunst oder der Architektur gewidmet ist, baden wir uns in neuen Ideen, saugen sie auf, nehmen die mit und freuen uns darauf, dass sie unsere Gespräche und Erfindungslüste zu Hause bereichern werden.

Wir waren da.

Wir sind hier.

Die Zukunft

Die diesjährige Ausstellung wurde von der japanischen Architektin Kazuio Sejima kuratiert, ist der Architektur gewidmet und steht unter dem Motto „people meet in architecture“. Wir haben zwei Tage, nutzen den einen für den Ausstellungsteil in den alten Hafengebäuden des „Arsenale“ und wandern am anderen durch die „Giardini“ mit den Pavillons der Nationen.

Die Gegenwart 500 Jahre alte Baukultur, die sich in Formensprache und Ausdruck wiederum auf

Das sind die Abende auf den Plätzen.

Dieser Reisebericht reicht bei weitem nicht aus wirklich alles das zu erzählen was


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uns so beeindruckt hat. Daher hier nur die stichwortartige Aufzählung einiger Beiträge wie zum Beispiel den niederländischen Pavillon mit hunderten von Styropormodellen leerstehender Häuser in den Niederlanden, die zu einer dichten Decke verbunden in den Raum gespannt sind. Eine Menge Zukunftsaufgaben für die Baumeister von heute warten da. Die Belgier zeigen Reste aus Abbruchhäusern die, gut ausgewogen in den Räumen präsentiert zu neuen „readymades“ werden und unserer Wegwerfkultur neue Wege aufzeigen könnten Gebrauchtes in anderem Kontext ansprechend wieder zu verwerten. In den „Arsenale“ sind es die Spaziergänge durch künstliche Wolken oder raumakustische Erlebnisse mit 40-stimmigen Renaissance (!)-Gesängen die auf 40 Boxen im Oval in der alten Schiffsbauhalle aufgestellt eine völlig andere und vor allem unerwartete Raumerfahrung vermitteln. Grenzgänge zwischen Architektur und Kunst. Erlebbare Architektur, manchmal auch der Versuch, das Gebaute völlig aufzulösen und nur eine Ahnung von einer neuen Idee zu erzeugen. Abgesehen von einigen wenigen unverbesserlichen Beiträgen die es nicht lassen können immer höhere schnellere und mächtigere Türme zu verkaufen, durchzieht eine Art Sehnsuchtsstimmung die Ausstellungshallen. Die Deutschen haben das in ihrem Pavillon vielleicht zu wörtlich genommen und Skizzen dazu gesammelt. Das überzeugt nicht so sehr, ist

aber im Kontext der gesammelten Erlebnisse auch ein Beitrag, der nachwirken kann. Alles wird zu einem Treffpunkt von Menschen mit unterschiedlichsten Ideen und gerade die Gegensätzlichkeit, die besonderen Energien die jedem Beitrag eigen sind machen das Ganze so lebendig und unvergesslich. Insgesamt fühlen wir uns wohl in diesen Räumen, versuchen soviel es geht davon aufzufangen und lernen, dass nicht jedes Erlebnis fotografiert werden muss. Die wichtigsten Bilder bleiben in unseren Herzen und können nicht verwackeln... Wir kommen wieder. B. Stahl, im Sept. 2010


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Der Masterstudiengang „Prozessarchitektur“ vervollständigt nicht nur das akademische Angebot des Fachbereiches im post-gradualen Sektor, es zieht nicht nur neue Studenten nach Alfter, die in der Regel mit einem durch eigene Praxiserfahrung gesteigerten Problembewusstsein in weiteren Studienabschnitt einsteigen, auch neue Kollegen konnten wir gewinnen. So auch Prof. Dr.-Ing Florian Kluge, der sich unseren Fragen im Interview stellte.

Lieber Florian, als Landschaftsarchitekt mit einer Promotion über Projektmanagement bist Du seit Herbst 2010 im Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule tätig: Wie geht es Dir nach Deinem „ersten“ Semester hier? In gewisser Hinsicht fühle ich mich in der Tat wie ein „Erstsemester“ hier. Alles ist noch relativ neu: Die MasterStudierenden, die Hochschule, die Kollegen, das Curriculum. Von daher verbringt man noch viel Zeit mit suchen, einrichten oder nachfragen. Die Alanus Hochschule ist aber ein Ort, an dem

man sich schnell wohlfühlen kann: Die Räume bieten eine angenehme Arbeitsatmosphäre, die Studierenden sind sehr aufgeschlossen und die Kollegen haben mir einen herzlichen Empfang bereitet und den Einstieg leicht gemacht. Der Alltag wird aber mehr dominiert vom Programm des Masters. Auch hier ist alles neu und noch längst nicht alles eingespielt - jedoch im positiven Sinne: Wir verstehen uns als Pioniere in einem sehr jungen Studiengang, in dem noch vieles entwickelt werden muss. Natürlich läuft auch da nicht alles glatt und es gibt manchmal Reibereien, aber ich

erlebe dabei enormes Engagement von allen Seiten, einen großen Gestaltungsspielraum und ich genieße die Freiheit, mich einbringen und Entscheidungsprozesse mit gestalten zu können.

Welchen Schwerpunkt vertrittst Du hier im FB und wie siehst Du den Zusammenhang zu den anderen Lehrgebieten?

Ich vertrete das Lehrgebiet ressourcenoptimiertes Projektmanagement. Im Gegensatz zu den meisten anderen Lehrgebieten steht dabei weniger die


Interview

Objekt- als die Prozessgestaltung im Vordergrund. Das ist kaum in wenigen Worten zu beschreiben, aber kurzgefasst könnte man vielleicht sagen, dass ich versuche zu vermitteln, wie Gestaltungs-, Entwicklungs- und Planungsprozesse mithilfe von Projektmanagement zielgerichtet, strukturiert, organisiert, akteursorientiert, ressourcengerecht, kommunikativ, moderiert und konsensorientiert gestaltet werden können. Ich denke, diese Liste zeigt schon, dass Projektmanagement viel mehr sein kann und muss, als lediglich Kosten, Termine, Leistungen und Qualitäten zu steuern obwohl auch das natürlich eine zentrale Anforderung ist. Legt man dieses Verständnis zugrunde, wird schnell deutlich, dass es im Rahmen der Projektarbeit Schnittstellen zu jedem anderen Lehrgebiet gibt. Die im Projektmanagement vermittelte Methodenkompetenz kann in allen Studienfächern Anwendung finden. Im Masterstudium - insbesondere in der Zusammenarbeit mit Swen Geiss - gelingt es bereits sehr gut, diese inhaltliche Verflechtung auch in der Lehre vorzu-

leben. Da gibt es gemeinsame Lehrveranstaltungen, Teambetreuungen und Forschungsforen, in denen sehr intensiv und - unbedingt - auch kontrovers diskutiert werden darf. Mittelfristig wäre es wünschenswert, eine stärkere Verknüpfung zwischen Bachelor- und Masterstudium zu etablieren und - trotz voller Stundenpläne - Projektmanagementinhalte auch in das Bachelor-Curriculum zu integrieren. Insbesondere für die Vermittlung einfacher Werkzeuge, die der Strukturierung und Organisation der studentischen Einzelund Gruppenarbeit dienen, wäre das sehr hilfreich. Zuguterletzt trage ich natürlich auch immer noch den Beruf des Landschaftsarchitekten in mir, den ich auch als Lehrender für Projektmanagement nicht ablege: So wird jeder Student in meinen Veranstaltungen immer damit rechnen müssen, dass ich Projekte mit dem „grünen Blick“ betrachte und dementsprechend argumentiere, diskutiere und nachfrage.

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Kannst Du aus Deinem Überblick der akademischen Ausbildungslandschaft heraus beschreiben, wie sich das MasterAngebot „Prozessarchitektur“ einfügt in das ja sehr reichhaltige Angebot an Master-Programmen im Bereich Architektur? Was ist in Deinen Augen das Besondere hier, wo liegen Deiner Meinung nach die Chancen? Ich denke, man kann guten Gewissens behaupten, dass unser Master etwas Besonderes ist - und dies in mehrerlei Hinsicht: Zunächst einmal stellen wir neben dem Bauobjekt auch den Entwicklungsprozess eines Bauprojekts in den Fokus unserer Lehre. Die Gestaltung der heutzutage oft sehr komplexen und langwierigen Prozesse erfordert zusätzliche Kompetenzen seitens des Architekten, die in der klassischen Ausbildung jedoch häufig zu kurz kommt. Die Berufspraxis fordert diese aber vehement ein! Eine zweite Besonderheit unseres Masterstudiengangs ist die Ausformulierung der beiden Vertiefungsrichtungen: Mit den Themenbereichen „ressourcenoptimierte Architektur“ einerseits und


Portrait

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„gemeinschaftsorientierte Projektentwicklung“ andererseits greifen wir nicht nur hochaktuelle und zukunftweisende Themen auf, die im Planungsumfeld immer größere Bedeutung erlangen, sondern beleuchten auch integrativ alle Seiten eines Bau-Prozesses und -Objekts in ihrer komplexen Gesamtheit. Auch mit den ergänzenden Fächern Recht und Immobilienökonomie befriedigen wir nicht nur die Nachfrage des Marktes, sondern erobern zudem auch ein Kompetenzfeld zurück, das die Architekten zu lange anderen Disziplinen überlassen haben, was den Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten im Planungsprozess zur Folge hatte. Last but not least ist die Ansiedlung des Studiengangs an einer Kunsthochschule im Allgemeinen und der AlanusHochschule im Besonderen zu nennen. In dieser spezifischen Ausprägung genießt der Studiengang sicher einen bundesweiten Sonderstatus und ein marktrelevantes Alleinstellungsmerkmal.

Deine Promotion zu Projektmanagement in Praxis und Lehre der (Landschafts) Architektur trägt den schönen Untertitel „...ein wenig Chaos gehört dazu“. Wie ist Dein persönliches Verhältnis zu Chaos? Auch wenn der Titel der Dissertation es vermuten lässt - ich habe noch nicht lange genug über mein Verhältnis zu „Chaos“ nachgedacht, um darauf eine fundierte Antwort geben zu können. Als Lehrender für Projektmanagement ist man natürlich bemüht, stets strukturiert, organisiert und zielorientiert zu arbeiten. Der Titel meiner Arbeit möchte aber darauf hinweisen, dass das nicht immer geht und dass das nicht immer sein muss - und dass das auch gut so ist. „Unvorhergesehenes“ oder „Un-

ordnung“ im negativen Sinne passieren in jedem Projekt, Projektmanager versuchen (bestenfalls) in moderierten Verfahren adäquate Lösungen zu finden. „Chaos“ - im positiven Sinne - meint aber auch Entfesselung von Kreativität, Zulassen von Ungeplantem, Offen-Sein für Neues. In diesem Sinne versuche ich mit allen Facetten von „Chaos“ umzugehen.

Projektmanagement verführt zur Annahme, man hätte alles zu jeder Zeit im Griff, wenn man sich nur streng an die Regeln und Handbücher hält. Der entwerfende Künstler-Architekt bekommt dabei Hautausschlag und Kreativitätsblockaden. Wie kann man aus Regeln Triebfedern und aus Handbüchern Zündstoff für noch mehr Kreativität machen? Ach je. Mit diesen Vorurteilen werde ich ständig konfrontiert. Ich versuche immer zu vermitteln - und hoffe auch das vorzuleben - dass ManagementRegeln die Kreativität nicht ersticken, sondern durch eine Vielzahl von möglichen Maßnahmen dazu beitragen, mehr Freiraum für kreative Prozesse zu schaffen. Selbstverständlich ist das typabhängig und gelingt dem Einen mehr, dem Anderen weniger. „ Zündstoff zu machen“ ist nicht das Anliegen von Handbüchern, sondern - um im gewählten Bild zu bleiben - die Flamme von überflüssigem Ballast zu befreien und sie mit genug Brennstoff zu versorgen, damit sie richtig auflodern kann und kein Strohfeuer bleibt. In der Regel sind gut strukturierte Prozesse daher nicht weniger kreativ. Auch ein entwurfsorientierter Architekt freut sich, wenn eine Sitzung pünktlich anfängt, konsensorientiert moderiert wird, die angekündigten Tagesordnungspunkte ent-

hält, überflüssige Exkurse unterbindet, die formulierten Ziel erreicht, rechtzeitig beendet und gut dokumentiert wird - um nur ein kleines Beispiel zu nennen, das vermutlich jedem bekannt vorkommen wird. Im Übrigen ist das höchste Gebot des Projektmanagements, die Instrumente und Regeln nicht jedem Projekt gleichermaßen überzustülpen, sondern stets individuell auszuwählen, angemessen zu dimensionieren, spezifisch anzupassen, regelmäßig zu hinterfragen, kontinuierlich weiterzuentwickeln und sorgfältig zu evaluieren. Wer sich daran hält, ist schon einen wesentlichen Schritt weiter.

(Landschafts)Architektur sitzt als „Querschnittsdisziplin“ zwischen allen Stühlen, die beliebtesten hier an der Hochschule und anderswo sind die der „Kunst“ und „Wissenschaft“. Vor dem Hintergrund Deiner Forschungsaktivitäten und Veröffentlichungen: Welchen Beitrag kann (Landschafts)Architektur zur Wissenschaft Deiner Meinung nach leisten? Zunächst mal klingt mir „zwischen den Stühlen sitzen“ zu negativ. Ich halte es für eine ausgewiesene Stärke unserer Ausbildung und unseres Berufsfeldes, intermediär zwischen Kunst, Wissenschaft, Ingenieurwesen und Management angesiedelt zu sein. Auch in meiner persönlichen Rolle mag ich mich da nicht festlegen lassen. Im Gegenteil: Ich denke Architekten und Landschaftsarchitekten sollten diese vielfältige Qualifikation bewusst nutzen, um eine mittelnde und auch führende Rolle in Planungs- und Entwicklungsprozessen zu übernehmen und eine Position zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen zu beziehen. Mit der Rolle des Wissenschaftlers


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tun sich Architekten vielfach schwer, bzw. lehnen sie sogar ab. Ich denke, dass man auch als Künstler, Planer oder Manager forschen kann. Einerseits sind Forschung und Lehre die zentralen Aufgaben einer Hochschule. Andererseits bin ich überzeugt, dass wir uns - aus beschriebenem Rollenverständnis heraus - aktiv in wissenschaftliche Forschung einbringen müssen, um dieses Feld nicht allein den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen zu überlassen. Der Raum von Stadt und Landschaft ist unser tägliches Lebensumfeld, das uns umgibt und prägt und dabei einem steten Wandel unterliegt. Wer soll diese geplante, gestaltete Umwelt forschend untersuchen und forschend weiterentwickeln, wenn nicht wir mit unseren vielfältigen Kompetenzen und Lesarten? In diesem unendlich weiten Feld der nachhaltigen Stadtentwicklung, der Gestaltung einer lebenswerten und zukunftsfähigen Umwelt, der Bewahrung von Natur aber auch Baukultur sowie der Entwicklung von konsens- und gesellschaftsorientierten Prozessen liegen zahlreiche wissenschaftlich-forschende Aufgaben für uns Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten.

Lieber Florian, Danke für das Interview.

Die Fragen stellte Willem-Jan Beeren

G


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Handwerkerzentrum

...im Kulturpark Alfter

Kulturpark Alfter – dies ist die Vision für die weitere Bebauung des Gewerbegebiets Buschdorfer Weg in Alfter, das bereits zu einem großen Teil durch die Alanus Hochschule genutzt wird. Das Erscheinungsbild der Flächen soll als Ganzes wahrgenommen werden um eine Identifikationswirkung zu fördern. Im Nutzungskonzept sind Studentisches Wohnen, Kindertagesstätte, ein Forschungszentrum, Atelierflächen, Handwerker- und Gewerbehallen angedacht. Dabei sieht die Belegungsform vor, dass sich jeweils Betriebe gleicher Beschaffenheit in einem Gebäudekomplex gleicher Ausformung ansiedeln um die Standortqualität durch Identifikation und gemeinsame Infrastruktur zu steigern. Solche Gebäudezentren könnten von einem Investor erstellt werden und zur Nutzung an Mieter/Pächter vergeben werden.

Aufgabe für das Konstruktive Projekt ist der Entwurf eines Handwerkerzentrums (Holz, Metall, Glas, Keramik, Textil etc.) mit ca. 1500 m² Fläche. Es sollen Flächen für Ateliers/Werkstätten zwischen 50 m² und 250 m² angeboten werden, die eine flexible Nutzung zulassen und je nach Flächenbedarf der Betriebe aufgeteilt werden können. Dabei soll ein stützenfreier Bereich von mindestens 400 m² entstehen. Räume für die Infrastruktur können gemeinsam genutzt werden. Zusätzlich ist ein gemeinsamer Ausstellungsraum vorgesehen. Im Rahmen des Konstruktiven Projekts wird die Vertiefung des Entwurfes eine detaillierte konstruktive Ausarbeitung der tragenden Konstruktion sein. Dazu finden wöchentlich und ent-

wurfsbegleitend Vorlesungen und Übungen zu relevanten Themen des Tragwerkentwurfs statt. Bei Interesse können die Entwürfe mit Hilfe eines Statikprogramms weiterentwickelt werden. Aus der Aufgabenstellung, Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke

Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke Lehrgebiet Ingenieurwissenschaften Konstruktives Enwterfen


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Studenten: Betreuung: Semester:

Anna Kasperczyk Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke 5


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Handwerkerzentrum

Studenten: Betreuung: Semester:

Kulturpark Alfter: Das von der Gemeinde Alfter neu erschlossene Gewerbegebiet soll ein Nutzungskonzept anbieten, das sich mit dem bereits neu gebauten Campus II der Alanus Hochschule inhaltlich und vom Erscheinungsbild gut ergänzt. Neben dem geplanten Handwerkerzentrum sind an diesem Ort noch eine Kindertagesstätte, ein Studentenwohnheim und weitere Handwerksbetriebe vorgesehen. Ort und Umgebung: Das zu bebauende Gewerbegebiet befindet sich im nördlichen Teil der Gemeinde Alter. Das Grundstück ist größtenteils von landwirtschaftlich genutzten

Feldern umgeben. Etwas weiter im Norden führt eine regelmäßig befahrene Regionalbahntrasse vorbei. Das Grundstück hat direkten Anschluss an die BonnBrühler Straße und ist nur wenige Autominuten von der Autobahn 565 -zwischen Bonn und Kölnentfernt. Westlich des Grundstück befindet sich der neue Campus der Alanus Hochschule und in dessen Verlängerung schließt ein kleines Wohngebiet an. Etwas östlich führt eine unübersehbare Hochspannungsleitung an dem Grundstück vorbei.

Max Ullrich Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke 5


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Studenten: Betreuung: Semester:

Handwerkerzentrum Alfter Florian Brunig Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke Hauptstudium (Diplom)

Mein Konzept besteht aus einer großen Halle von 1600m2, die je nach Bedarf in 5 separat nutzbare Räume aufgeteilt werden kann. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer maximalen Flexibilität: Man kann das Gebäude jeder Mietlaufzeit und den Bedürfnissen der Unternehmen anpassen. Die äußere Hülle kann bestehen bleiben und das Innere ist mittels Leichtbau umbaubar. Im „Tempodrom“, dem Zentrum der Anlage, sind im EG eine zentrale Empfangsstelle, 2 Büroräume sowie ein Besprechungsraum angesiedelt.


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Studenten: Betreuung: Semester:

Thomas Schauff Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke 5

...das Handwerkerzentrum als Zelle, die Form der Verschmelzung von vier Räumen um ein Zentrum. Dieses Zentrum bildet die gemeinsame Begegnungsfläche sowie einen geschützten Bereich für Vernissagen und Ausstellungen. Diese Erlebnisfläche zieht den Besucher in das Gebäude, es wird zum Begegnungsraum zwischen Handwerker und Kunde. Am Kopf der Einheit befinden sich das gemeinsam genutzte Verwaltungsbüro sowie sanitäre Anlagen...


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Stegreif in Potsdam

Studentenarchitekturwettbewerb Auf Einladung der Alanus-Architektur-Absolventin Dipl.-Ing. Antoinette Funck haben Studierende in Begleitung von Prof. Nikolaus v. Kaisenberg eine Woche in Potsdam verbracht, um für ein Gründstück an der Havel Bebauungskonzepte zu entwickeln. In einer gemeinsamen Evaulations-und Bewertungsrunde wurdem die besten Konzepte herausgearbeitet und prämiert. Auf dem Gelände Imchenalle 33/35 soll ergänzend zu einem vorhandenen denkmalgeschützten Gebäude, eine Neubebauung in Form von 5-6 Einfamilienhäusern mit einer zentralen Tiefgarage entstehen. Dabei ist die bestehende Baufluchtlinie aufzunehmen und ein 30m breiter Uferstreifen freizuhalten. Dieser soll renaturiert werden. Ferner ist eine öffentliche Durchwegung des Grundstückes von 3-5 Meter Breite ab der Imchenalle bis zum Uferstreifen an der Grundstücks-

grenze zum nord-östlich benachbarten Grundstück zu gewährleisten. Die Vorgartentiefe zur Imchenalle soll mindestens 10m betragen. Auf dem Plan markierte Bäume sollen erhalten bleiben. Da das Grundstück ein zum Wasser hin abfallendes Höhenprofil aufweist, sind für die Einfamilienhausbebauung im unteren Bereich am Hang unterschiedliche Erschließungsformen, etwa über das Obergeschoss bzw. Split-Level-Lösungen möglich. Wichtig ist, dass jedes Gebäude eine freie Sichtbeziehung zum Wasser hat (versetzte Anordnung). Die Wohnfläche der Einfamilienhäuser kann von 150-200qm (4-6 Zimmer) variieren. Besonderes Augenmerk ist auf energieeffiziente und ökologische Bauweise zu legen. Hierbei können auch regenerative Energiequellen einbezogen werden. Neben einer massiven Bauweise wäre auch eine Holzrahmenkonstruktion denkbar. Das bestehende denkmalgeschützte Gebäude könnte als Büro oder Gästehaus genutzt werden, oder aber auch durch eine wintergartenartigen Anbau als Einfamilienhaus ausgebaut werden. Am Ufer sollen eine Bootsanlegestelle für kleinere Privatboote sowie Ruhepunkte zum Verweilen entstehen. Aus der Aufgabenstellung

Prof. Nikolaus v. Kaisenberg Lehrgebiet Architektur und Gesellschaft Modul: Gebäudetypologie


1. Platz geht an Max Ruff

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Das Grundstück an der Imchenallee 33/35 ist durch seine exzellente Lage gekennzeichnet. Oberhalb ist es durch den Wald abgeschirmt, unterhalb besticht es durch den exklusiven Blick über den Wannsee. Für die Nutzung des Grundstücks habe ich in meinem Entwurf Wohnungs- bzw. Villenbau vorgesehen, da dies sowohl für die Örtlichkeit, als auch für die Findung eines Investors und den finanziellen Profit am lukrativsten erscheint. Die Schwierigkeiten der topographischen Gegebenheiten habe ich durch die Aufteilung des Geländes in zwei Zonen gelöst. In der oberen Zone befindet sich das Bestandsgebäude, welches durch einen Erweiterungsbau zu seiner eigentlichen Nutzung zurück geführt werden soll, sind eine Tiefgarage sowie zwei weitere Wohngebäude angedacht. Diese sollen in einem futuristisch modernen Stil gestaltet werden – für die Generation “double income no kids“. Um den exklusiven Blick hervorzuheben strecken sich der rechte und linke Gebäudeteil röhrenartig und mit großen Fensterfassaden Richtung See, so dass gleichzeitig ein halb geschlossener privater Garten- und Poolbereich zwischen ihnen entsteht. In der unteren Zone sind drei weitere Villen vorgesehen, welche sich für Familien mit Kindern eignen. Das Mehrgenerationenkonzept soll sowohl eine bunte Durchmischung und Belebung des nachbarschaftlichen Miteinanders bewirken, als auch eine schnellstmögliche Abgabe des Immobileneigentums in private Hand erzielen. Max Ruff


Stegreif in Potsdam

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...weitere Arbeiten

Anna Kasperczyk

Sebastian Heck

Borja Frey

Bettina Schuhmacher

Emma Juric

Thomas Schauff

Söhnke Schröder

Steffanie Rückrich


Unsere Studienangebote

Der Studiengang Master of Arts „Prozessarchitektur“ bereitet ausgebildete Planer auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft vor: Klimawandel und demographischer Wandel werden spürbare Auswirkungen auf Planen und Bauen haben. Zukunftsfähige Bauprojekte erfordern deshalb eine eingehende Analyse der künftigen sozialen und ökologischen Anforderungen und müssen sich an diesen ausrichten. Dann wird nachhaltiges

Der Studiengang Bachelor of Arts „Architektur und Stadtraum“ stellt eine anwendungsorientierte und breit gefächerte Grundausbildung dar, die den Studenten zur selbständigen Orientierung in komplexen Sachverhalten sowie zur schöpferischen Ausgestaltung von Bauaufgaben im gesellschaftlichen Kontext befähigt. Dabei sind die Kernthemen Innenraum, Architektur, Stadtplanung und Ingenieurswissenschaften eingebettet in künstlerische und kul-

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Bauen garantiert. Der Masterstudiengang vermittelt das hierfür nötige Fachwissen und fördert die erforderlichen individuellen Fähigkeiten. Dazu gehört vor allem, die Fähigkeit, prozessorientiert zu arbeiten, damit das Bauwerk zum Ergebnis eines Weges werden kann, den der Architekt gemeinsam mit den Bauherren gestaltet.“

turwissenschaftliche Lernlinien. Es werden neben den fachlichen und übergeordneten Kenntnisse künstlerische Fähigkeiten erworben, die in den Entwurfsprojekten von Anfang an verknüpft und in der Bachelor-Arbeit zur Synthese gebracht werden. Das Studium versteht sich somit als eine umfassende Ausbildung: Verfolgt wird das Ziel, Lebenszusammenhänge erkennen und gestalten zu lernen.

weitere Infos: www.alanus.edu/architektur


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Mittwochsforum ...zum Thema öffentlicher Raum Intendanz Mittwochsforum: Prof. Nikolaus v. Kaisenberg Lehrgebiet Architektur und Gesellschaft

Während des letzten Herbstsemesters hat das Lehrgebiet Architektur und Gesellschaft das Mittwochsforum zum Thema öffentlicher Raum ausgerichtet. Hierfür wurden Referenten aus allen Gesellschaftsbereichen vom Werber, Künstler, Ingenieur, Philosophen bis zum Architekten mittwochs an die Alanus Hochschule geladen. Hierbei stellte sich schnell heraus, dass der Begriff öffentlicher Raum nicht so leicht zu fassen ist, wie es zunächst scheint. Dass ein Raum ansprechbar sein müsse, ist die Meinung von Dr. Reimar Molitor, dem Geschäftsführer der Regionale 2010. Außerdem ist es seiner Auffassung nach besonders wichtig, wie der öffentliche Raum gestaltet ist. Dass die Menschen Freiraum im Freiraum haben, ist für den Landschaftsarchitekten Hyco Verhaagen eine wichtige Voraussetzung bei der Gestaltung des öffentlichen Raums. Für ihn ist Freiraum die Grundlage gesellschaftlicher Nachhaltigkeit. Freiraum sei immer dort zu finden, wo sich Menschen nutzbare Orte selbstbestimmt aneignen können, so Verhaagen. Weiterhin muss dieser Ort für vielfältige Handlungsopti-

onen offen stehen. Mit Resträumen und Übergangszonen in großen Städten beschäftigt sich der Künstler Boris Sieverts. Diese bildnerisch und mit anderen Mitteln in Szene zu setzen ist der Ausgangspunkt für sein Forschen. Für ihn ist der öffentliche Raum ein Raum der Nutzung. Weiterhin nannte er wertvolle Wahrnehmungen, die bei der Planung von Landschaften oder urbanen Zusammenhängen von Interesse sein können. So ist eine seiner Beobachtungen, dass ein sehr großer Anteil der Landschaftswahrnehmung von der Geräuschkulisse abhängt, die um den beobachteten Bereich hörbar ist. Dass sich Menschen im öffentlichen Raum mehr zueinander verhalten, konnte uns Prof. Dr.–Ing. Wolfgang Meisenheimer berichten. Auch dass es Gefühlswahrnehmungen der Menschen im öffentlichen Raum gibt, ist seiner Ansicht nach nicht ausreichend durch Architekten und Stadtplaner erforscht. Architektur sollte den Orts-Charakter betonen oder erstellen, so Prof. Dr. phil. Günter Seubold, der uns in eine philosophische Sichtweise des öffentlichen Raumes einführte. Seine Definiti-

on des öffentlichen Raumes ging in die Richtung, dass er frei zugänglich sein muss ( d.h. nicht privat ) und darüber hinaus von der Gemeinschaft finanziert sein muss. Heute gibt es Räume wie den „Kölner Dom“, die als öffentlich gemäß der obigen Definition anzusehen gewesen sind und heute durch den gesellschaftliche Wandel dieser Funktion ggf. enthoben worden sind (Wenn nicht mehr jeder in der Kirche ist, ist die Finanzierung auch nicht mehr gemeinschaftlich). Eine ähnliche Frage wäre es auch, ob der Kottenforst nahe der Alanus Hochschule ein öffentlicher Raum ist.Weiterhin sollte bedacht werden, dass der öffentliche Raum als Raum durch einen Ort geprägt sein sollte. Orte geben uns die Möglichkeit den Raum zu erkunden. Diese und weitere Denkanstöße wurden den Studenten im Laufe der Veranstaltungsreihe gegeben und boten die Möglichkeit weitere Reflexionen über das Thema öffentlicher Raum anzuschließen. Söhnke Schröder, Student


Im Gespr채ch mit: Prof. Dr.-Ing Wolgang Meisenheimer

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Ir. Hyco Verhaagen

Dr. Reimar Molitor

Prof. R체diger Karzel

Dr. Markus Gehm

Prof. Dr. Phil. G체nter Seubold

Boris Sieverts


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Interview „Orte gründen, nicht Raum umbauen“

Im Interview mit Prof. Dr. phil. habil. Günter Seubold Prof. Seubold ist seit 2006 im Fachbereich Bildungswissenschaft, Lehrstuhl für Philosophie und Kunsttheorie, an der Alanus Hochschule tätig. Zuvor war er unter anderem als Lehrbeauftragter an der Universität in Würzburg sowie als Prof. an der Universität in Bonn tätig. Er arbeitete im Rahmen meherer Stipendien und Gastdozenturen auch in Japan und Polen. Einen schönen guten Tag, Herr Prof. Seubold! Sie sind nun seit etwa fünf Jahren Professor für Kunsttheorie und Philosophie an der Alanus Hochschule. Im Wintersemester 2010/11 hielten Sie im Fachbreich für Architektur einen Vortrag über den öffentlichen Raum. Welche Verbindung sehen Sie denn zwischen der Philosophie und der Architektur? Es gibt mannigfache Verbindungen zwischen der Philosophie und der Architektur, hier nur drei: 1. Ein Philosoph, Beispiel Hegel, bringt den Zusammenhang von Weltanschauung und Bauwerken, z. B. den ägyptischen Pyramiden oder den griechischen Tempeln, auf den Begriff. 2. Ein Architekt, sagen wir: Peter Zumthor, liest Heideggers „Die Kunst und der Raum“ oder „Bauen Wohnen Denken“ und lässt sich hiervon für sein Schaffen inspirieren.

3. Ein Architekt geht dem vorherrschenden Raumkonzept und Wohnverständnis in seinem Schaffen so „auf den Grund“, dass er ein neues Verständnis von Raum und Wohnen eröffnet. Dann wird der Architekt selbst zum Philosophen. Auch wenn er hierfür nicht den Pritzker-Preis bekäme: Er wäre mein Held! Und er dürfte dieses „Auf-den-Grund-Gehen“ kaum schaffen, ohne die Punkte 1 und 2 berücksichtigt zu haben (lächelt).

Wo ist Philosophie in der Architektur. Erkennen wir dies auch im alltäglichen Leben? Unter „Philosophie“ verstehe ich: a) eine Sache im Zusammenhang (letztlich: mit dem „großen Ganzen“) sehen; b) eine Sache gleichsam ganz „aus-denken“, ihr bis auf den Grund gehen. Philosophie geht, um es anders zu sagen, „in die Breite“ und

„in die Tiefe“. Philosophie ist nach diesem Verständnis überall dort in der Architektur spürbar, wo ein einzelnes Bauwerk als ein in sich stimmiges Ganzes erfahrbar wird und sich als dieses einzelne Bauwerk in eine günstige Relation setzt zu seinen Nachbar-Bauwerken und letztlich zur kulturellen Gesamtverfassung oder auch zur Natur. Diese Relationen bestimmen mit, wie wir die einzelnen Bauwerke erfahren. Unser alltägliches Leben, und so auch unser Verständnis von Ort, Raum, Wohnen etc., ist voller „sedimentierter Philosophie“: Was einst neu war und von Philosophen erarbeitet werden musste, ist jetzt selbstverständlich geworden.

Welche Erinnerung haben Sie an die Veranstaltung des Mittwochsforums? Ich habe das Mittwochsforum in sehr guter


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Erinnerung. Die Fragen der Studierenden haben mir gezeigt, dass es hier wache Geister gibt, die sich mit dem bisherigen Bau-Konzepten nicht zufrieden geben. Dieser Einsicht muss freilich harte Arbeit folgen, u. a. eifriges Engagement im Studium generale – über die „Schein“-Probleme hinaus (lacht). Im Ernst: Der Architekt, der über die Alltagroutine „hinausbauen“ will, muss zugleich Philosoph werden.

Das Mittwochsforum hatte den Begriff „Öffentlicher Raum“ zum Thema. „Öffentlicher Raum“: Was ist das für Sie?

befinden: Wohnen ist ein Sinn-Geschehen, eine Welt-Deutung. In seinem Ursprung ist Ort etwas Heiliges, ja DER Heilige schlechthin. So wird im Alten Testament Jahwe schlicht und einfach auch „DER ORT“ genannt. Dieses Verständnis lässt sich durch die abendländische Geschichte in mannigfachen Verschiebungen und Wandlungen verfolgen. In Schuberts „Deutscher Messe“ (Text von Johann Philipp Neumann) heißt es etwa: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken? / Wem künd’ ich mein Entzücken, wenn freu-

Ich liebe den Begriff „öffentlicher Raum“ nicht, weil ihm eine Vorstellung, ein Konzept zugrunde liegt, das meiner Meinung nach überholt ist: Ein leerer Raum, in den hinein z. B. Denkmäler gestellt und in den hinein Menschen gehen können. Räume, phänomenologisch betrachtet, sind aber nicht absolut, sondern bilden sich, sie leiten sich ab vom Ort. Und kulturelle Orte müssen gestiftet werden. Erst wenn das der Fall ist, bildet sich eine spezifische „Raum-Atmosphäre“. Der dreidimensionale absolute Raum aber ist überall gleich – ein Paradebeispiel neuzeitlich-technischer Uniformierung. Nicht Uniformierung aber ist heute gefordert, sondern Spezifizierung und Individualisierung. Das geht nur über den „Ort“ und das „Orte Stiften“. Orte aber werden durch kulturell interpretierte Naturphänomene oder über Bau- und Kunstwerke gestiftet. Ich möchte mich nicht in einen uniformen „öffentlichen Raum begeben“, sondern mich an einem individuellen „Ort (be-)finden“.

Was sind Orte? Orte sind Stätten des Bleibens, BleibenWollens und Wohnens. „Wohnen“ aber ist viel mehr als sich an einer Raumstelle

Unsere Gegenwart kennt kaum noch Orte, dafür aber mehr und mehr Unorte: Das sind „Raum-Stellen“, die man am liebsten gar nicht betreten möchte; wo es aber unablässig ist, sie zu betreten, möchte man sie so schnell wie möglich wieder verlassen: Autobahnen und Straßen überhaupt, Parkhäuser, Bahnhöfe, Hinterhöfe, Vorplätze, „versiffte Ecken“, wie wir sie in jeder Stadt kennen. „Versifft“ leitet sich übrigens von „Syphilis“ her – und wie ehemals diese Geschlechtskrankheit so breiten sich heute die Unorte schleichend aus. Gewiefte Leute erstellen schon „Unort-Kataster“, so z. B. auch für Köln.

Woran sollten Architekten in Zukunft arbeiten? Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung?

Was ist Raum? Was wir heute, auch im Alltag, unter „Raum“ verstehen, verdankt sich vor allem der neuzeitlich-physikalischen Raumbestimmung: eine Ausdehnung nach Höhe, Breite, Tiefe, die einen „Raum-Käfig“ aufspannt, der an jeder Stelle gleich ist. Aristoteles kennt so einen Raum aber noch gar nicht, letztlich hat er gar keinen Begriff hierfür. Es gibt den Begriff „topos“, und treffend übersetzt ihn Heidegger nicht mit „Raum“, sondern mit „Ort-Raum“.

Was sind dann sogenannte Unorte?

dig pocht mein Herz?“ Das ist die ursprüngliche Ort-Suche. In Rilkes 5. Elegie wird die Frage „Wo, o wo ist der Ort?“ beantwortet mit: „Ich trag ihn im Herzen.“ Da haben wir in nuce die ganze Tragik des Ortes in der Geschichte des Abendlandes. Dass wir heute kaum noch Orte in der Welt haben, sondern nur noch Raum kennen, hängt mit der neuzeitlichen Entzauberung der Welt zusammen. Der Architekt ist mein Mann/ meine Frau, der inmitten der säkularen und entzauberten Welt und ohne Salto mortale ins Mittelalter einen Ort stiften kann.

Die größte Herausforderung liegt aus meiner Sicht in der Überwindung des uniformen physikalischen Raumkonzepts, das größtenteils leider auch die Architektur leitet: Es gibt einen dreidimensionalen Raum, und in den hinein platzieren wir etwas. Dieses Raumkonzept (das ja in der Physik selbst, seit Einstein, längst überholt ist) bestimmt unsere Kultur. Begriffe wie „umbauter Raum“ oder „öffentlicher Raum“ sprechen hier Bände. Das lässt sich phänomenologisch nicht halten: Der Raum ist ein „Abkömmling“ des Ortes und nicht umgekehrt. Raum spannt sich erst durch die Verbindung von Orten auf, er ist nicht absolut als dreidimensionales Gebilde „vorhanden“. Es käme also für die Architekten darauf an, „Orte zu gründen“, nicht ein Gebäude „in den Raum zu stellen“ und nicht „Raum zu umbauen“. Das ist sehr schwer, denn letztlich ist es ein gesamtkulturelles Geschehen. Aber, wie sagte schon der Sprachphilosoph Karl Valentin: Wenn es nicht schwer wäre, dann wäre es ja keine Kunst. Sehr geerter Herr Seubold, ich danke Ihnen für das Interview!

Die Fragen stellte Elias Schley


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Diplom-Arbeit

Musiktheater Die grundlegende Idee für die Gestaltung des Musiktheaters hat sich aus der Struktur des Städtebaus entwickelt. Die Leitidee der differenzierten Raumbildung und Blickbeziehungen wird konzentriert und in einer vertikalen Schichtung ausgebildet. So entsteht ein Gebäude, dass als Ankerpunkt und Identifikationsort Begegnungsraum für das neue Hafenquartier wird. Ein Ort, der nicht nur abends Anziehungspunkt und Spielfläche für musikalische Gastproduktionen ist, sondern auch tagsüber durch die Jugendinitiative,

Studentin: Betreuung: Semester:

Workshops und Seminare, sowie Veranstaltungen bespielt wird. Das Musiktheater ist ein Erlebnisraum der Künste. Das neu angelegte Quartier Deutzer Hafen ist kreativer Schmelztiegel, in dem eine vielschichtige kulturelle und künstlerische Kommunikation und Vernetzung statt findet. Das neue Musiktheater ist als Präsentationsplattform ein wichtiger Baustein und bildet durch seine exponierte Lage am Ende des Hafenbeckens Rückrat und Herzstück des neuen Quartiers.

Yohanna Vogt Prof. Marek Nowak, Dipl.-Ing. Thomas van den Valentyn Diplom


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Diplom-Arbeit

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IZM - Wege zur Gemeinschaft Studenten: Entwurfskonzept: Betreuung: Semester:

Tobias Baark und Simon Heereman Siedlung für Lebensgemeinschaft und Kongresszentrum am Möhnesee Prof. Nikolaus von Kaisenberg / Prof. Swen Geiss Diplom

Oben: Prof. Martin Despang beim Vortrag / Links oben: Brücke von BPR / Mitte: Bahnhof Lüttich / Unten: U-Bahnbaustelle Köln / Text: S. Schröder Rechts: Brückenentwurf von GMP für Bukarest


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„Auf dem Weg ins unbekannte Neue ist es wichtig, einen beseelten Ort zu haben...“ - Dr. Andreas Gutjahr, Geschäftsführer IZM

Bestehend aus vier Gesellschaftern im Kern und etlichen Freunden und Förderern bildet die IZM gGmbH unseren„Auftraggeber“ für diesen Diplomentwurf. Die integrale Philosophie bildet das geistige Fundament der Arbeit des IZM und sollte als Mission„Transformation ermöglichen, unterstützen, verorten und beheimaten“ vor Ort realisiert werden können. Das Grundstück (10 ha) befindet sich am Möhnesee, westlich der Ortschaft Delecke. Es erstreckt sich entlang einer Hangkante mit weitem Blick über den Arnsberger Forst - ein Naturpark südlich der Talsperre. Durch seine Ordnung ist die Siedlung Ausgangspunkt für Wachstum in jede Richtung und neuer Ortskern für Delecke. Der Entwurf setzt sich aus 10 verschiedenen Gebäudetypologien zusammen, die 75 Bewohnern und ca. 250 Gästen Platz bieten. Wir haben in unserem Entwurf verstärkt auf gemeinschaftsbildende Elemente und ökologisch nachhaltige Bauweise geachtet.


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ISSN: 2190 - 3565 | Juni 2011 Herausgeber: Alanus Hochschule f端r Kunst und Gesellschaft gGmbh | Fachbereich Architektur Prof. Benedikt Stahl | Villestr. 3, 53347 Alfter | www.alanus.edu | architektur@alanus.edu Redaktion: Dipl.-Ing. Willem-Jan Beeren, Elias Schley Gestaltung: Elias Schley | Druck: K旦llen Druck Herzlichen Dank allen teilnehmenden Studenten und Dozenten f端r die tolle Unterst端tzung!


ISSN: 2190 - 3565 | Juni 2011


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