Megafon Nr. 290

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m e g a fo n Nr. 290

Dezemb 채r 2005

Zeitung aus der Reithalle Bern www.m egafon.c h

Preis Sfr. 5.--

mit P R O g r a m m


IM DEZEMBER ENTREE

3 CARTE BLANCHE FÜR UVM

3 DIE ZUKUNFT, HOFFENTLICH KÜNFTIG UND ZÜNFTIG Editorial 4 NO MILK TODAY?

SCHWERPUNKT BILDUNG

5 KOOPERATIVE STRUKTUREN UND OHRFEIGEN Schwerpunkt 7 DIE SCHULE – EIN DOGMA UNSERER GESELLSCHAFT Hat Bildung mit Schule zu tun?

10 ERZIEHUNG ZUM KONFORMISMUS Das Mögliche denken, nicht das Bestehende glauben 12 RONALD MCDONALD ALS PROF? Liberalisierung im Hochschulbereich

13 BRAUCHEN WIR DIESE UNI EIGENTLICH? Unikrititk – Wissenschaftskritik 17 GEGEN ALLES ABSTRAKTE «SesselfurtzklugscheisserInnen»

19 PERSPEKTIVEN – BEWEGTE STUDIERENDE? AuS / Aktion ungehorsamer Atudierender 20 EIN PROJEKT WIDER DIE REALITÄT Bildet Bildung? denk:mal! 22 DAS VORSTELLUNGSGESPRÄCH Die Normen der Macht

IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon Plakat #tt Umschlag #tt Bilder denk:mal Druck Kollektiv Druckwelle, Reitschule In dieser Nummer Ruth Ammann (tut), Ursula Häni (ush), Tom Hänsel (#tt), Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Heiko Morf (hako), Lisa Strahm (las), Markus Züger (maz). Redaktionsschluss 9. November 2005 näxter 14. Dezember 2005 | Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.

INHALT

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INTERNATIONALISTISCHES

23 HÖHERE BILDUNG MIT STAATLICHER GARANTIE? Chile GELD ODER LEBEN

25 DIE WIRTSCHAFT SAGT: «HAU WEG DEN SCHEISS!» Out Out Out! INNENLAND

26 FLÜCHTLINGEN EIN GESICHT GEBEN Buchtipp: «Und es sind Menschen auf der Flucht» 27 KNASTSPAZIERGANG REGENSDORF Für Marco Camenisch AUS GUTEM HAUSE

28 DAS BESONDERE ERLEBNIS AM ABSTIMMUNGSFEST Kleiner Rückblick – mit Pfandspiel KULTUR ET ALL

31 SCHEIBEN VON TIMMERMANN PROGRAMM

KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT FRAUENRAUM I FLUSS – SOLIBARS GROSSE HALLE 42 STORY OF HELL


CARTE BLANCHE FÜR UVM

das meer ist weit weg. das ist eine merkwürdige sache lass uns weiter lesen

EDITORIAL

DIE ZUKUNFT, HOFFENTLICH KÜNFTIG UND ZÜNFTIG Das megafon ist eine politische Zeitschrift, in einem politischen Haus, das immer wieder aufwühlt, früher und heute. Das megafon möchte Euch aufwühlen, doch ist das nicht immer einfach. Naja, die Interessen sind nicht immer die gleichen, der Schreibstil nicht immer der richtige, mal zu literarisch, mal zu akademisch, mal zu proletarisch, … Dem megafon ist es schon besser gegangen. Wir denken von einem Heft zum anderen, von einer Sitzung zur näxten, von einem Text zur kommenden Deadline. Wir denken nicht über die Zukunft des megafons nach. Das ist viel zu schwierig. Denn das hat mit der Analyse unserer eigenen sozialen

Bewegungen zu tun, mit der Analyse unserer persönlichen Situationen, mit dem Arbeitsethos in der Linken und mit den vielen Sachzwängen, die wir nun wirklich nicht selber erfunden haben. Ein Nachdenken über die Zukunft des megafons wäre aber ein Nachdenken über eine bessere Zukunft und könnte das megafon bissiger werden lassen. Politischer. Aufwühlender. Angriffiger. Widersprüchlicher. Liebe LeserInnen: Ein politisches megafon braucht nicht nur einfach politische Leute, sondern es braucht vor allem auch genügend Leute. Das megafon braucht dringend neue Menschen in der Redaktion! Bitte kommen! Das megafon möchte eine schönere Zukunft haben! Platz den Utopien! > TUT < EDITORIAL megafon Nr. 290, Dezember 2005

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NO MILK TODAY? transformierte. in «émile – oder über erziehung» geht es ihm hauptsächlich um das selbstverständnis des menschen: «alles ist gut, wie es aus den händen des schöpfers der dinge hervorgeht – alles entartet unter den händen des menschen» heisst es zu bealso: da gab es den jan ámos komensk´y unginn des werkes. er stellt darin heraus, dass gefähr im siebzehnten jahrhundert schrieb das kind kein unvollkommener erwachsener er die ‹erste› «wissenschaftliche anleitung zur bildung und erziehung der kinder im vor- sei, sondern ein wesen, welches seine erfülschulalter», in welchem er seinen pansophi- lung und reife in sich selber trägt. zudem schen – ganzheitlichen – ansatz mit persön- räumte er dem spiel eine didaktisch wertvolle funktion ein. es ist ‹ein bisschen› zum lichen erfahrungen aus der (lehr)praxis und schreien, dass frauen in der «geschichte der anregungen zeitgenössischer theoretik- & pädagogik» erst im neunzehnten jahrhundert praktikern verband. ganzheitlich stellt sich erwähnung finden, und die möglichkeit erbei ihm als «jedem alles» zu lehren heraus: «die zusammenfassung aller wissenschaften hielten, arbeiten zu publizieren. aber ich springe hier. (…) und künste in zunehmender differenziertheit»–«vom einfachen zum schweren». dass kurz nach rousseau taucht pestalozzi auf, beseine arbeiten nur als teile eines «umfassen- stimmt ein sehr warmherziger mann, der, im gegensatz zu rousseau, neben seinen theoderen bildungsprogrammes» zu verstehen sind, in welchem er die erziehung in «mutter- retischen erörterungen (zur erziehung oder lehrbücher für kinder selbst), auch praktisch schul» (-6), «muttersprachschul» (6-12), tätig war. sein ideal war die «heimische fa«gymnasium» (12-18) und «universitäten» milie» und das lehren/lernen «am herd», (18-24) unterteilt. sein «orbis sensualium pictus» – das erste bebilderte «realienbuch» was er gegen ende seines lebens in «kinderhäuser» überdachte. gegen ende seines leist eines der frühesten beispiele für ‹didaktisch wertvolle› bücher für selbständig rotie- bens traf er auch fröbel. oder umgekehrt. jerende körper … netterweise findet sich auch denfalls arbeitete dieser eine weile mit peeine nähere erläuterung, wie er denn ‹erzie- stalozzi zusammen, übernahm für eine weile dessen schule, ging dann jedoch zurück in hen› praktiziert und sich vorstellt: «alles seine ‹heimat›, nach keilhau bei rudolstadt, fliesse von selbst, gewaltsamkeit sei fern wo er mit freunden den kindergarten ‹ervon den dingen» … sozusagen ist der rohrstock nicht ‹sofort›, ‹von allen› gutgeheissen fand› sowie die notwendigkeit von ausgebilworden … auch frontaluntericht ist eine er- deten «erzieherinnen» betonte. neineinein, – findung der ‹massenproduktion›, wie wir bei nicht um das prügeln zu ‹trainieren›, sondern den gebrauch der «spielgaben», die fröbel john locke sehen. bekannt durch seine herund co. entwickelten, zu unterweisen. diese aushebung der «tabula rasa» – dass das neugeborene einer unbekratzten schallplad- spielgaben sind ein recht ausgetüfteltes «system», was ein bisschen an komensk´y erde gleicht, und alle ereignisse, die folgen, dort eingegraben werden. er veröffentlichte innert, da es auch «ganzheitlich», ja sogar ‹fraktal› genannt werden kann… kurz vor seinem tode 1704 seine «schriften ganz am anfang, wenn das kind noch kaum zur pädagogik», in welchen er die kinder unterteilt in «kinder des arbeitenden volkes» gucken kann, bekommt es einen weichen ball. dann, beim krabbeln und bisschen mehr (spinn- & strickschulen, rohrstock) und den sehen, einen (holz!) würfel, und dann immer «nachwuchs grossbürgerlicher und adliger feiner werdende holzstäbchen, welche in gesellschaftsschichten». in diesen schriften gab er wertvolle vorschläge für die kleinkind- dem «zahnstocher- & erbsenspiel*» münpädagogik, die auch die ansichten rousseaus den, fantastisch die kreativität anstacheln und sogar frank lloyd wright (stararchitekt) beeinflussten. jean jacques rousseau fand: «der mensch ist in seinen memorien von seiner kindheit AN SICH gut». als person ist rousseau aller- schwärmen lassen. und hier gehts eben leider mal wieder abwärts. fröbel, der mittlerdings ein bisschen zwiespältig, da er seine eigenen fünf kinder ins findelhaus gab. heute weile verschiedenste kindergärten im erzgebirge gegründet hatte, musste kurz vor seiwird in vielen büchern berichtet, dass es doch toll sei, dass er seine ‹praktische unzu- nem tod 1852 mit ansehen, wie diese verboten wurden, weil sie «sozialistisch und zum länglichkeit› in ‹theoretische überlegungen› sie schlenderte so des weges, fragte sich mal wieder, was denn so schiefgelaufen sein könnte, und versuchte zu rekapitulieren, was ihr bücherwissen diesbezüglich hergab,

ENTREE

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atheismus berechnet» seien. dies verleitete ihn zu dem ausspruch: «sie sehen, dass in deutschland immer alles beim alten bleibt». um die jahrhundertwende gab es in vielen ländern menschen, welche dem fortschritt an rationalisierung, verbreitung und effektivierung im bildungswesen mit skepsis begegneten. von «verkümmerung» emotionaler und künstlerischer kräfte, «entseelung», «mechanisierung» war die rede, und reformer unterschiedlichster coleur trugen ihre ideen und programme zur «neuen bildung» vor – sei es als redner- und schriftstellerinnen, sei es als organisatorinnen und verbandspolitiker, sei es in geduldiger kleinarbeit in schulstuben und sozialeinrichtungen. jaja, genau, es melden sich auch frauen zu wort, die gehört wurden! zu erwähnen sei hier eventuell maria montessori. dann aber folgte der ‹herbe einschnitt›, den die kriege in mitteleuropa, und dann der faschismus der «menschenbildung» antat. wo ‹erziehung› krass zusammengekürzt und hauptsächlich zur körperlichen ertüchtigung und gefolgsamkeit missbraucht wurde. in den «grundlagen der körperlichen und geistigen erziehung des kleinkindes im nationalsozialistischen kindergarten» steht explizit, dass «weder stäbchen- und legespiele, noch die methodisch geleitete beschäftigung mit hohlzylindern eine genügende gewähr bieten, dass die erreichte stufe der körperlichen tüchtigkeit nunmehr erhalten bleibt», beziehungsweise dass auf «die ausbildung besonderer geistiger fähigkeiten, soweit sie nicht als erlebnisquell aus der anschauung stammen, viel stärker als bisher verzichtet werden soll.» – danach ist festzustellen … dass es zwar immer wieder spannende projekte gab – wie zum Beispiel «summerhill» – allerdings die «staatlichen schulen» im kalten krieg eher einschränkend als weiterbildend wirkten, zumindest in «heiklen» bereichen wie gesellschaft, filosofie oder religion. auch heute – in unserm achsotollen wirtschaftsfaschismus – ist es superschwierig, jahrhunderte alte erkenntnisse der didaktik grossflächig einzusetzen … weitervorsichhinstolpernd beschloss sie, daran mitzuhelfen, aufzuklären, und eventuell neue ansätze mitzuentwickeln… > DYS <

quellen und weiteres, siehe: http://tt.immerda.ch/pdf/0508wegber-fin.pdf *) erben als ‹verbindungselemente›, zahnstocher als ‹skelett›, und es lassen sich die dollsten (krassgeometrischen) konstruktionen in den raum stellen


SCHWERPUNKT BILDUNG

KOOPERATIVE STRUKTUREN UND OHRFEIGEN Ich ging in eine fortschrittliche Schule. Auf der Unterstufe wurde mein Klassenkamerad zwar geohrfeigt. Zweimal. Aber das war eine Ausnahme. Sonst ging ich auf eine sehr fortschrittliche Schule. Im Untergymnasium wurde ein anderer Klassenkamerad vorne an der Tafel an den Haaren gerissen. Der Pultinhalt meiner Klassenkameradin wurde in der Stunde auf dem Boden zerstreut. Die Seiten in ihrem Heft wurden einzeln herausgerissen. Während der Stunde. Alle schauten zu. Aber sonst war es wirklich eine sehr fortschrittliche Schule. Wir kannten ein System, das als sehr fortschrittlich galt: Das Durchlässigkeitssystem. Weil wir lange die einzigen waren, nannte man es auch das Manuel-System. Es besagte, dass

Schüler und Schülerinnen nach ihren Leistungen fliessend in Sekundaroder Primarstufe oder Untergymnasium (UG) eingeteilt wurden. Eingeteilt wurde in Prim und Sek nach der vierten Klasse, in Sek und UG Ende des sechsten Schuljahres. Mein Notendurchschnitt reichte damals nicht für das UG, aber in unserer Schule war dies eben nicht das Ende meiner Elite-Laufbahn, sondern ich konnte ein Jahr später und einige Noten besser fliessend in die neue Klasse wechseln. Gleiches war zwischen Prim und Sek möglich. Ohne Prüfung, aufgrund der Leistungen im vergangenen Jahr. Damit wurde die sogenannte «Differenzierung» nach Leistungsstufe nicht an einer Prüfung oder einem Stichdatum festgemacht, sondern über einen längeren Zeitraum erstreckt. In unserer Klasse war ein Mädchen, das im Deutsch immer mit uns Schule hatte, in den anderen Fächern aber in die Prim ging. Auch das: ein Beispiel der fliessenden Durchlässigkeit. Statt auf der Primarstufe im Deutsch unterfordert zu sein, konnte sie im Deutsch in die Sek gehen, in den anderen Fächern aber weiterhin die Prim besuchen. Ohne Prüfung. Alles fliessend. Im Fachjargon nannte sich diese zweite Form der Durchlässigkeit «Leistungsdifferenzierung», weil keine endgültige Zuweisung der SchülerInnen in allen schulischen Bereichen erfolgte, sondern diese von ihren momentanen Leistungen je Fach abhängig gemacht wurde. Das war das Manuel-System und es war wirklich eine gute Sache. Es sollte verhindern, dass Kinder im zarten Alter von zehn Jahren endgültig einer Leistungsstufe zugewiesen wurden, obwohl sie Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Fächern hatten. Dass sie zwischen elf und sechzehn

Jahren mehrere Chancen erhalten mussten, weil sie sich veränderten. Oder in der Fachsprache: «In Strukturen mit verbesserten Möglichkeiten der Durchlässigkeit (=kooperative Strukturen) wird dem Faktum Rechnung getragen, dass lern- und leistungsrelevante Merkmale nicht stabil sind und deshalb die individuelle Entwicklung nicht eindeutig voraussagbar ist. Sie berücksichtigen, dass früherer Schulerfolg oder -misserfolg allein kein zuverlässiges Kriterium für den späteren Schulverlauf sind.» Mehr noch: In meiner Schule konnten Mädchen und Jungen wählen, ob sie lieber ins Handarbeiten oder ins Werken gingen. Das war ebenfalls eine gute Sache. Ich machte von der Wahlmöglichkeit Gebrauch und ging ins Werken. Jungen wie Mädchen sollten den praktischen Unterricht nach dem inhaltlichen Interesse wählen, nicht nach der Geschlechterzuordnung oder dem Prestige der Fächer. O-Ton: «Um die Lernfortschritte aller Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern, entwickelt die Sekundarstufe I (die Stufen Sek und Prim nach den ersten vier, bzw. sechs Schuljahren) verschiedene Lernangebote in Form von Wahlmöglichkeiten. Die Schülerinnen und Schüler wählen aus diesen Angeboten entsprechend ihrer Eignung, ihren Kenntnissen und Interessen und ihren Zukunftsplänen.» In meiner Schule war es also möglich, eine individuelle schulische Laufbahn anzutreten, nach Eignung, Kenntnissen, Interessen und Zukunftsplänen, flexibel beurteilt nach den übers Jahr erbrachten Leistungen. Dazu eine Statistik: Von 195 SchülerInnen, welche zwischen 1980 und 1992 in die 5. Klasse der Realschule eintraten, verliessen 155 SchülerInnen (oder 79.5 Prozent) >

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Quelle: Perspektiven für die Sekundarstufe I / Secondaire I: Perspecitves d’avenir, erstellt von einer Studiengruppe im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (sic!), Bern 1995.

die Schule auf derselben Stufe (Real); 38 (oder 19.5 Prozent) auf der höheren Stufe (Sek) und zwei SchülerInnen schafften es auf diesem Wege ins Untergymnasium (1 Prozent). Das gibt im Jahr etwa drei SchülerInnen, die von der Prim in die Sek wechseln, oder jedeR Fünfte «Primeler». Festzuhalten ist, dass die Hälfte der SchülerInnen, welche in die Sek wechselte, ein Jahr repetieren musste. Von 547 SchülerInnen, welche von 1980 bis 1992 in die Sekundarschule eintraten, verliessen 365 (oder 66.7 Prozent) die Schule auf eben dieser Stufe; 33 SchülerInnen (oder 6 Prozent) wurden in die Prim verwiesen und verliessen die Schule auf der tieferen Stufe, 149 SchülerInnen (oder 27.2 Prozent) wechselten ins Untergymnasium (davon war eine 1992 ich). JedeR Dritte oder Vierte ging von der Sek also ins Untergymnasium und nur knapp zwei SchülerInnen im Jahr gelangten auf diesem Weg in die Prim. Die Studie, welche diese Zahlen veröffentlichte, schreibt dazu: «Wo erhöhte Durchlässigkeit von den Strukturen her gegeben ist, wird sie genutzt.» Diese Nutzung wurde von den SchülerInnen aber eher als Störung, denn als Chance wahrgenommen. Im Schulalltag sind drei «Primeler», die in die Sek wechseln, Exoten, die sich mit der Zeit der neuen Klasse anpassen und ihrer Herkunftsklasse abschwören müssen. Als ich als einzige ein Jahr später als üblich ins UG wechselte, wurde ich in der Sek als Pseudointellektuelle beschimpft. Das Manuel-System war fortschrittlich und wohl überlegt, doch es funktionierte hierarchie-stabilisierend. Die Einteilung nach der vierten Klasse entweder in Primar- oder Sekundärstufe war grundlegend, wegweisend und unerschütterlich. Das Mädchen,

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welches mit uns in der Sek Deutsch hatte, war eine Prim-Schülerin. Und genau als das wurde sie von uns behandelt. Sie hielt es ein Jahr lang aus, isoliert in einer fremden Klasse zu sitzen. Danach zog sie es vor, sich im Deutsch auf der Prim-Stufe zu langweilen, dafür aber mit ihren Freundinnen zusammen zu sein. Mindestens von der Sek-Warte aus war der Unterschied zwischen den beiden Stufen enorm. In der Prim waren die AusländerInnen und die sozial schwächeren SchweizerInnen. Dort waren die wilden Jungs und die tussigen Mädchen. In der Prim war es schwierig, eine Lehrstelle zu finden, da konnte man es vergessen. Das ist beinahe 15 Jahre her und noch mehr Lehrstellen wurden zu Leerstellen: Alles alter Hafenkäse, aber zum Glück sind unsere Integrationsbemühungen so fruchtend und fruchtig in der Schweiz, dass wir Zustände wie in Frankreich getrost als französische Eigenheit beiseite schieben können. Als zwei meiner Freundinnen nach der vierten Klasse in die Prim eingeteilt wurden und ich in die Sek, verlor sich der Kontakt. Das gleiche geschah mit meinen Freundinnen aus der Sek, als ich ins Untergymnasium wechselte. Das hat nur bedingt mit persönlichen Vorlieben, als vielmehr mit Klassenunterschieden und -unterscheidungen zu tun. Ich hielt es im Werken ein Jahr aus, danach wechselte ich – freiwillig! – ins Handarbeiten, und redete mir nach einigen Zoffs mit der Lehrerin ein, dass Häkeln eigentlich doch eine ganz coole Tätigkeit sei. Es war einfach zu anstrengend, die eigene Wahl einmal die Woche zu rechtfertigen (vor allem vor den Mädchen, die mir vorwarfen, eine Extrawurst zu wollen). Bildung ist nicht nur eine Frage der persönlichen Interessen und Neigungen, die mit Hilfe durchlässiger Strukturen gefördert werden können. Das Manuel-System funktionierte, doch stellte es die Hierarchie zwischen Prim

und Sek nicht in Frage. Das Wahlsystem und die punktuelle Durchlässigkeit funktionierten nicht, weil es gravierende Geschlechter- und Klassengräben gab. Weil Geschlecht, Herkunft, Status einerseits den verschiedenen Leistungsgruppen in einer Schule zugewiesen werden, weil Geschlecht, Herkunft und Status andererseits aber genau den Anspruch, Leistungsgruppen bilden zu können, rechtfertigen. Heterogenität wird immer auch durch diese Merkmale als problematisch empfunden, nicht «nur» aufgrund der Leistungen. Ausserdem werden Leistungen geschlechter- und herkunftsspezifisch gedeutet. Die Kontrolle über diese Regulierungsfunktionen liegt nicht nur bei den Lehrkräften, aber auch. Deshalb ist es kein Widerspruch, in eine fortschrittliche Schule zu gehen, in der Knaben immer noch einer körperlichen Züchtigung ausgesetzt waren und Mädchen eine Mathschwäche verpasst bekamen. Dieses megafon dreht sich um Bildung. Um Hierarchien. Um Normierung und um Unmöglichkeiten unserer verschiedenen Bildungssysteme. Die Artikel schauen hin, wos nicht funktioniert, wo Vorurteile produziert und Alltagstrott einstudiert werden. Bildung kann verhindern und verbilden. Aber Bildung kann auch frei machen. Doch eben nicht, indem die SchülerInnen wählen zwischen Werken und Handarbeiten, sondern indem sie sich vielleicht ein neues Fach ausdenken würden. Indem sie die Geschlechterhierarchie zwischen diesen Fächern sichtbar machen würden und so andere Wahlmöglichkeiten überhaupt herstellen. Es geht in diesem Schwerpunkt also nicht nur um die Unmöglichkeiten, sondern darum, das Unmögliche zu denken und möglich zu machen. Denk:mal! Drum hat Denk:mal diesen Schwerpunkt fürs megafon geschrieben. Merci! Auf dass es Euch noch lange geben möge! > TUT <


WAS HAT BILDUNG MIT SCHULE ZU TUN?

DIE SCHULE – EIN DOGMA UNSERER GESELLSCHAFT «ES SCHEINT HIER MANCHES JA DARAUFHIN EINGERICHTET, ABZUSCHRECKEN, UND WENN MAN NEU HIER ANKOMMT, SCHEINEN EINEM DIE HINDERNISSE VÖLLIG UNDURCHDRINGLICH.» (F. KAFKA)

Eine Gesellschaft, welche sich als demokratisch bezeichnet – das heisst, den Anspruch hat, dass den Menschen, welche in ihr leben, die Möglichkeit gegeben wird mitzubestimmen und die Lebensumstände mitzugestalten – bedarf notwendigerweise der Bildung. Die Realität dieser Gesellschaft hängt direkt damit zusammen, wie fähig die einzelnen Menschen sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen und nicht zu missbrauchen. Der Bildungsanspruch beschränkt sich deshalb nicht auf eine Elite, welcher die Kontrolle und die Entscheidungskompetenz zugeschrieben wird, es braucht viel mehr eine breite Bildung, so dass alle Menschen ihre Interessen selbständig vertreten können. Bildung für alle ist hiermit ein Interesse der gesamten Gemeinschaft, welche demokratisch zusammenleben will. Um diesem Interesse nachzukommen gibt es die Schule und damit sich auch niemand diesem Bildungsanspruch entziehen kann, gibt es die Schulpflicht. Die Schule hat somit bei der Erziehung, der Aneignung von Wissen und der Sozialisation der Menschen eine grosse Bedeutung. Diese zentrale Rolle der Schule begründet ihre Wichtigkeit bei der Konstruktion unserer gesellschaftlichen Realität. Uneinsichtig und verbittert wird deshalb der Kampf um das Gesicht dieser Institution geführt. Soll die erste Unterteilung nach schulischen Fähigkeiten bereits nach dem vierten oder erst nach dem sechsten Schuljahr erfolgen? Wie soll die Unterteilung erfolgen? Mit Hilfe einer Prüfung am Ende der Grundschule? Oder über das Zeugnis des letzten Schuljahres ermittelt? Oder sollen die Leistungen des ersten und zweiten Schuljahres auch schon mit einfliessen? Soll es nur eine Sekundar- und eine Realschule geben, oder

sollen leistungsstarke Schüler in einer Spezial-Sek zusammengeführt werden? Wie schwach muss einE SchülerIn sein, damit er/sie aus einer Regelklasse in eine Sonderklasse abgeschoben werden kann? Fünf oder sechs Wochen Sommerferien? Was bedeutet Bologna fürs Studium? In rasendem Tempo folgen sich die Schulreformen und einig sind sich alle nur in einem: Unsere Schulen müssen besser werden. Diese Kontroversen dienen jedoch lediglich dazu, die öffentliche Meinung in der Schulideologie zu bestärken, welche Bildung auf eine Verbindung von Klassenzimmern, Lehrplänen, Subventionen, Prüfungen und Noten reduziert. Ob die Schule in ihrem fundamentalen Aufbau dem Interesse einer breiten Bildung dienlich ist, wird nirgends gefragt. Es ist schwierig, die Schule als System in Frage zu stellen, weil wir so daran gewöhnt sind. Unsere industriellen Kategorien sind dazu angetan, Ergebnisse als die Produkte spezialisierter Institutionen und Instru-

mente anzusehen. Wie Armeen ihren Ländern Sicherheit bieten, so ist Bildung das Erzeugnis von Schulen. Lässt man dieses Etikett einmal so gelten, macht Bildung ohne Schulen den Eindruck, als wäre sie etwas unechtes. Gleichzeitig wird jede Investition in Schulen als eine Investition in die Bildung verstanden. Ein Leben ohne Beziehung zur Schule ist nicht mehr vorstellbar. Das Verlangen nach Bildung ist heute dem Zwang der Schulung gewichen.

BILDUNG – EIN PRODUKT DER SCHULE? Wir haben es hier mit einem Dogma zu tun, welches besagt, dass Bildung ein Produkt der Schule sei, ein Produkt, das sich durch Zahlen definieren liesse. Da gibt es Zahlen, die angeben, wie viele Jahre ein Schüler unter der Obhut von Lehrern verbracht hat, während andere Zahlen den Anteil von richtigen >

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1 Kronig Winfried: Das

Konstrukt des leistungsschwachen Immigrantenkindes.

Antworten in einer Prüfung wiedergeben. Mit dem Empfang eines Diploms erhält das Bildungsprodukt Marktwert. So garantiert der Schulbesuch als solcher für die Aufnahme in den Kreis disziplinierter Verbraucher in unserer Demokratie. Man lernt in der Schule, Autoritäten zu akzeptieren, wobei deren Meinungen nicht durch die Schlagkraft ihrer Argumente, sondern aufgrund der durch sie erlangten gesellschaftlichen Position als gerechtfertigt empfunden werden. Die Schule und ihre Konstitution muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass wir in einer Arbeitsgesellschaft leben. Denn das Bestreben nach demokratischer Mitbestimmung der Menschen geniesst bestenfalls eine untergeordnete Priorität. Unsere Gesellschaft ist zum heutigen Zeitpunkt auf Gedeih und Verderb an das Funktionieren unserer kapitalistisch organisierten Wirtschaft geknüpft. Die Schule erfüllt ihren Zweck somit nicht in erster Linie darin, den Menschen, welchen sie besuchen gerecht zu werden, sondern sie auf die bevorstehende Arbeitswelt vorzubereiten und sie für die Gesellschaft in einem wirtschaftlichen Sinne nutzbar zu machen. Unser Wortschatz verdeutlicht diesen Umstand mit Begriffen wie «Human Resources» oder «Humankapital».

SCHWERPUNKT

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Flaschen und nicht von Menschen die Rede. Ob das zu Erlernende nun durch planwirtschaftliche Festschreibungen durch Lehrpläne erstellende Experten festgelegt wird, oder durch einen vom Verwertbarkeitsprinzip geleiteten freien Bildungsmarkt – der Mensch kommt in beiden Fällen zu kurz. Neu am Verwertbarkeitsprinzip ist wohl nur, dass auch noch die letzten Schlupflöcher, in denen unangepasstes, unkonDIE WIRTSCHAFT DRÜCKT ventionelles und kritisches Handeln «Nicht für die Schule sondern fürs und Denken stattfinden konnte, geleben lernen wir.» Auch Think Tanks wie schlossen werden. Avenir Suisse, welche sich als neoliberale Schulreformer verstehen und den SELEKTION unsinnigen Verwertungsdruck der Planwirtschaft im Schulwesen fordern, Es ist nicht möglich, die heutige beziehen Marktmechanismen ein, um Schullandschaft der Schweiz ganzheitdie schulische Realität dem Leben an- lich einem der oben beschriebenen zupassen. Wenn Neoliberale Denker Schulungsmechanismen zuzuordnen. vom Leben sprechen, so sprechen sie Obwohl der Staat sich für die heutigen von der Arbeit. Unter Freiheit wird die Bildungstempel verantwortlich zeichFreiheit des wirtschaftlich Stärkeren net, ist der Druck durch die Arbeitswelt, verstanden, sich hemmungslos gegen das heisst durch die Arbeitgeber, so die Schwächeren durchzusetzen. Die- stark, dass sich die Schule zwangsläusem zum Überleben wichtige Drang fig den Forderungen nicht entziehen nach Effizienzsteigerung, fällt je länger kann. Niemand wagt das Beurteilen von je mehr alles Menschliche – darunter auch die Freiheit der einzelnen Indivi- Menschen in Form von Noten oder duen – zum Opfer. Die Aufgabe der Worthülsen wie «nicht erfüllt» und Schule ist es, die Menschen in diese «übertroffen» zu kritisieren. Zu stark ist Welt einzuführen, sie auf das Leben in der Drang nach Beurteilung, nach Einder Arbeitswelt vorzubereiten. Diese teilung in gut und schlecht. WissenAufgabe der Schule steht im Gegensatz schaftliche Studien1 zeigen die Willkür zum Verständnis der Schule als einer unseres Schulsystems und seiner SeInstitution welche die Menschen in ih- lektion auf. Wollen Eltern, dass ihr Kind rer Freiheit unter freien Menschen be- das Gymnasium besuchen kann, so ist stärken soll, weil sie nicht den Men- das beste Mittel zur Verbesserung der schen, sondern die zu erhaltenden, un- Schulischen Leistungen des Kindes der menschlichen, kapitalistischen Um- Wechsel der Wohngemeinde und damit verbunden der Eintritt in eine andere stände ins Zentrum stellt. Schulen haben deshalb einen auto- Schule. Die neue Schule ist nach zwei ritären Charakter. «Was hat die ältere Kriterien zu wählen. Ersten müssen im Generation mit der jüngeren vor?» Die- neuen Hochschulraum überdurchser Ausspruch von Schleiermacher schnittlich viele Gymnasialplätze zu bewird als die Grundfrage der Pädagogik legen sein. Zweitens sollte in der neuen betrachtet und verdeutlicht, mit wel- Grundschule, in welche das Kind eincher Ackerbaumentalität Pädagogik tritt, überdurchschnittlich viele Jungen betrieben wird. Eintrichtern und dann und überdurchschnittlich viele Auslänwährend der Prüfung wieder Ausspuk- derInnen ihre Schulpflicht absolvieren. ken. Man könnte meinen, es sei von Dadurch ist eine Verbesserung des No-


tenschnitts um bis zu 1.2 Notenpunkten möglich. Die Wirtschaft nörgelt verdrossen an den uneinheitlichen Beurteilungsgrundlagen herum, die Bildungsplaner sehen die Anerkennung der Leistungsbescheinigungen und des ganzen Selektionsverfahrens gefährdet. Einheitliche Prüfungen und zentralisierte Strukturen sollen das Rezept sein, mit welchem das Ding der Unmöglichkeit, die Bewertung von Menschen und das Erstellen eines Direktvergleichs anhand von Zahlen möglich gemacht werden sollen. Dass durch diesen Zentralismus die Individuen zu kurz kommen könnten, dass alle über den gleichen Leist geschlagen und nicht in ihren persönlichen Interessen und Begabungen gefördert werden, scheint niemand zu bedenken.

ZWEIKLASSENBILDUNGSSYSTEM – EINE REALITÄT Unser Bildungssystem verstärkt die sozialen Unterschiede massiv. Selbst im europäischen Vergleich ist der Zusammenhang zwischen dem Schulabschluss der Eltern und dem Abschluss der Kinder nirgends so stark wie in der Schweiz, wie die PISA-Studie belegt. Es ist deshalb durchaus nicht abwegig, bereits heute von einem Zweiklassenbildungssystem zu sprechen. Gezielt wird an unseren Hochschulen Fachsprache antrainiert. Kein Zweifel, sie gestattet im richtigen Masse eine gewisse Präzision, welche durchaus auch vorteilhaft sein kann. Was Fremdwortjongleuren aber nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass diese Fachsprache auch eine ungesunde Distanz zur Sache bewirken kann. Dass diese abgeklärte Distanziertheit zu einer Apathie führen kann, die Ungerechtigkeit vor den Türen der Universität geschehen lässt, während drinnen Seminararbeiten geschrieben werden, die zu schreiben reine Zeitverschwendung ist. Dass drinnen über Vor- und Nachteile der Konkordanz diskutiert wird, während in Guantanamo Folter unter dem Deckmantel der De-

mokratie betrieben wird. Dies hat alles Platz und Berechtigung an einer Universität. «Veränderte menschenwürdige Verhältnisse können nur durch aktives reflektiertes Handeln solidarischer Subjekte erkämpft werden, eine Diplomarbeit ist dabei fürn Arsch» Wer derart in seiner Diplomarbeit die Interaktionsmerkmale missachtet, hat «keinen Anspruch auf ... Verleihung des Akademischen Grades», so entschied das «unanfechtbare» Berliner Oberverwaltungsgericht «im Namen des Volkes» am 17. August 1978. Es ist verständlich, wenn untere Einkommensschichten nicht mehr bereit sind, durch Steuern denjenigen eine Hochschulbildung zu bezahlen, welche von Haus aus über genügend Geld verfügen, sich diese auch zu leisten. Interessant ist, dass gerade die finanziell Starken aus der Wirtschaft diese Argumente für eine Erhöhung der Studiengebühren ins Felde führen. Das Erheben von Kosten für die Nutzer eines Schulangebots führt jedoch gerade in die falsche Richtung. Sie führt zur Zementierung und Verschärfung der herrschenden Ungerechtigkeit gegenüber Menschen, die finanziell schlecht gestellt sind. Dass die Kostenfrage und nicht die Forderung nach einer fundamentalen Veränderung des Bildungswesens gestellt wird, welche dem Wesen der Bildung gerecht würde, zeigt einiges. Nicht nur das Dogma Schule zeigt ein weiteres mal sein Gesicht. Es wird auch klar, dass es den Einflussreichen aus der Wirtschaft und den Politikern an den Schalthebeln der Macht nicht nach grundlegender Veränderung zu Mute ist. So ist das Paradox zu erklären, dass einige Vertreter der Wirtschaft sich die Interessen der Benachteiligten auf die Fahne schreiben und sie gleichzeitig mit Füssen treten, dass demokratische Mitbestimmung an den Schulen zum ja oder nein sagen, aber keinesfalls den zur Diskussion stehenden Gegenstand mitgestaltet werden soll.

WAS NUN? Der Aufruf, sich die Schweiz ohne die herkömmlichen Schulen vorzustellen, muss für viele von euch überraschend kommen. Aber wahre Bildung hält für uns ja gerade Überraschungen. Das Hauptziel eines öffentlichen Bildungswesens in einer wirklichen und nicht nur herbeigeredeten demokratischen Gesellschaft muss darin bestehen, eine Lage zu schaffen, in der jeder und jede sich seiner/ihrer selbst bewusst werden kann. Bildung bedeutet die Ausbildung eines unabhängigen Lebensgefühls und eine Bezüglichkeit, die Hand in Hand damit geht, dass die im Zusammenleben der Menschen aufbewahrten Erinnerungen zugänglich und nutzbar gemacht werden. Eine Bildungsinstitution liefert dafür einen Bezugspunkt: Ein Ort in der Gesellschaft, an dem jeder von uns durch Überraschung aufgeweckt wird, eine Stätte der Begegnung, an der andere mich mit ihrer Freiheit überraschen und mir die eigene Freiheit bewusst machen. Soll eine so genannte Schule sich den Menschen würdig erweisen, so muss sie selber eine Institution sein, deren Ziele als Ausübung von Freiheit verstanden werden und deren Autonomie sich auf das Vertrauen gründet, welches die Öffentlichkeit in den Gebrauch dieser Freiheit setzt. > SKYBALA <

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DAS MÖGLICHE DENKEN, NICHT DAS BESTEHENDE GLAUBEN

ERZIEHUNG ZUM KONFORMISMUS SCHULBILDUNG VERMITTELT NICHT NUR WISSEN,

SONDERN REGULIERT DAS INDIVIDUELLE VERHALTEN ALS RICHTIG ODER FALSCH, ALS WEIBLICH

ODER MÄNNLICH, ALS SELBSTBEWUSST ODER MINDERWERTIG. DIE EINGLIEDERUNG IN DIE BESTE-

HENDE GESELLSCHAFT ERFOLGT DURCH SYSTEMATISCHEN AUSSCHLUSS ALTERNATIVER WISSENS- UND

LEBENSFORMEN. DAMIT BRINGT WISSENSVERMITTLUNG NICHT NUR FREIHEITEN, SONDERN EINE WIEDERHERSTELLUNG GELTENDER IDEOLOGIEN.

Eine gängige Meinung ist, dass sich die persönliche Freiheit der Individuen in den letzten 200 Jahren stetig vergrössert habe. Abbau von direkter Repression, Ausbau der demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine liberalere Gesetzgebung scheinen diese These zu verifizieren. Vergessen wird dabei, dass der Einfluss des Staates bzw. der herrschenden Klassen auf die Individuen sich krass verstärkt hat. Während sich Anfang des 19. Jahrhunderts die politisch-staatliche Wirksamkeit auf mehrere Städte oder gar nur eine (Paris in Frankreich) monopolisierte, ist sie heute bis in die kleinste Zelle des gesellschaftlichen Lebens vorgedrungen.1

FREIHEIT AM KOMMEN ODER AM GEHEN? Dies hat zum einen mit den durch technologischen Fortschritt entstandenen, besseren Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle der Menschen zu tun, zum anderen mit der strategischen Ausdehnung des politisch-staatlichen Wirkungsbereichs auf die Zivilgesellschaft2. Dazu gehören die staatliche Einheitsschule und die Universitäten. Wie im Text «Schule – Ein Dogma unserer Zeit» erwähnt wird, ist der Satz: «Was hat die ältere Generation mit der Jüngeren vor?» von Schleier-

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macher aus dem 19. Jahrhundert immer noch sinnstiftend für unser Verständnis von «Erziehung». Zur Veranschaulichung kann erwähnt werden, dass dieser Satz in dicken Lettern die Startseite der Homepage des Pädagogischen Instituts der Uni Basel schmückt. Das Wissen, insbesondere das Wissen über den Menschen, gründet auf der Entstehung der Disziplinen im 18. Jahrhundert. Durch die Einteilung in Verrückte und Normale, Kriminelle und Anständige wurde erstmals der Mensch zum Thema wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht. Das Ziel der Pädagogik war und ist immer noch die Massregelung und Normierung der Heranwachsenden, mit dem Ziel, sie in ökonomischem Sinne für die Gesellschaft nutzbar zu machen.

DIREKT-BEWUSSTE EBENE Die Normierung verläuft auf einer direkt-bewussten Ebene und auf einer indirekt-unbewussten. Die direkt-bewusste Ebene bezeichnet die Tätigkeiten der Schule, die als Mittel zur Normierung der SchülerInnen dienen und auch klar als solche kommuniziert werden. Sie zielen eher auf das Bewusstsein der SchülerInnen als auf das Unterbewusstsein. Heute, wo neoliberale Kräfte die Gesellschaft und deren Tendenzen prägen, wird viel stärker der Anspruch an die Schulen gestellt, sie müsse die Kinder auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereiten. Die Schule kommt diesen Forderungen nach. Sie wird markttauglich. BolognaReform, Lehrplanausrichtung auf Eignungstests von Privatfirmen, Werbung in den Vorlesungsunterlagen etc. sind Ausdruck davon. Auch im Unterricht wird Repression damit begründet, dass mensch Disziplin und Leistungsfähigkeit lernen muss, will sie oder er später auf dem Arbeitsmarkt bestehen. Als weiteres Beispiel ist das Politologiestudium zu nennen, das nach dem zweiten Weltkrieg vor allem in Deutschland die Aufgabe hatte, den

StudentInnen ein demokratisches Bewusstsein zu verschaffen. Offiziell hat sich die Ausrichtung dieses Studienganges aber wieder Richtung wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung geändert.

BEWUSST INS UNTERBEWUSSTSEIN Als mindestens genau so wirksam ist die indirekte-unbewusste Ebene zu betrachten. Da wird Ideologie durch die Darstellung einer konstruierten Normalität vermittelt. Gewisse geltende Strukturen werden durch die scheinbaren Sachzwänge als alternativlos vorgelebt, was einen kritischen Diskurs schon im Vorfeld ausschliesst. Die nicht diskutierbare, scheinbar gottgegebene Organisation wirkt sich auf unbewusster Ebene auf das Bewusstsein der SchülerInnen/StudentInnen aus. Wenn die Schulleitung eine Entscheidung fällt, findet mensch sie gut oder eben etwas weniger gut. Sie steht jedenfalls zur Diskussion. Dass aber schon der Umstand, dass die Entscheidung von der Schulleitung und nicht von den SchülerInnen gefällt wird, ein Diskussionspunkt sein könnte, wird vorweggenommen. Den hierarchisch-autoritären Aufbau der staatlichen Bildungsinstitutionen erachte ich als sehr gefährlich. Er verlernt den SchülerInnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Diese wäre eine Ausgangslage für eine Emanzipation der Menschen. Es gibt aber noch weitere reaktionäre Ideen, die von den Schulen reproduziert bzw. zementiert werden. Zum Beispiel wird mensch bereits in der Grundschule auf die gesellschaftliche Schichtung vorbereitet. So gibt es SchülerInnen mit sehr guten Noten, während andere am unteren Rand der Notenskala rumpaddeln. Oftmals sind die «guten» SchülerInnen auch noch beliebter bei den Lehrkräften. Nach ein paar Jahren kommt dann die Einteilung in zwei bis drei Leistungsstufen, die


«Besten» schaffen es sogar ins Gymi. Scheinbar entscheidet über das Leben der SchülerInnen ihre eigene Leistungsfähigkeit und nicht ein absurdes Schulsystem. SchülerInnen, die wegen irgendwelcher Kleinigkeiten (zu spät, Kaugummi, Hausaufgaben nicht gemacht, Schule vollgesprayt, dem Lehrer Arschloch gesagt...) bestraft werden, akzeptieren die Strafe häufig. Die von Sanktionen betroffenen Jugendlichen (vor allem in Gymnasien) erkennen den Ursprung des Problems meistens bei sich selber. Autoritätsgläubigkeit und Konformismus entstehen und werden Teil der geschaffenen Persönlichkeiten. Bezüglich der Geschlechterverhältnisse haben sich die staatlichen Bildungsinstitutionen zwar weiterentwickelt, sie sind aber immer noch eine Stütze des Patriarchats. Die meisten neueren Lehrbücher legen wert auf geschlechtsneutrale Formulierungen. Auch in den Rechnungsaufgaben ist es nicht mehr nur die Mutter, welche die benötigte Anzahl Eier ausrechnet. Jedoch ist die vorherrschende Kultur vor allem an höheren Schulen noch immer eine sogenannt männliche. Im Werkunterricht sitzen mittlerweile zu den Knaben noch zwei Mädchen, in der Handarbeit ist das Verhältnis noch gravierender. Immer noch werden schulisch erfolgreiche Knaben als intelligent, erfolgreiche Mädchen hingegen als fleissig betitelt. Dazu kommen teils noch reaktionäre LehrerInnen, die ihre persönlichen Sexismen in der Klasse ausleben. Die Funktion der Lehrein und des Lehrers als Autoritätsperson macht das zu einem ernstzunehmenden Problem.

zwar stellte er fest, dass an den Universitäten nur «das Geltende erforscht, nicht aber das Mögliche gedacht werden kann.» Was etwa bedeutet, dass die Grenzen des politischen Systems auch die Grenzen der Forschungsfreiheit (im weiteren Sinne) darstellen. Es ist also eine ziemlich verzwackte Situation, in der wir leben. Als mögliche Strategie scheint mir nur der Aufbau anderer Realtitäten, d.h. eigener Schulen mit eigenen Strukturen. Damit verlieren die DAS MÖGLICHE DENKEN herrschenden Strukturen nach und STATT DAS EXISTIERENDE nach den Anspruch, das einzig MögliERFORSCHEN! che darzustellen und darum das NorViele dieser Problematiken lassen male zu sein. sich auch auf die Universitäten übertragen. Adorno formulierte eine Weitere > BIK PANZLI < bereits in den 1960er Jahren.3 Und

1 Antonio Gramsci,

Gefängnishefte 2 Antonio Gramsci,

Gefängnishefte 3 Theodor Adorno, Er-

ziehung zur Mündigkeit

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LIBERALISIERUNG IM HOCHSCHULBEREICH

RONALD MCDONALD ALS PROF? MIT DER UNTERZEICHNUNG DES GATS IM RAHMEN

DER WTO 1995 IN URUGUAY WURDE AUCH DIE TÜRE

ZUR LIBERALISIERUNG DER BILDUNG WEIT AUFGESTOSSEN. DIES DARF NICHT VERWUNDERN, DENN IM BILDUNGSBEREICH SCHLUMMERN UMSÄTZE IN MILLIARDENHÖHE.

Literatur: Gerster, Richard et al., Das GATS und die Liberalisierung der Bildung, VSS Broschüre, Bern 2003

Bildung galt bisher als öffentliches Gut, welches allen offen stehen soll. Service Public eben. Doch dies soll sich nach Ansicht der Liberalisierer rund um die WTO ändern, denn Bildung wird als Dienstleistung eingestuft, frei handelbar und der Meistbegünstigungsklausel unterworfen, sprich der Staat muss private Unis wie staatliche behandeln. Die Finanzierung von Hochschulen soll von öffentlichen Geldern hin zu Privaten verlagert werden. Sponsoring ist das Stichwort. Private übernehmen «Verantwortung» und dürfen auch die «Bürde» der Mitentscheidung in Gremien wie dem Unirat tragen. Mit dem Begräbnis des Humboldtschen Bildungsideals und der Nachfolge der Ökonomisierung der Bildung im Sinne der WTO liegt nun viel Geld auf der Strasse. Nach Ansicht einiger «Bildungsexperten» der Avenir Suisse lägen Studiengebühren um 5000 Franken durchaus im angemessenen Bereich. Studierende sollen grössere Kosten und mehr Verantwortung für ihre Ausbildung übernehmen, so die Devise. Dass aber genau diese Studiengebührenerhöhung einer Elitarisierung der Bildung Vorschub leistet, wird natürlich verschwiegen. Universitäten sollen, nach deren Ansicht, denn auch nur das anbieten, was sich finanziell lohnt. Volluniversitäten mit gesellschaftlich zwar wichtigen, finanziell aber nutzlosen Fächern wie Slavistik oder Ethnologie brauchts nicht. Aber gute MBA-Angebote, wo zahlungskräftige Studierende aus dem In- und Ausland angelockt werden sollen, sind die Bildungsjuwe-

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len des 21. Jahrhundert. Doch wer profitiert von dieser Logik? Ein kurzer Blick auf die Liste der Finanzierer von Avenir Suisse genügt. Schnell begreift mensch die effektive Form des Lobbying des Grosskapitals. Vierzehn multinationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz unterhalten einen «unabhängigen Think Tank.» Dieselben Firmen sitzen im Unirat und bestimmen über die Verteilung der (öffentlichen) Gelder und bestimmen die Marschrichtung der Universität mit. Und was läuft mit Bologna? Die Reform sollte die Europäischen Hochschullandschaft vereinheitlichen, mit dem Ziel der verbesserten Mobilität und der einfacheren Anerkennung der Diplome. Ja? Denkste! Bologna, dass gegen den Willen des grössten Studierendenverbandes der Schweiz (VSS) umgesetzt wurde und wird, muss als weitere Kriegserklärung der Neoliberalen betrachtet werden. Das neue Bachelor/Master System nach angelsächsischem Vorbild dient dazu, schneller mehr einheitliche, «qualifizierte» Arbeitskräfte auf den Markt zu werfen. Das Studium wird vereinheitlicht, abenteuerliche Fächerkombinationen, welche einst eine umfassende Bildung erlaubten, gehören der Vergangenheit an. Das neue Vollzeitstudium lässt Studierenden keine Möglichkeit, einem existenzsichernden Nebenerwerb nachzugehen. Stipendien wurden im Zuge der Sparmassnahmen zu Darlehen runtergestuft. Was für Studis werden uns wohl in Zukunft beglücken? Höchstwahrscheinlich nur noch die mit Papis fettem Scheckbuch. Und was wird aus denen werden? Öde, neoliberale, unkritische und arbeitswillige Fachidioten. Und das ist eine Gefahr für die Schweiz und die Welt! > SÜNONYM <


UNIKRITITK – WISSENSCHAFTSKRITIK

BRAUCHEN WIR DIESE UNI EIGENTLICH? DIE UNI BERN IST EIN ZIEMLICH AUFWÄNDIGER

SPASS. SIE KOSTET DEM ALLGEMEINWESEN JÄHRLICH ÜBER EINE HALBE MILLIARDE FRANKEN. DAMIT KÖNNTE MAN ZUM BEISPIEL ÜBER 1000

Das tönt ja schon mal gut: Im DiensWEITERE PROJEKTE WIE DIE REITSCHULE SUBVEN- te der Allgemeinheit Aufgaben erfüllen und die Würde des Menschen und der TIONIEREN. LOHNT SICH FÜR UNS DIESE UNI Natur schützen.2 Welche schwierigen ÜBERHAUPT ODER KÖNNTE MAN DIE RESSOURCEN Aufgaben soll sie denn für den ganzen SINNVOLLER VERWENDEN? Zaster im Dienste von uns allen erfüllen? Lesen wir weiter: Im Allgemeinen ist im progressiven Lager selten Kritisches über die Uni zu hören. Zu sehr musste man in den letzten Dekaden für eine bessere (beziehungsweise gegen all zu dramatische Kürzungen der) Finanzierung einzelner Bereiche des universitären Angebots kämpfen. Aber werfen wir doch mal einen Blick auf die Uni als ganzes und überlegen, ob die Gesellschaft diese Uni überhaupt braucht. Schauen wir uns zuerst an, was der Kanton selbst als Sinn und Zweck seiner Uni anschaut. Im «Gesetz über die Universität»1 stehen gleich zu Beginn die folgenden ergreifenden Worte:

Art. 1 Grundsätzliches: 1. Der Kanton unterhält eine Universität. 2. Die Universität Bern ist eine öffentlichrechtliche Anstalt […] 3. Sie erfüllt ihre Aufgaben im Dienst der Allgemeinheit. Sie achtet und schützt die Würde des Menschen und der Natur.

Das also ist ihr demokratisch bestimmter Auftrag: Das Ausbilden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das Vermitteln von pädagogischen Fähigkeiten zur weiteren Verbreitung von Wissen, die Mehrung des Wissens im allgemeinen sowie vernetztes, kritisches Denken. Was so unArt. 2 scheinbar tönt ist tatsächlich nicht nur Kernaufgaben: 1. Die Universität a) bildet schwierig sondern auch eine Kerndie Studierenden wissenschaftlich aus und element einer demokratischen und bereitet sie auf die Tätigkeit in akademischen selbstbestimmten Gesellschaft. Echte Berufen vor; b) wirkt an der LehrerinnenDemokratie funktioniert nur über Verund Lehrerbildung sowie an weiteren Bilteilung von Bildung und den repressidungsgängen mit; c) bildet den wissenschaft- ven Tendenzen aller (und speziell auch lichen Nachwuchs heran; wirkt an der Weider unsrigen) Herrschaftsformen ist ter- und Fortbildung mit. 2. Sie fördert durch nur durch kritischer Reflexion beizuForschung die wissenschaftliche Erkenntnis. kommen.3 3. Sie fördert die fächerübergreifende ForAlso doch ihre halbe Milliarde Wert, schung und Lehre sowie die Reflexion der unsere Uni? Voraussetzungen und Wirkungen wissenWer sich ein bisschen mit Gesetzen schaftlicher Tätigkeit. 4. Sie erbringt Dienst- auskennt oder zum Beispiel einfach leistungen, die im Zusammenhang mit ihrer mal zum falschen Zeitpunkt demonBildungs- und Forschungsaufgabe stehen. strierte, weiss, dass in der Schweiz zwischen dem, was im Gesetz steht und dem, was der Staat dann macht, oft >

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grosse Unterschiede bestehen. Vertrauen wir daher nicht nur aufs geduldige Papier sondern untersuchen etwas genauer, ob die Uni ihren gut bezahlten Auftrag auch erfüllt. Zu diesem Zweck greifen wir aus den oben angeführten drei Kernaufgaben heraus: 1. Das Ausbilden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, 2. Die Förderung des kritischen Denkens über die Wissenschaften und die wissenschaftliche Tätigkeit. 3. Die Erfüllung ihrer Aufgaben im Dienste der Allgemeinheit.

VON DER WISSENSCHAFT Ziel der Wissenschaft, ist, mal grob vereinfacht, mehr über die «Welt da draussen»4 in Erfahrung zu bringen, als Mutter der akademischen Disziplinen gilt denn auch die Philosophie, auf deutsch übersetzt: die Liebe zur Wahrheit. Eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler wäre demnach jemand, der oder die «es wissen will». Eine Person die daran interessiert ist, wie die Welt wirklich aussieht und genau dazu soll die Universität sie ausbilden. Leider ist jedoch nicht nur in einem grossen Teil der Studiengänge festzustellen, dass solche Fragen immer weniger eine Rolle spielen. Vielmehr geht es in einem immer grösseren Teil des Studiums darum, aus den Studierenden möglichst gut funktionierende Arbeitskräfte zu machen, die nicht etwa reflektieren sondern repetieren und zwar das, was ihnen vorher mühsam eingetrichtert wurde. Als erschreckendes Beispiel soll für eine Vielzahl solcher Studiengänge (von der in Bern schrecklich Empiriefixierten Psychologie über Medienwissenschaften bis zu Pharmazie) einmal

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das wirtschaftswissenschaftliche Studium herhalten. Eine unvorbereitete Besucherin einer Wirtschaftsvorlesung könnte ohne weiteres zur Ansicht gelangen, sich wohl in der Fakultät geirrt zu haben und in der Theologie gelandet zu sein.5 Da werden munter eherne «10 Gebote» der Wirtschaftstheorie propagiert, die es «einfach zu glauben» gilt, ja es gibt ganze Schulen (um nicht zu sagen «Sekten») die sich in richtigen Glaubenskämpfen um den «heiligen Gral» der Wirtschaftstheorie streiten. Erschreckend mangelhaft ausgebildet sind dabei jedoch die wissenschaftlichen Elemente der Debatte. Kaum ein Professor der Volkswirtschaft, der Ahnung von Wissenschaftstheorie oder Logik hat, geschweige denn der Mittelbau6. Daraus resultiert, dass oft Spekulation und historische Nonsens-Argumentation («Der Kommunismus als Wirtschaftssystem funktioniert nicht, sehen sie nur Nordkorea an»)7 die Debatte regiert und rationale Argumentation zwangsläufig ignoriert werden muss, um ein Zusammenfallen des Theoriegebäudes zu verhindern. In kaum einem anderen

Gebiet zählen Autoritätsargumente so sehr wie hier. Wirtschaftsskripte lesen sich daher oft als eine Ansammlung von Plattitüden, aufgelockert durch eine handvoll Tautologien die unbeirrbar repetiert werden. Tragischerweise ist man aber besonders dann eine erfolgreiche Wirtschaftsstudentin, wenn man die Plattitüden dem richtigen Professor8 zuordnen kann und sie an der entsprechenden Prüfung wieder auskotzt. Eher unbeliebt macht man sich, wenn man die jeweilige Heilslehre hinterfragt. Wenn man in einem solchen Falle «nur» regelmässig vor den anderen 300 Studis im Hörsaal lächerlich gemacht wird (die komödiantischen Talente des Lehrpersonals in dieser Hinsicht sind beachtlich), ist man noch glimpflich davongekommen. Diese Tendenz zum reinen «Abfüllen» von Studis mit «Information» (Dazu passt ja auch schön das neu aufgekommene Bild vom «Konsument Studierender») wird im gesamten universitären Bereich durch die zunehmende Verschulung (Stichwort Bologna und Studienzeitverkürzung) massiv angekurbelt. Auch der in letzter Zeit


wieder aggressiver geschürte Erwartungsdruck auf die Studierenden («studiere schnell und hol dir nachher einen dicken fetten Job») führt zu schneller Anpassung und zum Verstummen jener Stimmen, die der jeweiligen Lehrmeinung kritisch gegenüber stehen. Heute wird einem/einer Prof selten widersprochen, auch wenn er oder sie den grössten Rhabarber daherschwafelt, im Übrigen ein Umstand, der durch das Lehrpersonal selber in zunehmenden Masse beklagt wird. Aus der Alma mater strömen jedenfalls immer weniger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dafür gibts einen immer fetteren Strom karriereorientierter «Arbeitsmarkt tauglichen» Human Resources.

VOM SELBSTKRITISCHEN DENKEN Warum zur Hölle eigentlich Forschung über vorderasiatische Archäologie und was für Auswirkungen kann eine manipulative «wissenschaftliche Studie» zur Biomilch haben? Inwiefern dient die soziologische Forschung der Ausarbeitung von Unterdrückungsstrategien der herrschenden Klasse und wie kann ich einer solchen Ausbeutung entgegen wirken? Sind unsere Methoden und die akademischen Traditionen nicht diskriminierend, insbesondere gegenüber Frauen und Menschen aus bildungsfernen Schichten? Sind unsere Denkkategorien dominiert von patriarchalen und eurozentristischen Mustern? Was zum Teufel ist die Verantwortung des/der AkademikerIn und insbesondere der Studierenden gegenüber sich selbst, der Gesellschaft in der sie oder er sich bewegt und gegenüber der Erkenntnis, die man sucht? Sind wir als Akademikerinnen und Akademiker eine unterdrückende Klasse der Gesellschaft, oder gar nur williges Werkzeug anderer zur Unterdrückung? Alles Fragen, denen an der Univer-

sität in den meisten Fällen tunlichst ausgewichen wird. Insbesondere weil wohl nur schon der breit angelegte Versuch, sie zu beantworten, zu interessanten Erkenntnissen führen würde… Und wohl auch zu markanten Veränderungen. Für viele Studierende wären solche Gedanken auf dem «Weg nach oben» auch nur störend, warum sich ein schlechtes Gewissen machen, wenn man nur das tut, was alle Welt verlangt: Versuchen, um jeden Preis erfolgreich zu werden und zu nehmen was man kann. Den ProfessorInnen (von denen viele wohl früher über solche Fragen sehr intensiv nachgedacht haben) sind solche Fragen sogar mehr als lästig. Immerhin gehts da oft auch um die eigene Rechtfertigung und Selbstkritik ist in der Akademia noch nie hoch im Kurs gestanden. Kein Wunder schaffts die «Reflexion» nur selten auf den Lehrplan und wenn dann oft auch noch als Alibi-Fach (wie die schnellbleiche in «Ethik» für MedizinerInnen die danach am menschlichen Genom herumschnippeln möchten). Tritt die Suche nach der Wahrheit (siehe oben) gegenüber den persönlichen Interessen in den Hintergrund, ist auch das Bedürfnis nach kritischer Betrachtung der eigenen wissenschaftlichen Methodik eher müssig, kommts doch vor allem aufs «leisten» und «produzieren» drauf an und nicht so sehr auf die Lauterkeit9. Auch die Fragen nach der eigenen Rolle innerhalb des momentanen Herrschaftsgefüge ist den meisten fast so unangenehm wie den SozialdemokratInnen, wohl weil sie (genau wie die GenossInnen) die Antworten ahnen. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr ist diese Symptomatik auch für die Wissenschaft selbst. In vielen Bereichen wird oft jahrzehntelang der reinste Käse gelehrt und vertreten, weil es niemand wagt, innerhalb des Systems gegen die bestehenden Meinungen anzutreten bzw. der akademische Apparat solche KritikerInnen mit aller Wucht beharkt. Hängen doch an ge-

wissen Theorien ganze Lehrstühle oder Fakultäten und damit nicht nur der oder die Prof, sondern auch seine DoktorandInnen, Assistierenden usw. die sich alle auf die eine Theorie eingeschossen haben. Die wissenschaftliche Diskussion ist weit vom Habermas’schen Ideal der «Herrschaftsfreiheit» entfernt, die Brutalität und Kraft einzelner Patriarchen innerhalb der akademischen Struktur vermag immer wieder zu erstaunen. Um das «Bewusstsein» unter den AkademikerInnen steht es jedenfalls schlecht und die Strukturen sind wieder zunehmend hierarchisch und patriarchal geworden (ja man hat den Eindruck, die 68er hätten, wie der liebe Joschka bei den Grünen, es sogar noch «besser» gemacht als ihre eigenen Profs, sie, die alle Tricks kennen, um autoritäre Systeme zu untergraben) und verhindern damit eine offene, kritische Debatte.

VOM DIENST AN DER ALLGEMEINHEIT Nun gut, könnte man argumentieren, die Uni genügt nicht den humboldtschen Idealen und mag auch aus demokratietechnischen Überlegungen etwas unästhetisch wirken, aber wenns doch für einen guten Zweck ist… dem Dienst an der Allgemeinheit! Profitieren wir denn nicht alle von der Universität? Bringt sie nicht Wohlstand in die hinterletzte Stube, optimiert sie nicht den Standort Schweiz und hilft dadurch uns allen? Diese Antwort mit Nein beantworten zu müssen ist wohl die härteste der bisherigen Schlussfolgerungen. Die heutige Universität ist (bedingt durch die Konstitution des gesamten Schulwesens) immer noch eine Repro>

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duktionsstätte der finanziellen Elite unserer Gesellschaft. In ihr werden die Kinder der dominierenden Schichten zu den Eliten von morgen herangebildet. Wenn die PISA Studie ein erschütterndes Ergebnis hervorgebracht hat, dann nicht die mittelmässigen Lesekenntnisse einiger SekundarschülerInnen sondern die massive soziale Selektion im Bildungswesen. Und diese Eliten lernen an der Uni (wie oben ausgeführt) nicht einmal Verantwortung und ein demokratisches Bewusstsein, sondern vielmehr weiterhin brav das bestehende Herrschaftssystem voranzutreiben und selbst nach Kräften abzuräumen. Aufgrund der Flachen Steuer-Progression in der Schweiz und dem Krassen Missverhältnis bezüglich der sozialen Herkunft der Studierenden wird durch viele progressive Ökonomen sogar angenommen, dass die öffentlich finanzierte Universität eine Umverteilung von «unten» nach «oben» darstellt und die finanziell schlechter gestellten Schichten den Kindern der Eliten sogar noch deren Ausbildung zur nächsten Elite finanziert. Aber auch in den eher allgemeinverträglichen Aufgabenbereich der Universität sind weitere Verschiebungen in Richtung «Subventionierung der Reichen»10 zu beobachten. Die zunehmende Privatisierung von öffentlicher Forschungsleistungen (Private Firmen können über kleine «Drittmittelspenden» grosse Forschungsprogramme zu deren Gunsten beeinflussen und über «Kooperationsprogramme» sogar Patente erschleichen), der Verkauf von universitären Dienstleistungen an private Unternehmen zu untersetzten Preisen usw. Die Universität steht also zunehmend nicht mehr im Dienst der Allgemeinheit sondern einer schmalen Schicht von maximal 20 Prozent der Bevölkerung. Bezeichnend dafür ist

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auch das hartnäckige Überleben der patriarchalen und hierarchischen Strukturen (immer noch sind nur knapp 10 Prozent der Lehrstühle mit Frauen besetzt), die die Universitäten zu einem nicht zu unterschätzenden, konservativen Element der Gesellschaft machen. Fazit: Diese Universität brauchen wir tatsächlich nicht. Ihr fällt es immer schwerer, ihre tatsächlichen Aufgaben zu erfüllen, während sie (wieder) zunehmend zur PropagandistIn des Status quo und zur Subventionsmaschine für die Eliten wird. Statt für überbezahlten Profs oder für hauptsächlich der Pharmaindustrie nützenden Forschungsprogramme würde man die Ressourcen besser anders einsetzen (denk(t)mal für was zum Beispiel). Der akademischen Gemeinschaft ist wie-

der mehr Druck aufzusetzen und deutlich zu machen, dass man sich nicht «blind» für alles, was mit Uni angeschrieben ist, einsetzt. Sondern nur für diejenigen Massnahmen, die auch zu einer in der Gesellschaft verankerten Universität führen. Also weg mit der Uni? Ja, aber eher weg von da, wo sie jetzt ist, zu dort wo die Gesellschaft wartet. Durch eine Demokratisierung ihrer Strukturen, durch eine stärkere Kontrolle der Gesellschaft, durch eine Enthierarchisierung und eine effektive Gleichstellungspolitik.

1 BELEX Nr. 436.11

wenn das so zu verstehen ist, dass es also durch-

2 Offensichtlich war bei der Ausarbeitung des

aus auch möglich ist, dass jeder sich durch Handel auch nicht verbessert), weil er keine relevante Information trägt (bzw. soviel wie: Durch grüne Socken kann sich jeder bluna fühlen...oder auch nicht) oder er ist schlicht Blödsinn (nämlich wenn das so zu verstehen wäre, dass sich jeder beim Handeln zwangsläufig verbessert, eine Aussage die tagtäglich widerlegt wird). 7 erstens ist «der Kommunismus» kein Wirtschaftssystem, zweitens ist Nordkorea kein kommunistisch Land, drittens ist ein Fallbeispiel für den angestrebten Beweis völlig ungeeignet (Ich bin auch nicht der Beweis, dass in Bern wohnen dick macht, nur weil ich zufällig hier wohne und

Gesetzestextes nicht gerade ein Sprachkünstler am Werk. Die Würde der Natur? Naja, solang man es der Genforschung vorhalten kann… Schön wärs. 3 Natürlich hat die «Investition Universität» auch in ökonomischer Hinsicht äusserst positive Effekte (sonst würde sie wahrscheinlich schon lange nicht mehr in dem Umfang getätigt), ein hoher Bildungsstandard resultiert in hoher Produktivität, tiefer Kriminalitätsrate usw. 4 Dabei kann es sich durchaus auch um Dinge «in uns drinnen» handeln, wie nicht nur PsychologInnen hier sicher gerne anmerken möchten. 5 Hier gilt es anzumerken, dass gerade die Theologische Fakultät oft Veranstaltungen anbietet die

Denn: Die Uni gehört uns… und niemandem sonst. > FRANZ-DOMINIK IMHOF <

ein bisschen mehr auf den Rippen habe). 8 wie schon erwähnt: Keine Frauen auf wirt-

erstaunlich undogmatisch sind und zumindest einiges mehr kritische Reflektion zulassen als ihre Kollegen (eine Professorin gibt es da leider nicht) von der Ökonomie.

schaftswissenschaftlichen Lehrstühlen 9 wissenschaftliche Lauterkeit… Ein Begriff der mittlerweile arg vom Aussterben bedroht ist.

6 Selbst die Lehrmittel enthalten dadurch gravie-

Nicht haben.

rende logische «Böcke» in hoher Zahl. So lautet zum Beispiel Prinzip Nr. 5 (von 10) von Mankiv (Standardliteratur Makroökonomie): Durch Handel kann sich jeder verbessern: Entweder ist dieser Satz eine sog. Nullkompetenzaussage (nämlich

10 Zum Begriff siehe; Chomsky, Noam: Haben und


«SESSELFURTZKLUGSCHEISSERINNEN»

GEGEN ALLES ABSTRAKTE STUDIS ALS INTELLEKTUELLE ZU BEZEICHNEN

WÄRE ANMASSEND, FÜR ANTIINTELLEKTUALISMUS

VON SUBTILER ABNEIGUNG BIS OFFEN GEÄUSSER-

TEM HASS MACHT DAS ABER KEINEN UNTERSCHIED, DEN BEKOMMEN SIE GENAUSO ZU SPÜREN. SEIN

CHARAKTER IST REAKTIONÄR, DOCH GERADE UNTER LINKEN IST ER EIN NICHT SELTENES PHÄNOMEN.

wird vorgeworfen, alles nur zu kritisieren und damit zersetzend oder eben spaltend auf die gesellschaftliche Einheit einzuwirken. Viele Linke fühlen sich ständig marginalisiert, entsprechend wichtig ist ihnen das Zusammenstehen in der eigenen Bewegung. Vielleicht reagieren sie dann besonders empfindlich, wenn Kritik aus den eigenen Reihen kommt. Und wer nicht bei einer politischen Kampagne mitwirkt, hat nichts zu sagen. «Der Intellektuelle ist jemand, der sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen.»2 Die Kompetenz zur Mitsprache wird ihm oder ihr grundsätzlich abgesprochen, und wenn jemand ungefragt einen kritischen Artikel auf Indymedia schreibt, dann wird das gerne als unkonstruktiv abgetan. Damit wird ein weiteres Element des Antiintellektualismus sichtbar: Geistige Arbeit produziert keine Güter und ist deshalb wertlos. Der Unproduktivität gegenüber gestellt wird der Pragmatismus, die körperliche Arbeit, die produktiv ist. Es sind die Verehrer des Machens, die sich vor kritischer Dreinrede fürchten – Denken ist Zögern, Zweifeln ist Feigheit. Bei all dem ist es nicht weit her mit einseitiger Kapitalismuskritik, Arbeiterethos und tollen Wandzeitungen, würde ich mutmassen.

Exemplarisch sind die Reaktionen auf einen Artikel1 bei Indymedia, der sich in differenzierter Kritik an einer antifaschistischen Wandzeitung versucht. «Schon lustig, gewisse Leute können nur kritisieren, kritisieren, nörgeln, kritisieren...» heisst es in den darauf folgenden Kommentaren, die VerfasserInnen des Textes werden der Spalterei und des Avantgardismus bezichtigt, sie werden als «studis» und «sesselfurtzklugscheisserInnen» beschimpft und es wird ihnen Unproduktivität vorgeworfen. «Geht erstmal arbeiten, Kinder...» Es ist davon auszugehen, dass die hier Kommentierenden sich selbst als antifaschistisch, links und die TextautorInnen als irgendwie studentisch-intellektuell definieren und sie fühlen sich in ihrem politischen Denken und Handeln angegriffen, was sich dann in solch antiintellektuellen Ausbrüchen äussert (es gibt auch Beiträge, die solche Äusserungen zurückweisen). Diese Beispiele und Indymedia sind natürlich nicht repräsentativ für «die Linke» oder BANKIERS UND die Antifa-Bewegung, dennoch sind sie INTELLEKTUELLE geeignet das Phänomen des AntiintelDas Geistig-Abstrakte wirkt auf lektualismus im Allgemeinen und konkret unter Linken zu veranschaulichen. Antiintellektuelle gefühllos, entwurzelt, naturentfremdet, schwankend und dekadent. Wer sich bei diesen ZuschreiREFLEXE bungen an antisemitische Stereotypen Antiintellektualismus hat den Char- erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Zwiakter eines Ressentiments, das heisst, schen (modernem) Antisemitismus er reagiert reflexartig gegen alles Intel- und Antiintellektualismus bestehen hilektuelle mit gefühlsmässiger Ableh- storisch Zusammenhänge und Übernung. Mit intellektuell möchte ich mal schneidungen. Einerseits der Jude, als unscharf alles bezeichnen, was gesellschaftliche, politische oder kulturelle Themen in geistig-schöpferischer Weise problematisiert und sich mit ihnen auseinandersetzt. Den Intellektuellen

ewiger Fremder, national fragwürdig, andererseits der Intellektuelle, dessen Kritik und Nonkonformismus in der Nationallogik auch nur als Feindbild verarbeitet werden konnte, als Hass auf alle natur- und volksferne Betätigung.3 In der antikapitalistischen Variante des Antisemitismus wird einseitig das «parasitäre», «raffende» Finanzkapital angegriffen und in einen Gegensatz zum «natürlichen», «schaffenden» Industriekapital gestellt. Auch Intellektuelle müssen sich den Vorwurf des parasitären Verhaltens immer wieder gefallen lassen. In der Synthese der beiden Feindbilder lässt sich das Intellektuelle ideologisch instrumentalisieren zum Beweis der zersetzenden Aktivität der Juden. «Dazu gesellt sich das Bild des Intellektuellen; er scheint zu denken, was die anderen sich nicht gönnen, und vergießt nicht den Schweiss von Mühsal und Körperkraft. Der Bankier wie der Intellektuelle, Geld und Geist, die Exponenten der Zirkulation, sind das verleugnete Wunschbild der durch Herrschaft Verstümmelten» schreiben Horkheimer und Adorno4. Neid und Unterlegenheitsgefühl äussern sich im Hass auf alles Abstrakte. Nun kann Antiintellektualismus nicht pauschal mit Antisemitismus gleichgesetzt werden, umgekehrt hat sich die antiintellektuelle Komponente historisch als antisemitische Konstante erwiesen. Der Hinweis auf den Zusammenhang der beiden Stereotypen soll zum Verständnis beitragen und nicht als Totschlagargument dienen. Andererseits hat der Antisemitismus eine ungebrochene Tradition in der europäischen Kultur und auch die Linke ist davon nicht gefeit, ich verweise auf linke Diskurse zum Israel/PalästinaKonflikt. Möglicherweise nimmt der Antiintellektualismus auch eine Stell>

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vertreterfunktion ein, denn offener Antisemitismus ist verpönt.

DELETE THE ELITE? Der Vorwurf, Intellektuelle seien elitär, ist sicherlich nicht nur falsch und mag der Hauptgrund für das Auftreten von antiintellektuellen Ressentiments in linken Kreisen sein. Infragestellung von Objektivität und Wahrheit, Misstrauen gegenüber Autoritäten und Hierarchien muss auch Bestandteil linker Politik sein, darf aber nicht umschlagen in Rationalitäts- und Theoriefeindlichkeit, denn die sind rückwärtsgewandt. Kritik am Elitismus der 1 «Die Antifa» sinkt Intellektuellen und solchen, die glauweiter! switzerland. ben, es zu sein (Studis? der Verfasser indymedia.org/demix/ dieses Textes?) ist notwendig. Wieso 2005/04/32036.shtml müssen beispielsweise ihre Texte in ei2 Jean-Paul Sartre: Plä- ner so anstrengenden Sprache gedoyer für die Intellekschrieben sein (von der Kritik ist dieser tuellen in: Mai 68 und Text nicht auszuschliessen)? Es taudie Folgen; 1975. chen damit Fragen auf, die wohl am 3 Ingeborg Nordmann: Anfang dieses Essays hätten beantDer Intellektuelle in: wortet werden müssen: Wer ist intelJ.H. Schoeps, J. Schlör lektuell und wer nicht? Braucht es (Hg.), Antisemitismus – überhaupt Menschen, die eine solche Vorurteile & Mythen; Funktion übernehmen? Und welche 1995. wäre die? Ist der Begriff des Intellek4 Max Horkheimer, Thetuellen an sich elitär und männlich beodor W. Adorno: Dialek- setzt? Würde Emanzipation nicht betik der Aufklärung. Phi- deuten, dass die Trennung zwischen losophische Fragmente; geistiger und körperlicher Arbeit auf1947. gehoben wird? Eine Auseinanderset5 Noam Chomsky. zung, die weiterzuführen ist, denn «das de.wikipedia.org/wiki/ ist eine Frage der Macht», meint Noam Noam_Chomsky Chomsky5. Weiterführende Literatur: Dietz Bering, Die Intellektuellen. Geschichte eines Schimpfwortes. 1982, Zusammenfassung bei janeden.org/2287.

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> TSUCKY*TSUKE

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AUS / AKTION UNGEHORSAMER STUDIERENDER

PERSPEKTIVEN – BEWEGTE STUDIERENDE? BILDUNG WIRD IMMER MEHR AUF DEN «ARBEITSMARKT» AUSGERICHTET, UND STUDIS SOLLEN ZU FACHIDIOTINNEN WERDEN. WIE HALTEN DIESE

DAGEGEN? KLEINES AUFZEIGEN VON MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN POLITISCHER AGITATION AN DER UNI.

Der aktuellen Bildungspolitik entgegenzutreten ist, gerade in der Schweiz, wo Tradition und Bewusstsein von StudentInnenprotesten fehlen, schwierig. Es bräuchte also besondere Anstrengungen, so etwas in die Hand zu nehmen. Die StudentInnenschaft scheint sich jedoch im Grossen und Ganzen nicht um das Thema Bildung zu kümmern. Mein persönlicher Eindruck an der Uni Bern war: Keine Auseinandersetzungen, höchstens innerhalb der SUB, und dort teils intrigant. Eine Perspektive ist immer abhängig von einer Grundhaltung. Studierende sollen sich gefälligst mit der Gesellschaft auseinandersetzen und diese hinterfragen, insbesondere in den Geisteswissenschaften. In vielen Ländern machen StudentInnen einen wichtigen Teil der sozialen Bewegungen aus. Die 68er wollten die StudentInnen und ArbeiterInnen vereinen und gemeinsam für die Revolution kämpfen, was in Frankreich mit einem Generalstreik auch ansatzweise gelang. Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Alle scheinen Angst um die eigene Haut zu haben, und der Gedanke der Solidarität, auch zwischen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, ist vielerorts verloren gegangen. Dies äussert sich unter anderem so, dass unzufriedene, politikverdrossene Menschen zu Blochers SVP überlaufen und sich gegen «Fremde», Invalide, Arbeitslose oder andere Randgruppen stellen, anstatt den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft solidarischen Widerstand entgegenzusetzen. Wenn Studierende sich organisieren, sollte es ihnen möglich sein, Themen zu setzen und diese so aufzubereiten, dass Veränderungen denkbar werden.

Das heisst also, dass der erste Schritt in Richtung Besserung und freie Bildung eine Bewusstseinsbildung sein muss. Möglichkeiten sind: Infoveranstaltungen an der Uni durchführen. Reden oder Vorträge von besonders widerlichen Persönlichkeiten wie zum Beispiel Hans-Ulrich Dörig (Verwaltungsrat CS und Unirat Zürich), Peter Arbenz (Spaltungs-Experte) oder Thomas Held (Avenir Suisse) stören. Wichtig sind auch Gruppierungen oder Kollektive, an die sich unzufriedene oder ungehorsame Studierende wenden können. Nur wenige Unis können auf eine «linke» StudentInnenorganisation zählen wie in Genf. In solchen Zusammenhängen können Ideen diskutiert (auch gut für die eigene Bewusstseinsbildung) sowie Aktionen gestartet werden. Aus solchen Zusammenhängen ist auch das Projekt «denk:mal» entstanden. Die AuS (Aktion ungehorsamer Studierender) hatte den Anspruch, nicht nur das bestehende, autoritäre Bildungssystem zu kritisieren, sondern auch eine Alternative zu bieten. Es fand eine Mobilisierung von Einzelpersonen statt, woraus «denk:mal» zum Leben erweckt wurde. Eine besondere Herausforderung ist dabei das Uni-Umfeld: Damit etwas ernst genommen wird, muss es relativ gut daherkommen. Es ist also wichtig, dass zum Beispiel ein Flyer oder ein Aufruf gut gestaltet und sachlich korrekt, und in einer einigermassen zumutbaren Sprache geschrieben ist. Einfach gesagt: Ein hartes Stück Arbeit. Die Frage ist auch, ob sich Studis an der Uni organisieren sollen oder ob es besser ist, wenn sie themenorientiert in anderen Kollektiven engagiert sind, so zum Beispiel Migration, Antikapitalismus, Wohnungsnot, Gleichstellungsfragen, Freiraum, Rassismus, etc.

Sich an der Uni zu organisieren hätte bildungspolitisch klare Vorteile. Und es scheint, dass gerade dieses Thema von der radikalen Linken in der Schweiz bisher unterschätzt worden ist. Andererseits werden überall Leute gebraucht, und es kommt immer wieder die Frage des «Bessergestelltseins» auf. (O-Ton imaginärer Studi: «Ich bin StudentIn, «privilegiert», so spielt es nicht so eine grosse Rolle, wie es mit der Bildung weitergeht. Wichtiger sind die Fragen, wo Menschenschicksale dahinter stehen. Also mache ich was für Sans-Papiers.») Ich würde dafür plädieren, dass wenigstens versucht wird, wieder mehr gesellschaftliche Auseinandersetzung an die Uni zu bringen. Eine Bewegung kann nicht einfach so ohne weiteres vom Zaun gebrochen werden, und linkspolitisch interessierte Leute sollten selbst entscheiden können, wo sie sich einklinken wollen. Wenn also mehr diskutiert, debattiert oder auch gestritten würde, wäre die Studierendenschaft bewegter. Weniger Konsum und Karrieredenken, mehr Hirn und Herz! > SALUT <

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BILDET BILDUNG? DENK:MAL!

EIN PROJEKT WIDER DER REALITÄT ES GIBT EINE AUTONOME SCHULE IN BERN. WAS IST DAS? WAS SOLL DAS? UND ÜBERHAUPT…

Es ist sieben Uhr Morgens. Bern erwacht. Das Tram Nummer neun füllt und leert sich. Die Menschen strömen zu ihren Arbeitsplätzen. Es ist eine Pilgerfahrt, die zum Ritual geworden ist. Die Arbeitslosen, die gibt es auch noch, doch die sieht man nicht. Sie erscheinen nur in den Zeitungen, in Form einer Prozentzahl. Zwei Menschen im Nünitram unterhalten sich. Das ist eine Seltenheit. Die Menschen in Bern unterhalten sich nicht im Tram. Ausser sie sind betrunken oder aus der Waldau ausgebrochen. Aber heute reden zwei Menschen miteinander. Es ist auch Aussergewöhnliches passiert. Es ist sogar in der Zeitung gestanden. Bern hat nun eine autonome Schule. Eine Schule zum selber machen.

DIE REALITÄT Vielfältig scheinen die Ausbildungsmöglichkeiten in der Schweiz. Gross ist auch die Anzahl an Berufen, mit welchen man sich sein tägliches Brot verdienen kann. Unzählig sind die Orte, an denen man sich nach der Arbeit einfinden kann, um sich zu betrinken, um abzuschalten und zu entspannen. Es gibt eine Vielfalt an Angeboten und Möglichkeiten, das ist eine Realität. Viele Menschen langweilen sich. Sie sind gefangen im Alltag. Sie haben eine gesellschaftliche Aufgabe, zu der sie durch ihre Ausbildung befähigt sind. Dann haben sie noch Hobbys. Hobbys sind Teil der Selbstverwirklichung. Einer geht in den Kraftraum und will so aussehen wie Arnold Schwarzenegger. Als er noch jung war, hatte er ein Poster von ihm über dem Bett hängen. Das hat er unterdessen abgehängt. Aber weggeworfen hat er es noch nicht.

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Eine andere sammelt Kaffeerahmdekkel. Bevor sie ins Bett geht, zählt sie jedes mal ihre Kaffeerahmdeckel. Es werden jeden Tag mehr. Jeder Tag wird so zu einem neuen Höhepunkt. Das gehört auch zur Realität. Die Realität ist sehr vielfältig heutzutage, doch der Begriff Realität beschreibt nicht nur das Existierende, sondern auch eine Logik, durch welche alles Existierende zustande kommt. Die Logik garantiert einen reibungslosen, rational begreifbaren Ablauf. Doch gleichzeitig schliesst diese Logik vieles aus, sie zwingt uns in das Korsett des rationalen Handelns. Dieses Korsett muss sehr eng geschnürt sein, damit die Menschen in ihrem täglichen Leben nicht aus der Bahn geworfen werden.

«DENK:MAL» UNDENKBAR? Aus der Bahn geworfen und irritiert scheint auch Mario Annoni gewesen zu sein, als er im Juli dieses Jahres Post von der Gruppe «denk:mal» erhielt. Es wurde mit einer von 1200 Menschen unterschriebenen Petition Raum für eine autonome Schule gefordert. So etwas wie eine autonome Schule «kennt der Kanton Bern nicht», konstatierte Herr Annoni in seinem Antwortschreiben und kennen lernen wollte er «dieses Etwas», das die Grenze des Vorstellbaren so eindeutig überschritten hatte, ebensowenig. Der Ausbruch aus der Normalität ist über die herrschenden Strukturen unmöglich. Das Neue, das Unbekannte kann nicht über die institutionalisierten Wege erschlossen werden. Die vorherrschende Realität kann nichts Neues gebären, sie kann nur sich selbst reproduzieren. Zudem duldet die Realität keine andere Logik als ihre eigene. Es ist deshalb zwangsläufig so, dass diejenigen, die eine neue Lebenswelt mit einer eigenen zugrunde liegenden Logik anstreben, mit der vorherrschenden Realität brechen müssen und es dadurch zu einem Konflikt kommt.

So geschah es dann auch der Gruppe «denk:mal», als sie am 1. August 2005 das ehemalige Durchgangszentrum für Asylsuchende an der Bolligenstrasse 85 besetzt hatte. Am Morgen des zweiten Augusts umzingelte die Polizei das Gelände, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Acht Stunden musste gewartet werden, bis die Verantwortlichen mit sich sprechen liessen. Von einem Gespräch konnte jedoch nicht die Rede sein. Tatsachen wurden präsentiert, die die anwesenden Parteien zuvor ausgehandelt hatten. Räumung des Geländes innerhalb eineinhalb Stunden und Angabe der Personalien, dies war das Fazit. Doch ein Erfolg war die ganze Sache trotzdem, denn endlich waren Verantwortliche gefunden. In einem Gespräch mit den Stadtbauten konnte dann zu einem späteren Zeitpunkt auch ein Gebrauchsleihvertrag ausgehandelt werden. Es handelt sich um einen Knüppelvertrag mit vielerlei Auflagen und Verpflichtungen für die Betreibergruppe des «denk:mals», sie hier aufzulisten, würde den Rahmen sprengen. Dass der Vertrag nur über zweieinhalb Monate läuft, mag veranschaulichen, wie gerne man dieses Projekt so schnell wie möglich wieder vom Tisch hätte.

WIESO MACHT «DENK:MAL» SINN Die autonome Schule an der Bolligenstrasse ist auf verschiedensten Ebenen ein Erfolg. Über regelmässig stattfindende Deutschkurse für Fremdsprachige und Arabischkurse entstehen Kontaktmöglichkeiten. Und auch Besuche aus Deutschland, Frankreich und dem Tessin haben gezeigt, wie inspirierend der Umgang mit Menschen aus anderen Sprachräumen ist, wenn man sich nicht nur auf einer oberflächlichen, sondern auf einer kreativen Ebene begegnet. In Workshops arbeiten Menschen in den Bereichen Kunst und Handwerk miteinander und haben sich so von


DENK:MAL-VERANSTALTUNGSKALENDER Der Veranstaltungskalender wird regelmässig ergänzt und aktualisiert. Schau doch auf unserer Homepage (http://www.denk-mal. info) nach den aktuellsten Daten (Stand 8.11.2005). Regelmässige Veranstaltungen

Montag: Montagsjam (nicht im denk:mal, sondern: an der Murtenstrasse 34a); Antika Lesegrüppli (Lektüre und Diskussion antikapitalistischer Texte) Dienstag 18.00 Uhr: Arabisch für AnfängerInnen Dienstag 16.00 Uhr: Deutsch für Fremdsprachige Mittwoch 17.00 Uhr: Kochkurs Mitwoch 19.00 Uhr: Spanisch für AnfängerInnen Mitwoch 20.00 Uhr: Plenumssitzung Donnerstag 18.00 Uhr: Power-Yoga Freitag Abend: Alle zwei Wochen Volxküche (gratis Essen) mit anschliessender Abendunterhaltung (Konzis, Offene Bühne…) Samstag: Spezialanlässe, Konzerte Sonntag 20.00 Uhr: gratis Kino (Programm siehe Homepage) Einzelveranstaltungen Freitag 2. Dezember, um 19.00 Uhr Volxküche,

hung von Longo Mai, von den Grundideen und deren Umsetzung in Theorie und Praxis. Im Anschluss Diskussion zu «Selbstverwaltung im 21. Jahrhundert». Am 3./4. Dezember 2005: Queer-feministisches Weekend mit Infoveranstaltungen, Workshops, Filmen, Erlebnisspaziergang, Party und Brunch. U. a. mit einem Vortrag von Tove Soiland (Widerspruch, WoZ), Diashow von Judith Schönenberger, Film: Raspberry Reich, Musik von Djane Anouk Amok, Dj Gala und Dj Nuttella. Freitag, 9. Dezember: Töggeliturnier Samstag, 10. Dezember: «Nacht der Beschallung»

mit: Carwen (hc metal), Zero2nine (schweinerock), danach Djs Mütter Gottes (jungle noise) und Stalingrad Cowboys (breakcore) Dienstag, 13. Dezember, 19.00 Uhr: Einführung ins

Fotolabor Noch in Vorbereitung befinden sich Anlässe zu den Themen: Faschismus, Bildung, Globalisierung, Agrarreform 2011, NEE/ Asylsuchende «was heisst eigentlich humanitäre Tradition» uvm.

20.30 Uhr: «Longo-Mai- Revolte und Utopie nach ´68». Lesung mit Beatrice Graf. Sie erzählt von der Entste-

einem anderen Menschen in neue Welten mitnehmen lassen. StudentInnen lernen, eine Oberfräse zu bedienen, ein Bierbrauer führte in die Kunst des Brauens ein, Lesegruppen lesen und besprechen Texte, Drehbücher wurden geschrieben und Filme gedreht. Die Vermischung von verschiedenen Gesellschaftsschichten und Altersklassen ist im «denk:mal» Alltag. Mit Themenabenden zu Gender oder Nationalsozialismus arbeiten wir gemeinsam zu unterschiedlichen Problematiken. Volksküchen fördern die Geselligkeit, und die darauf folgenden kulturellen Darbietungen waren bisher immer unkultiviert und befreiend. Die Aufzählung könnte beliebig erweitert werden. Der Erfolg von «denk:mal» hat gezeigt, dass die Stabilität der rationalen Realität eine Illusion ist. Dass durch ein ausgeprägtes Konsumangebot, sei es im Bereich der Bildung, der Nahrungsmittel oder der Kultur, längst nicht alle menschlichen Bedürfnisse befriedigt sind. Der Erfolg hat gezeigt, dass, wenn durch die Selbstbestimmung der Phantasie ein neues Feld er-

öffnet wird, den Dingen eine neue, grosszügigere und offenere Bedeutung gewährt wird, die die vom Nützlichkeitsdenken ignorierten menschlichen Fähigkeiten ebenfalls berücksichtigt. Es ist teilweise gelungen, jene Barrieren niederzureissen, welche zu einem fragmentierten Bewusstsein führen und durch eine unzweckmässige Ordnung zur Frustration der menschlichen Sehnsüchte und Begierden beitragen.

FREIRAUM: EINE PROBLEMATIK Die Problematik, die sich bei Freiräumen immer wieder stellt, ist die Frage, wie die Freiräume schliesslich genutzt werden. Denn die Freiheit, das heisst, dass keine Autoritätsperson einem sagt, was zu tun ist, bietet die Grundlage dafür, wirklich kreativ zu werden und etwas eigenständig zu «erarbeiten». Die Freiheit ist jedoch genau jenes Element, mit dem umzugehen wir in der herrschenden Realität am wenigsten lernen. Freiräume haben deshalb die Tendenz, nicht aus sich heraus schöpferisch aktiv zu sein, sondern zum Blitzableiter des Alltags de-

gradiert zu werden und zum Naherholungsgebiet für frustrierte Realisten zu mutieren. Dass dies im «denk:mal» nicht eingetreten ist, kann nicht hoch genug bewertet werden. Nur so konnte das «denk:mal» seinem Anspruch, ein Projekt wider die Realität zu sein, gerecht werden. Nur so machen Freiräume einen Sinn und können ihrem Namen als solche gerecht werden. Und so macht es auch Sinn, weiterhin für Freiräume zu kämpfen, mit aller Vehemenz und Entschlossenheit. Dies ist gerade vor dem Hintergrund, dass das «denk:mal» am 23. Dezember wieder geschlossen werden soll, nicht als leeres Wort zu verstehen, sondern als Aufruf, sich einzusetzen für Freiräume, für Selbstbestimmung und Kreativität.

Adresse: denk:mal Bolligenstrasse 85 3006 Bern Postadresse: denk:mal Postfach 5053 3000 Bern 1 Fons: 031 332 31 04 / 079 697 21 32 denk-mal@cyc.ch www.denk-mal. info

> SKYBALA <

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DIE NORMEN DER MACHT

DAS VORSTELLUNGSGESPRÄCH Sie haben, wie ich hier sehe, vor zwei Monaten das Formular eingereicht, mit dem Sie sich für die Position eines leitenden Angestellten in unserer Realitätskonstruktions AG bewerben. Ihre Beweisführung scheint einleuchtend aber unproduktiv. Sie kommen zum Schluss, dass Wissen Macht ist. Zu Zeiten der Aufklärung haben wir diese Gleichung den einfachen Menschen in den Mund gelegt. Sie hat zweifellos grosse Erfolge zu verantworten. «Wissen ist Macht», ein Grundsatz, der die Menschen neugierig gemacht hat auf die Lebenswelt, die wir zu ihrem Besten und für sie Konstruieren. Sie haben begonnen, diese Realität zu erforschen, sie haben das Joch des rationalen Handelns akzeptiert und gleichsam die Tür zum Fortschritt und wirtschaftlichen Wachstum aufgestossen. Wenn Sie bei uns einsteigen wollen, insbesondere in leitender Position, dann müssen sie aber ein bisschen mehr Wissen als der Volksmund. Sie müssen die gegebene Realität nicht nur akzeptieren und unterstützen, sondern auch die Mechanismen erkennen, mit welchen durch Realitätskonstruktion – welche nichts anderes ist als die Produktion von Wissen – Macht erlangt werden kann. Eine wissenschaftliche Ausdrucksweise, eine überlegene, abgeklärte Distanziertheit zum Untersuchungsgegenstand und die Fähigkeit, sich unterordnen zu können. Unter den Zwang der gegebenen Realität. Eine kompromisslose Kompromisssucht, neudeutsch auch Teamfähigkeit genannt. Dies sind wichtige Fähigkeiten, um produzierte Realitäten glaubwürdig zu machen. Gleichzeitig brauchen Sie Durchsetzungsvermögen, Leaderqualitäten. Das sind die Anforderungen, die an Sie gestellt werden, wenn Sie sich in eine Machtposition anstellen lassen möch-

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ten. Der Mächtige ist nie alleine. Er weiss um die Wichtigkeit der Anderen. Die seine Anweisungen befolgen, ohne zu gehorchen, die die vom Mächtigen dominierte Realität nicht nur akzeptieren, sondern auch ideell und aus innerster Übehrzeugung vertreten. Wichtig ist auch das Bewusstwerden der eigenen Abhängigkeit. Sie benötigen die unabdingbare Fähigkeit jedes Günstlings, die Sätze, die der Gönner von einem hören will, ihm von den Augen ablesen zu können. Macht ist eine Eigenschaft, die es nicht ohne gesellschaftliche Position gibt. Und um in eine solche Position gelangen zu können, müssen Sie wissen, wie sie mit den Mächtigen umzugehen haben. Knigge ist nicht eine Frage des Anstands. Knigge ist eine Frage der Gesellschaft, in der man sich befinden will. Das ist mal die Voraussetzung. Wenn Sie dann ihre Fantasie noch nicht verloren haben, dann stehen ihnen alle Türen offen. Die Züchtigung der Fantasie und ihr gezielter Einsatz, man kann diese Fertigkeit gar nicht überbewerten. Wenn sie ihre Fantasie in einem Verlies anketten können und ihr immer wieder auf die Finger hauen, sobald sie unsichtbare Grenzen überschreitet. Wenn Sie ihr tagtäglich den Arsch versohlen können, ohne dass sie stirbt, oder von offizieller Stelle als krankhaft bezeichnet werden kann, wenn sie ihrer Phantasie trotz alldem noch eine gewisse Selbstständigkeit belassen können und innerhalb des gesetzten Kodex noch etwas neu zu denken verstehen, so wird man Sie innovativ nennen. Sie als Erfinder bejubeln. Vielleicht werden Sie sogar Geschäftsmann des Jahres! Wenn sie aber nur wissen um die Zusammenhänge, wissen um die Konstruktion Namens Realität, sich aber weder ein- noch unterordnen können, nicht bereit sind zu erkennen, wann es sich lohnt die Zunge zu verschlucken, wann es sich lohnt, das Gehirn abzuschalten, wann es sich lohnt unaufrichtig zu sein, dann wird Ihnen ihr Wissen

viele Feinde bereiten. Macht wird ihnen keine beschert sein. Vielleicht werden Sie in ihrer Ohnmacht versinken. Sie haben dann die Wahl, wen Sie hassen wollen, die Gesellschaft oder sich selber. Entscheiden Sie lieber gleich jetzt, welcher Wahrheit Sie sich verpflichten und ob Sie an ihrer Konstruktion teilhaben wollen. Entscheiden Sie lieber gleich jetzt, ob Sie auf der Sonnen- oder der Schattenseite der zivilisierten Gesellschaft durchs Leben schreiten wollen. Nehmen Sie die Stelle? Haben Sie die Lektion verstanden? Jetzt sagen Sie schon! Los! Los! Wieso geht das bei Ihnen so lange… > SKYBALA <


CHILE

HÖHERE BILDUNG MIT STAATLICHER GARANTIE? WAS BEI UNS SCHON LÄNGST ZUR GESCHICHTE GEHÖRT, IST AM ANDEREN ENDE DER WELT IN

VOLLEM GANGE. NÄMLICH EINE SOLIDE, KREATIVE UND ENGAGIERTE STUDENTENBEWEGUNG, DIE SICH MIT INTELLIGENTEN UND MANCHMAL RADIKALEN METHODEN FÜR IHRE RECHTE EINSETZT.

In den letzten Frühlingsmonaten glich Santiago de Chile einer bald zu explodieren drohenden Bombe. Immer wieder zogen Protestzüge durch die Stadt. Die Alameda, die Hauptverkehrsstrasse, wurde blockiert: Protestfahnen, Plakate, fliegende Steine, Schlachtrufe aus Megafonen, hupende Autos, ein grosses Polizeiaufgebot und Hunderte Verhaftete sowie zahlreiche Verletzte. Das übliche Programm – nur irgendwie anders. Jedes Mal beteiligen sich landesweit mehr als zehntausend Personen an den Protestaktionen. Doch die finden längst nicht mehr nur noch auf der Strasse statt. Viel intensiver und effektiver ist es nämlich, die eigene Universität zu besetzen.

«PARO UND TOMA» Universitätspolitische Motive, Unzufriedenheit über neue Gesetzesvorlagen, die mit dem Bildungssystem zu tun haben, oder auch «nur» das Nichteinverstandensein mit Entscheidungen der Universitätsleitung können dazu führen, dass eine Universität sich in Paro (parar: hindern, anhalten) befindet. Eine Uni in Paro bedeutet, dass die Studierenden nicht mehr in ihre Kurse gehen, sie verweigern also den Unterricht – eine Art politisches Schulschwänzen. Und die Universität wird mit Protestplakaten vollgehängt. Auf diese Weise sichern sich die Studenten, auf ihre eigene Art und Weise, ihr Mitspracherecht. Manchmal bleibt es beim Paro, manchmal, um ihren Protesten noch mehr Ausdruck zu verleihen, gehen die Studenten auch über in Toma (tomar: nehmen, übernehmen) .

In diesem Fall wird die Universität besetzt. Das geschieht nicht unbedingt kollektiv, sondern meistens durch kleinere Gruppen. Befindet sich eine Universität in Toma, haben die Studenten die Kontrolle über übernommen. Das funktioniert folgendermassen: Die Universitätsleitung, ProfessorInnen und andere Angestellte werden rausgeworfen. Die Universität wird verschlossen, verbarrikadiert. Das ganze Mobiliar, Stühle und Tische, werden vor die Türen der Uni geschoben. Die Studierenden wohnen und schlafen in der Uni. Da das ganze meistens einige Wochen im Voraus geplant wurde, stehen ausreichend Nahrungsmittel und andere Notwendigkeiten zur Verfügung. Immer wieder sprechen die Verantwortlichen mit der Presse und mit interessierten BürgerInnen, verleihen so ihren Forderungen Ausdruck. Es gibt einige Universitäten, die sehr berühmt und berüchtigt für ihre Radikalität sind, das sind meistens auch die mit den knappsten finanziellen Mitteln. Bei anderen geschieht so etwas selten bis gar nicht. Das ganze Paro-Toma kann bis zu einem Monat dauern. Ein Monat Streik…, heisst auf der anderen Seite ein Monat unifrei für alle. Es gibt Universitäten, die befinden sich bis zu dreimal pro Jahr in Toma. Meistens endet der Streik mehr oder weniger friedlich, und, leider öfters, irgendwie erfolglos. Vor der Universität gehen während der Toma die Demonstrationen weiter, viele enden aber in einem Kampf mit der Polizei und das eigentliche Motiv geht verloren. An und für sich ist es der Polizei verboten, in die Uni einzudringen. Das ist der sichere Rückzugsort der Demonstrierenden. Ab und zu aber werden sie, auf Befehl der Regierung, aber auch gewaltsam geräumt.

Obwohl der Erfolg dieser Aktionen wie erwähnt zum Teil klein – manchmal auch fragwürdig – ist, sind die Protestierenden in ihrer Unermüdlichkeit und in ihrem Engagement zu bewundern. Die Solidarität untereinander ist gross. Ausserdem: Auch wenn die Aktionen ein Gesetz nicht verhindern können, so ist es doch ein enormes Druckmittel auf die Regierung. Denn je länger ein Streik dauert, desto weniger wird studiert. Es herrscht Chaos. Der Druck der Öffentlichkeit auf die Regierung wächst. Es entsteht ein Zwang zum Handeln. Einmal heisst dies Zwangsräumung, ein anderes Mal vielleicht die Sistierung eines Gesetzes. Diese Art von Protest erlebt heute nicht nur Chile, sondern auch die meisten anderen lateinamerikanischen Länder. Die lautstarke Bewegung und die Eigeninitiative sind bewundernswert. Diese Situation darf aber nicht einfach nostalgisch verherrlicht werden. Die Notwendigkeit des Kampfs der chilenischen Studiernden beruht immer noch auf den Überbleibseln der Militärdiktatur Pinochets.

WENN GELD BILDET Was Eduardo Frei und später vor allem Salvador Allende an sozialen Strukturen in Gesellschaft und Politik einzuführen versuchten, wurde nach dem Militärputsch 1973 schnell wieder zerstört. Als nämlich Pinochet an die Macht kam und eine der härtesten Militärdiktaturen errichtete, wurde Chile zu einem neoliberalen Musterland. Gewerkschaften wurden zerschlagen, es kam zum Lohnzerfall, massive Privatisierung und Steuersenkung sollten das >

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Land weiterhin bestimmen. Darunter litt auch das Bildungssystem. Unter Pinochet galt: Bildung ist eine Dienstleistung und somit Sache des Privatsektors. Die grundsätzliche Idee dabei war, das Staatsmonopol auf Bildung durch massive Privatisierung zu durchbrechen und somit «seine Effizienz zu fördern». Leider war das nicht der Fall. Gesteigert wurde nur die soziale Ungleichheit. Ausserdem sanken die nationalen Bildungsausgaben um ein Viertel, es gab kaum staatliche Aufsicht über Lerninhalte oder Lernqualität. Das Bildungsniveau verschlechterte sich massiv. Vor 15 Jahren erst hat diese Diktatur und somit das ganze neoliberale Experiment nicht nur im Bildungsbereich ein Ende gefunden. Mittlerweile existieren in Chile viele Universitäten auf internationalem Niveau, der Staat versucht, in Sachen Bildungspolitik einiges aufzuholen. Dies jedoch nicht immer auf dem besten Weg. Erst jüngst wurde ein Gesetz angenommen, das mehr Rückschritt als Fortschritt bedeutet. Das neue Gesetz betrifft die Vergabe von Stipendien und Krediten an Studierende. Schon immer war die staatliche Unterstützung relativ gering. Das neue Gesetz überlässt aber nun Banken und Finanzierungsgesellschaften einen grossen Teil der Entscheidung über Kreditbewilligungen.

INTERNATIONALISTISCHE

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> Universidad de Chile en toma

Können Studierende einen Kredit nicht zurückzahlen, springt der Staat als Bürge ein. Daran sind aber harte Auflagen geknüpft. Ob die Bürgschaft gewährt wird, hängt nämlich von den schulischen Leistungen ab sowie von den Möglichkeiten einer Rückzahlung. Das heisst im Klartext: Die staatliche Bürgschaft kommt vorzugsweise Personen mit einer guten Berufsperspektive zugute. Investoren vergeben ihre Kredite lieber an Ingenieure oder Betriebswirtschaftlerinnen, als an Studierende der Erziehungs- und Geisteswissenschaften. Dies führt zu einer grossen Diskriminierung. Studiengebühren belaufen sich zur Zeit in Chile auf ungefähr 200 Franken monatlich, das Doppelte dessen, was wir hier in der Schweiz bezahlen – bei einem vier bis sechs Mal geringeren Pro-Kopf-Einkommen. Ausserdem ist Studieren in Chile immer noch eine der wenigen Chancen, in der Gesellschaft aufzusteigen, also quasi ein Muss, um einen guten Beruf zu erlernen. Berufslehren existieren meiner Kenntnisse nach nicht. Grosse Unternehmen fühlen sich, selbst angesichts der grossen Jugendarbeitslosigkeit, nicht dazu verpflichtet, Ausbildungsplätze anzubie-

ten, sie ziehen billige Arbeitskräfte vor. Wenn Gesetze wie das eben erwähnte angenommen werden, scheint der neoliberale Geist Pinochets immer noch nicht verschwunden zu sein. Chile ist zwar einigermassen darum bemüht, seine Vergangenheit aufzuarbeiten – fast täglich erscheinen in den Medien jetzt Artikel über die Missetaten Pinochets – aber das reicht nicht. Es dauerte 15 Jahre, bis im letzten Dezember endlich offiziell anerkannt wurde, dass unter Pinochet Menschen systematisch gefoltert, ermordet und verfolgt wurden (Valech-Bericht). Wie lange wird es dauern, bis Pinochets Ideen endgültig aus dem politischen und gesellschaftlichen System verschwunden sind? Chile hat auf jeden Fall einen langen und harten Weg vor sich. Doch hoffen wir das Beste, für Chile – und seine Studierenden. > MIRIA <


OUT OUT OUT!

DIE WIRTSCHAFT SAGT: «HAU WEG DEN SCHEISS!» WARUM DIE WIRTSCHAFT «OUTSOURCING»,

«OFFSHORING» UND «AUSLAGERN» SO TOLL FINDET.

Im September ging ein grosser Outsourcing-Deal über die Bühne. Die SBB unterschrieb neue Verträge für Wartung und Betrieb ihrer EDV-Anlagen. Über eine Viertelmilliarde Franken wird die halbprivatisierte Staatsbahn an Swisscom IT Services und an T-Systems, eine Tochterfirma der deutschen Telekom, in den nächsten fünf Jahren bezahlen. Einer von drei Teilauftträgen wechselt nächsten Sommer von T-Systems zu Swisscom – bei ersterer Firma werden dadurch etwa 150 Leute überflüssig. Ob sie zu Swisscom wechseln können, ist höchst ungewiss. Bei T-Systems wird man einem Teil der Leute Jobs in anderen Ländern anbieten. Toll: Gerade kommt das Töchterchen in die Schule und Papa verreist für ein halbes Jahr nach Barcelona. Der Rest wird wohl in den RAVs sinnlose «Wie bewerbe ich mich richtig?»-Kurse belegen dürfen. Outsourcing ist ein Modewort in vielen Verkleidungen. Mal kommt es als «Business Process Outsourcing» daher, mal als Offshoring. Die Chefs sagen: «Wir wollen uns auf unsere Kernkompetenzen beschränken». Ein Pharmakonzern soll sich also nur noch mit dem Entwickeln und (vielleicht – aber nur vielleicht) der Produktion von Medikamenten beschäftigen. Der Rest wird ausgelagert. «Kernkompetenzen» – ein schönes Wort. Wären die Bosse ehrlicher, würden sie sagen: «Gewerkschaften raus», «Löhne runter», «Leute entlassen» – denn darum geht es bei «Outsourcing».

mehr zu seinen «Kernkompetenzen». Die externen Anbieter könnten die gleichen Dienstleistungen billiger und besser anbieten, da sie diese auch noch für andere Kunden erbringen. Die Praxis: Den Angestellten von XY wird angeboten, zu den Putz- und Abrechnungsdienstleistern zu wechseln – im besten Fall erhalten sie für ein oder zwei Jahre eine Lohngarantie. Bankkonzern XY ist nun seine Sorgen los. Werden den Putzfrauen die Löhne gesenkt, so geht ihn das nichts an. Werden sie gefeuert und durch billigere Leute ersetzt, so entlässt nicht die Bank, was für Schlagzeilen sorgen könnte. Auch die Personalkommission der Bank interessiert sich nicht mehr – die Frauen sind ja nicht mehr Angestellte von XY. Dito beim Dienstleister, der die Kreditkartenabrechnungen besorgt. Hatte man als Angesteller von XY am Telefon vielleicht mal eine Ruhepause, so ist das nun vorbei – man arbeitet jetzt schliesslich für viele Banken gleichzeitig. Wer seinen Job behalten will, ist besser jung und arbeitet wie verrückt zu einem tieferen Lohn .

DIENSTLEISTUNGSGESELLSCHAFT

In der Industrie wird «Outsourcing» schon seit gut zwanzig Jahren geübt. So gehört Putzen in der Textilbranche zu den zentralen Arbeiten. Der Staub der Textilfasern würde die Maschinen kaputt machen – ohne Putzen kein Garnspinnen, kein Weben. Doch es gibt ein Problem: Die Gewerkschaften haben Mindestlöhne und ArbeitsschutzLIEBER NICHT vorschriften durchgesetzt. TextilbetrieSELBST ENTLASSEN be müssen Zuschläge für NachtschichDie Theorie des Outsourcings geht ten bezahlen. Die Lösung: Die Putzarso: Der Bankkonzern XY beschliesst, beispielsweise, Büroreinigung und die Abwicklung der Kreditkartenabrechnungen «outzusourcen». Putzen und Telefone abnehmen gehörten nicht

beiten werden an eine externe Firma vergeben. Diese gehört zum Sektor «Dienstleistungen» und untersteht nicht dem GAV. Die Arbeit ist die gleiche, aber die Löhne sinken und die Arbeitszeiten steigen.

DIE WILLIGEN INDER Wenn Produktion oder Dienstleistungen nach Übersee ausgelagert werden, sprechen die Bosse von «Offshoring» (Off Shore – weg von der Küste). Tatsächlich – die Inderinnen, Vietnamesen, Indonesierinnen und Chinesen stellen Gummistiefel, Radios, Notebooks und Schiffe billiger her als «wir». Doch es geht nicht nur darum, billigere Waren anbieten zu können. Der willkommene Nebeneffekt ist die Zerschlagung von Gewerkschaften und anderen Pressure-Groups im Westen. Die Drohung mit den «billigen InderInnen» funktioniert fast immer, wenn man Mehrarbeit, tiefere Löhne, schlechtere Umweltschutzbedingungen durchsetzen will. Übrigens: Nächstes Jahr wird der letzte Hersteller von Notebooks seine Fabriken in Taiwan schliessen und nach Festlandchina zügeln. > ALOIS HINTERFUHREN <

GELD ODER LEBEN megafon Nr. 290, Dezember 2005

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BUCHTIPP: «UND ES SIND MENSCHEN AUF DER FLUCHT»

FLÜCHTLINGEN EIN GESICHT GEGEBEN DAS BUCH «UND ES SIND MENSCHEN AUF DER

FLUCHT» SCHILDERT DIE LEBENSGESCHICHTEN VON ABGEWIESENEN FLÜCHTLINGEN. DIE ERZÄHLUNGEN

VON BORIS JOHNSON, ADRIANA ADEMI, JOSÉ CORREIA UND DEN ANDEREN STEHEN STELLVERTRETEND FÜR TAUSENDE FLÜCHTLINGE, DIE IN DER

SCHWEIZ ILLEGALISIERT UND OHNE JEDE PERSPEKTIVE ZU ÜBERLEBEN VERSUCHEN.

Das berührende und aufrüttelnde Buch «Und es sind Menschen auf der Flucht», im November im Luzerner Rex Verlag erschienen, gibt es für 29,80 Franken im Buchhandel oder beim Solidaritätsnetz Ostschweiz unter solidaritaetsnetz.ch.

«Wohin ich gehen soll, weiss ich nicht – an irgendeinen anderen Ort, wo ich willkommen wäre eben. Ich glaube, in der Schweiz bin ich nicht mehr erwünscht. (…) Ich weiss nicht, was ich unternehmen soll. Als ich noch in meinem Land lebte, lernte ich zu arbeiten. Ich arbeitete auf dem Bau und verputzte Häuser. Wenn ich die Chance hätte, hier das, was ich kann, anzuwenden, wäre es gut. Aber diese Gelegenheit erhalte ich nicht.» Der 21-jährige John Taha kommt aus dem Sudan. Er ist einer von zwölf Flüchtlingen mit Nichteintretensentscheid (NEE), die der Journalist Michael Walther in seinem beeindruckenden Buch «Und es sind Menschen auf der Flucht» zu Wort kommen lässt.

Was ist ein NichteintretensEntscheid (NEE)?

Wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, heisst das, das Gesuch wird gar nicht erst inhaltlich geprüft. Personen mit rechtskräftigem NEE (ohne oder nach abgewiesener Beschwerde) gelten als illegal anwesende AusländerInnen und bekommen keine Sozialhilfe. Sie haben lediglich das Recht auf eine minimale Nothilfe. Das heisst ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung und ärztliche Notversorgung. Vielfach wird die Nothilfe von den Behörden jedoch widerrechtlich verweigert, wenn sich die Betreffenden nach Auffassung der Beamten nicht ausreichend bemühen, das Land zu verlassen. INNENLAND

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Rund 5000 abgewiesene Asylbewerber mit einem NEE leben in der Schweiz. Sie sollen das Land verlassen – oft können sie aber gar nicht ausreisen. Eine Situation, in der sie weder vorwärts noch zurück können. Sie müssen sich das Überleben mit einer minimalen Nothilfe und in ständiger Angst vor Verhaftung organisieren.

WARUM DIESES BUCH? «Wir wollen einigen Betroffenen stellvertretend für alle anderen ein Gesicht geben», sagt Andreas Nufer, Pfarrer in der Ökumenischen Gemeinde Halden in St. Gallen. Er ist einer der InitiantInnen des Solidaritätsnetzes Ostschweiz, das als Reaktion auf die menschenverachtende Asyl- und Migrationspolitik der Schweiz gegründet wurde und sich für Flüchtlinge mit NEE einsetzt. Im europaweiten Wettstreit um die abschreckendsten Bedingungen für Flüchtlinge spielt die Schweiz oftmals eine unrühmliche Vorreiterrolle. Das Konzept «sicherer Herkunftsstaaten» etwa führte die Schweiz 1993 als erster europäischer Staat ein. Heute zählen dazu zum Beispiel Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Rumänien – Staa-

ten, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung und internationale Flüchtlingsstandards nicht vorhanden sind. Asylsuchende aus einem als sicher geltenden Staat müssen mit einem Nichteintretensentscheid und sofortiger Wegweisung rechnen. Im Buch von Michael Walther erhalten Flüchtlinge mit NEE ein Gesicht. «Ziel war nicht, juristische Fallgeschichten, sondern authentische Lebensberichte zu schreiben», sagt Walther. Wenn etwa ein Flüchtling beschreibt, wie er sich in der Hauptstadt Mauretaniens mit einem Sack Brot und Corned Beef eindeckt und danach auf einem Kutter einen Monat lang Fisch schnippelt, um die Überfahrt zu bezahlen, steht dies in keinem Archiv. «Wenn man sieht», sagt Michael Walther, «dass etwa in Guinea-Bissau die Lebenserwartung bei 45 Jahren und die Alphabetisierungsrate bei 37 Prozent liegt, kann man sich eigentlich nicht wundern, dass die Menschen fortgehen.» Wer wirklich will, dass keine Flüchtlinge hierher kommen, müsste dafür sorgen, dass die Lebensumstände in den Herkunftsländern chancenreicher werden, betont Walther. > SUSANNE BACHMANN <


VON UND FÜR MIGRANTINNEN MIT PREKÄREM STATUS

PROJEKT ¡WIR BLEIBEN! DIE AUSWIRKUNGEN DER LETZTEN VERSCHÄRFUNGEN IM ASYLBEREICH SIND NOCH NICHT MIT IHREM

GANZEN MENSCHENVERACHTENDEN AUSMASS ERFASST UND SCHON STEHEN DIE NÄCHSTEN VERSCHÄRFUN-

GEN KURZ BEVOR. DARUM WURDE AM 19. NOVEMBER AUF DEM WAISENHAUSPLATZ DAS «PROJEKT ¡WIR BLEIBEN!» INS LEBEN GERUFEN.

Wir, das heisst Betroffene und UnterstützerInnen, wollen gemeinsam einen zentral gelegenen Ort schaffen, wo MigrantInnen mit prekärem Aufenthaltsstatus selbstbestimmt schlafen, essen, duschen, sprich: leben können. Die BewohnerInnen dieses Hauses sollen sich beschäftigen und austauschen können. Sie sollen sich frei bewegen können, ein- und ausgehen, wann sie Lust haben, keinen Schikanen ausgesetzt sein und auch nicht überwacht werden. Selbstverständlich soll so ein Ort den Betroffenen auch Möglichkeiten bieten, ihre Situation sichtbar zu machen, und die Forderungen nach einer menschenwürdigen Migrationspolitik sollen öffentlich werden. Wir wollen das wahre Gesicht der menschenunwürdigen und rassistischen AusländerInnenund Asylpolitik aufzeigen und deren Opfer ein Gesicht geben.

RAUM GESUCHT Um diese Anliegen umsetzen zu können, brauchen wir einen Raum, in dem das Projekt entstehen und gedeihen kann. Wir haben Kontakte zu Kirchen, Gewerkschaften und kulturellen Institutionen aufgenommen. Bis jetzt haben wir aber über diese Kontakte noch keinen Ort gefunden. Wir rufen die Öffentlichkeit auf, uns zu unterstützen und mögliche freie Räume dem «Projekt ¡Wir Bleiben!» zur Verfügung zu stellen. Es kann auch sein, dass wir keinen Raum finden. Und es besteht die Möglichkeit, dass Betroffene es als zu riskant betrachten, sich an einem solchen öffentlichen Ort aufzuhalten. Diese Angst ist leider begründet, so fanden im Umfeld des Mittagstischs für Menschen mit Nichteintretens-Entscheid in der Marienkirche immer wieder Polizeikontrollen statt. Für diesen Fall werden wir diskutieren, ob wir statt einen zentralen, öffentlichen Ort zu schaffen, solidarische Privatpersonen aufrufen , einzelne Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus bei sich unterzubringen. Wir fordern: • Eine Alternative zu den bestehenden Minimalzentren und Durchgangszentren schaffen: Wir brauchen ein Haus, in dem nicht nur ein Dach und Essen bereit stehen, sondern wo selbstbestimmt gelebt, ausgeruht, gespielt, diskutiert und soziale Kontakte geknüpft werden können. • Grundrechte gelten für alle und dürfen nicht an soziale Kontrolle und Repression gekoppelt werden. • Alle Menschen haben Anspruch auf eine menschenwürdige Existenz. > PROJEKT ¡WIR BLEIBEN! < 19. NOVEMBER 2005

HINTERGRUND In den letzten Monaten traten viele Flüchtlinge an die Menschenrechtsgruppe Augenauf Bern heran. Ihr Asylgesuch war entweder vom Bundesamt für Migration abgewiesen worden, oder das Bundesamt trat erst gar nicht auf ihr Gesuch ein, das heisst, ein Nicht-Eintretens-Entscheid (kurz: NEE) wurde gefällt. Die Erfahrung zeigt, dass bei vielen Menschen mit NEE eine subjektive Fluchtsituation besteht, und sie nicht zurückkehren können. Die Lebenssituation ist insbesondere für Flüchtlinge mit Nicht-Eintretens-Entscheid unerträglich geworden. Dafür gibt es Gründe: Im Moment wird die Nothilfe im Kanton Bern noch im Minimalzentrum auf der Stafelalp gewährt. Das Leben dort hat durchaus Haftcharakter. Die BewohnerInnen unterliegen der Ein- und Ausgrenzung. Das heisst, die Stafelalp und ein Radius von zwei Kilometern dürfen ausschliesslich mit spezieller Genehmigung verlassen werden. Bleiben die BewohnerInnen trotzdem über Nacht weg, werden sie mitunter von der Nothilfe ausgeschlossen. Das ist verfassungswidrig. Trotz der Ankündigung, die Betroffenen nach der Schliessung der Stafelalp und bis zur Vorstellung eines neuen Konzeptes die Menschen mit NEE in den Durchgangszentren unterzubringen, gehen wir nicht davon aus, dass das neue Konzept zu einer Verbesserung der Situation für die Betroffenen führen wird. Der Diskurs der PolitikerInnen dreht sich ausschliesslich um finanzielle Aspekte. Das Wohlergehen der Menschen scheint dabei keine Rolle zu spielen. Der Weg, Nothilfe zu erhalten, wird weiterhin mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein. Obwohl ein Recht auf Nothilfe besteht, melden sich viele nicht beim Migrationsdienst, weil sie begründete Angst haben, sofort in Haft genommen, und/oder direkt ausgeschafft zu werden. Ob auf der Strasse, im Minimalzentrum, oder in einem Durchgangszentrum; die Situation der Menschen mit NEE ist unerträglich. In der bevorstehenden Wintersession werden die Räte voraussichtlich die Asylgesetzrevision und ein neues Ausländergesetz verabschieden. Künftig werden alle abgewiesenen Asylsuchenden vom Sozialhilfeausschluss betroffen sein. Das Elend, das hier produziert wird, geht ins Unermessliche. > PROJEKT ¡WIR BLEIBEN! < INNENLAND megafon Nr. 290, Dezember 2005

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KLEINER RÜCKBLICK – MIT PFANDSPIEL

DAS BESONDERE ERLEBNIS AM ABSTIMMUNGSFEST NEIN, KEIN RÜCKBLICK, WIE DU IHN DIR VOR-

STELLST. SONDERN ERLEBNISSE DER BESONDEREN ART, DIE ES NUR IN DER REITSCHULE GIBT: GRATIS, NOTABENE!

Hier folgt nicht, an was du denkst beim Rückblick auf ein Fest, also kein zweites Abtanzen zu den Dead Brothers oder den süditalienischen Briganti, nichts zu Rumschmusen in den Sofas im Frauenraum, kein beschwippstes Headbangen, kein Töggeliturniergewinn. Das besondere Erlebnis spielt in einer anderen Liga: Der letzten Schicht beim «Eintritt-Machen». Eintritt bezahlen die Besucherinnen und Besucher des Abstimmungsfests an der Kasse vor dem grossen Tor und erhalten dafür einen Stempel aufs Handgelenk. Diesen Stempel müssen sie bei den beim Tor aufgebauten Schleusen vorweisen.

AUS GUTEM HAUSE

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megafon Nr. 290, Dezember 2005

Samstag Abend, 24 Uhr, ich beginne meine Schicht, wir stehen zu dritt vor den Schleusen. «Sälü, hesch ä Stämpu? – Merci!». Das ist die magische Beschwörungsformel, mit der wir die Leute begrüssen. Die meisten – das möchte ich vorausschicken – weisen den Stempel unübersehbar und unaufgefordert auf ihrem Unterarm vor. Schliesslich ist den meisten Besucherinnen und Besuchern klar, dass das Abstimmungsfest auch dazu beitragen soll, die Kosten zu decken, welche wir in den Abstimmungskampf investieren. Das besondere besteht in den Erlebnissen mit den Leuten, die diese Notwendigkeit nicht einsehen und auf alle möglichen und unmöglichen Weisen versuchen, ohne Stempel durchzukommen. Und das sind nicht wenige. Sehr wichtig für solche Unternehmungen: Cool dreinschauen und zielstrebig zwischen den KontrolleurInnen durchschreiten (ist für die Kontrollierenden zwar ein bisschen langweilig, da

schnell zu durchschauen. Durchrennen wirkt sich da schon Adrenalin schubiger aus.) Interessante Diskussionen rufen die gefälschten Stempel hervor, also diejenigen, für die man sich wie bei einer Blutsbrüderschaft Handgelenk auf Handgelenk drückt mit der Absicht, den (eventuell noch nicht ganz trockenen) Stempel rüberzukopieren. Ist es der etwas gar bleich geratene Originalstempel oder der bleiche Abdruck eines Originalstempels? Natürlich behaupten alle ersteres, ist ja logisch. Bei den plumpen Fälschungen bleiben wir hart, die müssen an die Kasse gehen und bezahlen. Andere nicht so offensichtliche Fälschungen lassen wir durch, einerseits aus «Mangel an Beweisen» und andererseits als Anerkennung für die geleistete (Kopier)Arbeit und aus Dankbarkeit, dass die uns nicht für dumm halten und sich wenigstens Mühe gegeben haben.


Zwei Jungs, die von drinnen kommen, erkundigen sich, ob wir sie wieder rein lassen würden, wenn sie jetzt raus gingen; sie hätten drum keinen Stempel. Doch, doch, sie hätten den Eintritt bezahlt, behaupten sie, aber keinen Stempel erhalten, was wir nun partout nicht glauben wollen, worauf der eine treuherzig, der andere aggressiv auf seiner Version besteht. Sie können ohne Stempel drinnen bleiben, aber nicht wieder rein kommen, wenn sie jetzt die Reitschule verlassen, bieten wir an. Der «Treuherzige» gibt dann mal auf, der «Aggressive» quengelt weiter, bis er schliesslich raus stürmt, als ob er reinbrennen wollte, was mich konfus im Kopf werden und einen kurzen Moment lang die Übersicht verlieren lässt, wen ich denn nun zu kontrollieren habe: die raus Kommenden oder diejenigen, welche rein wollen. Ach so, und dann noch die von der Band. «Wir sind von der Band», säuseln zwei Frauen und drei Männer, die sich an uns vorbei drängen. Welche Band? Um zwei Uhr morgens? Wo das Abstimmungsfest auf dem Höhepunkt tobt? Wir schauen uns an: Ist ja klar, verständigen wir uns wortlos. Wer wäre sonst um diese Zeit mit Schlagzeug, Bass und Gitarre bepackt unterwegs, wenn es nicht die von der Band wären? Eine weitere Spezialität des Abends ist das Pfandspiel. Kennst du das? Es ist ganz einfach, und ich sage dir, so etwas geht nur in der Reitschule. Versuchs mal in einem anderen Klub, da wirst du auf Mauern stossen. Nicht so bei uns. Also, das geht so: Du willst nur kurz auf die Toilette, zum Zigarettenautomaten, schauen, ob dein Freund drin ist oder sehen was läuft? Dann gib mir ein Depot. Ja was denn? Zum Beispiel dein Handy. Mein Handy, aber das brauche ich doch! Ich rechne vor: Ein Toilettenbesuch dauert – mit Warteschlange – ungefähr fünfzehn Minuten, da kannst du doch auf dein Handy verzichten. Und dies ist das schlagende Argument, dem sich niemand

widersetzen kann. Wir sind jedoch auch mit anderen Pfanden (uff, was ist die Mehrzahl von Pfand?) zufrieden, zum Beispiel dem i-pod, oder dem Portemonnaie oder mit Bargeld, dem GA, dem Halbtax-Abonnement, dem Linsentruckli. Zu Beginn nehme ich auch Handtaschen, was sich als Fehler erweist, stehe ich doch zeitweise wie ein falsch geschmückter Weihnachtsbaum da. Einer will nur ein Glas Wasser holen, er zeigt auf seine leeren Hosentaschen, ein Handy besitze er auch nicht. Ich zeige auf seine Baseballmütze, so was ist doch kostbar, glaube ich zu wissen, und könnte hinhauen als Pfand. Von der Mütze kann er sich nicht trennen, er übergibt uns seinen Schal und die Handschuhe. Nach fünfzehn Minuten kommt er zurück und holt die Sachen wieder ab, das Glas Wasser in der Hand. Die Geschichte mit dem Handy mit dem grünen Klebpunkt hinten drauf ist besonders süss. Den grünen Punkt habe ihr nämlich ihr Arzt, der Homöopath sei, da drauf geklebt, erzählt die junge Frau freimütig. Wenn sie den Kiefer anspanne, solle sie jeweils diesen grünen Punkt anschauen, dann entspanne sie sich wieder. Dreimal hinterlegt sie ihr Handy mit dem grünen Punkt und geht wer weiss was erledigen am Abstimmungsfest. Hoffen wir, dass sich ihr Kiefer mit der Zeit von selbst entspannen wird, ohne grünen Punkt.

Der Reitschule-Bastelbogen aus dem November-megafon, am Abstimmungsfest von fleissigen lieben Helferinnen in Tischgrösse aufgebaut: Nach zwei Tagen Fest ein buntes Gästebuch! Übrigens, es gibt noch Bastelbogen: Zu bestellen beim megafon, Postfach 7611, 3001 Bern oder mit einem Mail an megafon@reitschule.ch

> CHRIGE <

AUS GUTEM HAUSE megafon Nr. 290, Dezember 2005

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DIV. AUTOREN: CARGO

UNVERFÄNGLICHE STADTANSICHTEN DER BEGRIFF «CARGO» BEDEUTET BEFÖRDE-

RUNGSGUT. WENN NUN DREI COMIXAUTOREN AUS DEUTSCHLAND NACH ISRAEL REISEN, UND DREI ANDERE AUS ISRAEL NACH DEUTSCHLAND, DANN KOMMEN SIE SCHWER BELADEN ZURÜCK. KÖNNTE MAN MEINEN.

AUS DEM PROJEKT IST EINE ART POSTKARTENBUCH ENTSTANDEN: SCHÖN ANZUSEHEN, SPANNEND ZU LESEN, ABER OHNE TIEFERE EINSICHTEN. DAS IST GANZ IN ORDNUNG SO.

Man nehme je drei Zeichner und schikke sie im Frühling 2005 für zwei Monate in die Fremde. Dann lässt man sie zeichnen und veröffentlicht die Resultate in einem Comicband und in einer Wanderausstellung. Das Ergebnis wäre sicher spannend, aber wohl nicht weiter brisant. Würden die beteiligten Autoren nicht ausgerechnet aus Israel und aus Deutschland stammen. So jedoch liegt eine Art moralisches Damoklesschwert über dem Ganzen. Schon nur deswegen, weil das 40-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten Anlass zum Projekt gab. Diesem Konflikt waren sich offensichtlich auf die sechs Autoren bewusst. Wohl nicht zufällig haben sich alle für eine Antwort entschieden: Nämlich bei ihren Geschichten die Politik so weit wie möglich auszuklammern. So erzählt Tim Dinter von den

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megafon Nr. 290, Dezember 2005

Freundschaften, die er während seinem Aufenthalt in Tel Aviv geknüpft hat, Jan Feindt, der mit einer Israelin verheiratet ist, erinnert sich an einen Besuch bei Beduinischen Frauen in der Negev-Wüste. Und Jens Harder hat eine Art Reiseführer durch Jerusalem geschaffen, der Stadt, die gläubigen Christen und Moslems ebenso heilig ist wie Juden. Ebenso unverfänglich gibt sich die israelische Seite: Die einzige Frau, Rutu Modan, hat Berliner Stadtansichten gezeichnet, die ohne Worte auskommen. Und Guy Morads Kurzgeschichte handelt von einen liebeskranken Jugendlichen, dem in Berlin wider Erwarten die Liebe begegnet.

DOCH NICHT OHNE DIE GROSSEN THEMEN Dennoch: Ganz ohne Politik gehts nicht. Am deutlichsten wird das in den Bildern von Yirmi Pinkus. Der Zeichner unterlegt seinen durchaus lauschigen Reisebericht mit dem düsteren Gedicht „Schwarze Milch“ von Paul Celan. Aber auch Rutu Modan versteckt Hitlers Gesicht auf einem Titelblatt und verziert eine Punkerjacke mit einem Anti-NaziSymbol. Und sogar Guy Morads Protagonist stolpert in Berlin über eine Holocaust-Gedenktafel. Aber auch die deutsche Seite der Reisegruppe kommt nicht ganz um den

Nahost-Konflikt herum: So in Tim Dinters Geschichte über Tel Aviv: Wie nah die Angst trotz allem meditarenen Lebensgefühl ist, zeigt sich, als bei einem plötzlichen lauten Knall die Anwesenden sofort an einen Bombenanschlag denken. «Es wird noch lange dauern, bis Deutsche und Juden ihre Hemmungen im Umgang miteinander ablegen werden. Es gilt, das Verhältnis zu entritualisieren. Das ewige und sinnfreie Gerede von den besonderen deutsch-israelischen Beziehungen ist so hohl, wie es klingt. Es reicht, wenn Israelis wissen, wo man in Berlin Digi-Kameras günstig kaufen kann und Deutsche wissen, wo es in Jaffo den besten Fisch gibt.» Das schreibt der Spiegel-Autor Henryk M. Broder im Vorwort zu Cargo. Ähnlich will auch Initiator Jens Harder seine Idee verstanden wissen: «Wir wollten nicht die grossen Themen wälzen. Es ging uns eher darum, einen unverstellten Blick auf den Alltag zu richten – auf anderes als das, was man aus den Abendnachrichten kennt,» sagte der Zeichner in einem Interview. So verstanden ist das Projekt absolut gelungen. Mitfinanziert wurde Cargo übrigens durch das Goethe-Institut in Tel Aviv sowie die Kulturstiftung des Bundes. > CDK <


TIMMERMAHN HÖRT PAUL ARMFIELD Mal fuhr ich auf die Isle of Man an die Touring Trophy. Dort in Newport betreibt Paul Armfield seine Buchhandlung und macht Musik. Später hab ich einen Tonträger von ihm er-eBayt. Das «SONGS WITHOUT WORDS»-Promo-CD-Album – A full release cd with no case of inlays but in a plastic sleeve – für 1.76 Pfund ist für mich jetzt Erinnerung an die Insel und an ungeregelte Tage. Zu «Evermine», seinem zweiten Album mit der Band The Four Good Reasons, sagt Paul Armfield: «Die Haltung die wir als PubMusiker mitbringen: Es ist alles nicht so kostbar und verkünstelt, wie viele Leute glauben. Wir machen halt Musik.» Jagenau! Der Wahrspruch gefällt mir ganz&vollumfänglich. Sozusagen und tatsächlich ist doch Musikmachen etwas sehr schönes und soll Freude bereiten. Ist doch Armstrong wie Zappa, oder Echo vor Gibelegg. Gut, den Armfield mag ich nicht jede Woche anhören und an anderen Tagen hab ich auch schon vergessen, Musik anzumachen. Beim Schreiben stört sie mich. Zum Malen hab ich sie gern dabei. Heut morgen durfte erst Mr. Davis mit «Blue Miles» dran. Aber nach «Sweet Pea» und «50:03"» fühlte ich mich unerwartet zu erwachsen und so habe ich ungesehen die Lobos «This Time» vom Stappel gezogen. Die musste ich dann moderater einstellen wegem Woover. Seit wir wieder in der Deutschschweiz wohnen, hab ich den Rolling Stone im Abo. Da klebt monatlich eine New Noises im Heft. Balmergabi hat sie mir mal in Ständern arrangiert. War aber nichts, weil die durch den Schlitz schlüpfen und rausfallen. Nun hab ich wieder die with full inlays and case aus dem Fachgeschäft oder vom eBay eingeständert und der Rest häuft auf dem ausgezogenen Tisch in meinem Atelier. Da zupf ich mir dann ggf. eine raus und diese kommt dann zum Abspielen ins Wiedergabegerät. Manchmal fluch ich dann über diese minderwertige Klangwelt, aber meist gefällt sie mir sehr und der Tag ist geflickt oder geritzt oder wie immer mensch dem auch sagen will. Ich höre halt Musik, ob sie mir gefällt oder nicht, bis das Magnetfeld zusammenbricht.

KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT FRAUENRAUM SOLIBARS GROSSE HALLE 1-3 4-6 7-8 9 10 10 10

PROGRAMM

Bitte eine Karte mit Absender und ihrem Lieblingsfoto an: Timmermahn, 3088 Rüeggisberg. Für die Verlosung ist der 31. Dez. 2005 Einsendeschluss. Zu gewinnen gibt es fünf signierte CD's «Walterli, Bubenfersen III». Viel Glück dabei.

megafon Nr. 290, Dezember 2005

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KINO

STEFAN JÄGER, SCHWEIZ 2002

CYRILL TRIFFT

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 21.00 UHR

KATJA BAUMGARTEN IN ZUSAMMENARBEIT MIT GISELA TUCHTENHAGEN, DEUTSCHLAND 2001

MEIN KLEINES KIND

SAMSTAG, 10. DEZEMBER, 20.30 UHR

SÆREN KRAGH-JACOBSEN, DÄNEMARK 1998

MIFUNE

FEITAG, 9. DEZEMBER, 21.00 UHR DONNERSTAG, 15. DEZEMBER, 21.00 UHR

LARS VON TRIER, DK/S/FIN/F/USA 2000

DANCER IN THE DARK

DONNERSTAG, 8. DEZEMBER, 21.00 UHR FREITAG, 16. DEZEMBER, 21.00 UHR

ALDO GUGOLZ, SCHWEIZ 2001 IN ANWESENHEIT VON NINA DORIZZI

LEBEN AUSSER ATEM

SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 21.00 UHR

JEAN-PIERRE. SINAPI, FRANKREICH 2000

NATIONALE 7

FREITAG, 2. DEZEMBER, 21.00 UHR

ALEJANDRO AMENABAR, SPANIEN 2004

MAR ADENTRO

DONNERSTAG, 1. DEZEMBER, 21.00 UHR

megafon 05.04

PROGRAMM

J-P. SINAPI, FRANKREICH 2000, 95 MIN., FIC., 35MM, OV F/D Der 50-jährige René lebt in einem Heim für Menschen mit einer körperlichen Behinderung. René ist notorisch schlecht gelaunt und macht sich einen Sport daraus, das Pflegepersonal gegen sich aufzubringen. Bei der jungen Pflegerin Julie kommt er damit nicht an. Schliesslich gesteht er ihr den wahren Grund für seine miese Stimmung: Er hat es satt, sich mit Videos und Pinup-Girls zufrieden geben zu müssen und möchte endlich wieder einmal Sex haben.

ALEJANDRO AMENABAR, SPANIEN 2004, 128 MIN., FIC., 35MM, OV SP/D/F

Seit er vor 26 Jahren beim Baden verunglückte, ist der einstige Seemann Ramón vom Hals abwärts gelähmt. Duch sein Zimmerfenster überblickt er stundenlang tagträumend das Meer, das er so sehr liebt. Ramón hegt seit langem nur noch einen einzigen Wunsch: seinem Leben ein Ende zu setzen. Allein kann er dies nicht tun, dochStaat und Kirche untersagen ihm jegliche Beihilfe. Eines Tages gerät Ramóns kleine Welt durch den Besuch zweier Frauen aus den Fugen. Die Rechtsanwältin Julia und die sozialpolitisch engagierte Gené wollen ihn in seinem Vorhaben unterstützen. Bei diesem Film werden reale Geschehnisse mit fiktiven Elementen verwoben.

Für viele Dinge brauchen wir einen langen Atem – das halten wir für selbstverständlich. Nina Dorizzi beweist nicht nur die Wahrheit dieses Spruches, sondern auch, dass diese Atem-Metapher nicht wörtlich genommen werden darf. Seit sie mit sechzehn Jahren an Kinderlähmung erkrankte, ist Nina von einem Atemgerät abhängig. Zwölf Jahre war sie in der Uni-Klinik Zürich an das Bett und an das nahegelegene Gerät gefesselt. Ein bewegliches Atemgerät befand die Versicherung für zu teuer. Mit Hilfe ihrer Freunde hat sie sich jedoch dieses Hilfsmittel und damit ihre Beweglichkeit erkämpft. Heute ist Nina Dorizzi Abgeordnete im Stadtparlament von Winterthur und nebenher organisiert sie Hilfsaktionen für behinderte Menschen in Russland.

ALDO GUGOLZ, SCHWEIZ 2001

LEBEN AUSSER ATEM

SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 21.00 UHR IN ANWESENHEIT VON NINA DORIZZI

NATIONALE 7

FREITAG, 2. DEZEMBER, 21.00 UHR

MAR ADENTRO

DONNERSTAG, 1. DEZEMBER, 21.00 UHR

∫NICHTS SCHWERER, NICHTS LEICHTER ALS DASºª LEBEN MIT BEHINDERUNG √ ZYKLUS VOM 1.√17.12.2005

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Mifune ist ein Stück engagierte Gesellschaftskritik, zugleich aber ein Liebesfilm, der auf wunderbar leichtfüssige Weise abzuheben versteht. Kresten hat beruflich Karriere gemacht und steht kurz vor seiner Heirat. Nach dem Tod seines Vaters muss er sich plötzlich um den verrückten Bruder kümmern. Zurück auf dem Hof seiners Vaters engagiert er ein Call-Girl als Haushälterin… Kragh-Jacobsen, ehemaliger Schüler der berühmten tschechischen Dokumentarfilmschule in Prag (FAMU), beweist, dass auch Komisches dogmatisch umgesetzt werden kann.

SÆREN KRAGH-JACOBSEN, DÄNEMARK 1998, 98 MIN., FIC., 35MM, DÄN. OV/D/F

MIFUNE

FEITAG, 9. DEZEMBER, 21.00 UHR DONNERSTAG, 15. DEZEMBER, 21.00 UHR

USA, Mitte der 60er-Jahre. Die tschechische Einwanderin Selma arbeitet in einer Fabrik, um für sich und ihren Sohn den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch Selma wird wegen einer Erbkrankheit bald erblinden. Um ihren Sohn vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, spart sie sich das Geld für dessen Operation vom Munde ab. Doch ein Nachbar stiehlt Selmas Ersparnisse und löst damit eine Kette unglücklicher Ereignisse aus.

LARS VON TRIER, DK/S/FIN/F/USA 2000, 134 MIN., FIC., 35MM, OV E/D/F

DANCER IN THE DARK

DONNERSTAG, 8. DEZEMBER, 21.00 UHR FREITAG, 16. DEZEMBER, 21.00 UHR


Die Filme (in spanischer Sprache) sind Teil des 8. Internationalen Festivals «Raíz de la Imágen», welches im Mai 2006 in Oaxaca, Mexiko, stattfinden wird. Die Ziele des Festivals sind die soziale, politische und kulturelle Anerkennung der indigenen Völker Lateinamerikas. Ein Vertreter des Festivals wird anwesend sein. Eine Veranstaltung der AG Chiapas.

OAXACA, MEXICO. INDIGENE VIDEOPRODUKTIONEN 2004, DVD, 90 MIN. OV (SPANISCH).

OJO DE AGUA COMUNICACI‡N

KURZFRISTIG EINGEPLANT: SONNTAG, 18. DEZEMBER, 20.00 UHR

∫CYRILL TRIFFTª

Cyrill Gehriger, ein Mann mit Down-Syndrom, macht sich auf, um verschiedene prominente SchweizerInnen zu interviewen: Anne-Marie Blanc, Gardi Hutter, Moritz Leuenberger, Reto Pavoni, Martin Schenkel und Abt Martin Werlen. Die Begegnungen sind aussergewöhnlich: Es geht um Beruf, um die Schweiz, um Liebe und das Leben an sich; es geht um Bratwürste, Bären, den Rütlischwur und den 11. September. Daneben wandelt Cyrill durch die Welt der Interviewten und entdeckt Dinge, die wir selber zu sehen verlernt haben.

Ultraschalluntersuchung in der Mitte der Schwangerschaft. Diagnose lautet: Komplexes Fehlbildungssyndrom in der 21. Schwangerschaftswoche, Verdacht auf Chromosomenanomalie. Die Prognose muss als deutlich schlecht bezeichnet werden. «Sie müssen entscheiden!», sagt der Facharzt für Pränataldiagnostik zu mir. «Die sofortige Beendigung der Schwangerschaft ist in solchen Situationen der übliche Weg.» Der autobiografische Dokumentarfilm handelt vom Dasein, von der Geburt und vom Abschied meines kleinen Sohnes Martin Tim, von persönlichen Fragen und Entwicklungen nach der Konfrontation mit der bestürzenden Diagnose, von der plötzlichen Anforderung, über die Dauer des Lebens und die Bedingungen des Todes eines meiner kleinen Kinder entscheiden zu müssen. (Katja Baumgarten)

Antifa-Agenda 2006, erhältlich bei: Antifa Bern, Postfach 5053, 3001 Bern oder www.antifa.ch

Passend zu den ach so festlichen Tagen zeigt das Kino der Reitschule Filme über Frauen und Männer, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung, gegen Diskriminierung und Apartheid, gegen Sexismus, Rassismus und Faschismus zur Wehr gesetzt, sich in Widerstandsbewegungen organisiert haben. Die aufgestanden sind, dem Unrecht ein Ende zu setzen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt oder es verloren haben, die gefoltert wurden, vergewaltigt, eingekerkert, gedemütigt, deportiert, vergast. Die für die Freiheit gekämpft, die gelebt und geliebt haben. Dieser Zyklus ist in Zusammenarbeit mit der Antifa Bern entstanden, welche jährlich eine Agenda mit einem Schwerpunktthema herausgibt. Die Antifa-Agenda 2006 ruft uns in Erinnerung, wie in verschiedenen Epochen in verschiedenen Kontinenten sich Menschen in oft ausweglos scheinenden Situationen zum Kampf, zum Aufstand entschieden haben. Im Zyklus «Aufstand, Widerstand – weltweit. Agenda 2006» zeigen wir Filme zu einigen in der Antifa-Agenda 2006 besprochenen Aufständen.

AUFSTAND, WIDERSTAND √ WELTWEIT. AGENDA 2006 ZYKLUS VOM 22.12.2005 - 13.1.2006

STEFAN JÄGER, SCHWEIZ 2002, 84 MIN., DOC., 35MM, DIALEKT OV

KATJA BAUMGARTEN IN ZUSAMMENARBEIT MIT GISELA TUCHTENHAGEN, DEUTSCHLAND 2001

Eine der bedeutendsten Auseinandersetzungen der deutschen Wehrmacht mit Partisanen und Partisaninnen fand von 1943 bis 1945 in der nordwestitalienischen Provinz Piemont statt. Die Alliierten, welche ihren Vormarsch von Sizilien her südlich von Rom gestoppt hatten, überliessen Norditalien der «deutschen Wut». Im Norden wuchs nun aber der Widerstand. Den Verbänden von Wehrmacht, SS und italienischen Faschisten standen bis zu 40 000 bewaffnete Partisanen und Partisaninnen gegenüber. Die deutschen Versorgungs- und Rückzugswege wurden von den Einheiten «Garibaldi» empfindlich gestört. Die Deutschen schlugen mit unmenschlicher Härte zurück. In Turin setzte eine starke Arbeiterbewegung immer wieder

KATRIN BRÜGGEMANN, JÜRGEN WEBER, DEUTSCHLAND 1996, 60 MIN., DOKUMENTARFILM, VHS-VIDEO, I/D (VOICE OVER). DANN VERNISSAGE DER ANTIFA-AGENDA 2006

PARTISANINNEN IM PIEMONT

DONNERSTAG, 22. DEZEMBER, 21.00 UHR

Vor jeder Vorstellung zeigen wir ein bis zwei Kurzfilme aus «Kilian Deller's Trickfilmlabor» – Filme, kreiert von Menschen mit geistiger Behinderung in einem Ferienlager im Jura: BASILEA, ENTDECKUNGSREISE, OJEE - JUHUI, VERENA UND SEPP

CYRILL TRIFFT

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 21.00 UHR

MEIN KLEINES KIND

SAMSTAG, 10. DEZEMBER, 20.30 UHR


KINO

CLAUDE LANZMANN, FRANKREICH 2001

SOBIB‡R, 14 OCTOBRE 1943, 16 H

FREITAG, 13. JANUAR, 21.00 UHR

RICHARD DINDO, CH 2003

NI OLVIDO NI PERD‡N

SAMSTAG, 7. JANUAR, 21.00 UHR

KEN LOACH, GROSSBRITANNIEN 1995

LAND AND FREEDOM

FREITAG, 6.1.06, 21.00 DONNERSTAG, 12.1.06, 21.00

RICHARD DINDO, CH 1973

SCHWEIZER IM SPANISCHEN BÜRGERKRIEG

DONNERSTAG, 5. JANUAR, 21.00 UHR

VORSCHAU JANUAR 2006:

GEMEINSCHAFTSPRODUKTION VON INTEROCEANA VIDEO MONTEVIDEO/MÜNCHEN, URUGUAY/D 1997

∫...UND PLÖTZLICH SAHEN WIR DEN HIMMELª

FREITAG, 30. DEZEMBER, 21.00 UHR

RICHARD ATTENBOROUGH, GROSSBRITANNIEN 1987

CRY FREEDOM

FREITAG, 23. DEZEMBER, 21.00 UHR DONNERSTAG, 29. DEZEMBER, 21.00 UHR

KATRIN BRÜGGEMANN, JÜRGEN WEBER, D 1996 IM ANSCHLUSS VERNISSAGE DER ANTIFA-AGENDA 2006

PARTISANINNEN IM PIEMONT

DONNERSTAG, 22. DEZEMBER, 21.00 UHR

AUFSTAND, WIDERSTAND: WELTWEIT! AGENDA 2006

megafon 05.04

PROGRAMM

Antiapartheids-Bewegung in Südafrika, seit Beginn des 20. Jahrhunderts – Cry Freedom ist wohl der berühmteste Film über das Apartheidregime in Südafrika. Steve Biko (Denzel Washington) ist ein junger Schwarzer und lebt im südafrikanischen Township. Biko setzt sich für die Rechte der Schwarzen ein und versucht ihnen ein positives Bild von sich selbst zu vermitteln. Wichtig ist ihm dabei, dies ohne Hilfe Weisser zu schaffen. Der Journalist Donald Woods, Chefredakteur einer südafrikanischen Zeitung, lernt den Anti-Apartheidheitskämpfer und Mitbegründer der Black-Consciousness-Bewegung kennen. Diese Begegnung verändert Woods Leben, er ist von Biko nachhaltig beeindruckt. Die beiden werden Freunde und beeinflussen sich gegenseitig im Kampf gegen die Apartheid. Eines Tages wird Biko verhaftet und stirbt angeblich an den Folgen eines Hungerstreiks. Woods glaubt der offiziellen Version nicht. Ein aufwühlender Film, der die Apartheid-Politik an den Pranger stellt.

RICHARD ATTENBOROUGH, GROSSBRITANNIEN 1987, 157 MIN., SPIELFILM 35 MM, E/DF

CRY FREEDOM

FREITAG, 23. DEZEMBER, 21.00 UHR DONNERSTAG, 29. DEZEMBER, 21.00 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Frauen aus Uruguay und Deutschland im Widerstand, in den 1960er und 1970er Jahren – Die Idee für den Film entstand 1991 aus dem Wunsch, widerständische Frauen in verschiedenen Ländern aufzuspüren und von ihren kleinen und grossen Kämpfen zu erzählen, die in der Geschichtsschreibung entweder unterschlagen oder mystifiziert werden. Auch in der europäischen Linken ist der Mythos von der bewaffnet kämpfenden Guerilla weit verbreitet, der den Blick auf die alltäglichen Kämpfe von Frauen verstellt. Aus der Idee wurde ein anspruchsvolles und manchmal kaum zu bewältigendes Projekt: Deutsche Frauen drehen in Uruguay, uruguayische Frauen in Deutschland. Sie besuchten jeweils das andere Land und interviewten dort Frauen aus oppositionellen Bewegungen und bewaffnetem Widerstand. Es geht um die Aufarbeitung der eigenen und die Neugier auf die Geschichte der Anderen, um Gemeinsames und Trennendes, um gleiche Fragen in verschiedenen Kontinenten. Es ist ein sehr persönlicher Film geworden. Er dokumentiert historische und persönliche Hintergründe der Politisierung, er erzählt von Haftbedingungen und Flucht, von Motivationen und dem Lebensgefühl der 60er und 70er Jahre, von Widerstand und Gefängnis, von Kindern, von Hoffnung und Niederlagen, Verletzungen, Stärken und Ängsten, von Liebe, den besten Jahren und düsteren Zeiten und der Frage nach der heutigen Perspektive. Neue Lösungen für alte Probleme bietet er nicht, aber er hält ein Stück Zeitgeschichte von Frauen aus Uruguay und Deutschland fest.

INTEROCEANA VIDEO MONTEVIDEO/MÜNCHEN, URUGUAY/D 1997, 102 MIN., DOKU, BETASP, OV/D (VOICE OVER)

∫...UND PLÖTZLICH SAHEN WIR DEN HIMMELª

FREITAG, 30. DEZEMBER, 21.00 UHR

Streiks durch, obwohl auf Arbeitsniederlegung der Tod stand. Im Video kommen ehemalige Partisanen und Partisaninnen sowie Menschen aus dem Widerstand der Provinzhauptstadt Turin zu Wort. Sie erzählen von der Zusammenarbeit der kämpfenden Formationen und der Arbeiter und Arbeiterinnen in der Stadt, bis zur Selbstbefreiung von Turin im April 1945. Der Film berichtet auch von der Situation der deutschen Besatzung in Italien ab 1943 und von den Massakern der Deutschen im Piemont. Die ehemalige Partisanin Mara Piovano aus Turin erläutert, weshalb sie sich als eine der ersten Frauen im Piemont den kämpfenden Einheiten in den Bergen anschloss.


DACHSTOCK

STYLE: FILEWILE TAKEN APART & PUT TOGETHER AGAIN

RELEASE-PARTY ∫FILEWILE REMIXEDª SUPPORTED BY: POLA ( L I V E ) , FORMEL ( L I V E ) , TIM SCOTT ( S O U L F E LT / L I V E R P O O L ) , RAMAX & SMAT ( A R E YO U V E DA / R A N D O M AC O U S T I C S ) , VISUALS BY TECTONICS

FREITAG, 16. DEZEMBER, 22.00 UHR WANKDORF RECORDINGS & DACHSTOCK PRESENT:

STYLE: TRASHY BLUESY ROCK'N'ROLL METAL

EL GUAPO STUNTTEAM ( B ) SUPPORTED BY: HELLMUTE ( C H )

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER, 21.00 UHR

THE COME'N'GO ( VO O D O O R H Y T H M / B E ) √ PLATTENTAUFE

FREITAG, 9. DEZEMBER, 22.00 UHR

ARTSOUK 2005

FREITAG, 9. DEZEMBER, AUSSTELLUNG AB 17.00 UHR, AUKTION AB 20.00 UHR

ARTSOUK 2005

DONNERSTAG, 8. DEZEMBER, AUSSTELLUNG AB 17.00 UHR, AUKTION AB 20.00 UHR

STYLE: INDUSTRIAL DANCEFLOOR-METAL-PUNK

KMFDM ( M E T R O P O L I S / U S A ) PANIC DRIVES HUMAN HERDS ( H AT E C H A N N E L / U K / S F ) . SUPPORTED BY: DJS ERECCAN & DACTYLOLA ( R A U M / B E )

SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 22.00 UHR

STYLE: DIRTY DUBBY TECH-HOP DANCEHALL

PHON.O ( S H I T K ATA P U LT , CY T R A X , T I G E R B E AT 6 / D ) SUPPORTED BY: DJS RAMAX & SMIRRE ( R A N D O M AC O U S T I C S / B E )

FREITAG, 2. DEZEMBER, 22.00 UHR E_SHOX PRESESENT:

megafon 05.04

PROGRAMM

( S H I T K ATA P U LT , CY T R A X ,

Als formende Einflüsse auf seine Musik nennt der aus dem Harzgebirge stammende Carsten Aermes, der seit 1997 in Berlin ansässig ist, das Heu im Schuppen, den Dreck auf den Feldern, und das Rufen der Schafherde von der anderen Seite des Hügels. Trotz dem organischen Hintergrund beginnt er elektronische Musik zu produzieren, eine EP und sein erstes Album werden vom kalifornischen Label Cytrax von Kit Clayton und DJ Jasper veröffentlicht, das sich auf die lärmigeren Varianten des Dub spezialisiert hat. In der grossen Stadt trifft er dann auf T. Raumschmiere, der ihn auf sein Label Shitkatapult holt, wo er auch gleich seine Begabung für die Gestaltung einsetzt, die er als Teil der Designer-Gruppe Kiosk Royale auslebt, und er zeichnet für eine Reihe von Covers verantwortlich. In Übersee werden seine Werke auf Kid 606s Tigerbeat 6 veröffentlicht. Dieses Jahr ist so sein zweites Album «Burn Down The Town» erschienen, welches sein Spektrum von Dub, Eurocrank, Dancehall-Grime, Hip Hop und dreckigem Techno vereint, kurz nachdem eine 12“ mit Phon.o-Remixes von Kit Clayton und seinen Kumpels Funkstörung veröffentlicht wurde.

SUPPORTED BY: DJS RAMAX & SMIRRE ( R A N D O M AC O U S T I C S / B E )

T I G E R B E AT 6 / D )

PHON.O

E_SHOX PRESESENT:

FREITAG, 2. DEZEMBER, 22.00 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Letztes Jahr feierte die Band von Mitbegründer und heute einzigem verbliebenen Gründungs-Mitglied, dem ursprünglich aus Hamburg stammenden Sascha Konietzko, der sich nicht ohne Ironie als «Vater des Industrial Rock» bezeichnet, mit einer Welt-Tournee von KMFDM das zwanzigjährige Bestehen des Projekts, das auf eine Unmenge von Veröffentlichungen zurückblicken kann. Diesem gestalterisch wie musikalisch konsequenten Werkkörper fügen sie nun in der heutigen Besetzung mit «Hau Ruck!» ein Meisterwerk hinzu: Im Verbund mit der New Yorkerin Lucia Cifarelli, früher als Frontfrau ihrer eigenen Band Drill unterwegs, den beiden Gitarristen Jules Hodgson und Steve White, und Drummer Andy Selway, alle von der englischen Gruppe Pig zu KMFDM gestossen, besticht «Hau Ruck!» durch seine kraftvolle,

SUPPORTED BY: DJS ERECCAN & DACTYLOLA ( R A U M / B E )

( H AT E C H A N N E L / U K / S F )

KMFDM PANIC DRIVES HUMAN HERDS (METROPOLIS/USA),

SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 22.00 UHR

rohe Direktheit, ironisch gebrochene Aggressivität, als reifes Werk, dem die lange Geschichte des Projektes anzumerken ist, gleichzeitig von dessen Innovationsfreude zeugend. Um ihm den gewünschten Sound zu geben, wurde das Album von der Gruppe selber produziert und abgemischt, dem Hybriden aus Punk, Industrial, Dancefloor und Metal die nötige Schärfe verleihend. Der Pogo-Pit wird schon angeheizt sein durch Panic Drives Human Herds, das junge englische Projekt aus dem Umfeld von Alec Empires Digital Hardcore Label, welches schon letztes Jahr mit ihrem Set als Support von Second Gen begeisterte. Nach dem selbstbetitelten Debut aus dem Jahr 2002 sind Gitarrist Robbie Furze, der die Saiten auch an der Seite von Alec Empire erklingen lässt, Gitarristin Juliet Elliott, welche einen soliden Metal-Hintergrund einbringt, der Elektro-Tüftler Antti Uusimaki, der schon mit Brian Eno, Barry Adamson, Coldcut gearbeitet hat, auf Ninjatunes veröffentlicht, der auch seine Produktions-Skills einbringt, und der vom Jazz her kommende Schlagzeuger Adam Lewis gegenwärtig an ihrem zweiten Album am arbeiten, welches sie wiederum in ihrem eigenen Studio in London aufnehmen.


DACHSTOCK

STYLE: BROKEN BEATS ON ROTATING ROUND PLATES

MOUTHWATERING X-MAS BASH! SUPPORTED BY: DJS DUSTBOWL & KEV' THE HEAD, LIVE-SET BY FILEWILE, GUEST DJ SWO, VISUALS BY LOS LOGOS/BÜRO DESTRUCT

SONNTAG, 25. DEZEMBER, 22.00 UHR

STYLE: PRIMITIVE DIRTY RAWK'N'ROLL

THE DEAD ( 8 0 8 R E C O R D I N G S / B E ) SUPPORTED BY: THE GUTTER QUEENS & MÖPED LADS ( C H ) & DJ DANNY RAMONE & HIS GIMP ( B E )

FREITAG, 23. DEZEMBER, 22.00 UHR

STYLE: DRUM'N'BASS

DOGS ON ACID NIGHT ( U K ) FEAT. DJ XO UND T.B.A. SUPPORTED BY: VCA, DEEJAY MF

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 22.00 UHR DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS:

megafon 05.04

PROGRAMM

THE LOW INCOME ENTERTAINEMENT GROUP & DJ SURPRISE

FREITAG, 9. DEZEMBER, 22.00 UHR

(CH)

Ab 20.00 Uhr jeweils Auktion mit Sandra Künzi und Michael Röhrenbach. Das VJ-Team V.I.T. / Optickle (Sam Radvilla, Michael Spahr) wird Bildmaterial aus dem Geschehen sampeln, direkt bearbeiten und auf die Leinwand zurückwerfen. Jan Stehle und Max Hubler sind wieder für Ton und die Soundeffekte verantwortlich. Eine einzigartige Gruppenausstellung, wo sich KünstlerInnen und Publikum ausserhalb eines «white cube» begegnen können. Advent Advent.

Bereits zum dritten Mal beherbergt der Dachstock Kat Aellens Projekt ArtSouk. Die zweitägige Gruppenausstellung von KünstlerInnen aller Sparten, mit Auktion, Laufsteg-Acts, Bauchtanz, Performances, VJing, Toneffekten, und zum Abschluss einem Konzert, verwandelt den Dachstock in eine veritable Kunstgalerie. ArtSouk ist ein Bazar, eine Börse, ein Austauschort, eine Art ArtBern, ein Forum, eine Party, ein Symposium. 2004 nahmen 57 KünstlerInnen teil. Die Nischen der vielen Sparren des Dachgebälks markieren die Kojen für die KünstlerInnen, die alle persönlich anwesend sind und sich selber vertreten. Nach Ende des Programms Symposium und After Party bis in den Morgen. Neben KünstlerInnen wie Verena Schwab, Babette Berger, Vincent Chablais, Giro Annen, Luciano Andreani, Dirk Bonsma, Andrea Nyffeler, Lisa Jenni, um nur einige zu nennen, werden aber auch wieder Künstler wie der Berner Basquiat Sbiti Abdel Hay oder der unverfrorene Antifrost dabei sein. Eine bewährte Mischung von renommierten und (noch) unbekannten KünstlerInnen.

ARTSOUK 2005

DONNERSTAG, 8. DEZEMBER UND FREITAG 9. DEZEMBER: AUSSTELLUNG AB 17.00 UHR, AUKTION AB 20.00 UHR

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(CH)

Eigentlich hätten die Belgier eine Double-Bill-Tour mit der amerikanischen Band Hulk machen sollen, die sich aber mit ihrem Label verkracht und die Tour abgesagt haben. So kommt es nun, dass El Guapo Stuntteam die Tour als Headliner absolvieren, ihre Drei-Gitarren-Bass-DrumsAttacken dreckigen, bluesigen, harten Rock’n’Rolls über das nichtsahnende europäische Publikum zu entfesseln. Als wäre ihre trashige, ratternde und knatternde GrooveMaschine noch nicht genug Anlass, Bewegung in einen Raum zu bringen, gehört zum Zelebrieren des verrückten Rituals, welches ihre Konzerte darstellen, der Auftritt eines echten Stuntmans, der die blildlichen Flammen, die ihr Sound zu entfachen vermag, als wirkliches Feuer unter die Leute bringt. Bald ihr zehnjähriges Jubiläum feiernd, haben die Belgier nach ihrem selbstbetitelten Debut von 1999 und dem Album «The Year Of The Panther» 2002 dieses Jahr ihr drittes Album «Battles Across The Stereo Spectrum» veröffentlicht. Schon mehr als zehn Jahre unterwegs ist das Trio Hellmute aus Aarau, welches den eigenen Angaben nach wohl den primitivsten Rock’n’Roll hier und jetzt spielt, was aber naturgemäss nichts über die Qualität ihrer Musik aussagt, geht es doch beim Rocken und Rollen darum, die ursprünglichsten Triebe und die primitivsten Instinkte zu erwecken, was sonst den Leuten dazu dient, darauf zu sitzen, in Bewegung zu versetzen.

EL GUAPO STUNTTEAM ( B ) SUPPORTED BY: HELLMUTE

DONNERSTAG, 15. DEZEMBER, 21.00 UHR

Seit rund drei Jahren geistern drei Untote durchs Land, die sich The Dead nennen, und ihre Interessen an Bass, Gitarre und Schlagzeug, begleitet von markerschütterndem Geschrei, in derartigem Lärm ausleben, dass die Toten erwachen möchten. Ihren eigenen alpinen Rock’n’Roll gestaltend, verwerten sie ihre Vorlieben für 60es Garage Punk, Psychobilly, Punk, Blues, Country, Hardrock und Trash, die sie Mundharmonika, Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug verfüttern, sich dabei zweistimmig übergebend. Nach dem 2002 in drei Tagen aufgenommenen Debut «Fiesta De Los Muertos», welches auf dem deutschen Rock’n’Roll-Label Crazy Love Records erschienen ist, kommt im Dezember das zweite Album «Take You Home», welches in Admiral James T.’s Studio aufgenommen wurde, in der Schweiz auf Leech Reddas 808-Label herauskommt, zum weltweiten Vertrieb über Crazy Love Records erhältlich sein wird. Das runde Ding zu taufen wurden zudem zwei nicht minder schrille Outfits angeheuert, vor The Dead die Toten zu erwecken, Saiten, Fellen und Stimmbändern die entsprechenden Laute zu entlocken, welche sich in pulsierenden Strömen über den Friedhof ausdehnen wie der toxische Nebel in «The Return Of The Living Dead».

THE DEAD ( 8 0 8 R E C O R D I N G S / B E ) SUPPORTED BY: THE GUTTER QUEENS & MÖPED LADS ( C H ) & DJ DANNY RAMONE & HIS GIMP ( B E )

FREITAG, 23. DEZEMBER, 22.00 UHR


EL GUAPO STUNTTEAM

FILEWILE

FREITAG, 16. DEZEMBER, 22.00 UHR

( A R E YO U V E DA /

DOGS ON ACID NIGHT ( U K ) FEAT. DJs XO & T.B.A. SUPPORTED BY: VCA, DEEJAY M

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS:

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 22.00 UHR

Das live spielende und ihr Material online vertreibende Duo von Dejot und Mouthwatering-DJ Dustbowl mit Namen Filewile hat eine Reihe von Leuten eingeladen, ihre Tracks zu remixen, und präsentiert das Resultat in Form einer digitalen Remix-Compilation an diesem Abend, indem einige der Remixenden in Live-Auftritten und DJSets wohl auch ihre Bearbeitung des Filewile-Materials einbauen werden. Mit dabei mit Pola das Duo-Projekt von Keyboarder Oli Kuster (Mich Gerber, Züri West) und Schlagzeuger und Sänger Marcel Blatti (Mãozinha, Felka), in welchem die beiden elektronische Musik und klassisches Songwriting zu etwas verbinden, was witzigem Elektro-Pop nahe kommt, aber auch direkt und ernsthaft auf den Dancefloor zielen kann, das Duo Formel, der englische Produzent und DJ Tim Scott, DJs von den Labels AreYouVeda und Random Acoustics. Und natürlich der Geist von Filewile – makes you dance!

VISUALS BY: TECTONICS

R A N D O M AC O U S T I C S )

RAMAX & SMAT

( S O U L F E LT / L I V E R P O O L ) ,

RELEASE-PARTY ∫FILEWILE REMIXEDª SUPPORTED BY: POLA ( L I V E ) FORMEL ( L I V E ) , TIM SCOTT

WANKDORF RECORDINGS & DACHSTOCK PRESENT:

MOUTHWATERING X-MAS BASH! SUPPORTED BY: DJS DUSTBOWL & KEV' THE HEAD, LIVE-SET BY FILEWILE, GUEST DJ SWO, VISUALS BY LOS LOGOS/BÜRO DESTRUCT

SONNTAG, 25. DEZEMBER, 22.00 UHR


TOJO

PLATTFORM FÜR UMWERFENDE DARBIETUNGEN IMMER JEDEN LETZTEN DIENSTAG DES MONATS.

∫LUSTIGER DIENSTAG 17ª

DIENSTAG 27. DEZEMBER, 20.30 UHR

VON THEATER 99HUNDERT. TEXT: GERHARD MEISTER. REGIE: MATTO KÄMPF. MIT CARMEN ROSSI, PATRICK BOLTSHAUSER, WALTER SALVISBERG, SOFIE HÜSLER, MARK ALDER, NATASCHA DIMITRIJEWITSCH, GERHARD MEISTER, STEFAN WYSS UND JUDITH NIETHAMMER

∫AUSLÖFFELNª √ EIN WEIHNACHTSSTÜCK

(T.B.C. √ SIEHE TAGESPRESSE) SAMSTAG, 24. DEZEMBER, 23.00 UHR SONNTAG, 25. DEZEMBER, 23.00 UHR

MICHAEL RATH, DOD‡ DEÉR, FRANK GERBER

∫DER GITARRENMANNª

FREITAG, 16. DEZEMBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 20.30 UHR MITTWOCH, 21. DEZEMBER, 20.30 UHR DONNERSTAG, 22. DEZEMBER, 20.30 UHR FREITAG, 23. DEZEMBER, 20.30 UHR

EINE PRODUKTION VON THEATER COMPANY ILG MIT AHTIV CHANLEN, DENISE WINTSCH, ANGÉLIQUE RENTSCH, MANUEL RYTZ, BRIGITTE WOODTLI. REGIE: DANIEL ILG. TEXTE: HANDKE, HUWYLER, ILG, ENSEMBLE. MUSIK CHRISTIAN STRÄSSLE, BACH, VOLKSGUT, NINA HAGEN, APPENZELLER, ENSEMBLE. DAUER: 70 MINUTEN

∫HERR ALBERT SCHNEITª

FREITAG, 2. DEZEMBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 20.30 UHR

megafon 05.04

PROGRAMM

«Herr Albert Schneit» liegt kein Text oder narrativer Handlungsstrang zu Grunde. Eine Handvoll Figuren, zurückgeworfen auf diese Erde. Den Fahrtwind im Gesicht, merkwürdige Objekte auf sich tragend: ein Glas Wasser, eine Geige, ein Thermometer, ein Schaf. Zwischen ihnen spinnen sich skurril bewegte Bilder von absurder Komik und Melancholie. Sie entziehen sich einer Entschlüsselung durch den Verstand und zeugen dennoch unzweifelhaft von einer unbewussten expressiven Wirklichkeit. Material und Mittel in «Herr Albert Schneit» sind die SchauspielerInnen, ihre Themen, ihre Körper, ihre Bewegungen, die Sprache, Geräusche, Musik oder der Raum. Dieser ist ebenso wichtig wie der sich darin befindende, oft merkwürdige Gegenstand. Es ist die Aktion im Verhältnis zur Stille, Sommer und Winter als sich bedingende Gegensätze, wie das Leben und der Tod. Im Schnee liegt Anfang und Ende. Nach Daniel Ilgs (1948 - 2005) langjähriger Recherche, die auf der für ihn damals überraschenden Erkenntnis gründete, dass Leben sich nicht in einer lückenlosen Folge von Kausalzusammenhängen abwickelt, sondern einem reichen inneren Gebäude assoziativer Verknüpfungen folgt, fand Daniel Ilg einen neuen Weg der Gestaltung. Er geht nicht mehr von einem Thema aus, um darüber zu improvisieren, sondern spürt vielmehr feine Verbindungen und Verknüpfungen von Bildern und Fragmenten auf und lässt sich möglichst absichtslos auf den Fähr-

EINE PRODUKTION VON THEATER COMPANY ILG MIT AHTIV CHANLEN, DENISE WINTSCH, ANGÉLIQUE RENTSCH, MANUEL RYTZ, BRIGITTE WOODTLI. REGIE: DANIEL ILG. TEXTE: HANDKE, HUWYLER, ILG, ENSEMBLE. MUSIK CHRISTIAN STRÄSSLE, BACH, VOLKSGUT, NINA HAGEN, APPENZELLER, ENSEMBLE. DAUER: 70 MINUTEN

HERR ALBERT SCHNEIT

FREITAG, 2. DEZEMBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 20.30 UHR

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Jon Fosse ist sicherlich der meistgespielte norwegische Dramatiker seit Henrik Ibsen. Die menschliche Umgebung seiner Stücke ist eine Welt in der die Menschen einsam sind. Seien sie nun allein oder zusammen mit jemandem. Wenn ihre Stimme plötzlich durchdringen, klingen sie wortreich und unvergesslich, weil sie mehr über das uns gemeinsame Menschliche zu wissen scheinen, beziehungsweise sich Gedanken machen, als über die Einsamkeit. Fosses Texte sind intime Geschichten ohne Erklärungen. Weder psychologisch noch sozial. Um das Zentrum seiner Arbeit kreisen immer dieselben Themen: Liebe & Tod. Wie kann man das Unbeschreibliche mit Schreiben ausdrücken, dessen Urgrund per definitionem ja das Wort ist. Ein Paradoxon, das Jon Fosse durch die Dichte und den musikalischen Rhythmus seiner Sprache umgeht, durch ihren repetitiven Charakter und die allgegenwärtige Stille, die auf der Beziehung zwischen den Menschen basiert und nicht im Innern seiner Figuren wohnt. Theater Heute hat Jon Fosse zum Besten Ausländischen Autoren des Jahres 2004 gewählt.

Sheila, das Kind von Eveline und ihrem Mann Jean-Pierre, der ebenfalls am Tisch sitzt. Dann gibt es noch den Grossvater, der den Aktivdienst mitgemacht hat und von Frau Marti, der Krankenschwester, im Rollstuhl herangefahren wird. Alle Gäste werden vor ihrem Eintreffen von einem VJ des Lokalfernsehens zu ihrer Meinung zu Weihnachten befragt. Diese Interviews sind im Wohnzimmer von Anneliese und Werner live zu sehen. Dann hat man sich begrüsst, hat Platz genommen, das Fest beginnt. Gereiztheiten, fiese Sprüche, Ärger, Sorgen: sie sind stärker als der gesammelte Wille zum harmonischen Fest, sie brechen hervor und überschlagen sich ins Katastrophale, das mit dem Tod des Grossvaters seinen Höhepunkt hat: Sein Kopf sinkt vornüber in die Eistorte. In einer kurzen Schlussszene wird die Normalität wieder hergestellt. Das neu formierte theater 99hundert spielte an Weihnachten 1995 den ersten Theatertext von Gerhard Meister. Zehn Jahre später, ist für Weihnachten 05 eine Wiederaufnahme in Originalbesetzung und am Originalort vorgesehen. Im Tojo Theater in der Reitschule.


Der Monolog: Ein Mann mit einem Gitarrenkoffer betritt den Raum und beginnt unmittelbar seine Geschichte zu erzählen. Er ist ein in die Jahre gekommener Strassenmusiker, der seit vielen Jahren in derselben Unterführung oder Laube steht, und dieselben Lieder für dieselben Leute singt in der Hoffnung auf ein paar Münzen. Alle gehen an ihm vorbei, schauen zur Seite oder zu Boden und hören meistens nicht einmal zu. Der Gitarrenmann vertraut uns offen seine Geschichte an. Uns, dem Publikum, seinen Zeitgenossen. Er kam einst als Fremder in diese Stadt wegen einer Frau, und er blieb wegen einem Sohn. Er erzählt von sich und den wenigen Menschen, mit denen er in Verbindung kam. Sein Monolog konzentriert sich auf die Dinge, die ihn bewegten, in Gang setzten, aus der Bahn warfen und die ihn zu einem Satelliten machten, einem Einzelgänger am Rande der «normalen» Gesellschaft. Am Ende geht der Gitarrenmann, und lässt seine Gitarre, das Instrument, dass ihn so viele Jahre begleitet hat, zurück. Überlässt uns den Gitarrenkoffer, der ihm so lange als Gefäss gedient hat für das einzige, was ihm die Menschen geben konnten: ein bisschen Kleingeld. Er geht ohne Harm. Er nimmt uns nicht mit. Er lässt uns zurück ohne zu sagen wohin er geht. Er hört auf zu spielen. Verlässt er die Stadt? Verlässt er diese Welt? Oder bleibt er?

MICHAEL RATH, DOD‡ DEÉR, FRANK GERBER

DER GITARRENMANN

FREITAG, 16. DEZEMBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 20.30 UHR MITTWOCH, 21. DEZEMBER, 20.30 UHR DONNERSTAG, 22. DEZEMBER, 20.30 UHR FREITAG, 23. DEZEMBER, 20.30 UHR

ten neuer, rätselhafter Zusammenhänge leiten. Damit wird die Tür zu einer eigenen Theatersprache aufgestossen, die ähnlich dem Traum ihrer eigenen Logik folgt und im Ergebnis zu einer Welt überraschender surrealer Bilder führt. Die Methode, die auf Ilgs langjähriger Recherche basiert, wird selber zum Inhalt. Vorrangiges Ziel der Truppe ist das Erforschen neuer Bildzusammenhänge und das Entwickeln einer zeitgemässen Theatersprache, die sehr von der physischen Präsenz der Körper geprägt ist. So radikal wie nur möglich. www.theater-company-ilg.ch

G T

Weihnachten entkommt man nicht. Vor zehn Jahren gab das damals eben gegründete Theater 99hundert seinem Publikum die Gelegenheit, das eigene familiäre Weihnachtsessen zu verdauen. Nach dem Weihnachtsessen zu Hause gab es nämlich gleich nochmals eins auf der Bühne des Tojo-Theaters in der Reitschule, eine Familienweihnacht, wo alles, was an Konflikten und Ärger schwelt und im echten Leben an Weihnachten einen brenzligen Geruch entwickelt, auf den Tisch kommt und folglich ausgelöffelt werden muss. Der Abend wurde ein grosser Erfolg, «auslöffeln» hat eingeschlagen, das Bedürfnis, Weihnachten zu verdauen, war mächtig. Wir denken, an diesem Bedürfnis hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert. Gleichzeitig ist die Wiederaufnahme von «auslöffeln» natürlich auch eine kleine Jubiläumsfeier. In «auslöffeln» treffen vier Generationen einer Familie aufeinander, die zusammen Weihnachten feiern: Da sind die Eltern Anneliese und Werner, ihre erwachsenen Kinder Eveline, Clemens und Hansueli, da ist ihr Enkelkind

VON THEATER 99HUNDERT. TEXT: GERHARD MEISTER. REGIE: MATTO KÄMPF. MIT CARMEN ROSSI, PATRICK BOLTSHAUSER, WALTER SALVISBERG, SOFIE HÜSLER, MARK ALDER, NATASCHA DIMITRIJEWITSCH, GERHARD MEISTER, STEFAN WYSS UND JUDITH NIETHAMMER

AUSLÖFFELN G √E S A B A EIN WEIHNACHTSSTÜCK

(T.B.C. – SIEHE TAGESPRESSE) SAMSTAG, 24. DEZEMBER, 23.00 UHR SONNTAG, 25. DEZEMBER, 23.00 UHR

< LUSTIGER DIENSTAG

Der «Lustige Dienstag» möchte NewcomerInnen, Alte HäsInnen, DebutantInnen, Stars und Sternchen einladen, auffordern, ja geradezu ermutigen, sich an diesem Programm mit viel Falt zu beteiligen und sich um eine Carte Blanche à 10 Minuten zu bewerben. www.tojo.ch oder toeml@lorraine.ch

Gäste: DR JOOSCHT: ABER FRÜECHER NO (Roland Bitzi) – Ein urtümlicher Bauer irrt durch die Stadt und sucht nach Futura und dem Heimweg. Er könnte ein Lied davon singen, wie damals alles noch war. Vielleicht tut ers sogar… / SARBACH legendär sind seine liederlichen Lieder und noch legendärer seine 3-Gang-Velo-Tournées mit dem Schrank auf dem Rücken! – www.gottehildi.ch / ELVIS RELOADED – diesmal mit geflicktem Akkordeon! – (Gregor Schaller aka Tutti) und weitere Überraschungen, Publikumswettbewerb und ev. eine Videoeinspielung. Was bisher geschah: War im Oktober die Stimmung in der Crew noch sommerlich licht und warm, hat die NovemberDepression einige Abgründe offenbart: Zwar scheint Olga Oschimek immer noch verliebt zu sein und auch die Männer an ihrer Seite können sich ihrem Charme kaum entziehen. Trotzdem liegt Kummer in der Luft. Will Lee reagiert zunehmend eifersüchtig auf die Flirtereien Olgas mit dem Bühnentechniker Schnell, auch des letzteren Partner Hell kann mit den Alleingängen seines Kollegen wenig anfangen. Max Havelaar – zurück von der Bananenernte im heimischen Obstgarten – hat keine Zeit, er muss die Ernte kontrollieren, dabei wird er zudem wieder Opfer eines üblen Streichs. Wo zum Teufel bleibt eigentlich der CEO? Ist der immer noch am Wandern im Unterengadin? Was hat es mit diesem Bär auf sich, der beim lustigen Dienstag hineingeschneit ist? Woher kommt er? Wohin geht er? Was hat er vor? Kann er sich verständlich machen? Und wer ist er überhaupt? … Regie: Brigitte Frey. www.tojo.ch

PLATTFORM FÜR UMWERFENDE DARBIETUNGEN IMMER JEDEN LETZTEN DIENSTAG DES MONATS.

LUSTIGER DIENSTAG 17

DIENSTAG 27. DEZEMBER, 20.30 UHR


MITTWOCH, 28. DEZEMBER, 19.00 UHR

FAST FOOD HAUSGEMACHT

SPANIEN-SPEZIALITÄTEN

KOREA-SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 21. DEZEMBER, 19.00 UHR

Heute kannst du «All Night Long» abtanzen. Zum ersten Mal findet im Restaurant SousLePont ein Allnighter statt, eine Tanzveranstaltung die ihren Ursprung im England der frühen 1970er Jahre hat. Ska, Rocksteady und Northern Soul ist der Sound welcher damals an einem Allnighter zu hören war, dazu kam ein illustres Publikum, welches mit Vorliebe durchgestylt im Sonntagsanzug das ganze Wochenende durchtanzte. Im SousLePont werden euch neben den DJ’s 4 Finger & McMurphy die Bands Tin of Beats (Ska/Rocksteady) aus Bern und Bonie Moronie (Soul) aus Schaffhausen den passenden Sound für die Nacht liefern. Es ist Zeit, wieder mal die Hüften schwingen zu lassen!

SKA & SOUL ALLNIGHTER MIT TIN OF BEATS ( B E ) & BONIE MORONIE ( S H ) DJ»S 4 FINGER & MCMURPHY

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 22.00 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

MITTWOCH, 14. DEZEMBER, 19.00 UHR

THAILAND-SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 7. DEZEMBER, 19.00 UHR

FLOHMARKT & BRUNCH

SONNTAG, 4. DEZEMBER, 8-16.00 UHR

Brigada Flores Magon aus Paris kann nun schon auf eine über zehnjährige Bandgeschichte zurückschauen und hat mit ihrer neuen Platte «Rock or Die» einen weiteren Meilenstein für Anarcho-Oi gesetzt. Die Band ging aus Personen hervor, welche sich während der 1980er-Bewegung in Paris betätigt hatten. Sie selber würden sich als radikal antifaschistisch bezeichnen, was zweifelsohne auch in ihrer Musik rüber kommt. Schon in über 300 Konzerten hat die Band ihr Können weltweit zur Schau gestellt. Nun sind sie am 3. Dezember 2005 im SousLePont der Reitschule, bei einem Antirepression-Solidaritätskonzert für die Angeklagten der Proteste gegen den G8 im Juli 2005 in Schottland, live zu sehen.

BRIGADA FLORES MAGON UND DJ'S

G8- ANTIREP-SOLIKONZI:

( PA R I S )

SOUS LE PONT

SAMSTAG, 3. DEZEMBER, 22.00 UHR

megafon 05.04

PROGRAMM

Nach seinem fulminanten Start mit der ersten TrashRevue zum 1. August 2002 und drei wilden Nachspielen ist Kurtli inzwischen bekannt wie eine bunte Strickpuppe. Das finden wir schön und reichlich. Drum wird euch Kurtli zum Jahreswechsel nicht nur zum fünften, sondern diesmal auch zum letzten Mal beglücken. Kurtli (für die, dies trotz allem noch nicht wissen) sind zwei Handvoll Kulturschaffende aus der Gegend, die sich nun in bewährter Formation mit einem Best Of aus der Kurtli-Trashkiste und mit neuen Nummern von ihrem sturmerprobten Publikum ordentlich verabschieden. Das Ende feiern wir mit einer echten Gala: Das Dîner vor dem grossen Knall gibts für die Schnellsten, die sich ab dem 1. Dezember eine Karte besorgen.

KURTLI √ ALTES & NEUES ZUM LETZTEN √ TRASH-REVUE ANSCHLIESSEND DISCO

KEIN VORVERKAUF!

SONNTAG, 1. JANUAR TÜRE 19.00 UHR, REVUE 21.00 UHR, DISCO AB 24.00 UHR

KURTLI √ ALTES & NEUES ZUM LETZTEN √ GALA-DINNER √ TRASH-REVUE √ JAHRESWECHSEL √ DJ FRED PERRY

(TICKETS NUR IM VORVERKAUF!, SIEHE UNTEN

SAMSTAG, 31. DEZEMBER TÜRE 19.00 UHR, REVUE 22.00 UHR, DISCO AB 24.00 UHR

15 Minuten berühmt sein!

OFFENE BÜHNE #77

MITTWOCH, 28. DEZEMBER, 22.00 UHR

Kurtli sind: Gabriela Aebischer, Michael Epp, Sibylle Heiniger, Chris van Herwijnen, Walter Kohler, Jost Krauer, Ursula Rettinghaus, Caroline Schenk, Jean Pierre Spack, Gerhard Tschan, Dirk Vittinghoff, Matthias Zurbrügg.

Alle anderen müssen sich um die wenigen Plätze für den 1. Januar prügeln! > Tickets für die Gala am 31. Dezember nur im Vorverkauf ab 1. Dezember im SousLePont (slp@reitschule.ch) Gala und Essen und Disco: 55 Franken


MIXMAX

women only

Ursula Kupferschmid und Karin Lüthi entführen uns mit ihren Märchen in eine geheimnisvolle Welt. Musikalisch umrahmt werden die Erzählungen durch die Pianistin Pierrine Käsermann for women and men

∫SEELENBALSAM IN DER ADVENTSZEITª

MÄRCHEN FÜR ERWACHSENE (MIT SIMULTANÜBERSETZUNG FÜR GEHÖRLOSE)

women only

( F R A U E N TA U S C H E N K L E I D E R B Ö R S E )

SONNTAG, 11. DEZEMBER, 10.30 UHR

AMIE

SAMSTAG, 10. DEZEMBER, 14.00-16.00 UHR

for women and men

MILOU»S LOUNGE: SPECIAL MIT N8AKTIV UND ELFERICH

DONNERSTAG, 8. DEZEMBER, 20.00 UHR

FRAUENDISCO POPSHOP

FREITAG, 2. DEZEMBER, 22.00 UHR

Gitarre, Wein und Texte des Selbstmitleids mit Anton Meier, Musik von Pamela Mendes und ihrer Gitarre. for women and men

DA-LOUNGE-DA!

DONNERSTAG, 1. DEZEMBER, 20.00 UHR

FRAUENRAUM

megafon 05.04

PROGRAMM

ABKLANG#2005 AUF DAUERWELLE UND GIRL ( B E )

for women and men

(BE)

LESBIAN&GAY@IDA PRÄSENTIEREN:

SAMSTAG, 31. DEZEMBER, 23.00 UHR

for women and men

DRANGSAAL MIT LILI, TEKNEE UND MEDOOZA

LESBISCH-SCHWULES BERN PRÄSENTIERT:

SONNTAG, 25. DEZEMBER, 23.30 UHR

Tanzabend für gleichgeschlechtliche Paare für Standardund Lateinamerikanische Tänze / ab Mitternacht OldiesDisco for women and men

TANZ-BAR

FREITAG, 23. DEZEMBER, 21.00 UHR

for women and men

(LESBISCH-SCHWULES CHILLEN)

CRASH HELMET LOUNGE

DONNERSTAG, 22. DEZEMBER, 20.00 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Die antikapitalistische Aktionsgruppe kämpft gegen das momentan vorherrschende neoliberale Verständnis von Bildung und versteht sich als Teil der globalen Altermondialistischen Bewegung. Und die AuS braucht Geld…

SOLIBAR FÜR DIE ∫AKTION UNGEHORSAMER STUDIERENDERª (AuS)

MITTWOCH, 28. DEZEMBER, 20.00 UHR

SOLIBAR FÜR DEN INFOLADEN DER REITSCHULE

MITTWOCH, 21. DEZEMBER, 20.00 UHR

SOLIBAR FÜR ANTI-REP

MITTWOCH, 14. DEZEMBER, 20.00 UHR

Die autonome Bildungsplattform «denk:mal» existiert seit Anfang Oktober. Laut Stadt soll das Projekt Ende Dezember schon wieder die Toren schliessen. denk:mal will sich aber von der städtischen Verwertungspolitik nicht verdrängen lassen. Das Geld, das an der Solibar erwirtschaftet wird, kommt der «denk:mal bleibt» Kampagne zugute. Kommt und trinkt fürs denk:mal.

SOLIBAR FÜR DENK:MAL

MITTWOCH, 7. DEZEMBER, 20.00 UHR

I FLUSS

VISUALS BY LOS LOGOS √ BÜRO DESTRUCT

JEFF MILLS ( A X I S R E C O R D S / U S A ) CLAUDE YOUNG ( H A I T I G R O OV E / U K ) STYRO 2000 & DEE TREE-9

CAPITAL CLUB CULTURE:

SAMSTAG, 17. DEZEMBER, 22.00 UHR

DVD-Premiere ihres neuen Projektes. Mehr Infos unter www.isalonisti.ch.

I SALONISTI

FREITAG, 16. DEZEMBER, 20.30 UHR

Mehr Infos unter www.rigolo.ch/balance.htm.

BALANCE √ MAGIE DES GLEICHGEWICHTS RIGOLO TANZENDES THEATER

MITTWOCH, 7. DEZEMBER, 20.30 UHR FREITAG, 9. DEZEMBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 10. DEZEMBER, 20.30 UHR

FLOHMARKT

SONNTAG, 4. DEZEMBER, 8-16.00 UHR

GROSSE HALLE


STORY OF HELL – C.A. ERSTE FOLGE IN TECHNICOLOR (Diese Folge wird Ihnen Schwarz auf Weiss in Farbe präsentiert)

Mitten in der Nacht hat ein neuer Tag begonnen. Wie immer, wenn sie von der am blauen Himmel prangenden Sonne beschienen wird, erscheint die Welt in ihrer ganzen Farbenpracht, und mittendrin die Burg ebenso. Deren Gemäuer zieren viele farbige Spuren der Aktionsgemeinschaft für Kleinkunst im öffentlichen Raum, weshalb sie einen Dorn im Auge vieler Leute in der die Burg umgebenden Stadt darstellt. Solcherart auf einem Auge blind, suchen diese nach dem geeigneten Putzmittel, den Schandfleck zu entfernen. Bisher hat sich kein wirklich wirksames Mittel finden lassen, welches durch die Verbindung von Effizienz und Umweltverträglichkeit überzeugt hätte. Die Forschungsarbeiten laufen auf Hochtouren. Selbst in den Gemäuern der Burg vermuten einige ein geheimes Labor, in welchem mit entsprechenden Substanzen experimentiert werde. Kein solcher Verdacht konnte jedoch bisher bestätigt werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Aktivitäten nur unter der Hand geschehen können. Bleiben sie nicht geheim, wissen alle darüber Bescheid, wird im Handumdrehen unheimlich, was bisher heimlich geschah. An die grosse Glocke gehängt, können Kleinigkeiten das Bild, das sich die Öffentlichkeit macht, in den Grundfesten erschüttern, den ganzen Bildinhalt durcheinanderbringen, seine Symbolkraft zerstören. Was bleibt sind einige formlose Farbkleckse, eine abstrakte Malerei ohne Sinn und Zweck ausserhalb demjenigen einer Dekoration im grauen Alltag.

STORY OF HELL

42

megafon Nr. 290, Dezember 2005

Solches nicht geschehen zu lassen, der Burg ihren ganzen Symbolgehalt zu erhalten, hat die Belegschaft ein Modell ihrer Gebäulichkeiten geschaffen, welches sich alle zuhause selbst zusammenbasteln können. So kann der Geist der Burg, wie er im Burgregelwerk festgeschrieben steht, von Generation zu Generation weitergegeben werden. Jedes Kind kann sich die Geschichten, die in ihren Gemäuern stattfinden, selbst ausmalen, kann Vollversammlungen stattfinden, die Belegschaft den Angriffen der End-Ente trotzen lassen, Burfgfestspiele abhalten, ins Wesen der Buchhaltung einführen, ethische, moralische und politische Fragen diskutieren, ganz so, wie das auch in Wirklichkeit ist. Findige Köpfe haben inzwischen einen Satz kleiner Figuren dazugeliefert. Da gibt es ruppige Käuze mit bunten Hunden, Kindern und Kegeln, schwarze Blöcke, ein politisches Spektrum, ein Publikum, fremdartige Wesen von fernen Planeten, sogar Archivköpfchen und das ganze vernetzte Sensorsystem, ein aus einer durchsichtigen Knetmasse bestehendes Kommunikationsplasma gibt es nun zum Modell. Gemäss Fachkreisen kann der pädagogische Wert des Spielzeugs nicht hoch genug geschätzt werden, auf die Anregung der Phantasie, die Qualität des spielend Lernens, die Unterstützung des Heranreifens sozialer Kompetenz wird verwiesen. In der nächsten Folge: Wie die Zukunft vorzeitig eingetreten ist.


Die Antifa Bern präsentiert ihren neuen Taschenkalender mit spannenden Texten zu Aufständen aus verschiedenen Epochen und unterschiedlichsten Kontinenten. Ausserdem gibts einen praktischen Infoteil mit Adressverzeichnis, Mondkalender und vielem mehr. Eine spannende und nützliche Begleiterin durchs nächste Jahr.

KONTAKTE Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR

MEGAFON POSTFACH 7611 3001 BERN

Briefmarke

Herausgeberin: Antifa Bern, Druckerei Reitschule Bern Deutsch, 240 Seiten, gebunden, 4 verschiedene Umschläge 15 Fr. (zzgl. 2 Fr.Versandkosten) ab jetzt erhältlich bei: Antifa Bern Postfach 5053, 3001 Bern, oder www.antifa.ch

Postfach 5053 | 3001 Bern reitschule@reitschule.ch www.reitschule.ch T 031 306 69 69 baubuero@reitschule.ch T 031 306 69 57 dachstock@reitschule.ch T 031 306 69 61 X 031 301 69 61

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