megafon Nr. 433, Juli 2018

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Gaza von unten – Great Return March S.1 – 2 | Kein Mensch ist illegal – Demonstrationsskizzen S.2 | Mehr Planeten und

Wasserschlösser! – S.3 | Ausserholligen verändern – Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzungen S. 4| Nichts was

uns passier t – Rezension S.9 | Der alles verändernde Zahnarztbesuch – Buchtipp S.9 | Flashback – von LukiDeLaDrucki

S.9 | The Mighty Abini & Rea – Onomatopoesie S.10 | Le tipp de mois du CI R A – Rezension S.10 | Kreuzwor te, S.11 | Frische Feder S.12 | Ds barrikade.info-info, S.12

08.12.2015, vequinox: is.gd/09fZAi

«Überall in Gaza, wo israelische Soldaten während des Krieges ihre Zelte aufschlugen, hinterliessen sie eine Spur der Verwüstung.» Foto: israelische Panzer ‹kreuzten› einen Friedhof in Beit Lahiya, Gaza Strip

Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern

megafon | N° 433 | Juli 2018 | 6.–

Great Return March

GAZA VON UNTEN

Der aktuelle Aufstand der Zivilgesellschaft in Gaza richtet sich gegen das israelische Besatzungsregime und nährt sich an der Hoffnung auf ein Leben frei von allen Unterdrückungsformen.   Text: Bacaia 1 | Foto: zvg

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Was wäre, wenn sich 200 000 Palästinenser*innen ganz friedlich und ruhig in Richtung Grenze aufmachen würden, ein Banner tragend, auf dem steht, dass sie nur in ihr Land zurückkehren wollen? Was würde passieren?»

Vielleicht gab Ahmed Abu Artema mit diesem Facebook-Post vor sieben Jahren in der Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings den Anstoss zu der «palästinensischen Flüchtlingsrevolte», deren Zeug*innen wir in den letzten drei Monaten wurden. Zusammen mit Freund*innen hatte er eine Erklärung verfasst, die ausdrückte, was viele der zwei Millionen Palästinenser*innen im Gazastreifen empfanden: Das Verlangen nach Befreiung aus dem grössten Freiluftgefängnis der Welt, in dem die Lebensbedingungen je länger je mörderischer werden. Sie wollen ein Leben in Würde – und sie möchten in die Dörfer zurückkehren können, aus denen ihre Familien bei der Staatsgründung Israels einst flüchten mussten. Vor sieben Jahren war Artemas Vision ein Traum. Doch seit Ende März dieses Jahres versammeln sich am Trennzaun zu Israel Zehntausende zu Protesten, fordern ihre Rechte ein – und werden dabei von Tränengasdrohnen attackiert und von Scharfschützen gezielt beschossen. Unter den weit über hundert Getöteten waren Sanitäter*innen und Journalist*innen mit klar zu erkennenden Schutzwesten. Über zehntausend Demonstrant*innen wurden verletzt. Mehr als eine humanitäre Katastrophe Die Proteste finden in einem Kontext von jahrzehntelanger Unterdrückung statt. Seit über 50 Jahren besetzt und kontrolliert Israel den Gazastreifen. Seit der staatlichen Räumung der israelischen Siedlungen und der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2006 steht das Gebiet unter einer

völligen Blockade durch Israel und Ägypten. Die israelische Verwaltung bestimmt mit zynischen Kalorienberechnungen die Lebensmittelmenge, die eingeführt werden darf. Die Einfuhr von Zement und anderen Baustoffen ist strengstens reglementiert oder wird willkürlich ganz unterbunden. Und nebst regelmässigen kleineren Angriffen hat die israelische Armee in den letzten zehn Jahren drei brutale Angriffskriege gegen den Gazastreifen geführt.

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Die Verwüstung ist überall. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Gazaner*innen so sehr an diese Art von Zerstörung gewöhnt sind, dass ein weiterer Krieg keinen Unterschied mehr macht. Wir sind an Kriege gewöhnt und daran, alles zu verlieren.»

Atef Abu Saif – Autor von «Frühstück mit der Drohne» (Unionsverlag, 2015)

Die Situation im Gazastreifen als humanitäre Katastrophe zu bezeichnen, greift zu kurz und ignoriert die politische Dimension. Die unzähligen Hilfsorganisationen, die im abgeriegelten Gebiet tätig sind, tragen zwar zur unmittelbaren Linderung der Not bei. Verkehrt ist jedoch die Annahme, diese Probleme könnten durch internationale humanitäre Hilfe und NGOs gelöst werden statt auf politischem Weg.

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Europas Hilfe wird die Palästinenser*innen nicht von politischer Unterdrückung befreien. Wohltätigkeit hat noch nie geholfen, eine kolonisierte Bevölkerung zu befreien.»

Bevölkerung gegenüber einer palästinensischen Mehrheit sicher. Insbesondere im Gazastreifen zeigt sich der Erfolg dieser Spaltungspolitik. Die dortigen Bewohner*innen leben weitgehend isoliert – nicht nur physisch, sondern auch in den Köpfen. Von Palästinenser*innen in Israel oder dem Westjordanland ist oft zu hören, es bestehe keine Hoffnung für den Gazastreifen. Gemeinsame Widerstandsformen zu finden ist unter diesen Umständen schwierig. «Fuck Israel. Fuck Hamas. Fuck Fatah. Fuck UN. Fuck UNRWA. Fuck USA!»2 Nebst der israelischen Blockade des Gazastreifens spielt auch die palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Abbas eine Rolle bei der Isolierung. Ihren Machtkampf mit der Hamas trägt sie aus, indem sie Hilfeleistungen blockiert, Stromlieferungen einschränkt und die Löhne von Beamt*innen kürzt. Die Hamas wiederum kann sich unter diesen Umständen als Retterin und Widerstandsorganisation inszenieren und verdient nebenbei mit Schmuggel durch von ihr kontrollierte Tunnels viel Geld.

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Palestinian Students’ Campaign for the Academic Boycott of Israel

Seit seiner Gründung vor 70 Jahren verfolgt der israelische Staat eine Politik des Teilens und Herrschens. Mit Separation und Apartheid stellt Israel die Vorherrschaft siener

Wir, die Jugend in Gaza, haben die Nase voll von Israel, der Hamas, der Fatah, der Besetzung, den Menschenrechtsverletzungen und der Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft! Wir wollen schreien und diese Mauer des Schweigens, der Ungerechtigkeit und der Gleichgültigkeit durchbrechen, wie die israelischen F 16 die Schallmauer Gaza Youth Breaks Out durchbrechen.»

» Fortsetzung S.2

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Bacaia – Bern’s Anarchists and Communists against Israeli Apartheid

Titel des Manifests von Gaza Youth Breaks Out


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Die israelische Regierung bemüht sich offensiv, die aktuellen Proteste als von der Hamas orchestriert darzustellen. Verteidigungsminister Lieberman verkündete, es gebe «keine unschuldigen Menschen» im Gazastreifen. Faktisch hat sich die Hamas, wie alle anderen palästinensischen politischen Parteien, den Demonstrationen angeschlossen. Doch weder spielt sie eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung, noch bestimmt sie über die Inhalte und Forderungen der Demonstrationen.

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Wir, die Demonstrant*innen, gehören allen Bereichen der palästinensischen Zivilgesellschaft und dem ganzen Spektrum politischer Organisationen an. Und ungeachtet dessen, was die zionistische Hasbara (Propaganda) Sie glauben machen versucht, war es nicht die Hamas, die uns ‹zum Marsch brachte›.» Haidar Eid – Literaturprofessor an der Al-Aqsa-Universität in Gaza

Die Reduktion des Gazastreifens auf die Hamas bedient das orientalistische Bild von einer arabischen Bevölkerung, der jegliche Eigenständigkeit abgesprochen wird. Im Widerspruch dazu stehen regelmässige Proteste gegen die Autonomiebehörde und Hamas – von der westlichen Öffentlichkeit meist unbeachtet. Die palästinensische Bevölkerung weiss sich gegen die eigene unterdrückende Klasse sehr wohl zu wehren. Doch ein Ende der Blockade und die Wiederherstellung ihrer Grundrechte ist die Voraussetzung dafür, dass sie selbstbestimmt und auf Augenhöhe ihre politischen Kämpfe führen kann. Eine politische Lösung beinhaltet das Rückkehrrecht Auch die aktuelle Massenmobilisierung unter dem Namen «Grosser Marsch der Rückkehr» wird von Menschen aus der Zivilgesellschaft organisiert – darunter Artema und viele seiner Freund*innen.

Die Proteste nehmen bewusst den Kampf anderer palästinensischer Bevölkerungsgruppen auf und stellen das Rückkehrrecht als gemeinsame Forderung ins Zentrum. Vertreibungen sind eine kollektive Erfahrung für die palästinensische Bevölkerung in ganz Israel/Palästina, den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern und der Diaspora und bieten Anknüpfungspunkte für gemeinsame Kämpfe.

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Wir haben den 15. Mai als den Höhepunkt der Proteste gewählt, weil an diesem Tag die Palästinenser*innen der ‹Nakba› gedenken. Mit dem arabischen Wort für ‹Katastrophe› bezeichnen wir die Vertreibung aus unserem Zuhause vor 70 Jahren. Welche Lösung wir in der Zukunft auch immer aushandeln, die beiden unseren Völkern erlaubt, friedlich und als Gleiche zusammen zu leben – sie muss mit der Anerkennung dieses Unrechts beginnen.» Ahmed Abu Artema

Internationale Solidarität Für die radikale Linke ausserhalb von Israel/Palästina stellt sich die Frage, wer unsere Bündnispartner*innen auf palästinensischer Seite sein können. Wie und mit wem können wir praktische Solidarität zeigen? Der Grosse Marsch der Rückkehr ist eine Bewegung von unten, die grundsätzliche Rechte für alle fordert und die Vision einer Zukunft in Freiheit und mit gleichen Rechten für alle Berwohner*innen Israel/Palästinas hegt. Diese Bewegung muss vor nationalistischen Hetzer*innen auf der israelischen und palästinensischen Seite geschützt werden.

Mehr Informationen von unten findet ihr zum Beispiel auf wearenotnumbers.org

«Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall» wurde am Samstag den 16. Juni in Bern skandiert. Über zweitausend Menschen schlossen sich der Demonstration an, die von der Schützenmatte durch die Innenstadt bis auf den Bundesplatz führte. Die Demonstrant*innen, viele davon selbst mit Fluchterfahrung, forderten ihr Recht auf Sicherheit, Gleichheit und Bewegungsfreiheit ein. Text/Illus: DAF


Mehr Planeten und Wasserschlösser! Alte und neue Besetzungen in Burgdorf

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Es wird wieder besetzt in Burgdorf, ein Anlass um der Geschichte linker Strukturen und Bewegungen in der Kleinstadt nachzugehen.

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Text: XARG   |  Illu: IRINA

ir sitzen an einem Tisch auf dem Trottoir vor einem italienischen Restaurant in Burgdorf. Es ist der schwüle Abend nach einem warmen Tag, mensch trinkt Bier und geniesst die letzte Wärme. Die drei Aktivisten eher älteren Semesters, die mir gegenüber sitzen, haben eingewilligt, mit mir über ihre Erlebnisse im Burgdorf der letzten 30 Jahre zu sprechen. Im Verlauf des Abends erzählen sie von Besetzungen, Bewegungen und Gegenstrukturen. Ihre Erzählungen sind im Folgenden zusammengefasst. «Huere schön» sagt einer. «Huere schön, dass endlich wieder etwas geht». Die Rede ist vom «Wasserschloss», einem seit Januar belebten Haus in Burgdorf, das einer langen Besetzungs-Durststrecke ein Ende setzt. Irgendwie stehen die Zeichen auf Aufbruch, es passiert wieder etwas.

Dälli Die letzte grössere Besetzung, das war 1987. Das ehemalige Restaurant Dällenbach, kurz «Dälli», ein denkmalgeschütztes, mit Sandsteinelementen versehenes Haus in der Nähe des Bahnhofs stand seit zwei Jahren leer. Die National-Versicherung wollte als Eigentümerin seit einiger Zeit einen Umbau durchsetzen, der aber vom Verwaltungsgericht abgelehnt wurde. Junge Menschen aus Burgdorf und der Region entschlossen sich deshalb, das Gebäude für eine Party zu besetzen. Lange dauerte die Umnutzung nicht, kurz nach der Belebung wurde geräumt und die Aktivist*innen verliessen den Squat. Nach einer anderen Besetzung in der Kronenhalde, die mit einem unverschuldeten Brand und dem Abriss des Gebäudes endete, wurde das immer noch leer stehende «Dälli» von einem etwa 15-köpfigen Kollektiv wieder eingenommen. Mensch wollte damals Freiräume schaffen, Orte, die ohne Hierarchien funktionieren, an denen alternative Kultur gelebt werden kann und an denen sich bezahlbarer Platz zum Wohnen findet. Ohne Zwischennutzungsvertrag oder irgendwelche Abkommen mit der Stadt wurden im alten Restaurant Dällenbach in den darauf folgenden Jahren hunderte Konzerte durchgeführt, Feste, zu denen Menschen aus Luzern und Bern anreisten und die am Ende sogar im öffentlich-rechtlichen Radio DRS3 angekündet wurden. Wasser und Strom habe es im Gebäude zwar nicht gegeben. Ein alter Generator und der Brunnen vor dem Haus schafften Abhilfe. Die Einstellung der Stadt und der Anwohner*innen sei sehr negativ gewesen. Mit Bussandrohungen versuchte die Polizei junge Menschen vom Squat fernzuhalten – erfolglos. Später, im Jahr 1994, wurde der Umbau des Gebäudes beschlossen. Im Burgdorfer Jahrbuch wird der damalige Zustand des Hauses mit der amüsanten Wortschöpfung «zuschandekultiviert» beschrieben. Die Besetzer*innen verliessen das Gebäude friedlich. Nester bauen gegen Faschos In den Jahren darauf änderte sich die Organisation. Das «Planet Ex», Vereinslokal des autonomen Jugendvereins «More Planets» fungierte als Dreh- und Angelpunkt der Burgdorfer Linken. Zunehmend mussten sich die Burgdorfer*innen mit Faschos auseinandersetzen, die sich in der Kleinstadt am Tor des Emmentals formierten. Es gab erste Übergriffe und im Jahr 2000 eskalierte die Situation in einem üblen Angriff von Rechtsextremen auf eine Gruppe linker Menschen am Burgdorfer Stadtfest, der Solätte. Die Hilflosigkeit und Wut über diese Ereignisse mündete in offenen Sitzungen, an denen besprochen wurde, was den Nazi-Strukturen in Burgdorf entgegengesetzt werden kann. Aus diesen Sitzungen entstand, nebst anderen Gruppen, der Verein «Nestbau», ein Versuch der bedenklichen Entwicklung am rechten Rand mit antifaschistischen Gegenstrukturen zu begegnen. Ein weiteres Ziel des «Nestbau» war die Eröffnung eines alternativen Kulturzentrums in

Burgdorf. Nach ersten Anlässen des Vereins im ehemaligen Jugendraum an der Kornhausgasse, einigte mensch sich 2001 mit der Stadt über die Umnutzung des alten Gebäudes. Das «El Beledia», Vereinslokal des «Nestbau», organisiert bis heute Konzerte, kulturelle und politische Veranstaltungen. Damals sei etwas los gewesen, politisch. Im Jahr 2003 startete Bush Jr. seinen brutalen Krieg im Irak, ein Ereignis, das viele junge Menschen politisierte. Es war Power da und motivierte junge Menschen organisierten sich, auch in der Kleinstadt. Alternative WGs entstanden und vernetzten sich untereinander, das jährlich stattfindende linke Festival Pogoschütz auf der Burgdorfer Schützenmatte wurde ins Leben gerufen und grosse Demos gegen die Nazi-Szene, die auf dem Höhepunkt ihrer Aktivität stand, fanden statt. Durch die Faschos, die immer präsent waren, wurden die linken Bewegungen gezwungen, sich etwas geschlossener zu organisieren. Passieren konnte immer etwas, beispielsweise ein Überfall von zwanzig Glatzen auf das

Mensch wollte damals Freiräume schaffen, Orte, die ohne Hierarchien funktionieren, an denen alternative Kultur gelebt werden kann und an denen sich bezahlbarer Platz zum Wohnen findet. «Beledia». Auch am Bahnhof, dem Ort, wo diese Auswüchse von Aufmerksamkeitssperren im Geschichtsunterricht ihre Freizeit verbrachten, war Vorsicht geboten. SMS mit Positionsangaben der rechten Gruppen wurden herumgeschickt. Sie halfen dabei, den Bahnhof ungefährdet zu verlassen. Und dann ging plötzlich nicht mehr viel in Burgdorf. Mutmassen lässt sich, dass das auch mit Techno zusammenhing; Viele besuchten Partys und genossen das Leben, wenige setzten sich für Neues ein. Auch die Faschos verloren an Bedeutung. Allgemein habe man viel länger über die gesprochen, als sie wirklich relevant gewesen seien. Nach einem gut besuchten Abendumzug im Jahr 2009 forderten junge Burgdorfer*innen ein neues Kulturzentrum. Die Turnhalle Sägegasse, seit Jahren kaum genutzt, sollte dazu umfunktioniert werden. Heute, nach zehn Jahren Verhandlungen, Werbeaktionen, Hofieren vor Politiker*innen, Crowdfunding und Umbauarbeiten steht die Halle kurz vor der Eröffnung. In dem ganzen Prozess wurden viele Kompromisse mit der Gemeinde eingegangen. Überzeitbewilligungen ja, aber nicht immer. Politische Inhalte wohl eher selten. Da braucht es auch noch etwas anderes! Die neue Oase Und das Andere entstand letzten November. Zwei Häuser wurden besetzt und bald darauf friedlich wieder ge-

räumt. Zuerst besetzte ein Kollektiv das «Hotel O’Malley», welches nach aggressivem Gebaren der Eigentümerfirma und Räumungsandrohung der Polizei verlassen wurde. 13 Tage später versuchte sich das Kollektiv «Zundhöuzli» an der Hunyadigasse 13, wo trotz konstruktivem Kontakt zur Nachbarschaft kein Dialog mit dem Eigentümer-Unternehmen «Moser und Partner» entstehen konnte. Das Haus wurde nach dem Räumungsbefehl der Bullen friedlich verlassen. Ein drittes Gebäude, im Januar besetzt vom «Kollektiv Wasserschloss», hielt sich, «Huere schön!». In einem ansonsten eng bebauten Gebiet wirkt es wie eine Oase. Ein grüner Garten, direkt daneben ein Bach, ein schönes Haus mit Bar und Infoladen. Auch hier wird Bier getrunken, während mensch sich unterhält. Einige Kollektivmitglieder erzählen mir, wie und weshalb es zur Besetzung kam. Ein Grossteil der fünfzehn Aktivist*innen des Kollektivs seien in der Umgebung aufgewachsen und haben miterlebt, was für ein Mangel an politischen und kulturellen Angeboten in der Region besteht. Mit Konzerten, Workshops und Vorträgen versuchen die Besetzer*innen nun gegenzusteuern. Daneben wohnt ein Teil des Kollektivs im Haus, das zuvor circa zwei Jahre leer stand. Die Besetzung sei notwendig gewesen, um zu zeigen, dass sich auch in Kleinstädten wie Burgdorf etwas anreissen lässt, dass mensch auch abseits der grossen Zentren etwas bewegen kann. Das Ziel Anwohner*innen zu informieren und neue Sichtweisen aufzuzeigen, habe von Anfang an bestanden. Aus diesem Grund wurde ein Infoladen mit diversen Büchern und Broschüren eröffnet, wo mensch sich beispielsweise über die Situation in Rojava schlau machen kann. Faschistische Strukturen, wie es sie in Burgdorf glücklicherweise nur noch am Rande gibt, dürfen nicht toleriert werden. Die Besetzer*innen wollen mit ihrem Projekt auch antifaschistische Arbeit leisten und zeigen, dass Nazis in Burgdorf nichts verloren haben. Nach der – eher spontan geplanten, Übernahme des Hauses wurde eine Zwischennutzung vereinbart. Die Liegenschaft wurde mittlerweile verkauft und ab Mitte Juli beginnt ein teilweiser Umbau des Wasserschlosses. Lange können die Besetzer*innen also nicht mehr bleiben. Und trotzdem scheint ein neuer Wind zu wehen. Verschiedene Kollektive besetzen Häuser, Junge Menschen setzen Zeichen, dass auch in Kleinstädten wie Burgdorf keine Ruhe einkehren wird. Sucht doch auch in eurem Umfeld nach Orten, die mit neuen Ideen gefüllt werden können. Lasst euch von Repressionsandrohungen nicht allzu stark einschüchtern und beginnt damit auch abseits der grossen Zentren Freiräume zu schaffen, Strukturen zu errichten, Feste zu feiern und Unruhe zu stiften. Dem Faschismus und dem Leerstand kein ruhiges Hinterland!


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Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzung

Ausserholligen verändern Seit zwölf Jahren wurden die Räumlichkeiten an der Freiburgstrasse 131 mehrmals besetzt und der Eigentümerin Marti AG streitig gemacht. Ohne längerfristigen Erfolg. Geprägt von diesen Erfahrungen gingen wir von einem kurzen Aufenthalt aus, als wir im März 2016 das Haus besetzten. Doch es kam anders.

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In einer losen Serie berichten Hausbesetzer*innen über ihre Ideen, ihr

Selbstverständnis und ihren Alltag.

Text: Ein Beitrag von zwei Menschen aus dem Café Toujours Kollektiv | I llus: DAF

m Westen Berns, in Holligen, zwischen Stadtzentrum und Stadtrand gelegen, häufen sich die Anzeichen der Aufwertung. Die Häuserfassaden vom Kaufmännischen Verband bis hin zum Europaplatz, ehemaliges Ausserholligen, wurden weitgehend saniert. Diverse Neubauten sind in Planung, im Bau oder stehen bereits. Beim Loryplatz sind gelegentlich Foodtrucks zu sehen. Und mit dem Werkhof102 hat vor gut zwei Jahren eine Kaffeebar eröffnet, in der es wöchentlich Yoga-Kurse Namens «Dynamic Vinyasa Flow» gibt. In diesem Umbruch von Alt- zu Neubauten, von Leerstand zu Sanierung entsteht Raum für Wohn- und Kulturprojekte jeglicher Art. Mittendrin das Café Toujours. Durch eine glückliche Konstellation und viel Unterstützung aus der Nachbarschaft gelang es uns, nach unserer Besetzung eine Duldung zu erwirken. Es entstand ein Wohn- und Kulturraum, der sich nach wie vor zu definieren versucht. Im Café Toujours befindet sich nebst Wohnräumen ein Mehrzweckraum. Dieser steht als Veranstaltungsort auch Personen die nicht dem Wohnkollektiv angehören zur Verfügung. Wir haben in den zwei Jahren in Holligen versucht, durch Zugänglichkeit und niederschwellige Aktivitäten einen Austausch mit der Nachbarschaft anzuregen. Bisher mit ernüchternden Ergebnissen. Basierend auf unseren persönlichen Erfahrungen im Quartier möchten wir mit diesem Text – fragend – eine Diskussion anregen. Wie wird besetzter Raum verstanden und genutzt? Wir denken, dass es wichtig ist, sich zuerst im Kollektiv damit auseinanderzusetzen, wie man einen besetzten Raum auffasst. In erste Linie als Wohn- und Rückzugsort? Oder als Raum der politischen Agitation? Auch Kombinationen dieser Formen des Raumverständnisses sind denkbar. Diese weisen die Schwierigkeit auf, Privatsphäre sowie Offenheit zugleich zu gewährleisten. Wir halten beide Formen des Besetzens für wichtig. Schaffung, Erhaltung und Pflege autonomer, selbstorganisierter Räume stellen wichtige Schutz- und Rückzugsorte dar. Sie bieten Raum, um mit der eigenen Radikalität zu experimentieren und diese laufend zu überprüfen. Was alle angeeigneten Räume eint, ist die Infragestellung von Eigentum. Aufwertung dur Hausbesetzungen? Quartierentwicklungen sind vielschichtige, komplexe Prozesse. Gerade deswegen erscheint es uns wichtig, sie zu analysieren und uns mit unseren Rollen als Hausbesetzer*innen auseinanderzusetzen. In Gentrifizierungsprozessen nach typischem Muster sind es die Alternativen und KünstlerInnen, welche als Erste in Quartiere mit tiefen Mieten vorstossen. Durch ein Kulturverständnis, das sich von dem der angestammten Quartierbewohner*innen unterscheidet, verändern sie das Quartier. Ihre Präsenz wertet die Nachbarschaft auf. Nebst dem, dass kulturelle Aktivitäten wertvoll sind, machen sie ein Quartier aber auch attraktiv, hip und ebnen so den Weg für zu-

künftige Investitionen. Das kulturelle Programm, welches von Hausbesetzungen ausgeht, ist oft vielfältig, aber wie die trendige Bar von nebenan hat es den Makel, dass es oft nur vereinzelt Menschen aus dem Quartier mobilisiert. Über solche Parallelen gilt es nachzudenken. Warum werden kaum Menschen ausserhalb der linksautonomen Subkultur erreicht? Eine Vernetzung mit der Nachbarschaft wird durch unterschiedliche Lebensrealitäten mit unterschiedlichen Problemen erschwert. Die Bemühungen, Quartierbewohner*innen in subkulturelle, revolutionäre Kontexte einzubinden, führen meist nicht über Gelegenheitsbesuche hinaus. Das anfänglich geweckte Interesse flacht ziemlich schnell ab. Der Aufbau von möglichst autonomen, szenenübergreifenden Strukturen, bedingt den Versuch, die Distanz unserer Subkultur zu Menschen, die sich ausserhalb dieser bewegen, zu verringern. Dies wird oft mit niederschwelligen Veranstaltungen wie Konzerten, Essen gegen Kollekte, Bars und Kinderprogrammen versucht. Bei jungen Menschen greifen diese Ansätze offensichtlich besser, vielleicht weil sie noch häufiger zwischen Szenen wechseln und ein weniger gefestigtes Umfeld haben. Das Erreichen eines gewissen Alters und die Anwesenheit von Nachwuchs drängt Menschen mangels Alternativen in bereits vorgegebene Lebensmodelle. Wie etwa das der Kleinfamilie. Es scheint nicht mehr möglich, zu umständlich oder schlichtweg nicht attraktiv, sich mit einer grundlegend anderen Lebensform auseinanderzusetzen. Solange gesellschaftliche Probleme nur aus Sicht der eigenen subkulturellen Realitäten betrachtet werden, sind deren Lösungsansätze ausserhalb dieser Realität vielleicht nicht anwendbar. Inwiefern hängt dieser Umstand mit unserer Szenenästhetik zusammen? Aussenstehende fühlen sich unserer Subkultur nicht grundlos fremd. Wir denken, dass der gängigen linksautonomen Szenenästhetik eine grundlegende Ablehnung der Bürgerlichen Normgesellschaft innewohnt. Man möchte sich durch Kleidung, Auftreten und Sprache von «den Anderen» abgrenzen. Das Layout eines Flyers oder dessen Sprache, die Graffitis und die Parolen an

einer Hausfassade, machen bereits klar, an wen man sich richtet und an wen nicht. Ein mackriges, selbstbestätigendes Verhalten und repressionsbedingte oder unbegründete Verschlossenheit, bestärken die Spaltung von einer Gesellschaft, in der viel mehr emanzipative Kraft steckt, als vielleicht angenommen. Natürlich gibt es Projekte oder Aktionen für die eine Verschlossenheit notwendig ist. Doch wenn man den Anspruch hat «offen» oder «für alle» zu sein, halten wir ein Überdenken des eigenen Auftritts für sinnvoll. Mit dem Projekt Café Toujours stand uns bis anhin Raum zur Verfügung um mit Ideen der praktischen Umsetzung von selbstverwalteten Strukturen zu experimentieren. Entscheidender als unseren Einfluss auf das Quartier sehen wir die Erfahrungen, die wir innerhalb des Kollektivs gemacht haben. Wir denken, dass sich Quartierveränderungen nicht ohne eine längerfristige Perspektive angehen lassen. Inwiefern Besetzungen, Räume von ungewisser Dauer, dafür geeignet sind, gilt es zu hinterfragen. Falls man eine Veränderung eines Quartiers anstrebt, halten wir es für sinnvoll, sich selbstverständlicher fernab der bekannten Orte zu bewegen, die Diskussion zu suchen, die Menschen und ihre Realität anzuerkennen. Statt sie, die Menschen, lediglich als politische Subjekte einbinden zu wollen und sie dadurch zu instrumentalisieren. Für den Aufbau von selbstorganisierten Strukturen sehen wir dort Potential, wo sich unser aller Alltag vollzieht: Sei es in Form eines Gemüsekellers, der für alle im Quartier zugänglich ist oder einer solidarischen Kita und Spielgruppe um Eltern zu entlasten, wie auch sich bei Mieterhöhungen in der Nachbarschaft mit den Betroffenen zu solidarisieren. Niederschwellig, aber mit einer klaren Positionierung die Erfahrungen fördern, dass man sich gegen Fremdbestimmung organisieren kann. Sobald Alltagsprobleme in einem grösseren Kontext betrachtet werden, erscheinen kollektive Ansätze der Selbstorganisierung naheliegend. Eine Veränderung mit der, und nicht für die Nachbarschaft anzustreben, ist unserer Meinung nach Bedingung, nicht einem elitären und überheblichen Verhalten zu verfallen.


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SOMMERPAUSE JULI 2018

ILLUSTRATION: FUH.


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Action

Climate Games Basel 2018 Text: Die Autorin dieses Texts organisiert die Basler Climate Games mit | I llu: FUH

Wann hast du das letzte Mal ein Buch gelesen, einen Film oder ein Theater gesehen, wo eine positive Zukunft dargestellt wurde? Was kommt dir in den Sinn? Nichts? Mir auch nicht, stattdessen aber bekannte Sience Fiction-Romane, die von unterdrückten Gesellschaften erzählen. Ein berühmtes Beispiel dafür sind Susanne Collins «Tribute von Panem». Collins beschreibt einen diktatorischen Staat, in dem jährlich eine Art Survival-Camp veranstaltet wird, bei dem 22 Jugendliche bis auf den Tod gegeneinander kämpfen müssen. Mensch weiss nicht genau, wie es zu einer solchen Dystopie gekommen ist; die Erde wurde mehr oder minder zu Tode gewirtschaftet, immer häufigere Klimakatastrophen haben ihren Teil dazu beigetragen und zu immer prekäreren Lebensweisen geführt.

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och wieso fallen uns nur wenige bis keine Geschichten ein, die uns mit Hoffnung beflügeln, wenn wir in die Zukunft schauen? * Die Klimakrise ist schon jetzt Realität, sie führt in zahlreichen Regionen zu einbrechenden Ernteerträgen und Extremtemperaturen. Fossile Energien heizen den Klimawandel an und bringen Umweltverschmutzung mit sich, an deren Folgen laut Studien jährlich rund neun Millionen Menschen sterben. Es sind reiche Länder wie die Schweiz, mit ihrem enormen Verbrauch an Fossilenergie, ihren ausbeuterischen Grosskonzernen und dem mächtigen Finanzplatz, welche die aktuelle Klimakrise hauptsächlich zu verantworten haben. Die Treibhausgas-Emissionen, welche die Schweiz produziert, haben globale Folgen. Wenn es um die Klimaveränderung geht, tragen wir also nicht nur die Verantwortung für das Fleckchen Erde auf dem wir leben, sondern für den ganzen Planeten. Doch die grossen Verursacherländer wollen diese Verantwortung nicht anerkennen und haben bisher keine griffigen Massnahmen gegen den Klimawandel wahrgenommen. Stattdessen gaukelt mensch sich vor, dass unser Konsumverhalten und unsere Lebensweise völlig verhältnismässig sind und keine Konsequenz für das Ökosystem Erde hat. * Als Antwort auf diese Untätigkeit und Ignoranz finden nun zum zweiten Mal die Climate Games in Basel statt. Wir sind der Ansicht, dass wir uns nicht auf Regierungen und Konzerne verlassen können, wenn es darum geht, Klimawandel und Umweltzerstörung aufzuhalten. Es ist zentral, dass wir selber aktiv werden und eine breite Bewegung aufbauen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt. Nur wenn es uns gelingt, Druck aufzubauen und Bewusstsein zu schaffen, wird sich etwas ändern! Bei den Climate Games handelt es sich um dezentrale Massenaktionen. Dies bedeutet, dass zur selben Zeit in derselben Stadt an verschiedenen Stellen Aktionen durchgeführt werden. Zum ersten Mal fanden Aktionen unter diesem Namen 2015 in Paris während der COP21 statt. Seither wurden in ganz Europa verschiedene Climate Games durchgeführt. 2016 gab es sie beispielsweise in Amsterdam und vor einem Jahr zum ersten Mal in Basel. *

Vom 3. – 13. August findet das Klimacamp, am 10. und 11. August die Climate Games statt. Das Klimacamp bietet spannende Vorträge, Workshops, leckeres Essen, ein Kinderprogramm und viel Platz um Zelte aufzuschlagen und zu übernachten. Ausserdem ist es die ideale Gelegenheit sich auf die Aktionstage vorzubereiten. Wer Basel nicht kennt, kann die Stadt auszukundschaften, mit den Basler*innen quatschen und den perfekten Aktionsort ausmachen. Es werden auch Aktionstrainings veranstaltet, eine kleine Werkstatt ist vorhanden und ein Aktionssupport inklusive Antirep wird angeboten. Camp und Games sollen erfahrenen Aktivist*innen die Möglichkeit bieten, ihre Fähigkeiten und Wissen zu teilen und weiterzugeben. Für Vernetzung und Austausch gibt es dieses Jahr den Common Ground. Dies ist eine Vernetzungsplattform bei der sich in ganz verschiedenen Bereichen aktive Gruppen vorstellen können. * Jede Gruppe, die sich mit dem Aktionskonsens der Climate Games (auf unserer Homepage zu finden) identifizieren kann, ist völlig frei in ihrer Aktionsform. Ob mensch ein Lock-on machen oder die ganze Altstadt zustickern will – es ist eure Entscheidung. Dieses Jahr wird an den Aktionstagen zusätzlich zu den dezentralen Kleingruppenaktionen eine Grossaktion des zivilen Ungehorsams am Basler Ölhafen stattfinden. Mit dieser werden wir uns am Basler Ölhafen der Fossilindustrie in den Weg stellen und den Ölhafen lahmlegen. Wir wollen ein Signal an die Schweizer Regierung und Gesellschaft aussenden. Ein passives Verhalten gegenüber der Klimaveränderung ist keine Lösung. Keine Toleranz der Ignoranz! Fossile Energien sind eine der grössten Ursachen des Klimawandels, das ist nichts Neues. Trotzdem wird weiterhin Mineralöl importiert, verwendet und als alternativlos dargestellt obwohl dem gar nicht so ist. In Anbetracht zu einer Fossilindustrie, die seit Jahrzehnten aktiv und wohlwissend zur Beschleunigung des anthropogenen Klimawandels beiträgt und somit eine Vielzahl humanitärer Krisen mitproduziert, erachten wir zivilen Ungehorsam als ein durchaus legitimes Mittel, um auf diese riesige Ungerechtigkeit hinzuweisen. Ziviler Ungehorsam ist nicht nur legitim sondern notwendig um dauerhafte Veränderungen in unseren Gesellschaft zu bringen. * Wir wollen nicht in Susanne Collins düsterer Dystopie enden, sondern stehen ein für eine klimagerechte Zukunft, die ein gutes Leben für alle auf dem ganzen Planeten ermöglicht. System change not climate change!

FAQ Haben die Climate Games schon mal statt gefunden? Zum ersten Mal fanden Aktionen unter diesem Namen 2015 in Paris während der COP21 statt. Seither wurden in ganz Europa verschiedene Climate Games durchgeführt. 2016 gab es sie beispielsweise in Amsterdam und vor einem Jahr führten wir zum ersten Mal Basler Climate Games durch. Mittlerweile finden die Climate Games an verschiedenen Orten in ganz Europa statt. Wieso der Name Climate Games? Ja der Name klingt etwas verwirrend und lässt nicht sofort auf Aktionstage schliessen. Der Name kommt von den Aktionstagen in Paris und Amsterdam, wo die Aktionstage als Spiel ausgelegt wurden, bei dem jede Aktionsgruppe ein Team bildete. Dabei konnten die Teams Punkte sammeln für ihre Aktionen, zum Beispiel gab es Punkte für die Anzahl Retweets oder Likes. Das Team mit den meisten Punkten gewann. Für die Basler Climate Games wurde der Name übernommen, weil er bereits bekannt war, ohne allerdings das Punktespiel zu übernehmen. Wann finden die Climate Games Basel 2018 statt? Die Climate Games finden am 10. und 11. August 2018 in Basel statt. Das Camp ist vom 3. – 13. August, inklusive Auf- und Abbau. Wo ist das Camp? Psst, das ist noch ganz geheim! Sobald es aber feststeht wird es auf unserer Homepage (climategames.ch) und auf unseren Social Media Kanälen bekannt gegeben (Facebook, Twitter, Instagram). Was ist dieses Jahr geplant? Dieses Jahr ist zu den dezentralen Einzelaktionen eine Grossaktion im Basler Ölhafen geplant. Dabei soll der Ölhafen lahmgelegt werden. Wieso eine Aktion im Ölhafen? Der Basler Ölhafen spielt rund um die Nutzung fossiler Energien in der Schweiz eine zentrale Rolle. Über die «Ports of Switzerland» kommt mehr als ein Drittel unseres gesamten Bedarfs an Mineralöl in die ganze Schweiz. Das Öl, dessen Förderung und Transport von Umweltzerstörung und Ausbeutung begleitet ist, wird von den Basler Ölhäfen aus in die ganze Schweiz verteilt. Mehr Infos: www.climategames.ch


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23. – 28. Juli «No Borders No Nations» – Die Vortragsreihe zum Festival im Tojo Theater Auch dieses Jahr geht auf der Schützenmatte das grenzfreie Reitschul-Festival No Borders No Nations über die Freilicht-Bühne. Rund um dieses grenzenlose Fest finden ebenfalls wieder interessante Vorträge zu verschiedensten politischen Themen statt. Kurz nachdem die grösste nationen- und grenzenmanifestierende Veranstaltung des Planeten über zigmillionen public viewings konsumiert worden ist, werden in den bewusstseinsgrenzerweiternden Vorträgen und Diskussionen im weitesten Sinne Problemstellungen von Nationen und Grenzen verhandelt – äussere wie innere, systematische wie menschliche – und es werden Perspektiven eröffnet und Denkbarrieren gesprengt. Die Vorträge finden vom 23.– 28. Juli im Tojo Theater – dem verlängerten parakulturellen Arm der Reitschule – statt. Das genaue Programm ist bald über www.nbnn.ch zu erfahren.

Still Loving Krawalltouristen!

NoG20! – United We Stand! Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Welle der Repression nach dem G20-Gipfel in Hamburg. Mit zwei NoG20-Aktivistinnen von «United We Stand» aus Hamburg. Text: United We Stand

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as völlig benagelte Spektakel der Mächtigen, der G20-Gipfel in Hamburg, ist ja seit über einem Jahr vorbei – vorbei? Nicht wirklich und nicht für alle. Noch immer sitzen sechs der vormals über 50 Menschen in der Justizvollzugsanstalt Billwerder, am östlichen Rand Hamburgs ein. Noch immer stehen vier Leute bis voraussichtlich Ende Juli gefühlt fast täglich vor Gericht. Nahezu im Wochentakt werden neue G20-Verfahren eröffnet. Über 50 Angeklagte wurden bereits zu saftigen Haftstrafen, Bewährungsstrafen oder Geldstrafen verurteilt. Viele der Anfang Juli über 400 vorübergehend Festgenommenen und Eingeknasteten warten noch auf die Verfahren gegen sie. Wohnungen, Häuser, Bibliotheken und Projekte wurden und werden durchsucht, Fahndungsbilder zu hunderten veröffentlicht und eine regelrechte Menschenjagd durch Verfolgungsorgane und Presse veranstaltet. Seit April geschieht dies auch im so genannten Ausland. Nicht nur in der Schweiz, Dänemark, Griechenland, Spanien und Italien, sogar in Ländern wie Ungarn, Belgien und Österreich. Am 28.5.2018 wurden in Frankreich, Spanien, Italien und in Bremgarten AG Hausdurchsuchungen durchge-

führt – mit martialischem Aufgebot wie Spezialkräften, vermummten Beamt*innen, Hunden und was noch immer. Das KuZeB z.B. wurde gleich vor den Augen der Anwohner*innen gerazzt. Zwei G20-Gefangene wurden noch während den laufenden Strafprozessen aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und mit einer 5-jährigen Einreisesperre belegt. Dieser Eintrag in das SIS II Schengen-Sperrsystem führt dazu, dass die beiden Nicht-EU-Bürger in kein Land des Schengener-Abkommens mehr einreisen können – dies völlig unabhängig vom Ausgang der gerichtlichen Strafverfahren. Schon zum G20-Gipfel wurden Menschen an der Einreise gehindert und nur mit gerichtlichen Eilverfahren war es den meisten gelungen, ihr angeblich verbrieftes Recht auf freie Meinungsäusserung, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen. Ein Jahr nach dem «Gipfel der Hiebe», wollen wir euch einen Abend lang von den G20-Gefangenen, -Angeklagten & -Verurteilten berichten, die Solidaritätskampagne «United We Stand» vorstellen und besonders über den Kampf gegen Einreisesperren und Ausweisungsverfügungen erzählen, sowie was das in Zukunft für uns alle bedeuten könnte. Besonders folgenschwer trifft es Aktivist*innen aus Nicht-EU-Staaten und Ländern, die nicht im Schengener-Abkommen sind. Die NoG20-Aktivistin und Anwältin für Migrationsrecht, die seinerzeit die Einreisesperren bekämpft hat und sich nun für die grosse Schlacht vor den verschiedenen Verwaltungsgerichten gegen die Ausweisungsverfügungen der Hamburger Ausländerbehörde rüstet, wird da sein und

eine NoG20-Aktivistin, die sich von Anfang an in der Begleitung und dem Support der G20-Gefangenen, Ex-Gefangenen, Angeklagten, ihren Familien und Genoss*innen engagiert. Viele der eingeknasteten NoG20-Aktivist*innen hatten bis dato keinerlei Kontakte oder soziales Umfeld in Hamburg und mussten beziehungsweise müssen, bis zur Verurteilung in erster Instanz zum Teil monatelang in der Stadt bleiben oder zur Berufungsverhandlung wiederkommen. Deren Leute wollen sie natürlich im Knast besuchen, den Prozessen beiwohnen und sie auch in den Berufungsverhandlungen unterstützen. So sind bei all dem Horror der Repression auch wahnsinnig schöne, wertvolle, tolle, interessante, liebevolle und intensive Freundschaften entstanden von Hamburg über Amsterdam nach Warschau, von Feltre über Paris und Catania bis Moskau und andersherum und zurück und überhaupt. United We Stand!

Diskutiert mit uns:

4.7.18, 20 Uhr Rössli, Reitschule Bern

13.7.18, 20 Uhr Infoladen Kasama, Zürich

Nr. 433 | Juli 2018



Nr. 433 | Juli 2018

flashback #02 für Lilo Magento

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LILO MAGENTO findet polymorph perverse Sonntagnachmittagsgestaltung durchaus faszinierend.

nichts, was uns passiert Rezension

Triggerwarnung der Text behandelt sexualisierte Gewalt und enthält explizite Szenen

Anna wirft Jonas vor, sie vergewaltigt zu haben; Jonas spricht von einvernehmlichem Sex. Anna Wilperts vielschichtiger Debutroman veranschaulicht die Folgen sexualisierter Gewalt und ihr zu Grunde liegende soziale Strukturen.

E

s ist Sommer 2014; der Sommer, in dem Deutschland Fussballweltmeister wird. Anna und Jonas begegnen sich zum ersten Mal im Mai auf den Stufen der Universitätsbibliothek Leipzig, so erinnert sich Anna. Jonas hingegen berichtet, dass es im Juni war – in einer Kneipe. Jedenfalls laufen sich die beiden wenige Tage später erneut über den Weg. Sie ziehen zusammen um die Häuser, trinken Wodka, unterhalten sich über Literatur und über Annas Geburtsstadt Winnyzja in der Ukraine. Jonas, der einen längeren Auslandaufenthalt in Kiew verbrachte, kennt sie vage. Betrunken und hungrig landen die beiden schliesslich in der Wohngemeinschaft von Jonas und haben Sex. Um beiden ein peinliches Frühstück zu ersparen, verlässt Anna die Wohnung früh morgens.

Dann, der 4. Juli Anna fragt Jonas ein paar Tage später, ob er noch zu ihr kommen will. Er lehnt verlegen ab und verweist auf die gerade erst beendete Beziehung mit Lisa. Anna, die sich bloss unverbindlichen Sex wünscht, fühlt sich vor den Kopf gestossen und die beiden gehen sich aus dem Weg. Dann, am 4. Juli feiert Annas bester Freund Hannes in Jonas’ Garten seinen dreissigsten Geburtstag. An der Feier ignorieren sich Anna und Jonas zunächst, kommen dann aber doch ins Gespräch. Anna wird immer betrunkener bis sie schliesslich kaum mehr stehen kann. Hannes und Jonas bringen sie in Jonas’ Zimmer. «Anna sagte, sie hatte einen Filmriss,

aber keinen durchgehenden. […] Sie konnte lizei und erstattet Anzeige. Damit kommt sich erinnern: Dass sie auf Jonas’ Bett lag. «der Fall», wie Anna selbst ihn zuweilen Dass er ihre Hose auszog. Sie registrierte nennt, in gesellschaftlicher Hinsicht ins erst nicht was passierte. Als sie es merkte, Rollen. wehrte sie sich, aber er war stärker, drückAn Jonas’ Freund Hannes zeigt sich te sie an den Handgelenken in die Matraze. eindrücklich, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es naheliegender ist, zu glauEr drang in sie ein.» Jonas dagegen behauptet, dass es ein- ben, dass das Opfer lügt, als sich einzugevernehmlicher Sex war. Schliesslich hätte stehen, dass ein ‚normaler Mensch’ – gar er ein Kondom benutzt und sie hätte sich ein nahestehender – zum Vergewaltiger nicht gewehrt. Annas und Jonas’ Aussa- werden kann. Doch nicht nur im nahen gen stehen auf Umfeld öffnen sich Abgründe. Es gibt derselben Seite beinahe kein anderes Thema mehr «als Sie ziehen des Buches und den gewalttätigen Vergewaltiger und das bilden den draschutzlose Opfer. Die junge Frau, die bezusammaturgischen trunken mit einem Mann Sex gehabt und men um nicht aufgepasst hat.» Alle scheinen geKnotenpunkt die Häuser, zwungen Stellung zu beziehen und es kurdes Romans. Datrinken hinter steht die sieren die verschiedensten Anschuldigungen. Schliesslich werden Annas und Jonas’ geschickte Wahl Wodka, … Namen bekannt und Jonas wird von seinen der Erzählperspektive. Die ehemaligen Mitstreiter*innen der M16, einem linken KolErzählperson – von der man praktisch nichts erfährt – hat mit den Figuren des l e k t i v, a u s g e Doch nicht Romans Interviews geführt und gibt nun schlossen. Anna nur im das Ausgesagte wieder. Das für sexualisierwird von einer te Gewalt typische Fehlen von Zeugen wird Awareness-Grupnahen so direkt in der Erzählstruktur abgebildet. pe angeboten daUmfeld Zudem wird man als Leser*in implizit in für zu sorgen, dass öffnen sich die Beurteilung des Geschehens hineingeJonas an weiteren zogen, da man stets dazu gedrängt wird, in Orten Hausverbot Abgründe. der Sache Stellung zu beziehen. Gleichwohl erhält. Ob sie über scheint es Wilpert nicht darum zu gehen, ihr Erlebnis spredie Objektivität von Geschehenem oder chen möchte, so eine Frage. «Anna war deren Rekonstruktion zu unterlaufen; was sprachlos. Erlebnis? Erfahrung, das traf es hier geschildert wird, ist real und stets in vielleicht. Vergewaltigung war auf jeden beklemmender Weise präsent. Den Roman Fall der richtige Begriff, sexualisierte Gezeichnet zudem aus, dass er sich nicht walt – auch gut, aber Erlebnis?» ausschliesslich mit den unmittelbar Betroffenen befasst, sondern auch mit dem In ihrem Roman schildert Bettina Wilpert sozialen Umfeld. Er stellt die Frage, wie die gesellschaftlichen Auswirkungen, die unsere Gesellschaft mit sexualisierter Ge- sexualisierte Gewalt nach sich zieht. Sie walt umgeht. legt mögliche Affekte und Reaktionen der unmittelbar Betroffenen dar und macht Strukturen und Dynamiken erkennbar. Ausleuchten der Dynamik Sie beleuchtet zudem juristische Aspekte Anna zieht sich zurück, verlässt ihre und verweist nicht zuletzt auf die Tatsache, Wohnung über Wochen kaum noch. Erst dass es in den allermeisten Fällen sexueller nachdem sie an einer Familienfeier ei- Straftaten nicht zur Anklage kommt und nen Zusammenbruch hat, bricht sie das von diesen nur in den allerwenigsten zu Schweigen und spricht mit ihrer Schwes- einem Schuldspruch. Trotz des breit anter Daria. Diese rät ihr, Jonas anzuzeigen. gelegten Unterfangens gelingt es Wilpert Anna ist dagegen die Polizei einzuschalten, das Unmenschliche der Tat nicht zu versie will in erster Linie, dass Jonas einsieht wässern. was er getan hatte und sich entschuldigt. Nach einer zufälligen, für Anna verstörenBettina Wilpert; nichts, was uns passiert; Verbrecher Verlag 2018 den Begegnung fährt sie dennoch zur Po-

Buchtipp

Der alles verändernde Zahnarztbesuch

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Text: Anna Christen

ekka hasst Zahnarztbesuche. Als er sich vor lauter Schmerzen doch durchringt und sichtlich nervös auf dem Schragen liegt, erblickt er das Gesicht über ihm. Trotz montiertem Mundschutz erscheinen ihm die Gesichtszüge seltsam bekannt. Darauf angesprochen weicht der Zahnarzt allen Fragen seines Patienten aus, flüchtet sich in Ausreden und will über die ärztliche Behandlung hinaus nichts von ihm wissen. Doch Pekka gibt sich nicht so leicht geschlagen und geht der Sache nach. Es stellt sich heraus, dass der Zahnarzt tatsächlich sein Halbbruder ist. Der Vater der beiden hat die Familien jeweils früh verlassen und hat nichts mehr von sich hören lassen. Schnell finden die beiden charakteristische Parallelen und es kommen Fragen, nach dem Verbleib und dem Werdegang des Vaters auf. Je tiefer die beiden in der gemeinsamen Geschichte graben, desto mehr offene Fragen stehen im Raum. Und schnell wird klar, die beiden sind nicht die einzigen Kinder dieses Mannes. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach weiteren Halbgeschwistern und werden rund um den Globus fündig. Während sich Pekka aufgeregt aber auch gespannt dieser Herausforderung annimmt, hadert sein Halbbruder mit sich und seiner Geschichte. Ausserdem ist er Zahnarzt durch und durch und kann seine Zahnpflegetipps nur selten für sich behalten. Als die Geschwister schliesslich zu einer Reise nach Thailand aufbrechen, kann er sich nicht verklemmen, die Zahnpflegekarten einzupacken und bereits im Flugzeug alle zu belehren. Eine packende und amüsante Geschichte, ganz in finnisch-literarischer Tradition. Nousiainen, Miika: Die Wurzel alles

Guten, Nagel & Kimche, 9783312010387 Unsere Buchtipps stammen von Anna Christen vom Buchladen klamauk. Sie wechselt

sich monatlich ab mit Ruth Bäriswyl, die den

Chinderbuchladen in der unteren berner

Altstadt führt, eine Quergasse weiter. Sicher

freuen sich beide auch über euren Besuch …

und können dann noch viel mehr empfehlen.


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Onomatopoesie

The Mighty Abini & Rea

Kürzlich Ende Mai, wehte ein erfürchtiger Wind durchs Dachstock-Gebälk; Steve Albini war mit seiner Band Shellac zu Gast.

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Text: HvH | Illu: fuh

teve Albini, ist weniger als Musiker denn als Produzent zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gekommen, obwohl er sich selber nicht als Produzent versteht. Er sieht sich mehr in der Rolle des Aufnahmtechnikers, der auf Band prägt, was die MusikerInnnen zu ihm tragen, ohne dabei in den kreativen Prozess Einfluss zu nehmen. Der unverwechselbare Albini-Sound ist auf ganz grossen Meisterwerken vertreten, und trotz seiner Bescheidenheit ein wesentlicher Teil dieser Werke: Pixies, PJ Harvey, Nirvana, Neurosis aber auch etwa die Luzerner Tunica Dartos waren für Aufnahmen im Electrical Audio Studio in Chicago. Albini bietet jedem und jeder, die ihn Anruft seine Dienste an, ob das jetzt Kurt Cobain oder Roman Krasniqi ist. Nun hat selbiger Steve Albini zusammen mit Bob Weston und Todd Trainer selbst

eine Band namens Shellac. Auf Wunsch der Band war die Dachstock-Bühne spartanisch in weiss beleuchtet, und auch das Publikum war leicht erhellt. Obwohl er sicher alle Tricks beherscht für einen fetten Gitarrensound, war seine Gitarre alles andere, dermassen schrill und sägend, dass einem Angst und Bange um Ohren und das viele Holz im Stock wurde. Rechts auf der Bühne Bob Weston am Bass, wohliger Gegenpol zu Albinis Säge, grummelig groovende Basslines, dazwischen schön komplex am Schlagzeug Todd Trainer. Das ganze immer Anspruchsvoll, immer hart an der Grenze zum Lärm, aber nie ennet selbigem, immer findet sich wieder ein Groove, eine Linie, die sich im Unvertrauten vertraut anfühlt, zum Kopfnicken oder Fusswippen einlädt. Shellac scheint auch aktiv Frauenföderung zu betreiben, so besteht die Opener

Band Decibelles aus zwei Frauen und einem Mann, und am Mischpult steht ebenfalls eine Frau. Beides Felder mit leider verschwindend kleinem Frauenanteil. Decibelles begeisterten ganz unabhängig von ihrem Frausein mit ihrem energiegeladenem Punkrock. Obwohl die Bühne dazu etwas gross war – im engen Keller funktioniert Punkrock einfach besser – gefällt ihre Musik auch hier. Auch erfreulich hoch war der Frauenanteil am später stattfindenden Festival O’Bolles auf der anderen Seite der Strasse. Endlich konnte ich dort die in Biel wohnhafte Rea Dubach1 hören und mir bestätigen, dass ich meinen Musikradar korrekt justiert habe, denn darauf war sie schon länger erschienen. Rea beherscht das Spiel mit ihrer Stimme perfekt, die Geräte gerade so weit weg von

perfekt, dasss es spannend bleibt und etwas unvorhersehbar wirkt. Trotz samstäglichem Trubel vor den grossen Fenstern konnte Rea so eine persönliche und fast andächtige Athmosphäre schaffen. Damit hatte dann anschliessend die Bernerin Pamela Mendez ihre Liebe Mühe. Etwas verloren kämpfte sie mit ihren feinen Liedern um die Aufmerksamkeit des Publikums. Später füllten dann Dave Eleanor, verstärkt durch Mirko Schwab ( IMYAT 2 und KSB 3 ) und solide Bassboxen, mit souveränem Electro-Soul, oder Bass Pop wie sie es nennen, laut, eingängig und modern mondän, ohne Mühe den Raum.

1

https://readubach.com, 2 http://www.imadeyoua-

tape.be, 3 https://is.gd/Tz34E1

LE TIPP DU MOIS DE CIRA

Aude Vidal, Écologie :

Écologie, individualisme et course au bonheur de l’éditeur (*), l’auteure – dont on sent la pratique de diverses expériences « alternatives » (toujours entre guillemets dans son texte) et la profonde désillusion qui en découle –, répond assurément par l’affirmative. Tout en partageant avec ces courants une critique de la société de consommation, Aude Vidal mène une attaque en règle contre l’écologie sans conflits (celle des petits gestes, qui relèvent des injonctions individuelles plutôt que de l’action politique), et contre les diverses formes d’ « égologie », entendue comme « les intérêts très bien compris, ceux d’individus en quête d’accomplissement personnel ou d’une classe sociale souhaitant retirer le meilleur de sa position intermédiaire ». Elle Text: Roger Bidon vise en particulier les travers de « l’idéologie Face au désastre capitaliste, l’écologie se alter-écolo », éventail allant de la décroissanprésente comme une réponse globale et ce à la revendication d’un revenu garanti, en positive, un changement de rapport au passant par les « Colibris » ou le développemonde appuyé par des gestes au quotidien ment personnel et, peut-être moins immédi[…]. Mais en considérant la société comme atement intuitif pour des militant-e-s plus un agrégat d’individus, et le changement so- radicales, le do-it-yourself, les critical mass, cial comme une somme de gestes individuels, les habitats groupés ou les jardins collectifs. cette vision de l’écologie ne succombe-t-elle L’auteure a probablement tendance à amalpas à la logique libérale dominante, signant le gamer un peu sommairement ces pratiques triomphe de l’individualisme ? », questionne plurielles, qui ont trop souvent tendance à la quatrième de couverture. Dans ce petit opu- considérer les moyens comme une fin en soi, scule imprimé et réalisé par les propres soins se satisfaisant de ce fait d’un aménagement

«

du système capitaliste et patriarcal, plutôt de chercher à renverser celui-ci. Mais qui saurait blâmer cette provocation rhétorique, dans cette époque de récupération, de green et de pink washing exacerbés ? Elle-même finit d’ailleurs par nuancer son propos dans la conclusion, en citant comme pistes d’inspiration les pratiques de l’anarchisme « éducationniste-réalisateur », terme qu’elle reprend de la nomenclature que Gaetano Manfredonia fait des divers courants de l’anarchisme.

former, comble de la mauvaise foi, les arguments écologistes en armes dans la guerre contre les pauvres, elle a le mérite d’insister sur l’impérieuse nécessité de sortir la critique écologiste du citoyennisme et de l’inscrire dans une perspective fondamentalement anticapitaliste, qui ne fasse pas l’impasse sur les rapports de classes et de domination. Ou dit autrement, de rappeler que l’émancipation n’a pas de sens si elle n’est pas collective. (*) Le Monde à l’envers est une «association de

quelques complices qui s’improvisent éditeurs En parallèle, l’auteure se livre à une analyse pour diffuser des livres de critique sociale socio-psychologique de l’injonction libérale au-delà du cercle militant». Outre la publicaau bonheur et des avatars de la pensée potion de la revue «De tout bois» dans le cadre sitive, qui rendent l’individu-e abreuvé-e de de la lutte contre le Center Parcs de Roybon, fitness, wellness et autres cocooning à la fois leur catalogue s’est enrichi depuis 2010 d’une égoïste et responsable de son sort, plutôt que vingtaine d’ouvrages portant sur des thèmes de l’inciter à chercher les responsables de son comme la technologie, l’antimilitarisme ou l’anmalheur. Dans un monde où même militer est tifascisme, ainsi que d’une belle collection de supposé être désormais une activité joyeuse, romans graphiques. Plus d’infos et catalogue: épanouissante et bonne pour la conscience, www.lemondealenvers.lautre.net terreau fertile pour créer des imbéciles heureux (ou des dépressifs résignés?), elle rappelle qu’il faut accepter d’affronter la négativité Aude Vidal, Écologie : Écologie, individualisme et de monde et que la révolution n’est pas forcé- course au bonheur. Grenoble : Le Monde à l’envers, ment (que) une partie de plaisir. 2018, 119 p. (couverture sérigraphiée)

Même si Aude Vidal aurait pu développer davantage la tendance grandissante à trans-

CIRA ist das mit uns gut vernetzte Centre Internatio-

nal de Recherches sur l’Anarchisme


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Kreuzworte von Ursi

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WAAGRECHT:  4 So sind u.a. Uran, Holz und dieses achten 32 Man kann es mit Problemen, Meinungen 8 In der Landwirtschaft verbote- Knoten und diesem Rätsel tun 33 eine Zusamnes Insektizid 9 Solche Grenzen zu fordern, menfassung mehrerer Stellen, welche einer führt sie ad absurdum 11 Vogelart oder Pro- Instanz unterstellt sind mi 12 Wohnort des SVP-Hardliners Andreas Glarner (2. Wortteil) 13 Wenn man nicht 3 SENKRECHT:  1 Zauberhafter Nonsens: Absenkrecht ist, kann man sich damit doch ra......a.......bim 2 schweizerdt. koffeinhaltiges schuldig machen 15 angeblich politisch neu- Heissgetränk 3 Akteur, Urheber, Straffälliger trales Unternehmen profitiert von Flücht- 4 hohe Belastung oder Schweizer Popmusilingsunterbringung in der Schweiz und in ker 5 Gegen die Revision desjenigen soll das Österreich 16 japanische Videospiel-Serie 7 senkrecht ergriffen werden 6 Dieser Na19 der FDP-Politiker sorgte in der Stadt Bern tionalheld ist die Erfindung eines Literaten 10 Jahre lang als Sicherheitsdirektor für Angst 7 Ein Instrument der direkten Demokratie und Schrecken 22 An diesem Ort wurde die 10 in Verbindung mit «halten»: zum Verkauf jüngste Bürgermeisterin der Türkei gewählt anbieten 14 Zentralorgan für den Blutkreis23 Laut Megafon befindet sich diese Zeitung lauf, Symbol für die Liebe 17 Ihr 18 senkrecht auf dem Weg zum Boulevardblatt 24 Wäre heisst endangered philosophies 18 In ihm Magie eine Religion wäre dies ein Ungläu- werden Briefmarken, Fotos oder auch Musikbiger 25 dieses Wort verbindet Satzteile und stücke gesammelt 20 laut Erich Fried kann Sätze 26 ethymologisch wurde diese ehema- sie nicht herrschen 21 den Mond betreffend 22 lige Krankheit von Uterus abgeleitet und war engl. Titel eines Films von Fatih Akin der sich somit eher den Frauen vorbehalten 27 Dieses mit dem Völkermord an den Armenier*innen Tier ist auch ein Computereingabegerät oder befasst 29 .... Cop, die umgangssprachliche ugs. Bezeichnung für Geld, Babys, Mädchen Bezeichnung für gut gerüstete Polizeibeamte und Frauen 28 Ein zusätzlicher Buchstabe geht auf einen US-Science-Fiction-Film aus macht aus einem Hinterteil diesen Raubfisch den 80ern zurück 31 Kultur- und Politzent30 Wer an Wiedergeburt glaubt, sollte auf rum auf 560 m ü. M.

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MEGAFON NR. 432:

LÖSUNGEN UND ~SWORT AUS

Das Lösungswort schickt ihr am besten an megafon@reitschule.ch, oder via Postkarte an uns. (Adresse siehe Impressum) Einsendeschluss ist der 22.Juli 2018.  Zu gewinnen gibts den begehrten 30 Franken Büchergutschein.

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WAAGRECHT:  2 BLOCKCHAIN 10 BILDUNG 11 KLARA 12 RM 13 DLF 14 ANAGUA 15 FORD 16 NEMITZ 20 NRO 21 IWF 22 AFRIN 26 NINAHAGEN 27 MVP 28 DNA

SENKRECHT: 1 LANDFRIEDE 2 BAKUNIN 3 LILA 4 OBAN 5 CIRA 6 KLAGT 7 CD 8 HUMAN 9 IGLOO 12 RUZ 17 EWIG 18 MFN 19 IDAM 22 AHV 23 FA 24 RGB 25 NNN

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Leser*innenkommentar:   Impressum Redaktion AG megafon | Neubrückstrasse 8, Postfach, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 PostFinance PC 61 – 489034 – 1 | IBAN CH26 0900 0000 6148 9034 1 Layout megafon Druck Druckerei Reitschule | Weiterverarbeitung Druweva Redaktion Felix Graf (ffg), Basil Schöni (bass), Milena Gsteiger (mfg), Patrick Kuhn (pak), Tom Hänsel (#tt), Nicolas Fuhrimann (fuh), David Fürst (daf). Redaktionsschluss immer am 1. des Monats Erscheint monatlich, Auflage ca. 1 000 Ex.; Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die Lesenden dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Die Artikel dieser Zeitung unterstehen einer CreativeCommonsLizenz. Für nicht-kommerzielle Zwecke können sie mit Quellenan­gabe frei verwendet werden.

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Frische Feder

Klingeln bei Reuters T

Text: Laura Egger | Illu: DAF

inet hat aufgehört zu zeichnen. Ich gehe jetzt einkaufen, hat Mama gesagt. Jetzt stützt sie sich mit weissen Fingerknöcheln auf der Tischplatte ab. Tinet hat aufgehört zu zeichnen. Schau, Mama, sagt er, ich habe Bienen gezeichnet. Auf dem Papier viele braun-gelbe Punkte, oben rechts im Eck leuchtet eine gelbe Sonne mit Augen und einem Lachen, verschmitzt und schwarz. Tinet zeichnet am liebsten mit Filzstift. Schön, sagt Mama. Sie starrt. Schön. Bienen sind lieb, sagt Tinet. Nur Wespen sind es nicht. Wespen sterben auch nicht, wenn sie stechen, oder? Mama starrt auf die Fensterscheibe oder durch die Fensterscheibe hindurch. Ja. Tinet zeichnet Gras, mit grünem Filzstift am unteren Blattrand. Zickzackzickzack. Jetzt gehe ich einkaufen, sagt Mama und zuckt zusammen. Huch! Das Gras ist noch nicht fertig. Tinet starrt aufs Papier. Er hat aufgehört zu zeichnen. Mama schwitzt. Es glänzt auf ihrer Oberlippe. Tinet hat es gesehen in diesem kurzen Augenblick, in welchem er nicht aufs Papier gestarrt hat. Jetzt habe ich eine Hornisse gesehen, sagt Mama. Stille. Tinet weiss, was Hornissen sind. Übergrosse Wespen, mit scharfen Zähnen und viel Gift im Stachel. Wenn er nicht einschlafen kann, fürchtet er sich vor Hornissen, die in Ritzen lauern und stechen, wenn die Menschen schlafen. Wenn Mama schläft. Eine Hornisse? Draussen, es muss draussen gewesen sein, alle Fenster sind zu, oder nicht? Eine Hornisse. Mama schweigt. Sie starrt und schwitzt. Der Schweiss kommt aus den Haaren heraus und rinnt ihr wie Tränen über die Wangen. Mama merkt es nicht, denkt Tinet. Véronique würde es merken. Wo hast du eine Hornisse gesehen, fragt Tinet. Er sitzt steif. Mit dem Rücken die Stuhllehne ja nicht berühren. Für den Fall, dass Mama sich zu Boden fallen lässt.

Ha! Haha! Die Mama lacht. Laut und kurz, hoch und kratzig. Zum Glück haben wir keinen Besuch, denkt Tinet. Was hast du? Die Mama gluckst. Ach, nichts. Die Mama lacht wieder, leiser und länger. Kinder, die einen Streich planen lachen so, denkt Tinet. Er schaut zum Fenster. Eine Hornisse. Mama ist kein Kind, das einen Streich plant. Mama hat gesagt, Hornissen können im Dunkeln nicht fliegen und bei Tag nur, wenn es warm ist. Heute ist es mittelwarm. Sie lässt sich zu Boden fallen. Huch! Sie stöhnt und lacht. Ha! Ich erzähle nie jemandem, dass sie so lacht, denkt Tinet. Er hat einen roten Filzstift in die Hand genommen und viele Punkte damit gestempelt. Hornissenblut, denkt Tinet. Das ist das Hornissenblut. Mamas Gesicht fliesst. Sie lacht. Wie die Böse aus hundertundeins Dalmatiner, denkt Tinet, und wie ein Kind, das einen Streich plant. Sie lacht für sich, denkt Tinet, so als wäre ich gar nicht da. Der rote Filzstift ist stumpf geworden, Tinet hat den Filz des Filzstifts umgeknickt. Mama, sagt Tinet und hofft, Mama, ich habe wieder zu fest gedrückt. Die Mama lacht für sich. So als wäre Tinet nicht da. Sie hat sich auf den Rücken geworfen und streckt die Beine in die Luft, strampelt. Bald fliegt wieder ein Birkenstock durch die Luft, denkt Tinet. Hornissen! Die Mama lacht wie ein Kind, das einen Streich plant. Milch, Mehl und Hornissen, lacht die Mama, und Püree und lacht. Es fliegt ein Birkenstock durch die Luft. Tinet hat aufgehört zu zeichnen. Mit dem Rücken die Stuhllehne ja nicht berühren. Die Mama lacht wie ein Kind, das einen Streich plant. Sie setzt sich auf, blickt Tinet an und lacht. Hämmert mit flachen Händen auf den Parkettboden und sagt es: Das Wort mit Sch. Tinet senkt seinen Blick auf die Zeichnung. Rote Löcher im Papier, die Hand, die immer noch den roten, den stumpfen Stift hält, ist nass und kalt. Das Hornissenblut frisst sich durch das Papier, denkt Tinet. Durch die Zeichnungsunterlage (Darth Weider, Star

Wars), durch das Holz des Tisches, stellt er sich vor und drückt, drückt das Blut ganz fest in die Sonne. Scheisse, Scheisse, Scheisse, Scheisse, Scheisse, Scheisse, Scheisse. Die Mama singt und klopft mit flachen Händen auf den Boden, Bäche von Schweiss am Hals. Es sieht aus als käme sie aus der Dusche, denkt Tinet. Sie verstummt und starrt, starrt auf ihre Zehenspitzen und lacht, Hornissen, lacht sie, Milch und Püree und Severin holen um 18 Uhr, ha! Tinet untersucht das rote Loch in der Sonne. Das bisher grösste im Blatt. Tinet überlegt, ob er Papa anrufen soll. Mama hat wieder das Dings, Papa. Gib ihr was Süsses, irgendwas. Oder geh klingeln bei Reuters. Scheisse, Scheisse, Scheisse. Die Mama wälzt sich auf dem Rücken hin und her, sie sieht aus wie die Leute vom Heim, denkt das Kind. Papa hat bestimmt eine Sitzung. Er hat es streng im Moment. Er hat nicht einmal Zeit, sagt Mama, um die alten Glasflaschen wegzubringen. Und er kommt spät nach Hause, erst nach dem Abendessen. Die Mama wälzt sich und lacht. Sie war böse auf Papa wegen den Glasflaschen, einen Idioten, hat sie ihn genannt und einen Scheissgrind. Papa ist ein Scheissgrind, er kann nicht einmal Severin abholen, eigentlich nie, denn 18 Uhr ist ihm zu früh. Hornissenblut in der Sonne, denkt Tinet. Wenn der Regen rot ist, blutet die Sonne. Die Mama hat sich auf den Bauch gedreht und wiehert, Hornissen, Hornissen. Sie stützt das Kinn auf dem Boden auf und pustet. Sie pustet und lacht und pustet. Tinet nimmt den Rand seiner Zeichnung in die Finger, dort wo der Drittel des Sonnenkreises gemalt ist und reisst den Rand ein, bis er auf das Hornissenloch trifft. Ich habe Hornissenblut berührt, denkt Tinet, wie ekelhaft und der Boden, der Boden ist nass, dort wo die Mama gepustet hat ist er jetzt nass gespritzt. Tinet schaut auf die Uhr an der Wand. Zum Glück kann ich die Zeit lesen, denkt er, es ist erst Halbvier, Mama muss Severin noch nicht holen, Severin ist jetzt noch im Sandkasten. Eigentlich, denkt Tinet, ist Papa kein Scheissgrind, denn er kann ja nichts dafür, dass er es so streng hat. Mama hat gesagt, das mache man nicht absichtlich, man mache es

ds barrikade.info-Info:   MI, 4. Juli 2018, ab 20:00 Uhr

DO, 5. Juli 2018, ab 17:00 Uhr

SA, 19. Juli 2018, ab 20:00 Uhr

Still Loving Krawalltouristen! NoG20! United We Stand! Informations- und Diskussionsveranstaltungen zur Welle der Repression nach dem G20-Gipfel in Hamburg und zur Solidaritätskampagne. Mit NoG20-Aktivistinnen von «United We Stand» aus Hamburg.

«Ich bin auch ein Mensch»-Demo Demonstration für mehr Rechte für geflüchtete Menschen.

Claim the Waves! Vom 19. – 22. Juli finden die feministischen Radiotage in Zürich statt. 4 Tage lang diskutieren wir, lernen wir und entwickeln uns weiter, was es heisst, Radio als Instrument einer feministischen Bewegung zu brauchen.

Rössli Reitschule Bern

Mühlenplatz Luzern

FR, 6. & 13. Juli 2018, ab 14:00 Uhr Kochareal Zürich

Gefangenenschreiben MI, 13. Juli 2018, ab 20:00 Uhr Kasama Zürich

Still Loving Krawalltouristen! NoG20! United We Stand!

Radio Lora Zürich

sich in einem Büro nicht absichtlich streng. Ich könnte für Papa etwas zeichnen, denkt Tinet, aber Mama liegt am Boden und pustet den Boden nass. Wo hast du die Hornisse gesehen, Mama? Tinet macht einen zweiten Riss in die Sonne, diesmal berührt es das Hornissenloch nicht, aber die Finger, bemerkt er, sind jetzt gelb wie das farbfeuchte Papier. Ich muss später die Hände gut waschen, Mama sieht das doch nicht gern. Mama, wo hast du die Hornisse gesehen? Tinet hat sich auf den Boden gekniet und tippt der Mama auf den Hinterkopf. Mama? Mama! Mamas Haare sind warm und nass. Lass mich, kreischt die Mama und schlägt um sich. Sie lacht wie die Böse aus hundertundeins Dalmatiner und schlägt um sich. Sie kommt auf die Knie und fällt wieder auf den Bauch. Aua, schreit sie, aua und lacht wie ein Kind, das einen Streich plant. Gib ihr was Süsses, irgendwas. Vielleicht muss ich Papa anrufen, denkt Tinet. Oder geh klingeln bei Reuters. Es ist Mittwoch, denkt Tinet. Lass mich, kreischt die Mutter. Am Mittwoch sind Reuters im Judo. Severin, haha, Hornissen! Was Süsses, denkt Tinet, irgendwas. Hornissen, lass mich, Severin! Milch, Mehl! Zucker! Tinet denkt: Zucker! Also: Über die Mama drüberklettern. In die Küche rennen. Den Hocker unter den Schrank stellen. Auf den Hocker steigen. Den Schrank öffnen. Die Zuckerdose fassen. Den Deckel öffnen. Sonnengelbe Hände wühlen nach dem Löffel, Kristalle kleben in den Handlinien. Vom Hocker springen und zu Mamas Mund rennen, schnell und ruhig bleiben, hat Véronique Reuter gesagt. Hier hast du deinen Zucker, Mama, iss! Die Mama spuckt. Die Mama isst. Spuckt und isst, lass mich, sagt sie und isst. Zucker um die Lippen, im Schweiss aufgequollen. Zucker auf dem Parkett, in welchen die Mama ihre Haare drückt, als sie sich umdreht auf den Rücken. Sie lacht nicht mehr. Sie atmet flach und laut, schlägt die Augen nieder und tastet nach den Zuckerkristallen am Eingang ihrer Nasenlöcher. Dann, endlich, wischt sie sich ihre verklebten Finger an der Bluse ab. Zum Glück haben wir keinen Besuch, denkt Tinet. Zum Glück, zum Glück, zum Glück. Mach die Filzstifte zu, sagt Mama. Sie trocknen sich sonst aus.


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