Megafon Nr. 288

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m egafon Nr. 288

Zeitung aus der Reithalle Bern www.megafon.ch

Oktober 2005

Preis Sfr. 5.--

mit P R O g r a m m

unversch채mt


IM OKTOBER ENTREE

3 STORY OF HELL

3 MEHR SCHWER – UND WEG! Editorial 4 DAS INSTITUT Fünfter Teil – die MitarbeiterInnen

SCHWERPUNKT «UNVERSCHÄMT UNTERWEGS»

5 WAS GEHT MICH DEIN SCHWULSEIN AN? Einleitung 7 AUS DEM VERSTECK AN DIE ÖFFENTLICHKEIT Ausstellung «Unverschämt unterwegs in Bern»

9 WO PAARE GETRAUT WERDEN UND DER STADTPRÄSIDENT SEIN BÜRO HAT Urausstellung «Unverschämt» aus Zürich

12 BARFUSS TANZEN Gedanken zu Queer

14 ALLES GANZ NORMAL? o-Töne zur heutigen Lesben- und SchwulenBewegung 16 MIT EINEM AUGENZWINKERN ERZÄHLTE GESCHICHTE Gespräch mit Veronika Minder, Regisseurin

19 WANN IST EINE FRAU EIN MANN? Rollen vertauschen – oder wie subtil das Geschlecht konstruiert ist

21 STONEWALL – UND WARUM DIESER AUFSTAND HEUTE NOCH GEFEIERT WIRD Mehr Selbstbewusstsein nach dem Aufstand an der Christopher Street

INTERNATIONALISTISCHE

24 LULA – ANFANG ODER ENDE EINES HISTORISCHEN PROZESSES 26 «IL Y AURA DES CHANGEMENTS…» Fauenrechte in Marokko und Algerien INNENLAND

29 EIN ERLEBNISBERICHT DES FC ROTOR BETHLEHEM SquatterInnen-Fussball Turnier 2005 in Basel BLICK NACH RECHTS

30 NAZI-VERHERRLICHUNG STOPPEN Zu den Demos am 20. August in Wunsiedel AUS GUTEM HAUSE

32 MIT KOPF UND HERZ GANZ PFERD Podium der Jungfreisinnigen zur SVP-Anti-ReitschuleInitiative KULTUR ET ALL

33 ANTEIL HABEN AUS DER FERNE UND VERHARREN IM STARREN Das 58. Internationale Filmfestival in Locarno 34 SCHEIBEN VON MICH GERBER

35 FREUNDSCHAFT, DIE DIE ZEITEN ÜBERDAUERT Gorges Abolin, Oliver Pont: Jenseits der Zeit PROGRAMM

IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon Plakat zeitdruck Umschlag svk Bilder Livia Tresch Druck Druckerei Reitschule In dieser Nummer Ruth Ammann (tut), Tom Hänsel (#tt), Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Heiko Morf (hako), Lisa Strahm (las), Markus Züger (maz), Urslé von Mathilde (uvm). Redaktionsschluss 14. September 2005 näxter 12. Oktober 2005 | Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.

INHALT

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KINO DACHSTOCK SOUSLEPONT TOJO FRAUENRAUM ABSTIMMUNGSKAMPAGNE MEHR AUS GUTEM HAUSE

46 EINE NACHBEMERKUNG ZUM REPORTE-MEGAFON

DER MODETIPP DES MEGAFONS


C.A. SCHAMLOSESTE FOLGE

diese Folge wird ihnen präsentiert von den BewohnerInnen weisser Häuser

Jemand musste an den Zeigern der KultUhr herumgeschraubt haben, denn es war höchste Zeit. Eine Seilschaft spezialisierter Delegierter war unterwegs im Uhrwerk, an die Wurzeln des Problems zu gelangen, und sich daselbst in einem Denk-Tank zu verschanzen. Lange hat niemand mehr was von den Beteiligten gehört, bis sie sich in einem Papier geäussert haben, um sich alsdann in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen. Dafür beugen sich zahllose weitere Kreise nun über das Papier, und lassen vernehmen, was sie davon halten. Alle sollen schliesslich mitreden können. Das ist der springende Punkt, dass alle ihren Senf dazu geben müssen, und trotzdem wird das Ganze nie scharf. Im Gegenteil, ganz fad wird alles, verwässert, die Essenz

verschwindet wenn erst mal alle drüber sind und sich geäussert haben. Da springt nichts mehr, und Punkt. Die von der KultUhr angezeigte Zeit steht still, und nur draussen geht alles weiter. Wie frei rennende Fohlen sich austobend überstürzen sich die Ereignisse, Wassermassen gleich breiten sie sich in alle Bereiche des Lebens aus. Alles eine Frage von Ort und Zeit, und die hat ihren höchsten Stand erreicht. Da hat sich einiges angestaut. Ein Dammbruch ist nicht ausgeschlossen.

tagsgrüsse aufs Dach, denn das Private ist schliesslich politisch. Zertrümmern WCSchüsseln und schreiben ihren Namen an die Wand. Der Alltag hält Einzug. Es fährt ein Zug nach nirgendwo. Wenn du da hin willst, hier ist der Bahnhof. Der Fahrplan ist in der Druckerei und wird demnächst veröffentlicht. Er ist chaotisch und ohne Gewehr. Demnächst soll hier alles wieder mit geordneten Dingen zu und her gehen. in der nächsten Folge: Wir werden sehen

Derweil steht die Burg wie ein Fels in der Brandung, und lässt die Zeit da draussen über sich ergehen, und andere Idiotien. Wassermassen gleich breiten sie sich aus und dringen überall ein, und alle geben ihren Senf dazu und schreiben ihre Geburts-

EDITORIAL

MEHR SCHWER – UND WEG!

Übrigens: Das megafon lässt wieder mal vorlesen – wir freuen uns: Unsere feinen und flotten AutorInnen lesen am 6. Oktober um 20.00 Uhr im Ono, Kramgasse 6 in Bern für die Reitschule-Abstimmungskampagne und gegen die SVP-Initiative «Keine Sonderrechte für die Reitschule». Kommt zahlreich – siehe Programm auf Seite 45!

Jeder kennt sie, die kleinen Dinge, die das Leben unnötig erschweren. Ich könnte endlos solche Fehlkonstruktionen aufführen: In meiner Wohnung, einem Kaninchenbau à la Gemeinschaftswohnungsbau der 1960er Jahre gibts einen Dampfabzug, der, würde er funktionieren, automatisch zu unzeitgemässen Essenszubereitungszeiten mittags und abends ein- und wieder ausschaltet, eine Sonnenstore, die neben den Strahlen auch jede Sicht aussperrt, und an eine Verdunklungsmöglichkeit wurde gar nicht erst gedacht – als würden sich nur Normalos eine Einzimmerwohnung leisten. Verlasse ich die Wohnung, kommt das böse Erwachen aller VelofahrerInnen: Wer nicht zu den waghalsigen StrassenstrategInnen gehört, verbringt den Spurenwechsel mit Stossgebeten oder Gedanken an ÖV-Märtyrertum. Zurück zu meinem Quartier, I'm a Wankie, vom Wankdorf: Es hat sich gemausert, zuerst der neue Bahnhof mit untauglichen, weil zu hohen Dächern, die die Pendler nicht vor dem Regen schützen,

dann das neue Stadion, mit den peinlicherweise erst letztlich abmontierten Sitzen, die nur die Hälfte der Sicht gewährten, zu den Hools, Bullen und Notausgängern. Ich würd mich bestimmt prächtig mit den Omas verstehen, die sich in der Liftlobby meines Blockes über das ausschliessliche Unterirdischsein des Coop Cafés in der ersten Berner Shopping Mall beklagen. Es besteht noch Hoffnung, ich ziehe um! Zeit also für einen Wohnungswechsel und eine weitere Ebene: Es gibt bauliche Fehlleistungen und gravierendere, die im Denken. Wenn dieses Heft erscheint, werden wir die Personenfreizügigkeitsvorlage schon längst angenommen – positiv denken hilft, vielleicht – und somit eine Mauer weiter demontiert haben, und die Deutschen nicht die Kanzlerin – annehmen, nicht demontieren. Eine weitere Edi-Prophezeiung, die sich bewahrheitet? Und weils so sehr Spass macht gleich noch eine: In der städtischen Abstimmung Ende November werden die Fassaden selbstverliebter Quänglerei oder schierer Absurdität eingerissen, zu genüge zur Schau getragen von unseren liebsten Berner Politikern.

> LAS <

EDITORIAL megafon Nr. 288, Oktober 2005

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DAS INSTITUT : FÜNFTER TEIL – DIE MITARBEITERINNEN Der stete Zahn der Zeit nagt nicht nur an den Kapiteln der alten Bücher, nein, er nimmt sich auch den MitarbeiterInnen an. Da heisst es wachsam bleiben. Es gibt verschiedene Methoden und Moden, den Wattekokon, der alles schleichend einhüllt, bis die Gesichter nur noch grobkörnig wahrgenommen werden, zu durchdringen. Und wenn nicht zu durchdringen, dann doch auf eine persönliche Art zu färben. Mitarbeiter R ist immer bestrebt keinen Handgriff zu schnell zu erledigen, Sicherheitsvorkehrungen, wie zum Beispiel das Abgleichen, befolgt er genau. Bis zu dessen Selbstauflösung. Als Institutsfotograf vermag er auch den einen oder andern Nachmittag durch Überstunden sich freizuschaufeln. Wenn um zwölf Uhr sein Dienstschluss ist, geht er kurz Mittagessen mit anschliessender Siesta bzw. Kaffee und Zigaretten. Doch auf einmal, so gegen drei Uhr, lauert er uns anderen, versteckt zwischen den Bücherwänden, auf. Click, Click tönt es aus den Buchdeckeln. Ein Grinsen mit Kamera bannt die Zeit des permanenten Kontrollverlustes auf Zelluloid.. Perfekt inszeniert spülen ihm diese kleinen Ausflüge doch jedes Mal vier Arbeitsstunden auf sein Monatsbüchlein. Was wiederum Aufwand und Ertrag sehr lohnend erscheinen lässt. Eine andere Methode ist das zuvor Besprochene dann doch anders zu machen. Eine Spezialität von P. Diese Spezialität muss dann zwar oft am nächsten Tag wieder rückgängig gemacht oder zumindest ausgebügelt werden, doch wir ahnen es, erst nach einer weiteren Klärung, wie es denn nun weitergehen soll. Aber auch das Institut selbst hat seine Moden und kaum je eine seiner MitarbeiterInnen fallen lässt.

Der C nun seit 25 Jahren, richtig gelesen, seit fünfundzwanzig Jahren nun umherwandelnd und überall ein wenig von den alten Zeiten erzählend und überhaupt. Auf die Frage nach seiner Tätigkeit oder seiner Funktion innerhalb des Instituts wird nur leise mit den Achseln gezuckt, gegen oben schauend ein leises Kreisen der Augäpfel. Sagen wir: Er ist die Seele des Betriebs und das fürwahr eine noble Geste, die dem Institut und seinem Rang entspricht. Mitarbeiterin H, die dasselbe Problem plagte, eben kein weiteres Programm erlernen zu wollen, so kurz vor der Pensionierung, wurde nicht selig gesprochen. Ihr Büro zwar noch dort, doch die Pflanzen verdorrt und ihre Präsenz seit elf Monaten sich auf die Gehaltsliste beschränkend. Vielleicht liegt es auch am Büro. Bereits ihre Vorgängerin hatte keine Pflanzen mehr, was auch ok war, verbrachte sie doch die letzten zweieinhalb Jahre im Partnerinstitut (die Burg siehe Teil 1). Vielleicht ist auch H im Partnerinstitut untergekommen. Ich wünsche es ihr.

Diesen Schritt ins Partnerinstitut hat Mitarbeiterin M noch vor sich. Sie bewohnt ein Büro mit drei Arbeitsplätzen inkl. Computer, Drucker usw., doch niemand, der oder die bereit wäre im selben Zimmer zu arbeiten. Die Arbeit von Frau M selbst, ist allen anderen MitarbeiterInnen diffus unklar, klar ist, dass ihre Genesung trotz Liegestuhl und weiteren Kommoditäten nicht vorankommt. Arbeitskollegin T befindet sich momentan auf einer Gratwanderung. So tauchte sie letzte Woche benommen darnieder, ihre Hirnzellen sortierten wieder neue Planzahlen anstatt sich der elektronischen Transportbahn zu erinnern, die sich genau über ihr befand. Doch So weigerte sich C kurz vor seiner Pensionie- bleiben wir noch eine Weile bei und mit Mitrung noch ein Computerprogramm, zur Erfas- arbeiterin T. Sie hatte durch einen Stellwerkfehler der SBB am nächsten Morgen gar keisung bestehender Bestände, zu erlernen.

ENTREE

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ne Möglichkeit in der Frühe zu verunfallen, doch das stimmt so auch wieder nicht. Auf dem Bahnhof angekommen und vom Stellwerkfehler in Kenntnis gesetzt, sie sofort umgedreht, nein nicht Kaffee und Gipfeli, nein, nach Hause gleich. Per Mail die Mitteilung über ihr späteres Erscheinen dem Institut mitgeteilt und gleich wieder zurück auf den Bahnhof. Effizienz wie sie geliebt und anscheinend auch gelebt wird. Vom Stellwerk zu den Stillwagen der Schweizerischen Bundesbahnen. Von denen gibt es doch einige, nicht das Stillen, sondern Stille ist ihr Gebot. Und dann dort zwei junge Frauen, die mitnichten am Stillen und auch sonst nicht still. Der Hilferuf von T ertönte vergebens, wir vergeben den jungen Frauen, sie ja schliesslich nicht ahnen konnten, dass die Zurechtweisung ein Hilferuf war. Die T also fix und fertig. Bereits leicht hysterisch zitternd betrat sie das Institut. Die D schaute mich an, ich schaute betreten zu Boden. Wir wussten: heute wird es schwierig. Und es ward so. Kurz nach der Morgenpause eine falsch eingereihte Archivschachtel das ganze Schachterlhaus der T erzittern liess. Aufgeregt über den falschen Standort vergass T den Betonträger, der dort oben auf der Galerie auch wirklich tief. Wir hörten nur noch den Aufprall. Glück im Unglück, denn es war in der Galerie und dort wir, die D und ich, die T gleich auf das Bett der M und ab für eine Kühlbandage. Manchmal frag ich mich, ob ich zu sensibel, denn gerne würd ich der T eine andere Tätigkeit anpreisen, doch wenn ich dann so denke, so über einen ungefährlicheren Arbeitsort als das Institut denke, will mir auch nichts einfallen. Schade. Quasi Totalschaden. Quasi Ende.

> HAKO <


Die Bilder im megafon-Schwerpunkt wurden uns von Liva Tresch zur Verfügung gestellt. Liva bewegte sich viele Jahre in der Familie der Barfüsser-Bar. Sie war über Jahrzehnte hinweg dort auch «Hoffotografin», die Fotos waren, wenn überhaupt, nur privat an der Bar auf speziellen Wunsch zu erhalten. Ein herzliches Dankeschön dir, Liva, für die tollen Bilder! — &einps: das Cover-Bild stammt von der vorletzten ‹Drag-Night› des IDA-Frauenraumes.

UNVERSCHÄMTE EINLEITUNG

WAS GEHT MICH DEIN SCHWULSEIN AN? DAS MEGAFON HAT SICH GERNE ANIMIEREN LASSEN, SEINEN OKTOBER-SCHWERPUNKT AUF DIE

AUSSTELLUNG «UNVERSCHÄMT UNTERWEGS IN BERN.

LESBEN UND SCHWULE, GESTERN UND HEUTE» AUS- reichen Kunst, Religion, Medizin und ZURICHTEN UND SCHWULESBISCHE INHALTE AUFZU- Strafrecht stattfindet. Jetzt rücken die Geschichte und die unterschiedlichen GREIFEN. IST DAS MEGAFON TOLERANT? Kämpfe homosexueller Menschen ins Blickfeld. Eine Bewegung, die, wie wenige andere, in den letzten Jahrzehnten «unverschämt unterwegs»: Ausstel- tatsächlich etwas erreicht hat. Sogar lung und Rahmenprogramm zeigen etwas erreicht hat, obwohl Homosexudas (versteckte) Leben der Schwulen alität offiziell erst seit den frühen und Lesben in Bern nicht von nur heu- 1990er Jahren nicht mehr als psychite, sondern der letzten 30-40 Jahre. sche Störung beziehungsweise GeiDer erfolgreiche Schweizer Film «Kat- steskrankheit gilt! zenball» spricht mit Lesben aus vier Generationen – und zeichnet ein ausMANNMÄNNLICHE LIEBE serordentlich lebendiges Portrait einer In der zweiten Hälfte des 19. Jahrunterdrückten Szene (siehe Artikel Seite 7, 16 und 22). Queersein spricht neue hunderts ist Homosexualität zu einer Lebensweisekonzepte an. Langsam öffentlichen Angelegenheit geworden, nähere ich mich dem Thema an. Wa- als erste sozialwissenschaftliche Publirum soll sich eine Hetera für das kationen zur «mannmännlichen Liebe» erschienen sind. «Diese Veröffentlischwulesbische Leben interessieren? Als Linke bin ich aufgeschlossen, chungen reflektieren den Prozess der anderen Lebensformen gegenüber: Ob europäischen Aufklärung: Wo der du mit Frauen oder Männern schläfst – Mensch Mündigkeit erlangte, erlangte mir solls egal sein. Was interessiert es er auch Verantwortung für sein Verhalmich überhaupt, wer mit wem schläft? ten, die Individuen rückten ins BlickUnd doch kann ich eine solche Haltung feld. Männer, die in ihrer Identität straf«natürlich» nur aus einer Position der rechtlich verfolgt wurden, und Männer, so genannten «Normalen» vertreten. die mit ihrer Identität zur Befreiung ihIch bin normal und tolerant – sehr nett! rer gleichgeschlechtlichen liebenden Interessant wird das Thema dann, Genossen beitrugen.»1 wenn Gesellschaft und Machtverhältnisse in Frage gestellt werden, und eine Auseinandersetzung nicht bloss – wie jahrzehntelang geschehen – in den Be-

Der emanzipatorische Charakter dieser «neuen» Identitätskonstruktionen wurde unter anderem dadurch eingeschränkt, dass die Theorien zur Homosexualität auf den seit dem 18./19. Jahrhundert neu konstruierten Geschlechtsrollenmustern beruhten. Männlichen Homosexuellen wurden weibliche respektive weibische Attribute zugeschrieben – sie galten also, genau so wie Frauen, als minderwertig. Und das hat sich – in gewissen Kreisen und Milieus – bis heute gehalten. Erst nach den Stonewall-Krawallen2, als sich Schwule und Lesben erstmals gegen die Repression zur Wehr setzten, ist es zu einer sozialen, kulturellen und politischen Öffnung und Emanzipation gekommen – ermöglicht auch durch das politische und soziale Klima der 1968er Bewegung. Mitte der 1980er Jahre, mit dem Auftreten der Krankheit Aids, hat sich der Blickwinkel wieder eingeengt: auf das Sexualverhalten der Homosexuellen. Wenn dieser Fokus in den letzten Jahren auch nicht aufgegeben wurde, so hat sich doch gesellschaftlich vieles verändert – in welche Richtung? >

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Quellen: Heinz-Jürgen Voss; Queer zwischen kritischer Theorie und Praxisrelevanz. In: Geschlechter Verhältnisse; Hella Hertzfeldt, Katrin Schäfgen, Silke Veth (Hrsg.), Berlin 2004.

1 Zitat aus: Ulrich Biechele; Identitätsentwicklung schwuler Jugendlicher, Dissertation, Ludwigshafen, 2004. 2 Am 27.6.1969 führte die Newyorker Polizei eine ihrer damals üblichen Razzien gegen Homosexuellen-Treffpunkte durch. Die BesucherInnen der Stonewall Inn Bar an der Christopher Street duldeten diesmal die Schikanen nicht und schlugen zurück – es folgten zwei Tage Krawalle. Am «Christopher Street Day» wird bis heute weltweit dieser Aufstand gefeiert. 3 Alle Zitate in diesem Absatz aus: Ulrich Biechele; Identitätsentwicklung schwuler Jugendlicher, Dissertation, Ludwigshafen, 2004. 4 Quelle: Heinz-Jürgen Voss; Queer zwischen kritischer Theorie und Praxisrelevanz. In: Geschlechter Verhältnisse; Hella Hertzfeldt, Katrin Schäfgen, Silke Veth (Hrsg.), Berlin 2004.

HEIRATEN UND NORMALSEIN Erst letzten Juni haben wir in der Schweiz über ein Partnerschaftsgesetz abgestimmt, das Schwulen und Lesben die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft, und ihnen im Bereich Versicherung, Erbrecht, gegenseitiger Betreuung, etc., ähnliche Rechte wie verheirateten Paaren gibt. Nachdem die eingetragene Partnerschaft in einzelnen Kantonen bereits möglich war, folgte ein Gesetz auf Bundesebene. Ist das der Höhepunkt der Toleranz und Akzeptanz der schwulesbischen Menschen durch die Heteros? Ist dieser Schritt Richtung Ehe und damit in die «Normaliät» das, was wir Linke uns als alternative Lebenskonzepte oder Angriff auf die Machtverhältnisse vorstellen? Hätten wir nicht besser zusammen mit den Homosexuellen für die Aufhebung des Instituts der Ehe gekämpft? «Auch die Heterosexuellen wissen, dass Ehe und Kernfamilie keine ewigen und unumgänglichen Institutionen sind. Auch sie erfahren Promiskuität und serielle Monogamie, etablieren Netzwerke von Freunden statt von Verwandten».3 Daraus folgern verschiedene Soziologen, dass keines der Merkmale aus der homosexuellen Existenzweise (oder Identität) mehr spezifisch für schwule Männer sei. In den letzten dreissig Jahren sind traditionelle Gesellschaftsmodelle noch und noch aufgebrochen worden – Entsprechend ist wohl auch Schwulesbischsein alleine kein Programm (mehr)... «Auch ökonomisch verfügen die Schwulen über eine Verwertungsqualität. Sie verkörpern die Merkmale des neuen Sozialcharakters eindrücklich: Flexibilität, Mobilität, relative Bindungslosigkeit und Anpassungsbereitschaft. [...] Der mit der ‹sexuellen Libe-

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ralisierung› entstandene und mit dem Etikett der Befreiung versehene homosexuelle Lebensstil verkörpert paradigmatisch eine dem rationalen Kalkül unterworfene, fortpflanzungsentkoppelte und individualisierte Form der Sexualität. In dem Masse, wie sich diese Lebensform, hier genommen als hochbedeutsames gesellschaftliches Segment, sukzessive verallgemeinert, wird diese Gesellschaft strukturell, was nicht meint latent oder manifest, homosexuell. Wenn die ganze Gesellschaft schwule Lebensformen annehme, werde das genuin Schwule überflüssig und verflüchtige sich.» Oder anders rum gesagt: «Es» fällt gar nicht mehr so auf. Empirisch konnte dies aber nicht belegt werden: Die Identifikation mit einer schwulen Identität habe in den 1990er Jahren eher zugenommen – wobei gleichzeitig die Gay Communities vermehrt Teil des weissen Mainstreams geworden sind. Alles normal oder was? Bei dieser Ausgangslage erstaunt es denn auch nicht, dass das Partnerschaftsgesetz bis weit in liberale Flügel der CVP Zustimmung fand. Und doch: «vor lauter Wunschdenken nach sozialer Befriedung [gilt es], den Machtaspekt nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Identitätspolitik stigmatisierter Minderheiten wird in einen Topf geworfen mit der postmodernen Identitätssucht der Heterosexuellen (vgl. etwa die Hochkonjunktur von Sekten, Psychobewegung, fundamentalistischen Tendenzen usw. in der allgemeinen Mehrheitskultur), ohne zu beachten, dass letztere mehr oder weniger frei eine bestimmte Identität wählen, während erstere das Stigma, mit dem sie konfrontiert sind, zu ihren Gunsten zu beeinflussen versuchen.»

QUEER – KEIN GESCHLECHT ODER VIELE Nicht nur als Gegenbewegung zu den – provokativ ausgedrückt – Bemü-

hungen, als schwulesbischer Mensch (vorwiegend männlich, weiss, städtisch, gebildet, begütert) akzeptiert und ein möglichst normales Leben zu führen, sind in den letzten Jahren die Queer-Bewegung respektive die Queer-Konzepte entstanden. Die queere Kritik richtet sich explizit auch an die schwulesbische Community und den weissen Mainstream und Aktionen machen auf die Situation von aus der Gesellschaft Ausgegrenzten aufmerksam. Lesben und Schwule nicht-weisser Ethnien, Tunten, Transen, SMlerinnen, Prostituierte, Menschen der Unterschicht rücken ihre Situation in den Blickpunkt der (schwulesbischen) Öffentlichkeit. Patriarchat, Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit werden in Tradition zu radikaler feministischer Theorie als Unterdrückungsverhältnisse ausgemacht und hinterfragt.4 Queer ist also viel mehr als ein neuer Begriff für homosexuell oder schwul – und schon gar kein Partykonzept oder Rechtschreibefehler... (siehe ab Seite 12).

AUFBRUCH Die Geschichte der schwulesbischen und der Queer-Bewegung ist eine Geschichte des Aufbruchs, der Solidarität, des Widerstands gegen festgefahrene Muster, Normen und Doppelmoral. Neue Netzwerke jenseits der traditionellen Familienmuster sind entstanden. Die Bewegungen stehen heute an einem anderen – meist weit besseren – Punkt als noch vor zehnzwanzig Jahren, was vielen anderen Bewegungen nicht gelungen ist. Ich dagegen bin wieder am Anfang: Es geht um mehr als Toleranz, es geht um Aufbruch und Widerstand: Viel Spass mit unserem Oktober-Schwerpunkt! > ANS <


AUSSTELLUNG «UNVERSCHÄMT UNTERWEGS IN BERN»

AUS DEM VERSTECK AN DIE ÖFFENTLICHKEIT WAS IM LETZTEN FRÜHJAHR ALS IDEE SEINEN ANFANG NAHM, STEHT AM 30. SEPTEMBER ALS AUSSTELLUNG IM BERNER KORNHAUSFORUM.

«UNVERSCHÄMT UNTERWEGS IN BERN» BEFASST

SICH MIT GESCHICHTE UND GESCHICHTEN. WIE HAT SICH DAS SCHWUL-LESBISCHE LEBEN IN

DEN LETZTEN 50 JAHREN VERÄNDERT? VOM UNTERGRUND ZU EINER EIGENLICHEN KULTUR. SO GESEHEN IST DIE AUSSTELLUNG EIN KULTURELLES PROJEKT UND EINE POLITISCHE AUSSAGE ZUGLEICH: WIR SIND WER.

Unitobler im Frühjahr 2004, rund fünfzehn Personen sitzen im Raum, einige wissen um was es geht, anderen wird es erst sehr viel später klar. «Wir holen diese Ausstellung nach Bern», sagt Claudine Hunkeler. Sie hatte die Idee und sie hat die erste Sitzung einberufen. Etliche haben diese Ausstellung in Zürich oder in Basel besichtigt, andere nicht. Keine der Personen im Raum weiss zu diesem Zeitpunkt, was da auf sie zukommen wird. Arbeit, manchmal ein heilloses Durcheinander, Unsicherheit und danach wieder Arbeit. Und jetzt, ein paar Tage vor der Eröffnung der Ausstellung «Unverschämt unterwegs in Bern», verzieht sich der Nebel. Heute wissen wir, unsere Ausstellung wird stattfinden und sie wird gut werden. «Unverschämt – Lesben und Schwule gestern und heute» hat sie geheissen, als sie von Oktober 2002 bis Mitte Januar 2003 im Zürcher Stadthaus zu sehen war. Man kann sich vorstellen, dass die Zürcher AusstellungsmacherInnen es noch viel schwerer hatten. Denn es ist nicht einfach, die Spuren von Lesben und Schwulen in der Vergangenheit zu finden. Oft spielte sich deren Leben im Verborgenen ab. Und das, was sie aus ihrem Leben zu berichten hätten, ging verloren, weil niemand diese Geschichten dokumentierte. Und genau das holte die Ausstellung in Zürich nach. Sie berichtete von Menschen, welche früher kaum Gehör fanden, zeigte Dokumente, Bilder und Texte aus den ersten Clubs und aus der lesbisch-schwulen Subkultur. Endlich

erfuhren alle, die es wissen wollten, wie Schwule und Lesben früher gelebt haben. Dass sie im Zweiten Weltkrieg verfolgt wurden und später mit richtigen Kampagnen diffamiert und schikaniert wurden. «Unverschämt unterwegs» hiess die gleiche Ausstellung, die 2004 im Unternehmen Mitte in Basel ergänzt mit eigenen Themen, gezeigt wurde. Und jetzt, gut zwei Jahre später, ist «Unverschämt unterwegs» in Bern angekommen. Im Kornhausforum, mitten in der Stadt. Teile der Originalausstellung sind mit Berner Inhalten angereichert worden. Wir wollen aber nicht einfach in der Vergangenheit bleiben. Das heutige schwul-lesbische Leben in Bern und Umgebung ist genauso Thema, wie das vergangene. Und in Bern spielt der Bundesplatz eine grosse Rolle. Dort demonstrierten Lesben und Schwule für ihre Rechte. Das wollen unsere AusstellungsmacherInnen zeigen. Ist nun «Unverschämt unterwegs in Bern» Kultur, Politik oder einfach Unterhaltung? Die Ausstellung und das Rahmenprogramm ist wohl von allem etwas. Vielleicht sind wir darum bei der Kulturförderung der Stadt zuerst einmal abgeblitzt: Kein Geld, weil zu wenig Kulturelles hiess es dort. Die Ausstelltung erfülle die Kriterien für eine Mitfinanzierung durch die Stadt nicht, wurde uns beschieden. Trotz einiger Sponsoren und Spendern von grösseren und kleineren Beiträgen war darum die Finanzierung der Ausstellung lange Zeit nicht gesichert. Ja, das Organisations-

komitee musste das Budget der AusstellungsmacheInnen sehr stark kürzen. Was das heisst, wissen alle, die schon einmal in einem kreativen Team Ideen entwickelt haben. «Jetzt wollten wir doch dieses und jenes», bekamen die bösen «KürzerInnen» zu hören. Sehr gute und interessante Ideen scheiterten am mangelnden Geld. Eine andere, weniger aufwändige Gestaltung musste reifen. Die Enttäuschung im Moment der Hiobsbotschaft war gross, und etliche haben wohl in diesem Momenten ans Aufhören gedacht. Denn auch die redimensionierte Ausstellung war ja ganz lange nicht gesichert. Gebessert hat sich die Lage erst, als die Abteilung für Kulturelles der Stadt ein Neues Gesuch positiv beantwortete. Eine kleine Summe nur, doch damit liess sich auch der Kanton erweichen. Darum können wir heute sagen, die Finanzierung der verkleinerten Ausstellung ist gesichert. Ein nicht unwichtiger Punkt dabei war, dass in der Ausstellung neue Bilder der Fotografin Judith Schönenberger zu sehen sind – bildende Kunst, die irgendwie in keine Schublade passt. Wer die Ausstellung im Kornhausforum >

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besucht, tut dies gratis. Unverschämt froh wäre aber das Organisationskomitee, wenn Besucher und Besucherinnen sich entschliessen könnten, einen Beitrag an die Kollekte zu hinterlassen. Heute können sich junge Lesben und Schwule kaum mehr vorstellen, wegen ihrer Liebe zum gleichen Geschlecht im Versteckten zu leben, verfolgt oder angegriffen zu werden. Wir Die Ausstellung «Unsind heute wer. Das zu zeigen ist der verschämt unterwegs politische Teil der Ausstellung. Sie finin Bern» findet vom det in einem öffentlichen Gebäude 30. September bis 29. Oktober im Kornhausfo- statt, und wird, wenn auch mit geringen Mitteln, subventioniert. In den letzrum statt. ten Jahren ist eine schwul-lesbische Die Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch und Kultur entstanden: Clubs, Bars, DiFreitag von 10-19 Uhr. scos, Restaurants. Und jetzt vermischt Am Donnerstag bis sich das Ganze wieder. Wo Schwule 20 Uhr und am Samstag und Lesben sich gerne treffen, gerne von 10-16 Uhr. essen oder tanzen, gefällt es halt Im Internet unter unvielen. Eine Tendenz, die gut ist für beiverschaemt-bern.ch de Seiten und Schranken abbaut. Auch sind die aktuellen Infordas ist ein Ziel der Ausstellung. Es wämationen zur Ausstelre gut, nützlich und schön, wenn viele lung und zum Rahmenheterosexuelle Menschen sie besuprogramm abrufbar chen. Darum arbeiten wir mit dem (siehe auch Seiten 2223). ABQ-Schul-Projekt zusammen, und

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haben Schulklassen eingeladen, die Ausstellung zu besuchen. Danach bieten wir den Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit, über das Gesehene zu reden. Monatelange Gratisarbeit, warum macht Frau und Mann so etwas. Im Fall Bern sind es in der Mehrheit Frauen, die mitarbeiten. Tut frau es, weil sie sich in eine Idee «verbissen» hat, und allen zeigen will, dass sie es schafft? Oder ist die Ehre nach dem Aufgeben einer Idee so angekratzt, dass es einfach weitergehen muss? Ferienwochen wurden in die Arbeit für die Ausstellung investiert. Stundenlange Sitzungen am Abend und Samstage in kreativem Durcheinander wurden erlebt und erlitten. Krisen ausgestanden, gestritten und sich wieder versöhnt. Und schöne Momente haben wir erlebt. Dann, wenn etwas gelungen ist, für das wir uns eingesetzt haben. Das alles war in den letzen Monaten für die Teammitglieder Programm. Wahrscheinlich wissen wir erst, warum das alles sein musste, wenn die Ausstellung eröffnet ist, und ein Erfolg wird. Wie die Ausstellungen in Zürich und Basel wird auch «Unverschämt unterwegs in Bern» von einem reichhaltigen Rahmenprogramm begleitet. Was in den ersten Monaten der Arbeit nicht so recht vom Fleck kam, hat plötzlich

Dynamik entwickelt. Veranstalter haben plötzlich mit uns Kontakt aufgenommen und nicht mehr umgekehrt. Im Oktober werden so viele Events unter der unverschämten Partnerschaft stattfinden, dass der Monat zu wenig Tage hat. Kulturelle Veranstaltungen, wie die schwul-lesbischen Kurzfilme, welche Queersicht organisiert. Oder das Cabaret «Menschlicher Zirkus» im ONO. Aber auch sportliche Frauen und Männer werden auf ihre Rechnung kommen. Vom Wandern über Biken bis Schwimmen können viele Sportarten ausprobiert werden, Gay-Sport Bern sorgt für Schnuppertrainings. Auf Führungen durch die Ausstellung vernimmt man mehr. Röbi Rapp und Ernst Ostertag erzählen dabei ihre Geschichten von früher, die Zürcher Ausstellungsmacherin Regula Schnurrenberger weiss viel über den Inhalt der Original-Teile von Unverschämt. Beim Jäggi im Loeb lesen die SchriftstellerInnen Nicole Müller, Daniela Schenk, Philipp Tingler und Alain Claude Sulzer. Und, und, und…, wer es einfach gemütlich mag, geht «unverschämt» gut essen. Die Party darf natürlich nicht fehlen: Sie steigt am 21. Oktober im Frauenraum der Reitschule. > CHRISTINE NYDEGGER <


URAUSSTELLUNG «UNVERSCHÄMT» AUS ZÜRICH

WO PAARE GETRAUT WERDEN UND DER STADTPRÄSIDENT SEIN BÜRO HAT «UNVERSCHÄMT – LESBEN UND SCHWULE GESTERN UND HEUTE» STAMMT AUS ZÜRICH, GING ÜBER

BASEL UND KOMMT NUN NACH BERN. EIN GESPRÄCH

MIT MADELEINE MARTI, EINER DER BEGRÜNDERINNEN VON «UNVERSCHÄMT», ÜBER DIE ANFÄNGE

EINER WANDERUNG UND DAS SCHREIBEN VON LESBENGESCHICHTE.

megafon: Madeleine Marti, du hast zusammen mit anderen die Urausstellung von «unverschämt – Lesben und Schwule, gestern und heute» in Zürich 2002 auf die Beine gestellt. Wie kam es dazu?

Madeleine Marti: Regula Schnurrenberger, Irene Reichmuth und ich wurden angefragt mitzuarbeiten, als die Männer (Ernst Ostertag, Röbi Rapp und Christian Fuster) bereits die Zusage fürs Stadthaus, ein inhaltliches und ein grafisches Konzept hatten. Das war Ende Dezember 2001. Wir Frauen wollten uns die Chance nicht entgehen lassen, unsere Sichtweise auf die Geschichte und Gegenwart von Lesben im Stadthaus Zürich zu präsentieren. Da wir wussten, dass am 8. Oktober 2002 die Eröffnung der Ausstellung im Stadthaus sein würde, haben wir schnell reagiert und alle Kräfte gebündelt. Regula und ich haben gleichzeitig ein inhaltliches Konzept zur Lesbengeschichte entwickelt und gezielt und öffentlich nach kompetenten Lesben gesucht, welche Inhalte erarbeiten und darstellen konnten. So haben wir schliesslich zu zehnt in kürzester Zeit die Ausstellung erarbeitet. Auch das ursprüngliche Konzept der Männer wurde auf unseren sanften Druck hin angepasst. Zudem haben wir zwei wichtige Personen gefunden: Die Ausstellungsmacherin Sabine Brönimann, welche die Ausstellung zusammen mit dem Grafiker Fredel Reichen umsetzte, und die Historikerin Claudia Schoppmann aus Berlin, welche den historischen roten Faden durch die Einleitung legte.

Die Ausstellung war ein Erfolg: Sie wurde von über 10 000 Menschen besucht und Ihr habt 60 Führungen und 40 Rahmenveranstaltungen durchgeführt. Die Geschichte von Lesben und Schwulen wurde in der Öffentlichkeit erstmals gewürdigt. Was bedeutet Dir diese Öffentlichkeitsarbeit?

Wichtig war für mich vom Symbolischen her besonders der Ort, an dem die Ausstellung gezeigt wurde: Das Stadthaus Zürich, wo der Stadtpräsident sein Büro hat, wo sich die NeuzuzügerInnen anmelden, wo die Paare getraut oder verpartnert werden. Das Stadthaus hat einen Innenhof, um den herum auf drei Stockwerken Galerien angeordnet sind, von denen aus die Mitarbeitenden ihre Büros betreten. Die Ausstellung «Unverschämt – Lesben und Schwule gestern und heute» war also zum einen mitten in der Verwaltung platziert, zum andern waren diese Räume von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich, ohne Eingangskontrolle und gratis. In der Stadt Zürich wurde auch auf Plakaten für die Ausstellung geworben: Damit signalisierte die Stadt, dass die Thematik an einem politisch zentralen Ort Platz hat. Bei der inhaltlichen Gestaltung der Ausstellung waren wir frei. Allerdings mussten wir den grössten Teil der Kosten übernehmen, insgesamt 110000 Franken. Hier haben sich die Männer sehr engagiert.

«Der Zusammenschluss von lesbischen und schwulen KämpferInnen in den 1930er Jahren, die Pioniertaten vollbrachten, endete mit dem Verschwinden der Lesben. Sowohl bei der Gründung eines gemeinsamen Verbandes, des Schweizerischen Freundschaftsverbandes, wie auch bei der Herausgabe einer

gemeinsamen Zeitschrift, Freundschaftsbanner (später: Menschenrecht), zeigte sich das gleiche Muster. Die Initiative ging von den Frauen aus, dann arbeiteten Frauen und Männer eine Zeit lang gemeinsam, bis schliesslich die Männer die Vorherrschaft übernahmen und sich die Frauen zurückzogen.»1 Du selbst hast mit Deiner Forschung oft wider das Vergessen von Lesben in der Geschichte angeschrieben. Was ist für Dich an Deiner Arbeit wichtig?

Ich habe viele Beiträge zur Literatur, Geschichte und Gegenwart von Lesben geschrieben und 1991 meine Dissertation in Literaturwissenschaft über die Darstellung lesbischer Frauen in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 abgeschlossen. Es erschien unter dem Titel «Hinterlegte Botschaften». Beflügelt bei meinen Forschungen hat mich der Wunsch, herauszufinden, wie lesbische Frauen vor uns gelebt haben und wie sie ihre Sichtweise dargestellt haben. Deshalb haben Marianne Ulmi und ich auch die Anthologie mit Erzählungen herausgegeben «Sappho küsst Europa. Geschichten aus 20 Ländern» Wie findet frau Lesben in der Vergangenheit vor den 1970er Jahren, als frauenliebende Frauen sich nicht als «Lesben» outeten?

Vieles war durch das gesellschaftliche Tabu so verdeckt, dass es viel Spürsinn, Glück und Kommunikation mit andern Forscherinnen brauchte, um Spuren zu finden. Beispielsweise konnte ich nach Lesben in der Literatur nicht gezielt in Bibliotheken suchen. Ich habe über lange Jahre hinweg viel Literatur gelesen und dabei nach Lesben Ausschau gehalten. Dann habe ich Vorträge zu meinen ersten Ergebnissen gehalten >

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Literatur: Ilse Kokula, Ulrike Böhmer: «Die Welt gehört und doch!» Zusammenschluss lesbischer Frauen in der Schweiz der 30er Jahre, eFeFVerlag, Zürich 1991. Madeleine Marti: Hinterlegte Botschaften. Die Darstellung lesbischer Frauen in der deutschsprachigen Literatur seit 1945, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 1991 Madeleine Marti, Marianne Ulmi: Sappho küsst Europa. Geschichten aus 20 Ländern, Querverlag, Berlin 1997. Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer, Fischer, Frankfurt am Main 2003 (3. Auflage). Veranstaltung: Donnerstag, 06.10.05 l 20 Uhr l Kornhausforum, Galerie unverschämt wissenswert – Erzählcafé «Über die Erforschung und Darstellung lesbischen Lebens in Geschichte und Gegenwart» mit Prof. Dr. Ilse Kokula (Berlin), phil. hist. Veronika Minder (Bern). Moderation: Dr. Madeleine Marti (Zürich).

und in den anschliessenden Gesprächen manche Hinweise erhalten. Wichtig waren aber auch freundschaftliche Kontakte zu andern Lesbenforscherinnen in Deutschland und Österreich sowie die Symposien zur deutschsprachigen Lesbenforschung. Da haben wir uns Material und Hinweise gegeben.

«Auch in uns brennt das Verlangen, durch Klubbesuche unter Gleichgesinnten Seele und Geist zu erbauen, und in der Öffentlichkeit auf freieren Füssen gehen zu können. Doch wer schafft uns Freiheit, wenn nicht wir selbst es zustande bringen durch intensiven Zusammenschluss, durch hilfsbereite Handreichung seitens der Grosstädter?» > Laura Thoma, genannt Fredy2 Lesbenorganisationen gibt es in der Schweiz nachweislich seit den frühen 1930er Jahren, als der Damenclub Amicitia gegründet wurde. Wie muss man sich diese Zeit vorstellen? Was waren Möglichkeiten und Probleme für Frauen, sich unter Gleichgesinnten zu treffen? Gab es so etwas wie eine Lesben(sub)kultur? Hatten die Pionierinnen der Lesbenbewegung spezifische gesellschaftspolitische Positionen?

Zu dieser Frage werde ich am Donnerstag, 6. Oktober in der Unverschämt-Ausstellung im Kornhaus Bern ein Gespräch moderieren. Daran nehmen die Berliner Soziologin Ilse

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Kokula, welche die Geschichte des Damenclub Amicitia erforscht hat, und die Berner Filmemacherin Veronika Minder teil. Veronika Minder dokumentiert in ihrem Film «Katzenball»durch die Interviews mit den fünf Protagonistinnen selbst einen Teil der Schweizer Lesbengeschichte. (siehe Seite 16) Was sind für Dich wichtige Veränderungen in der gesellschaftlichen Situation von Lesben seit dem Damenclub Amicitia? Gibt es Einschnitte, Meilensteine oder Rückschritte?

Der Damenclub Amicitia wurde 1931 in Zürich von Laura Fredy Thoma, Anna Vock und zwei weiteren Frauen gegründet. Er hat mehrere Jahre existiert, teilweise selbständig, teilweise zusammen mit schwulen Männern. Sie haben eine Zeitung herausgegeben, grosse Bälle organisiert. Das war ein wichtiger Raum, der für Lesben und Schwule geschaffen wurde. Wo und wie sich Lesben in den 1940er bis 1960er-Jahren getroffen haben, ist noch weitgehend unerforscht. Hier hoffe ich auf junge Forscherinnen, die den Spuren nachgehen. Es gibt noch viel an Schweizer Lesbengeschichte zu entdecken! Wichtig war dann natürlich Anfang der 1970er Jahre der gesellschaftliche Aufbruch mit der neuen Frauenbewegung und mit der Homosexuellenbewegung. Bei beiden haben sich die Lesben eingebracht und das gesellschaftliche Totschweigen der Lesben überwunden. In den 1980er und 1990er Jahren weitete sich der Raum im gesellschaftlichen und kulturellen Be-

reich, wo die Sichtweisen von Lesben sichtbar wurden. Wie kam eigentlich die Ehe in den Forderungskatalog der aktuellen Lesben- und Schwulenbewegung? Laura Fredy Thoma, eine der Initiantinnen des Damenclubs Amicitia, sah in der Ehe wohl eher ein Gefängnis, als eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung…

Auch die neue Frauenbewegung hat die Ehe als patriarchale Institution entlarvt, welche Frauen in der untergeordneten Rolle festschreibt. Es ist tatsächlich ein ideologischer Riesensprung, das Recht zur Verehelichung auch für Lesben einzufordern. Meines Wissens ist dieses Thema in den 1990er Jahren aktuell geworden. In der Schweiz haben es die Lesbenorganisation Schweiz LOS und Pink Cross, der schwule Dachverband, aufgegriffen und zu ihrer Forderung gemacht.

«Es kann und darf nicht bestritten werden, dass in neunzig von hundert Fällen alle verheirateten Frauen unserer Art, tatsächlich zufolge Mangel an Licht in die Ehebande fielen» > Laura Thoma, genannt Fredy3 Das sexuelle Begehren ist – wie die aktuellen Geschlechter- und queer-Theorien zeigen – wichtig und Weg weisend für die Ausprägung einer Identität. Dennoch, so warnen diese Theorien, könnte das Festhalten an Kategorien wie hetero, homo, single oder verheiratet, auch die Bildung neuer Schubladen begünstigen, was wie-


derum mit der Ausgrenzung anderer Sexualitäten und anderer Beziehungskonzepte einherginge. Sind Selbst- und Fremdbezeichnungen wie «schwul» und «lesbisch» heute noch wichtig, oder gerade wichtig? Tragen sie zur Emanzipation oder zur Integration bei?

Das ist genau das Dilemma: Weil Lesben und Schwule gesellschaftlich diskriminiert werden, ist es wichtig, diese Diskriminierungen zu benennen und lesbische und schwule Existenzweisen sichtbar zu machen. Damit werden Kategorien festgeschrieben und andere Formen ausgegrenzt. Diese Problematik kann aber nicht vermieden werden, sondern muss reflektiert werden.

«Denn wenn Chloe Olivia liebt und Mary Carmichael weiss, wie sie es auszudrücken hat, dann wird sie eine Fackel in diesem grossen Zimmer anzünden, in dem bisher noch niemand gewesen ist.» > Virginia Woolf 4 Wenn Du die Geschichte(n) von Lesben in der Vergangenheit Revue passieren lässt, die Situation von Lesben (und Schwulen) aktuell betrachtest – was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Es geht darum, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, in der Menschen sich selbst und in Beziehungen entfalten können: Die Grenze ist da gesteckt, wo die Würde von andern Menschen nicht respektiert wird. > INTERVIEW: TUT <

1 Madeleine Marti: Les-

bische Lichtblicke. Die erste Lesbenorganisation und die erste lesbisch-schwule Zeitschrift in der Schweiz der 30er Jahre, in: Eva Rieger, Hiltrud Schröder (Hg.): «Diese Frau ist der Rede wert». Festschrift für Luise F. Pusch. Centaurus-Verlag, Herbolzheim 2004. 2 Zitiert in: Madeleine Marti: Lesbische Lichtblicke. 3 Zitiert in: Madeleine Marti: Lesbische Lichtblicke. 4 Zitiert in: Madeleine Marti: Lesbische Lichtblicke.

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GEDANKEN ZU QUEER

BARFUSS TANZEN UNTER DEM PFLASTER LIEGT DER STRAND, KOMM REISS AUCH DU

EIN PAAR STEINE AUS DEM SAND! (SCHNEEWITTCHEN)

Schon Julius Caesar wusste sich das Prinzip «Teile und herrsche!» (lat.: divide et impera!) zunutze zu machen, nämlich seine «Gegner, Besiegten, Vasallen oder Untertanen gegeneinander auszuspielen und ihre Uneinigkeit für eigene Zwecke, zum Beispiel für die Machtausübung, zu verwenden»1. Ich glaube, dass dieses Prinzip von teilen und herrschen bis heute die Grundlage eines jeden Unterdrückungsverhältnisses ist. So ist unsere Welt durchzogen von mehr oder weniger sichtbaren Grenzen, sie scheint geradezu auf diesem zweigeteilten (polaren) Denken von gut/böse, arm/reich, oben/unten, schwarz/weiss, richtig/falsch, weiblich/ männlich, sauber/schmutzig, homo/ hetero, inländisch/ausländisch, gesund/krank, rechts/links(!), zivilisiert/ wild, arbeitslos/arbeitend, gläubig/ heidnisch… aufzubauen. Das Prinzip hat sich sogar soweit perfektioniert, dass uns viele dieser Polaritäten als «gottgegeben» oder «natürlich» erscheinen, obwohl sie erst vor relativ kurzer Zeit entstanden sind. So gibt es zum Beispiel «den Schwulen» erst seit wenigen Jahrhunderten – zuvor war Homosexualität einfach ein (mal mehr, mal weniger geachteter) Teil der Sexualität ganz ohne Vorsilbe. Genauso ist auch die Trennlinie zwischen den Geschlechtern (Mann/Frau) nicht sehr alt: «Bis ins 18. Jahrhundert galt in unserer Kultur das Modell der Eingeschlechtlichkeit, wonach die Frau eine Variante des Mannes darstellte. Die Klassifizierung der Menschen wurde nicht anhand des biologischen Geschlechts vorgenommen, sondern geschah über die Klasse oder Schicht. Man könnte sagen, dass damals nicht das ‹Ge-

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schlecht›, sondern das ‹Adelsgeschlecht› bestimmend war.»2 Ein brandaktuelles Beispiel der Herrschaftssicherung durch Definieren neuer Polaritäten ist der weltweite «Krieg gegen den Terror» respektive der Terrorismus-Begriff an sich, der nach und nach jegliche soziale Bewegung auf die «Achse des Bösen» rücken lässt. Auch die Medizin wird nicht müde, Menschen aufgrund von Eigenschaften, die von einer virtuellen Norm abweichen, als «krank» und daher behandlungsbedürftig zu definieren. So gilt ein Kind als «intersexuell» («Zwitter»), wenn sein Kitzler grösser als 1,0 Zentimeter respektive sein Schwanz kleiner als 2,5 Zentimeter ist (die biologischen Anlagen für weibliche und männliche Geschlechtsorgane sind die gleichen). Plötzlich stehen nur noch 1,5 Zentimeter zwischen «Frau» und «Mann» – dafür entscheidet ein einziger Millimeter über «gesund» oder «krank».

AUSGRENZNG… Egal innerhalb welcher dieser vielen, tief in «der Gesellschaft» verwurzelten Polaritäten wir «drunter» kommen, die Erste Hilfe ist: Identitätspolitik. Wir tun uns zusammen, emanzipieren uns, schaffen eine kollektive Identität, denn gemeinsam sind wir stark! Dass wir uns als Ausgegrenzte abgrenzen müssen von unseren Unterdrückern, um die uns aufgedrückte «negative» Eigenschaft in eine positive, kraftvolle Identität umzuwandeln, liegt auf der Hand. Paradoxerweise lassen wir uns damit aber auf das Spiel «wir und die anderen» ein: Wir schaffen eine Gegen-Identität zum «Normalen». Und wiederholen/reproduzieren das Prinzip der Ausgrenzung, indem wir den fliessenden Übergang, der in jedem dieser scheinbaren Gegensätze steckt, ebenfalls leugnen: Geht einE IntersexuelleR zur Frauendisco oder ins Manne-Cafi?

Wenn ich mit jemandem ins Gespräch komme, sind die ersten Fragen meistens der Art «Woher kommst du?» und «Was machst / arbeitest du?». Ich muss mich definieren: über den Flecken Erde, auf dem ich lebe und über die Tätigkeit, mit der ich die meiste restliche Zeit verbringe. Ich definiere mich über Sub-Kulturen, Ess-Gewohnheiten, Sammel-Leidenschaften, WohnFormen und Polit-Gruppen oder, wenn das alles zu langweilig scheint, über Fussball-Vereine und Medien-Stars. Es herrscht geradezu ein Definitions- und Abgrenzungszwang, frei nach dem Motto: «Ich bin anders als ihr… aber da gibt es noch welche, die sind genauso wie ich!». Dieser Definitionszwang scheint mir Ausdruck einer weiteren Polarität zu sein, die ich mit «Geborgenheit gegenüber Individualität» beschreiben möchte: Weil ich mir als EinzelneR in dieser weiten Welt gar zu klein und verloren vorkäme, grenze ich mich von ihr ab. Grenzen wir uns nicht auch als «Menschen» von unserer «Um-Welt» ab, machen sie uns «Untertan» – und ignorieren dabei konsequent, dass wir aus ihr hervorgegangen sind und (noch immer) nicht ohne sie können? Das Prinzip von teilen und herrschen steckt so tief in uns, dass wir uns sogar selbständig, ohne Fremdeinwirken, teilen, abgrenzen, ausgrenzen – und uns damit von ihm beherrschen lassen.

… UND DEREN ÜBERWINDUNG queer will dieses herrschende Denken überwinden, die Spirale von ausgrenzen und ausgegrenzt werden durchbrechen, die polare Logik als «begrenzt» entlarven. queer bewegt sich nicht auf der Achse zwischen zwei definierten Polen, sondern beginnt mit ihnen zu spielen, setzt ständig neue Bezugspunkte und bringt so die Pole selbst in Bewegung. So rücken zum Beispiel die berühmten Gegensätze «Liebe & Hass» in erstaunliche Nähe,


QUEER THEORY – EINE EINFÜHRUNG

Annamarie Jagose: Queer Theory – eine Einführung. Herausgegeben und übersetzt von Corinna Genschel, Caren Lay, Nancy P. Wagenknecht und Volker Woltersdorff. Berlin: Quer-Verlag, 2001.

Meine unterschiedlichen Herangehensweisen an Queer und Queer Theory – abgesehen vom Ärger über die Vereinnahmung durch die Zeitschrift, die sich diesen Namen angeeignet hat und beim Näheren hinsehen doch nichts anderes ist als der Stern homosexueller Identität – waren kopierte Artikel, oft in englisch, Thesenpapiere, «gender trouble spiele» in studentischen Arbeitsgruppen und ähnliches. Daraus entstand ein vielfältiges und widersprüchliches Bild von dem, was queer sei in meinem Kopf. Und das war auch gut so. Steht der Begriff doch gerade nicht für Eindeutigkeit und klare Definitionen. Trotzdem gibt es jetzt auch in deutscher Sprache ein Buch von Annemarie Jagose mit dem Namen «Queer Theory», dem die deutschen ÜbersetzerInnen sogar noch den Zusatz «Eine Einführung» verpasst haben. Jagose ist sich der beschriebenen Problematik ebenso bewusst wie die ÜbersetzerInnen und beschreibt weniger, was queer ist, als in welchen Kontexten und Diskursen der Begriff entstanden ist und genutzt wird. Sie beschreibt einerseits die theoretischen Kontexte des Poststrukturalismus, aus denen heraus die Kritik an «natürlich Gegebenem»

wenn mensch sie mit «Gleichgültigkeit» in Bezug setzt. Bringen wir noch «Interesse» dazu, als möglichen Gegenpol der «Gleichgültigkeit», wird es plötzlich spannend. – Was passiert mit den Kategorien «hetero» genauso wie «homo» wenn «Intersexualität» ins Spiel kommt? Auch Arbeitslose und 40-StundenBüezerInnen sind nach der herrschenden Logik nicht so leicht zu vereinende Gegensätze. Das Stichwort Teilzeitarbeit mag ja ganz interessant klingen, doch bewegt es sich noch immer auf der Achse «Lohnarbeit». Erst wenn ein «Hausmann» (oder vielleicht lieber eine Strassenkünstlerin?) ins Spiel kommt, lösen wir uns von dieser Achse – und machen sie damit zu einem Pol. Fordern wir dann (Lasst uns die frohe Botschaft verkünden – es ist genügend Geld da!) noch Existenzgeld für alle, geraten schon die nächsten Pole «arm» und «reich» mit ihrer Achse, nennen wir sie «Eigentum», mächtig ins Kreisen.

wie zum beispiel bestimmten Geschlechtern (Mann und Frau) oder sexuellen Orietierungen (Heterosexualität) entstanden ist und die sich dahin entwickelten, u.a. Sexualität als «diskursive Konstruktion» zu sehen (Foucault) oder Geschlecht als «als kulturelle Erfindung als performatives Ergebnis sich wiederholender Handlungen» (Butler). dabei zeichnet sich die Darstellung durch eine Verständlichkeit aus, die bei Arbeiten in diesem Zusammenhang nicht immer vorhanden ist. Andererseits beschreibt sie aber auch ausführlich die Entwicklung gesellschaftlicher und politischer Bewegung von Lesben und Schwulen – vor allem in den USA – als historischen Kontext von queer. Sie beschreibt die auf Anpassung und Integration Homosexueller orientierte «Homophilenbewegung» in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die «Gay Liberation»-Bewegung der 1960erJahre, die im Gegensatz dazu eine neue lesbisch-schwule Identität formuliert und letztendlich die Lesbe und den Schwulen in jedem Menschen befreien will. Dazu beschreibt sie die Entwicklung eines eigenständigen Lesbischenfeminismus. Allerdings ist diese Darstellung sehr USA-zentriert. Die Be-

Wir können sprichwörtlich «unbegrenzt» fortfahren, immer mehr dieser ach so starren Polaritäten kreuz und quer zu einander und zu uns selbst in Beziehung zu bringen, und beginnen, sie zu einem vieldimensionalen Organismus zu verknüpfen: queer ist dabei jede neue Verbindung zwischen scheinbar unvereinbaren Polen, jede als «willkürlich gezogen» entlarvte Grenze … queer ist das Aufbrechen aus dem Gefängnis der Freiräume kollektiver Identität … queer ist der Versuch immer beweglich zu bleiben … queer ist das Respektieren von Widersprüchen … queer ist jeder eingestandene und verziehene «Fehler» … queer ist «der herrschaftsfreie Augenblick» – eine grenzenlose Welt – ein Regenbogen von Menschen … queer ist eine Utopie … queer ist, dass alles möglich ist: Ziehn wir die Schuhe aus, die schon so lang uns drücken - und bitten die herrschenden Verhältnisse zum Tanz! > LILOZ <

züge zu entsprechenden Entwicklungen in Europa, wo die Entwicklungen teilweise ähnlich, wenn auch zeitversetzt, teilweise aber auch anders verlaufen sind, versuchen die ÜbersetzerInnen daher unter anderem in ihren «Anschlüssen» am Ende herzustellen. ein Teil, den ich mir ausführlicher gewünscht hätte. Jagose selbst beleuchtet auch kritische Positionen zur Queer Theory wie zum Beispiel die auch in queerem Kontext auftretende männliche Dominanz oder ihre potentielle Offenheit für menschenverachtende Sexualpraktiken. Die ÜbersetzerInnen kritisieren auch Aspekte, auf die Jagose nicht ausreichend eingeht. Wie zum Beispiel die Zusammenhänge von Sexualität und Rassismus oder die Regulierung von Sexualität durch kapitalistische Verhältnisse. Insgesamt bietet das Buch auf jeden Fall eine weitgehend verständliche und relativ umfassende und empfehlenswerte Einführung in das Thema und wird so seinem deutschen Untertitel dann doch gerecht. > TOMPURPUR <

1 de.wikipedia.org/

wiki/Teile_und_herrsche (17.09.2005) 2 Schwarz Nicole, Zwischen den Geschlechtern – Transidentität& Intersexualität, Diplomarbeit HSA Luzern, 2004.

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O-TÖNE ZUR HEUTIGEN LESBEN-UND SCHWULENBEWEGUNG

ALLES GANZ NORMAL? HEUTE SCHEINT ALLES MÖGLICH. DIE ZEIT LIEGT HINTER UNS, IN DER SEXUELLE OFFENHEIT EINE BEFREIUNG WAR. NORMAL IST LANGWEILIG, SPIESSIG, BÄH.

Normal sein heisst unauffällig sein, nicht immer anders als die anderen. Gleiche Rechte, nicht stigmatisiert werden. Nicht normal zu sein, ist auch eine Chance für Neuentwürfe, für das Infragestellen der Norm, für das Ausprobieren egalitärer Rollenverteilungen. Wo sind die aufmüpfigen, unangepassten, unbürgerlichen Schwulen und Lesben? Gibt es noch eine SchwulenLesben-Bewegung, ist sie noch nötig? Alles schon erreicht? Drei Menschen äussern sich zum Normalsein, zur Bewegung und zu Coming-Out heute.

«NORMAL» IST AUSSCHLIESSEND Lilo: Ich glaube, das Bewusstsein ist verloren gegangen. Früher gab es viel stärker das Selbstverständnis, dass es darum geht, für das Recht zu kämpfen, anders zu sein, und nicht für das «Recht», genau gleich zu sein. Denn Normalität schliesst ja wieder aus. Tunten, Lederkerle etc. passen da nicht rein. Das merkt man bei den grossen, offiziellen schwul-lesbischen Lobbygruppen, die verfolgen die Normalitätsschiene. Die setzten sich zum Beispiel nicht für die Klappen (öffentliche Klos) ein. In Thun werden alle Klos geschlossen mit dem Argument, die würden von Homosexuellen missbraucht. Dann wird das nicht in Frage gestellt, was dabei sein soll, wenn zwei Männer auf dem Klo Sex haben. Das schadet den Klos ja nicht. Gruppen wie Pink Cross oder network setzen sich eher ein für die eingetragene Partnerschaft. Das hat mich zum Beispiel im Abstimmungskampf sehr genervt, da haben

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sie sich nicht getraut zu sagen, dass durch das Gesetz ausländische PartnerInnen Aufenthaltsrechte erhalten. Obwohl das eines der Hauptargumente ist, die dafür sprechen. Man hat es nicht gesagt, weil man Angst hatte, dass die rassistische Schweizer Mehrheit dann dagegen stimmt. Das Argument war, wir entlasten den Staat, indem wir Fürsorgepflichten übernehmen. Also nicht, wir wollen gleiche Rechte, sondern: Bitte seid lieb zu uns, denn wir zahlen Steuern und passen uns an. Gleiche Rechte ist nicht dasselbe wie Normalsein. Gleiche Rechte stehen allen zu, egal was du machst. Das heisst nicht, dass man sich der Norm anpassen muss. Die Leute können sich heute ausruhen auf der Arbeit der früheren kämpferischen Generation und bemerken die Rückschritte nicht. Der Berner Erziehungsdirektor verbietet zum Beispiel, dass die neue Coming Out-Broschüre von der Aids-Hilfe und Pink Cross in den Schulen aufgelegt werden darf. Er übernimmt dafür Argumente von christlichen Fundamentalisten, unter anderem dass in der Broschüre Homosexualität positiv dargestellt wird. Da müssten doch alle Leute auf die Strasse gehen! Aber die meisten sind eingeschlafen. Queer versteht sich da als ein Bündnis von allen Abartigen, also von allen, die der Norm nicht entsprechen oder nicht entsprechen wollen – weil sie erkennen, dass Normansprüche immer auch ausschliessend sind.

Lilo, 32-jährig, sucht Bündnisse mit anderen Abartigen, tanzt gerne auf der Strasse und will den Patriarcapitalismus im Fummel bekämpfen.

BLEIBT WACH! Marianne: Homo- und bisexuelle Jugendliche haben es heute vermutlich leichter als früher: Es gibt das Internet und es gibt viel mehr Informationen in den Medien. Das durchschnittliche Coming Out-Alter ist in den letzten Jahren gesunken. Aber auch heute noch haben homo- und bisexuelle Jugendliche einige Probleme. Verschiedene Studien belegen beispielsweise, dass sie weit gefährdeter sind, einen Suizidversuch zu begehen. Sie leiden auch häufiger unter Isolation, Einsamkeit, Selbstwertproblemen, Entfremdung, Angst oder Depressionen und weisen einen höheren Alkohol- und Drogenkonsum auf als ihre heterosexuellen Gleichaltrigen. Einige Untersuchungen legen nahe, dass die genannten Probleme in erster Linie auf die höheren psychischen und physischen Gewalterfahrungen zurückgeführt werden müssen. Homo- und bisexuelle Jugendliche, die keine Gewalterfahrungen machen mussten und gut integriert sind, berichten nicht über mehr Probleme als die Hetero-Gleichaltrigen. Trotz zunehmender Liberalisierung gehören LGB (lesbian gay and bisexual) Jugendliche also immer noch zu einer Hochrisikogruppe! Einerseits ist es in unserer Gesellschaft nicht unbedingt erwünscht, normal zu sein im Sinne von «so sein wie die Mehrheit». Aber abnormal in einem abwertenden Sinne – das will natürlich auch niemand sein. Im Jugendalter ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ein zentrales Thema und der Konformitätsdruck ist besonders hoch. Die Verunsicherung von LGB-Jugendlichen ist gross, vor allem, wenn keine Unterstützung da ist, wenn sie das Gefühl haben, der Einzige, die Einzige zu sein. Das ist heute, mit der zunehmenden Präsenz des Themas in den Medien und mit den Möglichkeiten des Internets schon besser geworden als früher. Deshalb sind auch Jugendgruppen so wichtig, in welchen eine ge-


wisse Normalität der eigenen sexuellen Orientierung erlebt werden kann. Homo- und bisexuelle Jugendliche, die Kontakt zu ihresgleichen haben, geht es bedeutend besser als solchen, die niemanden kennen, der oder die ebenfalls schwul, lesbisch oder bisexuell ist. Was wir in unseren ABQ Schulbesuchen vermitteln wollen, ist vor allem: «Es gibt Menschen, die sind wie ihr!» Aber auch die Hetero-Jugendlichen in den Klassen sind uns sehr wichtig. Unsere eigenen Geschichten verdeutlichen die Tatsache, dass schwule, lesbische oder heterosexuelle Erfahrungen zu machen nicht bedeutet, dass das für immer so bleibt, resp. bleiben muss. Die Bezeichnungen «schwul», «lesbisch», «bisexuell» oder «heterosexuell» als identitätsbildende Begriffe sind für mich persönlich daher eigentlich etwas überholt. Wir benutzen sie zwar, aber die Wirklichkeit ist vielfältiger und differenzierter. Vielen ist ein flexiblerer Begriff sympathischer, wie etwa «queer» oder eine Nicht-Definition. Die zentrale Botschaft an die Jugendlichen ist: «Bleibt wach, seid mutig und ehrlich zu euch, nehmt eure Gefühle ernst und habt keine Angst». Das Wichtigste ist, dass die Jugendlichen uns persönlich begegnen. Es kurisieren zum Teil noch absurde Vorstellungen und Klischees über Homosexuelle. Manche können kaum glauben, dass wir «so» sind, weil wir so «normal» aussehen.

Marianne, 31-jährig, Primarlehrerin und Psychologin und ist aktiv im Vorstand vom Schulprojekt ABQ.

WEG VON DEN DOGMEN Silvia: Das Coming Out war für mich wie ein Tor in eine andere Welt. Zuerst versuchst du dich anzupassen an die Norm, an die heterosexuelle Gesellschaft. Wenn du den Schritt machst, und dich selbst akzeptierst, fängst du auch an, offener zu denken, jedenfalls war das bei mir so. Die Frage kommt: Was will ich eigentlich von dieser Welt? Ich habe viel stärker zu mir selber gefunden. Durch die Offenheit mir selbst gegenüber hatte ich auch mehr Offenheit für andere Menschen bekommen. Solange Kinder nicht damit aufwachsen, dass es Schwule und Lesben gibt und dass das selbstverständlich und normal ist, wird das Coming Out immer für homosexuelle Jugendliche ein Problem sein. Wenn ein Kind aufwächst, wird es vor allem mit Stereotypen konfrontiert. Das Kind erlebt all die Alternativen wie Behinderung oder Schwul-Lesbisch-Sein nur als Schock. Da musst du das entweder überwinden und merken, das ist ganz normal – oder dich abwenden. Wenn Kinder das als selbstverständlich erfahren würden, dann würde die Welt ganz anders aussehen. In den Talkshows sieht man die abgefuckten Schwulen und die fetten Lesben, dieses Bild setzt sich in den Köpfen fest. Die anderen kommen nicht zu Wort, weil sie zu normal sind. Das kommerzielle schwul-lesbische Partyleben läuft super. In der Bewegung ist dagegen keine Energie mehr drin. Man ist nicht mehr in so einer Not wie früher, und wird bequem. In unserer schwul-lesbischen Jugendkulturgruppe «grenzenlos» in Ba-

sel haben wir «prosexuell» erfunden. Wir wollten nicht schwul-lesbisch sein, wir wollten prosexuell sein. Die Idee dahinter ist, alle Sexualitäten zu akzeptieren, auf der Basis von Respekt, ein Maximum an Offenheit zu entwikkeln – statt Grüppli zu bilden und sich abzugrenzen. Die ganze Sexualität ist so dogmatisiert, auch wenn man heute sagt, es sei alles so offen. Um das aufzubrechen, braucht es viel Kraft. Es geht darum, ein anderes Verhältnis zu Sexualität zu bekommen, sich gegenseitig Freiräume zu lassen. Es geht auch darum, dass die Leute aufhören, sich für etwas Besseres zu halten. Der Mensch hat so viel Facetten – zu entdecken und zu schauen, was es alles gibt, aber nicht zu bewerten – darum geht es.

Silvia, 22-jährig, ist Veranstalterin bei IDA der Reitschule-Frauenraum und fängt gerade an, Sozialarbeit zu studieren. > AUFGEZEICHNET VON SUSANNE BACHMANN <

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GESPRÄCH MIT VERONIKA MINDER, REGISSEURIN

MIT EINEM AUGENZWINKERN ERZÄHLTE GESCHICHTE FÜR IHREN DOKUMENTARFILM «KATZENBALL»

ÜBER LESBISCHE FRAUEN GESTERN UND HEUTE HAT VERONIKA MINDER PORTRÄTS VON FRAUEN AUS

VERSCHIEDENEN GENERATIONEN MIT HISTORISCHEM MATERIAL UND ANEKDOTEN ZU EINEM VIELSCHICH TIGEN BILD LESBISCHEN FRAUENLEBENS IN DER

SCHWEIZ VERWOBEN. EIN HALBES JAHR NACH DER PREMIERE ZIEHT SIE IN EINEM INTERVIEW MIT MEGAFON BILANZ.

megafon: Was wirst du am 27. November abstimmen, wenn es mal wieder um das Weiterbestehen der Reitschule geht?

Veronika Minder: Welche Frage! Ich habe mein Leben an der ersten ZAFF-Demonstration riskiert! Im Ernst: Ich war von Anfang an dabei, später habe ich mich in der Homo-AG der Reitschule engagiert, als es diese noch gab. Entsprechend sind mir die verschiedenen Räumlichkeiten bis in den hintersten Winkel vertraut, auch wenn ich nie halbtags in der Reitschule tätig war.

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Eigentlich verbindet mich eine Art Liebesbeziehung mit der Reitschule und wie es so ist mit der Liebe: Da hat man auch immer was auszusetzen... Aber grundsätzlich ist es eine Liebesbeziehung. Ich habe auch mal im Tojo ein Projekt zu Transsexualität gemacht, Trans-X, zusammen mit Coco, das ging dann eher um die Thematik «zwischen den Geschlechtern stehen», was mich bis heute sehr interessiert. Spannend sind ja nicht die herkömmlichen Kategorien wie hetero, schwul, lesbisch, sondern das, was dazwischen liegt. Wir kommen ja nicht einfach aus dem Katalog, auch nicht in Bezug auf Sexualität. Du hast dich also schon recht früh mit Themen auseinander gesetzt, die auch heute noch sehr aktuell sind?

alität abgezielt. Erst dank den französischen Philosophinnen wie Julia Kristeva und Luce Irigaray und später auch durch Judith Butler wurden diese Kategorien seit den 1980er Jahren allmählich aufgeweicht und wir haben uns entsprechend früh für diese Aufweichung der Kategorien interessiert. Wurde dein Film Katzenball schon im Reitschule-Kino gezeigt?

Nein, bis jetzt noch nicht. Die Schweizer Premiere haben wir im Kino ABC gemacht, das ist mein Lieblingskino, danach war er während einiger Wochen in anderen Kinos in Bern zu sehen. In der Reitschule bisher nicht. Mal sehen, wann es dazu kommt… Mit «Katzenball» hast du den Teddy Award für den besten Dokumentarfilm bei der diesjährigen Berlinale und den Jury-Preis für den besten Doku-Film beim Filmfestival «identities» 2005 in Wien gewonnen. Herzliche Gratulation!

Das ist natürlich schon im Zusammenhang mit der zweiten Frauenbewegung los gegangen – die erste Frauenbewegung um 1900 hat ja eher auf die Geschlechterdifferenz und auf die Diffe- Danke! Für mich war Berlin natürlich renz zwischen Hetero- und Homosexu- ein ganz grosser Traum, ein grosses


ZUM FILM «KATZENBALL» Ausgangspunkt von «Katzenball» sind Gespräche mit fünf in der Schweiz lebenden, Frauen liebenden Frauen. Die jüngste unter ihnen ist die 25-jährige Samira Zingaro, die ihr Coming Out hatte, als man – zumindest in der urbanen – Schweiz so selbstverständlich lesbisch sein konnte wie heterosexuell. Die älteste ist die 1912 geborene Johanna Berends, die zum zweiten Mal verheiratet und Mutter war, als sie 1953 der Frau ihres Lebens begegnete; Träume, in denen Berends früher schon Frauen begehrte, oder aber auch ein Foto, auf dem die Krankenschwester in Hose und Hemd posierte, erzählt Berends, wurden von der Umgebung als amüsanter Jux abgetan. Altersmässig zwischen Berends und Zingaro liegen die Biographien der Mode-Designerin Ursula Rodel, der Feministin Heidi Oberli und der Fotografin Liva Tresch. Minder verknüpft die Erzählungen der verschiedenen Frauen miteinander und erläutert und vertieft deren Aussagen, wo nötig mit histo-

Ziel und nur schon die Tatsache, als Anfängerin meinen Film dort zeigen zu können, war ein toller Erfolg. Dass wir gewinnen würden, hatte ich nie für möglich gehalten. Ich glaubte, andere, grössere Filme würden gewinnen. Ich war bei der Preisverleihung so nervös, dass ich auf der Bühne über eine Kabelrolle gestolpert bin. Danach war ich noch an Festivals in San Francisco, in Turin, in Mailand und München. In Turin hat die Jury unseren Film in der Rubrik «besonders verdienstvoll» erwähnt. Dass der Film so gut ankommt, hat, so denke ich, viel mit den Filmsequenzen tun, wie etwa den Ausschnitten aus den Filmwochenschauen aus den 1950er bis 1970er Jahren. Das ist natürlich ein unglaubliches Reservoir an lustigen Bildern. Aber auch die Sequenzen aus der Frühgeschichte des Fernsehens sind sehr unterhaltsam, zum Beispiel die erste Fernsehschau in der Schweiz von 1954, wo eine Frau bei der Achterbahnfahrt mit Damenstrümpfen belohnt wird, wenn sie möglichst viele Männernamen aufzählt. So eine Frechheit! Die beiden Auszeichnungen in Berlin und Wien sind eigentlich recht ungewöhnlich, zentriert der Film doch stark auf die Schweiz. Worauf führst du diesen grossen Erfolg ausserhalb der Schweiz zurück?

Das hat sicher damit zu tun, dass es grundsätzlich recht wenige Dokumentarfilme über die Geschichte von Lesben gibt. Filme, die diese Geschichte

positiv zeigen, gibt es erst recht nicht. Die Schweiz unterscheidet sich in dieser Hinsicht von Deutschland oder Österreich, da sie im Zweiten Weltkrieg vom Krieg verschont geblieben ist und sich die sogenannten Damen- und Herrenklubs auch in dieser Zeit halten konnten – die lesbischen und schwulen Strukturen sind nicht gänzlich zusammen gebrochen, wie dies im restlichen Europa der Fall war. Hinzu kommt, dass die Schweizer Geschichte auch interessant ist, weil man schon vor dem Krieg begonnen hat, ein gesamtschweizerisches Strafgesetzbuch zu machen, vorher gab es nur kantonale Regelungen, auch in Bezug auf Homosexualität. Während des Kriegs, 1942, hat man dann diesen Strafparagrafen abgeschafft – eigentlich unglaublich, dass durchgesetzt wurde, Homosexualität für straffrei zu erklären, ganz unbemerkt vom Rest der Welt. Von den Frauen hat man allerdings nicht gesprochen, weil lesbische Frauen einfach unsichtbar waren, und diese Sichtbarkeit von lesbischen Frauen ist ja bis heute nicht ganz erreicht. Diese Umstände haben mir auch erlaubt, die Geschichte mit einem gewissen Augenzwinkern zu zeigen, so dass du im Kino sitzen und einige Mal laut herauslachen oder auch einfach schmunzeln kannst – ohne diese Dramatik, die unweigerlich zu den Geschichten der Homosexuellen in anderen Ländern Europas dazu gehört.

rischen Daten, ergänzt das Gesagte mit Dokumentarmaterial: Fotos, Ausschnitten aus alten Spielfilmen mit Asta Nielsen und Marlene Dietrich, Häppchen aus Wochenschauen und TV-Sendungen. Entstanden ist so ein ebenso amüsanter wie aufschlussreicher Dokumentarfilm, der einen Blick auf ein Stück Schweizer Frauengeschichte wirft. Veronika Minder hat in Bern Kunstgeschichte studiert, war 1988-97 Leiterin des Kellerkinos und Kino Cosmos in Bern. Sie war Mitinitiantin der FrauenFilmtage Schweiz, der Zauberlaterne und des lesbischschwulen Filmfestivals Queersicht in Bern. Sie wird am 6. Oktober im Rahmen von «unverschämt» am Erzählcafé im Kornhaus teilnehmen.

Was steht statt der Dramatik bei dir im Vordergrund?

Eigentlich steht im Zentrum von «Katzenball» die Liebe. Dazu gehören beispielsweise auch die Orte, wo man sich begegnen konnte, oder auch wie man sich erkannt hat – also die Kleidercodes. Ein Thema ist sicher auch die Unsichtbarkeit von lesbischen Frauen im Gegensatz zu den Schwulen, diese hat ja zwei Gesichter: Zum einen wird man marginalisiert und nicht ernst genommen. Zum anderen beinhaltet diese Unsichtbarkeit aber auch eine gewisse Narren-Freiheit, so konnten zwei Frauen schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts problemlos eine Wohnung zusammen beziehen und Lesben konnten sich mehr oder weniger frei bewegen. Trotzdem gab es natürlich auch viele sehr mutige Frauen, die in Anzug und Krawatte herumgelaufen sind und damit auch demonstrieren wollten, dass sie «anders» sind. Eine Schlussfolgerung aus «Katzenball» könnte sein, dass junge Lesben heute kaum mehr Schwierigkeiten mit ihrem Coming Out, ihrem «Anderssein» haben. Ist heute wirklich alles einfacher?

Ich wollte schliesslich einen Propaganda-, nicht einen Problemfilm machen. Trotzdem habe ich mich bemüht, auch die Widersprüche und Schwierig>

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keiten der Porträtierten aufzeigen, nicht nur die positiven Seiten. Aber tatsächlich kamen bei der Jüngsten nicht am meisten Probleme rein – aber das liegt sicher auch an der Art des Fragens und schliesslich auch an den ausgewählten Sequenzen. Ich bringe als Regisseurin ganz klar auch mich selber rein und ich musste aus den zwei- bis dreistündigen Gesprächen die für mich wichtigen, spannenden oder eben auch lustigen Passagen auswählen. Insofern bin ich natürlich selber auch mit drin. Mit welcher Figur würdest du dich am ehesten identifizieren?

Ich stehe, auch vom Alter her, zwischen Ursula Rodel und Heidi Oberli. Ein Thema, das ich bei Ursula sehr wiedererkannt habe, ist der Zwang aus der Kindheit der 1950er Jahre, Röcke zu tragen. Das habe ich genauso erlebt. Und Ursula erzählt ja, wie sie sich als Mädchen selber Hosen und eine

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Windjacke näht, die sie dann heimlich trägt. Wir durften ja nicht in Hosen in die Schule – einzig beim Skifahren durften wir die Röcke im Schrank lassen. Diesen Kampf gegen strikte Vorstellungen von Weiblichkeit und für das Recht auf Hosen, den habe ich auch selber noch erlebt. Auch in der Schweiz bist du ausgezeichnet worden: Mit dem Christopher-Street-Day-StonewallAward, der an eine Person verliehen wird, die sich in besonderem Masse für die gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben und Schwulen eingesetzt hat.

Das hat mich natürlich sehr gerührt so eine schöne Anerkennung! Ich habe die ganze Arbeit, den Film, aber ja auch für mich gemacht - auch ich profitiere davon, wenn es mehr solche Filme von Lesben und Schwulen gibt, wenn diese Themen öffentlich gemacht werden und es immer mehr Selbst- und nicht nur Fremdbilder gibt. Auch die Ausstellung «unverschämt» dient in meinen Augen diesem Zweck, wichtig ist dabei wirklich, dass die Ausstellung reist und so auch Orte neben

den urbanen Zentren, wo die Vorurteile sicher noch massiver sind, besucht. Nach deinen Erfolgen hast du eventuell Lust auf mehr. Wird es einen weiteren Film von Veronika Minder geben?

Ich habe momentan eigentlich nicht vor, nochmals einen Film zu drehen ich möchte jetzt anderes machen. Zudem steckt hinter diesem fertigen Produkt ja auch eine unglaubliche Arbeit, ein «Chnorz» auch, und das ist nicht einfach vergessen. Ich habe ursprünglich ja an die fünfzig Frauen interviewt, dann kamen einige in die engere Wahl und schliesslich waren es noch fünft Porträtierte - das war ein sehr langer und schwieriger Prozess. > LILIAN FANKHAUSER <


ROLLEN VERTAUSCHEN – ODER WIE SUBTIL DAS GESCHLECHT KONSTRUIERT IST

WANN IST EINE FRAU EIN MANN? EIN GESPRÄCH MIT CHRISTINA CAPREZ ÜBER DIE KONSTRUIERTHEIT VON GESCHLECHT UND DEM

SPIEL DAMIT AM BEISPIEL DES DRAG-KINGS.

megafon: Christina, du bist selber seit einiger Zeit gelegentlich als Drag-King unterwegs und hast vor drei Jahren zum ersten Mal einen Drag-King Workshop in der Schweiz geleitet. Wie kam es dazu?

Christina Caprez: Angefangen hat eigentlich alles an der Uni, in einem feministischen Tutorat, das es in der Soziologie schon lange gibt, wo wir viele theoretische Texte gelesen haben. Zum Beispiel von Judith Butler aber auch andere, interaktionistische Theorien. Da waren wir eine gemischtgeschlechtliche Gruppe, die fand, wenn es doch heisst, dass das Geschlecht konstruiert sei, dann müssten wir es halt im Alltag auch mal anders konstruieren. Das wollten wir versuchen, so ein Blick hinter die Kulissen. Wie lief dieser Versuch in der Gruppe ab?

Im Jahr 2001 gingen wir ins Tessin, haben auch wieder theoretische Texte gelesen und das dann in die Praxis umzusetzen versucht. Die Männer haben Frauenkleider, und die Frauen Männerkleider angezogen, wir haben uns geschminkt und so, hatten aber keine Ahnung von Techniken, Bartstyling zum Beispiel. Es war alles sehr unprofessionell. Zudem gab es auch Spannungen und Konflikte innerhalb der Gruppe. Wir haben so gemerkt, dass die Veränderung der Geschlechterrollen recht heikel sein kann, und haben das Experiment nach ein paar Tagen wieder abgebrochen. Hast du das Gefühl, die Konflikte entstanden auch weil es eine gemischtgeschlechtliche Gruppe war?

Ja, ich denke schon. Es gab zum Beispiel eine Episode, in der eine Frau, die sonst schon ein starkes Auftreten hat, dann mit der «Männermaske», mit

Schnauz und allem, noch vehementer Aber der Drag King ist ja mehr aufgetreten ist. Und das kam ganz als einfach eine «verkleidete» Frau, Drag ist nicht nur Traveschlecht an bei gewissen Männern. Drag-King Workshops sind spätestens seit dem Portrait von Diane Torr in Gabriel Baur’s Dokumentation «Venus Boyz» ausserhalb der U.S.A. ein Thema geworden. Sie gilt als Pionierin, ja, wird sogar ironischerweise als «Mutter» der Drag-King Workshops bezeichnet. Wie wichtig ist ihre Arbeit für deine eigene?

Ich habe ein Semester in Berlin studiert, und zu dieser Zeit fand ein grosses Drag-King Festival statt, wo Diane Torr auch einen Workshop angeboten hat. Den hab ich besucht, aber der Kurs hat nicht in erster Linie den Impuls gegeben, auch selber Workshops anzubieten. Ihr Kurs war ein wenig zwiespältig. Auf der einen Seite war es super mal in einem geschützten Rahmen das auszuprobieren, und zu sehen wie echt man aussehen kann. Zum Beispiel die Brust abzubinden und mit der Barttechnik einen hinzukriegen, der richtig gut aussieht. Der Unterschied war frappant. Ich habe plötzlich meinen Onkel in mir gesehen. Gleichzeitig war mir aber auch die ganze Zeit über bewusst, dass das, was ich tue, eigentlich ein Betrug ist. Und wenn mich jemand auf der Strasse entlarvt, dann kann das auch gefährlich werden. Ich denke da an den Film «Boys don’t Cry», wo klar wird, dass es in unserer Gesellschaft nur legitim ist das Geschlecht darzustellen, mit dem man geboren worden ist. Später, in Berlin, aber auch in der Schweiz habe ich dann aber gemerkt, dass das nicht ganz so ist, dass die Leute, wenn sie es merken, es eher als ein Spiel anschauen. Als Verkleidung.

stie...

Ja, für mich hat das verschiedene Komponenten. Da ist die äussere Erfahrung, also welche Wirkung habe ich auf die Leute, und da ist die innere Erfahrung. Das heisst, wie ist es, als Mann unterwegs zu sein. Also zum einen sicher eine ursprünglich feministische Motivation, die Lust zu erfahren, wie es ist, als Mann auf der Strasse behandelt zu werden. Diese Geschlechterdifferenz am eigenen Leib zu spüren. Und dann geht es sicher auch um das Irritieren. Aber das funktioniert nur, wenn man nicht hundertprozentig als Mann durchgeht. Denn wenn man voll durchgeht, dann schauen die Leute auf der Strasse einen einfach an, und denken: «Ein Mann» und das wars. Sobald aber etwas Ambivalentes da ist, zum Beispiel eine hohe Stimme, dann irritiert man die Leute. Bei der Frage, was grundlegend anders ist, als Mann unterwegs zu sein, war für mich die frappanteste Erfahrung der Blickkontakt. Also wenn ich als Mann den Blickkontakt zu Frauen auf der Strasse suche, dann schauen die sehr schnell weg. Und es war ein wenig schlimm zu merken, wie mir die Frauen ausgewichen sind, wie wenn sie Angst vor mir hätten. So ein ungewolltes Machtgefühl meinerseits. Darauf habe ich angefangen auch mein eigenes Blickverhalten als Frau zu beobachten und habe gemerkt, dass ich im Blickkontakt mit Männern ebenfalls schnell wieder weggucke, um keine Angriffsfläche zu bieten. Da merkt man, wie subtil das Geschlecht konstruiert ist. >

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Literaturhinweise: Butler, Judith: Körper von Gewicht. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 1991. Caprez, Christina: «Drag Kings sind perfektere Männer»: Subversion oder Reproduktion der Zweigeschlechtlichkeit? sozmag.soziologie.ch/02 Krass, Andreas: Queer Denken: Queer Studies. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 2003. Nay, Eveline: Drag Kings und die binäre Geschlechterordnung: eine empirisch-qualitative Untersuchung. Lizenzitatsarbeit am Pädagogischen Institut der Universität Zürich. 2004.

Würdest du dem Drag-King ein politisch subversives Potential zuschreiben?

Also auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene, denke ich, ist das verschwindend klein. Denn es ist wirklich in einer Subkultur, wo das gelebt wird. Und es ist nicht sehr realistisch zu denken, dass sich das ausbreiten würde. Aber im Kleinen finde ich es sehr spannend damit zu experimentieren. Da historisch der Drag-King stark als Teil der lesbischen Kultur empfunden wird, und die Drag-Queen als Teil der schwulen, drängt es sich auf, auch über den Begriff «Queer» zu sprechen. Bei Queer geht es theoretisch ja nicht nur um die Auflösung der Kategorien männlich/weiblich, sondern auch um die Auflösung der Begriffe lesbisch/schwul. Inwieweit kann der Drag-King als queeres Phänomen begriffen werden?

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Ich denke, man kann den Drag-King als ein queeres Phänomen sehen, weil bei ihm Sex und Gender nicht übereinstimmen. Damit wird auch, und da beziehe ich mich auf Judith Butler, das Begehren dekonstruiert. Wenn ich mich nämlich als körperliche Frau sozial als Mann inszeniere und dabei eine Frau begehre, ist es nicht mehr klar, ob ich jetzt lesbisch oder heterosexuell bin. Was war eines deiner eindrücklichsten Erlebnisse punkto Geschlechterverwirrung?

Da kann ich von einer Erfahrung in Berlin erzählen, wo eine Freundin, die Theaterwissenschafterin ist, ein Seminar zum Thema «Inszenierungen im Alltag» mitgestaltet hat. Sie schlug dem Professor Inszenierung von Geschlecht vor. Der meinte darauf: Das Geschlecht sei doch nicht inszeniert, das SEI einfach. Zur Schlusspräsentation hat sie dann mich und meine Kollegin aus Zürich eingeladen, und wir haben dort ein Hetero Paar gespielt: sie die Frau und ich den Mann. Wir fielen gar nicht weiter auf, wir waren einfach die Freunde aus der Schweiz. Am Apéro in der Pause ging ich dann aufs Klo, zog mir ein Sommerkleidchen an

und habe mich ein wenig geschminkt. Ich ging zurück, und sass besagtem Professor gegenüber, der zunächst meinte, eine neue Person habe den Raum betreten. Nach einigen Sekunden fiel ihm die Kinnlade runter, als er merkte, dass der Mann von vorher dieselbe Person ist, wie die Frau, die ihm jetzt gegenübersitzt. Das war so eine tolle Erfahrung. Zu merken, dass der etwas realisiert haben muss, nämlich dass Geschlecht im Alltag eben doch inszeniert wird. > INTERVIEW: DINA WILD <


MEHR SELBSTBEWUSSTSEIN NACH DEM AUFSTAND AN DER CHRISTOPHER STREET

STONEWALL – UND WARUM DIESER AUFSTAND HEUTE NOCH GEFEIERT WIRD IN DER NACHT VOM FREITAG 27. JUNI 1969

MACHT DIE NEW YORKER POLIZEI EINE IHRER

ZAHLREICHEN RAZZIEN GEGEN SCHWULESBISCHE

LOKALE. DOCH DIESES MAL WIRD ALLES ANDERS SEIN.

Die Bullen haben sich das Stonewall Inn an der Christopher Street ausgesucht. Die Polizisten schikanieren, beschimpfen und schlagen die dort Anwesenden wie üblich. Nach der Personenkontrolle werden die Menschen einzeln rausgelassen. Aber anstatt sich zu verdrücken, bleiben sie vor dem Stonewall stehen. Sie haben genug. Als die Polizei die Verhafteten abführen will und eine festgenommene Lesbe sich zu wehren beginnt, kippt die Stimmung. Ein Hagel aus Münzen und Bierflaschen in Richtung Polizei setzt ein. Die Kastenwagen rasen mit den Verhafteten davon, während sich die zurückgebliebenen Polizisten in die Kneipe zurückziehen müssen und sich dort verbarrikadieren. Die wütende Menge beginnt mit Hilfe einer Parkuhr die Eingangstüre des Stonewalls einzurammen. Jemand schüttet Benzin durch ein zerbrochenes Fenster und ein Streichholz hinterher. Die Polizei ist bereit, den ersten zu erschiessen, der durch die Tür kommt. Bevor es soweit kommt, treffen mehrere Hundertschaften Polizisten ein. Die Verstärkung kann die eingeschlossenen Polizisten befreien. Die Strassenschlachten dauern die ganze Nacht. Die New York Daily News wird später schreiben: «Für einige Stunden hat Bürgerkrieg in Greenwich Village geherrscht!» Die Nachricht der Riots verbreitet sich wie ein Buschfeuer. ZahlreiDieser Text, gekürzt che UnterstützerInnen reisen an, um durch die megafon-Red- sich dem Aufstand anzuschliessen. Die aktion, stammt aus der Riots dauern fünf Nächte an. Antifa-Agenda 2006, die ab Ende Oktober erhältlich ist. Bestellung: www.antifa.ch Quellen: Donn Teal, The Gay Militants: http:// gigi.x-berg.de /stonewall.

WIESO DAS STONEWALL INN? Das Stonewall Inn gehörte zu jenen Schmuddellokalen, die ohne Alkohollizenz geführt werden, und die den Kneipen mit eindeutig lesbischem oder schwulem Zuschnitt häufig verwehrt

wird. Auch ist in New York das Tanzen für Männerpaare verboten. Wie viele andere Lesben- und Schwulenkneipen jener Zeit hält sich das Stonewall mit Schmiergeldern an die Polizei über Wasser. Hier treffen sich die Ausgeschlossenen der Ausgeschlossenen, die in gutbürgerlichen Schwulenkneipen keinen Einlass finden: Transen, Tunten, Stricher, obdachlose Jugendliche, Butches, Dykes, Schwarze, Latin@s. Für drei Dollar Eintritt können sie sich eine ganze Nacht, geschützt vor Kälte oder Wärme, drinnen aufhalten. Das Stonewall ist die Heimat für alle, die von der bürgerlichen Kleinfamilie und der kommerziellen Homoszene ausgespuckt werden.

VOR STONEWALL KEIN GROSSES SELBSTBEWUSSTSEIN Nach dem II. Weltkrieg wurde Homosexualität weltweit aus der Öffentlichkeit verdrängt und unterdrückt. Die erste organisierte schwullesbische Bewegung in Europa, die um 1900 ihren Anfang nahm, wurde durch die Nazis zerschlagen. Nach dem Ende des dritten Reiches blieben in Deutschland der von den Nazis verschärfte Paragraph 175 in Kraft und die Schwulen weiterhin im Knast. In der Sowjetunion machte Stalin alle Fortschritte der russischen Revolution (Legalisierung der Homosexualität, Abschaffung der Kleinfamilie, Frauenrechte) wieder rückgängig. In den USA verschärfte sich das Klima durch die Hetze der McCarthy-Ära gegen Homosexuelle und KommunistInnen. Nach dieser spezifisch paranoiden Weltsicht verweichlichten Homosexuelle die amerikanische Gesellschaft und erleichterten damit eine «kommunistische Übernahme». Es verwundert daher nicht, dass 1951 der erste Organisationsversuch von Homosexuellen in

den USA von KommunistInnen ausging, die die Mattachine Society gründeten. Spätestens 1953 wurden die KommunistInnen aus der Organisation gedrängt, und Mattachine übernahm eine politische Linie, die auf die gesellschaftliche Integration des einzelnen Homosexuellen in den US-amerikanischen Mainstream zielte. Statt selbstbewussten Auftretens war jetzt Anbiederung und Unterwürfigkeit Programm. Die Lesben organisierten sich ab 1955 in Daughters of Bilitis (DOB) mit der selben Ausrichtung. Während DOB und Mattachine sich zum Teil an der schwarzen Bürgerrechtsbewegung orientierten, wuchs eine neue Generation heran, die sich die Black Panther Party und ihren revolutionären Ansatz zur weltweiten Überwindung des Kapitalismus zum Vorbild nahmen. Diese radikalisierten AktivistInnen organisierten nach der ersten Stonewall Nacht eine Demo und spalteten sich bald darauf von Mattachine und DOB ab und gründeten die Gay Liberation Front! (GLF). Obwohl Lesben seit den Anfängen der Frauenbewegung mitkämpften, herrschte in den Organisationen der Frauenbewegung die Angst vor, dass sichtbare Lesben die Frauenbewegung angreifbar und die Durchschnittsfrau erschrecken könnten. Tatsächlich wurde die Frauenbewegung von der bürgerlichen Presse als lesbische Verschwörung dargestellt, wie auch alle Frauen, die sich für ihre eigenen Interessen einsetzen, unter dem Generalverdacht stehen, lesbisch zu sein. Während einige Frauenorganisationen sich von Lesben distanzieren, in der Hoffnung, eine breitere Bevölkerungsschicht ansprechen zu können, stellen die radikalen Feministinnen das Patriarchat grundsätzlich in Frage. Gleich>

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RAHMENPROGRAMM «UNVERSCHÄMT UNTERWEGS IN BERN» Die lesbisch-schwule Ausstellung «unverschämt unterwegs in Bern» wird den ganzen Monat durch begleitet von einem historisch, politisch und kulturell ausgerichteten Rahmenprogramm. Für das Wohl von Körper und Geist sorgen diverse kulinarische, sportliche und gottesdienstliche Anlässe. Im Anschluss an die Veranstaltungen und die fünf mal stattfindenden Führungen im Kornhausforum wird die «unverschämt süffig»-Bar ihren Betrieb aufnehmen. Programmpunkte im Kornhausforum

Montag, 3. Oktoer, 19.00-20.30 Uhr UNVERSCHÄMT LEHRREICH – REFERAT UND PODIUMSDISKUSSION: «Gleichgeschlechtliche Liebe – kEin Thema für die Schule?» «ABQ-Schulprojekt gleichgeschlechtliche Liebe Bern» und «Aids-Hilfe Bern» bringen Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der Schule zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Es sollen Fragen beantwortet werden wie beispielsweise: Wie geht es eigentlich jungen Lesben, Schwulen und Bisexuellen in der Schule? Bekommen auch sie Antworten auf Fragen zu ihrer Liebe? Welche Massnahmen zur Gesundheitsförderung sind geeignet, um die Gefahren von Diskriminierungen und sozialer Isolation wie Suizidgefahr und HIV-Ansteckungsrisiko zu mindern? Einleiten ins Thema wird Dr. paed. Stefan Timmermanns (Berlin) mit seinem Referat über die Wirkung von Schulprojekten in Nordrhein-Westfalen, welche er erforschte und in seinem Buch «Keine Angst, die beissen nicht!» darlegte.

zeitig fühlen sich viele Lesben in den schwulesbischen Gruppen an den Rand gedrängt. Sie verabschieden sich vom Begriff Gay, der ursprünglich für Lesben und Schwule stand und gründen eigene Gruppen wie die Lesbian Feminist Liberation. Bei den Stonewall-Riots an vorderster Front mit dabei sind die Tunten und Transgender Personen. Auch sie haben immer wieder damit zu kämpfen, dass ihre Interessen von Assimilationisten geopfert werden, denn sie gefährden deren Streben nach Anpassung und Normalität.

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Donnerstag, 6. Oktober, 20.00-21.30 Uhr UNVERSCHÄMT HISTORISCH – REFERAT UND PODIUMSDISKUSSION: «Über die Erforschung und Darstellung lesbischen Lebens in Geschichte und Gegenwart» Zwei Pionierinnen der Dokumentation von Lesbengeschichten erzählen von ihrer Arbeit und ihrem Werdegang. Die Soziologin Prof. Dr. Ilse Kokula (Berlin) kämpft seit dreissig Jahren für die Emanzipation von Lesben und engagiert sich dafür, das Wissen über lesbische Lebensweisen zu erweitern. Sie erforschte die Anfänge der Lesbengeschichte in der Schweiz und verfasste dazu das 1991 erschiene Buch «Die Welt gehört uns doch!». Die Kunsthistorikerin, Regisseurin und Kulturvermittlerin phil. hist. Veronika Minder (Bern) liess in ihrem 2005 abgedrehten Dokumentarfilm «Katzenball» fünf Schweizer Lesben zwischen 25 und 94 Jahren aus ihrem Leben erzählen. Für dieses Werk erhielt sie u.a. den Teddy Award für den besten Dokumentarfilm 2005 bei der diesjährigen Berlinale in Berlin. Moderiert wird der Abend von der Germanistin und Mitgründerin des Sappho-Vereins Dr. Madeleine Marti (Zürich). Sie dissertierte 1991 zum Thema Lesben in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 und arbeitete mit am Konzept der Zürcher Originalausstellung «unverschämt.» Sonntag, 16.Oktober, 11.00-12.30 Uhr UNVERSCHÄMT HISTORISCH – REFERAT: «Im Schatten der Verfolgung – Lesbische Frauen im Nationalsozialismus in Deutschland und Öster-reich». Die Historikerin und Germanistin Dr. Claudia Schoppmann (Berlin) hat nach den Spuren lesbischer Frauen in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich geforscht. Sie zeigt auf, wie Lesben

STONEWALL FÜHRT JÄHRLICH ZU WELTWEITEN DEMOS Die Bedeutung des Stonewall-Aufstandes wird deutlich anhand der unzähligen CSDs (Christopher Streets Day, genannt nach der Strasse, an der das Stonewall Inn liegt), Stonewall-Demos oder Lesbian-Gay-Bi-Transgender-Pride-Parades, die jeweils im Juni und Juli weltweit stattfinden mit hunderttausenden von TeilnehmerInnen. An vielen Orten hat das selbstbewusste Auf-die-Strasse-Tragen der eigenen Identität heute noch Sprengkraft. Zahlreiche CSDs werden verboten und Opposition der religiösen FundamentalistInnen ist ihnen überall auf der Welt gewiss. An anderen Orten ist der CSD zur reinen Kommerzparty verkommen, weitgehend unpolitisch und kompatibel für Sponsoring durch multinationale Konzerne. Das Wissen über den

Stonewall-Aufstand ist meist beschränkt auf «da haben sich die Schwulen und Lesben zum ersten Mal gewehrt.» Wer sich da genau mit welchen radikalen Mitteln gewehrt hat, wird meist verschwiegen. Kein Wunder, denn Stricher, Schwarze, Tunten, Transen und Butches gehören auch heute nicht zu den Lieblingen derer, die sich Akzeptanz durch Anpassung an die herrschenden Zustände erhoffen. Die Erfolge, die heute gemacht werden, sind die Früchte der radikalen Kämpfe der 1970er und 1980er Jahre. Die Anpassungsfraktion herrscht zwar wieder vor, doch haben sie keine Antworten auf die Angriffe der rechtskonservativen und fundamentalistischen Kreise. > HOMO-AG <


verfolgt wurden und wie sich diese von der Verfolgung der Schwulen unterschied. Sie dissertierte 1990 über «Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität». Sie war historische Mitarbeiterin der Zürcher Originalausstellung «unverschämt.» Moderiert wird der Abend von Dr. Madeleine Marti (Zürich). Mittwoch, 26. Oktober, 20.00-21.30 Uhr UNVESCHÄMT LEHRREICH – REFERAT/PERFORMANCE: «Sexualpädagogik 1955 bis heute – Coming Out in Bern Bümpliz in den 1970er Jahren» In den 1950er Jahren war strenge, sittliche Führung angesagt. Die Frau war entweder «jungfräulicher Mensch oder Mutter» wie «Mann und Beruf ein Ganzes» war. Gleichgeschlechtliche Betätigung bedeutete die «Entartung eines Volkes und hat unweigerlich den Zerfall seiner sittlichen Kräfte zur Folge.» 1970 wurde Homosexualität in den Aufklärungsbüchern nicht mehr als sexuelle Störung, aber doch als «sexuelle Verwahrlosungserscheinung» erwähnt. Erst Jahre später, 1997 stand in einem Aufklärungsbuch erstmals geschrieben: «Wieso manche Männer nur Männer lieben und manche Frauen nur Frauen, weiss man nicht. Das alles ist keine Krankheit, die geheilt werden muss, sondern nur eine andere Form zu leben und glücklich zu werden.» Wie war die Wirkung dieser Aussagen auf die Betroffenen? Am Beispiel einer persönlichen Biografie mit Coming out in Bern-Bümpliz in den 1970er Jahren gehen wir mit Sexualpädagoge HSA Werner Baumann (NCBI, Zürich) dieser Frage auf den Grund. Donnerstag, 27. Oktober, 19.00-21.00 Uhr UNVERSCHÄMT SÜFFIG – ERZÄHLBAR MIT JUDITH SCHÖNENBERGER Die Berner Fotokünstlerin Judith Schönenberger stellt ihre neue Fotoserie «Dreierkisten», die sie im Auftrag von «unverschämt unterwegs in Bern» geschaffen hat, persönlich vor. Die Fotoserie widmet

sich dem in den letzen Jahren neu aufgetauchten Phänomen lesbisch-schwuler Kultur: Frauen, die Männer spielen und sich «Drag Kings» nennen – der Gegenpart zu den allbekannten «Drag Queens.» Judith Schönenberger thematisiert in ihren Fotografien den Genderdiskurs, indem sie die bewusste Inszenierung von Rollenbildern ins Zentrum stellt und mit Rollen, Stereotypen spielt, sie bricht, sie verqueert. Sie wurde u.a. mit dem Kiefer Hablitzel Preis (2004) ausgezeichnet. Dazu «unverschämte» Drinks an der Bar. Programmpunkte in der Reitschule

Dienstag, 4. und 11. Oktober, 19.30 Uhr, Kino UNVERSCHÄMT CINEASTISCH – QUEERSCHAU VON QUEERSICHT Organisiert durch QUEERSICHT – lesbisch-schwules Filmfestival Bern, das in diesem Jahr zum 9. Mal vom 10. –14. November 2005 stattfinden wird (www.queersicht.ch). QUEERSICHT vergibt jedes Jahr den Preis «Rosa Brille» für den besten Kurzfilm. Folglich lag es für QUEERSICHT auf der Hand, im Zusammenhang mit «unverschämt unterwegs in Bern» ein Kurzfilmprogramm zusammenstellen, das aufzeigt, was lesbisch-schwules Filmschaffen auf dem Platz Bern zu bieten hat. Es werden an zwei Filmabenden schwul-lesbische Berner Kurzfilme von Michele Andina, Katrin Barben, Peter Kaiser, Ivan Madeo, Marc Mouci, Muriel Utinger, Urslé von Mathilde/Gisela Hochuli/Sandra Künzi, Samira Zingaro und weiteren in Anwesenheit einiger FilmemacherInnen zu sehen sein. Freitag, 21.10.05, 21.30-3.30 Uhr, Frauenraum UNVESCHÄMT TANZBAR – PARTY Die Berner AusstellungsmacherInnen laden die AusstellungsbesucherInnen, die SupporterInnen und ihre FreundInnen ein, mit ihnen zum Anlass der Ausstellung «unverschämt unterwegs in Bern» zu feiern. Mit DJ Dodo, Djane Rita, und Djane Anouk Amok. For women and men.

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BRASILIEN

LULA – ANFANG ODER ENDE EINES HISTORISCHEN PROZESSES ICH ERINNERE MICH NOCH GANZ GUT AN DEN ZENTRALEN SATZ LULAS WÄHREND SEINER AMTSÜBERNAHME ALS PRÄSIDENT BRASILIENS: «ICH BIN

NICHT DAS SIEGREICHE PRODUKT EINES WAHL-

KAMPFES, SONDERN DAS RESULTAT EINES HISTORISCHEN PROZESSES.»

Auf dem Lande aufgewachsen, floh Lula noch als Kind mit der Familie in die Metropole. Er blieb nicht lange bei seinem erlernten Beruf, Maschinenmechaniker, sondern begann am verbotenen Wiederaufbau der Gewerkschaften zu arbeiten – wir befinden uns mitten in der Militärdiktatur (1964-1985). Nach und nach entwickelten sich kirchliche Basisgemeinden, eine erstarkte Gewerkschaftsbewegung und in ganz Brasilien die Volksbewegungen (Movimentos Populares) – auf dem Lande die MST, die brasilianische Landlosenbewegung. Unterdessen verstreichen drei Präsidentschaftswahlen, an denen Lula immer das Einsehen hat. Die 1990er bringen zutiefst perverse Wendungen, die die soziale Ungleichheit ins Unermessliche steigen lassen. Gleichzeitig führen der Rückzug der Kirchen aus der sozialen Bewegung, die Pragmatisierung der Gewerkschaftsbewegung und das Fehlen einer strategischen Referenz der Volksbewegungen zu einer Stagnation der Mobilisierungskraft der sozialen Bewegungen. Die Konsequenzen dieser Stagnation finden sich auch in der Arbeiterpartei wieder. Sie ergreift die Flucht nach vorne und verwandelt sich immer stärker in eine Wahlmaschine. Lulas Botschaft im Wahlkampf 1998 sagt es unverholern: «…wir haben keine Alternative, wir müssen uns mit anderen Parteien verbünden.» Ab diesem Moment zentrierte sich das Vorgehen der Arbeiterpartei absolut um das Ziel, die Wahlen zu gewin-

INTERNATIONALISTISCHE

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nen: Koste es, was es wolle. Zuerst wurde eine Wahlallianz beschlossen, die sich jedoch nicht um das Einverständnis eines gemeinsamen Weges für die Zukunft Brasiliens zentrierte, sondern ausschliesslich um die Wahlen 2002 zu gewinnen. Und Lula hat die Wahlen gewonnen. Er übernahm die Regierung, nicht unbedingt jedoch die Macht. Im Universum von mehr als 500 Nationalräten erreichte die Arbeiterpartei gerade knapp 60 Sitze. Um die Regierungsfähigkeit zu sichern, musste Lula also seine Allianz mit anderen Parteien weiter öffnen. Die Sozialdemokratische Partei von Fernando Henrique Cardoso (trotz der theoretisch relativen Nähe zur Arbeiterpartei, ausgehend von gemeinsamen geschichtlichen Wurzeln in der Resistenz gegen die Militärdiktatur) wurde radikale Opposition. Was übrigblieb, waren traditionelle «Mietsparteien», welche sich für persönliche Vorteile mit irgendwelcher Regierungspartei verbinden. Und die Arbeiterpartei hat sie gemietet. Der Preis, auf diese Weise die Regierungsfähigkeit zu garantieren, (das wissen wir heute) war zu teuer. Trotz wichtiger und interessanter Initiativen ist die Regierung Lula zu einem Verband gegensätzlicher, ja widersprüchlicher Interessen geworden: einerseits die Weiterführung der neoliberalen Wirtschaftspolitik, andererseits der Ansatz struktureller Veränderungen; einerseits die Stärkung des Agrobuisness, andererseits die Landreform als historisches Ziel. Tatsache ist, dass in den knapp drei Jahren der Regierung Lula die «Revolution der sozialen Prioritäten» nicht statt gefunden hat. Noch schlimmer ist die Bilanz der Mittel, die gebraucht wurden, um nicht das Gewünschte, sondern das Mögliche zu verwirklichen. Auf Kosten des historischen Legates der Ethik in der Politik machte die Arbeiterpartei immer mehr Gebrauch der alten, konventionellen und traditionellen Politik der brasilianischen Eliten. Ein Skandal nach dem andern hat die Regierung

Lula blossgestellt. Die scheinheilige Opposition zieht moralisch über Lula her und klagt ihn eines Giftes an, das sie selber während Jahrzenten gebraut haben. Die Regierung Lula und die Arbeiterpartei stecken in einer tiefen Krise. Trotzdem hat sich Lula – aus meiner Sicht – nicht jetzt als Präsident verändert, er ist weder korrupt noch ein Verräter. Doch er und die Arbeiterpartei zahlen den absurden Preis ihrer eigenen Entscheidung, auf alle Kosten die Wahlen zu gewinnen: ganz klar ein strategischer Fehler. Die strukturellen Veränderungen Brasiliens hängen nicht in erster Linie vom Gewinnen spezifischer Wahlen ab. Sie bedingen einen Umbruch im Ungleichgewicht der Interessenvertretung in der brasilianischen Gesellschaft. Die Kraft einer politischen Partei ist zuwenig. Die Mobilisierung der brasilianischen Zivilgesellschaft und die Überwindung der Stagnation der sozialen Bewegungen sind wesentliche Bedingungen. Im Französischen heisst «je suis» sowohl «ich bin» als auch «ich folge». Meine Identität festigt sich also auf dem Weg, den ich wähle, und streckt sich nach dem Ziel, dem ich folge. Die Arbeiterpartei hat das Ziel eines anderen Brasiliens aus der Sicht verloren und hat deshalb seine eigene Identität aufs Spiel gesetzt. Mit den Worten von Frei Betto ist das Dilemma der Arbeiterpartei klar bezeichnet: «Die Arbeiterpartei lebt das Dilemma von Hamlet: sein oder nicht sein; eine Partei sein, die Wahlen gewinnen will, oder Werkzeug sein am Bau eines historischen Projektes für ein anderes Brasilien.» Regierungen kommen und gehen, doch die Zivilgesellschaft und die sozialen Bewegungen bleiben. Sie arbeiten weiter am «historischen Prozess», der Lula als Präsident hervorgebracht hat. Dieser «historische Prozess» braucht heute einen landesweiten Dialog, der verbindende Linien eines neuen Brasiliens hervorbringen muss: ein anderes


Jetzt «vorwärts» abonnieren und Geschenk kriegen: www.vorwaerts.ch

VORWÄRTS UND NIE VERGESSEN… Schallt es ab dem siebten Oktober aus den alternativen Radios. Denn die sozialistische Wochenzeitung «vorwärts» setzt sich einen Relaunch mit einer Werbekampagne begleitet. Wir spielen aber nicht das alte rote Lied von Brecht und Eisler, nicht dass es nicht gut gewesen ist und wäre, sondern erlauben uns einen Remix. Der HipHop-Track kann Bild für den neuen «vorwärts» sein. Aus einer alten und kämpferischen Linken entstanden, öffnet er sich und das nicht erst seit Kurzem, neueren Strömungen: Von parlamentarischen über anarchistische und autonome Gruppen. «Der vorwärts setzt zum Sprung nach vorne an. Die sozialistische Wochenzeitung – Instrument der antikapitalistischen Linken – will ihren Beitrag leisten im Einigungsprozesses der Bewegung, die dem Neoliberalismus und dem Krieg den Kampf angesagt hat,» hiess es im letzten vorwärts. Grosse Worte umso notwendiger wenn wir uns die neoliberalen Abbruchbirnen vor der Haustür ankucken. Umso besser wenn wir unser gesetztes Ziel: einen Einigungsprozess in der kämpferi-

Brasilien, gebaut von unten nach oben, von innen nach aussen; eine Entwikklung, die soziale Gerechtigkeit ermöglicht und das Gleichgewicht mit der Natur sichert; eine Wirtschaft, welche Arbeit und Einkommen für alle gewährt und die perverse Ungleichheit verkleinert; eine Politik, die auf Ethik und Partizipation baut und so Ort der Strukturierung der kollektiven Interessen des brasilianischen Volkes ist. So ist Lula weder Anfang noch Ende des «historischen Prozesses». Damit Lula und die Arbeiterpartei jedoch an diesem «historischen Prozess» erneut mitarbeiten können, müssen sie entschieden den Weg zurückfinden zu ihrem eigenen, grössten politischen Kapital: die sozialen Bewegungen. > BEAT WEHRLE, PRESSEDIENST E-CHANGER <

schen Linken erreichen und dem ein Ende setzen, was unserer Erachtens Grundübel allen Elends ist: der Kapitalismus. …beim Hungern und beim Essen…

Gehungert wird noch heute und Essen müssen wir alle. Der Vorwärts reicht schon mal die Teller: anregende Kontroversen, eine vielfältige Berichterstattung aus der Bewegung und für die Bewegung und dies Woche für Woche nach Hause geliefert. Dies ist eine Einladung und zwar nicht nur um den vorwärts zu abonnieren, sondern mehr noch aktiv bei inhaltlichen Debatten einzugreifen, Mobilisierungen und Veranstaltungen anzukündigen, den vorwärts als Teller, als Plattform zu benutzen. …die Solidarität!

Da passt um endlich zum Ende zu kommen sogar unser Slogan des Aufrufs dazu «…eignet euch den vorwärts an...» > MATHIAS STALDER, VORWÄRTS REDAKTION <

DANCE OUT WEF-PARADE Am Samstag dem 10. September war es wieder soweit. Zum dritten Mal in diesem Jahr besammelten sich die Globalisierungsgegner um 12.30 Uhr zu einer Kundgebung durch die Stadt. Musizierend und tanzend wärmte sich die Menschenmenge bis zum Start um 14.30 Uhr auf der Grossen Schanze auf. Begleitet von Bandwagen und verschiedener Musik wie Goa, Reggae, Hip Hop, Ska und vielem mehr tanzten sie durch unsere Hauptstadt. Die Dance out WEF-Parade hatte sich zum Ziel gesetzt, zu zeigen, dass «Globalisierung» ein immerwährendes Thema ist, und nicht nur ein Mal jährlich während dem Davoser Wirtschaftsforum – wo sich die «Mächtigsten der Welt» vereinen – auftaucht. Mit dieser Botschaft zogen rund 200 Personen friedlich feiernd durch das Länggassquartier, den Breitsch und die Lorraine, bis sie nach fast acht Stunden im Neufeld die Tanzparade ausklingen liessen. Mehr Informationen zur «Dance out WEFParade» findet ihr unter: www.paradisli.ch

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FRAUENRECHTE IN MAROKKO UND ALGERIEN

«IL Y AURA DES CHANGEMENTS…» CFD-VERANSTALTUNGSREIHE VOM 24-29. OKTOBER 2005

Jedes Jahr präsentiert der cfd in einer Veranstaltungsreihe einen Schwerpunkt seiner feministisch-friedenspolitischen Arbeit. Die Veranstaltungen im Herbst 2005 fokussieren auf rechtlichem Empowerment von Frauen in den Projektländern des Maghrebs. An den vier Diskussionsveranstaltungen vom 24-29. Oktober 2005 in Bern, Lausanne, Zürich und St. Gallen sind Fouzia Assouli und Nadia Ait Zai anwesend, beides Experpertinnen zu Frauen- und Familienrecht aus cfd-Partnerprojekten in Marokko und Algerien. In beiden Gesellschaften des Maghrebs ist die Reform des Code de la famille ein geschlechterpolitisch bedeutsames Thema. Die Veranstaltung in Bern vom 26. Oktober 2005 findet in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Bern IZFG statt und wird moderiert von der Juristin Erika Schläppi. Am 10. Oktober 2003 kündigte der marokkanische König die Reform des Familienrechts/Moudawana an. Die bisherigen Familiengesetze basierten auf einer konservativen Auslegung der Sharia. Der Reformprozess hat bestehende Bilder von Frauen und Männern sowie Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis in Frage gestellt und eine breite Diskussion angeregt. Das nun seit Februar 2004 in Kraft stehende neue Familienrecht legt die Verantwortung für die Familie in die Hände beider EhepartnerInnen. Die Gehorsamspflicht der Ehefrau ist de jure aufgehoben zugunsten einer egalitären Verteilung von Rechten und Pflichten. Frauen benötigen für die Heirat keine offizielle Zustimmung mehr von Vater oder Bruder. Zudem ist das minimale

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Heiratsalter für Mädchen von 15 auf 18 Jahre erhöht worden, Frauen erhalten erleichterte Bedingungen bei Scheidung und die Polygamie soll gemäss neuem Gesetz nur noch in Ausnahmefällen und bei Zustimmung durch die erste Ehefrau möglich sein. Die Gesetzesreform stellt für die Frauen- und Menschenrechtsorganisationen Marokkos einen bedeutenden Erfolg dar. Die cfd-Partnerorganisation Ligue Démocratique pour les droits de la femme (LDDF) war massgeblich an den Reformprozessen beteiligt und beobachtet nun aufmerksam die Umsetzung der neuen Gesetze. Die Bilanz nach einem Jahr ist nicht nur positiv. Schlüsselpersonen und kritische Frauenorganisationen sind ernüchtert über die fehlenden staatlichen Informationen und Sensibilisierungsmassnahmen für Behörden und die Bevölkerung. Denn die de jure Besserstellung bedeutet noch lange nicht, dass die Frauen und ihre Familien in Marokko auch wissen, über welche Rechte sie nun neu verfügen. Die Umsetzung der neuen Rechte gelingt erst langsam in den grossen Städten. Ausserhalb sind sowohl der Informationsstand der Frauen wie auch die Kenntnisse und die Bereitschaft der Richter und Anwälte viel geringer. Um den Zugang zu Recht, Information und Beratung zu verbessern, leistet die LDDF Sensibilisierungsarbeit auf unterschiedlichen Ebenen: Mit Karawanen und Beratungstätigkeit in 14 Regionen Marokkos trägt die Frauenorganisation die neuen Gesetzesinhalte ins Land und erreicht so auch die 80 Prozent Marokkanerinnen auf dem Land, welche sich mündlich über direkten Kontakt oder Radio und Kassettenproduktionen informieren müssen. Frauenorganisationen wie die LDDF übernehmen als zivilgesellschaftliche AkteurInnen auch die Aufgabe zu beobachten, ob die neue Gesetzesgrundlage gemäss ihrer inhaltlichen Bedeutung umgesetzt wird und ob Marokkanerinnen in ihrem Alltag von den rechtlichen

Verbesserungen tatsächlich Gebrauch machen können. Die bisherige Praxis zeigt, dass Richter die neuen gesetzlichen Grundlagen weiterhin konservativ interpretieren und dass sie die bestehenden Ausnahmeregelungen ausnutzen, welche meist eine Benachteiligung der Frauen zur Folge haben. Weil keine staatliche Kontrollinstanz existiert, übernehmen Frauenorganisationen das Monitoring von Präzedenzklagen und planen die Einrichtung eines «Observatoriums», um die Jurisprudenz systematisch zu beobachten, Gesetzesauslegungen zu beeinflussen und individuelle Klagen zu begleiten. Zentrale Themen sind dabei die Regelung des Sorgerechts für die Kinder bei Scheidung, die Durchsetzung des Heiratsverbots von Minderjährigen, die Alimentenzahlungen sowie Scheidungsprozesse. Im Unterschied zu Marokko wurde in Algerien das islamische Familienrecht 1959 von der französischen Kolonialmacht säkularisisert. Die säkulare Gesetzgebung wurde nach der Unabhängigkeit 1962 übernommen und galt bis in die 1970er-Jahre. 1984 wurde erneut ein auf der Scharia basierendes Regelwerk verabschiedet, welches Frauen rechtlich systematisch diskriminiert. Die Alltagsrealität und die politische Stimmung in Algerien sind geprägt vom jahrelangen Bürgerkrieg. Zivilgesellschaftliche Bewegungen – auch die Frauenbewegung – sind durch Ausnahmezustand und Versammlungsverbot geschwächt und in politischen Prozessen (noch) weniger präsent als in Marokko. Die Konfrontation mit und der Zweifel an den bestehenden staatlichen Strukturen und Institutionen schmälert das Vertrauen von NGOs und ihren AkteurInnen in Veränderungsmöglichkeiten. Trotzdem versuchen Frauenorganisationen, die rechtliche und soziale Besserstellung von Frauen wieder vermehrt auf die politischen Agenden zu setzen. So haben sich im Laufe des Jahres 2003 fünf Frauenorganisationen


Karawane der LDDF in der Region Rabat / Marokko. Bilder Stefanie Gass

unter dem Slogan «20 ans, Barakat!» (20 Jahre sind genug!) zusammengeschlossen, um eine neue Bewegung für die Reform des Familienrechts zu initiieren. Die nun seit 2003 tätige, von der Regierung etablierte und mehrheitlich konservativ zusammengesetzte Kommission zur Reform des Code de la famille zieht in Algerien keine unabhängigen Frauenorganisationen zur Beratung bei. Nach zweijährigen Verhandlungen über die Änderung einzelner Gesetzesartikel stimmten die Abgeordneten schliesslich abgeschwächten Reformvorschlägen zu: Das Heiratsalter für Frauen und Männer wurde auf 19 Jahre festgelegt – allerdings sind wie in Marokko Ausnahmen gestattet. Frauen erhalten das Recht auf Unterstützung durch den Mann und die Vormundschaft über die Kinder wird neu in der Regel der Mutter zugesprochen. Nicht angetastet wurden bei der jüngsten Reform die Notwendigkeit der Zustimmung eines männlichen Familienmitglieds zur Heirat von Frauen, die Polygamie, die Möglichkeit, Frauen zu verstossen sowie die Gehorsamspflicht von Frauen gegenüber ihren Ehemännern. Sowohl in Marokko wie in Algerien messen die Frauenorganisationen der rechtlichen Besserstellung von Frauen einen bedeutenden Stellenwert bei. An der Veranstaltung in Bern berichten Nadja Ait Zai, CIDDEF Algerien und Fouzia Assouli, LDDF Marokko, Expertinnen für Frauenrechte und Vertreterinnen von cfd-Partnerprojekten, über den heutigen Stand der Familiengesetze in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext und stellen zentrale Fragen zur Diskussion: Wie beeinflussen die heutigen Gesetze das Geschlechterverhältnis? Erweitert der neue Code de la famille in Marokko die Handlungsspielräume von Frauen im Alltag? Wie verlaufen die Reformbestrebungen in Algerien? Was sind die Möglichkeiten und Grenzen des rechtlichen Empowerment im

Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen und für die Veränderung des Geschlechterverhältnisses? Fouzia Assouli ist Juristin, Vorstandsmitglied der cfd-Partnerorganisation Ligue Démocratique pour les droits de la femme (LDDF) und Präsidentin des Centre d’information et d’observation des femmes (CIOFEM), dem Forschungszentrum der Ligue. Die LDDF ist eine der tragenden Organisationen in Marokko im Kampf gegen die (rechtliche) Diskriminierung der Frauen.

Fouzia Assouli wirft einen kritischen Blick auf die Entwicklungen seit Inkraft-Treten des neuen Familienrechts. So prägen denn auch die Organisation von Sensibilisierungskampagnen über das neue gesetzliche Regelwerk, das Agieren in nationalen und internationalen Netzwerken sowie die kontinuierliche und kritische Überwa>

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CFD ZU MAROKKO Veranstaltungen mit Nadja Ait Zai und Fouzia Assouli

Bern, Mittwoch, 26. Oktober, 18.15 Uhr, Universität Bern (Hauptgebäude, Zi 215) Gesprächsleitung: Dr. Erika Schläppi, Juristin. In Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Bern IZFG.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen der cfd-Veranstaltungsreihe:

Lausanne, Montag, 24. Oktober, 18,00 Uhr, Universität Lausanne (Bâtiment BFSH2) In Zusammenarbeit mit «Laboratoire interuniversitaire en Etudes Genre», Liège. Gesprächsleitung: Hélène Martin, Ethnologin, Liège. Zürich, Donnerstag, 27. Oktober, 19.30 Uhr, Volkshaus, Grüner Saal Gesprächsleitung: Ursula Keller, Ethnologin, Programmverantwortliche cfd. St. Gallen, Freitag, 28. Oktober, 19.30 Uhr, Archiv für Frauen- und Geschlechtergeschichte (St. Leonhardstr. 63). In Zusammenarbeit mit der Politischen Frauengruppe PFG, St. Gallen. Stefanie Gass, Migration & Kommunikation cfd, Ethnologin Der cfd ist eine feministische Friedensorganisation und aktiv in der Internationalen Zusammenarbeit, der Migrationspolitik und der Friedenspolitik. Er setzt sich ein für Gleichberechtigung und Gleichstellung im Zugang zu Ressourcen und zum öffentlichen Raum sowie zu politischer und gesellschaftlicher Partizipation. Der cfd fragt kritisch nach der politischen Funktion von Zuschreibungen über Geschlecht, Kultur und Herkunft. Weitere Informationen unter: www.cfd-ch.org.

chung der Implementierung des code de la famille sowie die dazugehörende Berichterastattung einen grossen Teil der aktuellen Tätigkeiten von Fouzia Assouli und der LDDF. Nadja Ait Zai ist Professorin für Arbeitsrecht an der Universität Algier, Mitglied des Collectif Maghreb Egalité sowie Mitbegründerin und Direktorin des Frauendokumentationszentrums CIDDEF (Centre d’Information et de Documentation sur les Droits de l’En-

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fant et de la Femme), einer Partnerorganisation des cfd. CIDDEF tätigt Grundlagenarbeit und führt eine Dokumentationszentrum und eine Fachbibliothek mit Schwerpunkt Frauen-, Kinder- und Menschenrechte. Dort erhalten politische und wissenschaftliche AkteurInnen Informationen und Materialien über Frauenrechte und Empowerment. Die Organisation pflegt nationale und internationale Netzwerke und organisiert Seminare und Weiterbildungen. Ihr oberstes Nahziel ist die Erlangung der vollen Rechtsfähigkeit der Algerierinnen. > STEFANIE GASS <


SQUATTERINNEN-FUSSBALL TURNIER 2005 IN BASEL

EIN ERLEBNISBERICHT DES FC ROTOR BETHLEHEM

SONNTAG 18. SEPTEMBER, 10 UHR MORGENS: Die SpielerInnen des FC Rotor Bethlehem treffen sich im Morgengrauen zum Powerkaffee im Küchenwagen. Nervosität mischt sich mit Zuversicht. Startrainerin J. aus Z. gibt letzte strategische Tipps. Noch ein Kaffee. Noch eine Zigarette, dann ist es Zeit. Der Mannschaftsbus der RotorianerInnen fährt los Richtung Basel. 13 UHR, BASEL VILLA ROSENAU: Gleich nach der Ankunft in der Villa Rosenau werden Stärken und Schwächen der gegnerischen Teams ausgecheckt. Der erste Eindruck scheint günstig: der grösste Teil ist immer noch gezeichnet von der Party des Vorabends und schleicht kleinäugig in und um die Villa Rosenau umher oder wärmt sich am Feuer auf. Dieser Anblick lässt im topfiten FC Rotor Bethlehem Siegeshoffnungen aufsteigen.

der FC Rotor niedergeschlagen zum Mannschaftsbus zurück. Irgendwo bellt das runde Leder. Zielsichere Pässe, ge- ein Hund. schickte Aufstellung, offensiver Spielstil. Daraufhin braucht der FC Rotor POST SCRIPTUM: Der Pokal bleibt übrigens auch dieses Jahr in Basel. erstmal ein Bier. Nachdem die VorjahressiegerInnen 15.40: ERSTES SPIEL DES FC ROTOR: vom 1. FC Rosenau im Halbfinale einer Anpfiff zum vierten Spiel. Der FC Rotor Luzerner Auswahl unterlegen waren, reisst sich Pullis und Jacken vom leib trug der FC 4056 Bastard aus Basel-St. und stürmt – in rotweissen Trikots und Johann im Finale den Sieg davon. Das unter «Bethlehem wird Meister»- Ge- nächste SquatterInnen-Fussballturnier brüll – das Spielfeld. Acht Minuten spä- wird somit wieder in Basel ausgetrater schleichen die 2:0 geschlagenen gen. Aufwiedersehen im 2007 in Bern RotorianerInnen kleinlaut vom Feld. Bethlehem!! Mehr Bier muss her. > FÜR DEN FC ROTOR BETHLEHEM: 17.02 UHR: VIERTES UND (FÜR DEN TICK, TRICK UND TRACK < FC ROTOR LETZTES) SPIEL: Ohne ein einziges Tor erzielt zu haben, tritt der FC Rotor sein letztes Spiel an. Der gegnerische FC SBB Hools drischt wahllos auf alles ein, was sich bewegt und lässt dem FC Rotor keine Chance – trotz kurzfristig eingekauftem Basler Flankengott. Die AuswechselspielerInnen des FC Rotor können diesem treiben nicht länger tatenlos zusehen. Kurz vor Spielende rennen die restlichen RotorianerInnen ungebremst aufs Feld, ersuchen das Ruder in letzter Minute herumzureissen. Doch jede Hilfe kommt zu spät: der FC Rotor Bethlehem verliert auch diesmal und scheidet – in jedem Spiel geschlagen – definitiv aus. Noch mehr Bier muss her.

14.33 UHR, BASEL, TURNIERGELÄNDE: Nach einem langen Fussmarsch ist das Spielgelände endlich erreicht. Alle ausser den BaslerInnen sind bereits völlig desorientiert: gehört das schon zur baslerischen Taktik? Misstrauisch klettert Mensch schlussendlich über den Zaun eines Schulsportplatzes, wo sich einige Übereifrige bereits gekonnte Pässe zuspielen. Den FC Rotor Be- 17.30 UHR: LES JEUX SONT FAITS: Die thlehem beschleicht ein mulmiges Ge- Sporttaschen sind gepackt, die letzten Biere getrunken. Für den FC Rotor ist fühl. das Turnier gelaufen. Der extra für den 15 UHR, TURNIERBEGINN: Die Bier- Pokal mitgebrachte Koffer bleibt leer. zapfhähne sind installiert, die letzten Ohne das Endspiel abzuwarten schlurft Sandwichs verteilt – es kann losgehen. Mit dem gellenden Pfiff einer Basler Trillerpfeife beginnt das erste Spiel. Die ersten zwei Teams liefern sich acht Minuten lang einen erbitterten Kampf um

(A.d.R.) Auf der Detailaufnahme deutlich zu erkennen: Bierbüchsen auf den Köpfen…???!!! So wundern wir uns natürlich über nichts und sagen: Toitoitoi fürs 2006 und trainieren, trainiern, trainieren…

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DEMOS AM 20. AUGUST 2005 GEGEN DEN RUDOLF-HESS-MARSCH IN WUNSIEDEL

NAZI-VERHERRLICHUNG STOPPEN DIE ANTIFASCHISTISCHE MOBILISIERUNGSKAMPAGNE GEGEN DEN RUDOLF-HESS-MARSCH IN WUNSIEDEL MACHTE IN DIESEM JAHR AUCH IN DER

SCHWEIZ HALT UND SO WAR ES SELBSTVERSTÄND-

LICH, DASS SICH AUCH CA. 40 ANTIFASCHISTINNEN AUS BERN UND LUZERN AUF DEN LANGEN WEG RICHTUNG BAYERN MACHTEN.

Infos, Hintergründe, Bilder, etc. zur Mobilisierung gegen den Rudolf Hess-Marsch: antifa-freiburg.de ns-verherrlichung-stoppen.tk nuernberg.kuhlewampe.de wunsiedel-ist-bunt.de tag-der-demokratie.de

Der diesjährige Marsch der Neonazis in Gedenken an den seit 1987 in Wunsiedel verbuddelten Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess war von verschiedensten Gerichten verboten worden, und so war ein nazifreies Wunsidel zu erwarten, denn die Nazis mobilisierten für Demos in verschiedenen Städten Deutschlands. Während einige wenige AnifaschistInnen den nicht stattfindenden Nazi-Marsch zum Ausschlafen nutzten, fuhren viele andere in Buskonvois nach Wunsiedel oder in Städte, wo Nazi-Aufmärsche befürchtet wurden. Kurz vor Wunsiedel wurden die verschiedenen Buskonvois aus Deutschland, der Schweiz, Holland und Frankreich von einem sich nett gebenden bayrischen Polizeiaufgebot gestoppt, mittelgründlich gefilzt und die Personalien aufgenommen (welche wohl über dunkle Kanäle den Weg ins heimische DAP finden werden..). Früh morgens in Wunsiedel angekommen, reihten sich die AktivistInnen in die Warteschlange der Bäckerei nahe des Kundgebungsortes und sorgten zusammen mit anderen AntifaschistInnen für den Rekordumsatz des Jahres. Unterdessen wurden 200 Meter weiter die Stände der bürgerlichen Gegenkundgebung aufgebaut – der «Tag der Demokratie», Wunsiedel sei bunt, nicht braun. Leider wurden die Stände v.a. von wahlkampffiebrigen Parteien betreut, was nicht gerade zum Verweilen lockte.

BLICK NACH RECHTS

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Zirka um 10.00 Uhr begann die offizielle Kundgebung der antifaschistischen Mobilisierung, Musik und Redebeiträge begrüssten die immer zahlreicher werdenden AntifaschistInnen. Eine Spontankundgebung von ca. 1000 AktivistInnen (Nazis am Bahnhof...!?) führte ein erstes Mal durch Wunsiedel und zu erster Nervosität bei den «Grünen». Die antifaschistische MotorradDemo des Motorradclubs «Kuhle Wampe» aus Nürnberg stiess auch bei überzeugten FussgängerInnen auf Begeisterung. Um 11.30 Uhr startete die offizielle antifaschistische Demonstration – etwa 2500 AntifaschistInnen mussten sich vor allem zu Beginn die kleinlichen Auflagen der bayrischen Einsatzkräfte anhören – entweder Sonnenbrille oder Kapuze, Transpis nur auf Brusthöhe (sonst können die armen PolizeifilmerInnen nicht arbeiten) etc. Der farbenfrohe Block aus Apartheidiland machte lautstark klar, dass auch in der Schweiz Nazis und andere VollidiotInnen unerwünscht sind. Auch die spalierlaufenden Ordnungskräfte kamen nicht ungeschoren davon und es war wohl von Vorteil, dass einige der CH-Parolen auf französisch waren – deutsche AktivistInnen wurden schon wegen harmloseren Parolen von der Polizei aus Demos geprügelt und wegen Beamtenbeleidigung angezeigt... Nach der Demo machten sich auch schon die ersten Gruppen auf, um nach Nürnberg weiterzufahren, um dort die antifaschistischen Gruppen zu unterstützen, welche den erwarteten Naziaufmarsch verhindern wollten. Nürnberg war neben Berlin und Magdeburg ein Ersatzort für den in Wunsiedel nicht bewilligten Rudolf-Hess-Marsch der Nazis. Die zurückgebliebenen AntifaschistInnen in Wunsiedel fuhren mit der Platzkundgebung fort, Musik, Redebeiträge und Vokü unterstützten die auf die Heim- und/oder Weiterreise War-

tenden. Gegen 14 Uhr zog die bürgerliche Anti-Hess-Marsch-Demo mit etwa 1500 TeilnehmerInnen durch Wunsiedel – für bayrische Verhältnisse wohl eine Sensation. Die späteren scheinheiligen Redebeiträge bürgerlicher und sozialdemokratischer Politiker stiess auf beherzte antifaschistische Pfiffe und Buhrufe. Gegen Abend machten sich die Busse aus dem Süden auf, um wieder gen Süden zu fahren. Immer bereit, sich allenfalls mit süddeutschen oder Schweizer Nazis zu prügeln, die auf dem Heimweg dieselben Routen benutzen oder auf denselben Raststätten pinkeln (igitt!!!) mussten. Alles in allem: nächstes Jahr (wieder) in Wunsiedel! Der Austausch mit deutschen Antifa-Menschen und -gruppen ist sinnvoll und bereichernd für beide Seiten – nicht nur während Grossmobilisierungen...! > ANTIFASCHISTISCHE AKTION, ABTEILUNG «KESS GEGEN HESS» <


Schweizer Teilnehmer, Wunsiedel 2004

NACHTRAG AUF DE.INDYMEDIA VOM 7. SEPTEMBER 2005 ZU WUNSIEDEL Schiesst die Nazis auf den Mond – das ist Raumfahrt, die sich lohnt! Am Sonntag, den 4. September, versammelten sich rund 100 Neonazis in Wunsiedel zu einer NPD-Kundgebung mit Demonstration, die als Ersatzveranstaltung zum in diesem Jahr gerichtlich untersagten Rudolf-HessGedenkmarsch abgehalten wurde. Bereits gegen Mittag versammelten sich Menschen auf der Gegenveranstaltung am Wunsiedler Marktplatz, sowie am gegenüberliegenden Stand der SPD. An diesen diversen Veranstaltungen und einem ökumenischen Friedensgottesdienst, der veranstaltet wurde, um den Neonazis den Raum rund um das Rathaus vorzuenthalten, beteiligten sich laut VeranstalterInnen rund 500 Menschen. Der Kundgebungsort der Neonazis am Bahnhof wurde weiträumig abgesperrt, AntifaschistInnen wurden in langwierigen und intensiven Personenkontrollen festgehalten und permanent mit mehreren Fahrzeugen der stark präsenten USK-Einheiten, Zivilpolizei und einem Polizeihelikopter verfolgt und audiovisuell begleitet.

An der gegen 14 Uhr gestarteten NaziDemonstration sollen 112 FaschistInnen teilgenommen haben. Die Demoroute verlief hauptsächlich im westlichen Teil Wunsiedels fernab des Grabes von dem NS-Kriegsverbrecher Rudolf Hess. Der lediglich ca. 20 Minuten dauernde Umzug konnte von je 20-50 Menschen, die ihren Protest gegen die FaschistInnen direkt an der Demoroute artikulierten, gestört werden. Aufgrund der weiträumigen Sperrungen versuchten ca. 15 AntifaschistInnen noch vor dem gesperrten Wunsiedler Friedhof dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess ihre antinationalen Grüsse zu übermitteln.

Trotz starker inhaltlicher Differenzen und auch am 4. September erneut laut gewordenen Diffamierungen von AntifaschistInnen gebührt den Menschen in Wunsiedel Respekt für ihre Bemühungen und es sollte klar sein: Wunsiedel braucht antifa antifa braucht Wunsiedel Es kann auf zahlreiche, lautstarke und gemeinschaftliche Proteste im August 2006 gehofft werden. de.indymedia 7.9.2005 http://de.indymedia.org/2005/09/127382. shtml

Ausblick

Die geringe Teilnahme von FaschistInnen an der NPD-Demo, die auf erschwerte Bedingungen zurückzuführen ist, kann mit Sicherheit positiv gewertet werden, dass jedoch von den ca. 2000 AntifaschistInnen, die am 20. August in Wunsiedel waren, nur 1 Prozent erneut nach Wunsiedel mobilisiert werden konnten um der Verherrlichung des Nationalsozialismus wenigstens den Protest auszusprechen, ist ein äusserst negatives Zeichen für eine antifaschistische Bewegung.

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PODIUM ZUR SVP-REITSCHULE-INITIATIVE

MIT KOPF & HERZ GANZ PFERD AUF EINLADUNG DER JUNGFREISINNIGEN DISKUTIERTEN SIMON GLAUSER (JSVP), BERHARD

EICHER (JFDP) UND SANDRO WIEDMER (FÜR DIE IKUR) UNTER DER MODERATION VON BERNHARD

GIGER (BZ) DIE INITIATIVE: «KEINE SONDERRECHTE FÜR DIE REITSCHULE».

KEINE ZUSAMMENFASSUNG, ABER IMPRESSIONEN VOM PODIUMSGESPRÄCH.

Neu, wichtig, cool! > Das neue RössliSujet gibts auch auf T-Shirts: Unterstützt uns, kauft ein Shirt... siehe Seite 46! > Am 28./29. Oktober gibts das grosse Reitschulefest, diesmal als Abstimmungsfest: das Programm dazu auf Seite 45.

Der überfüllte Raum im Käfigturm hätte eine spannende Diskussion erwarten lassen, hofften die zahlreichen ReitschülerInnen doch, ein Fünkchen Verstand in den Führungsrängen der JSVP erkennen zu können – damit wir mindestens den ideologischen Gegner Ernst nehmen können. Dass das Forum aber nicht die erwartete Erleuchtung brachte, ist nicht weiter verwunderlich, es demonstrierte dafür in aller Brutalität das gegenseitige Unverständnis der Initianten und der Gegner – wenn auch in unterschiedlichen Punkten. Nicht mal die wiederholte Aufforderung des Jungfreisinns an die Junge SVP, mal mit den ReitschülerInnen das Gespräch zu suchen, würde etwas ändern. Wenn wir uns denn wirklich die Zeit nehmen wollten…, vielleicht ist es doch einfacher, alle paar Jahre die Strickanleitung zum Wahlkampf auszupacken. Den ZuhörerInnen wurde eine geballte Ladung Saubermann-Ästhetik a.k.a. Glausers Gefasel, neben vernünftig juristisch-buchhalterischer Argumentation a.k.a. Eichers Credo, zurückhaltende Moderation seitens des BZ-Journalisten Bernhard Giger und reinen Wein von einem ders wissen muss, zumindest der einzige der Runde, der sich regelmässig in der Reitschule bewegt, präsentiert. Ironischerweise hätte das Podium auch ohne die Anwesenheit von ReitschülerInnen geführt werden können, denn um die Sachlage gehts ja eh nicht. Ein enga-

AUS GUTEM HAUSE

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gierter Gegner der Iniatitive hätte somit angehen, dass aber selbst der Ausbrügereicht, wenn kümmerten schon die ter der Initiative keine klare Aussage Argumente... machen kann, lässt mich darüber wundern, mit welchen Argumenten denn die über 5000 Unterzeichnenden belabRUNDUMSCHLAG bert wurden. Oder waren sie schlicht Ausser bei der Kohle, da können geblendet von seinem Charisma? sich die lahmsten Gemüter erhitzen, Sicher war einzig, dass mit der Initiative und so erstaunt es nicht, dass die erste der Reitschule geschadet werden sollFrage «den Zahlen» galt (der konsu- te, und die SVP lässt da bekanntlich mierten Menüs? Der unvergesslichen nichts unversucht. Konzerte? – natürlich nicht, gemeint sind immer dieselben; die Sprache der DEMOKRATIE? harten Devisen als einzig Gemeinsame?) und ob wir denn mit der VeröffentJetzt wo die Unterschriften gesamlichung unserer Jahresrechnung unse- melt sind, soll auch darüber abgere Aufgaben erledigt hätten. Die Frage stimmt werden können – so stellt sich grenzt an Hohn, denn nicht das Veröf- Glauser als Verfechter der direkten Defentlichen einer Buchhaltung, sondern mokratie hin. Dies lässt an Selbsteindas alltägliche Organisieren, Bedienen, schätzungsdefizite denken. Sicher, dies Auf- und Abbauen, etc. usw.… betrach- ist unter PolitikerInnen keine Seltenten wir als unsere Aufgabe. heit. Das Geplänker zwischen den JungDer Politiker mit fragwürdigem Sinn parteien, wer sich jetzt mit der Profür Humor rasselte zwar die Argumen- oder Kontraposition auf wessen Kosten te der Initiative runter (diezahlenkeine- profilieren wolle, führte dies ein weitesteuerngebührenabgabenmiete-amen), res Mal den Anwesenden vor… interessant wurde es aber erst, als die Diese verbale Ausrutscherei ist wahren Motive durchdrangen: Glauser überspitzt formuliert der einzige Grund, offenbahrte, dass er grundsätzlich mit sich diesem Abstimmungskampf zu dem Leistungsvertrag nicht einverstan- weiterhin stellen, denn in der Tat geht den sei, und ihm daher jedes Mittel es nicht um Monetäres, sondern um recht, diesen zu bekämpfen, na logo. den Kulturbegriff, der, mindestens für Zwar lobte er sogar unser Kulturpro- uns, linke Politgruppen, Verpflegung gramm, legte aber mehr Gewicht in die und Werkstatt miteinschliesst. Kritik, dass in der Reitschule sich auch Der liebe Herr G. sieht sich umringt die ach so gefährliche Antifa, das Anti- von linken, alternativen Kulturzentren, WTO Bündnis, ein BagR und andere Po- und IKUR-Vertretung im Stadtrat, und litgruppen, die ihm weder namentlich die Reitschule solle doch für ein breitenoch inhaltlich geläufig sind, aufhalten. res Publikum veranstalten, damit er Auf die Frage der Jungfreisinnigen, öfters diesen Ort aufsuchen könne. Im weshalb sich die Initiative denn nicht Klartext heisst wohl mehr das Maingegen diese Gruppierungen richtet, stream-Matsch, so reproduzierbar wie gibt Glauser offen zu, dass sie es ja die Bilder, die er für ein Ausgehmagaschon dreimal versucht hätten und ge- zin schiesst und auch auf seiner Webscheitert seien. Daher jetzt ein Rund- seite publiziert. Wie gut, dass wir nun umschlag gegen die Reitschule. Später wissen, wie wir uns den Glauser fernmeint er, es sei trotzdem kein grund- halten können. sätzlicher Angriff gegen die Reitschule, es geht ja nur um den Leistungsver> LAS < trag… Dass weder uns noch der Stadtverwaltung die Konsequenzen bei Annahme der Initiative klar sind, mag ja


DAS 58. INTERNATIONALE FILMFESTIVAL IN LOCARNO

ANTEIL HABEN AUS DER FERNE UND VERHARREN IM STARREN EIN INDIFFERENTER MENSCH HAT KEINE ODER

VERSAGT SICH EINE EIGENE MEINUNG, BILDET

SICH KEIN URTEIL UND BEWERTET NICHTS. SEIN DENKEN IST GEWISSERMASSEN «EGOZENTRISCH»,

JEDOCH NICHT AUS BOSHEIT. DER INDIFFERENTE «BEKOMMT NUR WENIG MIT» UND BEMERKT NUR DAS, WAS IHN DIREKT INTERESSIERT. ALLES ANDERE «GEHT AN IHM VORBEI.»

* höre DRS2 vom 5.8. 2005 um 9.00 Uhr, www.drs2.ch

Das Angebot am diesjährigen internationalen Filmfestival in Locarno war wie immer überladen. Das ist so üblich an Festivals. Die Flut der Auswahl endet erst nach dem Festival. Für die fantasierte Realität bot das Festival eine Riesenfläche. Das ist praktisch, weil die Bilderflut einen doch betreffen könnte. Es wurde einem auch einfach gemacht, nicht denken zu müssen, und damit in der Betroffenheit hängen zu bleiben. «Nine lives» von Rodrigo Gracía, der den goldenen Leopard gewann, war ein praktischer Film. Er zeigte Schlüsselerlebnisse von neun Frauen auf. In diesen Momenten blieben sie, die Frauen, so wie sie sein sollten, sozusagen handlungsunfähig, sozusagen in der Selbstzerstörung verhangen, sozusagen dienend.

Draussen im Blau sprang ich in den See, die Bilder blieben auf dem Wasserspiegel liegen. Wie wärs mit einem Kaffee? Oder doch noch ein Film? Darüber vergingen die zehn Sonnentage.

Zusammenhangs zwischen Rechtsextremismus und seiner steigenden Akzeptanz einerseits und der Verterrorisierung der Linken Szene andererseits. Auch die Darstellung des Vorfalls in * und dessen, was in der Nähe Thun MEHR UND WENIGER passierte, wurde unzusammenhänVERTRÄGLICH gend und oberflächlich porträtiert – Die afrikanischen Kurzfilme waren und dies auch noch im nachgeahmten eine Überraschung. Vielfältig und gut Michael Moore-Style. erzählt. Ein Reisen durch einen Kontinent. Frisches Wahrnehmen und HuGROSSZÜGIGES ANGEBOT morvolles umsetzen. Man konnte sich AN ANTEILNAHME berühren zulassen. Das tat gut. «White Terror» von Daniel SchweiIm Human Rights-Programm wurzer verschloss sich dieser Verträglich- den gute und informative Filme gezeigt, keit. Die Länge dieser unangenehmen die in simplem Erzählmuster vermittelDarstellungen rechtsextremer Gewalt, ten, dass die Welt böse, korrupt und deren Zuwachs und Verankerung in der voller Ungerechtigkeiten ist. Politik und bei der Polizei genügte mir «artikel 61», ein Dokumentarfilm nach kurzer Zeit. über Männer mordende Frauen im Irak, Lang war der Film, und trotzdem liess einen wieder bewusst werden, das fehlend die Erläuterungen des direkten >

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OHNE ZYRIAB KEIN JIMMY – SCHEIBEN VON MICH GERBER Da ich noch keine markanten musikalischen Tendenzen im neuen Jahrtausend ausmachen kann, liegt mir im Moment eher die zeitlose Musik am Herzen. Zum Beispiel die Klänge der arabischen Oud: Sie ist die Vorläuferin der europäischen Laute und heutzutage immer noch in fast allen orientalischen Kulturen präsent. Die Wurzeln der Oud reichen weit zurück, in die Zeit vor 3500 Jahren in Mesopotamien. Das Instrument breitete sich rasch aus und erreichte im frühen Mittelalter durch den persischen Poeten und Musiker Zyriab den Hof von Córdoba, Spanien, und von dort aus ganz Europa. Durch leichten Umbau wurde sie zur Laute, dem wichtigsten Musikinstrument des europäischen Mittelalters. Und später mutierte sie zur Guitarre. So könnte man sagen, dass die gesamte Guitarrenkultur eigentlich, wie so vieles, aus der orientalischen Welt stammt. Ohne Zyriab kein Jimmy.

genden OudspielerInnen. Für mich ist der grosse, alte Meister der Munir Bashir aus Bagdad. Ich höre oft und gerne sein Solospiel, das mich durch seine eindringliche Konsequenz an die Solosonaten von Bach erinnert. Es ist erstaunlich und faszinierend, wie eine einzige Linie so viel Melodie, Rhythmus und Emotionalität enthalten kann. Die Musik ist ruhig und bewegt zugleich. Einsam und gesellig, weder alt noch neu. Zeitlos eben. Die Musik ist auf zahlreichen CDs festgehalten. Nebst den üblichen Onlineshops sind Informationen, Hörbeispiele und Bestellmöglichkeiten sind unter http://www.maqam.com/ zu finden. Leider gibt es auch einige Aufnahmen, die teilweise vergriffen und schwierig zu finden sind. Darum empfehle ich eine tolle Webseite mit vielen raren Musikbeispielen: http://www.mikeouds.com/rare.html.

Die Oud kommt am schönsten zur Geltung, wenn sie solo gespielt wird. Es gibt eine riesige Vielzahl von hervorra-

Frauen keine Rechte haben. Dass Frauen nicht «ehrenhaft» morden können und – im Gegensatz zu den Männern – zur Todesstrafe verurteilt werden, wenn sie sich gegen Männergewalt wehren. Wie auch dieser Film bieten die andern im Programm kaum Denkanstösse. Das meiste schon bekannt. Die sich selbst in die Erzählung projizierende Anteilnahme gab den ZuschauerInnen aber doch die Möglichkeit, Anteilnahme zu empfinden. Die Männer und das System dort sind ja auch so viel schlimmer denn hier bei uns… Die Erzählungen werden meist in einer Quasirealität vorgelegt, so dass die Handlungsstruktur in die Paralellstruktur übernommen wird. Das Drama findet vor uns statt und nicht in uns, und das macht es so erträglich. «Between the lines» von Thomas Wartmann, ein Film über das dritte Geschlecht, ist ein netter Film über das dritte Geschlecht. Diejenigen zwischen den Geschlechtern werden als

KULTUR ET ALL

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> MICH GERBER <

handlungs- und forderungsunfähig dargestellt. Die Organisierten des dritten Geschlechts werden nicht erwähnt, es bleibt der Eindruck von weiteren armen Opfern irgendwo. «In progress», das Videokunstfilmprogramm ging da andere Wege. Die Irakerin Mania Akbari war mit ihren sechs Videoperformances in eine Handlungsfähigkeit getreten , die echt gut tat.

Im Allgemeinen boten die Filme mit kürzeren Zeiten viel gute Unterhaltung ,die zu regen Gesprächen führten. So gesehen, ist das Gesehene in seiner Vielfalt so, dass die Wirkung der Erzählungen in seiner Vielfalt von den Sehenden so oder so wahrgenommen werden kann. > UVM <


GEORGES ABOLIN, OLIVER PONT: JENSEITS DER ZEIT

FREUNDSCHAFT, DIE DIE ZEITEN ÜBERDAUERT DIE SONNE BRENNT HEISS AUF DIE LIGURISCHE

ERDE, ALS 1906 DER ZEHNJÄHRIGE WILLIAM BAT-

Hier im kleinen italienischen Dorf will die Familie im ererbten Haus ein neues Leben beginnen. Doch die Dorfbewohner begegnen den Neuankömmlingen mit Misstrauen und Ablehnung. Nicht zuletzt, weil Williams Vater im grossen Stil Fischfang betreiben will und damit die Existenz der einheimischen Fischer beroht. Nur der Aussenseiter Francesco freundet sich mit den Batleys an. Ebenso Francescos Tochter Lisa und deren Freunde Nino und Paolo. Fortan streifen die vier gemeinsam durch die karge Gegend, schwimmen im Meer und erleben mit Hilfe von Lisas Beschwörungsformeln und einer fragwürdigen Tabakmischung eigenartige Tagträume. Die Beziehung zwischen den Vieren festigt sich noch mehr, als sich herausstellt, dass alle am gleichen Tag Geburtstag haben. Inzwischen nähert sich die Stimmung im Dorf dem Siedepunkt. Erst wird ein Anschlag auf Vater Batley verübt, dann brennt plötzlich sein Fisch-

kutter, bis schliesslich ein brutaler Mord geschieht. Zwanzig Jahre später treffen die vier in Istanbul wieder zusammen. Lisa hat die Freunde gerufen, um mit deren Hilfe ihren in Costa Rica verschwundenen Geliebten wieder zu finden. Trotz aller Skepsis begleiten die alten Kumpel Lisa auf ihrer abendteuerlichen Reise. Im Dschungel von Costa Rica finden sie schliesslich nicht nur den verlorenen Geliebten, hier wartet auch der Ursprung ihrer eigenartigen kollektiven Träume.

WARME ERINNERUNGEN Letztes Jahr erschien «Jenseits der Zeit» in Frankreich. Der Band schaffte es im Heimatland der beiden französischen Comix-Superstars Georges Abolin (Erzähler) und Oliver Pont (Zeichnungen) gleich auf die Bestseller-Listen. Dieses Jahr erschien das 192 Seiten starke Buch auch auf Deutsch. Der Band vereint zwei Teile: Während «Italien» den Sommer der vier Kinder beschreibt, handelt «Costa Rica» von den erwachsen gewordenen Freunden.

Nichts schmälert die Freude am ersten Teil; Bild und Inhalt stimmen geradezu perfekt überein. Auch dramaturgisch lässt die Geschichte keine Wünsche offen: Actionreiche Dramen wechseln mit zarteren Stimmungen ab. Das macht vor den Charakteren nicht halt: So ist bei aller Freundschaft stets auch eine Spur Eifersucht mit ihm Spiel. Gegenüber dieser geballten Ladung Poesie ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass der zweite Teil etwas abfällt. Die Beziehung der vier basiert auf einer Freundschaft, die von Erinnerungen zerrt. Und auch wenn Lisa in ihrem verlorenen Liebhaber den Fünften im Bunde sieht: Er wird keineswegs Teil der Gruppe. Schwächer ist dieser Teil aber auch, weil die Pointe – es geht letztlich um Tod und Wiedergeburt – etwas abgehoben ausfällt. Trotzdem: Spannend bleibt die Geschichte allemal, schön anzusehen ist sie sowieso. Am Schluss des Buchs vor allem eine warme Erinnerung haften – an heisse Tage in Ligurien. > CDK <

1-2KINO 3-5 DACHSTOCK 6 SOUSLEPONT 7-8 TOJO 9 FRAUENRAUM 10 ABSTIMMUNGS KAMPAGNE

TRIFFT.

PROGRAMM

LEY MIT SEINER FAMILIE IN BARELLITO EIN-

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KINO

KARIN KAPER, DIRK SZUZSIES, D/BELGIEN 2004, 90 MIN., DVD, OV/D (IN ANWESENHEIT VON KARIN KAPER UND DIRK SZUZSIES AM 28. UND 29. OKTOBER)

RESIST! TO BE WITH THE LIVING

DONNERSTAG BIS SAMSTAG, 27.-29 OKTOBER, JE 21.00 UHR

JACQUELINE VEUVE, CH 2005, 90 MIN., F/D

LA NÉBULEUSE DU COEUR

DONNERSTAG BIS SAMSTAG, 20.-22. OKTOBER, JE 21.00 UHR

DOKUMENTARFILME IM OKTOBER

WIM WENDERS, D/USA/F/UK/KUBA 1999, 105 MIN., OV/D/F

BUENA VISTA SOCIAL CLUB

SAMSTAG, 15.OKTOBER, 21.00 UHR SAMSTAG, 8. OKTOBER, 21.00 UHR

WIM WENDERS, F/BRD 1984, 147 MIN., OV/D/F

PARIS, TEXAS

FREITAG, 7. OKTOBER, 21.00 UHR DONNERSTAG, 13.OKTOBER, 21.00 UHR

WIM WENDERS, BRD 1976, 170 MIN., DT. OV, S/W

IM LAUF DER ZEIT

DONNERSTAG, 6. OKTOBER, 20.30 UHR FREITAG, 14. OKTOBER, 20.30 UHR

WIM WENDERS ZUM 60.

FILM- UND BILDDOKUMENTATION MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG, VON PAED CONCA

MIGRATON

SAMSTAG 1. OKTOBER, AB 21.00 UHR

megafon Nr. 288

PROGRAMM

Zuerst waren es Stummfilme aus den 1920er-Jahren (der Mann mit der Kamera von Oziga Vertov aus dem Jahre 1929, Nosferatu von F.W. Murnau aus dem Jahre 1922, die Mutter von Vsevolod Pudovkin aus dem Jahre 1926) die Paed Conca für das Kino in der Berner Reitschule vertonte. Letztes Jahr diente ihm Archivmaterial zum Bau der Berner Lorrainebrücke, 1927 fertiggestellt, als Kompositionsvorlage und diesen Januar hat er die Komposition «Migraton», für die der Filmemacher Giorgio Andreoli und Paed Conca das Bildmaterial zusammengestellt haben, aufgeführt. Die Komposition, eine Auftragsarbeit für das Amt für Kultur, wurde von Paed Conca im letzten Jahr geschrieben. Das Bildmaterial setzt sich mit der Thematik Migration auseinander und ist eine chronologische Collage aus Dokumentarfilmmaterial und Spielfilmsequenzen. Beachtung verdient die Tatsache, dass die Montage des Filmmaterials und der Kompositionsvorgang Hand in Hand liefen. Das Resultat ist also keine herkömmliche Filmvertonung. Bei «Migraton» ist die Musik gleich wichtig wie das Bild.

FILM- UND BILDDOKUMENTATION MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG. KOMPOSITION VON PAED CONCA. MUSIKER: PAED CONCA, MICHAEL THIEKE, FRANK CRIJNS, FABRIZIO SPERA VERWENDETE FILM- UND BILDDOKUMENTE: ∫TRIUMPH OF IRONª (CH 1998), ∫DIE LETZTE CHANCEª (CH 1944/45), ∫DAS BOOT IST VOLLª (CH 1980), ∫LAMERICAª (I 1994), ∫TARIFA TRAFFICª (CH/D 2003), ∫FLUCHTLANDª, ∫ABREISE DER ITALIENER IN DIE FERIENª (1960), ∫DER LANGE ABSCHIEDª, FOTOGRAFIEN, DIETER BACHMANN, LIMMAT VERLAG, ZÜRICH 2003.

MIGRATON

SAMSTAG 1. OKTOBER, AB 21.00 UHR

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Wenders schlafloser Held, der am Anfang des Films zunächst stumm und scheinbar ohne Gedächtnis quasi vom Wilden Westen ausgespuckt wird, heisst Travis. Nachdem er halb verdurstet zusammengebrochen ist, kontaktiert der behandelnde Arzt seinen Bruder Walt, der seit vier Jahren nichts mehr von Travis gehört hat. Walt kommt von L.A. nach Texas geflogen, um seinen Bruder abzuholen, doch die Annäherung zwischen den beiden ist schwierig. Immer wieder büchst Travis aus, er scheint versessen darauf zu sein, zu einem öden Stück Land zu gelangen, dass er per Post gekauft hat: Ein Grundstück in der Stadt Paris, Texas. Kein rasantes Roadmovie aber höchste Sensibilität in der Handlung und unaufdringliches Zusammenspiel zwischen der Musik von Ry Cooder und den erlesenen Bildern von Robby Müller sowie der darstellerischen Leistung von Harry Dean Stanton und Nastassja Kinski.

WIM WENDERS, FRANKREICH/BRD 1984, 147 MIN., 35MM, OV/D/F. MIT: HARRY DEAN STANTON, AURORE CLÉMENT, NASTASSJA KINSKI; MUSIK: RY COODER

PARIS, TEXAS

FREITAG, 7. OKTOBER, 21.00 UHR FREITAG, 13.OKTOBER, 21.00 UHR

ren repariert, findet Robert nicht nur trockene Kleider, sondern durch dessen Freundschaft auch einen Neubeginn. Auf ihrer Reise in Brunos altem Möbelwagen entlang der deutsch-deutschen Grenze reden sie über Sehnsüchte, Frauen, Einsamkeit und Jugenderinnerungen. Sie erkennen – im Lauf der Zeit – welche Möglichkeiten noch vor ihnen liegen… Der «Easy Rider» des deutschen Films erhielt 1976 den Preis der Internationalen Filmkritik in Cannes, den Goldenen Hugo in Chicago sowie das Prädikat: Besonders wertvoll! Das poetische Road-Movie zählt zu Wenders schönsten Filmen.

PARIS, TEXAS

Eine Reise ins Herz – poetisch, ergreifend, grausam, ironisch, ja sogar manchmal zynisch. Sie führt uns ins Herz der Filmemacherin Jaqueline Veuve, zeigt ihre Sorgen, ihre Freuden, ihre medizinischen Probleme. Ein PaceMaker muss ihr eingesetzt werden, was sie veranlasst, weit, sehr weit in die Herzen anderer vorzudringen: Christus und die «Sacré Cœur», die unglaubliche Geschichte rund ums Herz von Louis XVII., Menschen nach einer Herztransplantation – wie lebt man mit dem Herzen eines andern? Eine Reise auch ins Museum der Herzen: Liebeskissen, Herzen von Heiligen und von Jungfrauen, Herzen aus Wachs, aus Zucker, aus Gold; zum Metzger: Rinder-,

JACQUELINE VEUVE, CH 2005, 35MM, FARBE, 90 MIN., F/D

LA NÉBULEUSE DU COEUR

DONNERSTAG BIS SAMSTAG, 20. BIS 22. OKTOBER, JE 21.00 UHR

Buena Vista Social Club ist nicht nur ein reiner Musikfilm. Er zeigt sehr einfühlsam, aber nie zu aufdringlich die verschiedenen Persönlichkeiten der Musiker. Des weiteren kommt die marode Stimmung, die Havanna ausstrahlt in phantastischen Bildern mit tollen Farben rüber.


RESIST! TO BE WITH THE LIVING

Robert setzt seinen Käfer mit Vollgas in die Elbe. Eine Sandbank vereitelt allerdings den halbherzigen Selbstmordversuch. Bei Bruno, der in Kleinstadtkinos Projekto-

WIM WENDERS, BRD 1976, 170 MIN., 35MM, DT. OV, S/W. MIT: RÜDIGER VOGLER, HANNS ZISCHLER, LISA KREUZER

IM LAUF DER ZEIT

DONNERSTAG, 6. OKTOBER, 20.30 UHR DONNERSTAG, 14. OKTOBER, 20.30 UHR

Im August ist er 60 geworden. Der deutsche Regisseur, Wim Wenders, der über ein Studium der Medizin und Philosophie über die Fotografie und Malerei zum Film fand, 1989 einen Ehrendoktortitel der Pariser Sorbonne erhielt und seit 1993 neben seinen Regietätigkeiten als Professor an der Hochschule für Fernsehen und Film in München lehrt. Mit einer ganz kleinen Reihe erweist das Kino in der Reitschule Wim Wenders die Ehre. Der Filmzyklus spannt einen grossen Bogen um Wenders Gesamtwerk. Wieder einmal darf Mann und Frau sich freuen, den Freuden und Leiden einer Männerfreundschaft zuzusehen, die Im Lauf der Zeit zwischen Bruno (Rüdiger Vogler) und Robert (Hanns Zischler) entsteht. Im Lauf der Zeit (1976) ist aber nicht nur eine Geschichte über männliche Unzulänglichkeiten, Hoffnungen und Begierden, es ist eine feine Studie über die Abrechnung mit verkrusteten gesellschaftlichen Strukturen und eine von sanfter Trauer und leichtem Humor getragene Reise in eine vielleicht bessere Zukunft. Nicht zuletzt ist Im Lauf der Zeit auch eine Auseinandersetzung mit Film schlechthin: Eine Würdigung an alle «FilmoperateurInnen und KinobesitzerInnen der Welt». Diese stillen ArbeiterInnen sind es nämlich, die in Wenders Film über die «Kunst des Sehens» philosophieren. Weiter geht’s ins amerikanische Paris, Texas von 1984. Ein Roadmovie der besonderen Art mit einem unvergesslichen Soundtrack von Ry Cooder. Die kleine Wenders-Reihe endet schliesslich im Jahre 1999 in Kuba mit der legendären Band Buena Vista Social Club. Einer der Protagonisten des Films, Ibrahim Ferrer, ist im August im Alter von 78 Jahren gestorben. So wird dieser Zyklus zum 60. Geburtstag von Wim Wenders gleichzeitig eine Hommage an einen begnadeten kubanischen Sänger.

3 MAL WIM WENDERS ZUM 60.

Wim Wenders hat dem Buena Vista Social Club einen lebhaften Dokumentarfilm gewidmet. Der Buena Vista Social Club ist ein Club wunderbarer alter kubanischer Herren, die ihre Liebe zur Soul-Musik bei bester Laune gehalten hat. Vollblutmusiker Ry Cooder hat sie, Ruben Gonzales, Compay Segundo und Ibrahim Ferrer sowie ihren Musikerkollegen Eliades Ochoa für seine Aufnahme von Buena Vista Social Club aus dem Rentnerdasein geholt. Und Wim Wenders hat sie gemeinsam mit den Kameramännern Jörg Widmer und Robby Müller beim Proben, im Studio, bei Auftritten in Europa und USA, wo sie staunend durch die Strassenschluchten wandeln und natürlich in ihrer Heimat, z.B. zu Hause im Wohnzimmer, beobachtet.

WIM WENDERS, D/USA/F/UK/KUBA 1999, 105 MIN., 35MM, OV/D/F, FARBE. MIT: IBRAHIM FERRER, LUIS BARZAGA, RY COODER, JUAN DE MARCOS GONZALES, CARLOS GONZALES, RUBEN CONZALES, U.A.

BUENA VISTA SOCIAL CLUB

SAMSTAG, 15.OKTOBER, 21.00 UHR SAMSTAG, 8. OKTOBER, 21.00 UHR

BUENA VISTA SOCIAL CLUB

Das Kino in der Reitschule zeigt im Rahmen des Abstimmungsfestes, das am 28. und 29. Oktober in der Reitschule stattfindet, den Film «Resist – to be with the Living». Seit mehr als fünfzig Jahren reist das legendäre Living Theatre um die Welt, um Zeichen zu setzen und politisches Bewusstsein zu schaffen. Die Berliner Film- und TheaterregisseurInnen Karin Kaper und Dirk Szuszies, die am 28. und 29. Oktober im Kino anwesend sein werden, begleiten in seinem Film Resist! die charismatische Gründerin des Living Theatre Judith Malina und ihre Gruppe zum G8-Gipfel in Genua, auf die Strassen von New York nach den Anschlägen vom 11. September und nach Khiam, dem berüchtigten ehemaligen Strafgefangenenlager der israelischen Armee im Südlibanon. Das Living Theatre ist immer mittendrin und widmet sich den brennenden Fragen der Gegenwart! Es beginnt mit Bildern vom Ground Zero am 16. September 2001: Der Ort des schrecklichsten Terroranschlags der Welt ist zu einem Symbol der Bedrohungen durch den weltweiten Terrorismus geworden und zugleich zu einem Mahnmal der Ohnmacht, diesem Phänomen zu begegnen. Die Reaktionen der USA mündeten schliesslich in zwei Kriege gegen Länder der so genannten Dritten Welt und setzten eine absurde Spirale aus Gewalt und Gegengewalt in Gang – gegen zum Teil erheblichen Widerstand. Wie so häufig an den Brennpunkten und Krisenherden der Welt, so war es auch hier eine Gruppe, die den Widerstand der einfachen Leuten vor allem in künstlerischer Form leistete – das legendäre Living Theatre. Inmitten all der Bekundungen von aggressivem Nationalismus und Militarismus setzten sie mit ihrem Theaterstück Resist Now! ein trotziges Fanal gegen die Politik des «Auge um Auge, Zahn um Zahn».

KARIN KAPER, DIRK SZUZSIES, D/BELGIEN 2004, 90 MIN., DVD, OV/D

RESIST! TO BE WITH THE LIVING

REITSCHULE-FEST 2005

DONNERSTAG BIS SAMSTAG, 27. BIS 29 OKTOBER, JE 21.00 UHR

Kälber-, Hühner- und Wachtelherzen; zum Chirurgen, der Herzen verpflanzt, und zum Gärtner, der Baumherzen transplantiert. Die Reise endet im «Palais des glaces», wo ein Gedicht uns einlädt, unser Herz zu verschenken.


DACHSTOCK

ATTILA THE STOCKBROKER

ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE BROTHERS ( VO O D O O R H Y T H M / B E ) √ PLATTENTAUFE! THE LEGENDARY KID COMBO ( I TA LY ) SIDESHOW STEPHEN ( C H ) DJ'S: JACK LA MENACE ( C H ) , THE PORNOSTUNTMAN ( C H )

FREITAG, 14. OKTOBER, 22.00 UHR

ATTILA THE STOCKBROKER & BARNSTORMER ( U K ) SUPPORT: ADMIRAL JAMES T. ( C H )

SAMSTAG, 8. OKTOBER, AB 22.00 UHR

megafon Nr. 288

PROGRAMM

Ein junger John Baine, der im Brighton der 1970er Jahre durch den Miners Strike und Musik politisiert wurde, sah 1977 seine Überzeugung, dass Musik und ihre Botschaft, die so oder so politisch ist, eine Einheit darstellen, am legendären Konzert von The Clash im Rainbow Theatre in London bestätigt. Angezogen vom DIY-Credo der frühen Punkbewegung, begann er die Bühne zwischen Punkkonzerten zu stürmen und seine ersten Gedichte und Lieder zum Besten zu geben, was ihm sofort breite Aufmerksamkeit bescherte. Mit einem Dolmetscher-Diplom in der Tasche, arbeitete er während elf Monaten als Übersetzer an der Börse – wie er stolz erklärt sein einziger regulärer Job bis anhin, «and it sucked!» –, woher auch sein seltsamer Name für einen kommunistischen Poeten, Liedermacher, Musiker und Satiriker stammt, als der er sich seither seinen Lebensunterhalt verdient. Als wären der scheinbaren Widersprüche nicht genug, ist er auch erklärter Fussbalfan, und hat sich als solcher kräftig gewehrt, als ein Spekulant seinem Fussballteam Brighton & Hove Albion buchstäblich den Boden unter dem Stadion wegkaufte, indem er aufrief: «Fussballfans aller Clubs und Länder, vereinigt euch!». Denn es kann nicht sein, dass Kapitalisten der arbeitenden Schicht auch noch den Fussball wegnehmen, wie es nicht sein kann, dass die reichsten Länder der Erde die ärmsten weiter bis aufs Blut aussaugen, mächtige Nationen ihre militärische Gewalt einsetzen, um unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit Entwicklungsgebiete zu erobern, deren natürliche Ressourcen für ihre Wirtschaft dienstbar zu machen. Mit anderen Worten, Attila setzt sich gegen die kleinen wie die grossen Ungerechtigkeiten, nebenan wie in der grossen, globalisierten Welt, mit klaren Worten ein, dabei die Wut mit Humor paarend, aufrüttelnd und durchschüttelnd.

(CH)

ATTILA THE STOCKBROKER & BARNSTORMER ( U K ) SUPPORT: ADMIRAL JAMES T.

SAMSTAG, 8. OKTOBER, 22.00 UHR

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(REPHLEX, KLEIN

Für das Album «Tapping the Conversation» (1997), einen gemeinsam mit DJ Vadim produzierten, Francis Ford Coppolas Film «The Conversation» (1974) mit Gene Hackman als Abhörspezialisten nachempfundenen, imaginären Soundtrack für das New Yorker Label Wordsound produziert, nahm Kevin Martin den Namen «The Bug» (umgangssprachlich für ein Abhörmikrophon) an. Sein Instrument, das Saxophon, mit dem er das neunköpfige Projekt God gefrontet hatte, gleichzeitig mit dessen Auflösung beiseite legend, verfrachtete K-Mart, wie er sich gelegentlich auch nennt, seine musikalische Schaffenswut vermehrt auf den elektronischen Bereich, mit ex-Godflesh-Kopf Justin Broadrick als Techno Animal, Ice und The Curse Of The Golden Vampire musikalische Gefilde von Industrial über Dub, Hip Hop und Drum’n’Bass ins Extreme treibend, seine Vorliebe für den Mega-Bass und schon fast terroristische Lautstärken auslebend. Unter dem Namen The Bug brachte er 2003 das Album «Pressure» auf Aphex Twin’s Rephlex-Label heraus (in Amerika auf Kid 606’s Tigerbeat 6-Label erschienen), mit welchem er sich im Verbund mit einer Reihe erlesener MCs anschickte, das Ragga-/Dancehall-Genre aufzumischen. Dem folgte letztes Jahr die EP «Aktion Pak», mit den lyrischen Stylees der Warrior Queen, und diesen Herbst

X/UK)

& RAS B., SUPPORT: KNIFEHANDCHOP ( T I G E R B E AT 6 / CA N ) , ROUND TABLE KNIGHTS & COBEIA

R E C O R D S , T I G E R B E AT 6 , R A Z O R -

THE BUG

SAMSTAG, 15. OKTOBER, 22.00 UHR

nehmen, sondern sich lieber darum tun, mit ihren unmoralischen Geschichten die Leute in Bewegung und zum kräftigen Bechern zu bringen. Vor allem wenn es darum geht, ihre neue Platte zu taufen.

THE BUG

Led Zeppelin, AC/DC, Black Sabbath und alle ins Zeitalter von Lightnin’ Bolt, Pelican, Don Caballero verfrachtet. Anders, ohne Beihilfe durch Pressevergleiche: Das mag als retro bezeichnet werden, weil ein Reichtum an Anklängen an die Musikgeschichte vorhanden ist, der belegt, dass der Rock’n’Roll auch schon bessere Zeiten erlebt hat; aber das ist heutige Musik, dem Alltag entsprungen und von Leuten zelebriert, die ihre Instrumente beherrschen, umzusetzen, was sie gerne hören würden, aber von anderen Bands, mit denen sie zuhauf verglichen werden, nicht zu hören bekommen. Und, wie nicht anders zu erwarten, spielen sie ihr Material mit Vorliebe live. Dies trifft sicher auch auf das Trio Krakatau aus dem Graubünden zu, welches sich ebenfalls im Rock-Idiom zu Hause fühlt, darin mit einem nicht weniger ungewöhnlichen Instrumentarium zu Werke gehend als Darediablo: Mit Bass-Klarinette und Electronics, Kontrabass und Electronics, und Drums schaffen die Bündner, was sie «Hochenergie-» oder «Überdruckmusik» nennen, eine kraftvolle Mischung aus freier Improvisation, Referenzen an Bestehendes, und dem Ausleben momentaner Eingebung: Ein waghalsiges Ballett am Kraterrand, dann ein genussvoll teuflischer Ritt auf dem Lavastrom ins Tal herunter.


SAMSTAG, 15. OKTOBER, 22.00 UHR

ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE BROTHERS

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS: TECHNICAL ITCH ( T E C H I TC H & P E N E T R AT I O N R E C S / U K ) MIT VCA, DEEJAY MF, U.A.

SAMSTAG, 22. OKTOBER, 22.00 UHR

DAREDIABLO ( S O U T H E R N R E C O R D S / U S A ) & KRAKATAU ( G R )

FREITAG, 21. OKTOBER, 22.00 UHR

THE BUG ( R E P H L E X , K L E I N R E C O R D S , T I G E R B E AT 6 , R A Z O R X / U K ) & RAS B. SUPPORT: KNIFEHANDCHOP ( T I G E R B E AT 6 / CA N ) , ROUND TABLE KNIGHTS & COBEIA

Wo es Berge hat, da gibt es Hillbillys, und Hobos gibt es mehr und mehr und überall in der globalisierten Welt, mit mehr oder weniger Hobo-Moral. Die Jungs um Zeno Tornado, das sei deutlich gesagt, haben eine starke Moral. Anders ist nicht zu erklären, dass sie ihre musikalische Vorlieben aus einem nicht sehr geliebten Land importiert haben, wo allerdings schon Vorbilder wie Woody Guthrie oder Hank Williams darum kämpften, gegen den konformen Strom der Folk- und Country-Szene anschwimmend zu Lebzeiten gehört zu werden. Als ein weiteres Zeichen ihrer Moral darf gewertet werden, dass sie selbige bei den Zuhörenden oft bis über die Kopfhöhe erheben, indem sie weder ihre Vorbilder noch sich selber wirklich ernst

ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE BROTHERS ( VO O D O O R H Y T H M / B E ) √ PLATTENTAUFE! THE LEGENDARY KID COMBO ( I TA LY ) SIDESHOW STEPHEN ( C H ) DJ'S: JACK LA MENACE ( C H ) THE PORNOSTUNTMAN ( C H )

FREITAG, 14. OKTOBER, 22.00 UHR

Nach gescheiterten Versuchen, dies mit einer eigenen Band als Bassist und Frontmann zu unternehmen, der Zusammenarbeit mit den Newtown Neurotics bis zu deren Auflösung, unterhält er seit 1994 mit Barnstormer, aus drei Musikern der Faboulous Fish Brothers bestehend, die Band, die ihn ausserhalb seiner zahlreichen Solo-Auftritte begleitet. Sein früheres Studium des klassischen Violinspiels und die Vorliebe für mittelalteriche Klänge mit der Leidenschaft für Punk paarend, nennt er ihre Musik «Baroque’n’Roll», oder «Chamber Punk», mit den Lyrics und zwischen den Stücken eingestreuten Gedichten und Reden beständig die Gegenwart reflektierend und kommentierend. Nachdem er im September das 25-jährige Jubiläum seiner Bühnenaktivitäten in einem Pub in Brighton gefeiert haben wird, und das zehnjährige des Festivals für «Beer, Poetry, Music and more Beer» daselbst, setzt Attila mit Barnstormer zu einer Europa-Tour an, die ihn, erstaunlicherweise zum ersten Mal, auch in die Reitschule führen wird.

& KRAKATAU

RECORDS/USA) (GR)

Nicht nur der Name, auch sonst vieles ist ungewöhnlich an diesem Powertrio aus New York: Dass es sich um eine reine Instrumentalband handelt, dass das Line Up aus Gitarre/Bass, Drums und Keyboards, genauer Hammondund Rhodes-Orgeln besteht, nicht zuletzt das musikalische Gebräu, das die drei servieren. Angefangen mit dem aus dem Jazz bekannten, klassischen Orgeltrio der 50er Jahre, über den progressiven und härteren Rock, Soul und Funk der 70er, hin zu Spaghetti-Western und Soundtrackmusik, verschiedenen Spielarten von Metal, gar Stonerrock, einiges wird wortlos angesprochen, ohne dass damit ihre Musik definierbar gemacht würde. Klar ist, dass da auf die Knochen reduzierter Rock’n’Roll zelebriert wird dass es kracht, dass sich Funkgroove und komplexe Akkord-Progressionen swingend zu einem pulsierenden, schnörkellosen Ganzen verdichten, das zu gleichen Teilen in Kopf und Beine fährt, keine Wünsche nach Gesang oder Instrumentalsolos entstehen lässt, die, wieder ohne Worte, für unnötig erklärt werden. Mühelos wechseln die Saiten von Jake Garcia, der auf den Veröffentlichungen mit Bass oder Gitarre agiert, live oft mit Doubleneck gleich beides mitführt, und die Tasten von Matt Holfords verschiedenen Keyboards Melodie- und Begleit-Parts, nicht selten fordern sich die beiden zu waghalsigen Duellen, immer auf dem soliden Fundament des hart groovenden Schlagzeugspiels von Chad Royce. Seit ihrem selbstproduzierten Debut «Tunnel of Fire» (1999) haben sie vier Alben im Studio und eines live aufgenommen, nach «Feeding Frenzy» (2003) dieses Jahr mit «Twenty Paces» das zweite für Southern Records herausgebracht. Da sich Kritiken, wenn es sich um blanke Musik handelt, immer um Vergleiche tun, hier eine Auswahl: Als würden Medeski, Martin & Woods mit den Queens Of The Stoneage jammen, oder eine Fixation auf MC5 haben, Deep Purple, ELP,

(SOUTHERN

DAREDIABLO

FREITAG, 21. OKTOBER, 22.00 UHR

erscheint, wiederum auf Rephlex, eine Compilation der 2002 mit Rootsman gestarteten, limitierten 7”-Veröffentlichungen auf dem eigens gegründeten Razor-X-Label. Eine Dokumentation der Radikalisierung von Ragga und Dancehall, die hier eine neue Verbindung mit Industrial und Elektro-Punk eingehen.

SAMSTAG, 22. OKTOBER, 22.00 UHR

( T E C H I TC H &

TECHNICAL ITCH

Nach dem in Bristol ansässigen, wie das Label gleichen Namens gemeinsam mit Darren Beale aufgebauten Studio Tech Itch benannt, ist es vor allem der aus Birmingham stammende Mark Caro, der das Produzententeam als DJ vertritt. Von der Hardcore-Breakbeatszene der späten 80er herkommend, prägten sie anschliessend die weniger statischen Gefilde von Darkside und Hardstep Jungle, um bald als die Meister der rauhen, harten, düsteren und angriffigen Seite des Drum'n'Bass gehandelt zu werden. Neben den engen Beziehungen zu den namhaften D'n'BLabels Englands ist es auch der Umstand, dass die digitale Technologie erlaubt, Stücke am Nachmittag zu remixen, die dann am Abend im Set auftauchen, der dafür sorgt, dass an einem Technical Itch-Gig garantiert Stücke auftauchen werden, die so noch nie zuvor zu hören waren.

MIT VCA, DEEJAY MF, U.A.

P E N E T R AT I O N R E C S / U K )

TECHNICAL ITCH

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS:


DACHSTOCK

MODE SELEKTOR DEAD BROTHERS

ROVA SAXOPHONE QUARTET ( U S A )

SONNTAG, 30. OKTOBER, 21.00 UHR

MIT DEAD BROTHERS ( VO O D O O R H Y T H M / C H ) , HIELO NEGRO ( R C H ) SUPPORT: ROUND TABLE KNIGHTS

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.00 UHR

MIT FUNKSTÖRUNG ( ! K 7 / D ) , MODESELEKTOR ( B P I TC H C O N T R O L / D ) , APPARAT ( S H I T K ATA P U LT , B P I TC H C O N T R O L / D ) SUPPORT: DJ SMAT

FREITAG, 28. OKTOBER, 22.00 UHR

REITSCHULE-FEST 2005

megafon Nr. 288

PROGRAMM

Das Fest: Der gewagte Ausblick auf ein Bern ohne Reitschule: Mit den Dead Brothers beweisen, dass die Stadt ohne uns immer noch zum Tanzen fähig ist, denn wir haben es durchaus nicht mit einer Beerdigungs-Kapelle zu tun, eher ist das Rock’n’Roll mit anderen Mitteln. Und die Band aus Patagonien, deren Namen «Hielo Negro» den Himmel verdüstert, macht endgültig klar: Es gibt Wurzeln des Widerstands, und wir werden bleiben.

DEAD BROTHERS ( VO O D O O R H Y T H M / C H ) HIELO NEGRO ( R C H ) SUPPORT: ROUND TABLE KNIGHTS

REITSCHULE-FEST 2005

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.00 UHR

Ihr solltet unbedingt hingehen, denn am Freitag vom Abstimmungsfest ist die technoide neue Tanzwut angesagt: ANGESAGT: Funkstörung, das Duo aus Rosenheim, dessen erste Veröffentlichungen auf dem Label Acid Planet zum Deal mit !K7 führten, für die sie zwischen den Alben «Appetite for Destruction» (!K7/2000) und «Disconnected» (!K7/2004) mit Zusammenarbeiten mit Björk, WuTang Clan und anderen in Erscheinung traten, nebst einer Serie von Remix-Alben. Angesagt. Angesagt, auch: Modeselektor: Das Duo aus Berlin, dessen Output zur Zeit zu den Hypes der Saison gezählt werden kann: Angesagt. Angesagt, auch: Falls das gar nicht zum Hingehen anreizen mag, steht da noch der Apparat auf dem Programm: Einfluss auf das ganze Geschehen, der Apparat präsentiert sich: Da sein und bewegen: den Apparat in Bewegung halten. Die Reitschule ist ein Medium.

(USA)

Die Einladung, für ein Festival des Mills College in Oakland, Kalifornien ein Projekt zu gründen, steht am Anfang der Geschichte des Rova Saxophone Quartets (1977): Jon Raskin, Larry Ochs, Andrew Voigt und Bruce Ackley fanden Gefallen an dem, was sie gemeinsam machten, beschlossen, ein Album aufzunehmen, wurden von der New Music Society nach Vancouver eingeladen (1978), begründeten ihre internationale Bekanntheit mit dem Auftritt am Jazzfestival von Moers (1979), und sind inzwischen zur ausgewachsenen Institution geworden. Das von Larry Ochs mit dem Gitarristen Henry Kaiser gegründete Label Metalanguage veröffentlichte das Debut «Cinema Rovaté» 1978, 2002/03 feierte die Band ihr fünfundzwanzigstes Jubiläum, und ihr Werk ist inzwischen auf vierzig bis fünfzig Veröffentlichungen angewachsen. 1983 waren sie die erste Band aus Amerika, welche offiziell durch die damalige UdSSR touren durfte, was auf dem Video «Saxophone Diplomacy» dokumentiert ist. Seit 1985 als nicht profitorientierte Gesellschaft Rova:Arts registriert, konnten Rova 1986 das sovjetische Ganelin-Trio im Gegenzug in ihre Heimat einladen, was zu diversen Zusammenarbeiten, unter anderen mit Anthony Braxton, John Zorn und Terry Riley führte. 1988 verliess Gründungsmitglied Andrew Voigt das Projekt, und wurde von Steve Adams ersetzt, der früher im Bostoner Your Neighborhood Saxophone Quartet aktiv war. Sowohl in der komponierten, modernen EMusik, wie im frei improvisierten Jazz zu Hause, gehören zu ihren Errungenschaften die Entwicklung einer Reihe von so genannten Spielen («Games»), in welchen sich der Gruppensound aus genauen Strukturen der Improvisationen der Mitspieler, und oft ihrer Gäste ergibt. Das Pendeln zwischen Komposition und Improvisation, Konzept, vorgegebener Struktur und individueller Textur führ-

ROVA SAXOPHONE QUARTET

FUNKSTÖRUNG ( ! K 7 / D ) MODESELEKTOR ( B P I TC H C O N T R O L / D ) APPARAT ( S H I T K ATA P U LT , B P I TC H C O N T R O L / D ) SUPPORT: DJ SMAT

SONNTAG, 30. OKTOBER, 21.00 UHR

REITSCHULE-FEST 2005

REITSCHULE-FEST 2005

FREITAG, 28. OKTOBER, 22.00 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

ROVA SAXOPHONE QUARTET

te auch zur Ausdehnung ihres Wirkungsbereichs, indem es zu Zusammenarbeiten mit Leuten und Projekten wie dem Kronos Quartet, Fred Frith und Henry Kaiser, Richard Teitelbaum, Alvin Curran und vielen anderen gekommen ist, Kompositions-Aufträge wurden herausgegeben und angenommen. Village Voice bezeichnete ihren Sound als «Kreuzung von Thelonious Monk mit Béla Bartók», der englische Wire lobte die «bemerkenswerte Errungenschaft des Quartetts, den Ausdrucks-Reichtum des JazzSaxophones mit der strukturierten Präzision des europäischen Streichquartetts zu verbinden», der Penguin Guide to Jazz spricht von einem «Wimmelnden Kosmos von Saxophon-Klängen», und für Down Beat Magazine ist «Rova nicht nur das härtest arbeitende Saxphon-Quartett im <Blow Business>, sondern auch das beste». Zu ihren kürzlichen Projekten gehört eine neue Interpretation von John Coltranes legendärem Werk «Ascension», vierzig Jahre nach dessen Uraufführung: «Electric Ascension», mit unter anderen Fred Frith, Ikue Mori, Otomo Yoshihide und Nels Cline als Gästen, gehört sicher zu ihren stärksten Veröffentlichungen, und ist eine ebenso originelle wie Werkgetreue Neu-Interpretation des in vielen Fassungen aufgenommenenen und aufgeführten Opus Coltranes für unser Zeitalter.


SOUS LE PONT

SRI LANKA SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 19. OKTOBER, 19.00 UHR

Ausgerechnet im Schwarzwald, in Freiburg, ist eine Band zu Hause, die in der Deutschen Fachpresse als der erfrischendste Vertreter von Sixties Surf- und Beatmusik gehandelt wird. Die Leopold Kraus Wellenkapelle. Kein stupides Kopieren der alten kalifornischen Gassenhauer ist hier angesagt, sondern gewagtes Kombinieren. The Shadows meets Dr. Brinkmann, Aavikkoo meets Franz Lambert meets Link Wray. Sie selbst bezeichnen ihre Musik als «Black Forest Surf» und wer sie einmal gesehen hat, weiss fortan, wo in Sachen Rustikal-Entertainment der Schinken hängt. Seit acht Jahren steht der Name Leopold Kraus Wellenkapelle für fachlich versierte Rock'n'Roll Forschung. Und so haben sie sich mit über 200 Konzerten längst in die Ohren der Connoisseurs (resp. Connoisseuses), sowie die Herzen der «wirklich gut aussehenden» Frauen gespielt.

LEOPOLD KRAUS WELLENKAPELLE ( D E ) & SUPPORT

SAMSTAG, 15. OKTOBER, 22.00 UHR

LIBANON SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 12. OKTOBER, 19.00 UHR

KENIA SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 5. OKTOBER, 19.00 UHR

FLOHMARKT UND BRUNCH

SONNTAG, 2. OKTOBER, 8.00-16.00 UHR

megafon Nr. 288

PROGRAMM

(BE)

& SUPPORT

Gib alles – in deinen 15 Minuten Star-Sein auf der SousLePont-Bühne!

OFFENE BÜHNE #75

MITTWOCH, 26. OKTOBER, 22.00 UHR

JAPAN SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 26. OKTOBER, 19.00 UHR

Das ist nicht etwa eine One-Man-Putzfrau-Show, Putsmarie, das sind vier Herren mit den kurrligen Namen Max Usata, Igor Stepniewski, Sirup Gagavil und Nik Porsche. Die Putsmarie waren alle in diversen Projekten im musikalischen Untergrund von Biel-Bienne-City aktiv. Dann – im letzten Jahr – haben sie beschlossen alles auf die Musik zu setzen: Wohnungen, Jobs und Frauen gekündet, Bandbus gekauft, Instrumente eingeladen und losgefahren. Trotz einiger Probleme – in Spanien wurden die vier kurzum in eine Kastenwagen eingepackt und ihr Materal blieb eine Woche auf dem Polizeiposten – sind Putsmarie seit vergangeneem November in Europa unterwegs. Nach Konzerten in Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland, machen Putsmarie nun wieder Mal Halt in der Schweiz. Mit im Gepäck die neue Live-CD. Ach ja, was spielen Putsmarie eigentlich für Musik? Schwer zu erklären: Sagen wir mal Gipsy-Rock-RapTrash… let them surprise and entertain you!

PUTSMARIE

PUTSMARIE

SAMSTAG, 22. OKTOBER, 22.00 UHR

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FREITAG, 28. OKTOBER, 22.00 UHR

Beim REITSCHULE ABSTIMMUNGSFEST am 28. und 29. Oktober setzt das Sous Le Pont voll auf Disco: Am Freitag ist BAD TASTE angesagt: Die schon fast legendäre DJane Margrith Sutter wühlt ihre schlimmsten und besten Hits und Shits aus der Plattenkiste. Von Abba über Heintje zu Nena und den Zillertalern – alles dabei und du bist frei, dir richtig die Seele aus dem Leib zu tanzen. Noch mehr Tanzfutter bieten am Samstag DJs von Radio RaBe: Mit mehr als 50 verschiedenen Sendungen in über zehn Sprachen sendet RaBe das wohl abwechslungsreichste Musikprogramm, das in der Region Bern zu hören ist. Und diese Vielfalt representieren die RaBe-DJs, die zugleich auch Sendungsmacher sind. Am Samstag gibts Reggae-Hip Hop-Electro-Funky-Tunes.

REGGAE √ HIP HOP √ ELECTRO √ FUNKY TUNES

RABE-DJ»S DJ»S SPEE-DEE & FARMER

REITSCHULE-FEST 2005

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.00 UHR

BAD TASTE PARTY DJANES SHY-ANN & MARGRITH SUTTER

REITSCHULE-FEST 2005

20.00 UHR

SÄXIMO: HIP HOP MIT OPEN MIC

DONNERSTAG, 27. OKTOBER, 20.00 UHR

SOLIBAR FÜR DIE THUNER ANTIFA

MITTWOCH, 26. OKTOBER, 20.00 UHR

SOLIBAR FÜR EINEN SANS-PAPIER

MITTWOCH, 19. OKTOBER,

SOLIBAR FÜR DIE AKTION UNGEHORSAMER STUDIERENDER (AUS)

MITTWOCH, 12. OKTOBER, 20.00 UHR

SOLIBAR FÜR DIE FREIE ARBEITERINNEN UNION (FAU)

MITTWOCH, 5. OKTOBER, 20.00 UHR

I FLUSS


TOJO

SMOKE FISH

PIZZICHE, TAMMURIATE, CANTI DI LOTTA E DI AMORE

KONZERT: BRIGANTI

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.30 UHR REITSCHULE-FEST 2005

BUNTER TOJO ABEND. BAR TILL LATE!

ALLES KANN, NICHTS MUSS!

FREITAG, 28. OKTOBER, 20.30 UHR REITSCHULE-FEST 2005

PLATTFORM FÜR UMWERFENDE DARBIETUNGEN

LUSTIGER DIENSTAG 15

DIENSTAG, 25. OKTOBER, 20.30 UHR

VON PAULA FÜNFECK. REGIE: BEATRIX BÜHLER.

MAXUNDMURX

MITTWOCH, 19. OKTOBER, 20.30 UHR FREITAG, 21. OKTOBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 22. OKTOBER, 20.30 UHR

FORMATION POE:SON. REGIE: SARAH-MARIA BÜRGIN

SMOKE FISH

SAMSTAG, 1. OKTOBER, 20.30 UHR SONNTAG, 2. OKTOBER, 20.30 UHR

megafon Nr. 288

PROGRAMM

smoke fish ist die leise Geschichte einer Begegnung mitten im Nirgendwo. Die Fischverkäuferin Nova steht jahrein, jahraus an ihrem Stand und räuchert Fisch. In der Luft hängt der Duft von Fischfett und Rauch. Die Gegend ist karg und kaum besiedelt, nur selten sieht Nova ein neues Gesicht. Umso überraschter ist sie, als sie eines Morgens einen schlafenden Mann vor ihrem Fischstand findet. Es ist der Tabakreisende Pekka, der gehetzt wirkt, gejagt, sich in Novas Gegenwart aber allmählich entspannt. Nova macht ihn mit unkonventionellen Zubereitungsmöglichkeiten von Stockfisch vertraut, während er von seinen Reisen berichtet, von Argentinien und vom Grün der Tabakpflanze. Sie lauschen gemeinsam dem Knistern in den Leitungen des Telefonmasts, der neben Novas Fischstand steht. Hört man genau hin, erkennt man Stimmen. Solche von Liebespaaren aus aller Welt, die sich nachjagen, sich besitzen wollen, sich begehren, betrügen, sich langweilen, sich verlieren, sich verzeihen und doch nicht verstehen. Die Geschichte von Nova und Pekka verläuft anders. Die beiden finden sich mit der kurzen Dauer weniger Stunden ihres Zusammenseins ab, wissen um die Vergänglichkeit gemeinsamer Momente und geniessen deren Flüchtigkeit ganz ohne Wehmut. Vielleicht kommen die beiden sich deshalb so nahe, weil sie sich im Grunde doch fremd bleiben. Wie alle bisherigen Inszenierungen der formation poe:son lebt auch smoke fish stark von Stimmungen, vom Ambiente. Innerhalb der ästhetischen Eckpfeilern Bühnenbild, Lichtstimmungen, Tonkompositionen entspinnt

FORMATION POE:SON. REGIE: SARAH-MARIA BÜRGIN TEXT: STEFANIE GROB SPIEL: PATRICIA NOCON, KENNETH HUBER BÜHNE: JENS BURDE, NICOLAS WINTER KOMPOSITION: MARKUS INDERBITZIN

SMOKE FISH

SAMSTAG, 1. OKTOBER, 20.30 UHR SONNTAG, 2. OKTOBER, 20.30 UHR

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

treffsicherer Logik jede kritische Gesellschaftsanalyse. Die Protagonisten Max und Murx sind mit zwei gestandenen weiblichen Schauspielerinnen besetzt. Nicht um die Geschichte als eine Frauengeschichte mit weiblichem Blick zu erzählen, vielmehr stellen die beiden Spielerinnen zwei von Realität strotzende Kunstfiguren dar. Die FrauenPunk-Band «The Mad Cowgirl Disease» begleitet sie bei ihren Streichen. Eine Koproduktion von Beatrix Bühler, GO Theaterproduktionen, Schlachthaus Theater Bern und Fabriktheater Rote Fabrik Zürich.

Wir möchten alle einschlägig Interessierten einladen, auffordern, ja geradezu ermutigen, sich an diesem Programm mit viel Falt zu beteiligen und sich um eine Carte Blanche à 10 Minuten zu bewerben: www.tojo.ch oder toeml@lorraine.ch

- Milova erzählt in rauchigem Ton skurile Geschichten. Auf Französisch, Englisch, Deutsch und Lingala. - «ELVIS LEBT!» (Gregor Schaller aka Tutti) u. a. m. - Publikumswettbewerb und Bildungs-Video.

SMOKE FISH


BRIGANTI

LUSTIGER DIENSTAG 15

MAXUNDMURX

Max und Murx, sind die bösen Buben von heute. Ganz auf der Höhe einer perspektivlosen Zeit operieren die beiden unfreiwilligen Spezialisten voll aus dem gesellschaftlichen Murx heraus, unkorrekt und ohne Rücksicht auf Verluste. Sie richten in der Tierabteilung eines Kaufhauses ein Massensterben an mit Unkrautvernichter, schmeissen einen Stein auf das Auto ihres Geo-Lehrers, mischen einem Sozialarbeiter Drogen in den Tee, hetzen abgerichtete Hunde auf einen Obdachlosen und schlitzen Autoreifen auf. Die beiden Protagonisten schlittern von einer Chaosperformance in die nächste, lebenshungrig und auf der Suche nach der grossen Freiheit. Bei Wilhelm Busch agieren Max und Moritz – ausser einem einzigen provokativen Satz – stumm und leise. Bei Paula Fünfeck jonglieren sie sich sprachlich durchs Leben, da hat es Platz für Verunsicherungen wie auch für ureigene Poesie. Ihr umwerfend klarsichtiger Slang überholt mit

EINE REALGROTESKE FÜR ERWACHSENE UND JUGENDLICHE. VON PAULA FÜNFECK REGIE: BEATRIX BÜHLER SPIEL: KRISTINA BRONS, CATHRIN STÖRMER BÜHNENBILD UND KOSTÜME: RENATE WÜNSCH CHOREOGRAPHIE: SALOME SCHNEEBELI MUSIK: THE MAD COWGIRL DISEASE

MAXUNDMURX

MITTWOCH, 19. OKTOBER, 20.30 UHR FREITAG, 21. OKTOBER, 20.30 UHR SAMSTAG, 22. OKTOBER, 20.30 UHR

sich eine Geschichte, die zwar klar in der heutigen Zeit verankert ist, der Welt der (Tele-)Kommunikation, die aber durch das archetypische Setting und die Verwunschenheit des Ortes eine weiterreichende Gültigkeit erhält. smoke fish hat ganz klar Projektcharakter und wurde zu weiten Teilen auf den Proben entwickelt. Zum ersten Mal startete die Gruppe formation poe:son ohne Textgrundlage und einzig mit der Idee, einen Theaterabend mit minimalistischem Bühnengeschehen zu realisieren und Antwort auf die Frage zu finden, wie viel Inhalt denn notwendig ist, um eine Geschichte zu erzählen. smoke fish setzt auf schauspielerische Feinheiten, erzählt von Nähe und Intimität. Das grosse Drama findet andernorts statt. Weiter Infos: www.poeson.ch

- ISABELLE und NICOLAS, Zwillinge, die auf die Bühne kommen… und etwas zeigen. - COMPAGNIE BUFFPAPIER (Franziska Hoby & Stéphane Fratini) zeigen einen Teaser zu «Rita & Madame Jocaste», ein groteskes Duo, was sie im November im Tojo geben. - SINGLE BELLES (Lilly, Petty & Fabienne) zeigen «Kleine Gala» (Regie Doraine Green) - OLGARA mit DJINBALA (Andrea Milova / David Cielbala) spielen Djipsy- und Flamenco-beeinflusste Stücke, französische Chansons und swingende Songs. Alle aus der Feder von Milova/Cielbala.

GÄSTE:

Nach Lobbying und Mobbing und harten Bewährungsproben stand die LuDi-Crew am Ende der zweiten, erfolgreichen Staffel kurz vor dem kollektiven Nervenzusammenbruch. Die Ferien kamen für alle goldrichtig. Max Havelaar machte sich daran, einen Weg zu finden, die mannshohe Banane zu entsorgen, mit der er von Hell & Schnell geplagt wurde. Die beiden Bühnenarbeiter beschäftigten sich indessen mit Einsteins Relativitätstheorie. Der KulturUrlaub von Moderatorin Olga Oschimek im Weltsüden war offenbar wundersam, es darf spekuliert werden. CEO Brügel zog es eher zum beschaulichen Wandern ins UnterEngadin. AD Will Lee versuchte weiterhin, seine MusikerKarriere in Gang zu bringen und an der neuen LuDiRubrik: «Was bisher geschah…» zu arbeiten. Darin wird Will Lee zukünftig mit seinem Kasperlitheater vergangene Folgen rekapitulieren, verborgene Zusammenhänge aufzeigen und Verbindungen zum Kommenden anlegen. Die Ludi-Crew ist bereit für die dritte Staffel von sieben Lustigen Dienstagen. Nur Max Havelaar fehlt noch. Wird er es rechtzeitig schaffen? Ein spannendes Gemisch aus Kabarettnummern, Standup Comedy, Poetry Slam, Performance, Clowntheater, Artistik, Mimenspiel, Sprechtheater, Zauberei, Video-Clips und immer auch einen Schuss Dilettantismus. Eine Veranstaltung, die sich aus vielen Beiträgen gestaltet. Nouveau Vaudeville pur!

PLATTFORM FÜR UMWERFENDE DARBIETUNGEN. DIE KULT-SERIE GEHT WEITER! REGIE NEU: BRIGITTE FREY

LUSTIGER DIENSTAG 15

DIENSTAG, 25. OKTOBER, 20.30 UHR

FREITAG, 28. OKTOBER, 20.30 UHR

Musica popolare del sud Italia: pizziche, tarantelle, tammuriate, canti di lotta e di amore. Reitschule continua! Avanti popolo! Eine italienische Nacht, ein Abend mit italianità. DJ Balla! DJ Azzurro! und DJ Inculobalena! Ausserdem könnt Ihr alle weiteren Veranstaltungen in der Reitschule gratis besuchen! Oder anders rum, Ihr besucht eine der mannigfaltigen anderen Veranstaltungen und kommt dann gratis zu uns. Super, oder? Bella, Ciao! Bello, Ciao! Ci vediamo!

PIZZICHE, TAMMURIATE, CANTI DI LOTTA E DI AMORE

KONZERT: BRIGANTI

REITSCHULE-FEST 2005

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.30 UHR

Der Beitrag des Tojo Theaters zum Reitschul-Abstimmungsfest ist ein bunter Strauss von Nummern aus: Playback Gesang, Slampoetry, Szenischer Lesung, Musik, Eurythmie, Puppentheater, Akrobatik, Performance, Diashow, Schauspiel, Genderbending, Comedy, Ausdruckstanz, Film und Künstler-zum-Anfassen-Events aller Art. Getreu unserem Motto beginnen wir das Programm um 20.30 Uhr und wiederholen es mehrmals. Ansonsten steht das Tojo-Team hinter dem Tresen unserer wunderschönen Bar, serviert mit Hilfe von Familienangehörigen charmant und speditiv die gewünschten Getränke und lässt sich vielleicht die eine oder andere persönliche Meinung zur Kulturpolitik im Speziellen oder Allgemeinen entlocken. Zusammen mit unseren Überraschungsgästen werden wir das Ding schon schaukeln! A very open stage, and a fluid bar!

DAS BELIEBTE BÜHNEN-IMPROMPTU VON TOJO MITGLIEDERN UND STAMMGÄSTEN. BAR TILL LATE!

ALLES KANN, NICHTS MUSS!

REITSCHULE-FEST 2005


FRAUENRAUM

FOR WOMEN AND MEN

Impro2 ist ein Programm von Monika Hager (Kontrabass), Joy Frempong (Stimme) und Annette Kühn (Stimme). Tiefe Töne auf dem Kontrabass gezupft, gestrichen und geloopt und eine Frauenstimme, spielend, sprechend, neckend – daraus lassen Monika Hager und Joy Frempong fremde und vertraute Songs, Grooves und Stimmungen entstehen. Zum Auftakt und Abschluss des Programms taucht das zweite Duo, Annette Kühn und Joy Frempong, frei improvisierend tief in die wundersame Welt der Klänge und Geräusche.

MIT MONIKA HAGER (KONTRABASS), JOY FREMPONG (STIMME) UND ANNETTE KÜHN (STIMME). FOR WOMEN AND MEN

MUSIK-MATINÉE: IMPRO 2

SONNTAG, 9. OKTOBER, 10.30 UHR

WOMEN ONLY

FRAUENDISCO POPSHOP: MIT DJANE DEZ RAY ( R ’ N ’ B + P O P ) & DJANE SILVIA

FREITAG, 7. OKTOBER, 22.00 UHR

www.unverschaemt-bern.ch

FOR WOMEN AND MEN

TANZEN DURCH DIE JAHRZEHNTE MIT DJ DODO, DJANE RITA, DJANE ANOUK AMOK.

UNVERSCHÄMT TANZBAR-PARTY.

UNTERVERSCHÄMT √ UNTERWEGS IN BERN:

FREITAG, 21. OKTOBER, 21.30 UHR

LESBISCH-SCHWULES CHILLEN. FOR WOMEN AND MEN

CRASH HELMET LOUNGE

DONNERSTAG, 20. OKTOBER, 20.00 UHR

FOR WOMEN AND MEN

DRANGSAAL MIT AJELE & BRIAN PYTON

LESBISCH-SCHWULES BERN PRÄSENTIERT:

SAMSTAG, 15. OKTOBER, 23.30 UHR

FOR WOMEN AND MEN

EK steht für Entartete Kunst; das Trio aus San Francisco, bestehend aus 187 aka Raw Knowledge, Drowning Dog und Malatesta aka DJ Slo-Mo produziert und verbreitet Hip-Hop, Electronica und radikale Literatur.

ANARCHO HIP HOP. FOR WOMEN AND MEN

DIE LOUNGE MIT TEXTEN, DARBIETUNGEN UND INSZENIERUNGEN. FOR WOMEN AND MEN

(USA)

EK COLLECTIVE

DONNERSTAG, 13. OKTOBER, 21.00 UHR (TÜRE)

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DA-LOUNGE-DA!

DONNERSTAG, 6. OKTOBER, 20.00 UHR

megafon Nr. 288

PROGRAMM

FOR WOMEN AND MEN

Dance out SVP-Initiative mit Rueda zum Mitmachen (Salsa im Kreis, auch für AnfängerInnen).

ETHNO-NACHT MIT DJ-DUO ∫LAS MARIPOSASª

REITSCHULE-ABSTIMMUNGSFEST

FREITAG, 28. OKTOBER, 22.00 UHR

MINIMAL ELEKTRONIK, NDW, SYNTHIPOP, 80IES. FOR WOMEN AND MEN

BLACK PLANET SPECIAL GOTHIC NIGHT: DJ PAN UND ERRECAN

SAMSTAG, 22. OKTOBER, 22.00 UHR

SAMSTAG, 29. OKTOBER, 22.00 UHR

(BE)

IN CONCERT

FOR WOMEN AND MEN

Morphologie, die Wissenschaft der Form und Struktur. Das Berner Trip Hop/Drum n'Bass-Duo Morphologue zeigt sich am Abstimmungs-Fest fast zum ersten Mal in Bern. Morphologue's frühestes Lebenszeichen erfolgte mit einem Beitrag zur Compilation «Swiss Circus In Stereo» über das Zürcher Label alpinechic. Ein erster Live-Gehversuch lief im Aarauer kIFF, Couleur 3 nahm die beiden in ihre Playlist auf und die meisten Exemplare ihres im Mai 2005 releasten Albums «Midnight Nevertheless» verkaufen sich in der Zentral- und Ostschweiz. Kurz: Myriam (Vocals) und pad_ee (Programming, Keys, Accordeon) geniessen ihre grössten Aktivitäten ausserhalb Berns renommierter Electronic-Szene. Das darf sich ändern. Denn ihre wissenschaftliche Form und Struktur der Musik, patternorientertem Electronic durch Songstruktur mehr Leben einzuhauchen, klingt nicht nur in der Theorie interessant, sondern hört sich auch exzellent an. www.morphologue.ch

ANSCHLIESSEND PARTY MIT LEVI (MUTE, ZH) UND SUESHI (BS).

MORPHOLOGUE

REITSCHULE-ABSTIMMUNGSFEST


SOLILOTTO REITSCHULE BLEIBT!

SONNTAG, 6. NOVEMBER, 17.00-22.30 UHR RESTAURANT BRASSERIE LORRAINE, QUARTIERGASSE 17, 3013 BERN

INFOMATERIAL, KLEBER, POSTKARTEN UND T-SHIRTS (EIGENE BEDRUCKEN UND FERTIGE KAUFEN) U.V.M.

ABSTIMMUNGSSTAND

SONNTAG, 6. NOVEMBER, 9.00 UHR HOF DER REITSCHULE / FLOHMARKT

REITSCHULE-FÜHRUNG

SAMSTAG, 5. NOVEMBER, 14.00 UHR BESAMMLUNG BEIM GROSSEN TOR

QUIZABEND MIT GLÜCKSRAD

DONNERSTAG, 3. NOVEMBER, 20.00 UHR FRAUENRAUM, REITSCHULE

PRÄSENTIERT VOM DACHSTOCK

STRASSENMUSIK-PERFORMANCE INKL. HINDERNISSE

DONNERSTAG, 20. OKTOBER, 18.00 UHR BERN-INNENSTADT

MIT ELSA FITZGERALD, HÜSI, LÖ TRÖSENBECK, MICHAEL MÄDER, SANDRA KÜNZI, SANDRO WIEDMER, SIMONE E. UND URS MANNHART

LESUNG √ DAS MEGAFON LÄSST VORLESEN

DONNERSTAG, 6. OKTOBER, 20.00 UHR ONO, KRAMGASSE 6, 3011 BERN

INFOMATERIAL, KLEBER, POSTKARTEN UND T-SHIRTS (EIGENE BEDRUCKEN UND FERTIGE KAUFEN) U.V.M.

ABSTIMMUNGSSTAND

SONNTAG, 2. OKTOBER, 9.00 UHR HOF DER REITSCHULE / FLOHMARKT

REITSCHULE-FÜHRUNG

SAMSTAG, 1. OKTOBER, 14.00 UHR BESAMMLUNG BEIM GROSSEN TOR

Unter diesem irreführenden Titel kommt der nächste Versuch von rechtsaussen, dem Kulturbetrieb in der Reitschule ins Handwerk zu pfuschen, deren einziges Privileg gegenüber anderen Kulturorten der Stadt darin besteht, bisher auf inhaltliche Subventionen der Stadt verzichtet zu haben. Nun soll in der Gemeindeverordnung festgeschrieben stehen, das sie, als einzige nicht-kommerzielle, in ehrenamtlicher Arbeit betriebene Kulturinstitution, einen «ortsüblichen Mietzins» entrichten soll. Dass dies heissen würde, dass die BetreiberInnen der Reitschule bald um Subventionen für die dargebotene Kultur fragen müssten,

∫KEINE SONDERRECHTE FÜR DIE REITSCHULE!ª

Das Reitschule-Fest, bisher bekannt als das alljährliche Baufest, steht dieses Jahr voll im Zeichen des Abstimmungskampfes, und soll diesen unterstützen helfen.

REITSCHULEABSTIMMUNGSFEST

ABSTIMMUNGSSONNTAG:

SONNTAG, 27. NOVEMBER

SIEHE TAGESPRESSE

EINE ART TOUR DE VILLE SOLIDARITÄT MIT DER REITSCHULE!

SAMSTAG, 19. NOVEMBER

THEATERAKTIONEN MIT DEM TOJO

∫REITSCHULE ROLLTª

BAD TASTE PARTY MIT DJANES SHY-ANN & MARGRITH SUTTER

22.00 UHR, SOUSLEPONT

KARIN KAPER, DIRK SZUZSIES, D/BELGIEN 2004, 90 MIN., DVD, OV/D. (IN ANWESENHEIT VON KARIN KAPER UND DIRK SZUZSIES)

RESIST! TO BE WITH THE LIVING

21.00 UHR, KINO IN DER REITSCHULE

BAR TILL LATE!

∫ALLES KANN, NICHTS MUSS!ª BUNTER TOJO-ABEND

20.30 UHR, TOJO-THEATER

FREITAG, 28. OKTOBER √ GANZE REITSCHULE

Dem Unterstützungskomitee beitreten? www.reitschulebleibt.ch

Die unter diesem Titel laufende Gegenkampagne der Reitschule und des Komitees «Reitschule Bleibt!» ist in vollem Gange. Eine Auflistung der Aktivitäten, Zahlenmaterial und ein Pressespiegel stehen unter «www.reitschulebleibt.ch» zur Verfügung. Jede Art der Unterstützung ist willkommen. Finanzielle Beiträge, die Kampagne mittragen zu helfen, sind auf PC 30-311254-5, mit dem Vermerk «Abstimmung», gut aufgehoben und äusserst hilfreich. Helft mit, dem unabhängigen, nicht kommerziellen, alternativen Kulturschaffen in dieser Stadt einen Ort zu bewahren: «Nein» zur Initiative der JSVP, «Ja» zum Kulturbetrieb in der Reitschule!

∫VIELFALT GEGEN EINFALTª

wodurch für die Stadt gezwungenermassen ein Vielfaches der Kosten für den jetztigen Betrieb anfallen würde, liegt auf der Hand. Obschon der Inhalt der Initiative absurd erscheint, muss dagegen gekämpft werden.

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SAMSTAG, 12. NOVEMBER, 12.00 UHR BERN WEST

ABSTIMMUNGSKAMPAGNE

VIELFALT GEGEN EINFALT

megafon 05.04

PROGRAMM

22.00 UHR, FRAUENRAUM

Details? siehe Veranstaltungsort. Neue Reitschule-Tshirts? siehe Seite 46!

ROVA SAXOPHONE QUARTET ( U S A )

SONNTAG, 30. OKTOBER √ DACHSTOCK 21.00 UHR, DACHSTOCK

MORPHOLOGUE ( B E ) & PARTY MIT LEVI ( M U T E , Z H ) UND SUESHI ( B S )

22.00 UHR, FRAUENRAUM

REGGAE √ HIP HOP √ ELECTRO √ FUNKY TUNES

RABE-DJ»S: DJ»S SPEE-DEE & FARMER ( B E )

22.00 UHR, SOUSLEPONT

SUPPORT: ROUND TABLE KNIGHTS

MIT DEAD BROTHERS ( VO O D O O R H Y T H M / C H ) , HIELO NEGRO ( R C H )

22.00 UHR, DACHSTOCK

KARIN KAPER, DIRK SZUZSIES, D/BELGIEN 2004, 90 MIN., DVD, OV/D. (IN ANWESENHEIT VON KARIN KAPER UND DIRK SZUZSIES)

RESIST! TO BE WITH THE LIVING

21.00 UHR KINO IN DER REITSCHULE

PIZZICHE, TAMMURIATE, CANTI DI LOTTA E DI AMORE

KONZERT: ∫BRIGANTIª

22.30 UHR, TOJO-THEATER

SAMSTAG, 29. OKTOBER √ GANZE REITSCHULE

MIT FUNKSTÖRUNG ( ! K 7 / D ) , MODESELEKTOR ( B P I TC H C O N T R O L / D ) , APPARAT ( S H I T K ATA P U LT , B P I TC H C O N T R O L / D ) . SUPPORT: DJ SMAT

22.00 UHR, DACHSTOCK

DANCE OUT SVP-INITIATIVE MIT RUEDA. FOR WOMEN AND MEN

DJ-DUO ∫LAS MARIPOSASª


EINE NACHBEMERKUNG ZUM REPORTE-MEGAFON Viel zu reden gab in der Reitschule ein Artikel im «Bund» vom 19. August, der einen total schockierenden Untergang der Berner Rockszene entlarven wollte. Kein Wunder auch, wenn man nur die Konzerte im ISC berücksichtigt, weniger wunderts, dass dies dem Autor, einem Zuzügling aus St. Gallen, geschehen kann – was der wohl studiert? Unverständlich hingegen, dass eine Zeitung Aussagen abdruckt wie: (sinngemäss) die Raumkapazitäten vieler Berner Clubs seien zu beschränkt, einzig, ausgerechnet(?), im ISC könne eine Agentin noch (Rock-)Konzerte buchen, oder «Glücklicherweise macht ausser uns und – eher sporadisch – der Dachstock niemand mehr etwas im Rockbereich.» Eher sporadisch?! Wenn in den letzten neun Monaten von insgesamt 72 Live-Konzerten 25 Rockkonzerte mit 44 beteiligten Bands in Reitschule stattfinden, und diese bloss einen sporadischen Programmpunkt bedeuten sollen, schwindet mein Vertrauen in die Redaktion des «Bund» vollends. Obwohl wir ja so spitz auf Leistungen sind, weil wir Leistungsverträge erfüllen müssen, wissen wir trotzdem, dass es nicht auf die Quantität, sondern die Qualität ankommt. Aber nicht mal die musikalischen Leckerbissen tauchen im Bericht sporadisch auf. Es gab auch eine Reaktion aus unseren Reihen – nachfolgend in voller Länge abgedruckt – welche am 30. August unter den Bund-Leserbriefen auftauchte, nur gekürzt um den hervorgehobenen Satz am Schluss des Textes. Dass das Reitschulprogramm wieder einmal nicht berückschtigt wurde (megafon lesen, liebe Leute), ist schon schlimm genug, dass auf die Ursachen für

den schweren Stand der Konzerthallen, über das Feststellen deren Existenz hinaus, nicht ansatzweise eingegangen wird, fast schon kläglich. Es bleibt wohl wieder den marginalen Medien überlassen, darüber zu berichten. Mehr dazu im nächsten megafon. Leserbrief zum Artikel «Bern hat als Rock-Stadt ausgedient» von Christoph Lenz, «der Bund» vom 19.08.2005 Unser Herz schlägt im 4/4-Takt

Mit Erstaunen nehmen wir von einigen Aussagen im Artikel zum Revival der Rockmusik und zur Club-Kultur Berns Kenntnis, in welchem beklagt wird, dass «die einstige RockHochburg» dem musikalischen Genre den Rücken zugekehrt habe. Der Schreibende scheint nur das kommerzielle Segment der Rockmusik als solche gelten zu lassen, Bands, die Stadien und Festhallen füllen, da für ihre Vermarktung die Musikindustrie verantwortlich zeichnet. Zwischen lokalen Bands, deren Auftrittsmöglichkeiten er nur in peripheren Lokalitäten zu verorten vermag, und gehypten Top-Acts, scheint es, ausser skandinavischer Rockmusik, aus seiner Sicht nichts zu geben. Die Reitschule findet Erwähnung in einer Aufzählung von Lokalen, die zum Teil längst das Zeitliche gesegnet haben, «noch vor einigen Jahren» – vor zehn?, vor zwanzig Jahren? – jedoch «federführend in Sachen Rock» gewesen sein sollen. Zur Begründung der Misere führt er «das eiserne Gebot des profitorientierten Wirtschaftens» der Clubs in Bern an. Da scheinen uns, als veranstaltendes Kollektiv des Dachstocks der Reitschule, einige Bemerkungen angebracht, da der Autor des Artikels bei seinen

Recherchen wohl unsere Programmation nicht beachtet hat: Sonst wäre ihm aufgefallen, dass unter den Veranstaltungen in unserem Lokal, mit einiger Konstanz, rund die Hälfte im Rockbereich anzusiedeln sind. Dabei hat unser ehrenamtliches Tun nichts mit «eigennütziger Trittbrettfahrerei auf dem Rock-Hype» zu tun, sondern entspricht unseren Vorlieben, und wird mit Herzblut betrieben. Obschon auch wir nicht sagen können, dass wir gerade mit Rock-Konzerten auf einen grünen Zweig kommen, haben diese, ebenso wie andere Bereiche der Live-Musik, ihren festen Platz in unseren Programmen, und werden diesen auch in Zukunft haben. Zudem ist zu erwähnen, dass das Restaurant Sous Le Pont der Reitschule, keineswegs eine periphere Lokalität, regelmässig junge Bands aus der Schweiz auf seiner Bühne präsentiert, mit einigem Erfolg. Was uns zu schaffen macht, ist eine Presse, die sich vertiefende Berichte zu einzelnen Projekten erst abringen kann, wenn diese einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, andererseits solche SommerlochTexte publiziert, denen jegliche Grundlage abgeht, auf der einen Seite, auf der anderen Seite, und dies wäre wiederum einen, diesmal recherchierten Artikel wert, Abgaben wie die absurden Quellensteuer-Forderungen, mit denen die lokalen Clubs seit der Abschaffung der BilletSteuer gegängelt werden, aufgrund derer schon einige Veranstalter das Handtuch geschmissen haben.

> SANDRO WIEDMER FÜR DIE VERANSTALTUNGSGRUPPE DACHSTOCK REITSCHULE BERN <

DER MODETIPP DES MEGAFONS Unentbehrlich für die nächste Saison, alle Veranstaltungen der Abstimmungskampagne, Familien- oder Bürofeste und für Zuhause: Die neuen Reitschule-Tshirts!!! Unsere Modelle schmal geschnitten, klein ausgemessen!!

Kurzarm hellgrau: S-L, 20 Franken & Porto Kurzarm schwarz: S-XL, 20 Franken & Porto Langarm schwarz: S-XL, 30 Franken & Porto gerader Schnitt, klein ausgemessen!!

Kurzarm hellgrau: S-L, 20 Franken & Porto Kurzarm schwarz: S-XL, 20 Franken & Porto Langarm schwarz: S-XL, 30 Franken & Porto MEHR AUS GUTEM HAUSE

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megafon Nr. 288, Oktober 2005

Die Shirts verkaufen wir jeweils am ersten Sonntag des Monats am Abstimmungsstand am Flohmarkt oder im Infoladen (Mittwoch-, Freitag- und Samstag-Abend, aber auch in ausgewählten Läden in Bern (Kitchener, Layup, Rockaway Beach, Olmo). Bestellungen an Reitschule Bern, Abstimmungsbüro, Postfach 5053, 3001 Bern oder per Mail an reitschule@reitschule.ch. Wir beeilen uns!


MITMACHEN! Die Antifa Bern präsentiert ihren neuen Taschenkalender mit spannenden Texten, wie zum Beispiel:

Ein Überblick zum «kurzen Sommer der Anarchie in Spanien». Lest mehr über Aufstände aus verschiedenen Epochen, und unterschiedlichsten Kontinenten. Ausserdem gibts einen praktischen Infoteil mit Adressverzeichnis, Mondkalender, und vielem mehr!

KONTAKTE Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR

MEGAFON POSTFACH 7611 3001 BERN

Briefmarke

Antifa Bern, Postfach 5053, 3001 Bern oder online bei www.antifa.ch Herausgeberin: Antifa Bern, Druckerei Reitschule Bern. Deutsch, 240 Seiten, gebunden, 4 verschiedene Umschläge. 15 Fr. (zzgl. 2 Fr. Versandkosten)

Postfach 5053 | 3001 Bern reitschule@reitschule.ch www.reitschule.ch T 031 306 69 69 baubuero@reitschule.ch T 031 306 69 57 dachstock@reitschule.ch T 031 306 69 61 X 031 301 69 61

frauenAG ida@reitschule.ch T 031 306 69 68 grossehalle@reitschule.ch T 031 306 69 63

(BITTE ANKREUZEN)

tojo@reitschule.ch T 031 306 69 69 (Di N)

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souslepont@reitschule.ch T 031 306 69 55

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