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Entdeckung der Homosexualität. Homosexualität war für Tahayori kein Thema im Iran. Ein verbotenes Wissen, mit dem er nichts anfangen konnte. Für ihn gibt es Männer, die sich ihrer Vorliebe erst durch die Möglichkeit bewusst werden, und solche Möglichkeiten eröffneten sich für ihn in Wien. Die Wiener Szene erscheint ihm als sehr vielschichtig und sich stets dem Puls der Zeit gemäß neu ausrichtend. Schreibt Tahayori, dessen Figuren sich meist in einer sexuellen Ambiguität bewegen, schwule Literatur? Er ist an diesen Kategorien nicht interessiert, viel spannender findet er die Auflösung – wenn sich etwa bei einer Lesung heterosexuelle ZuhörerInnen in einem seiner Charaktere wiedererkennen, führt das dazu, dass sie ihre bisherigen Vorstellungen von Sexualität zwangsweise ein Stück mit überdenken müssen. Dabei erzählt er uns von einer Eigenheit der persischen Sprache. „Die dritte Person Singular ist im Persischen eine Personalunion – es gibt keine Unterscheidung zwischen männlich und weiblich. Also kann man eine Liebesgeschichte zwischen zwei Personen erzählen, ohne dass klar wird, welches Geschlecht sie haben.“ Können Vorurteile überwunden werden? Prinzipiell verhandelt Tahayori in seinen Texten die (Un-)Möglichkeiten der Überwindung von Vorurteilen. „Es wäre präpotent zu sagen, ich versuche zwischen den Völkern zu vermitteln, aber es wäre prinzipiell möglich, sofern auf beiden Seiten die Bereitschaft da ist, aufeinander zuzugehen.“ Der Titel seines ersten Erzählbands „orientExtrem“, der dieses Jahr in der „edition exil“ erschienen ist (siehe auch unsere Buchseite), ist einem Faible für ungenaue Übersetzungen verschuldet. Im Französischen bedeutet „L‘Extrême-Orient “ einfach Ferner Osten. Der Klang des Begriffs löst im Deutschen allerdings ganz andere Assoziationen aus. Durch die Großsetzung des „e“ im Titel wird eine Trennung vorgenommen, es wird angedeutet, dass die beiden Begriffe nicht zwingend zusammengehören und dennoch allzu oft in eine Zwangsehe gedrängt werden.

Assimilierungssucht. Tahayori fühlt sich trotz des stellenweise rauen politischen Klimas wohl in Österreich. Die FPÖ erscheint ihm als eine Partei mit rein opportunistischen Zügen und mit Fremdenfeindlichkeit ist er nie direkt in Kontakt gekommen. Das mag einerseits daran liegen, dass er sich mit Menschen umgibt, die seine Ansichten teilen, andererseits an seiner iranischen Herkunft. Iraner werden oft als die „zuvorkommenden Einwanderer“ erlebt – Tahayori ortet hier auch eine Art Assimilierungssucht, die durchaus bis zur Selbstaufgabe führen kann. Er selbst liest jedes Jahr um die Weihnachtszeit herum zumindest ein Buch auf Persisch. Politischer Geist. Die Revolutionen im Nahen Osten empfindet Tahayori als positiv und zollt vor allem jenen Menschen seinen Tribut, die ihr Leben für die Freiheit riskieren. Er erinnert aber auch daran, dass der Umsturz die eine Sache sei, die Etablierung von demokratischen Strukturen eine ganz andere und weitaus schwierigere ­– vor allem in einer Region, in der es kaum demokratische Traditionen gibt. Er selbst war 12 Jahre alt als im Iran die Islamische Revolution ausbrach. Heute erinnert er sich vor allem an die euphorische Stimmung, die Menschen, die auf die Straßen gingen um ihre Rechte einzufordern. „Außerdem musste ich nicht in die Schule“, fügt er mit einem schelmischen Lächeln hinzu. Dass die Wünsche und Träume der Menschen, die alles riskierten um den Machtwechsel herbeizuführen, nicht erfüllt wurden, stehe auf einem anderen Blatt. Man darf sich zu diesem Thema auf Tahayoris ersten Roman freuen, in dem er diese Zeit aus der Perspektive eines Heranwachsenden auferstehen lässt. Überhaupt kann man sich noch einiges von diesem vielschichtigen und spannenden Autor erwarten. Immerhin hat er vor, so lange in Wien zu bleiben „bis jeder etwas von mir gelesen hat.“ Kaum hat er das gesagt, lacht er verschämt … Eh klar, Iraner sind ja die freundlichsten Menschen der Welt. n

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