Komplex N°9 2016

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Balz Halter, Verwaltungsratspräsident der Halter AG

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Die grossen Würfe bleiben aus Das Raumplanungsgesetz (RPG) sagt es im Einleitungsartikel unmissverständlich: «Bund, Kantone, Gemeinden (…) unterstützen mit Massnahmen der Raumplanung insbesondere die Bestrebungen, a) die natürlichen Lebensgrundlagen wie Boden, Luft, Wasser, Wald und die Landschaft zu schützen, abis) die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken, unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität, b) kompakte Siedlungen zu schaffen (…).» Verdichtung ist angesagt und damit Bauen im Bestand. Besonders wenn wir die stetig zunehmenden, sich verändernden Raumbedürfnisse befriedigen wollen. Die Nachfrage resultiert aus dem Wachstum, das wir benötigen, um unseren Wohlstand zu erhalten, der Zuwanderung, die auch bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative stattfinden wird, der Alterung der Gesellschaft sowie dem steigenden Pro-Kopf-Verbrauch der Haushalte. Die Transformation wird praktiziert, seit es Städte gibt; im Mittelalter innerhalb der Stadtmauern, später ausserhalb. Das Schleifen von Schanzen und das Auffüllen von Wehrgräben schufen neue Stadträume mit urbanem Gepräge. Eingemeindungen erweiterten den Stadtraum und führten zu bedeutenden Umgestaltungen. Was daraus entstehen kann, zeigt die Zürcher Bahnhofstrasse, die trotz kontroverser Auseinandersetzungen in geradliniger Form mit weltstädtischen Dimensionen zur Prachtstrasse wurde. Dies geschah in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einer Phase des Aufbruchs, in der ein mutiger, liberaler Staat die Rahmenbedingungen für qualitätsvolle und wirtschaftliche Stadtentwicklung schuf. Heute bedeutet Bauen im Bestand nicht Umbau und Verdichtung der Kernstädte, sondern die Transformation von struktur- und identitätsschwachen Agglomerationen hin zu polyzentrischen Stadtlandschaften mit differenzierten Funktionen und Bedeutungen. Wie schwierig eine derartige Veränderung ist, zeigt die jüngste Abstimmung über die Limmattalbahn. Während die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich dem Limmattal die Verkehrsentlastung zugestand, überwog die Ablehnung in den betroffenen Gemeinden; aus Angst vor Wachstum und Veränderung im vertrauten Umfeld. Heute sind wir gefangen in unserem Wohlstand. Der Mut für Stadt­planung und Städtebau fehlt. Es ist zu befürchten, dass wir die Chance verpassen, attraktive, dichte und dynamische Orte mit städtischer Ausstrahlung an bestens erschlossenen Lagen zu schaffen und dadurch Landschaften und Siedlungsstrukturen zu entlasten, deren Qualitäten wir bewahren sollten.


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