ATLAS 15 - Wissen / The Known

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DAS MAGAZIN VON GEBRÜDER WEISS THE GEBRÜDER WEISS MAGAZINE

AUSGABE ISSUE 15 2021

Wissen The Known



Nichtwissen The Unknown


Das meiste wissen wir nicht. Und vieles von dem, was wir wissen, ist geerbt – kleine Splitter, auf die wir intuitiv zurückgreifen, weil wir sie irgend­­ wann fast im Vorbeigehen mitbekommen haben: von Müttern und Vätern, Großmüttern oder Großvätern. Wir haben unsere Leserinnen und Leser gefragt, was sie von wem übernommen haben.

We don’t know most things. And much of what we do know is inherited – morsels of information that we can intuitively revive because we have picked them up unconsciously, in passing, at some time: from mothers and fathers, grandmothers and grandfathers. We asked our readers what they learned from whom.


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Was kann ich ­wissen?

What can I know?

Diese Grundfrage hat der Philosoph Immanuel Kant an der Schwelle zum 19. Jahrhundert gestellt. Im Hinblick auf die ungeheuren Mengen an gespeicherten und jederzeit abrufbaren Daten möchte man heute zurückfragen: Was weiß ich denn eigentlich nicht? Die Antwort lautet ­ natürlich: Fast alles. Die winzigen Inseln unseres Wissens treiben in endlosen Weiten des Nicht­w issens. Und selbst das, was wir irgendwo lesen oder hören, ist zunächst nur eine Information, die es kritisch zu prüfen gilt. Nicht jede Information ist wahr, auch wenn sie noch so gut klingt. Dass wir aber nicht nur zweifeln sollten, sondern wieder lernen müssen, jemandem zu glauben, stellt der Sozialpsychologe Robert Imhoff im Interview für diese Aus­ gabe des ATLAS heraus. Wer nichts glauben kann, der kann nämlich auch nichts wissen, ganz ohne Vertrauen geht es nicht. Das gilt etwa für Menschen, die in erd­ bebengefährdeten Gebieten leben und gut ­beraten wären, den Leuten zu glauben, die darüber Bescheid wissen. Das zeigt die Geschichte von Svenja Beller und Julia Lauter. Das Gute am Nichtwissen ist: Überall gibt es etwas zu entdecken und zu erfah­ ren. Auch in diesem ATLAS . Wenn Sie ihn ge­­le­sen haben, wissen Sie mehr – über den Ham­burger Hafen, über Irrtümer und Erkennt­nisse, über Logistik und über Gebrüder Weiss.

The philosopher Immanuel Kant asked this question at the threshold of the nine­teenth century. Given the enormous volumes of data that are stored and readily accessible, today we might prefer to ask: What don’t I know yet? The answer of course is: almost everything. The tiny islands of our knowledge are all but invisible in our vast oceans of ignorance. And even things we have read or heard somewhere still require scrutiny. Because not all information is true, no matter how reliable it might seem at first glance. In his interview for this issue of ATLAS, social psychologist Robert Imhoff explains that we should be less suspicious – and learn to believe others again. People who spend their lives doubting everything will end up believing nothing. In this case they cannot know anything with certainty. So,ultimately, there is no alternative to trust. That also applies to residents of regions prone to earthquakes, who would be well advised to believe people who know what’s what. The article by Svenja Beller and Julia Lauter conveys this powerfully. The best thing about ignorance is that there are so many things left to discover and experience. Not least in this issue of ATLAS. When you’ve finished reading it, you will know a lot more: about the Port of Hamburg, about errors and lessons from the past, about logistics – and about Gebrüder Weiss.

Eine anregende Lektüre wünscht Gebrüder Weiss

Here’s wishing you interesting reading! Gebrüder Weiss



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Oliver Driesen Alles fließt  6

Oliver Driesen A world in constant flux  19

Interview Robert Stahlschmidt »Die Mischung aus beiden Welten zeichnet uns aus«  23

Interview Robert Stahlschmidt ­“It’s the combination of both worlds that sets us apart”  25

Neu bei Gebrüder Weiss  28

New at Gebrüder Weiss  29

Stefanie Hardick Woher kommt unser Wissen?  32

Stefanie Hardick Where does our knowledge come from?  37

Was Sie über Logistik wissen sollten  40

What you need to know about logistics  40

Till Hein Der Schatz im Salzberg  42

Till Hein A saltmine of information  45

Wissen auf Wanderschaft  48

Knowledge conquers the world  55

Die Welt in Orange  60

Orange Network  60

Interview Roland Imhoff »Wir brauchen eine Übereinkunft, wann etwas stimmt und wann nicht«  62

Interview Roland Imhoff “We need consensus on when something is true and when it isn’t”  67

Was Sie über Gebrüder Weiss wissen sollten  72

What you need to know about Gebrüder Weiss  72

Florian Aigner Wissenschaft – das sind wir alle  74

Florian Aigner Our common quest for knowledge  77

Svenja Beller und Julia Lauter Das große Zittern  80

Svenja Beller und Julia Lauter On shaky ground  85

Was wissen Sie?  90

What do you know?  91

Impressum  92

Imprint  92

Bruno Bleiker ist Fahrer in der Gebrüder Weiss-Nieder­ lassung Altenrhein und steuert den ersten Wasser­stoffLkw des Unternehmens. Der 52-jährige Automechaniker hat extra wegen des Lkw mit der neuen Technologie den Job gewechselt – und zeigt sich nach zwei Monaten im Einsatz fasziniert von dem Fahrzeug mit Brennstoff­ zellen-Antrieb. Bruno Bleiker is a driver at the Gebrüder Weiss Altenrhein branch and steers the company’s first hydrogen-powered truck. Such was the appeal of the truck with the new technology that the 52-year-old car mechanic changed jobs to get behind its wheel. And after two months on the road, he is still enamored by the vehicle with the fuel cell.


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Alles fließt text  Oliver Driesen  fotos  Patrick Ohligschläger

Der Hamburger Hafen ist ein maritimes Gesamtkunst­ werk. Geschaffen wird es jeden Tag neu – als Collage aus Geschäften, Gezeiten und Gesichtern. Mit schöpfe­ rischer Energie passt sich Deutschlands wichtigster Han­ dels­hafen seit Jahrhunderten dem Wind des Wandels an. Doch die Corona-Pandemie hat auch im Schatten der Containerbrücken Spuren hinterlassen. Kurz vor Mitternacht am letzten Tag des Jahres 2020 fährt ein fast leerer Zug der Hamburger Hochbahn in die Sta­ tion Baumwall am Hafen ein. Hier, wo sich normalerweise Zehntausende zum Silvesterfeuerwerk an der Waterkant drängen, steigt mit wenigen anderen Fahrgästen ein mittel­ altes Ehepaar aus – und zögert auf dem Bahnsteig nach ­wenigen Schritten. Von der Uferstraße her, auf der statt ­Menschenmassen nur Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht unter­ wegs sind, empfängt eine Lautsprecherdurchsage die Neuankömm­linge: »Hier spricht die Polizei Hamburg! Im Rahmen der Corona-Maßnahmen gilt im Bereich Elbufer Versammlungs- und Alkoholverbot! Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern ist untersagt!« Das Paar wechselt Blicke, wandert dann aber weiter in Richtung Elbphilharmonie. Hinunter zum Fluss, der sich dunkel unter einem schwarzen Himmel dahinwälzt. Als es Zwölf schlägt, flüchten sich die beiden in die tiefsten ­Schatten des verwaisten Traditionsschiffhafens in der Hafen­ City, um auf dem sacht schaukelnden Ponton verstohlen mit Sekt aus Plastikbechern anzustoßen. Plötzlich kommt aus einem der umliegenden Wohnblocks ein junger Mann hinzu. Einen gehörigen Abstand wahrend stellt er sich fast schüch­ tern ­vor: »Hallo, ich bin Linus. Hättet ihr was dagegen, wenn ich hier eine Rakete steigen lasse?« Nein, hätten sie ganz und gar nicht. Wenige Sekunden später erblüht hoch über den Masten der alten Segler mit poetischer Pracht eine einzel­ne, orangegelbe Riesenblume. So begrüßt doch noch ein Funke Lebensfreude das neue Jahr an der Elbe. Über Jahrhunderte gewachsen Der Hamburger Hafen hat allerdings schon viel dunklere Zeiten überstanden. Wann immer es nötig war, trotzte er bis

dahin unbekannten Herausforderungen und erfand sich ­einfach neu. Zum Beispiel 1862, als die Welt sich durch den Siegeszug der Dampfmaschine radikal verändert hatte: Nicht nur bot sich nun die Eisenbahn für den Güter-Aus­ tausch mit dem Hinterland an, auch immer mehr Dampf­ schiffe kamen vom Meer her die Elbe hinauf. Das erforderte eine ganz andere Infrastruktur für den Güterumschlag als die alten Handelssegler aus den Zeiten des Barock. Aber welche? Einen Dockhafen nach dem Vorbild Londons, mit gemauerten Schleusenbecken zum Ausgleich der wech­ selnden Wasserstände? Hamburg entschied sich lieber für etwas viel Großzügigeres: einen offenen Tidehafen. Ohne enge Schleusen, dafür mit Schuppen, Kränen – und Gleis­ anschluss direkt am Kai. Eine Einladung für weiteres Wachs­ tum in alle Himmelsrichtungen. Selbst die katastrophale Bombardierung im Zweiten Weltkrieg war nicht der Untergang des Hafens. Obwohl bei Kriegsende 1945 etwa 3.000 Schiffswracks die Hafengewäs­ ser fast unpassierbar machten und die zu 90 Prozent zer­ störten Anlagen auf die Leistungsfähigkeit vor Einführung des Tidehafens zurückgebombt worden waren, ließ der ­Wiederaufbau nicht lange auf sich warten. Auch dank neu eingeführter Umschlagtechnik wie dem Gabelstapler und Tausender kräftiger Hände von Tagelöhnern war der ­Hafen schon ein Jahrzehnt danach bestens auf die große Zeit der Stückgutfrachter eingerichtet. Mit Säcken und Kisten voller Gewürze, Kaffee oder Bananen in den Frachträumen setzten sie auf allen Weltmeeren Kurs Richtung Hamburg. Die Blechboxen-Revolution Um 1970 folgten ihnen die ersten Containerschiffe. Das ­sorgte für eine weitere Revolution der Logistik: keine Lager­

Normalerweise mehr unterwegs: Barkassen an den St. Pauli-Landungsbrücken am Nordrand des Hafens Typically on the move: barges at the St. Pauli landing stages at the northern edge of the port.


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schuppen mehr, dafür »Terminals«. Auf diesen Stellflächen am Kai stapeln sich seither die Blechboxen, die auf immer größeren Containerriesen in die Hansestadt einlaufen. Der offene Tidehafen hat sich historisch als die richtige Wahl erwiesen, während in London 1980 der Dockhafen sein letz­ tes Schleusenbecken schließen musste: Die neue Fracht­ schiffgeneration passte nicht mehr hinein. Hamburg ist und bleibt Deutschlands mit Abstand wich­ tigster Handelshafen: 8,5 Millionen TEU – die Abkürzung für 20-Fuß-Standardcontainer – hat Hamburg 2020 umge­ schlagen. Das waren nur 7,9 Prozent weniger als im Jahr ­zuvor, trotz des vorübergehenden Einbruchs durch Corona. Im Wettbewerb der Welthäfen allerdings verliert die Hanse­ stadt mehr und mehr an Boden, seit Asien mit China an der Spitze zur Werkbank der Welt und damit zur globalen Container-Drehscheibe aufstieg. Zuletzt lag Hamburg im Weltmaßstab noch auf Platz 14. Auch in Europa mussten Marktanteile an die führenden Häfen Rotterdam und ­Antwerpen abgegeben werden. »Das hängt damit zusammen, dass die Reedereien dort anders als in Hamburg im großen Stil an den Terminals beteiligt sind. Je größer und mächti­ ger die Reeder werden, desto mehr Container lassen sie über diese Terminals und Häfen laufen«, erklärt Axel Mattern. Als einer der beiden Vorstände des Vereins Hafen Hamburg

Marketing spricht er für fast 300 Mitgliedsunternehmen, die zwischen Containerbrücken und Hafenkränen aktiv sind. Es ist ein eiskalter Februartag, als Mattern vor dem ­Hintergrund majestätisch vorbeiziehender Containerriesen mit den Logos chinesischer Reedereien die wirtschaftliche Lage erläutert. Von niemandem sei Hamburg so abhängig wie von China, erklärt er. Jeder dritte Container im Hafen komme von dort oder fahre dorthin. Die Pandemie war daher ein harter Schlag für die Hanseaten. Weil aber Chinas ­dynamische Wirtschaft Corona schon seit einiger Zeit abge­ hakt habe, spüre auch Hamburg nun wieder deutlich den Aufschwung, sagt Mattern. In der Sprache von Hafenveteranen seines Schlages sind Containerschiffe »Eimer«, während Ladung aus »Büchsen«

Links oben: Axel Mattern sieht dem Aufschwung entgegen. Rechts: Ein einziger Containerriese wie die Matz Maersk kann bereits mehr als 18.000 Container laden. Top left: Axel Mattern is looking forward to an economic recovery. Right: A single titan like the MATZ MAERSK can transport more than 18,000 containers.


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besteht. Seit der jüngsten Vertiefung der Fahrrinne in der Elbe, die nach satten 19 Jahren Planungs- und Baggerzeit baulich abgeschlossen ist, können sich in Matterns Worten künftig zwei Eimer mit jeweils bis zu 24.000 Büchsen an­ein­ ander vorbeizwängen. Dafür gibt es im Flussbett eigens eine »Begegnungsbox« mit passenden Maßen für die bis zu 400 Meter langen und bis zu 65 Meter breiten Ungetüme. Begegnungsbox – dieser Fachbegriff wiederum ist eine Blüte, die Bauingenieure zur blumigen Hafensprache des 21. Jahr­ hunderts beigesteuert haben. Trumpfkarte Schienenanschluss Noch größer werden die Containergiganten hier wohl nicht mehr werden, eine weitere multimillionenteure Elbver­ tiefung in der Zukunft ist damit unwahrscheinlich. Die Statik und Manövrierfähigkeit der Schiffe würde an Grenzen ­stoßen, der Trend geht derzeit eher zu energieeffizienteren und flexibler einsetzbaren, also kleineren Schiffen. Aber Hamburgs Stärke als 90 Kilometer tief im Elbstrom platzier­ ter Hafen liegt sowieso nicht in der Anziehungskraft für die größten Ozeanriesen der Welt – da sind Tiefwasserhäfen am oder im Meer im Vorteil. Nein, es ist die Eisenbahn. Denn ab einem bestimmten Punkt geht es für Seecontainer nur über Straßen oder eben Schienen weiter ans Ziel, und umgekehrt

Vom Schiff direkt auf die Schiene – oder um­ge­ kehrt. Im Hamburger Hafen ist es möglich. From ship to rail, and vice versa. Made possible by the Port of Hamburg.

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in Richtung Meer. Der Hamburger Hafen besticht wie seit den Anfängen im späten 19. Jahrhundert durch sein immer komplexeres, heute bis nach Asien reichendes Netzwerk an Güterbahnverbindungen und Hinterland-Containertermi­ nals. »Für Logistiker in meeresfernen Ländern wie Öster­ reich ist das sehr attraktiv«, sagt Mattern. Insgesamt sind es 132 Containerzugverbindungen pro Woche, die österreichi­ sche Wirtschaftsregionen mit Hamburg verbinden. Dadurch lässt sich für die Alpenrepublik deutlich mehr bewegen als mit vielleicht zwei Zügen pro Woche zu einem Mittelmeer­ hafen. Ein endloses Netzwerk aus Schienen und Straßen, aus Güter- und Datenverbindungen, aus Lieferketten und ­Nachrichtenkanälen zu Wasser und zu Lande verbindet die Hamburger Waterkant mit dem Festland. Das Netz wird ­unermüdlich immer weiter ausgebaut und auf Effizienz ge­ trimmt. An diesen kleinteiligen Verbesserungen, aber auch an kühnen Visionen zum Hafenbetrieb von übermorgen ­arbeitet an Dutzenden Orten in der Stadt ein Heer von For­ schungs- und Entwicklungsfachleuten aus Bereichen wie Schiffstechnologie oder Logistik-Menschen wie Robert Grundmann, Diplom-Ingenieur und wissenschaftlicher ­Mitarbeiter am Fraunhofer Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML ).




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Seebär digital: der Ingenieur Robert ­Grundmann vom Fraunhofer Center für ­Maritime Logistik und Dienstleistungen Digital mariner: the engineer Robert ­Grundmann from the Fraunhofer Center for ­Maritime ­Logistics and Services CML .

Die Zukunft im Testlauf Obwohl er sich in seinem Labor am Harburger Binnenhafen nicht von der Stelle bewegt, steuert Grundmann wie ein ­alter Seebär auf der Brücke wahlweise ein voll beladenes Containerschiff oder einen der bullenstarken Schlepper, die den Koloss durch das Labyrinth der Hafengewässer bug­ sieren. Seine klobige Datenbrille macht es möglich: Am digi­ talen Schiffssimulator des CML führt sie Grundmann als virtuelle Realität vor Augen, was in nicht allzu ferner Zukunft einmal Arbeitsalltag im Hafen sein könnte. »Wir wollen Hafenschlepper bei An- und Ablegemanö­ vern großer Schiffe fernsteuern«, beschreibt Grundmann das von der Bundesregierung geförderte Projekt FernSAMS . »Die Arbeit der Schlepperbesatzungen ist nicht ungefähr­ lich. Die Fernsteuerung von Land aus macht sie sicherer und ermöglicht einen effizienteren Personaleinsatz der nauti­ schen Spezialisten.« Wäre Corona nicht dazwischengekom­ men, hätte das CML -Team bereits im Herbst 2020 versuchs­ weise einen realen Schlepper fernsteuern können. Der Test wurde auf dieses Jahr verschoben, aber immerhin: Im Schäferhauser See in der Nähe von Stuttgart manövrierte bereits ein echter Schlepperkapitän ein Drei-Meter-Modell erfolgreich mit Datenbrille und Steuerkonsole durchs ­Wasser.

Das Fernziel sind Schiffe, die teilweise oder völlig autonom fahren. Künstliche Intelligenz soll auf stürmischer See und in Hafengewässern irgendwann einmal jene Entscheidungen treffen, für die heute noch menschliches Fachwissen, Erfah­ rung und Bauchgefühl zuständig sind: Ausweichmanöver bei Kollisionskurs, das Umschiffen von Eisbergen – oder eben sicheres Anlegen am Kai. Die Forschenden in Hamburg ­arbeiten schon an unbemannten Arbeitsbooten, die gemein­ sam mit autonomen Miniatur-U-Booten oder Flugdrohnen beispielsweise Schiffsrümpfe im Hafenbecken inspizieren oder das Flussbett in Echtzeit vermessen. Was morgen mög­ lich ist, wird im Hamburger Hafen jeden Tag neu definiert. Engagement für Traditionen Im selben Maß drohen allerdings die Traditionen der Ver­ gangenheit auszusterben; sie müssen mit viel Engagement lebendig erhalten werden. Im geräumigen Bauch der ­Flussschifferkirche bereitet Christel Zeidler die sonntägliche ­Andacht vor. Hier ist der Begriff »Kirchenschiff« einmal wört­lich zu nehmen: Ein mehr als 115 Jahre alter Frachtkahn mit Liegeplatz zwischen den Touristen-Barkassen fungiert seit 1952 als schwimmendes Gotteshaus der Binnenschiffer im Hamburger Hafen – die einzige aktive Kirche auf Kiel in ganz Europa. Auch getauft und geheiratet wird an Bord.


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Zeidler, ehrenamtliche evangelische Diakonin und Seelsor­ gerin beim Förderverein der Flussschifferkirche, entzündet unter Deck die Kerzen am rückwärtigen Altar. Dann durch­ quert sie den großen, mit dunklem Holz getäfelten Schiffs­ rumpf und läutet elektrisch die Glocke im kleinen Turm am Bug. In Zeiten der Pandemie wurde aus dem evangelischen Gottesdienst mit bis zu 90 Gläubigen das Angebot einer ­»offenen Kirche« für eine Stunde pro Woche. Sechs überwie­ gend ältere Herrschaften haben sich an Bord eingefunden – zur Einkehr mit Schutzmaske. Die Flussschiffergemeinde – liebevoll »Flusi« genannt – existiert in Hamburg seit rund 70 Jahren. Mit den ein- und auslaufenden Binnenschiffern in Kontakt zu bleiben, er­ fordert vom Kirchenpersonal viel Mobilität. Dazu dient die ­Barkasse »Johann Hinrich Wichern«. Mit ihr fahren eine Seelsorgerin, ein Steuermann und ein Festmacher in eisfrei­ en Zeiten regelmäßig durch den Hafen, um bei Binnen­ schiffen längsseits zu gehen. Von Bordwand zu Bordwand wird dann geschnackt. »Die allermeisten freuen sich sehr, wenn wir kommen«, sagt Zeidler. »Wir bringen die Tages­zeitung mit, Obst, etwas Schokolade. Und wir bieten ­Gespräche an.« Die allerdings können auch mal sehr traurig verlaufen: Ein Binnenschiffer, dessen Hochzeitstermin an Bord der

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schwimmenden Kirche bereits feststand, musste beim Be­ such der Barkasse berichten, dass seine Braut überraschend verstorben war. Wenn solche Schicksalsschläge auch selten sind: »Den Binnenschiffern geht es im Hamburger Hafen gar nicht gut«, weiß Zeidler. Der Hafen sei nun mal auf die dicken Hochsee-Pötte fixiert, die Flussschiffer würden dem­ gegenüber an den Rand gedrängt. »Wir versuchen, in den Hafengremien ihr Sprachrohr zu sein.« Eine mächtige Stim­ me dringt an diesem Sonntag nicht aus dem Kirchenschiff an der Hohen Brücke, das Singen entfällt wegen Corona. Massen-Events und Verlärmung Am Ende ist es wieder Nacht geworden im Hamburger Hafen. Nur punktuell beleuchtet, ragt die Silhouette der im Jahr 1888 eingeweihten Speicherstadt vor dem dunklen Himmel auf.

Links: Zwischen den Barkassen schwimmt das Gotteshaus. Oben: Beten an Bord – nicht nur für Seeleute. Seelsorgerin Christel Zeidler kümmert sich. Left: The church wends its way between the barges. Top: Prayers on board – not just for sailors. ­Pastor Christel Zeidler lends a helping hand.


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Lichtkünstler Michael Batz beobachtet Kommen und Gehen in der Speicherstadt. Light artist Michael Batz watches the comings and goings in the “Warehouse City.”

Einer, der den Charakter eines historischen Ortes lesen kann, ist der Hamburger Lichtkünstler und Theatermacher Michael Batz. Seine behutsame Illuminierung der kilometer­ langen, bis dahin nachts fast unsichtbaren Backstein­Häuser­ zeile setzte vor genau 20 Jahren auf wenige Akzente aus neutralweißem Licht. Das ehrwürdige Ensemble sollte nicht überstrahlt, sondern zum Erzählen gebracht werden. Mit grandiosem Erfolg: Aus der Aktion ging eine bis heute anhal­ tende Dauer­Erleuchtung hervor. Ein ebenso regelmäßiges Lichterfest ist der Blue Port, den Batz alle zwei Jahre parallel zur Kreuzfahrtschiff­Parade der Hamburger Cruise Days inszeniert. Im September wäre es wieder so weit. Doch Corona verhindert das Massen­ Event, bei dem blaue Neonlichter auf Schiffen, Kränen und Dächern bis zu 400.000 dicht gedrängte Menschen in ihren Bann ziehen. Blue Port ist modernes Stadtmarketing, ein optisches Knallbonbon und ungeheuer populär. Das steht in einem gewissen Gegensatz zum künstlerischen Anspruch, mit dem sich Batz von den Tourismus­Klischees des Hafens abheben möchte: »Es gibt zwei Welten hier, die Nord­ und die Südseite. Am Nordufer ist die Spaßwelt mit der Gastrono­ mie, den Barkassen und Reisebussen. Auf dem Südufer ist die Arbeitswelt. Dort würde niemand auf die Idee kommen, den Hafen als Sehnsuchtsort zu bezeichnen.«

Doch seit der Einweihung der Elbphilharmonie 2017 hat der Hafentourismus eine neue Dimension erreicht. Entlang der Speicherstadt dröhnten im Sommer Reisebus­Kolonnen und Korsos schwerer Motorräder. Unter anderem die zu­ nehmende Verlärmung des Ortes beendete 2018 nach einem Vierteljahrhundert das von Batz geschaffene Open­Air­ Theaterfestival Hamburger Jedermann im historischen Ambi­ ente. Verliert der Künstler da nicht allmählich das Interesse am Hamburger Hafen? »Nein, aber ich brauche manchmal Urlaub von ihm. Den Hafen darf man nicht stationär betrach­ ten. Hafen ist Kommen und Gehen.« Was zum Glück meist auch bedeutet: Wiederkehr.

Oliver Driesen ist Journalist und Schriftsteller in Hamburg . 2010 ist sein Sachbuch Welt im Fluss über den Hamburger Hafen und die Globalisierung erschienen. Auch in Driesens Romanen Wattenstadt und Schalttagskind spielen das Meer und Schiff e eine wichtige Rolle.


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A world in constant flux TEXT

Oliver Driesen

The port of Hamburg is a symphony, a ­maritime medley made up of shifting tides, ­passing faces, deals being done. Creative energy has enabled Germany’s top trading port to adapt to the winds of time. Yet here too, in the shadows of the gantry cranes, the corona­virus pandemic has left its scars. Shortly before midnight on the final day of 2020, a near-empty subway train pulls into Baumwall station at Hamburg’s waterfront. Here, where tens of thousands would normally be teeming to see the New Year’s fireworks on the far shore, a middle-aged couple disembarks along with a handful of other passengers. A few paces later, they pause on the platform. From the riverside road where emergency vehicles speed along with lights flashing, a disembodied voice can be heard booming up to the newcomers: “This is Hamburg Police! In line with the COVID -19 restrictions, public assemblies and alcohol are banned along the banks of the Elbe River. Fireworks are strictly forbidden!” The couple exchange glances but then re­sume their stroll towards the Elbphilharmonie concert hall, descending to the river that flows as dark as the night sky. At the stroke of midnight, the two of them withdraw into the deepest recesses of the deserted historic harbor, part of the HafenCity; they toast with champagne in plastic cups on the gently rocking pontoon. Suddenly they are joined by a young man who has emerged from a nearby apartment building. Keeping a safe distance, he introduces himself. “Hi, I’m Linus. Would you mind if I set off a rocket here?” No, they wouldn’t mind at all. A few seconds later, high above the masts of a vintage sailing ship, a single orange and yellow plume blossoms with poetic grandeur against the night sky. And at least one spark of joy rings in the new year at the Elbe. Centuries of growth and expansion The Port of Hamburg has seen many a dark day, though, and has always risen from the ashes. It has bravely faced hitherto unknown adversity and, if necessary, simply reinvented itself. For instance in 1862, when the triumphant rise of the steam engine radically changed the world. Not only could the railways now be used

to exchange goods with the hinterland; more and more steam-powered vessels were ­chugging inland along the Elbe from the sea. That required a completely different transhipment infrastructure than the old-time commercial sailing ships from the Baroque era. But what? Docks like in London, with brick-built locks to regulate the fluctuating water levels? Instead Hamburg chose a more elaborate solution: a tidal port. Albeit without its own locks, but brimming with warehouses, cranes and quayside railway sidings. The groundwork was laid for further growth – in every direction under the sun. Even the catastrophic air raids of World War Two could not keep this phoenix from rising to a new challenge. In 1945 some 3,000 shipwrecks had rendered the port’s waters nearly impassable – and some 90 percent of the facilities had been destroyed, catapulting its potential back to pre-tidal times. Yet the reconstruction commenced without delay. Thanks to new transhipment technology such as the forklift, and thousands of hard-working day laborers, just a scant decade later the harbor was primed to usher in the heyday of general cargo ships. Loaded with sacks and crates of spices, coffee and bananas, they set out across the seven seas, destined for Hamburg. The tin box revolution The first container vessels followed around 1970, signaling a revolution in logistics. They bade farewell to warehouses and hello to so-called terminals. Ever since, these dockside storage areas have been filled with stacked metal boxes that keep arriving at the port of Hamburg on ever-larger container ships. In retro­spect, the open tidal port has proven a good choice; London was forced to close its final lock in 1980 because the latest gener­ ation of freighters were too large. Hamburg is and will remain by far Germany’s most important trading port: its throughput in 2020 was 8.5 million TEU s (short for a 20-foot standard container). This was a mere 7.9 percent less than the previous year, notwith­ standing the temporary slump brought by the ­pandemic. However, on the international stage, Hamburg has been losing ground to its


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Port of Hamburg

competitors ever since Asia – led by China – rose to become the world-leading manu­fac­ turing and container hub. At the latest count, Hamburg was still ranked 14th. In Europe as well, the German port has had to surrender market share to its rivals in Rotterdam and Antwerp. “That’s partly due to the fact that, unlike in Hamburg, the shipping companies hold high stakes in the terminals. The bigger and more powerful a shipping line is, the more containers they channel through these terminals and ports,” Axel Mattern explains. As one of the two directors of Hafen Hamburg Marketing, he speaks for nearly 300 member firms operating beneath the towering container cranes. It’s a chill day in February as Mattern explains the economics of port management; behind him, gargantuan container ships glide majes­ tically along, bearing the logos of Chinese shipping companies. China is the key ingredient in Hamburg’s current recipe for success, he explains. Every third container in the port either came from or was heading there; the pandemic had struck a critical blow to Hamburg’s operations. But China’s dynamic economy had already consigned it to the past, and its recovery was now benefiting Hamburg as well, Mattern says. Veterans of his ilk have their own jargon, their own names for things: container ships are “buckets,” their cargo “cans.” Ever since the most recent deepening of the shipping lane – a project that took a whopping 19 years of plan­ ning and dredging – two of Mattern’s buckets with up to 24,000 cans on board can squeeze past one another on the Elbe. This encounter is confined to a special “meeting box” that ac­ com­modates vessels up to 400 meters long and 65 meters wide. The term “meeting box” was coined by civil engineers in the flowery idiom of 21st century docks and locks. Ace in the pack: rail links Hopes of still larger container vessels have been abandoned here, making another multimillion-­dollar expansion of the Elbe unlikely. Ship struc­­tures and maneuverability have their limitations; today’s trend is toward energy-­ efficient and flex­i­ble-purpose – i. e. smaller – ships. The strength and unique feature of this port located 90 kilometers inland does not lie in attracting the world’s oceangoing titans; they are better served in deep-water ports or even at sea. No,Hamburg’s trump card is the railroad.

After all, at some point maritime containers need to travel the roads or rails to their final destinations – and then back to the sea. Since the late 19th century, the Port of Hamburg has offered an ever more complex constellation of freight-train connections and hinterland container terminals that now extends all the way to Asia. “That really appeals to logistics experts in landlocked countries like Austria,” Mattern says. There are 132 container trains per week linking the industrial centers of Austria with Hamburg. This enables the Alpine republic to move a great deal more goods than, for instance, two trains a week to a Mediterranean port. An infinite network of rails and roads, of goods and data connections, supply chains and reporting channels, on land and at sea, all link Hamburg with mainland Europe. And this web continues to be spun even wider – and tailored to added efficiency. Deployed at dozens of locations around the city, an army of research and development experts is dedicated to devising the most minor, incremental improvements – and dreaming up bold visions for tomorrow’s port industry. These are people like the engineer Robert Grundmann, a research fellow at the Fraunhofer Center for Maritime Logistics and Services CML . A trial-run for the future Grundmann is like an old seadog on the bridge of his ship. One moment he is steering a ­fully laden container ship, the next one of the turbo-powered tugboats that will tow this colossus through the harbor’s rabbit warren of waterways. And all from the safety and comfort of his lab at the southern end of the port! This is all possible thanks to his box-shaped data goggles: on CML ’s digital ship simulator they present Grundmann with a virtual reality that will become normality in the port’s not too distant future. “The goal is to remotely steer the port’s tugboats as they maneuver large vessels in and out of the docks,” Grundmann elaborates, outlining the project FernSAMS that is being funded by the German government. “The tug­ boat crews have a dangerous job; remote control from land makes it safer and enables a more efficient deployment of nautical professionals.” Had coronavirus not struck, the CML team would have tested the remote operation of a real tugboat by the fall of 2020. While the Hamburg trial was postponed until this year,


Port of Hamburg

a flesh-and-blood tugboat captain near Stuttgart has already successfully steered a three-meter model through the waters of Schäferhauser Lake – equipped only with data goggles and a console. The long-term objective: ships that sail auto­ nomously – either partly or completely. One day, Artificial Intelligence will call the shots in the stormiest of seas and the safest of havens, making the decisions that today require human expertise, experience and gut instinct: taking evasive action to avoid a collision, circumnavigating icebergs – or mooring the vessel safely at its port of call. The scientists in Hamburg are already working on unmanned workboats that, in conjunction with autonomous miniature submarines or flying drones, are able to inspect the hulls of ships in the harbor or survey the riverbed in real time. In the Port of Hamburg, the possibilities of tomorrow are redefined daily. Fostering traditions But, equally, the traditions of the port’s past are threatened by extinction too: conserving them requires considerable effort. In the spacious nave of the Flussschifferkirche, Christel Zeidlich is preparing her Sunday service. Fluss­schiffer­ kirche literally means “Nave Church,” and the word “nave” itself stems from the Latin for “ship:” navis. And nothing could be more appropriate in this case: since 1952, a 115-year-old cargo barge, permanently moored between the sight­ seeing launches at Hohe Brücke, has served as a place of worship for domestic crews – the only operational floating church in all of Europe. Weddings and baptisms also take place on board. Zeidler, a Lutheran minister and social work­ er at the church’s support group, the Förder­ verein der Flussschifferkirche, lights the candles on the rear altar below deck. Then she walks through the wide, wood-paneled interior and turns on an electric bell in the small tower at the bow. For one hour per week during the pandemic, the Lutheran liturgy was replaced by an “open church” service for up to 90 people. Wearing masks, six mostly older congregants have come on board to enjoy a few moments of quiet reflection. The regular congregation – called Flusi after the church itself – has existed in Hamburg for some 70 years. Maintaining contact with the incoming and outgoing crews demands a great deal of mobility from church personnel.

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This they have in the shape of the “Johann Hinrich Wichern” launch. When the port is not iced-over, it regularly ferries a chaplain, helmsman and moorer around, and pulls up alongside domestic vessels. In most cases, a spon­ taneous conversation ensues between the occupants of the two vessels. “Most people are very happy to see us,” says Zeidler. “We bring them the daily papers, fruit, some chocolate. And we’re happy to talk and listen.” These encounters can sometimes turn tragic: one boatman whose wedding was already scheduled for the floating church reported that his bride had unexpectedly died. And while such devastating bodyblows are rare, “Hamburg’s boatsmen are not doing well right now,” Zeidler says. And she knows why. The port’s focus is consumed by the “big tubs” from the high seas; the river crews are being marginalized. “We try to speak up for them at the port authorities.” This Sunday, there are no comforting voices sounding from the church at Hohe Brücke; the pandemic has put a stop to the singing. Mega-events and noise pollution Night finally falls once again on the Port of Hamburg. Only the silhouette of the partially-lit warehouse quarter stands out against the darksky, as it has done since its construction in 1888. One person who understands historic settings is the Hamburg-based light artist and theater man Michael Batz (69). Twenty years ago, his circumspect illumination of the mileslong, hitherto nearly invisible rows of brick warehouses was confined to a few accents in a neutral, whitish shade. The aim was not to outshine the sublime splendor of the ensemble, but rather to orchestrate its story. The effect was spectacular, and the temporary installation became a permanent source of “enlightenment.” Another virtual festival of lights is the “Blue Port” that Batz choreographs every two years in conjunction with the ship parade on Hamburg’s “Cruise Days.” Up to 400,000 people throng to this huge event – to marvel at ships, cranes and rooftops illuminated by blue neon lights. But COVID -19 has caused its post­ponement to 2022. “Blue Port” is clearly an object lesson in urban marketing, a visual fire­ cracker – and above all extremely popular. This would seem to contradict the artistic aspirations of its creator; Batz would like to depart from tourist clichés. “There are two worlds here in the port, the north and south banks. In the north


22

Port of Hamburg

you find the world of fun with its restaurants, lounges and tourist buses. The south is the world of work. Nobody there would dream of describing the port as a powerful attraction, let alone a sanctuary of longing.” Yet since the inauguration of the Elbphil­ harmonie concert hall in 2017, port tourism has grown in leaps and bounds. All summer long, buses and high-octane motorbikes line up out­side the old warehouses. Growing noise ­pollution was a factor in the closure of Batz’s open-air theater festival “Hamburger Jedermann” in 2018 – after a quarter-century of perfor­­ mances in this historic setting. Aren’t artists gradu­ally losing interest in the Port of Hamburg? “No, but sometimes I need to take a break from it. You can’t view the port as a stationary phenomenon. A port is all about coming and going.” And fortunately, that often involves returning.

Oliver Driesen is a journalist and author from Hamburg. His 2010 non-fiction work Welt im Fluss focuses on the Port of Hamburg and globalization. Ships and the sea are also key themes in his novels Wattenstadt and Schalttagskind.


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»Die Mischung aus beiden Welten zeichnet uns aus« Frank Haas im Gespräch mit Robert Stahlschmidt

Wie wichtig ist aus deiner Sicht Hamburg im Netzwerk von Gebrüder Weiss? Für mich als gebürtigen Hamburger, der gerne auf dem ­Wasser ist, fühlt es sich natürlich gut an, zu sagen: Hamburg ist extrem wichtig. Der Hamburger Hafen ist der größte in Deutschland. Allein dadurch haben wir eine Schlüssel­ funktion auch für das ganze Netzwerk des Unternehmens. In der Corona-Krise ist die Logistik besonders gefordert. Wie reagiert ihr darauf in Hamburg? Wir müssen sehr flexibel reagieren. Unabhängig von der Krise gehen wir grundsätzlich sehr eng mit den Kunden in einen Austausch, um zu lernen, zu erfahren und zu verste­ hen, was ihre Probleme und Anforderungen sind. Da kom­ men jetzt in der Corona-Zeit natürlich noch andere, weitere Themen auf, denen wir mit individuellen Lösungen begeg­ nen müssen. Diese intensive Beziehung ist unsere Stärke, und davon profitieren wir gemeinsam mit unseren Kunden. Und wie hat sich Gebrüder Weiss als Spedition diese ­Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bewahrt? Auf der einen Seite gehen wir mit den digitalen Veränderun­ gen mit, das zeigt sich am Beispiel unseres digitalen Kunden­ portals myGW , das wir gerade in Deutschland einführen. Es sorgt für Transparenz und Zuverlässigkeit in den Abläu­ fen. Auf der anderen Seite steht bei uns immer noch die ­Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vorder­ grund.Wir sind für unsere Kunden – ganz oldschool – jeder­ zeit per ­Telefon erreichbar, und wir werden die Kunden auch wieder ­persönlich besuchen. Diese Mischung aus ­beiden Welten, die zeichnet uns aus. Welche Trends im Bereich Luft- und Seefracht siehst du momentan, und wie müssen wir uns als Unternehmen darauf einstellen? Ein Trend ist sicherlich der Weg in die digitale Welt. Das spüren wir allein dadurch, dass wir verstärkt auf digitale Lösungen angesprochen werden. Die Einführung von myGW kommt da gerade zum richtigen Zeitpunkt. Die größten ­Herausforderungen derzeit sind sicher die Schwierigkeiten,

Robert Stahlschmidt ist seit über 20 Jahren im Logistikgeschäft. Im Oktober 2020 hat der 41-Jährige die Leitung der Gebrüder Weiss-­ Niederlassung in Hamburg über­ nommen. Zuvor verantwortete er den Standort von IPSEN in der ­Hansestadt. Robert Stahlschmidt has been in the logistics business for more than 20 years. In October 2020, the 41-year-old took over at the helm of the Gebrüder Weiss branch in ­Hamburg. Previously, he was responsible for the city’s IPSEN office.

die das Umfeld mitbringt. Die Knappheit an Containern, an Equipment, der Mangel im Schiffsraum. In der Luftfracht haben wir mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Damit sind wir jeden Tag konfrontiert, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin muss sich intensiv an der Lösungsfindung ­beteiligen. Und große Besserung oder Entspannung ist noch nicht wirklich in Sicht. Jahrelang gab es Überkapazitäten auf den Weltmeeren und auch im Luftraum. Und plötzlich heißt es, wir haben keine Kapazitäten, es gibt keinen Frachtraum mehr. ­Woran liegt das? (lacht) Böse Zungen würden wahrscheinlich behaupten, dass es eine künstliche Verknappung ist, die aus wirtschaft­ lich­er Sicht – wenn man sich in die Reederei oder den Carrier hineinversetzt – sicherlich Sinn macht. Es ist einfach öko­nomisch sinnvoller, drei Schiffe voll ausgelastet zu fah­ ren, als fünf unter zwei Drittel Auslastung. Jetzt sind die ­Reeder und auch die Airlines eine Zeit lang auf der Gewin­ nerseite und versuchen so ein bisschen aufzuholen. Das ­verliert ­zurzeit wiederum natürlich die Fluggesellschaft in der Passage. Es ist eine Momentaufnahme, das Pendel wird auch ­wieder in die andere Richtung schwingen. Es wäre schön, wenn man sich irgendwann in der Mitte treffen würde und nicht immer diese Extreme hätte in die eine oder die andere Richtung. Vielleicht landen wir da irgendwann, aber ehrlich gesagt fehlt mir der Glaube daran.


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Hamburger Hafen

Was möchtest du in Hamburg gemeinsam mit ­deinem Team erreichen? Wir als Air & Sea Deutschland haben noch eine relativ junge Geschichte. Als Team wollen wir noch mehr zusammen­ wachsen, uns die positive Haltung bewahren und gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. Wir bieten das Beste aus zwei Welten, digital und analog, auf beiden Seiten haben wir tolle Menschen mit super Ideen – und das überzeugt hof­ fentlich auch unsere Kunden. Und dann wünsche ich mir, dass wir irgendwann unsere Erfolge auch wieder gemeinsam feiern dürfen.

und zu verstehen, dass man gewisse Veränderungen einfach ­ ornehmen muss, in Sachen Infrastruktur, in Bezug auf v die Anbindung ans Umland und das Hinterland zum Beispiel. Und dann wird Hamburg auch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. In Deutschland sowieso – da sehe ich gar keine Gefahr –, aber auch in Europa.

Vielleicht noch abschließend ein Wort zum Logistik­ standort Hamburg: Wie steht es um die Wettbewerb­s­ fähigkeit? Laufen andere Häfen Hamburg allmählich den Rang ab? Nein, das denke ich nicht. Denn Hamburg hat geografisch eine extrem interessante Lage, auch als Tor für Osteuropa. Außerdem ist der Hafen einer der größten Umschlag­ plätze für Bahncontainer weltweit. Das ist im Hinblick auf ­nach­haltige Transporte zukünftig vielleicht noch wichtiger. ­Natürlich muss die Stadt flexibel bleiben, darf den Zeit­ punkt nicht verpassen, sich auch dem Wettbewerb zu stellen

Der Hamburger Hafen Der Hamburger Hafen in Deutschland gehört zu den modernsten und effizientesten Häfen der Welt. Er gilt zwar als Seehafen, liegt aber rund 100 Kilometer von der Mündung der Elbe in die Nordsee entfernt. Dennoch kann Hamburg von Seeschiffen bis zu einem Tiefgang von knapp 15 Metern angelaufen werden kann.

Ostsee

Nordsee

H A MBU RG

Fläche  7.200 Hektar – damit entfällt ungefähr ein Zehntel des Hamburger Stadtgebiets auf den Hafen. Nach Rotterdam und Antwerpen ist er der drittgrößte Seehafen in Europa.

Elbe Deutschland BER LIN

A 2 3 H A MBU RG

A 7

A 1 A 24

A 7 A 2 5

Anbindung  Fast 2.000 Containerzugverbindungen er­reichen bzw. verlassen Hamburg pro Woche von oder nach ­Europa und Asien. Zwischen China und dem Hamburger Hafen verkehren wöchentlich 232 Containerzüge in beide R ­ ichtungen, nach und von Österreich sind es 132 (Stand 2020). Gebrüder Weiss in Hamburg  An zwei Standorten sind 70 Mitarbeiter*innen beschäftigt. Die Spezialabteilung GWC (Gebrüder Weiss Consolution) agiert als LCL -Gateway für GW Deutschland sowie Zentraleuropa und verteilt ein­ kommende Sammelcontainer in das Netzwerk.


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­“It’s the combination of both worlds that sets us apart” Frank Haas in conversation with Robert Stahlschmidt

In your opinion, how important is Hamburg in the Gebrüder Weiss network? For me, as a native of Hamburg who enjoys being close to the water, it feels good to say that Hamburg is extremely important. Alone the fact that we have the largest port in Germany makes us pivotal within the company network as a whole. The pressures on the logistics industry have been quite severe during the pandemic. How are you responding to this in Hamburg? Absolute flexibility is a must. Irrespective of the current crisis, we generally work very closely with our clients. This helps us identify their ­prob­lems and better appreciate their needs. Obviously, coronavirus has compounded

the issues, so we’ve been forced to create custom solutions in many situations. The close relationships we’ve forged are our strength. And both we and our customers benefit. And how, as a freight forwarding provider, has Gebrüder Weiss maintained this flex­­ ibility and adaptability? On the one hand, we are fully embracing the digital revolution, as our online customer ­portal myGW shows. We have just launched this in Germany. This makes our processes more transparent and consistently dependable. On the other hand, the expertise of our em­ ployees is still our front line. We’re always available to our customers by phone – that’s very old school. And when the time comes,

The port of Hamburg The Port of Hamburg in Germany ranks among the world’s most modern and efficient ports. Although considered a seaport, it is located some 100 kilometers inland from the mouth of the Elbe River in the North Sea. Despite this, the port can be used by sea­ going ­vessels with drafts of just under 15 me­ters. However, to maintain this access, the river is regularly dredged and deepened. Area  7,200 hectares – the Port of Hamburg makes up about one tenth of the city’s total area. After Rotterdam and Antwerp, it is Europe’s third largest seaport. Rail links  Nearly 2,000 container trains – ­serving the whole of Europe and Asia – leave or arrive in Hamburg every week. As of 2020, ­these included 232 port connections with China and 132 with Austria in both directions. Gebrüder Weiss in Hamburg  The Hanseatic city maintains a workforce of 70 employees

at two bases. The specialist department ­Gebrüder Weiss Consolution ( GWC ) serves as an LCL gateway for GW Germany and ­Central Europe and distributes incoming con­ solidated con­tainers within the network.


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Port of Hamburg

we will also be visiting them in person. It’s the combination of both worlds that sets us apart. What air and sea freight trends can you identify right now, and how should we be responding to them as a company? One trend is certainly the advent of digital technology. The growing requests for electronic solutions alone reveal that. The launch of myGW has come at just the right time. For sure, the biggest challenges right now are due to the changing circumstances: the shortage of containers and equipment, the lack of cargo space on the ships. We’re facing similar problems in the air freight sector. The challenges come daily and all of our people are working hard to find solutions. But, to be honest, there’s no real prospect of the situation easing or improving just yet. For years there was surplus capacity, both at sea and in the air. And suddenly people are saying they have no room to spare, that no more cargo space is available. Why is this? (laughs) Cynics would probably suggest that the shortages have been planned. Commercially speaking, that would certainly make sense from the perspective of the carriers and shipping lines. It is simply more economical to operate three full ships than five at two-thirds capacity. The shipowners and airlines are getting a better deal right now. They are trying to catch up a bit. Of course, the airlines are losing out on their passenger revenues. But this is just a passing phase; the pendulum will swing back again sometime. It would be nice if it settled somewhere in the middle so that we didn’t con­ stantly have one extreme or the other. Maybe we’ll get to that point down the road but, if I’m honest, I don’t really feel very optimistic. What do you want to achieve in Hamburg with your team? As Air & Sea Germany, we are still a relatively new organization. Our objectives are to intensify our teamwork, maintain our positive outlook and emerge stronger than ever from the pandemic. We offer the best of both worlds – digital and analog. In both areas we have top people with great ideas. Hopefully that will impress the customers. Last but not least, I’m hoping for a chance to celebrate our successes together again at some point.

Can you tell us anything specific about Hamburg as a logistics location? Is it ­competitive? Will other ports gradually push it down the pecking order? No, I don’t think so. Hamburg’s geography makes it uniquely attractive, not least as a gateway to eastern Europe. Moreover the port itself is one of the world’s largest transhipment hubs for rail containers. Given the trend towards sustainable transport methods, that may become even more important in the future. Of course, the city needs to remain flexible, it must not delay confronting its rivals for too long, and it needs to accept that some changes are unavoidable – in relation to its infrastructure and its transport links to nearby regions and its hinterland, for example. And then Hamburg will continue to play a leading role. In Germany of course – I can’t imagine that changing – but also in Europe as a whole.


Vorräte anlegen Meine Oma ging genau einmal pro Woche einkaufen. Sie wusste, wie man Vorräte pflegt. Früher war es völlig normal, einen Notvorrat für ein paar Tage zu Hause zu haben, hat sie mir erzählt. Und dass man immer nur das kaufen sollte, was in der Familie auch wirklich gegessen wird. Deshalb habe auch ich jetzt immer bestimmte Lebensmittel auf Lager: Reis, Nudeln, Mehl und Backpulver, Öl, Hülsenfrüchte, ­Vollkornbrot, Zwiebeln, Kartoffeln, Gemüsekon­ser ­ven sowie ausreichend Salz und Zucker. Oma wäre stolz auf mich. Zsófia, 38 Jahre, Budapest/Ungarn

Stocking up My grandmother went shopping precisely once a week. She knew exactly what she needed. In the old days, it was perfectly normal to keep a few days’ worth of emergency supplies at home, she told me. And that you should only ever buy food that the family will actually eat. That’s why I always keep a stash of specific groceries in my pantry: rice, noo­ dles, flour and baking powder, oil, beans, whole-­ wheat bread, onions, potatoes, canned vegetables, and enough salt and sugar. My grand­mother would be proud of me! Zsófia, age 38, Budapest, Hungary


Artikel xx

NEU

Malaysia Kuala Lumpur

rund 740 km

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GEBRÜDER WEISS-STANDORTE /

E XPORT-SCHWERPUNKTE TOP 3

MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER

3 Standorte / 51 Mitarbeiter*innen

Elektrische Maschinen, Mineralstoffe, Technische Geräte

LANDESSPRACHE

IMPORT-SCHWERPUNKTE TOP 3

Malaiisch

Elektrische und elektrotechnische Geräte, ­Chemikalien, Mineralölerzeugnisse

DURCHSCHNITTSALTER

30,3 Jahre

NATIONALFEIERTAG

31.8. (Tag der Unabhängigkeit von den Briten, 1957) DURCHSCHNITTSTEMPERATUR

34 ° C

TYPISCHES GERICHT AN EINER RASTSTÄTTE

LANDFLÄCHE

Nasi Lemak – Kokosreis, serviert mit einem Spiegelei obendrauf, dazu Gurke, getrocknete Fische, Erdnüsse und Chilisoße

330.323 km2 NATIONALPFLANZE

Hibiskus AUSSENHANDELSQUOTE

128 %

BUCH ODER FILM ZUR REISEVORBEREITUNG

Amir Muhammad: The Big Durian (2003) GEFÜHLTER EXPORTSCHLAGER

Palmöl


NE W

Malaysia Kuala Lumpur

Gebrüder Weiss locations/ employees 3 locations / 51 employees

Top three export areas Electrical machinery, Minerals, Technical equipment

Language Malaysian

Top three import areas Electrical and electrotechnical equipment, Chemicals, Petroleum products

/

Average age 30.3 Average temperature 34°C Land area 330,323 km 2 National plant Hibiscus Foreign trade quota 128 %

National holiday August 31 (Independence Day from Britain in 1957) Typical comfort food Nasi Lemak: coconut rice with a fried egg on top, served with cucumber, dried fish, peanuts and chili sauce. Book or film on preparing for travel Amir Muhammad: The Big Durian (2003) Perceived leading export Palm oil


NE W

Poland Warsaw

Gebrüder Weiss locations/ employees 7 locations / 75 employees

Top three export areas Components and accessories for motor vehicles, Foodstuffs, Furniture

Language Polish, Kashubian (regional)

Top three import areas Machinery, Technology, Chemical products

Average age 41

National holiday May 3 (Day constitution was proclaimed in 1791) and November 11 (Renewed independence in 1918)

Average temperature 7.9° (Warsaw) Land area 312,680 km2 National plant Poppy Foreign trade quota 100.7 %

Typical comfort food Bigos (Hunter’s Stew): chopped meat of various kinds cooked with sauerkraut and cabbage Book or film on preparing for travel Olga Tokarczuk: The Books of Jacob Perceived leading export Krakauer sausage


Artikel xx

31

NEU

Polen

rund 600 km

Warschau

GEBRÜDER WEISS-STANDORTE /

E XPORT-SCHWERPUNKTE TOP 3

MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER

7 Standorte / 75 Mitarbeiter*innen

Teile und Zubehör für Kraftfahrzeuge, Lebensmittel, Möbel

LANDESSPRACHE

IMPORT-SCHWERPUNKTE TOP 3

Polnisch, Kaschubisch (regional)

Maschinen, Technik, chemische Erzeugnisse

DURCHSCHNITTSALTER

NATIONALFEIERTAG

41 Jahre

3.5. (Tag der Verfassung von 1791) und 11.11. (Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1918)

DURCHSCHNITTSTEMPERATUR

7,9° C (Warschau)

TYPISCHES GERICHT AN EINER RASTSTÄTTE

LANDFLÄCHE

Bigos – Eintopf mit Sauerkraut und Kohl ­sowie ­ Fleisch- und Wursteinlage

312.680 km2 BUCH ODER FILM ZUR REISEVORBEREITUNG NATIONALPFLANZE

Olga Tokarczuk: Die Jakobsbücher

Mohn GEFÜHLTER EXPORTSCHLAGER AUSSENHANDELSQUOTE

100,7 %

Krakauer Wurst


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Woher kommt unser Wissen? text  Stefanie Hardick

Was wir wissen, hat sich über die Jahrtausende genauso gewandelt wie die Wege, auf denen wir Wissen erwer­ ben. Noch heute profitieren wir von Erfahrungen, die unsere Vorfahren gemacht haben – oft mit hohem Risiko für Leib und Leben. Immer wieder ging in der Mensch­ heitsgeschichte auch Wissen verloren. Über manche frühere Gewissheit kann man heute nur den Kopf schüt­ teln, während uns anderes vielleicht für immer ein Rät­ sel bleiben wird. Eine kleine Geschichte des Erkenntnis­ gewinns. Uralte Fragen: Wohin führen uns die Sterne? Schon immer waren Menschen fasziniert von den Sternen. Und sehr früh kam bei einigen zum staunenden Blick in den Himmel ein systematisches Beobachten hinzu. Der Lauf der Gestirne gehorcht einem Rhythmus. Archäologische Funde legen nahe, dass schon die Menschen der Steinzeit diesen Takt verstehen wollten. Sehr wahrscheinlich kannten sie schon die Himmelsrichtungen, achteten auf Mond­ phasen, Sonnenwenden und Sternbilder. Später suchten die ­ersten Bauern am Himmel nach Zeichen, die ihnen den ­rich­tigen Zeitpunkt für Aussaat und Ernte verrieten. In vielen Kulturen ist dieses Signal das Sternbild der Plejaden, das mit dem Frühlingsanfang hinter dem Horizont verschwindet und erst zur Erntezeit wieder auftaucht. Fundstücke wie die bronzezeitliche Himmelsscheibe von Nebra deuten darauf hin, dass die Menschen ihre Beobach­ tungen festhielten und an spätere Generationen weitergaben. Denn Wissen war wertvoll. Untrennbar verbunden war die Astronomie mit Astrologie, Kult und Religion. Die Menschen

»Der   Blick zum ­Himmel gibt ­Orientierung wie eh und je.«

glaubten, dass der Lauf der Gestirne eine Himmelsschrift der Götter sei: Ihre Lektüre konnte helfen, Unheil auf der Erde abzuwenden. Sterndeuter hatten großen Einfluss auf die Politik. Und weil die Mächtigen immer schon ger­ ne planten, kam spätestens im Neubabylonischen Reich zur Beobachtung von Himmelsphänomenen deren Berech­ nung hinzu. Die Astronomie als älteste Wissenschaft ist eine Grundlage unserer Zivilisation und die Voraussetzung für zahllose weitere Erkenntnisse. Erst astronomische Kalender erlaubten den Menschen, Überschüsse zu produzieren und mit ihnen Handel zu treiben. An Land waren Handels­ reisen beschwerlich. Zur See ging es zwar schneller, aber wenn es um Navigation geht, werden Versuch und Irrtum schnell lebensgefährlich. Die meisten Seereisenden blieben deshalb in Sichtweite der Küsten und segelten nur bei Tag. Einige Völker jedoch entwickelten mit einfachen Hilfsmitteln die astronomische Navigation. Die Phönizier aus der Region des heutigen Libanon und Syriens waren wohl die Ersten, die nach den Sternen ­navigierten. Sie brachten Waren und Menschen zielsicher quer durchs Mittelmeer, wagten sich sogar hinaus bis zu den ­Kanarischen Inseln und an die westafrikanische Küste. Am anderen Ende der Welt prägten sich die Polynesier schon als Kinder 178 Sterne und Sternbilder ein und kombi­ nierten sie mit der Beobachtung von Strömungen, Wind, Wellen­gang und Vogelflug. So konnten sie Inseln im Pazifi­ schen Ozean bereisen, die Tausende Kilometer vom ­Festland ­entfernt liegen. Viele Entdeckungen dürften aller­ dings auch das unverhoffte Ergebnis von Irrfahrten gewe­ sen sein. Die Legenden der Wikinger erzählen von Reisen in Unwetter und Nebel, bei denen das Wissen um Sonnen­ stand und Nordstern wenig half – und die sie trotzdem bis an die Ostküste des heutigen Kanada brachten. Über die Jahrhunderte machten Erfindungen wie Jakobs­ stab, Kompass und Sextant die astronomische Navigation immer präziser. So zielsicher, dass Menschen mit ihrer Hilfe sogar den Mond erreichten. Und noch heute, im Zeitalter von GPS , gehört die astronomische Navigation fest zur Ausbil­ dung in der Seefahrt: Satelliten können gehackt werden, Internet und Funk zusammenbrechen, doch der Blick zum


Bis zum Himmel und noch viel weiter: Das mittelalterliche Weltbild To the heavens and beyond: the medieval worldview


Giftige Dämpfe aus dem Reich der Toten: So erklärten sich die Menschen die Verbreitung von Epidemien lange Zeit. Toxic vapors from the realm of the dead were the presumed cause of epidemics for centuries.


Erkenntnisgewinn

»Auch   falsche ­Theorien können zu sinnvollen ­Maßnahmen ­führen.«

Himmel gibt Orientierung wie eh und je. So zeigt die Astro­ nomie, dass technischer Fortschritt altes Wissen nicht über­ flüssig macht. Falsche Schlüsse: Was macht uns krank? Er gilt als Begründer der medizinischen Wissenschaft: ­Hippokrates von Kos (etwa 460–370 vor Christus) war wohl der erste Arzt, der systematisch beobachtete, welchen ­Verlauf unterschiedliche Krankheiten haben. Seine Theorie: Bei einem gesunden Menschen sind die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle genau aus­ balanciert. Gerät das Gleichgewicht durch Umwelt­einflüsse durcheinander, wird der Mensch krank. Hippo­krates war über­zeugt, dass es vor allem verunreinigte Luft sei, die Krank­ heiten auslöse. Vermutlich hatte er beobach­tete, dass Men­ schen in überfüllten Behausungen, in der Nähe von Sümpfen oder Abfallgruben häufig erkrankten. Er schloss daraus, dass solche Orte »Miasmen« ausdünsten: üble Dämpfe, die ­Menschen vergiften. Und dass sich Seuchen über den Wind und den Atem der Erkrankten ver­breiten. Hippokrates’ Miasmentheorie ist ein Beispiel, wie richtige Beobachtungen zu falschen Schlüssen führen können. Sie steht auch dafür, wie lange fehlerhafte Vorstellungen wirksam bleiben, wenn Widersprüche zwar wahrgenommen wer­ den, ihnen aber niemand systematisch nachgeht. Vor allem im mittelalterlichen Europa schrieben Gelehrte die Werke der antiken Autoritäten jahrhundertelang buchstabengetreu ab. Ärzte behandelten lediglich Symptome – die Ursache von Krankheiten war ja klar: verunreinigte Luft. Als um 1348 das Pestbakterium mit dem Rattenfloh in die europä­isch­en Städte kam und Millionen Tote forderte, griff man deshalb zu absurden Maßnahmen. Papst Clemens VI . saß im Som­ mer monatelang zwischen zwei großen Feuern, die sei­ ne Atemluft reinigen sollten – und blieb gesund. Die meisten Menschen trugen Aromasäckchen mit sich, obwohl das ­wenig brachte. Aber sie beobachteten auch, dass Abstand zu Kranken und Toten half. Sie mieteten keine Karren, mit ­denen Kranke transportiert worden waren. In der besonders gefährdeten Hafenstadt Marseille isolierte man die Besat­ zung von einreisenden Schiffen für 40 Tage – und erfand die Quarantäne. Auch falsche Theorien können also zu sinn­ vollen Maßnahmen führen, was sie allerdings oft umso lang­ lebiger macht.

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Die Miasmentheorie sollte noch bis ins späte 19. Jahrhundert das medizinische Denken bestimmen. Obwohl immer klarer wurde, welche Umweltfaktoren Krankheiten begünstigten. Obwohl Mediziner längst begonnen hatten, Körper­funk­ tionen zu messen, statistisch auszuwerten und Abweichun­ gen zu klassifizieren. Obwohl die Erfindung des Mikroskops kleinste Lebewesen sichtbar machte, die sich in Wasser, ­Lebensmitteln oder Körperflüssigkeiten tummelten. Hygie­ niker empfahlen den Bau von städtischen Abwassersyste­ men, ihre Begründung blieb aber: Gestank kann töten. Erst Laborwissenschaftler wie Louis Pasteur und Robert Koch führten systematische Experimente durch, um nachzuwei­ sen, dass winzige Parasiten Krankheiten auslösen und ­verbreiten. Diesen modernen Wissenschaftlern waren wider­ sprüchliche Ergebnisse willkommen, weil sie zeigten, wo sich weitere Forschung lohnte. 1876 war es dann Robert Koch, der den eindeutigen Nachweis erbrachte, dass es der Bacillus anthracis ist, der die Tierseuche Milzbrand verur­ sacht. Der Siegeszug der Bakteriologie begann. Autoritäten und Gewissheiten immer wieder kritisch zu prüfen, ist für die Wissenschaft allerdings noch heute mitunter eine Heraus­forderung. Ungelöste Rätsel: Was passiert in unserem Kopf? Heute leben wir in einer Wissenschaftsgesellschaft. Unser Wissen wächst exponentiell. Doch wird der Bereich dessen, was wir nicht wissen – und vielleicht nie wissen werden –, nicht kleiner, nur weil unser Wissensdurst immer größer wird. Ein immenses Rätsel steckt in unserem eigenen Kopf. Dabei sind die physiologischen Rahmendaten unseres ­Gehirns eigentlich klar: etwa anderthalb Kilo schwer, mit bräunlich grauer Optik und der Konsistenz eines Camem­ berts. Doch zugleich ist uns im gesamten Universum kein komplexeres Gebilde bekannt. Jede der etwa 100 Milliarden Nervenzellen ist für sich so leistungsfähig wie ein Computer. Sie kann über Axone und Dendriten mit Tausenden anderen Neuronen in Verbindung stehen. Unzählige dieser Verbin­ dungsstellen entstehen während des gesamten Lebens neu,

»Der   ­Bereich dessen, was wir nicht ­wissen – und vielleicht nie ­wissen werden –, wird nicht ­kleiner, nur weil unser ­Wissens­durst immer größer wird.«


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Erkenntnisgewinn

organisieren sich, übernehmen spezielle Aufgaben und werden wieder beseitigt. Was das Gehirn auf diese Weise produziert, ist vielfältig und rätselhaft: Wahrnehmung, Erkenntnis, Handlungen, Sprache, Erinnerungen, Emotionen, Vorstellungen. Ihre biologische Grundlage zu verstehen, wird die letzte große Herausforderung der Wissenschaft bleiben, sagt der österreichisch­amerikanische Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger Eric Kandel. Manche Fragen, die Hirnfor­ scherinnen und ­forscher heute beschäftigen, stellten sich die Menschen bereits vor Urzeiten: Wie entsteht das Bewusstsein, das uns so offensichtlich von anderen Lebe­ wesen unterscheidet? Wie frei ist unser Wille? Was macht unsere Seele krank, und wie kann man sie heilen? Es ist allerdings kein reines Erkenntnisstreben, das die moderne Hirnforschung antreibt. Sollten schwere Erkran­ kungen wie Alzheimer, Schlaganfälle, Parkinson oder Depressionen irgendwann heilbar sein, wäre das auch volks­ wirtschaftlich von großem Nutzen. Viele Länder haben deshalb milliardenschwere Großforschungsprojekte aufge­ setzt, in denen Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissen­ schaftler verschiedenster Disziplinen das Gehirn erforschen: Die Europäische Union etwa startete 2013 das »Human Brain Project«, die USA im selben Jahr die »Brain Initiative«. Es werden Supercomputer, künstliche Intelligenz und Big Data aufgefahren, in vielen Citizen­Science­Projekten­ forschen wissenschaftliche Laien mit oder spenden Daten. Die einsamen Genies früherer Epochen jedenfalls haben in der modernen Großforschung mit ihren interdisziplinären, hoch spezialisierten Teams keinen Platz mehr. Der deutsch­amerikanische Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger Thomas Südhof geht davon aus, dass wir erst fünf Prozent von dem, was im Gehirn vor sich geht, verstehen. Aber obwohl wir nicht wissen, wie es das eigentlich anstellt, wird unser Gehirn auch in Zukunft verlässlich jene Neugier produzieren, die uns seit Menschengedenken antreibt, Erfahrungen zu suchen, Erkenntnisse zu sammeln und Wissen zu teilen.

Stefanie Hardick, Jahrgang 1978, schreibt als freie Journalistin über Wissenschaft und historische Themen. Die Geschichte von Entdeckungen und Erfi ndungen vermittelt sie nicht nur in Artikeln, sondern auch bei Führungen durch Berlin.


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Where does our knowledge come from? TEXT

Stefanie Hardick

What we know has changed over the millennia, as have the ways we acquire our ­knowledge. Even today, we are still benefiting from the insights of our ancestors, many of them obtained by risking life and limb. But time and again in the history of humankind, knowledge has been lost to future generations. We can only shake our heads in disbelief at some purported certainties from the past, while other issues may perplex us until the end of our days. A brief history of knowledge and its acquisition. Age-old conundrums: Where do the stars lead us? Humans have always been fascinated by the stars. And very early on, people who once stared in awe at the heavens began to discern patterns. The trajectories of the stars seemed to repeat. Archaeological finds suggest that Stone Age people already hoped to understand this recurring cycle. Most likely, they already knew the difference between north, south, east and west. Then they began charting the phases of the moon, solstices and constellations. Later, humankind’s first farmers began scanning the skies for signs that told them when to sow and harvest their crops. In many cultures, this task was attributed to the star cluster known as the Seven Sisters. It disappears below the horizon at the beginning of spring and re-emerges at harvest time. Finds such as the Nebra sky disk from the Bronze Age indicate that humans recorded their insights for posterity. Because knowledge was valuable. Astronomy was inextricably linked to astrology, religion and cult worship. People believed that the movements of the stars were a kind of divine script: the ability to read them could help avert calamities on earth. Astrologers exerted considerable influence over political life. And because the powerful have always had a penchant for planning, observations of celestial phenomena were factored into their calcula­ tions no later than in the Neo-Babylonian Empire. Astron­omy, the oldest of the sciences, is a corner­stone of our civilization and the starting point for countless other types of knowledge. Astronomical calendars allowed humans to produce surpluses and trade with them. On land,

transporting goods was arduous. The sea was faster, but navigation based on trial and error was likely to take a fatal turn. Some peoples, how­ever, used basic tools to develop a system of celestial navigation, also known as astro­ navigation. The Phoenicians – who inhabited the area around present-day Lebanon and Syria – were probably the first to use the stars at sea. On the other side of the world, Polynesian ­children were already studying 178 stars and constellations, and combining them with ­observations of currents, wind, sea swell and bird flight. This allowed them to explore Pacific islands thousands of kilometers from the ­mainland. Many discoveries, however, may also have been the result of poor navigation. The legends of the Vikings tell of voyages through storms and fog, in which a knowledge of the sun’s position and North Star was of little help – but which nonetheless saw them arrive at modern-­­day Canada’s eastern seaboard. Over the centuries, inventions such as the Jacob’s Staff, compass and sextant made astro­ navigation increasingly accurate. The sci­ence gained such precision, in fact, that humans relied on it to land on the moon. Even today, in the era of GPS , it is a fixture in the training of mariners: satellites can be hacked, the Internet and radio transmissions can fail, but a view of the sky is as reliable a source of orientation as ever. Astronomy shows that technological progress does not render ancient knowledge redundant. Drawing the wrong conclusions: What makes us sick? Hippocrates, who lived on the Greek island of Kos from about 460 to 370 BC , was likely the first physician to systematically observe the progression of different diseases. His theory: in a healthy person, the four body fluids – blood, phlegm, yellow bile and black bile – are precisely balanced. If this equilibrium is disrupted by external factors, people get sick. Hippocrates was convinced that polluted air was the main cause of disease. Pre­ sumably he had seen how people became prone to illness if they lived in overcrowded accom­mo­ dation, or near swamps or cesspits. He con­ cluded that such places emit miasma: noxious and toxic fumes. And that epi­demics were spread by the wind and the exhaled breath of the afflicted.


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History of knowledge

Hippocrates’ Miasma Theory demonstrates how accurate observations can lead to false conclusions. Above all in medieval Europe, scholars followed the writings of their Classical sources to the letter, and did so for centuries. Doctors only treated symptoms. The root of all illness was beyond dispute: contaminated air. When the plague bacterium arrived in European cities around 1348, it therefore prompted absurd responses. To purify the air he breathed, Pope Clement VI spent months in the summer seated between two large bonfires – even through the disease was spread by rat fleas. However, unlike the millions who died, he remained healthy. When out and about, many people carried aroma pouches containing herbs and flower petals – although these likely had little effect. But staying away from the sick and dead did help, they noticed. The particularly vulnerable port city of Marseilles isolated the crews of arriving ships for 40 days – and, in doing so, invented the quarantine. Ergo: bad science can lead to good results. That said, those benefits tend to perpetuate the fallacies that spawned them. The Miasma Theory went on to shape medical thinking until the late 19th century. And that, although scientists were gradually identifying which environmental factors encouraged diseases. Although physicians had long started measuring bodily functions, statistically evalu­ ating their findings and classifying abnormal­ities. And although the invention of the microscope had exposed the miniscule organ­isms that teemed in water, food and bodily fluids. The world had to wait for laboratory scientists such as Louis Pasteur and Robert Koch, who conducted systematic experiments that proved how tiny parasites caused and spread diseases. These modern scientists welcomed conflicting results because they highlighted new research areas. In 1876, it was Robert Koch who pro­ vided unequivocal proof that anthrax was caused by a bacterium: Bacillus anthracis. Bacteriology was born, and has reigned supreme ever since. How­ever, contesting scientific certainties and axioms can still be a challenge today.

for knowledge grows. There is a huge enigma residing inside our very heads. The physiological parameters of this organ – our brain – are a known quantity. It weighs about 1.5 kilograms, isbrownish-grey in appearance and possesses the consistency of camembert cheese. Yet from a human perspective, there is no more complex entity in the entire universe. Each of the approximately 100 billion neurons is as powerful as a computer. It can communicate with thousands of other neurons via axons and dendrites. The brain’s output is diverse and enigmatic: perception, cognition, actions, language, memories, emotions, ideas. Understanding their biology will remain the last major challenge of science, according to Eric Kandel, an Austrian-American neuroscientist and Nobel laureate. Some questions being investigated by brain scientists today were already being asked in antiquity. Where does our consciousness come from – the feature that so clearly distinguishes us from other living creatures? To what extent can we determine our own actions? What makes us emotionally ill and how can we be healed? However, modern brain research is not driven purely by an unselfish quest for knowledge. If seri­ous conditions such as dementia, strokes, Parkinson’s disease and depression become treatable at some point, the economic benefits would be considerable. For this reason, many countries have established multibillion-dollar research programs in which hundreds of scientists from diverse disciplines explore the brain. Supercomputers, Artificial Intelligence and Big Data are being integrated, and amateur scientists are donating research or making contributions through community science projects. Whatever the case, the solitary geniuses of the past have no place in today’s large-scale research operations. The German-American neuroscientist and Nobel laureate Thomas Südhof believes that we only understand five percent of what is happen­ing inside our brains. But, even if we don’t know how, our brains can still be trusted to produce that inquisitiveness that has driven us since time immemorial to seek new experiences, gain insights, and share knowledge.

Unsolved mysteries: What happens in our heads? Today we live in a scientific society. Our body of knowledge is expanding exponentially. But the realm of what we do not know – and perhaps never will know – is not decreasing as our thirst

Stefanie Hardick, born in 1978, is a freelance journalist special­ izing in scientific and historical topics. The history of discoveries and inventions are themes in both her articles and her guided tours of Berlin.


Auch heute ist das Gehirn weitgehend unbekanntes Terrain. Even today, the brain largely remains uncharted territory.


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Was Artikel xx Sie über Logistik wissen sollten  What you need to know about logistics

Wortherkunft

Etymology

Der Begriff Logistik stammt ursprünglich aus dem Militärwe­ sen. Dort bezeichnete er die Vorgänge um Planung, Bereit­ stellung und Einsatz der militärischen Mittel und Dienstleis­ tungen. Schon die Herrscher des Römischen Reichs waren Meister darin. Heute meint der Begriff allgemein die Nut­ zung und die Kontrolle von Informations- und Warenflüssen. Mit der fortschreitenden Globalisierung in der zweiten ­Hälfte des 20. Jahrhundert avancierte die Logistikbranche zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige weltweit.

“Logistics” was originally a military term used to describe the processes surrounding the planning, provision and use of resources. The rulers of the Roman Empire were early masters of this discipline. Today, the term generally refers to deploying and marshalling information and the flow of goods. As globalization took hold in the second half of the 20th century, logistics became one of the world’s key industries.

Palette

Pallets

Jahrzehnte nach ihrer Einführung ist sie immer noch fast unverändert: Die genormte Europalette ist funktional und günstig. Neun Holzklötze, elf Bretter und genau 78 Spe­ zialnägel – mehr braucht es nicht. Mit dem Gabelstapler ­bildet sie ein perfektes Duo, denn die Europalette lässt sich unkompliziert von allen vier Seiten aufnehmen.

Decades after its introduction, little has changed: the standardized Euro-pallet is both inexpensive and effective. Nine wooden blocks, eleven boards and precisely 78 special nails add up to a formula that works. And a pallet is the perfect complement to a forklift because it can be “forked” from all four sides.

Container

Containers

1956 schickte der Amerikaner Malcom McLean den ersten Frachter auf die Reise, der die Ladung in einheitlichen Blech­ kisten verpackt hatte. In den 1960er Jahren, nachdem die Kisten im Vietnamkrieg erfolgreich für Materialtransport eingesetzt worden waren, wurden Container schließlich nach ISO -Standard normiert. Die Container passen auf alle Trans­ portmittel, Schiffe, Lastwagen, Bahnwaggons. Weltweit sind rund 38 Millionen davon im Umlauf, und jeder einzelne ­verfügt über eine individuelle Nummer, die einzig­artig ist.

In 1956, the American Malcom McLean dispatched the first freighter to carry cargo all packed in same-sized metal boxes. In the 1960s, following their success in transporting materials during the Vietnam War, the International Organization for Standardization finally defined a specification for them. As a result, containers are now compatible with all types of goods transport – ships, trucks, and railway cars. Some 38 million are in circulation around the world, with each one bearing a unique identification number.


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Die größten Häfen der Welt nach ContainerUmschlagvolumen (in Millionen TEU )

The three largest ports in the world (by container volume in million TEU s)

Schanghai  Shanghai

43.3

Singapur  Singapore

37.2

Ningbo Zhoushan  Ningbo-Zhoushan

27.5 (Quelle: statista.com, 2019  Source: statista.com, 2019)

Die größten Frachtflughäfen der Welt (in Millionen Tonnen)

The three largest cargo airports in the world (in millions of metric tons)

Hongkong  Hong Kong

4.81 Memphis  Memphis

4.32 Schanghai  Shanghai

3.63 (Quelle: Airports Council International, 2019  Source: Airports Council International, 2019)

Die fünf größten Container-Reedereien

The five largest container shipping lines

Containerschiffe  Cargo Ships

TEU   TEU s

693 569 502 479 247

APM -Maersk (Kopenhagen, Dänemark) APM -Maersk (Copenhagen, Denmark)

4.181.407 4,181,407

Mediterranean Shg Co (MSC /Genf, Schweiz) Mediterranean Shg Co (MSC /Geneva, Switzerland)

3.824.001 3,824,001

CMA CGM Group (Marseilles, Frankreich) CMA CGM Group (Marseilles, France)

2.686.872 2,686,872

Cosco Shipping Co Ltd (Bejing, China) Cosco Shipping Co Ltd (Beijing, China)

2.925.299 2,925,299

Hapag-Lloyd (Hamburg, Deutschland) Hapag-Lloyd (Hamburg, Germany)

1.744.878 1,744,878


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Artikel xx


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Der Schatz im Salzberg text  Till Hein

Ein Künstler aus Oberösterreich will das Wissen und die Kultur des frühen 21. Jahrhunderts auf Keramikplatten sichern: als Fundus für die Archäologen der Zukunft. Was wird eine künftige Zivilisation in tausend Jahren noch vorfinden aus unserer Zeit? Leere Getränkedosen? Ruinen aus Stahlbeton? Rostige Atommüll-Fässer? »Schriftliche Quellen jedenfalls fast keine«, sagt Martin Kunze aus Gmun­ den in Oberösterreich. »Am ehesten vielleicht die Prägung in den Böden von Edelstahlkochtöpfen: ›Made in China‹.« Und vielleicht Inschriften auf verwitterten Grabsteinen. Kunze – 52 Jahre alt, Vollbart, tiefblaue Augen – könnte recht behalten. Denn zwar werden heutzutage rund um die Uhr mehr Daten erzeugt und gespeichert als je zuvor. Doch den digitalen Trägermedien fehlt die Nachhaltigkeit. Selbst die besten Computerfestplatten halten nur wenige Jahre. Zudem verschlingen die Serverfarmen der Welt Unmengen von Energie, die bald knapp werden könnte. Und niemand kann garantieren, dass sich die Cloud, in der sich die glo­ balen Daten ballen, nicht eines Tages in Luft auflösen wird. »Kurzum«, sagt Martin Kunze, »unsere Zeit könnte für die Nachwelt zu einem blinden Fleck werden.« Der Keramikkünstler will gegen diese Gefahr vorbeugen. Seine Idee hört sich an wie aus einem Märchen: ein riesiger Kultur- und Wissensschatz, verborgen in einem Berg. Und es blieb nicht nur bei der Idee: 2012 rief Kunze das Pro­ jekt ­Memory of Mankind (MoM) ins Leben. Seither sammelt er unermüdlich Dokumente unserer Zeit: Doktorarbeiten, ­literarische Werke, aber auch Kochrezepte, Facebook-Profile und Hochzeitsfotos. Alles hat die Chance, im ältesten ­Salzbergwerk der Welt in Hallstatt, in den österreichischen ­Alpen, verewigt zu werden. Und zwar auf Kunzes Lieblings­ material: Ton. Zur Speicherung dienen quadratische Fliesen aus Keramik, 20 Zentimeter breit und hoch.

Schmiegt sich an den Berg und spiegelt sich im See: Hallstatt, Österreich Nestling on the mountainside and reflected in the lake: Hallstatt, Austria.

Was nach Retro klingt, ist Hightech. In einem modifizier­ tem Laserprinter werden Farbbilder auf die Fliesen gedruckt und aufgebrannt. Die so fabrizierten Fotos halten ewig, sind lichtecht und chemikalienbeständig. Ein weiteres Verfah­ ren, das Kunze gemeinsam mit einer Technologie­firma ­ent­wickelt hat, ermöglicht es, auf einer einzigen Kachel beacht­­ liche Textmengen unterzubringen: zum Beispiel den neusten ­Harry Potter oder wissenschaftliche Fachbücher. Texte und ­Tabellen werden mit Hilfe eines Lasers in sehr kleiner Schriftgröße in eine hauchdünne dunkle Keramikschicht auf den weißen Tontafeln graviert, erklärt der MoM-Gründer. »Zum Lesen braucht man nur eine Lupe.« Was aber ist repräsentativ für unsere Zeit? Das Natur­ historische Museum Wien hat ein Abbild der Blauen Schwimmkrabbe archivieren lassen. Klimaforscher speisen Rohdaten ein, die die globale Erwärmung dokumentieren. Zudem ­verhandelt Kunze mit den Verlegern großer Zeitun­ gen wie dem Guardian oder der Süddeutschen. Bald sollen deren ­Leitartikel täglich dem MoM-Archiv zufließen. Algo­ rithmen finden sich auf den Kacheln ebenso wie die Bio­ grafien von David Hasselhoff oder Edward Snowden sowie ­Dorfchroniken. Dass gerade das Alltagsleben nicht zu kurz kommt, ist Kunze ein besonderes Anliegen. »Subjektive ­Erzählungen, etwa Tagebücher aus dem Ersten Weltkrieg, sind ja oft aufschlussreicher als das, was Staatsarchivare für relevant erachteten.« Weit über 700 Kacheln lagern bereits im Stollen und ­werden irgendwann völlig von Salz umhüllt sein. »Salz­gestein ist zähflüssig«, erklärt Kunze. »Es bewegt sich etwa in der Geschwindigkeit, mit der Fingernägel wachsen.« Schon in wenigen Jahrzehnten werde das Eingangstor zum Archiv verschlossen sein. 2.000 Meter tief im Berg sollen die Quel­ len zur Zeitgeschichte dann schlummern, bis sie ­dereinst unsere Nachfahren oder – nach dem Untergang der Mensch­ heit – eine neue intelligente Zivilisation zurück ans Tages­ licht hievt. MoM-Gründer Kunze ist mit heiligem Ernst bei der Sache. Als Motto hat er ein Zitat des Universalgelehrten Wilhelm von Humboldt aus dem 19. Jahrhundert gewählt: »Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.« Das mag so


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Memory of Mankind

Auf Keramiktafeln werden analoge Texte für die Nachwelt konserviert. Analogue texts are being conserved on ceramic tiles for posterity.

stimmen. Doch warum sollten die Archäologen der Zukunft ausgerechnet in einem Salzberg in Oberösterreich nachse­ hen, was im frühen 21. Jahrhundert so los war? Martin Kunze lächelt. »Viele Hunderte Schatzkarten sind bereits im Umlauf«, sagt er. Wer eine Kachel zum Archiv beisteuert, erhält nämlich einen »Token«: einen sechs Zenti­ meter großen Taler aus Ton, auf dem der Umriss von Europa abgebildet und durch eine Art Fadenkreuz der geographi­ sche Ort des Archivs eingezeichnet ist – als Wegweiser. Die Preise sind gestaffelt: 350 Euro kosten Kachel und Token für Interessenten aus Mitteleuropa. Wer aus ärmeren Ländern der Welt stammt, bekommt günstigere Tarife: »Wir wollen auf keinen Fall nur die Kultur des reichen Westens abbil­ den«, sagt Kunze. Kurztexte können daher aus der ganzen Welt sogar kostenlos eingespeist werden. Mitunter reisen Familien auch aus der Ferne an, um ihre Kachel eigenhändig im Salzberg einzulagern, erzählt Kunze. Zum Beispiel aus den USA . »Wenn ihr einmal Enkelkinder habt, kommt ihr wieder hierher und seht nach dem Rech­ ten«, legen Eltern ihren Töchtern und Söhnen dann oft ans Herz. Das ist ganz im Sinne des Erfinders. Denn vielleicht werde es irgendwann noch bessere Methoden der Archivie­ rung geben, sagt Kunze. Die Inhaber der Token sollen daher alle 50 Jahre zusammenkommen, um gemeinsam über die Zukunft des Archivs zu debattieren. Das erste Treffen ist für 2070 anberaumt. Kenntnisse über die Vergangenheit sind nicht nur inte­res­ sant, sondern mitunter tatsächlich überlebenswichtig. ­Vertreter der schwedischen Atombehörde und der Nuclear ­Energy Agency aus Paris haben das MoM-Archiv bereits in Augenschein genommen. Sie suchen nach Möglichkeiten, um Hinweise auf gefährliche Lager mit radioaktiven Abfäl­ len für die Nachwelt zu sichern – und Kunzes Ansatz erscheint ihnen vielversprechend. Geld haben die Atomphysiker aller­ dings noch keines zugeschossen. Der Künstler finanziert das Projekt seit Jahren über die Gebühren für Kacheln und Token sowie gelegentliche Spenden. »Es geht sich irgendwie aus.«

Manchmal aber träumt er von einem Großsponsor für den anwachsenden Schatz im Bergwerk: »Wenn sich jemand ein wirklich eindrucksvolles Denkmal für die Nachwelt setzen möchte, dann hat er hier im Salzkammergut die Gelegenheit dazu«, sagt er. Ein Monument für die Ewigkeit. Selbst das unwahrscheinliche Szenario, dass eines fer­ nen Tages ausgerechnet in Hallstatt ein Meteorit einschlagen könnte und den Salzberg samt MoM-Archiv zerschmettert, bereitet Kunze kein Kopfzerbrechen. »Archäologen waren schon immer geübt darin, Scherben wieder zusammenzuset­ zen«, sagt er. Diese Fähigkeit traue er auch den Archäologen einer künftigen Zivilisation zu.

Till Hein, geboren 1969, hat Geschichte studiert und arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in Berlin. Neben historischen Themen fasziniert ihn die Tierwelt, gerade ist sein neues ­Sachbuch Crazy Horse – Die schillernde Welt der Seepferdchen (­mare-Verlag) erschienen.


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A saltmine of information TEXT

Till Hein

An artist in Upper Austria is seeking to preserve the knowledge and culture of the early 21th century on ceramic tiles – as a treasure trove for the archeologists of ­tomorrow. In a thousand years’ time, which artefacts will a future civilization unearth from our era? Empty soft-drink cans? Ruins made of reinforced concrete? Rusting drums of atomic waste? “Written records are sure to be a rarity,” says Martin Kunze from Gmunden in Upper Austria. “Perhaps the engraved lettering on the bases of stainless steel cookware – ‘Made in China.’” And maybe a few surviving inscriptions on weather-beaten gravestones. Kunze – 52, bearded, deep blue eyes – could prove to be right. We may be producing and storing data nonstop – more than ever before – but the digital storage media we use won’t last. Even the best hard drives deteriorate after a few years. What’s more, the world’s server farms consume huge amounts of energy – which may soon be in short supply. And no one can guarantee that the Cloud in which global data is clustered will not simply dissipate someday. “The point is,” Kunze says, “our age could become a blind spot for posterity.” The ceramic artist wants preservation to pre­vail. And his plan sounds like something straight from a fairy tale: a huge treasure trove of culture and knowledge, buried deep inside a mountain. But he is turning it into reality: in 2012 Kunze created the project Memory of Mankind (MoM). And ever since he has been tirelessly collecting documentary evidence of our current civilization: doctoral theses and works of literature – along with recipes, Facebook profiles and wedding pictures. They are all being offered the prospect of immortality in the world’s oldest salt mine in the Austrian Alps. Here, in Hallstatt, on Kunze’s storage medium for the millennia, his favorite material: clay – formed into 20 centimeter square tiles. This may sound retro, but in reality it’s ­high-­tech. Colored images are printed on the tiles using a modified laser printer and then baked on. Once rendered light-fast and chem­ ical-­resistant, the tiles will basically last forever. A further process – developed by Kunze in

collaboration with a technology company – ­allows incredible amounts of text to be printed on a single tile: the latest Harry Potter novel, for instance, or scientific treatises. Using a laser, texts and tables can be depicted in a miniscule font and engraved on the white tiles in a dark, wafer-thin layer of ceramic, as the MoM founder explains. “You just need a magnifying glass to read them.” What is representative of our age? The Natural History Museum in Vienna has had a picture of the Atlantic blue crab archived. Cli­mate scientists are collecting raw data to docu­ment global warming. Kunze is also ­nego­tiating with the publishers of major newspapers such as The Guardian and Süddeutsche Zeitung. Soon their leading stories will be add­ed to the MoM archive on a daily basis. Captured on the tiles is everything from algorithms to biographies of David Hasselhoff and Edward Snowden, along with village chronicles. Kunze is keen to memorialize everyday minutiae: “Subjective narratives like diaries from the First World War – they are often more revealing than the things public archives define as relevant.” More than 700 tiles have already been depos­ ited in the part of the mine that, appropriately enough, is called a gallery. Soon they will be completely enveloped in salt. Kunze explains the process: “Salt rock is highly viscous. It moves at about the same speed as a fingernail grows.” In a few scant decades, the entrance to the archive will be closed. Some 2,000 meters deep inside the mountain, this font of contemporary history will lie dormant until one of our descendants or – if the human race is extinct – a new, intelligent civilization restores it to the daylight realm. MoM creator Kunze couldn’t take his venture more seriously. As its motto, he has chosen an aphorism from the 19th century that is attributed to the philosopher Wilhelm von Humboldt: “Only those who know a past have a future.” That may well be true. But why should future archeologists check out a salt mine in Upper Austria, of all places, to learn what was what in the early 21st century? Martin Kunze smiles. “Hundreds of treasure maps are already in circulation,” he says. Anyone contributing a tile receives a “token” in


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Memory of Mankind

return: a six centimeter large clay coin showing the outline of continental Europe, with a symbol similar to rifle crosshairs marking the archive’s location. There is a sliding price scale: a tile and a token cost 350 euros for Central Europeans. People from poorer parts of the world pay less. “We want to make sure that we aren’t just painting a picture of the affluent West,” Kunze says. Which means that short texts from across the planet can even be preserved for free. Some families travel great distances to per­sonally deliver their tiles, Kunze says. For instance from the United States: “If you ever have grandchildren, come back here and make sure everything is still as it should be,” parents often tell their sons and daughters. And that is exactly what the inventor would want. Kunze admits that there may be better archiving meth­ods available someday. For this reason, the token holders are expected to meet every 50 years to debate the archive’s future. The first meeting is scheduled for 2070. Knowledge about the past is not only interesting; sometimes it can mean the difference between life and death. Representatives of the Swedish National Council for Nuclear Waste and the Nuclear Energy Agency in Paris have already scrutinized the MoM archive. They are seeking ways to secure information on atomic waste storage sites for future generations – and see great promise in Kunze’s archive. That said, the nuclear scientists have yet to pump any money into the project. For years now, the artist has been funding it with the charges for tiles and tokens, along with the occasional donation. “Somehow, we get by.” Yet he does still dream of a major sponsor for his growing cache in the mine: “If someone were to want a truly impressive memorial for themselves, the salt mine offers the perfect opportunity,” he says. A monument for eternity. Nor does Kunze lose sleep over the improbable scenario that a meteorite might one day crash down on Hallstatt, devastate the mine and obliterate the MoM archive. “Archeologists have always been good at re-assembling things,” he says. And, in his view, archeologists from a future civilization will be even better.  Till Hein, born in 1969, studied history and works in Berlin as a freelance science journalist. In addition to historical themes, he is fascinated by the animal kingdom. His new non-fiction book “Crazy Horse — The Dazzling World of Seahorses” (mare-Verlag) has just been published.


Nähmaschine reparieren Bei uns früher gab es nie viel Geld. Deshalb wurden kaputte Gegenstände repariert und nicht weg­geworfen. Wenn etwas nicht mehr funktionierte, sagte meine ­Mutter: Erst einmal alles vorsichtig auseinanderbauen, reinigen und wieder zusammensetzen – und dann ­sehen wir weiter. So hat sie ziemlich viel wieder heil gemacht, auch unsere alte Nähmaschine, die ich immer noch benutze und inzwischen selbst repariere. Oft sind es nur kleine Stoff-Fetzen oder Fadenreste, die entfernt werden müssen, und dann läuft es wieder. Ganz einfach. Jeanette, 56 Jahre, Bern/Schweiz

Repairing the sewing machine We never had much money, so we used to repair things that broke down rather than throwing them away. Whenever something stopped working, my mother would say: first things first, carefully take everything apart, clean the parts and reassemble them – then, if necessary, we can look further. She fixed lots of things that way, including the old sewing machine I still use today and repair myself. Often you just need to remove some thread or a jammed piece of cloth and it works like new. It’s that easy. Jeanette, 56, Berne, Switzerland


Wissen auf Wanderschaft Durch Migration und Völkerwanderung hat sich manche ­Handwerkstechnik und manche Kunst weltweit verbreitet. Bis heute haben Reisende und Ausgewanderte ihr ­Spezial­wissen im Gepäck und geben es anderswo weiter.


Spezialwissen

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Nadav Shoshan 40 Jahre alt, aus Israel, Krav-Maga-Trainer und Leiter einer Impact-Gruppe in Deutschland Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich eigentlich mit Judo ­beginnen. Aber in meiner Heimatstadt in Israel wurde das gerade nicht angeboten. Also entschied ich mich für Krav Maga, ein israelisches Selbstverteidigungssystem. Jede und jeder kann die Technik lernen, egal ob groß, klein, kräftig oder zart, denn sie basiert auf natürlichen, instink­ tiven Körper­bewegungen und Reaktionen. Im Wesentlichen sind es nur fünf bis sechs Bewegungen. Die können alle ­ausführen, das ist das Besondere an dieser Sportart. Und das gefällt mir so daran. Als Kind wollte ich zuerst Chirurg werden, dann Tier­ arzt, Schauspieler, Screenwriter – ich hatte viele Ideen. Wäh­ rend meines Studiums habe ich verschiedene Jobs gemacht, aber mein Herz schlug immer für Krav Maga. Ich hätte jedoch nie gedacht, dass ich wirklich davon leben könnte. 2010 gründete ich schließlich in Haifa meine eigene Schule und bin dann 2014 mit meiner Frau nach Deutschland gezogen. Wir waren neugierig auf ein Leben außerhalb ­Israels, denn das Leben dort ist schon sehr speziell. Da meine

Frau eine Stelle in Mannheim bekommen hat, sind wir ­dorthin gezogen. Ich habe hier die Impact-Gruppe gegründet, die ich als Head Instructor leite. Meine Schülerinnen und Schüler sind zwischen 5 und 57 Jahren. Außerdem bilde ich andere Trainer und Trainerinnen aus, hauptsächlich ­darin, wie man Kinder unterrichtet. Dafür bin ich normaler­ weise viel unterwegs, ich war unter anderem schon in ­Tschechien, England, Trinidad und Tobago und in Austra­ lien, und überall habe ich tolle Menschen getroffen. Wenn ich unterrichte, lerne ich im Dialog mit den angehenden Trainerinnen und Trainern selber ganz viel. Ich möchte mich als Trainer weiter verbessern, dabei hilft mir dieser Aus­ tausch sehr. Und ich möchte meine Schule vergrößern, sodass ich noch mehr Leute erreichen kann, die durch das Training Selbstbewusstsein gewinnen und lernen, gesünder zu leben. protokoll  Imke Borchers


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Spezialwissen

Dr. med. Maya May Sian Oei 42 Jahre, aus Deutschland, Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und ­Traditionelle Chinesische Medizin Aufgewachsen bin ich in Deutschland, in einer Arztfamilie mit indonesisch-chinesischen Wurzeln. Meine Eltern sind in der klassischen Schulmedizin beheimatet, und somit war mein Weg in die Medizin bereits vorgezeichnet. Ich arbeite sowohl als Fachärztin für Dermatologie als auch als Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM ) mit Akupunktur und Kräutern. Als Ärztin und als Mensch stehe ich für eine sinnvolle Verbindung von verschiedenen Welten, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zusammenbringen würde. Dabei liegt in der Kombination von schein­baren Gegen­ sätzen eine große Kraft. Oft ist es ja so, dass eine ganzheitliche ­Betrachtung der menschlichen Gesundheit von der Schul­ medizin abgetrennt ist. Man geht entweder zu einem Heil­prak­ tiker oder in eine Arztpraxis. Ich aber bin in beiden Bereichen ­ausgebildet und nutze die unterschied­lichen Herangehens­ weisen gleichermaßen, je nachdem welche Beschwerden vor­ liegen. Schon während meines Medizinstudiums in Deutsch­ land habe ich eine Ausbildung in Traditio­neller Chinesischer ­Medi­zin gemacht und bilde mich darin bis heute bei Lehrer­

innen und Lehrern aus der ­ganzen Welt fort, auch in China. Die Erfahrungen, die ich dabei mache, stehen in ständigem Austausch mit meiner Tätigkeit als Dermatologin. So habe ich mich zum Beispiel auf Anti-Aging-Akupunktur spezialisiert. Die Verbindung von Traditioneller Chinesischer Medizin und Dermatologie ist noch ziemlich selten, und für mich hat sich damit ein Traum erfüllt. Ich finde es ganz wichtig, regel­mäßig über den Tellerrand zu blicken und Zusammen­ hänge zu erkennen, anstatt nur ein einzelnes Symptom oder nur ­einen Bereich zu behandeln. Deshalb teile ich mein ­Wissen mit meinen Patientinnen und Patienten, die mich an ihrem Leben teilhaben lassen und so einen neuen Blick auf sich selbst bekommen, aber auch mit meinem Praxisteam und anderen Kolleginnen und Kollegen. Eine gute Ernährung im Sinne der TCM , sportliche Betätigung und eine wert­ schätzende Haltung uns selbst und anderen gegenüber macht uns insgesamt glücklicher – und auch gesünder. protokoll  Miriam Holzapfel


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David Arnórsson 40 Jahre, aus Island, Gründer des Artic Bakehouse in Tschechien

Am Anfang kam ich mir hier tatsächlich vor wie ein Kind auf dem Abenteuerspielplatz: dieses Mehl, das es hier in Tschechien gibt! Direkt aus der Steinmühle, aber vor allem gewonnen aus einem so guten Getreide, das bei uns in der isländischen Natur einfach nicht wachsen kann. Ich habe das Backhandwerk in Reykjavík von Jahrzehnten gelernt, und dieses böhmische Mehl ist für mich so etwas wie ein wahr gewordener Traum. Als ich das erste Mal nach Prag gekommen bin, hat mir die Stadt gleich gefallen. Und ich habe gemerkt: Hey, hier wäre der perfekte Platz für gutes Brot! Ich habe damals Super­marktbrot gekauft, den Laib für einen knappen Euro, aber das kann man wirklich kaum essen, es schmeckt nach Papier. Echte Bäckereien gab es zu der Zeit kaum. Vor drei Jahren habe ich dann hier zusammen mit einem islän­ dischen Freund das Artic Bakehouse eröffnet. In unserem Laden auf der berühmten Prager Kleinseite wurde vorher Tiernahrung verkauft. Ich sah das Haus, ein paar Schritte von der Moldau entfernt, und war gleich

begeistert. Ein Jahr lang haben wir zu zweit alles hergerich­ tet – wir hatten ein knappes Budget, deshalb haben wir selbst Hand angelegt. Für die Eröffnung habe ich neben unserem Brot ein paar traditionelle isländische Spezialitäten gebacken: Zimtschnecken mit Vanilleüberzug, Klaina, das sind frittier­ te Teilchen mit Kardamom. Und natürlich Ástarpungar, Teig­ bällchen mit Rosine, die wir hier als Love Balls verkaufen, den Namen kann ja sonst niemand aussprechen. Eigentlich war mein Plan, dass ich die Leute einfach mal davon probie­ ren lasse, quasi als Gag zur Eröffnung. Aber die Rezepte schlugen ­dermaßen ein, dass ich auch diese süßen Teilchen seither massenhaft produziere. Bei aller Freude über das böhmische Mehl fehlt mir aus Island doch eins: die Butter. So eine phantastische Butter wie bei uns daheim gibt es einfach nirgendwo anders. protokoll  Kilian Kirchgeßner


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Spezialwissen

David Zimmer 33 Jahre, aus Deutschland, Koch und Restaurantbesitzer in Südkorea Zusammen mit meiner Frau Mina habe ich vor anderthalb Jahren unser Restaurant Baden.Baden hier in Gwangju im Süden der koreanischen Halbinsel eröffnet. Obwohl wir ­beide schon langjährige Erfahrung in internationalen Küchen gesammelt haben, war es für uns das erste Mal, ein eigenes Restaurant zu haben. Nach Korea hat es uns verschlagen, weil meine Frau Koreanerin ist. Wir haben uns in Australien kennengelernt. Danach haben wir dann einige Zeit gemein­ sam in Deutschland verbracht, in Baden-Baden, meiner ­Heimatstadt, wo ich ursprünglich auch meine Aus­bildung zum Koch begonnen habe. Ich denke, was unser Restaurant besonders macht, ist die Kombination aus dem kulinarischen Hintergrund meiner Frau und mir, die Verschmelzung der asiatischen und franzö­ sisch-deutschen Einflüsse. Darüber hinaus machen wir im Baden.Baden fast alles selbst. Angefangen beim Zerlegen von Fleisch und Fisch bis hin zu eigenen Soßen und Nudeln. So was wird gerade in Korea immer seltener, aber für mich ist es ein wich­tiger Teil der Arbeit. Denn es geht nicht nur um die Zubereitung, sondern auch um den gesamten Umgang

mit Lebensmitteln. Wenn wir nicht gerade kochen, sind wir oft auf den lokalen Märkten auf der Suche nach besonderen Zutaten und Inspirationen für neue Gerichte. In ein paar Monaten kommt unser erstes Kind auf die Welt, und vielleicht müssen wir hier dann erstmal eine P ­ ause einlegen. Danach könnte ich mir ein kleineres Restaurant vorstellen, das wäre dann etwas familienfreundlicher, und man hätte auch mal Zeit, kleine Koch-Workshops zu machen für interessierte Koreanerinnen und Koreaner. Mal sehen, was die Zukunft bringt. protokoll  Anton Scholz


Spezialwissen

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Tran Thanh Tung 31 Jahre, aus Vietnam, Restaurantbetreiber in Tschechien Meine Großmutter gehört zur alten Generation: Seit ich mich erinnern kann, ist es ihr wichtig, Traditionen weiterzugeben. Ich bin in Vietnam bei ihr aufgewachsen, weil mein Vater zu der Zeit schon in Tschechien gelebt hat, um hier für uns ­etwas aufzubauen. Als ich 13 Jahre alt war, bin ich mit meiner Mutter nach Europa nachgezogen. Im Gepäck hatten wir das Rezept für die traditionelle vietnamesische Pho-Suppe – mit all den Feinheiten, die uns meine Oma beigebracht hatte. Meine Familie stammt aus Nam Dinh. Das ist die Stadt, in der die Pho-Suppe vor langer Zeit erfunden wurde. Hier in Tschechien kannte sie noch kaum jemand, als ich vor 18 Jah­ ren hierherkam. Meine Familie trug dazu bei, etwas daran zu verändern: Wir gründeten in Prag das vietnamesische Res­ taurant Pho Family und gehörten damit zu den Pionieren. Wir haben den Tschechen beigebracht, wie großartig unsere Gerichte schmecken. Viele kamen auf den Geschmack, und inzwischen gibt es vor allem in Prag überall vietnamesische Bistros und Restaurants, die auf den Zug aufgesprungen sind. Das Erfolgsgeheimnis einer guten Pho-Suppe ist die lange Vorbereitungszeit. Wir kochen die Brühe mindestens

24 Stunden in einem speziellen riesigen Topf. Da kommen Zutaten wie Lauchringe, Koriander, Minze und Chili rein, und vor allem Knochen von Rind und Schwein. Wenn sie lange kochen, geben sie von ihrer Süße etwas an die Brühe ab; das steckt hinter dem markanten Geschmack von Pho. Und dann servieren wir sie mit Reisnudeln. Bei uns im Res­taurant bieten wir auf unserer Wochenkarte immer wechseln­de vietnamesische Gerichte an, damit die Gäste die Bandbreite unserer Küche kennenlernen. Obwohl das gut ankommt, bleibt Pho mit Abstand das am meisten ­bestellte Gericht bei uns – auch heute noch. protokoll  Kilian Kirchgeßner

Tran Thanh Tung (rechts) mit seinem Vater Tran Quang Vinh Tran Thanh Tung (right) with his father Tran Quang Vinh.


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Spezialwissen

Samuel Odermatt 40 Jahre, aus der Schweiz, Motor- und Kleingerätemechaniker in Australien Als Kind schwärmte ich von Afrika – und eigentlich von allen Ländern, die weit weg waren. Als mein Onkel nach Guate­ mala zog, war ich 14 und wollte ihm sofort folgen. »Landma­ schinenmechaniker braucht man überall in der Welt«, sagte er mir, und darum habe ich dann eben diese Ausbildung angefangen. Allerdings brach ich mir mittendrin beim ­Snowboarden drei Wirbel und musste umsteigen auf Motorund Kleingerätemechaniker. Nach der Lehre flog ich nach Neuseeland zum Englischlernen, später nach Guatemala, Kalifornien, Japan, Australien und Brasilien. Arbeit zu finden war nie ein Problem. Die Branche ist sehr spezialisiert, aber ­meine Ausbildung in der Schweiz war wirklich vielseitig: Wir lernten neben den mechanischen Grundlagen auch ­Hydraulik, Elektronik und Schweißen. Das wird hier in Aus­tra­ lien nicht so vermittelt wie in der Schweiz. Zum ersten Mal ar­beitete ich 2004 in Australien eine Weile in meinem Beruf, aber damals wollte ich vor allem viel reisen. Insgesamt war ich allein vier bis fünf Mal in Brasilien. Von dort stammt auch meine Partnerin, die ich allerdings in Neuseeland kennen­ gelernt habe. 2010 sponserte mich eine Rasenmäher-Firma

in Sydney, und ich konnte vier Jahre später australischer Staatsbürger werden. So bin ich hier schließlich geblie­ ben und lebe bei Port Macquarie zwischen Kängurus und Küste. Hier gefällt es mir wirklich gut – das Meer und die Natur vor der Haustür. Mein jetziger Chef suchte über ein Jahr nach geeigneten Mitarbeitern. Ähnlich war es auch, als ich auf Reisen war: Egal wo ich hinkam, ich fand dank meiner Kenntnisse immer schnell einen Job.  protokoll  Julica Jungehülsing


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Knowledge conquers the world As a result of migration, some crafts and art forms have reached every corner of the planet. Even today, voyagers and emigrants are packing their bags and sharing their expert skills in climes far from their homelands.

Nadav Shoshan aged 40 from Israel, a Krav Maga instructor and director of an Impact Group in Germany When I was twelve years old, I actually wanted to start learning judo. But courses weren’t available in my hometown in Israel. So I chose Krav Maga, an Israeli martial art. People of all statures – large, small, muscular or slight – can learn its techniques because it is based on ­natural, instinctive body movements and responses. Essentially, it only uses five or six dif­ fer­ent movements. Anyone can master them, which is what makes this sport so unique. And that’s what I like about it. As a child, I originally wanted to become a surgeon, then a vet, an actor, a screenwriter – I was never short of ideas. I did various jobs while in college, but Krav Maga was always my real passion. And I never imagined I could make a living from it. In 2010, I finally opened my own school in Haifa and then moved to Germany with my wife in 2014. We wanted to experience other countries, because life in Israel is very singular. My wife got a job in Mannheim so we moved there. I set up the Impact Group, and double as its manager and Head Instructor. My students are aged between 5 and 57. I also train other instructors, mainly in techniques for teaching children. Typically, I spend a lot of my time on the road. I’ve been to the Czech Republic, England, Trinidad and Tobago and Australia, and I’ve met wonderful people wherever I go. I learn a lot myself when I’m training up-andcoming coaches. I want to keep improving as an instructor, and working with them broadens my horizons. I would like to expand my school too, so that I can train even more people – and help them become more confident and embrace healthier lifestyles. TEXT   Imke Borchers

Dr. med. Maya May Sian Oei age 42, from Germany, specialist in dermatology, venereology and traditional Chinese medicine I grew up in Germany, in a family of doctors with Indonesian and Chinese roots. My parents are both traditional Western physicians – so I was predestined to go into medicine as well. I work as a dermatologist and also practice Traditional Chinese Medicine ( TCM ) using acupuncture and herbs. Both as a doctor and a human being, I believe in meaningful connections between different worlds – worlds which at first glance might not seem to belong together. Syntheses of apparent opposites can be very powerful. Conventional medicine and holistic views of human health are frequently viewed as incompatible. Patients typically go to either a regular doctor’s office or an alternative prac­ titioner. But I’ve been trained in both areas and tap both approaches, depending on the symptoms. Even while I was still a student in Germany, I was already undergoing training in Tradi­tion­al Chinese Medicine. And this training is con­tin­­ uing – thanks to teachers from all over the world, including China. Everything I experience in that sphere enriches and enhances my work as a dermatologist, and vice versa. For example, I specialized in anti-aging acupuncture. The combination of Traditional Chinese Medicine and dermatology is still quite rare, and for me it represents a dream come true. In my view, it’s really important to keep thinking outside the box and trying to discern underlying connections and relationships, rather than focusing on a single symptom or medical discipline. That’s why I share my knowledge first and foremost with my patients – who allow me into their lives and see themselves from a new angle as a result – but also with my team at the office and other physicians. A diet of the type recom­mend­ ed in TCM, physical exercise, and a respect­ful attitude toward yourself and others – these all serve to make us happier overall. And, as a result, healthier too. TEXT   Miriam Holzapfel


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Expert skills

David Arnórsson age 40, from Iceland, founder and owner of the Artic Bakehouse in Czech Republic At first it was like discovering a whole new world. The incredible flour you can get here in the Czech Republic! Straight from the stone mill, and made with a quality of grain that simply won’t grow in the Icelandic climate. I learned the craft of baking in Reykjavik decades ago, and for me this Bohemian flour is like a dream come true. When I paid my first visit to Prague, I really took a shine to the city. And I realized: Hey, this would be the perfect place for good bread! Back then I used to buy supermarket bread, for just under a euro a loaf, but that stuff is barely edible. It tastes like cardboard. There were hardly any real bakeries at the time. Three years ago, I opened the Artic Bakehouse here with an Icelandic friend. Our shop in Prague’s storied Malá Strana district used to sell pet food. I saw the building, just a few steps from the Vltava River, and was instantly enamored. For a year, the two of us worked towards the opening. We had a tight budget, so we had to roll up our sleeves and dig in. When the big day arrived, I baked a few traditional Icelandic pastries alongside the bread: cinnamon buns with vanilla icing, kleina, deep-fried donut with cardamom. And of course, starpungar – donut balls with raisins, which we sell here as “Love Balls” because nobody can pronounce the real name. Originally, my plan was to hand out free samples at the opening. But the recipes proved such a hit that I have been making copious quantities of these sweet treats ever since. For all the joys of Bohemian flour, I really miss one thing from Iceland: butter. The butter in our home country is simply unbeatable. TEXT   Kilian Kirchgeßner

David Zimmer age 31, from Germany, chef and restaurant owner in South Korea Eighteen months ago, my wife Mina and I opened our restaurant Baden.Baden here in Gwangju – in the south of the Korean peninsula. We both have years of experience from working in restau­ rants around the world, but it was the first time either of us had run an establishment of our own. We came to Korea because my wife grew up here. We met in Australia. After that, we spent some time in Germany – in Baden-Baden, my hometown, where I originally started training as a chef. What makes our restaurant special, in my eyes, is the combination of our culinary heritages, the fusion of Asian and Franco-German influences. Moreover, my wife and I still do almost everything ourselves – from cutting the meat and cleaning the fish to making our own sauces and noodles. This is becoming increasingly rare, especially in Korea, but for me it’s an impor­tant part of our ethos. Because it isn’t just the prep­ a­ration of the meals that counts, but also the way we view food generally. When we aren’t cooking, we’re often out at local markets – scouring the stalls for special ingredients and inspiration for new dishes. Our first child is due in a few months and we may have to take a break from work then. After that I could imagine operating a smaller restaurant – that would be a better fit for a family – and we could also host cooking workshops for interested Koreans. Let’s see what the future holds. TEXT   Anton Scholz


Expert skills

Tranh Thanh Tung age 31, from Vietnam, restaurant owner in Czech Republic My grandmother is an ambassador for the past. For as long as I can remember, passing down traditions has been important to her. I grew up with her in Vietnam; at the time my father had already moved to the Czech Republic to set up a home for us. When I was 13 years old, my mother and I joined him in Europe. We brought the recipe for Vietnam’s traditional pho soup with us – along with all the tricks my grandma had taught us about its preparation. My family comes from Nam Dinh. That’s the city where pho soup was invented long ago. When I arrived here in the Czech Republic 18 years back, hardly anyone had heard of it. My family helped change that. We opened the Vietnamese restaurant Pho Family in Prague and became pioneers of the new cuisine. We taught the Czechs to love its fantastic flavors. Many acquired a taste for it and today there are Vietnamese bistros and restaurants everywhere, above all in Prague, opened by people who wanted to climb on the bandwagon. The secret to making a good pho soup is to devote a lot of time to its preparation. We boil the broth for at least 24 hours in a huge, special pot. We add savories such as chopped leek, coriander, mint and chili, and above all beef and pork bones. If left to cook for a long time, they release some of their sweetness into the soup. That’s what gives pho its distinctive taste. And then we serve it with rice noodles. In our restaurant we always vary our weekly menu so that guests can try the entire universe of Vietnamese specialties. Although customers appreciate this, pho still remains by far our most popular dish – even today. TEXT   Kilian Kirchgeßner

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Samuel Odermatt age 40, from Switzerland, small equipment and motor mechanic in Australia As a child, I used to rave about Africa – actually about almost every country that was far away. I was 14 when my uncle moved to Guatemala, and I wanted to join him there immediately. “Mechanics for agricultural machines are needed the world over, “he told me, and that’s why I started an apprenticeship in that area. But after I broke three vertebrae snowboarding, I had to switch to repairing engines and small equipment instead. Once I had finished my apprenticeship, I moved to New Zealand to learn English, and then on to Guatemala, California, Japan, Australia and Brazil. Finding work has never been a problem. The field is highly specialized, but my training in Switzerland covered lots of different areas: in addition to the fundamentals of mechanics, we also learned hydraulics, electronics and welding. The Australians teach this differently than the Swiss. I first worked in my profession for a while in Australia during 2004, but back then my mind was set on traveling. I’ve been to Brazil alone four or five times. My partner comes from the country, although I met her in New Zealand. In 2010, a lawnmower company in Sydney spon­sored me, giving me the chance to become an Australian citizen four years later. So I ended up staying here and setting up home near Port Macquarie, between the kangaroos and the coast. I really like it here, with the sea and the countryside both on your doorstep. My current boss spent over a year looking for suitable em­ployees. The same was true when I was trav­eling as well: wherever I went, my skills helped me find a job in no time.  TEXT   Julica Jungehülsing



Das Gute sehen Mein Opa wurde im Jahr 1900 geboren und hat zwei Weltkriege miterlebt. Als er schon sehr alt war, habe ich ihn nach seinem prägendsten Moment gefragt. Ich dachte, er würde bestimmt etwas vom Krieg erzählen. Er aber sagte, sein prägendstes Erlebnis sei der Anschluss an das Stromnetz gewe­sen – endlich Elektrizität im Haus! Trotz aller Härten war mein Opa ein zufriedener Mensch. Von ihm weiß ich, dass es ­besser ist, sich auf die guten Dinge zu konzentrieren, anstatt die schlechten zu beklagen. Josef, 62 Jahre, Innsbruck/Österreich

Seeing the bright side My grandfather was born in 1900 and witnessed two world wars. When he was very old, I asked what his most memorable moment in life had been. I fully expected him to say something about the war. But his most defining experience, he said, was getting the house connected to the power grid. At long last, their home had electricity! Despite all the hardships, my grandfather was content with life. I learned from him that focusing on the good things was better than brooding over the bad ones. Josef, age 62, Innsbruck, Austria


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Artikel xx Die Welt in Orange  Orange network

2 Russland Moskau Einen neuen wöchentlichen Sammel­ gutverkehr nach Russland gibt es seit November 2020: Wien–Moskau heißt die zweite Direktverbindung von ­Gebrüder Weiss in die russische Hauptstadt, vier Tage ist der Trans­ port unterwegs. Von Moskau aus ­verteilt die Partnerspedition JDE (Zheldor Ekspeditsiya) die Waren an die Empfänger innerhalb Russlands. JDE hat mit 244 Standorten eines der größten Verteilnetzwerke zwischen Smolensk und Wladiwostok. Bereits seit 2018 unterhält Gebrüder Weiss ­einen Sammelgutverkehr aus dem bayerischen Memmingen nach ­Moskau.

Russia Moscow A new groupage freight service has been operating once a week to Russia since November 2020. Taking four days, Vienna to Moscow is the company’s second direct connection to the Russian capital. From Moscow, its partner JDE (Zheldor Ekspeditsiya) delivers the goods to their domestic destinations. With 244 locations between Smolensk and Vladivostok, JDE offers one of the largest distribution networks in the country. Gebrüder Weiss has been transporting consolidated cargo from the Bavarian town of Memmingen to Moscow since 2018.

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1 Polen Krakau Zuwachs im Ländernetzwerk: Seit ­Februar ist Gebrüder Weiss auch in Polen und Malaysia mit der eigenen Marke aktiv. Die im Herbst 2020 von Ipsen Logistics übernommenen ­Landesgesellschaften wurden offiziell umfirmiert. In Polen sind nun insge­ samt 75 Mitarbeiter*­innen in sieben Büros für Gebrüder Weiss im Einsatz, unter anderem in Krakau, Warschau, Gdynia und der Hafenstadt Stettin. In Malaysia gibt es drei Niederlassun­ gen mit 51 Mitar­beiter*innen – in Pe­ nang, Kuala ­Lumpur und Johor Bahru. Gebrüder Weiss beschäftigt an 82 Luft­und ­S eefracht-Standorten weltweit rund 1.600 Mitarbeiter*innen.

Poland Krakow International network expanding: since February 1, Gebrüder Weiss has also been operating under its own brand in Poland and Malaysia. The national subsidiaries acquired from Ipsen Logistics in autumn 2020 have been officially renamed. In ­Poland, a total of 75 staff are now working for Gebrüder Weiss at ­seven ­locations, including Krakow, Warsaw, Gdynia and the port city of Szczecin. In Malaysia the workforce of 51 is based at three branches – in Penang, Kuala Lumpur and Johor Bahru. ­Gebrüder Weiss employs some 1,600 men and women at 82 air and sea freight hubs worldwide.

3 Neuseeland Christchurch

4 Österreich Wien

Christchurch ist die größte Stadt auf der Südinsel von Neuseeland. Seit Oktober 2020 gibt es dort auch eine Repräsentanz für Luft- und See­ fracht-Services. Nach Auckland ist dies der zweite Standort, den ­Gebrüder Weiss in Neuseeland auf­ nimmt. Der Logistiker ist damit in den wichtigsten Wirtschaftsregionen des Inselstaates vertreten und kann individuelle Lösungen für Door-­to-­ Door-­Transporte im Air & Sea-­Bereich sowie für Projektaufträge ­anbieten. Besonders im Fokus: ­Importe aus den USA , Europa, China und Japan.

Gebrüder Weiss verfolgt das Ziel, bis 2030 CO 2-neutral zu sein. Im Zuge dieses Nachhaltigkeitsziels bietet das Unternehmen seinen Kunden u. a. die ­Möglichkeit zum Emissionsaus­ gleich. Die Transporte für die Ver­ sandhandelsgruppe UNITO sind seit Anfang 2021 bereits österreichweit CO 2-­neutral: Pro gefahrenen Kilo­ meter wird der verbleibende CO 2Ausstoß ermittelt. Dieser wird durch finanzielle Unterstützung eines zer­ti­ fi­zierten Klimaschutzprojekts ausge­ glichen. In diesem Fall gehen die Ausgleichszahlungen an ein Energie­ effizienz-Projekt in Ruanda.

New Zealand Christchurch

Austria Vienna

In October 2020, the group began offering air and sea freight services from Christchurch, the largest city on New Zealand’s South Island. Gebrüder Weiss was already oper­ ating one office in the country – in the northern city of Auckland. So it now maintains bases in the island state’s two leading commercial hubs, and has the capacity to provide custom solutions for project ­orders and door-to-door delivery of air and sea freight. Its main focuses: imports from the United States, ­Europe, ­China and Japan.

Gebrüder Weiss is targeting CO 2-neutrality by 2030. To help reach this goal, the company is also offering its customers the option of carbon-offsetting. Since January 2021, its delivery services for the UNITO mail order company have ­already been CO 2-neutral within Austria: the remaining CO 2 emissions are calculated per kilometer driven. And these are offset by finan­ cial contributions towards a certified climate protection project. In this case, the funds will go to an ­energy efficiency scheme in Rwanda.


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Artikel xx

7 China Schanghai

China Shanghai

Zu den Gebrüder Weiss-Services ent­ lang der Seidenstraße gehören jetzt auch Pakettransporte. Möglich wird das durch ein Joint Venture mit dem chinesischen Logistiker Global Freight System (GFS ) in Schanghai. Das Gemeinschaftsunternehmen »Gebrüder Weiss Express China«, an dem Gebrüder Weiss 65 Prozent der Anteile hält, ist auf Paketdienste zwischen China und Europa spezia­ lisiert. Das neue Angebot richtet sich insbesondere an asiatische und euro­ päische E-Commerce-Unternehmen.

Gebrüder Weiss operations along the Silk Road now include parcel services, thanks to a joint venture with the ­logistics company Global Freight System (GFS ) of Shanghai. The joint venture “Gebrüder Weiss Express China,” in which Gebrüder Weiss holds a 65 percent stake, specializes in parcel deliveries between China and Europe. The new service caters primarily to e-commerce companies in Asia and Europe.

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5 USA Los Angeles Gebrüder Weiss USA setzt sich für mehr Diversität in der Logistik­ branche ein und hat ein Stipendien­ programm für wirtschaftlich benach­ teiligte Studierende ins Leben gerufen. An den Business Schools von drei renommierten Universitäten in Chicago, New Jersey und Illinois können sich Studierende des Fach­ bereichs Supply Chain Management künftig für das GW -Stipendium ­bewerben. Die Initiative wurde von Gebrüder Weiss vor dem Hintergrund der aktuellen Rassismus­de­batte in den USA gestartet und setzt ein ­Zeichen für Vielfalt und Gleich­berech­ tigung und gegen ethnische, kultu­ relle oder soziale Ausgrenzung.

United States Los Angeles With its commitment to increasing diversity in the logistics industry, Gebrüder Weiss USA has launched a scholarship program for students from economically disadvantaged backgrounds. Applications will be open to supply chain management students at the business schools of three renowned universities in Chicago, New Jersey and Illinois. The aim is to highlight the importance of diversity and equality – and make a statement against ethnic, cultural and social exclusion – in the context of the current racism debate in the United States.

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6 Georgien Tiflis Von der Straße auf die Schiene: Der Standort in Tiflis ist jetzt an das georgische Schienennetz angebun­ den. Der Gleisanschluss wurde schon zur Eröffnung 2013 gelegt, aber ­damals war das regionale Bahnnetz noch nicht so weit entwickelt. Der erste multimodale Transport nach Aschgabat/Turkmenistan ist bereits abgewickelt, weitere werden folgen.

Georgia Tbilisi From road to rail: the group’s hub in Tbilisi can now boast a direct link to Georgia’s rail network. The railway tracks were already laid by 2013 when it opened, but the local line network still needed upgrading. The first multimodal transport to Ashgabat in Turkmenistan has now been completed, with more to follow.

8 Deutschland Memmingen Eine Zukunft in der Logistik? 71 junge Frauen und Männer entschieden sich im Lehrjahr 2020/21 für eine Ausbil­ dung bei Gebrüder Weiss in Deutsch­ land, Österreich, der Schweiz und Ser­ bien – fast genauso viele wie im Jahr zuvor. Die unternehmens­eigene On­ line-Lernplattform myOrange­­College ist während der ­Pandemie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Wis­ sensvermittlung bei Gebrüder Weiss geworden. Ausbildungsinhalte kön­ nen digital, individuell und in unter­ schiedlichen Geschwindigkeiten ­vermittelt und erlernt werden. Insge­ samt bildet Gebrüder Weiss derzeit 240 Lehrlinge an 27 Standorten aus.

Germany Memmingen A future in logistics? In the group’s 2020/21 apprenticeship year, 71 young women and men opted to undergo training with Gebrüder Weiss in Germany, Austria, Switzerland and Serbia – almost as many as the ­previous year’s intake. The company’s dedicated online learning platform myOrangeCollege has become an indispensable tool for sharing knowledge during the pandemic. Training sessions can be held and ­attended electronically – at different speeds and tailored to individual needs. In total, Gebrüder Weiss is currently training 240 apprentices at 27 locations.

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­»Wir brauchen eine Übereinkunft, wann etwas stimmt und wann nicht« Frank Haas im Gespräch mit dem Sozialpsychologen Roland Imhoff illustrationen  Shiwen Sven Wang

Herr Professor Imhoff, Sie haben doch einen recht guten Überblick: Was ist denn momentan die gängigste Verschwörungstheorie? Das kommt darauf an, wonach wir sortieren. Wenn wir schau­en, welche Verschwörungstheorie in den sozialen ­Medien am meisten Traffic bekommt, dann sind das gerade mit Sicherheit die verschiedenen auf die Pandemie bezo­ genen Theorien – dass Covid nur eine Erfindung sei oder im Labor gezüchtet, oder dass Impfungen der Gedankenkont­ rolle dienen. So etwas ist derzeit sehr populär. Aber man kann das auch anders betrachten und sich anschauen, welche Theorien die stärkste Zustimmung in Umfragen bekommen. In den USA ist das zum Beispiel die Idee, dass Lee Harvey ­Oswald nicht alleine gehandelt hat, um John F. Kennedy zu töten. Davon sind in den meisten Umfragen über 50 Prozent der Amerikaner überzeugt. Das scheint ein Evergreen zu sein. Genau. Die Todesumstände von Prominenten funktionieren generell immer ganz gut. Wie schaut es mit Elvis Presley aus? Dem wird eher unterstellt, dass er sich aus dem Staub gemacht hat, weil er den Trubel um seine Person nicht mehr ertra­ gen konnte. Und nur ganz wenige Theorien zu Elvis Presley ­treffen eine Aussage darüber, ob er das mit sich ­selber aus­ gemacht hat oder ob tatsächlich eine Gruppe dahinter­steckt. Wenn er ganz alleine beschlossen hat, sich einen Bart ­wachsen zu lassen und ein Schustergeschäft auf den Bahamas zubetreiben, dann ist es der Definition nach gar keine Ver­ schwörung. Denn mit wem will sich Elvis da verschworen haben? Es war dann vielmehr einfach nur seine eigene ­Ent­schei­dung. Deswegen taucht diese Elvis-Idee nicht so häufig bei Verschwörungstheorien auf. Bei den Evergreens haben wir noch die verschiedenen Verschwörungen um die ­Mondlandung und um die Area 51 – von den Amerika­ni­­ schen Geheimdiensten eingelagerte Außerirdische und so. Welche Erzählung ist denn in Bezug auf die aktuelle Pan­ demie besonders beliebt? Ist es die Idee, dass Corona ein

Roland Imhoff forscht neben Verschwörungs­mentalität auch zu Vorurteilen und ­Stereotypen, Repräsentation von Geschichte, ­sexueller Devianz und indirekten Messverfahren. Er ist Professor an der Universität Mainz. In addition to conducting research into conspiracy mindsets, Roland Imhoff explores prejudices and ste­reotypes, the presentation of history, sexual deviance and ­indirect measurement. He is a professor at the University of Mainz.

Fake ist, den es eigentlich gar nicht gibt, oder mehr die Vorstellung, dass Corona mit Absicht verbreitet wurde? Aus Deutschland gibt es relativ gute Umfragen zu diesen beiden Verschwörungstheorien. Sie sind mit etwa 16 bis 19 Prozent Zustimmung der Befragten ungefähr gleichauf. In den verschiedenen Netzwerken wird aber eher die FakeIdee weitergetragen. Denn was viele dieser Protest- und ­Verschwörungstheorien antreibt, ist die Unzufriedenheit mit der Politik zur Infektionseindämmung. Wenn ich behaupte, das Virus sei im Labor absichtlich gezüchtet worden, dann ist das kein gutes Argument dafür, dass ich wieder auf Kon­ zerte gehen und meinen Laden wieder aufmachen will. Denn dann ist das Virus doch sicher gefährlich. Um meine persön­ liche Freiheit zurückzubekommen, ist die Behauptung, Coro­ na gebe es gar nicht, rein instrumentell viel besser geeignet. Und doch klingt es für vernünftige Menschen angesichts der ganz realen Sterbefälle doch eher absurd. Gibt es denn im Unterschied dazu auch Theorien, die so plausi­ bel klingen, dass Sie ins Zweifeln kommen? (lacht) Na ja, ich mach es mir ja bequem. Ich definiere Ver­ schwö­rungstheorien nicht so, dass sie notwendigerwei­ se falsch sein müssen. Denn wenn ich Verschwörungstheo­ rie als Chiffre für »Lüge« verwende, dann kann ich mich gar nicht mehr ernsthaft drüber unterhalten. Meine Definition ist deshalb so: Eine Verschwörungstheorie ist, wenn jemand


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Verschwörungstheorien

»Verschwörungs­   theorien legen nahe, dass nichts aus Zufall passiert, ­sondern nur weil jemand wollte, dass es passiert.« glaubt, dass sich Menschen oder Gruppen zu etwas ver­ schworen haben, und diese Theorie kann auch wahr sein. Eine bewiesene Verschwörung ist immer noch eine ­Verschwörung. Haben Sie persönlich eine liebste Theorie? Vielleicht eine, die besonders unterhaltsam, besonders langlebig oder einfach besonders absurd ist? Es gibt schon so einige, bei denen ich mich manchmal frage, ob die tatsächlich irgendjemand ernsthaft glaubt. Oder ob diejenigen, die als Befragte in diesen Umfragen zustimmen, sich nur einen Jux machen. Zum Beispiel das mit den Nazis, die auf der inneren Seite des Mondes leben. Es fällt mir ­wirklich sehr schwer, mir das vorzustellen. Und dann gibt es aber Theorien, die irgendwie outrageous sind, aber immer noch interessant. Etwa diese Echsenmenschen-Theorie, also dass wir beherrscht werden von einer Elite von Eidechsen in Menschengestalt, die morgens ihre Menschenhüllen ­überziehen. Ich finde es faszinierend, dass wirklich viele ­Menschen ihre Zeit damit verbringen, auf Bildern gelbe ­Eidechsen-Augen bei Politikern, aber eben auch bei Wissen­ schaft­lern zu entdecken. Was für ein Typ Mensch glaubt so etwas? Lässt sich das beschreiben? Man kann das versuchen, allerdings haben wir es hier nicht mit einer distinkten Sorte Mensch zu tun, sondern mit ­wahrscheinlichen Zusammenhängen. Dass zum Beispiel Menschen, die das Gefühl haben, nur wenig Kontrolle über ihr Leben zu haben, eher Verschwörungstheorien zustim­ men. Dass Menschen, die von sich sagen, dass es ihnen sehr wichtig ist, einzigartig zu sein und aus der grauen Masse herauszustechen, eher Verschwörungstheorien zustimmen. Und einen der stärksten Zusammenhänge gibt es mit dem, was in der Psychologie der Religion »hyperactive-agency-­ detection« heißt. Das beschreibt das Ausmaß, in dem man Absicht und Willen unterstellt, wo sie objektiv vermutlich gar nicht vorhanden sind. Und auch das kann man mit Frage­ bögen erfassen. Das sind dann Menschen, die Aussagen zu­ stimmen wie »Der Wind weht da hin, wo er will« und »Wenn der Fernseher ausgeht, dann hat er keine Lust mehr«. Eine

Absicht entdecken – das passt gut zu Verschwörungstheorien, die nämlich genauso operieren. Sie legen nahe, dass nichts aus Zufall passiert, sondern nur weil jemand wollte, dass es passiert. Welche Rolle spielen denn die sozialen Medien bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien? Also, in den sozialen Medien blühen Verschwörungstheorien natürlich. Aber da blühen auch Katzenvideos und korea­ nische Kochrezepte mehr als jemals zuvor. Das Internet hat jeglichen Informationsfluss beschleunigt und auch die Infor­ mationsmenge akkumuliert. Wenn ich die Wikipedia aus­ drucken würde, dann würde die Menge gar nicht mehr in mein Brockhaus-Regal passen. Die interessante Frage, die eigent­ lich dahintersteht, ist die: Haben Verschwörungstheorien einen asymmetrischen Vorteil, mit dem sie sich in dieser Men­ ge besser durchsetzen können? Dafür gibt es theoretisch einen guten Grund. Verschwörungstheorien erzählen näm­ lich zu egal welchem Ereignis die bessere Geschichte. Und die ist einfach interessanter zu lesen als irgendeine offizielle Presseerklärung. Verschwörungstheorien sind also die spannenderen ­Lagerfeuergeschichten? Ja, das ist eine Option. Eine andere Option speist sich aus dem, was in der Psychologie »error management theory« heißt. Die grobe Idee dahinter: Im alltäglichen Leben, aber eben auch evolutionär, kann man bei Bedrohung immer zwei Fehler machen. Man kann erstens falschen Alarm schla­ gen und zum Beispiel einmal zu oft die Leute in der Höh­ le aufscheuchen, weil angeblich ein Mammut kommt. Oder man kann zweitens das Mammut verpassen. Die Logik bei dieser »error-management-theory« ist, dass der Fehler, ­einmal zu viel Alarm zu schlagen, immer billiger war, als eine Gefahr zu übersehen. Mit anderen Worten: Evolutionär gesehen zahlt sich Argwohn aus. Aber erreicht dieser Argwohn nicht manchmal auch ein Ausmaß, wo er gefährlich wird? Ich glaube, Verschwörungstheorien sind potenziell immer brandgefährlich. Wenn wir uns Einzeltäter, Attentäter ­anschauen, egal ob religiös-extremistisch oder neonazis­ tisch, dann sind deren Pamphlete nahezu immer schon voll von Verschwörungstheorien. Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 überwiegend junge Menschen ermordet hat, spielt auf der Klaviatur der Verschwörungstheorien genau­ so rauf und runter wie die Hamas, der Attentäter von Hanau oder sonst irgendwer. Da koppeln sich Individuen ab von einem epistemischen Gesellschaftsvertrag, also von einer gesellschaftlichen Übereinkunft darüber, wie wir Wahr­heit herstellen, wie wir Wissen generieren, wem wir vertrauen. 99,8 Prozent von dem, was wir wissen, haben wir nicht selbst erfahren. Die newtonschen Fallgesetze kann ich anhand ­eines Apfels noch nachvollziehen. Aber der weitaus größte



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Verschwörungstheorien

»Wir   müssen auch lernen zu ­ver­trauen. Sonst glaubt man ­irgendwann gar nichts mehr.« Teil meines Wissens über die Welt stammt aus dem Internet, aus Schulbüchern, von jemandem, der es mir erzählt hat, er stammt aus der Presse, aus dem Fernsehen, von YouTube. Das ist alles sekundäre Information, und ich muss bestimm­ ten Instanzen vertrauen, um sie glauben zu können. Aber dieses Vertrauen ist halt notwendig, um als Gesellschaft Übereinkunft darüber zu erzielen, wie die Welt ist oder was Wissen ist. Wenn ich mich als Verschwörungstheoretiker so weit abkapsle, dass ich diesen epistemischen Gesellschafts­ vertrag aufkündige, dann gebe ich sämtliches Wissen der Beliebigkeit preis. Und damit stimmt eigentlich alles, was ich glauben möchte oder auch nicht – genau darin sehe ich eine große Gefahr. Wir müssen es als Gesellschaft hinkriegen, Übereinkunft zu erzielen, wann etwas wirklich stimmt und wann nicht. Dafür braucht es eine ganz grundsätzliche Dis­ kussion. Wer muss diese Diskussion führen? Ist das Privatsache? Privat über so etwas zu diskutieren, ist natürlich eine Mög­ lichkeit. Aber ich glaube, dass es auch eine pädagogische Aufgabe ist. Im Zusammenhang mit Schule wird immer über Medienkompetenz geredet – da geht es aber überwiegend darum, selber Fact-Checking zu machen, weitere Quellen zu suchen und so weiter. Das ist gut und schön und auch ­sinnvoll, aber es trainiert Schülerinnen und Schüler vor allem darin, skeptisch zu sein. Daran ist nichts falsch, aber wir müssen zugleich auch lernen zu vertrauen. Sonst glaubt man irgendwann gar nichts mehr. Meines Erachtens braucht man schon an Schulen das, was man bislang eigentlich erst im Studium bekommt: solide Grundlagen in Erkenntnis­ philosophie oder in kritischer Diskussion darüber, was eigent­ lich Wissen ist. Das heißt also, wir müssen unser Bewusstsein dafür schärfen, was wirklich wahr ist. Lässt sich denn auch das Bewusstsein für Verschwörungen schärfen? Mit anderen Worten: Gibt es typische Begriffe, die immer wieder vor­ kommen und an denen man eine Verschwörungstheorie erkennen kann? (lacht) Gute Frage. Ich sage mal, wenn »Rothschild« vor­ kommt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um eine Verschwörungstheorie handelt. Und bei »Geheim­ dienste« sicherlich auch.

Wo sehen Sie den Wendepunkt zwischen amüsant und gefährlich? Wenn jemand sich abkapselt und in einer Parallelrealität lebt und es nicht so scheint, als ob er oder sie da so einfach ­wieder rauskommt. Ich rate aber von zwei Dingen ab: Erstens davon, in Alarmismus zu verfallen, dass jetzt alles den Bach runtergeht und jeder nur noch glaubt, was er will. Wir haben bevölkerungsrepräsentative Stichproben, die nicht zeigen, dass die Zustimmung zu diesen Theorien zugenommen hat, auch in dieser Pandemie jetzt nicht. Sie werden vielleicht sichtbarer, sie werden lauter und möglicherweise organisier­ ter – was auch eine Gefahr sein kann –, aber sie erfahren nicht grundsätzlich mehr Zustimmung in der Breite. Zweitens tun wir uns keinen Gefallen damit, jede Mutmaßung über eine Verschwörung gleich zu verteufeln. Sich einfach mal ­etwas vorzustellen, kann interessant sein, und manchmal ist auch tatsächlich was dran. Wenn ich dann Belege finde, heißt es nicht mehr Verschwörungstheorie, sondern investi­ gativer Journalismus. Solange sich Menschen nur die Offen­ heit bewahren, im Lichte der Evidenz eine Vermutung auch wieder fallen zu lassen, ist noch kein Schaden geschehen. Das führt mich zu einer letzten, ganz praktischen Frage: Wenn ich in meinem näheren Umfeld jemanden habe, der einer absurden Theorie anhängt – was soll ich tun? Dagegen argumentieren? Oder den Menschen lieber ­lassen? Die Meinung von jemandem ändern zu können, ist eine Illu­ sion, von der man sich verabschieden sollte. Das schaffen wir nie. Wir können überzeugende Argumente bringen, aber eine Meinung ändern kann jeder nur bei sich selbst. Im ­Hinblick auf andere kann man entweder einen Burgfrieden schließen und sagen: Darüber reden wir jetzt nicht. Oder man geht all-in, dann wird es anstrengender. Und ich würde eine Diskussion darüber, wie es denn tatsächlich war, ob jetzt Stahl bei 2.000 oder 4.000 Grad Celsius schmilzt, vermei­ den. Sondern lieber darüber sprechen, wem wir eigentlich glau­ben können und warum. Die meisten Menschen wenden sich Verschwörungstheorien nicht aus Langeweile zu, ­sondern aus einem Grund, aus einem bestimmten Bedürfnis heraus, etwa, nicht irrelevant oder einsam zu sein. Und ­vielleicht kann ich so ein Bedürfnis einfach mal direkt adres­ sieren und damit helfen, dass eine Verschwörungstheorie irgendwann gar nicht mehr gebraucht wird.

Frank Haas ist Leiter Markenstrategie und Kommunikation bei G   ebrüder Weiss – und als Chefredakteur verantwortlich für den ATLAS .


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­“ We need consensus on when something is true and when it isn’t” Frank Haas in conversation with the social psychologist Roland Imhoff ILLUSTRATIONS   Shiwen Sven Wang

Professor Imhoff, you know a lot about this area. Which conspiracy theory is most popular right now? That depends on how we look at it. If we are assessing the volume of social media traffic generated, then the various theories about the pandemic would undoubtedly sweep the board – that COVID -19 does not exist at all, that it was created in a laboratory, or that the vaccinations are designed to control our minds. This kind of theory is really popular right now. But another approach is to look at acceptance levels in opinion polling, and see which theories are most widely accepted. In the United States, for example, this would be the notion that Lee Harvey Oswald wasn’t solely respon­sible for the murder of President Kennedy. According to most surveys, over 50 percent of Americans believe this. That seems to be one for the ages. Exactly. The deaths of the famous usually capture people’s imaginations. What about Elvis Presley? People are more likely to suspect that he did a runner because he couldn’t bear being in the spotlight anymore. And very few of the theories about him state clearly whether he acted alone or a group was behind it all. If he decided to secretly grow a beard and repair shoes for a liv­ing in the Bahamas, that wouldn’t fit the defi­ nition of a conspiracy at all. He wasn’t con­ spiring with anybody. After all, who was Elvis conspiring with? It was all his own decision. That’s why this story doesn’t feature as often among the main conspiracy theories. The ever­ greens still include the various accounts of the landing on the moon and Area 51 – where extra­terrestrials are supposedly kept in storage by the American intelligence agencies etc. What’s the most popular theory about the current pandemic? Is it the idea that the whole thing is faked and doesn’t really exist at all, or more the version that the virus was spread intentionally?

There are relatively good surveys on these two conspiracy theories from Germany. They garner roughly the same levels of endorsement from respondents – between 16 and 19 percent. But the idea that it’s a fabrication is the main one sustained by the various social networks. The perceived inability of politicians to tackle the infection rate is what is driving most of the protests and theories. If I claim that COVID -19 was deliberately created in a lab, that isn’t going to help me reopen my store or attend concerts. Because that’s when infection is sure to be a risk. The assertion that the virus does not exist makes far more sense if the endgame is to regain our personal freedoms. But given the very real mortality rates, this must sound pretty absurd to sensible people. Are there other theories that sound plausible enough to arouse your suspicions? (laughs) Well, I like the easy life! In my view conspiracy theories don’t have to be wrong. Because if I use “conspiracy theory” as a synonym for “lie,” then I can no longer talk about it as a serious phenomenon. My definition is therefore as follows: a conspiracy theory is when people or groups are thought to be conspiring to achieve something. And that theory can be true. After all, a proven conspiracy remains a con­ spiracy. Of all the theories, do you have a personal favorite? Maybe one that’s particularly entertaining, particularly durable or just particularly nutty? There are quite a few where I ask myself if any­ body really believes them. Or whether respondents who say they agree with them in surveys are laughing up their sleeves. For example, there is the one about the Nazis living on the dark side of the moon. I can’t really imagine that’s true. And then there are theories that are truly outrageous in some way, but nonetheless interesting. For example, there’s the one about the lizard people, according to which we are ruled by an elite caste of shape-shifting reptiles that slip into their human exteriors every


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Conspiracy theories

morning. I find it fascinating that so many people devote their time to searching through photographs for yellow-eyed politicians – and indeed lizard-eyed scientists. What kind of people believe this type of thing? Do you have a way of describing them? It’s possible to try, but we aren’t really dealing here with a distinct genus, but rather with people who share certain characteristics. For example, people who feel they have little control over their lives are more likely to agree with conspiracy theories. People who have a really strong need to be different, to stand out from the crowd – they tend to subscribe to them. And one of the strongest common denom­ inators is called hyperactive agency detection in the psychology of religion. It describes the extent to which people project purpose and intention onto actions where, objectively speaking, neither appear relevant. And this trait too can also be measured in surveys. These are the people who agree with statements like “the wind blows where it chooses” and “if the TV switches off, it has lost interest.” Uncovering motives gels with conspiracy theories which, after all, work the same way. They infer that every­thing happens because somebody wanted it to; nothing occurs by chance. What role does social media play in spreading conspiracy theories? Well, needless to say, conspiracy theories flour­ ish on social media. But cat videos and Korean recipes are faring better than ever as well. The Internet has accelerated information flow across the board and simultaneously inflated the volume of information available. If I were to print out Wikipedia, it would no longer fit on the shelves where I keep my encyclo­pedias. The interesting question implicit in this is as follows: do conspiracy theories have an asymmetric advantage that helps them prevail in such a crowded field? Theoretically, there would be good grounds for believing this. What­ever the subject, conspiracy theories have a better story to tell. Put simply, they are more fun to read than official press releases. So conspiracy theories make better campfire stories? Yes, that’s one explanation. Another derives from what psychologists call error management theory. The basic idea: in everyday life, as

indeed in evolution, there are always two mis­ takes you can make when facing danger. First of all, you can sound a false alarm and, for example, shoo people back into their cave once too often, because a mammoth is supposedly approaching. Or, secondly, you can overlook the mammoth. The logic underpinning this error management theory is that raising the alarm unnecessarily is less costly than failing to spot the danger. In other words, viewed from the perspective of evolution, suspicion pays. But isn’t being over-suspicious a risk too? In my view, all conspiracy theories are potentially incendiary. If we look at assailants and as­ sassins, whether they are religious extremists or neo-Nazis, their pamphlets are almost always packed with conspiracy theories. Anders Breivik, who murdered 77 predominantly young people in Norway in 2011, sings from the same hymn sheet as fundamentalists, the right-wing terrorist Tobias Rathjen who shot nine people at a shi­sha bar near Frankfurt, and all the others. Individuals abandon the social contract, i. e. the consensus on how we produce truth, how we generate knowledge, who we can trust. 99.8 per­ cent of what we have learned does not come from personal experience. Newton’s law of grav­ ity? With the help of an apple, I can still judge that for myself. But I get the vast majority of my know­ledge off the Internet, from textbooks, from people who tell me things – in the press, on TV , or on YouTube. All of this information is second-hand, and I need to trust authoritative sources if I am to believe it. Yet this trust is vital if we are to agree as a society on what the world is, or what knowledge is. If, as a con­ spiracy theorist, I cut myself off to the point that I revoke this epistemological consensus, then I am rendering all knowledge discretionary. And then everything I want to believe – or, for that matter, don’t want to believe – becomes the truth. And that, specifically, is something that I consider really dangerous. As a society, we need the ability to reach agreement on when some­thing is really valid and when not. We need to have a discussion about basics here.

Who should be having this discussion? Is it a private matter? Discussing something like this privately is, of course, quite feasible. But I also see it as a function of education. In the area of schooling,


Conspiracy theories

there’s always an abundance of debate surrounding media literacy – but mostly people are referring to doing their own fact-checking, looking for alternative sources etc. That’s all well and good, and it’s sensible too, but its main thrust is to train schoolchildren in skepticism. There’s nothing wrong with that, but we also need to learn how to trust. Otherwise, we ultimately get to the point where we stop believing anything. In my view we need something in school that we don’t normally get until college: a solid grounding in epistemology or a critical induction into the nature of knowledge. In other words, we need to train our ability to identify what is really true. So is it possible to increase our awareness of conspiracies? In other words, are there terms, words or phrases that occur regularly in conspiracy theories, helping us to recognize them? (laughs) Good question. I’d say that if the name “Rothschild” appears, then it has a good chance of being a conspiracy theory. The same most likely applies to “intelligence agencies” as well. Where do you draw the line between amusement and danger? When people withdraw, start inhabiting a paral­ lel universe, and there seems little prospect of them extricating themselves. But I would warn against two things. Firstly, falling into the trap of thinking that the whole of civilization is dis­in­ tegrating and that people will simply end up be­lieving whatever they want. We have repre­ sentative samples from society, and they don’t reveal an increasing acceptance of these theo­ ries – not even now, during the pandemic. Their propagators might be more vocal, more conspicuous and maybe even more organized – which can indeed represent a threat – but the resonance across society isn’t growing overall. Secondly, we do ourselves no favors by im­ mediately demonizing anything that might smack of a conspiracy theory. Just exploring them can be interesting, and sometimes there really can be substance to them. The moment I ­discover evidence, I am no longer moving in the realm of conspiracy theories. I have entered investigative journalism. As long as people are willing to discard hypotheses that lack evidence, no harm is done.

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This leads me to one final, very practical question. If I have someone in my immediate vicinity who believes in something pre­ posterous, what should I do? Counter their arguments? Or leave them be? The ability to change people’s minds is an illusion that we should dismiss once and for all. We’ll never succeed in that. We can offer persuasive arguments, but ultimately people have to change their own minds. In relations with others, we can either call a truce and say, “Let’s not talk about this right now.” Or we opt for a full-frontal attack, at which point the situation becomes more strenuous. I would avoid questions like whether the melting point of steel is 2,000 or 4,000 degrees centigrade. I’d rather talk about who we can believe and why. Most people follow conspiracy theories not because they are bored, but for a specific reason, to fulfil a need, e. g. to save themselves from becoming lonely or socially irrelevant. Maybe I can just address one such need directly so that, at some point, conspiracy theories become superfluous.  Frank Haas is Head of Brand Strategy and Communications at Gebrüder Weiss – and editor-in-chief of ATLAS .



Natron einsetzen Natron ist ein natürlich vorkommendes Salz und war in meiner Kindheit ein Wundermittel für alles Mögliche. Meine Mutter hatte immer großen Mengen davon im Haus, und ich habe von ihr gelernt, wie man es einsetzt. Sie hat damit gekocht, gebacken und geputzt. Sogar gegen Sodbrennen war Natron bei uns zu Hause das Mittel der Wahl. Ich reinige damit meinen Abfluss: Ich schütte eine Tasse Natron hinein, danach eine Tasse Essig und etwas kochendes Wasser – und der Abfluss ist frei. Cassandra, 23 Jahre, Toronto/Kanada

The baking soda solution Soda, a salt that occurs naturally, was a universal panacea when I was young. My mother always had masses in the house and I learned how to use it from her. She cooked, baked and cleaned with it. It was even the go-to remedy for heartburn. I still use it to unblock my sink: I pour a cup of soda down the drain, followed by a cup of vinegar and some boiling water. Et voilà! Cassandra, 23, Toronto, Canada


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Artikel xx Was Sie über Gebrüder Weiss wissen sollten  What you should know about Gebrüder Weiss

Unterwegs seit 1474 Gebrüder Weiss ist das älteste Logistikunternehmen der Welt. Es ging direkt aus dem Botendienst Lindauer Bote (oder auch Mailänder Bote) hervor, der zwischen Lindau und Mailand verkehrte und sich mindestens bis ins Jahr 1474 zurückverfolgen lässt.

1474

München Lindau

On the move since 1474 Gebrüder Weiss is the world’s oldest logistics company. It evolved directly from the Milanese Courier messenger service, which operated between Lindau in Germany and Milan in northern Italy, and can be traced back at least as far as 1474.

Mailand

Rom

Verankert in Vorarlberg

Rooted in Vorarlberg

Die freie Reichsstadt Lindau war ein großer Handelsplatz am Bodensee. Am ihr gegenüberliegenden Seeufer liegt ­Fußach, von wo aus zahlreiche Frächter und Boten den Waren­ transport von und nach Lindau übernommen haben. Ende des 18. Jahrhunderts kaufte der Bote Johann Kasimir Weiss dann eine sogenannte Faktorei, eine Art Logistikhalle, in Fußach. Das war der Übergang des Botendienstes zur Spedi­ tion. ­Später wurde der Firmensitz nach Bregenz verlagert – und viel später, nämlich 1985, nach Lauterach.

The free imperial city of Lindau was once a major trading hub on Lake Constance. On the opposite shore is the small town of Fussach, where numerous messengers and transport operators serviced the route to its northern neighbor. At the end of the 18th century, the messenger Johann Kasimir Weiss purchased a trading post in ­Fussach where items could be stored and distributed. This was a watershed moment, marking the messenger service’s evolution into a freight forwarding provider. Later, the company’s headquarters was relocated to Bregenz – and much later, namely in 1985, to Lauterach.

Wieso eigentlich: »Gebrüder«?

Why Gebrüder Weiss?

1823 kam die Faktorei in den Besitz von Josef Weiss, der ­gemeinsam mit seinen Halbbrüdern Leonhard und Johann Alois Karl Weiss die Geschäfte unter neuem Namen ­weiterführte: Spedition Gebrüder Weiss. Drei Jahre später wird die Botenlinie nach Mailand schließlich verstaatlicht.

In 1823, the trading post passed into the possession of Josef Weiss who, together with his half-brothers Leonhard and Johann Alois Karl Weiss, ran it under a new name: Spedition Gebrüder Weiss. “Gebrüder” means “brothers” in German, and the company name translates as Weiss Brothers’ Freight Forwarders. Three years later, the service to Milan was nationalized.


Artikel xx

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Warum ist Gebrüder Weiss orange?

Why is Gebrüder Weiss orange?

Als in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein dringen­ der Kundenauftrag zu erledigen war, beschloss der damalige Firmenchef Ferdinand Weiss, einen Lkw auf die Straße zu schicken, der noch unlackiert war und nur die Rostschutz­ farbe aufgetragen hatte. Und die war orange. Das Aufsehen war groß und die Werbewirkung der ungewöhnlichen Farbe gigantisch. Also blieb man dabei.

In the 1930s, when a customer required an urgent delivery, the then company manager Ferdinand Weiss dispatched a truck that was still unpainted. However, it had already been rust-proofed, so it was orange. Everybody was agog at the unusual color which proved an advertising sensation. And over the years the company has decided to embrace it.

Weltweite Unternehmensfamilie

Worldwide family

Dem Unternehmen gehören über 7.400 Mitarbeiter*innen an, die in über 170 Standorten in 35 Ländern arbeiten.

The organization employs more than 7,400 people at over 170 locations in 35 countries.

170 Standorte Locations

35

7.400 Länder

Mitarbeiter*innen

Countries

Employees

Geschäftsbereiche des Unternehmens

The group’s operational focuses

Gebrüder Weiss kommt aus dem Landverkehr, hat aber über die Jahrzehnte auch ein weltweites Netzwerk mit Luft- und Seefrachtstandorten aufgebaut. An den meisten Standorten bietet das Unternehmen zudem Logistiklösungen an. Das ­beginnt bei Wareneinlagerungen und geht über Kommissio­ nierungsdienstleistungen bis hin zu E-Commerce-Lösungen. Weiterhin ist Gebrüder Weiss noch im Paketservice aktiv.

Gebrüder Weiss has its origins in land transport, but over time it has built up a global network of air and sea freight hubs as well. It also offers logistics solutions at most of its locations. These range from handling and warehousing inbound goods through to order picking and e-commerce solutions. Over and beyond this, Gebrüder Weiss also provides parcel delivery services.

Werte

Values

Gebrüder Weiss hat vier Kernwerte definiert: Service Excellence, Unabhängigkeit, Commit­ ment und Nachhaltig­keit. Im Management­ kreis werden einmal im Jahr diejenigen geehrt, die zu einem der vier Werte herausragende Projekte umgesetzt haben.

Gebrüder Weiss has defined four core operational principles: Service Excellence, Independence, Commitment and Sustainability. Once a year, management honors individuals whose outstanding projects exemplify one of these qualities.



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Wissenschaft – das sind wir alle text  Florian Aigner  illustrationen  Shiwen Sven Wang

Wer Wissenschaft für die Arbeit einsamer Genies hält, die sich in Studierzimmern verkriechen und ganz alleine revolutionäre Gedanken schmieden, liegt völlig falsch. Echte Wissenschaft entsteht, indem viele Menschen ihre Talente zusammenfügen – weltumspannend. Wenn mitten im Wald ein Baum umfällt und niemand es hört – macht er dann ein Geräusch? Ja, natürlich. Das Umfal­ len des Baums erzeugt Schallwellen, die sich durch die Luft ausbreiten. Physikalisch gesehen ist die Sache klar: Das Ge­ räusch ist da, egal ob es gehört wird oder bloß im Dickicht verhallt. Aber was ist, wenn jemand etwas erforscht und nie­ mand davon erfährt – ist das dann Wissenschaft? Diese Frage ist etwas komplizierter. Ein Forschungsergebnis alleine ist nämlich noch keine Wissenschaft. Die entsteht erst dann, wenn es uns Menschen gelingt, unsere Gedanken in die Köp­ fe anderer Leute zu übertragen, um gemeinsam etwas Grö­ ßeres daraus zu machen. So knüpfen wir aus vielen kleinen Beobachtungen, Erkenntnissen und Ideen ein tragfähiges Netz, auf das wir uns verlassen können. Das ist Wissenschaft. Evolutionstheorie – ein Netz aus Fakten In den 1830er-Jahren segelte der junge Charles Darwin mit der HMS Beagle über die Weltmeere. Er freute sich über allerlei exotisches Getier, das ihm auf seinen Reisen über den Weg lief, und wunderte sich über die seltsamen Schnabel­ formen der Galapagos-Finken. Als der Naturforscher später darüber nachdachte, wie sich eine Spezies im Lauf der Zeit einfach durch natürliche Selektion verändern kann, war ­seine Evolutionstheorie noch keine wissenschaftliche Gewiss­heit. Sie war bloß eine neue, verrückte Idee im Kopf eines neugie­ rigen Menschen. Heute sieht die Sache anders aus: Unzählige Experimen­ te, Thesen und Forschungsprojekte bauen inzwischen auf der Evolutionstheorie auf, knüpfen an sie an und verbinden sie mit anderen Erkenntnissen der Wissenschaft. Die Evo­ lutionstheorie wurde so oft mit unterschiedlichsten Methoden bestätigt, dass man längst nicht mehr an ihr zweifeln kann. In der Paläontologie untersucht man Fossilien und stellt fest, dass sich Tier- und Pflanzenarten im Lauf der Zeit tatsäch­

lich kontinuierlich verändern. Diese Ergebnisse passen wun­ derbar zu den Beobachtungen, die man beim Züchten von Pflanzen und Tieren macht. Die moderne Genetik kann uns heute erklären, was diese Phänomene mit der DNA zu tun haben; mit mathematischen Modellen kann man berechnen, wie rasch sich Veränderungen in der DNA ausbreiten. Und im Labor kann man diese Berechnungen dann überprüfen, etwa indem man Bakterien untersucht, die sich besonders schnell vermehren. Alleine können wir falschliegen – gemeinsam haben wir recht All diese Ergebnisse fügen sich zu einem stimmigen Gebilde zusammen – und genau deswegen können wir uns darauf verlassen. Was würde geschehen, wenn sich nun herausstell­ te, dass sich irgendjemand mal beim Auswerten eines gen­ technischen Experiments verrechnet hat oder dass irgendwo ein Dinosaurierknochen falsch datiert wurde? Gar nichts. Unser Glaube an die Evolutionstheorie würde dadurch nicht erschüttert werden. Wissenschaft lebt davon, dass viele ver­ schiedene Menschen, die über viele verschiedene Dinge sorgfältig nachgedacht haben, ihre Gedanken austauschen, diskutieren und vielleicht auch ein bisschen streiten. Die komplexeste Maschine der Welt Ein eindrucksvolles Symbol für die Kraft menschlicher ­Zusammenarbeit ist der Large Hadron Collider am CERN in Genf – der größte Teilchenbeschleuniger der Welt, die wohl komplizierteste Maschine, die je auf unserem Planeten kon­struiert wurde. Einen kreisrunden Tunnel mit einer ­Länge von über 26 Kilometern hat man in den Boden gegra­ ben, genau an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz. Durch diesen Tunnel verläuft eine Röhre aus Stahl, in der ein fast perfektes Vakuum herrscht – eine Leere wie in den Tiefen des Weltalls. Winzige Teilchen rasen durch diesen Röhrenkreis, sie werden von gewaltigen Elektromag­ neten auf ihrer Bahn gehalten, bis sie schließlich mit un­­vor­ stell­barer Geschwindigkeit kollidieren und dabei ein Gewim­ mel neuer Teilchen erzeugen, die dann in hochkompli­zierten Teilchendetektoren gemessen werden. Dabei entstehen


Daten, die man sorgfältig analysieren und auswerten muss, um den fundamentalsten Geheimnissen der Materie auf die Spur zu kommen. Dazu braucht man unzählige Leute aus ganz unterschied­ lichen Forschungsbereichen: Aus der Experimentalphysik, um passende Detektoren zu entwickeln. Aus der Elektrotech­ nik, um leistungsfähige Elektromagneten zu konstruieren. Aus der Informatik, um Methoden zu finden, die gewaltige Datenflut zu bändigen und die interessante Information her­ auszufiltern. Außerdem muss jemand die Tunnel graben, die Metallteile verschweißen und die Kabel richtig einstecken. Jemand muss die Gebäude sauber halten und in der Kantine Essen kochen, damit die Nobelpreisträger nicht hungern. Ein solches Großprojekt ist also nicht die Glanztat einzelner Genies, es ist eine Menschheitsleistung. Wir Menschen sind die einzige Spezies auf diesem Planeten, die diese Art von Kooperation zustande bringt. Wissenschaft und Ameisenhaufen Wichtig ist: Es geht dabei nicht bloß um Arbeitsteilung. Wissenschaft funktioniert nicht wie Fließbandarbeit, wo man einfach deshalb viele Menschen braucht, weil in kurzer Zeit viel zu erledigen ist. Die Zusammenarbeit in der Wissen­ schaft ist komplexer – eher wie die Arbeit an einem Ameisen­ haufen: Aus einem scheinbar chaotischen, unkoordinierten Gewimmel entsteht am Ende etwa Großes, von dem alle etwas haben. Keine einzige Ameise versteht, was da geschieht. Keine von ihnen hat einen Bauplan des fertigen Ameisen­

haufens im Kopf. Aber das Ameisenvolk insgesamt hat ihn errichtet. Mit der Wissenschaft ist es genauso: Kein Mensch auf der Welt hat die gesamte Wissenschaft im Kopf, mit all ihren Gesetzen, Effekten und Phänomenen. Aber die Menschheit insgesamt, als Spezies, hat sie verstanden. Wir vergeben Nobelpreise an geniale Forscherinnen und Forscher. Wir benennen Straßen nach ihnen und stellen ihre Büsten in den Arkadenhöfen der Universitäten auf. Und das ist auch gut so. Aber wir dürfen nicht vergessen: Im Grunde ist Wissenschaft keine Leistung herausragender Einzelperso­ nen, sondern eine Leistung der Menschheit insgesamt. Wir alle sind daran beteiligt – ganz egal, ob wir uns selbst mit Wissenschaft beschäftigen oder nicht. Und daher dürfen wir auch alle mit Recht gemeinsam stolz sein: auf die großartigen Ideen, die wir als Menschheit hervorgebracht haben.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftspublizist und lebt in Wien. Im Herbst 2020 erschien sein neues Buch »Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl«, in dem er in zahl­ reichen Geschichten verständlich macht, warum wir uns auf die Wissenschaft verlassen können.


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Our common quest for knowledge TEXT

Florian Aigner

ILLUSTRATIONS

Shiwen Sven Wang

Those who seek knowledge in research are not solitary geniuses who lock themselves away and produce revolutionary ideas all on their own. Research becomes science when many people pool their talents – globally. If a tree topples over in the depths of a forest and nobody hears it, does it still make a noise? Yes, of course it does. As it falls, the tree produces sound waves that spread through the air. In terms of physics, there is no doubt: the sound exists, whether it is heard or simply fades away unnoticed. But what if someone pro­­ duces research on a topic and nobody hears about it? Is it science? This question is a little more complicated. After all, research results alone do not pass the threshold for science. This only happens when we humans implant our ideas into other people’s minds so that, together, we can create something bigger. By interweaving our numerous minor insights, ideas and observations, we can create a sustainable net of knowledge that we can all depend on. That is science. Theory of Evolution – a web of facts In the 1830s, the young Charles Darwin sailed the world’s oceans aboard the HMS Beagle. He rejoiced at all manner of exotic creatures that crossed his path on these travels, and marveled at the strange shapes of the finches’ beaks on the Galapagos Islands. Later, when the naturalist was pondering how species are able to change over time through natural selection, his theory of evolution had yet to achieve the status of accepted science. It was still just a crazy new idea in the mind of an inquisitive oddball. Today, things are different: countless exper­i­ ments, theses and research projects are now expanding on the theory of evolution, connecting to it and connecting it with other scientific findings. The theory of evolution has been reaffirmed so often, using a variety of methods, that it can no longer be doubted. Paleontologists examine fossils and find that animal and plant species do actually keep changing over time. These conclusions gel perfectly with the observations of plant growers and livestock breeders. The geneticists of today can explain

how these phenomena relate to DNA , and we can now use mathematical models to work out how fast changes in DNA are propagated. And biologists can then corroborate these calculations in their labs – for example, by examining bacteria that multiply abnormally fast. We can be wrong on our own – but together we are right All these findings combined form a coherent corpus of knowledge – and that is precisely why we can rely on it. What would happen if some­one miscalculated when evaluating a genetic engineering experiment, or at some point a dinosaur bone was incorrectly dated? Nothing at all. Our belief in the theory of evo­ lution would not be shaken as a result. Science thrives on lots of different people thinking carefully about lots of different things – and then sharing what they think in discussions, debates and sometimes disputes. The world’s most complex machine One powerful symbol of human cooperation is the Large Hadron Collider at CERN in Geneva – the largest particle accelerator in the world and arguably the most complicated piece of machinery ever constructed on our planet. A circular tunnel more than twenty-six kilometers long has been dug underground, right on the border between France and Switzerland. Through this tunnel runs a tube made of steel, inside which there is an almost perfect vacuum – a space devoid of any content, the kind of emptiness posited in the depths of the universe. Tiny particles hurtle through this channel, kept on course by enormous electromagnets, ­until they finally collide at unimaginable speed, creating a cloud of new particles, which are then measured in ultra-complex particle detectors. This generates data that is carefully analyzed and evaluated in the quest to understand the most fundamental mysteries of matter. This process requires countless people from a kaleidoscope of research fields; from experimental physics to develop suitable detectors from electrical engineering to construct ­high-­powered electromagnets, from computer science to find ways of harnessing the huge torrent of data, and filtering out the interesting


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People power

bits. Additionally, somebody has to dig the tunnels, weld the metal and plug in the cables properly. People are also needed to keep the buildings clean and cook in the canteen so the Nobel laureates don’t waste away. A large project like this is not the glorious accomplishment of individual genius. It is a combined feat of humankind. We are the only species on the planet capable of this type of collaboration. Science and anthills This is not just about a division of labor. It’s important to note that. Science does not work like an assembly line, where you only need a lot of people because there is a lot to do in a short time. Collaboration in science is more complex – more like building an anthill: at the end, something big that benefits an entire population emerges from a seemingly chaotic, uncoordinated mêlée of activity. No one single ant has the big picture. None of them have a blueprint of the end product in their heads. But all these little ants build big things by working together. It’s the same with science: no one on the planet knows everything – all the laws, effects and phenomena. But humanity as a spe­ cies, as a whole, has understood science. We award Nobel Prizes to brilliant researchers. We name streets after them and adorn the courtyards of our universities with their busts. And that’s a good thing. But let’s not forget that science is not, in fact, the accomplishment of outstanding individuals, but rather the product of people power. Each of us is a part of this whole, whether we engage in research or not. And for that reason, we can all be justifiably proud of the great innovations spawned by the human race.  Florian Aigner is a physicist and science journalist who lives in Vienna. His new book Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl (“Gravity is Not a Gut Feeling”) was published in the fall of 2020. In it he tells numerous stories that illustrate why we can rely on scientists.


Dämmerung einschätzen Mein Großvater brach zu seinen Wanderungen gerne in der Dämmerung auf, um »in den Tag hinein« zu wandern, so sagte er immer. Um rechtzeitig vor Ein­bruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein, benutzte er einen tollen Trick: Er ballte bei unter­ gehender Sonne die Faust und streckte sie in Richtung Horizont. Pro Finger, der zwischen Horizont und sinkende Sonne passt, kann man mit 15 Minuten ver­ bleibender Helligkeit rechnen – so hat er es mir erklärt. Und ich habe die Methode übernommen. Das Wandern auch. Agnieszka, 45, Warschau/Polen

Calculating nightfall My grandfather liked to set off on hikes at dawn – to “walk into the day,” as he would say. He had a great method for making sure he got home again before it was dark. As dusk approached, he would clench his fist and hold it out towards the horizon. For each finger that fitted under the setting sun, there would be another 15 minutes of light left – as he explained to me. I’ve inherited this trick. And a penchant for hiking. Agnieszka, 45, Warsaw, Poland



Das große Zittern text  Svenja Beller und Julia Lauter

In Teilen Südeuropas stehen gewaltige Erdbeben und Vulkan­ausbrüche bevor. Millionen Menschenleben sind in Gefahr. Obwohl die Daten eine klare Sprache ­sprechen, ­haben Expertinnen und Experten alle Mühe, ­ihren ­Warnungen Gehör zu verschaffen.


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Gefahrenbewusstsein

Die drei europäischen Metropolen Neapel, Lissabon und Istanbul eint das gleiche Schicksal: Sie werden ihre Bewohner zu Tausenden unter sich begraben und die Überlebenden in einen Horror stürzen. Jede dieser Städte wird von einem Erdbeben oder Vulkanausbruch verwüstet werden. Vielleicht sind die jetzigen Bewohner dann ohnehin schon lange nicht mehr am Leben. Vielleicht trifft es sie aber auch schon morgen. Unsere oberirdische Welt ruht auf riesigen Kontinental­ platten, die auf einer zähflüssigen Schicht schwimmen. Wenn sich die Platten ineinander verkeilen, wird es gefähr­ lich. Um zu verstehen, was dann passiert, können wir einfach mit den Fingern schnippen: Zwischen Daumen und Mittel­ finger entsteht Druck, bis der Mittelfinger ruckartig nachgibt und wegrutscht – »Schnipp«. So ähnlich verhalten sich auch die Platten tief in der Erde. Nur dass dieser »Schnipp« die Kraft hat, alles mit sich zu reißen – Häuser, Büros, ­Schulen, Fabriken, Kraftwerke, Brücken, Krankenhäuser, alles. Die größte Gefahr droht in Europa am südlichen Rand, wo die eurasische auf die afrikanische Platte stößt und die anatolische Platte von Osten herandrängt. Dort leben in den Städten Neapel, Lissabon und Istanbul Millionen Menschen. Wie schützen die Verantwortlichen die Bewohner vor der drohenden Katastrophe? Neapel Einer der möglichen Schuldigen für Neapels künftige Zer­ störung ist der Vesuv. »Wenn er morgen ausbräche, gäbe es keine Strategie, um die Menschen zu retten«, sagt ­Giuseppe Mastrolorenzo, Vulkanologe am Osservatorio ­Vesuviano. Unter dem Vulkan schiebt sich die afrikanische unter die eurasische Platte, schmilzt und schießt irgend­ wann durch den Schlund des Vesuvs als Magma zurück zur Oberfläche – nur weiß niemand, wann. Und mit Wahrschein­ lichkeiten lässt sich nur schwer vor Gefahren warnen. Jahrzehntelang hatten Seismologen gehofft, allgemein­ gültige Vorläuferphänomene für Erdbeben und Vulkan­ ausbrüche zu finden, die eindeutige Vorhersagen möglich machen würden. Sie haben sie nicht gefunden. Bis heute ist ihr einziger Anhaltspunkt die Statistik, und die ist bei der Berechnung von großen Zeitabständen extrem fehleran­ fällig. Und Fehler haben Folgen: Warnen die Forscher vor­ schnell, lösen sie Chaos und teure Evakuierungen aus. ­Warnen sie verspätet, riskieren sie viele Todesopfer. Darum halten sich Experten zumeist bedeckt. Mit seinen har­ schen Aussagen ist Mastrolorenzo ein Außenseiter. Auch er kennt das Datum des nächsten großen Vesuv-Ausbruchs nicht, aber er weiß, er wird kommen. »Was in der Vergangen­ heit passiert ist, wird auch in der Zukunft passieren«, sagt er. So wie vor rund 4.000 Jahren, als der Ausbruch alles in der Region auslöschte und die zurückbleibende Ascheschicht menschliches Leben für 230 Jahre unmöglich machte. Und so wie 1.900 Jahre später, als der Vesuv Pompeji zerstörte und Tausende Menschen tötete. Heute leben mehr als drei

­ illionen Menschen rund um den Vulkan. Bis 1995 hatte es M für sie nicht einmal einen Notfallplan gegeben, erst 2001 zog der Zivilschutz eine rote Zone um den Vesuv und erwei­ terte diese 2014. Für die 700.000 Menschen darin herrscht im Fall ­eines Ausbruchs Todesgefahr. Kündigt sich ein Aus­ bruch an, will die Behörde sie binnen 72 Stunden mit Bussen in Sicherheit bringen. Giuseppe Mastrolorenzo hält das für unrealistisch, auch weil der Plan von einer relativ kleinen Eruption ausgeht. »Dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Grund«, sagt der Vulkanologe. Vulkane könnten außerdem jederzeit ausbrechen – dass dem Zivilschutz 72 Stunden für die Evakuierung der roten Zone bleiben, ist eine Hoffnung, keine Gewissheit. Und das ist nicht mal Neapels größtes Problem: Im Wes­ ten der Stadt kochen unter der Erde die Phlegräischen ­(altgriechisch: brennenden) Felder, ein mächtiger Supervul­ kan. »Die Gefahr ist Teil unserer Identität«, sagt Giuseppe Di Roberto, einer der vielen Menschen, die in dessen riesigem Krater wohnen. Vor 15.000, 29.000 und 39.000 Jahren ­brachen die Phlegräischen Felder zehn- bis achtzigmal stär­ ker aus, als es dem Vesuv möglich ist. Die Ausbrüche be­ gruben die gesamte Region unter sich, die Aschepartikel in der Atmosphäre lösten in weiten Teilen der Erde einen ­jahrelangen vulkanischen Winter aus, was zum Aussterben der Neandertaler beigetragen haben könnte. Brächen die Phlegräischen Felder erneut in einer solchen Größenordnung aus, wäre das Leben von rund drei Millionen Menschen am Golf von Neapel in Gefahr. Trotzdem plant der Zivilschutz auch bei dem Supervulkan mit einer eher kleinen Eruption und brächte im Ernstfall nur 450.000 Menschen fort. Lissabon Dabei könnte die Vergangenheit uns Mahnung sein, die Erd­ kräfte nicht zu unterschätzen. An Allerheiligen im Jahr 1755 drängen sich die Bewohner Lissabons in den Kirchen, als die Erde zu zittern beginnt. Ein Beben der Stärke 8,5 bis 9 auf der Moment-Magnituden-Skala: Die Erschütterungen sind so gewaltig, dass die meisten Gotteshäuser auf die Betenden niederstürzen. Viele fliehen zum Ufer des Tejo, doch dort rast ein Tsunami den Fluss hinauf. Die Stadt steht eine Woche lang in Flammen – es ist der perfekte Albtraum. Der Philosoph Immanuel Kant schreibt dazu: »Es war nöthig, daß Erdbeben

Vorderseite: Drohend dampft der Vesuv ­hinter Neapel. Rechte Seite: 1755 von einem gewaltigen Erdbeben zerstört, könnte Lissabons ­Altstadt bald wieder erschüttert werden. Previous page: Vesuvius sputters behind Naples. Right: Destroyed by a massive earthquake in 1755, Lisbon’s old town could soon be hit again.



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Gefahrenbewusstsein

bisweilen auf dem Erdboden geschähen; aber es war nicht nothwendig, daß wir prächtige Wohnplätze darüber erbau­ eten. Der Mensch muß sich in die Natur schicken ­lernen, aber er will, daß sie sich in ihn schicken soll.« Auch wenn seither mehr als 250 Jahre vergangen sind: Noch immer fehlt ein Frühwarnsystem an Portugals Küste. Und: »Wir kennen den Ursprung des Bebens von 1755 immer noch nicht sicher«, räumt João Duarte ein. Immerhin ist dem Geologen nun vermutlich der Durchbruch bei der Suche gelungen. Seinen Untersuchungen zufolge bildet sich vor der Küste Portugals eine neue Subduktionszone: Die eurasi­ sche Kontinentalplatte bricht entzwei, und die beiden Tei­ le beginnen, sich übereinanderzuschieben. Der Atlantik hat sich bislang immer weiter ausgebreitet, Duartes Entdeckung könnte bedeuten, dass er von nun an zu schrumpfen beginnt. Das versetzt Wissenschaftler weltweit in Aufruhr. Das Problem ist nur: Über diesen kleinen Kreis hinaus ist kaum jemand davon beunruhigt. Laien verstehen die Ent­deckung schlichtweg nicht. Die Wissenschaft täte gut daran, sie den Lissabonnern begreiflich zu machen. Denn die neue Erkennt­ nis bedeutet auch: »Es wird wieder ein großes Erdbeben geben, und es wird viele Menschen töten«, sagt Duarte. Wie sich die Stadt darauf vorbereitet, dazu will sich Lissabons Katastrophenschutzbeauftragter auf Anfrage nicht ­äußern. Istanbul In der türkischen Metropole Istanbul ist es die nordanato­ lische Verwerfung, die das Potenzial hat, die Millionenstadt in Schutt und Asche zu legen. An einem unbekannten Tag in der Zukunft wird sich eine 51.000 Kubikkilometer große Landmasse mit einem Ruck fünf Meter Richtung Westen schieben. Das Beben wird vermutlich kaum mehr als eine Minute dauern, aber 30.000 bis 90.000 Menschen töten. Die Wahrscheinlichkeit für ein Beben der Stärke 7,4 ­direkt vor der Küste Istanbuls liegt bei mehr als 60 Prozent für die kommenden dreißig Jahre. Im Umgang mit Wahr­ scheinlichkeiten gibt es zwei Arten von Menschen: jene, die bei einer 60-prozentigen Chance auf Regen den Schirm ­einpacken, und jene, die es nicht tun – nicht mal, wenn statt des Regens der Untergang droht. Nusret Suna ist ein Mann, der seine Mitmenschen vom Sinn des Regenschirms über­ zeugen will. Der 64-Jährige ist der Präsident der Kammer der Bauingenieure in Istanbul. »Wir fühlen uns manchmal wie die Kassandra von Istanbul«, sagt er. »Wir mahnen, aber niemand will die Mahnung hören.« Sie lautet: Istanbul ist nicht bereit für das kommende Erdbeben. Nach Schätzun­ gen der Bauingenieurskammer sind die Hälfte der Häuser illegal gebaut und entsprechen wahrscheinlich nicht den Sicherheitsvorgaben, bis zu 50.000 werden bei einem Beben massiv beschädigt werden, bis zu 6.000 werden ihre Bewoh­ nerinnen und Bewohner unter sich begraben. Ob er selbst Vorkehrungen für das Erdbeben trifft, sei­ ne Wohnung erdbebensicher einrichtet oder Wasservorräte

anlegt? Suna schüttelt den Kopf. In der Risikoforschung nennt man dieses Phänomen das Wahrnehmungsparadox: Menschen sind sich des Ausmaßes der Gefahr bewusst, aber sie haben kein Vertrauen, dass sie von den Obrigkeiten beschützt werden. Die Gefahr wirkt unabwendbar, indivi­ duelle Maßnahmen scheinen aussichtslos. Und so bleiben die Menschen trotz der drohenden der Katastrophe tatenlos. Ein Menschenleben ist nur ein Wimpernschlag im Ange­ sicht der langsam knirschenden Bewegungen der Konti­ nentalplatten. Forscher haben ermittelt, dass das Gefühl für Risiko nur kurz nach einer Katastrophe klar erfasst wird, solange die Erinnerung der Menschen an den Schaden und das Leid noch präsent ist. 25 Jahre hält diese Erinnerung bei Flutkatastrophen, wie eine Studie der Universität Prag zeigte – innerhalb dieses Zeitraums siedeln die Menschen nur in vorsichtigem Abstand zu den übergetretenen Wasser­ läufen. Nach zwei Generationen hat ein Ereignis dann sei­ ne Wirkung verloren. Es fehlt ein dauerhafter Lerneffekt, der lange genug weitergetragen wird, um sich auf die nächste Katastrophe in der Zukunft vorzubereiten. Das Wissen über die drohenden Katastrophen ist also da, aber wie schafft man es, das auch in wirksame Handlun­ gen umzusetzen? Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor einer globalen Pandemie – darauf adäquat vorbereitet hat sich niemand. Die globale Erwärmung verwüstet schon heute große Regionen – doch die Treibhausgasemissionen senken wir trotzdem nicht schnell genug. Das massive Arten­ sterben droht langfristig auch das Überleben der Mensch­ heit in Frage zu stellen – unsere heutige Lebensweise wollen wir dennoch nicht ändern. Und so warnen auch die Experten in Neapel, Lissabon und Istanbul unablässig vor der Gefahr aus der Tiefe, ohne das nötige Gehör zu finden. Fachleute der Risikokommunikation sagen, für ein besseres Gefahren­ bewusstsein müsse man die physischen und psychischen Aus­ wirkungen der Katastrophen unmittelbar erfahrbar machen, indem man die Geschichten davon weitererzähle – je emo­ tionaler, desto besser. Eine Mahnung daran, dass wir natür­ lichen Katastrophen nicht machtlos ausgeliefert sind.

Svenja Beller arbeitet als freie Journalistin für diverse Magazine und ­Zeitungen. 2017 veröffentlichte sie ihr erstes Buch Einfach ­loslaufen (­DuMont Reiseverlag). Sie lebt und arbeitet in Hamburg und Lissabon. Julia Lauter lebt in Hamburg und arbeitet als Journalistin und ­Autorin. Sie schreibt für diverse Magazine wie das SZ -Magazin, Reportagen, Amnesty Journal und kuratierte 2020 die Aus­stellung »HOMING « für das Literaturhaus Stuttgart.


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On shaky ground TEXT

Svenja Beller and Julia Lauter

Massive earthquakes and volcanic eruptions are anticipated in parts of southern Europe. Millions of lives are at risk. Although the data speaks for itself, experts struggle to get their warnings heard and heeded. The same fate looms for the residents of three major European cities – Naples, Lisbon and Istanbul. Thousands of them will be buried alive, leaving the survivors severely traumatized. Their cities will be devastated by an earthquake or volcanic eruption. The current residents may be long dead by the time disaster strikes. But their death knell could also ring tomorrow. Our superterranean world rests on huge continental plates floating on a viscous layer. When the plates become wedged together, danger is never far away. To understand what happens then, we can simply snap our fingers: we increase the pressure between our thumb and middle finger until the latter gives way. The same occurs with the plates deep below the earth’s surface. Except that this “snap” unleashes enough energy to take everything above with it. Houses, offices, schools, factories, power plants, bridges, hospitals – simply everything. The greatest danger to Europe lies at its south­ern perimeter, where the Eurasian plate meets the African plate and the Anatolian plate pushes in from the east. Millions populate this area – in cities like Naples, Lisbon and Istanbul. How do the authorities go about protecting residents from the impending disaster? Naples Mount Vesuvius is one possible cause of Naples’ future destruction. “If it erupted tomorrow, there would be no strategy to save the people,” says Giuseppe Mastrolorenzo, a volcanolo­ gist at the Osservatorio Vesuviano. Beneath the volcano, the African continental plate is sliding in under its Eurasian counterpart and melting. At some point it will shoot up as magma through the crater. But nobody knows when. And guesswork won’t help anyone sleep better. For decades, seismologists had hoped to identify common precursors that would allow clear predictions of earthquakes and volcanic eruptions. They drew a blank. So far, statistics are all they have to go on, and using them to

calculate large intervals is scarcely reliable. And mistakes have consequences. If the scientists jump the gun, they can expect chaos and hugely expensive evacuations. If their warn­ ings come too late, they risk countless fatalities. For this reason, most experts keep their cards close to their chest. Mastrolorenzo is the exception with his plain speaking. He, too, can only guess at the date of the next major eruption, but he knows it is on the way. “What happened in the past will continue to happen in the future,” he asserts. Just like 4,000 years ago, when Vesuvius wiped out everything in the region and the remaining layer of ash made human life impossible for 230 years. And as was also the case 1,900 years later, when an eruption destroyed Pompeii and killed thousands. Today, more than three million people live in the volcano’s vicinity. Until 1995, not even an emergency plan had been prepared for them. And it was only in 2001 that the civil defense agency designated an area where residents were permanently on stand­­by. This so-called “red zone” was expanded in 2014. The 700,000 occupants inside its perimeters would be in severe jeopardy in the event of an eruption. If one appears imminent, the author­ities plan to bus them to safety within 72 hours. Giuseppe Mastrolorenzo considers this unrealistic, partly because the plan is tai­ lored to a relatively small event. “There is no scientific justification for this,” says the volcano­ logist. Volcanoes can simply erupt without warning. The 72-hour evacuation window is more fantasy than certainty. And that isn’t even Naples’ biggest headache: in the west of the city, the Phlegrean (ancient Greek: burning) Fields, a slumbering supervolcano, rage underground. “Danger is part of our identity,” says Giuseppe Di Roberto, one of the many residents of its huge crater. On three occasions – 15,000, 29,000 and 39,000 years ago – the Phlegrean Fields exploded with between ten and eighty times the force that Vesuvius can muster. The eruptions buried the entire region, and the ash particles in the atmosphere triggered a volcanic winter in large parts of the planet – which lasted for years and may have contributed to the extinction of the Neanderthals. If a repeat of this magnitude


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Disaster planning

were to occur, three million people in the Gulf of Naples would be in peril. Despite this, the authorities are only planning for a relatively small eruption and could only evacuate 450,000 residents if the unthinkable happened. Lisbon Yet the past ought to serve as a warning – not to underestimate the forces our planet can unleash. On All Saints’ Day 1755, the good folk of Lisbon were crowding into their churches when the ground began to shake. It was an earthquake measuring 8.5 to 9 on the moment magnitude scale. The tremors were so powerful that most places of worship collapsed on their congregations. Many people fled to the banks of the Tagus River, only to find a tsunami racing up it towards them. The city burned for a week; it was the ultimate nightmare. The philosopher Immanuel Kant wrote afterwards: “It was necessary sometimes for earthquakes to affect the ground under our feet; but there was no need for us to build magnificent residences above it. Man must learn to submit himself to Nature, but he prefers Nature to submit itself to him.” More than 250 years later, there is still no early warning system off the Portuguese coast. And: “We still aren’t one hundred percent sure what caused the 1755 quake,” concedes João Duarte. That said, the geologist may now have discovered the missing link. According to his research, a new subduction zone is forming off the coast: the Eurasian continental plate is breaking in two and one part is sliding under the other. Until now, the Atlantic has kept expanding. Given Duarte’s discovery, it might start shrinking now. This conclusion is causing a tumult in the world’s scientific community. The problem is that, beyond this small circle of academics, hardly anyone appears concerned. Non-experts don’t understand its implications. But scientists would be well advised to enlighten the residents of Lisbon. “There will be another major earthquake at some point and it will kill a lot of people,” Duarte says. When asked about the city’s preparations, Lisbon’s disaster management chief remains tight-lipped. Istanbul The North Anatolian Fault has the potential to devastate the city of Istanbul. On one unknown day in the future, a 51,000 cubic kilometer landmass will suddenly slide five meters west-

ward. The quake is projected to last a minute or so, but it will kill between 30,000 and 90,000 of the Turkish capital’s 15 million residents. The chances of a 7.4 magnitude quake just off the coast of Istanbul during the next thirty years are higher than 60 percent. When it comes to responding to probabilities, there are two categories of people: those who will pack an umbrella given a 60 percent chance of rain, and those who won’t – even if they are likely to die rather than get drenched. Nusret Suna is a man seeking to convince his fellow humans that umbrellas matter. The 64-year-old is the President of Istanbul’s Chamber of Civil Engineers. “We sometimes feel like the Cassandra of Istanbul. We issue warnings that nobody wants to heed,” he laments. The bad tidings? “Istanbul is not prepared for the impending earthquake.” The organization estimates that half of the city’s houses are illegally built and unlikely to meet safety standards. Up to 50,000 will be severely damaged in a quake, and up to 6,000 will become tombs for their residents. Is he preparing for the earthquake himself? Making his apartment earthquake-proof or stocking up on drinking water? Suna shakes his head. In the field of risk research, this phe­nom­ enon is called the perception paradox: people understand the extent of the threat, but have no confidence that the authorities will protect them. Personal precautions are a waste of time because, ultimately, there is no prospect of survival. And so, despite the warnings of disaster, people simply watch and wait. A human life is just a fleeting moment com­pared to the grinding pace of tectonic plates. Researchers have determined that the risk is only truly appreciated shortly after a disaster, while recollections of the destruction and suffering are still fresh. As a University of Prague study has shown, this takes 25 years. During this period of caution, people demonstrate a reluctance to live near the flooded areas. After two generations, an event ceases to impact our behavior. There is no learning effect that lasts long enough to make us ready for the next catastrophe. So knowledge of upcoming catastrophes exists, but how can we translate it into effective action? Scientists have been warning of a worldwide pandemic for decades – but nobody prepared adequately for COVID -19. Global warming is already devastating huge areas – but we still aren’t reducing greenhouse gas


Disaster planning

emissions quickly enough. The wholesale extinction of species may be threatening ­humankind’s long-term survival – but we aren’t willing to alter our lifestyles. The experts in Naples, Lisbon and Istanbul are constantly warning from the wings, but nobody is listening. Risk communica­tion experts argue that we need constant reminders of the inevitable physical and psycho­logical trauma – by sharing stories about the disasters. The more moving, the better. And if we take them to heart, we ­really can prepare for the worst before it happens.  Svenja Beller freelances for a range of magazines and ­newspapers. In 2017 her first book, Einfach loslaufen (“Just Start Running”) was published by Dumont Reiseverlag. She lives and works in Hamburg and Lisbon. Julia Lauter from Hamburg works as a journalist and author. She writes for various magazines including the Süddeutsche Zeitung Magazin, Reportagen and Amnesty Journal. She was also curator of the 2020 exhibition “HOMING ” at the Stuttgart Literaturhaus.

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Rechte Seite: Mit großer Wahrscheinlich­ keit erlebt die Stadt am Bosporus in den nächsten Jahrzehnten ein verheerendes Erdbeben. Right: In all probability, a devastating quake will strike the city on the ­Bosphorus in the next few decades.



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Was wissen Sie?

3.  Der Himmel hilft – aber wie lange schon? Wer war das erste Volk, das nach den Sternen navigieren konnte? W Die Römer N Die Phönizier T Die Wikinger 4.  Der Frachtcontainer hat die Logistik entscheidend verändert. Wer gilt als ihr Erfinder? L Don McLean K Malcom McLaren D Malcom McLean 5.  Wo müssen Archäologen der Zukunft graben, wenn sie die mit allerlei Wissens­ wertem bedruckten Keramikfliesen des Künstlers Martin Kunze finden wollen? E In Hallstatt, Oberösterreich F In Gorleben, Niedersachsen U In Pompeji, Kampanien

1.  Auf der Elbe in Richtung Hamburg verkehren zumindest derzeit noch die größten Containerschiffe der Welt. Wie nennt man im Hamburger Hafen umgangssprachlich diese Schiffe und ihre Ladung? A Töpfe und Steine W Eimer und Büchsen C Schachteln und Kartons

6.  Den Bäcker David Arnórsson aus Island hat ein bestimmter Rohstoff von der Heimat weggelockt – welcher? G Heilwasser aus Karlsbad H Tschechische Streichbutter pomazankove maslo R Mehl aus Böhmen

2.  Wer auf den Straßen Polens unterwegs ist, ist jetzt klar im Vorteil: Wie heißt dort ein typisches, sehr beliebtes Imbiss­ gericht? A Bigos Z Bulgogi Y Unagi

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8.  Der Bote Johann Kasimir Weiss machte Ende des 18. Jahrhunderts eine entscheidende Anschaffung, um den ursprünglichen Botendienst in eine Spedition zu verwandeln. Was hat er gekauft? U Eine Faktorei, also eine Art Logistikhalle E Einen von drei Pferden gezogenen russischen Schlitten D Ein Zollhaus an der Grenze zur Schweiz 9.  Dem Geologen João Duerte zufolge wird es in Lissabon irgendwann erneut ein gewaltiges Erdbeben geben. Welche in Fachkreisen aufsehenerregen­ de Entdeckung hat er gemacht? L Der Atlantik könnte sich ruckartig ausdehnen S Der Atlantik könnte schrumpfen 10.  Wenn Sie mehr ATLAS lesen wollen, dann können Sie R die nächste Ausgabe abwarten, die im Herbst erscheint T im Internet unter gw­atlas.com nachlesen

7.  Das meiste, was wir zu wissen glauben, haben wir nicht selbst erfahren, sondern Büchern, dem Internet, der Presse entnommen, oder es wurde uns erzählt oder erklärt. Wie hoch ist der Anteil an sogenanntem sekundärem Wissen? S 66,4 Prozent L 99,8 Prozent O 88,8 Prozent

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Schicken Sie das Lösungswort an redaktion@ gw­atlas.com und gewinnen Sie eine von drei Kisten Gebrüder Weiss­Orangenlimonade. Einsendeschluss ist der 31. August 2021.

Die Gewinner werden per E­Mail benachrichtigt und erhalten die Gewinne bis Ende September 2021. Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Teilnahme von Gebrüder Weiss­Mitarbeitenden aus rechtlichen Gründen nicht gestattet. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinne sind nicht in bar ablösbar.

Liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie den ATLAS 15 aufmerksam gelesen haben, dann wissen Sie vermutlich mehr als zuvor. Zumindest hoffen wir das, denn unser Kundenmagazin soll Sie unter­ halten und erfreuen und Ihnen etwas aus der weiten Welt der Logistik, der Bewe­ gung und von der Welterfahrung erzäh­ len. Auf dieser Doppelseite können Sie Ihr Wissen prüfen und eventuell einfach noch einmal weiterlesen. Alle Antworten und die entsprechenden Zusammenhänge dazu finden Sie in den Artikeln dieser Ausgabe.


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What do you know?

Dear Readers, If you’ve read this issue of ATLAS carefully, you probably know more than you did before. At least we hope so, because the point of our customer magazine is not just to interest and entertain you. We also want to tell you more about the big wide world of logistics, mobility and global exploration. This double-page spread lets you gauge how much you know and perhaps still want to find out. You will find the answers to the quiz questions and their context on the pages of this issue.

3.  How long has heaven been helping us? Who were the first people to navigate using the stars? W The Romans N The Phoenicians T The Vikings 4.  The freight container has revolutionized logistics. Who is considered its inventor? L Don McLean K Malcolm McLaren D Malcom McLean 5.  Where will tomorrow’s archaeologists need to dig if they want to find artist Martin Kunze’s tiles printed with all kinds of interesting information? E In Hallstatt, Upper Austria F In Gorleben, Lower Saxony U In Pompeii, Campania

1.  The Port of London was once the largest in the world, but it slipped down the rankings in the final third of the 20th century. Why? A The latest container ships had become too large for the locks. W Sand deposits had made the River Thames too shallow. C The Royal Family objected to the disruption caused by the ships.

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10.  If you want to read more of ATLAS , then you can R wait for the next issue in the fall T check out gw-atlas.com on the Internet

7.  Most things we claim to know do not come from personal experience. We learn them from books, the Internet, or the press. Or from somebody else telling us about them. What proportion of our knowledge comes from these secondary sources? S 66.4 % L 99.8 % O 88.8 %

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Send the solution to redaktion@gw-atlas.com and win one of three crates of Gebrüder Weiss orange soda. The deadline for submissions is August 31, 2021.

The winners will be notified by e-mail, and will receive their prizes by the end of September 2021. For legal reasons, we sincerely regret that Gebrüder Weiss employees are not permitted to enter. The judges’ decision is final. Prizes cannot be exchanged for cash.

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9.  According to the geologist João Duerte, another massive earthquake could devastate Lisbon at any time. Which groundbreaking discovery did he make? L The Atlantic could suddenly expand S The Atlantic could shrink

6.  The baker David Arnórsson has been enticed from his Icelandic homeland by a certain commodity. Which one? G Alkaline water from Karlovy Vary (Carlsbad) H Czech butter spread (pomazankove maslo) R Bohemian flour

2.  Those who know the roads of Poland have a clear advantage here: What is the name of a typical, very popular snack there? A Bigos Z Bulgogi Y Unagi

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8.  At the end of the 18th century, Johann Kasimir Weiss made a key acquisition that transformed his messenger service into a freight forwarding company. What did he buy? U A trading post E A Russian sled pulled by three horses D A customs house on the Swiss border


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Der nächste ATLAS : im Herbst 2021 The next ATLAS : in autumn 2021

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The information contained herein has been compiled with the greatest possible care and has been checked for accuracy. However, we accept no responsibility for the accuracy or completeness of the information. No claims can be made against the company due to erroneous or incomplete in­for­mation, except in cases of gross and/ or deliberate negligence, loss of life, bodily harm or endangered health. Imagery and copyright holders: Cover inside / p. 1, p. 90/91: composition using iStock /Pobytov, iStock / sergio34; p. 2, 27, 47, 59, 71, 79: composition using iStock /  sergio34; p. 4: Jan Scheutzow; p. 7-18 (above): Patrick Ohligschläger; p. 18 (below): private; p. 23: private; p. 33/34: akg-images; p. 36: private; p. 39: akg-images / ­ bilwissedition; p. 42: iStock / rusm; p. 44: Jennifer Morrison (above); Mathias Bothor/ Photoselection ­(below); p. 48: akg / mauritius images / Karl Heinrich Lämmel; p. 49, 50: private; p. 5 1, 53: Kilian Kirchgeßner; p. 5 2: Anton Scholz; p. 54: Julica Jungehülsing; p. 62, 65: Shiwen Sven Wang (illustrations); p. 63: private; p. 66: Göran Gnaudschun; p. 74, 76: Shiwen Sven Wang (illustrations); p. 76: private; p. 80/81: iStock / bruev; p. 83: iStock / RolfSt; p. 84: private; p. 89: iStock / aivita Translations for the English part: GILBERT  &  BARTLETT GbR, Hamburg, Germany


Bäume schneiden Ich bin auf dem Land aufgewachsen, wo fast jede Familie noch Obstbäume hatte. Als Kind habe ich meinen Vater zum Schneiden begleitet, weil ich gut klettern konnte. Mit einer kleinen Säge und einer Baumschere bin ich durch den Baum geturnt, während mein Vater mich von unten dirigiert hat. Er hat mir nie das Prinzip erklärt, wonach man einen Obstbaum schneidet, aber ich habe es durch ­Beo­bachten trotzdem gelernt. Heute schneide ich den Apfelbaum in meinem Garten selbst. Der ­Nachbar holt dafür den Gärtner. Andreas, 60 Jahre, Stuttgart/Deutschland

Trimming trees I grew up in the countryside where almost every family still had fruit trees. As a child I was good at climbing, so I accompanied my father when he headed out to trim them. Armed with a small saw and scissors, I clambered through the branches with my father guiding me from below. He never taught me how to trim fruit trees, but I learned it from watching other people do it. Today I still trim the apple tree in my yard. My neighbor, by contrast, picks up the phone and calls in the gardener. Andreas, age 60, Stuttgart, Germany


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