Viennale 22

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FA LTER DIE BESTEN FILME. ALLE TERMINE Viennale 2022 Nr. 41a/22 Österreichische Post AG, WZ 02Z033405 W, Falter Zeitschri en GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien Der Eröff nungsfilm Vera von Tizza Covi und Rainer Frimmel +++ Charlo e Gainsbourg im Interview +++ David Cronenbergs Crimes of the Future +++ Fragen an die Zukun des französischen Autorenkinos +++ Retrospektive Yoshida Kijū +++ Filmlexikon und Programm von 20.10. bis 1.11. Foto: „Tori und Lokita“ von Luc und Jean-Pierre Dardenne / Viennale

VIENNALE EDITION

FILM

VIENNALE DVD SUPERBOX

4 Boxen mit insgesamt 18 DVDs zum Supersonderpreis: Statt € 158,40 (DVD Einzelpreis) nur € 99,–

VIENNALE DVD BOX 1

Aquele Querido Mês de Agosto, Portugiesischer Sommer, OmeU

Capturing The Friedmans, Doku über Unschuldsvermutung und Sippenhaft, OF El Sicario, Room 164, Ein mexikanischer Auftragskiller packt aus, OmeU Half Nelson, Aufwühlendes Highschool Drama mit Ryan Gosling, OF Le Roi De l’Évasion, Schwuler Vertreter entdeckt seine Heterosexualität, OmeU

Bonus DVD 20 Little Films

Einzel-DVD: € 9,90

6 DVDs zusammen um nur € 39,90

VIENNALE DVD BOX 3

De Jueves A Domingo, Familienurlaub mit Hindernissen, OmeU

The Color Wheel, Facettenreicher Slacker/Nerd-Roadtrip, OF L’Inconnu du Lac, Schwules Cruising im hochsommerlichen Frankreich, OmeU

Einzel-DVD: € 9,90

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VIENNALE DVD BOX 2

Anna, Italienische Drogen-Cinéma vérité, OmeU

Curling, Franko-kanadische Reminiszenz an Psycho, OmeU Foreign Parts, Gentrifizierungsdoku aus New York, OF O Som Ao Redor, Kleinbürgerlichkeit und Kleinkriminalität, OmeU Hashoter, Polizeidrama um inner-israelischen Terror, OmeU

Bonus DVD And We Made the Room Shine

Einzel-DVD: € 9,90

6 DVDs zusammen um nur € 39,90

VIENNALE DVD BOX 4

Court, Indisches Gerichtssaaldrama, OmeU

Återträffen, Experimentelles Klassentreffen in Schweden, OmeU

A Little Closer, Ländliches Drama um eine alleinerziehender Mutter, OF

Einzel-DVD: € 9,90

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Vorwort

Das Programm der diesjährigen 60. Ausgabe der Viennale ist breit gefä chert: Neben einer außergewöhnlichen Re trospektive und historischen Programmen, die den teils jüngst erst restaurierten Wer ken teils noch unentdeckter Autor:innen gewidmet sind, bietet es zahlreiche Arbei ten des Gegenwartskinos: von Berühmten und Bekannten, von Neulingen und Rand ständigen, Überraschungen und Raritäten.

Die facettenreiche und faszinierende Auswahl wird auf Neugierde treffen, für Aufmerksamkeit sorgen und – warum auch nicht? – Kontroversen auslösen. Ein Ort für Diskussionen und Debatten zu sein, stellt einen wichtigen Teil eines Film festivals dar, das dem Publikum gewid met ist. Also muss auch die Viennale eine Gelegenheit zur Konfrontation bieten: eine öffentliche Arena für die Auseinanderset zung mit den Regeln und ethischen Grund sätzen, auf denen unsere Gesellschaft be ruht. Denn die Denkprozesse und die Codes unserer Zivilisation zu hinterfragen muss nicht nur erlaubt sein, es ist dies in einer Zeit, die von Revisionismus überwäl tigt zu werden droht und von Dogmatis mus unter Druck gesetzt wird, sogar not wendiger denn je.

Herzlich,

Von der Couch zurück ins Kino Monica, Monk und Mutzenbacher: Zwei oder drei Anmerkungen zu Filmen auf der Viennale V’22

Die destruktive Kraft des Begehrens Meisterregisseur Yoshida Kijū hat eine Retrospektive mit zwölf seiner Arbeiten zusammengestellt

Alle sehen sich hier als Opfer Cristian Mungiu erkundet in „R.M.N.“ den Zustand der rumänischen Gesellschaft

„Ich selbst kenne meine Geheimnisse nicht“ Ein Star für alle Fälle: Im neuen Film von Claire Denis spielt Vincent Lindon einen ehemaligen Rugbyspieler

Fragen an die Zukunft

Der weibliche Blick wird die Zukunft des französischen Autorenkinos maßgeblich prägen: Die aktuellen Filme von Alice Diop, Rebecca Zlotkowski, Mia Hansen-Løve und alten Bekannten

Spiel mir das Lied vom Fremden Kino auf Identitätssuche: „Drii Winter“, „Close“ und „Vera“, der Eröffnungsfilm der Viennale

Timetable

Alle Filme auf einen Blick: Der Falter-Plan zur Viennale ’22

Eingeweide für Eingeweihte David Cronenbergs „Crimes of the Future“ performt Variationen innerer Schönheit

„Es war mir peinlich, wie ich aussah“ Schauspielstar Charlotte Gainsbourg über Selbstzweifel, echte Gefühle und Wochenenden mit Papa Serge

Freundschaft über alle Grenzen

In „Tori und Lokita“ schicken die Dardennes zwei Kinder durch die Hölle des belgischen Einwanderungssystems

Lexikon Empfehlungen der Redaktion und Kurzbeschreibungen aller Filme der Viennale ’22

Falter

m.b.H.; Layout: Andreas Rosenthal, Nadine Weiner, Marion Großschädl; Lektorat: Helmut Gutbrunner, Patrick Sabbagh; Geschäftsführung: Siegmar Schlager; Anzeigenleitung: Sigrid Johler  Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau  DVR: 047 69 86. In Kooperation mit der VIENNALE. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach §

vorbehalten.

www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.

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EVA SANGIORGI DIREKTORIN VIENNALE FOTOS: NIKKATSU, VIENNALE (5)
Impressum Inhalt 6 19 10 14 12 20
41a/22 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: +43-1/536 60-0, E: wienzeit@falter.at, www.falter.at Redaktion: Michael Omasta  Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft
44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz,
Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter
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Ticketinformationen

Ticketverkauf ab 15. Oktober 2022, 10 Uhr

Tickets können an den Viennale Kassen, online oder per Telefon gekauft werden:

VORVERKAUFSSTELLE GARTENBAUKINO (Barzahlung, Bankomat oder Kreditkarte)

15. bis 19. Oktober, täglich 10 bis 20 Uhr (20. Oktober 10 bis 17 Uhr)

Bei großem Andrang werden am 15. Oktober 2022 Wartenummern ausgegeben.

TICKETS ONLINE – VIENNALE.AT

15. Oktober bis 1. November (Bezahlung per Online-Banking, PayPal, Kreditkarte)

Zum Normalpreis online gekaufte Tickets können als Print-at-home-Tickets ausgedruckt oder am Display Ihres Smartphones beim Einlass in den Kinosaal vorgewiesen werden.

Ermäßigte Tickets können online gekauft werden, müssen jedoch an der Vorverkaufsstelle Gartenbaukino oder in den Festivalkinos gegen Vorweis des Ermäßigungsnachweises abgeholt werden.

TICKETS PER TELEFON

15. Oktober bis 1. November, täglich 10 bis 20 Uhr (Bezahlung nur per Kreditkarte) 01/526 594 769

Per Telefon gekaufte Tickets sind an der Vorverkaufsstelle Gartenbaukino oder in den Festivalkinos abzuholen.

ABHOLUNG ONLINE ODER PER TELEFON GEKAUFTER TICKETS

Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.

TICKETVERKAUF IN DEN FESTIVALKINOS

20. Oktober bis 1. November

Geöffnet ab einer Stunde vor Beginn der ersten bis zum Beginn der letzten Vorstellung (Barzahlung, Bankomat oder Kreditkarte) Gartenbaukino Stadtkino im Künstlerhaus Urania

Österreichisches Filmmuseum Metro Kinokulturhaus

Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.

TICKETVERKAUF FÜR DIE RETROSPEKTIVE

Ab 15. Oktober sind Tickets für die während der Viennale gezeigten Filme (21. Oktober bis 1. November) an allen Viennale Kassen sowie online und telefonisch erhältlich. Es gelten die Preise der Viennale. Für Mitglieder des Filmmuseums gelten die Preise des Filmmuseums (nicht bei Onlinekauf).

RESTTICKETS

BEI AUSVERKAUFTEN FILMEN

30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für Resttickets ausgegeben.

ZUGEWIESENE SITZPLÄTZE

Für alle Vorstellungen werden ausschließlich zugewiesene Sitzplätze vergeben, es gibt keine freie Platzwahl.

TICKETPREISE

Einzelticket € 9,50

Ab 10 Tickets € 9,—pro Ticket

Ab 20 Tickets € 8,30 pro Ticket

ERMÄSSIGUNGEN

erhältlich mit entsprechendem Nachweis Einzelticket € 9,—

Ab 10 Tickets € 8,50 pro Ticket

Ab 20 Tickets € 7,80 pro Ticket

BRING YOUR KIDS!

Zum ersten Mal bietet die Viennale heuer allen Eltern, die gerne einen Nachmittagsfilm aus dem Programm sehen möchten, die Möglichkeit, ihre Kinder während der Vorstellung professionell und kostenlos betreuen zu lassen! Genießen Sie den Film Ihrer Wahl (Ticketkauf erforderlich), während Ihre Kinder im Terrassensaal der Urania malen, basteln, spielen können (ab 2 Jahren).

22., 23., 26. Oktober, 12.30 h bis 18.30 h, Urania, Terrassensaal Besitzer:innen eines V’22-Tickets melden den Betreuungsbedarf bitte unter kinderbetreuung@viennale.at (Anmeldung erforderlich, begrenzte Platzzahl. First come, first served.)

VIENNALE MERCHANDISING

STUDENTS’ DAYTIME TICKET € 6,50

Für alle Vorführungen vor 17.30 Uhr erhalten Student:innen, Schüler:innen, Lehrlinge sowie Präsenz- und Zivildiener unter 27 Jahren – gegen Vorweis des entsprechenden Ausweises – ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn ermäßigte Tickets um € 6,50 an der Kinokassa. Sollten für eine Vorstellung vor 17.30 Uhr nur noch Resttickets vorhanden sein, sind diese bei Verfügbarkeit ebenfalls zum ermäßigten Preis erhältlich.

Publikationen und Artikel des Festivals sind an der Vorverkaufsstelle Gartenbaukino, in den Kinos sowie online erhältlich:

Festivalkatalog € 15

Textur #4 – Darezhan Omirbayev € 10

Textur #5 – Alain Guiraudie € 10

Viennale 60. On Film Festivals. € 12

V’22-Plakate (A1) € 3

V’22-Schlüsselband € 4

Debitcard EN LE N VI 60th VIENNA INTERNATIONAL FILM FESTIVAL

Von der Couch zurück ins Kino

Monica, Monk und Mutzenbacher: Zwei oder drei Anmerkungen

Während der Lockdowns wurde die Couch vielen zum neuen Lebensmittelpunkt. Speziell die Kinoleute haben diesen Umstand o beklagt, Sie wissen schon, wegen Netflix und so. Eventuell in Reaktion darauf feiert das Möbel nun auf der Leinwand ein überraschendes Comeback. Sah man kürzlich auf Filmplakaten drei wartende Herren auf einer Couch bei der Arbeiterkammer sitzen, ist sie jetzt als „Besetzungscouch“ auch das wichtigste Requisit von Ruth Beckermanns neuem Film, „Mutzenbacher“.

Im aufgeräumten Setting einer ehemaligen Sargfabrik inszeniert die Filmemacherin ein Casting, bei dem 100 Männer verschiedenen Alters und unterschiedlicher sexueller Orientierung jeweils Passagen aus der mehrheitlich nur vom Hörensagen her bekannten „Geschichte einer Wienerischen Dirne“ (1906) lesen. Die Regisseurin selbst hält sich im Off, stellt manchmal Fragen, verwickelt die Herren in Diskussionen, auch untereinander: Es geht um die Sprache der Pornografie, um Formen des Missbrauchs, persönliche Bekenntnisse. Eine hochkomplexe, von Beckermann ohne jede Schnörkel gestaltete Geschichte, die an ihren Bachmann-Celan-Dialog „Die Geträumten“ genauso denken lässt wie an „Jenseits des Krieges“, ihren Film über Besucher der Wehrmachtsausstellung.

Die Sprache von der Leine lassen, lautet der Titelzusatz zur Doku „Elfriede Jelinek“ von Claudia Müller. Der Film ist zuallererst eine Materialschlacht, eine Zeitreise durch öffentlich-rechtliche Fernseharchive. Glücklicherweise war die Autorin, eine der elegantesten und stilsichersten Erscheinungen im deutschsprachigen Literaturbetrieb, durchaus auskun sfreudig – bis sie sich 2004 anlässlich der Verleihung des Nobelpreises völlig aus der medialen Öffentlichkeit zurückzog. Schon deshalb ist das Audiointerview, das sie der Filmerin trotz „einer generalisierten Angststörung“ (Jelinek über Jelinek) kurz vor Drehschluss noch gewährte, eine kleine Sensation: „Ich habe im Grunde mich in die Sprache gerettet, weil das überhaupt die einzige Kunstform war, die meine Mutter nicht gefördert hat.“

Eine schreckliche Nicht-Beziehung zwischen Mutter und Tochter steht im Mittelpunkt von „Monica“, einem Drama von Andrea Pallaoro. Die Titelheldin, gespielt von der transgeschlechtlichen Darstellerin Trace Lysette, kehrt nach 20 Jahren in Kalifornien erstmals wieder in ihren Heimatort zurück. Dort lernt sie ihre junge Schwägerin kennen, die drei Kinder hat; Paul, ihr Bruder, erkennt Monica nicht wieder, ebenso wenig wie ihre Mutter Eugenia (unnah-

Filmen auf der Viennale

bar: Patricia Clarkson), die schwerkrank ist und ständiger Pflege bedarf. Die primären Farben des Films sind Rot und Grün, konträr und so schwer versöhnlich wie seine beiden Hauptcharaktere. Dass die Kamera extrem nah an den Personen ist, Monicas Gesicht meist nur im Ausschnitt zeigt, ist eine sinnfällige Entsprechung für ihre „fehlende“ Vorgeschichte: Monica sei der Name, erklärt sie einmal, den sie selbst sich gegeben habe – dass sie vielleicht nicht als Frau geboren wurde, ist kein Thema.

Thelonious Monk schwitzt in Close-up. Zum Abschluss seiner Europatournee kam der legendäre Jazzmusiker am 15. Dezember 1969 nach Paris; am Nachmittag vor dem Konzert wurde er fürs französische Fernsehen interviewt. Filmemacher Alain Gomis hat das Material, auch das nie verwendete, gefunden und in „Rewind & Play“ einer Analyse unterzogen; sein Befund fällt kritisch aus. Während der Künstler am Klavier improvisiert, stehen Bühnenarbeiter quatschend und rauchend daneben. Fragen und Antworten werden mehrfach wiederholt. Als sich Monk seines ersten Konzerts in Paris erinnert, und daran, dass er weniger Gage als seine Kollegen erhielt, wendet der weiße Moderator sich zur Seite an den Regisseur im Off: „Das können wir löschen, was er sagt, ist echt abtörnend.“

Dem argentinischen Film noir ist bei der Viennale eine Historiografie gewidmet. Gezeigt werden sieben Produktionen, darunter der 1951 gedrehte, antirassistische Krimi „Native Son“. Richard Wright, Autor der Bühnenvorlage, spielt selbst die Hauptrolle in diesem bizarren Film des vor den Nazis aus Frankreich emigrierten Regisseurs Pierre Chenal. „Bigger“ Thomas, ein junger Afroamerikaner aus Chicago, wird von einem altersweisen Millionär als Chauffeur eingestellt – und in der ersten Nacht unbeabsichtigt zum Mörder von dessen Tochter. Ein thesenha er Film, der das Verbrechen als Folge des strukturellen Rassismus der US-amerikanischen Gesellscha zeigt. Wie richtig er mit dieser Diagnose lag, belegt schon der Umstand, dass nicht in Chicago gedreht werden konnte, sondern Buenos Aires dafür herhalten musste.

„The Potemkinists“, der kurze Essay von Radu Jude, datiert auf Sommer 2021. Ein redegewandter rumänischer Bildhauer versucht eine zögerliche Kulturbeamtin für sein Projekt zu gewinnen: eine riesige Skulptur unweit der Küstenstadt Konstanza zum Monument für die meuternden Matrosen des Panzerkreuzers Potemkin umzugestalten, die 1905 aus Russland flohen und in Rumänien Asyl fanden, lange bevor Sergei Eisenstein sie auf Film verewigt hat. F

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zu
V’22 VORSCHAU: MICHAEL OMASTA
„Rewind & Play“ ist die kritische Lektüre eines „Jazz Portraits“ mit Thelonious Monk 1969, das gefundene Material: eine Trouvaille Radu Jude, genialer Frechdachs des Gegenwartskinos, verhandelt im Kurzfi lm „Potemkinistii“ rumänisch-russische Beziehungen Mu er-Tochter-Transgender-Drama „Monica“: Die Titelheldin (Trace Lyse e) hält Eugenia (Patricia Clarkson) den Spiegel vor
FOTOS: VIENNALE
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Fatales Ende für eine Bande von Nichtsnutzen: Im Debütfilm „Good-for-Nothing“ (1960) ist der Einfluss des europäischen Autorenkinos noch deutlich zu erkennen
FOTO: SHOCHIKU ÖSTERREICHISCHES FILMMUSEUM

DIE DESTRUKTIVE KRAFT DES BEGEHRENS

Der große japanische Regisseur Yoshida Kijū hat für Viennale und Filmmuseum eine Retrospektive mit zwölf seiner Arbeiten zusammengestellt

Die Filme von Yoshida Kijū sind eine Herausforderung, wie sie nur das Kino seinem Publikum stellen kann. Im Falle der Arbeiten Yoshidas heute mehr noch als zu ihrer Entstehungszeit. 20 Filme umfasst das Werk des japanischen Filmemachers, und in jedem bricht Yoshida mit unseren Sehgewohnheiten, indem er dem mensch lichen Blick einen anderen, rein filmischen gegenüberstellt.

Und diese Herausforderung umfasst unsere gesamte Wahrnehmung – also auch jene von Tönen, Musik und Stimmen. Sie unterläuft unsere Erwartungshaltung, wie eine Geschichte zu erzählen sei. Und unse ren falschen Glauben, die Welt mit richti gen Augen zu sehen.

Denn für Yoshida Kijū ist das Kino eine Zau bermaschine, die nicht uns verzaubern soll, sondern deren eigenen Zauber wir entde cken können. Wie zum Beispiel in der Er öffnungsszene von „Woman of the Lake“ (1966), einem Paradebeispiel für Yoshidas Kinokunst: Das erste Bild zeigt in Groß aufnahme eine nach oben gestreckte Frau enhand vor grauem Hintergrund – fast alle Filme Yoshidas sind in Schwarzweiß –, die zweite Hand folgt, umschließt sie, als wür den die beiden Hände miteinander ringen. Zu völliger Stille gleitet die Kamera nach unten, den Händen folgen zwei ineinan der verschlungene Körper. Woran sie den ke, möchte der Mann von der Frau wissen, deren abwesender Blick nach oben gerich tet ist. „An dich.“ – „Du lügst.“ Die wenig später entstehenden Nacktfotos behält die verheiratete Frau bei sich, denn „man soll nichts tun, was man bereut, wenn man oh nehin nicht zusammenbleibt“.

Yoshida Kijū (auch bekannt als Yoshida Yoshishige), geboren 1933 in der Präfektur Fukui, wird gerne als Vertreter der „japa nischen Nouvelle Vague“ bezeichnet. Das ist, sieht man seine Arbeiten mehr als ein halbes Jahrhundert später, zwar nicht ganz falsch, aber zuvorderst jener Einordnung geschuldet, der auch die Filmgeschichts schreibung zuarbeitet.

Es hilft dem heute 89-jährigen Filme macher also wenig, dass er den Aufbruch des japanischen Kinos in die Moderne stets anders wahrnahm. „Ich denke nicht, dass das von besonderer Bedeutung ist“,

Yoshida Kijū ist Jahrgang 1933 und Mitbegründer der japanischen „Nouvelle Vague“

so Yoshida in einem lesenswerten Inter view in dem auf japanisches Kino spezia lisierten Magazin Midnight Eye, in dem er auch die häufig erwähnten Gemeinsamkei ten mit Oshima Nagisa (1932–2013) und Shinoda Masahiro (geb. 1931) als Vertre ter einer gemeinsamen, dem europäischen Vorbild entsprechenden Kinobewegung in frage stellt.

man die Filme Yoshidas auf ein gemeinsa mes Merkmal, die vielzitierte Handschrift des Filmautors, hin bestimmen, so wäre es dieses unablässige Ineinanderfließen und Kollidieren der Wirklichkeiten.

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Wer in den Filmen Yoshidas nach einem naiven Glücksgefühl sucht, wird es nicht finden

Als die Familie nach dem Krieg nach To kio übersiedelt, studiert Yoshida zunächst französische Literatur und heuert schließ lich 1952, kurz vor Ende des Koreakriegs, beim renommierten Filmstudio Shōchiku an, wo er sich als Regieassistent verdingt. Nicht aus cinephiler Leidenschaft, sondern weil der Job gut bezahlt ist. Es sind die goldenen Jahre des japanischen Kinos, die Menschen strömen in die Säle, die Studios brauchen neues Material – und Ideen. Für Yoshida ein guter Moment für den Beginn einer Regiekarriere, bald zählt er gar zur „Shōchiku Nouvelle Vague“, die im Gegen satz zu Frankreich jedoch vom Studio, das auf die Innovationskraft seiner hauseigenen Talente setzt, initiiert wird.

Wer in diesen Filmen nach einem nai ven Glücksgefühl sucht, wird es nicht fin den. Sogar in „Akitsu Springs“ (1962), einem für Yoshida untypischen Melodram in satten Farben, mit dem sich Shōchiku an den üppigen Hollywoodstücken jener Jahre anlehnte, ist dieser formale Gestal tungswille deutlich erkennbar.

Retrospektive Yoshida Kijū im Österreichischen Filmmuseum, 21.10. bis 23.11. (OmenglU)

Die einzelnen Termine finden Sie in der Heft mitte und auf Seite 31 im Filmlexikon

Auch wenn er selbst Ingmar Bergman und Michelangelo Antonioni als jene Filme macher angibt, die ihn maßgeblich beein flusst hätten, atmet Yoshidas Regiedebüt den Geist des französischen Kinos jener Jahre. „Good-for-Nothing“ (1960) beginnt mit der Geschichte einer jungen Frau und Sekretärin eines neureichen Geschäfts manns, die vom Sohn des Chefs und des sen Freunden aus Langeweile drangsaliert wird. Als „Nichtsnutz“ bezeichnet sie einen der Herumtreiber, die ihre bitteren Späße bis zum fatalen, tödlichen Ende treiben. Unkonventionell ist an diesem – im sel ben Jahr wie Godards „À bout de souffle“ und Fellinis „La dolce vita“ entstandenen –Film jedenfalls alles: der jazzige Score, die gewagten Anschlüsse und Auslassungen, die ungewöhnlichen Kamerapositionen. Deutlich erkennbar ist aber auch schon der Versuch, der äußeren Wirklichkeit eine an dere Realität entgegenzusetzen, und zwar jene des viel komplexeren Innenlebens sei ner Figuren, geprägt von Leerstellen, ge fühlter Unendlichkeit oder Rastlosigkeit, von Träumereien und Trugschlüssen, fal schen Annahmen und Sichtweisen. Wollte

Ein lungenkranker Kriegsheimkehrer, der die Atombombe überlebt hat, landet darin in einem abgeschieden gelegenen Gasthaus in einem grünen Tal – nur um dort sei nem Leben ein Ende bereiten zu wollen. Die Liebesgeschichte zwischen der jungen Frau, die bei der Radioansprache des Kai sers, dass der Krieg verloren sei, in Tränen ausbricht, und dem Veteranen wird sich zehn lange Jahre hinziehen. Doch Yoshi da macht aus „Akitsu Springs“ keine Ge schichte über eine verzweifelte, weil un möglich zu lebende Liebe – sondern eine über männliches Unvermögen und weibli che Selbstzerstörung. Kein Schicksal ent scheidet sich hier im Kirschblütenregen, sondern ein Leben, das nichts ist als eine Folge von Abschieden.

Als das Studio „Escape from Japan“ (1964) entscheidend verändert, gründet Yoshida mit seiner Ehefrau, der Schau spielerin Okada Mariko, die bereits in allen bisherigen Filmen die Hauptrolle übernahm, seine eigene Produktionsfirma Gendai Eigasha. Mitte der 1960er-Jahre entstehen im Jahresrhythmus die besten seiner Arbeiten: „A Story Written with Wa ter“ (1965), „Woman of the Lake“ (1966), „The Affair“ (1967), „Flame and Women“ (1967), „Affair in the Snow“ (1968). Man hätte diese Retrospektive in einem größe ren Rahmen auch der fantastischen Okada Mariko widmen können, ohne die Yoshidas Filme längst unvorstellbar sind.

Abhängigkeiten. Obsessionen. Macht. Und immer wieder heimliche Liebesaffä ren. Würde man diese Filme auf ihre äu ßere Handlung reduzieren, wären es Ge

Fortsetzung auf Seite 8

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WERKPORTRÄT:
MICHAEL PEKLER
FOTO: THE JAPAN FOUNDATION © GENDAI EIGASHA

Fortsetzung von Seite 7

schichten über die destruktive Kraft des Begehrens. Der höheren Macht im Lie besdrama setzt Yoshida die menschlichen Abgründe entgegen, die immer in einer Katastrophe münden. Die Nacktfotos in „The Woman of the Lake“ geraten in die Hände eines Erpressers, in „A Story Writ ten with Water“ kann ein junger Ödipus kurz vor seiner Heirat die Liebe zu seiner Mutter nicht unterdrücken, und in „Af fair in the Snow“ endet eine verhängnis volle Affäre, die bereits zu Beginn von der Frau beendet werden will, buchstäblich am Abgrund.

Angesichts dieser so komplexen wie hoch konzentrierten Arbeiten wirkt „Eros + Massacre“ (1969) wie die logische Kon sequenz einer sich über Jahre abzeich nenden Entwicklung. In seinem wohl be rühmtesten, dreieinhalbstündigen Film (der auch als zweieinhalbstündige Kino version existiert), den er mit Masahiro Ya mada schreibt, widmet sich Yoshida der Geschichte das Anarchisten Ōsugi Sakae,

Höchste Präzision bis ins letzte

Detail: „Heroic Purgatory“ (1970) gilt als Meilen stein in Yoshidas Filmschaffen

der 1923 – während des Chaos nach dem verheerenden Kantō-Erdbeben – gemein sam mit seiner Frau, der Feministin Itō Noe, von der japanischen Militärpolizei er mordet wurde.

sie höchstens erfahren. In Form von Puz zleteilen, enigmatischen Gedanken und psychologischen Fragmenten, einem Be wusstseinsstrom ähnlich, in dem sich alles miteinander verbindet und zugleich auflöst.

Die zunächst krankheitsbedingte Schaf fenspause nach „Coup d’État“, die über ein Jahrzehnt dauern wird, stellt eine Zäsur im Werk Yoshidas dar. Viele Jahre verbringt er außerhalb Japans, mehrere davon in Euro pa, was sich in den späten Arbeiten zeiti gen wird. Dass seine beiden in den 1980erJahren entstandenen Filme „A Promise“ (1986) und vor allem die erstaunliche, ins mittelalterliche Japan verlegte Emily-Bron të-Adaption „Wuthering Heights“ (1988) im Rahmen der Retrospektive nicht zu se hen sind, ist schade, weil sie einen neu en Blick auf das Spätwerk ermöglichen, in dem sich Yoshidas Arbeitsweise merklich verändert.

Zu beobachten ist das jedoch auch in sei nem letzten Film „Women in the Mirror“ (2002), mit dem er nach Cannes eingela den wird. Ein letztes Mal, nach 30 Jahren, übernimmt Okada die Hauptrolle, diesmal als Großmutter auf der Suche nach der ver schwundenen Tochter. Diese ist nach der Geburt ihrer eigenen Tochter – die mittler weile erwachsene Enkelin studiert in den Vereinigten Staaten – untergetaucht.

Michael Pekler

schreibt über Filme und Fernsehserien im Berliner Freitag, im Wiener Falter und im Zürcher Filmbulletin. Er ist Co-Autor von Büchern über Ang Lee, Realismus im US-Kino und Terrence Malick

„Eros + Massacre“ ist jedoch weniger ein historisches Biopic als ein filmisches Experiment einer neuen Geschichtsschrei bung. Vergangenheit und Gegenwart ste hen hier einander nicht gegenüber, sondern verschmelzen auf allen Ebenen – wie die Liebe und der Tod, wie Eros und Massa ker. Zusammen mit den folgenden „Her oic Purgatory“ (1970) und „Coup d’État“ (1973) über den 1937 hingerichteten Na tionalisten Kita Ikki bildet „Eros + Mas sacre“ die sogenannte „Trilogie des japani schen Radikalismus“.

Die künstlerische Radikalität dieser Filme über die dunkle Geschichte Japans, über Diktatur und Faschismus, steht dabei der historisch-politischen in nichts nach. Man kann diese Filme, vor allem „Heroic Purgatory“ über die Erinnerungen eines Revolutionärs, nicht verstehen. Man kann

Als die Vermisste von der Polizei ge funden wird, beginnt für die drei Frauen ein Prozess der Aufarbeitung – nicht nur der eigenen Biografie, sondern auch des kollektiven Traumas der Atombomben abwürfe auf Japan, mit dem sich Yoshi da bereits in „Akitsu Spring“ und vor al lem im für ihn außergewöhnlichen, weil im Breitwandformat und in Farbe insze nierten „Farewell to the Summer Light“ (1968) auseinandersetzte.

„Women in the Mirror“ ist konventio neller gestaltet als Yoshidas radikale frü here Arbeiten, umso stärker erkennbar ist in diesem Alterswerk die Auseinanderset zung mit Erinnerung und der Frage, wo ran – aber auch an wen – man sich über haupt erinnern soll. Die Geschichten der drei Frauen bilden nicht nur ein komplexes psychologisches Puzzle, sondern erzählen darüber hinaus von der verzweifelten Su che nach jenem letzten Teil, das man als Erklärung akzeptieren und damit Frieden mit sich selbst schließen könnte.

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„Coup d’État“ über den Nationalisten Kita Ikki ist der letzte Teil der „Trilogie des japanischen Radikalismus“ Mit „Blood Is Dry“ überführt Yoshida das japanische Kino 1960 endgültig in die Moderne In „Farewell to the Summer Light“ treffen zwei ver lorene Seelen in der europäischen Fremde aufeinander FOTOS: NATIONAL FILM ARCHIVE OF JAPAN, ÖSTERREICHISCHES
FILMMUSEUM (2),
SHOCHIKU

In Ermangelung einer besseren Beschrei bung nennt man das, was Matthias (Marin Grigore) widerfährt, gern Ironie: Zu Beginn von Cristian Mungius „R.M.N.“ sieht man den Rumänen in einem deut schen Industrieschlachthof arbeiten, wo ihn der Vorarbeiter beim geringsten Vor fall als „Zigeunerpack“ beschimpft. Mat thias schlägt mit der Faust zurück, weiß aber, dass damit sein Beschäftigungsver hältnis verwirkt ist.

Per Autostopp macht er sich auf den Weg in die Heimat, eine Kleinstadt irgend wo in Transsilvanien. Dort, so stellt sich heraus, gilt Matthias als Deutscher, Ab kömmling jener eingesessenen, aber stetig kleiner werdenden evangelischen Gemein de, deren Zusammenleben mit katholi schen Ungarn und orthodoxen Rumänen auch zu seligen k.u.k. Zeiten nicht immer friedlich war. Die Zigeuner, ebenfalls seit Jahrhunderten hier beheimatet, sei man ja endlich erfolgreich losgeworden, hört man später im Film jemand prahlen. „Das Volk ist nicht tümlich“, wusste bekanntlich schon Bertolt Brecht.

„R.M.N.“ steht für „rezonanță magnetică nucleară“, die rumänische Abkürzung für Magnetresonanztomografie. Im Film sieht man Matthias, wie er immer wieder die MRT-Aufnahmen seines Vaters in Augen schein nimmt, als würde ihm für den unter Demenz leidenden Alten noch eine Lösung einfallen.

Dass die drei Buchstaben zugleich eine Art Skelett des Ländernamens Rumänien bilden (und dazu noch die drei Ethnien românii, maghiarii, nemții repräsentieren?) ist natürlich beabsichtigt, genauso wie die Metapher, die sich daraus ergibt: Mungi us Film dient in der Tat als „bildgebendes Verfahren“, das in scharf geschnittenen An sichtsschichten den Zustand des rumäni schen Gesellschaftskörpers erkundet. Und ja, die Diagnose gibt Anlass zur Besorgnis.

Man kann das soweit als reichlich ge zwungen und ausgedacht empfinden, aber mit „R.M.N.“ beweist Cristian Mungiu neuerlich sein großes Talent dafür, das Zusammenspiel von Individuum und Ge meinschaft zu erschließen. Stoisch mit der Kamera vor allem einer Figur zu folgen, das war bisher dafür seine bevorzugte Me thode, schon seit er als Newcomer 2007 mit dem Abtreibungsdrama „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ die Goldene Palme in Cannes gewann.

In seinem neuen Film verteilt er sei ne Aufmerksamkeit auf mehrere Figuren, was „R.M.N.“ etwas Mosaikartiges ver

Alle sehen sich hier als Opfer

Cristian Mungiu erkundet in „R.M.N.“ den Zustand der rumänischen Gesellschaft

»Bald dürfen wir nicht mehr „Mama“ und „Papa“ sagen!

leiht, es aber auch schwerer macht, Em pathie mit den Einzelnen zu entwickeln. Das aber war vielleicht genau Mungius Ab sicht. Denn als Opfer sehen sie sich hier so wieso alle: Sowohl Matthias, der nun ohne „Westgeld“ schauen muss, wie er für den al ten Vater, die ängstliche Ehefrau und den kleinen Sohn sorgt; als auch seine Ex-Ge liebte Csilla (Judith State), die zur ungari schen Minderheit gehört, die Großbäcke rei vor Ort übernommen hat und diese mit EU-Mitteln aufpäppeln will. Da bestimm te Förderbeträge an bestimmte Betriebsgrö ßen gebunden sind, braucht sie dringend weitere Mitarbeiter – denen sie aber ledig lich den rumänischen Mindestlohn anbie ten will. Als sich niemand findet, engagiert sie drei Männer aus Sri Lanka. Und sie he da, im Protest gegen die neuen „Frem den“ schließen sich in überraschender Eile jahrhundertalte Gräben zwischen Rumä nen, Deutschen und Ungarn.

Den Höhepunkt von „R.M.N.“ bildet eine in einer Einstellung gedrehte Gemeinde versammlung, die zugleich ein filmisches und ein intellektuelles Bravourstück ist. Mungiu hat sich von einem realen Vor bild inspirieren lassen und malt in der Vielstimmigkeit der sich Luft machenden

Matthias (Marin Grigore) und Csilla (Judith Slate) auf der Gemeindever sammlung

Ressentiments ein erschreckendes Porträt genau jener rechtspopulistischen Stim mung, die sich, wie es die jüngsten Wahl ergebnisse so schmerzhaft demonstrieren, in Ost und West, im Norden und im Sü den Europas ausgebreitet hat.

Jenseits der alle einenden Xenophobie gegen die neuen Fremden, die man schon we gen ihrer Hautfarbe für „nicht integrier bar“ hält, kommen weitere Gekränkthei ten und Vorurteile zum Vorschein, nicht zuletzt gegen Umweltschutzauflagen und andere „Diktate“ der Europäischen Union, von der man sich fremdbestimmt fühlt.

„Bald dürfen wir nicht mehr ‚Mama‘ und ‚Papa‘ sagen!“, klagt eine Bürgerin in wil der Transphobie.

Gartenbau: Fr, 21.10., 15.30 (OmenglU)

Stadtkino: Di, 25.10., 23.00 (OmenglU)

Über die wahren Missstände aber reden sie nicht, sind sie doch selbst Opfer des Lohngefälles, das dafür sorgt, dass Männer wie Matthias Arbeit in Deutschland suchen. Davor, dass es den Menschen in Sri Lan ka ebenso ergehen könnte, weshalb sie für einen Mindestlohn nach Rumänien kom men, verschließt man willentlich die Au gen – vielleicht auch, weil es das Gefühl der Ohnmacht nur verstärken würde. Mungius Film ist reine Anamnese, der Behandlungs plan muss anderswo erstellt werden. F

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KLAGT EINE BÜRGERIN IN WILDER TRANSPHOBIE
Barbara Schweizerhof lebt als Filmkritikerin in Berlin und Frankfurt und ist Redakteurin der Zeitschrift epd-Film
FOTO:
MOBRA FILMS

selbst kenne meine Geheimnisse nicht“

Vincent Lindon ist ein französischer Schauspieler alter Bauart. Seine Rol len sind es zumeist auch, und die Sätze, die er spricht, scheinen auf gute Weise auch irgendwie aus der Vergangenheit zu kom men. Seit den späten 1980er-Jahren im Ge schäft, hat er mit Regisseuren wie Claude Sautet, Benoît Jacquot und Claude Le louch gedreht. „Der Wert des Menschen“ von Stéphane Brizé über einen Langzeit arbeitslosen im Kampf um Geld und Wür de brachte ihm 2015 den Darstellerpreis in Cannes und auch den César ein. Die junge Horrorfilm-Ikone Julia Ducournau mach te ihn 2021 in „Titane“ zum durchtrainier ten Feuerwehrmann mit Spritzenproblem und Liebesbedürfnis (eine sehr unvollstän dige Zusammenfassung) und damit auch einer jüngeren Generation auf der ganzen Welt bekannt.

Regiegröße Claire Denis füllte mit „Lindon raucht schön und trägt ein wei ßes Hemd, das er auch auszieht“ einen

»Filmemachen ist, als ob man alle drei Monate seine Familie wechselt

schnellen, kleinen räudigen Film namens „Les Salauds“ (2013). Ihre erste gemein same Arbeit, „Vendredi soir“, ein nächt liches Kammerspiel für zwei Personen, datiert von 2002. In „Avec amour et achar nement“ (deutsch: „Mit Liebe und Ent schlossenheit“) spielt er einen ehemaligen Rugbyspieler in einer Dreiecksgeschichte um Juliette Binoche. Ein Gespräch über die Lächerlichkeit des Berufs, das Älter werden und die Leidenschaft.

Falter: Sie drehen aktuell viel, Monsieur Lindon, ist das anstrengend? Vincent Lindon: Eine Figur strengt mich nie an. Ich bin manchmal erschöpft von den Dingen vor dem „Action!“ und nach dem „Cut!“, aber nie von denen dazwischen. Fil memachen ist, als ob man alle drei Mona te seine Familie wechselt. Kino beschleu nigt alles: Du liebst schneller, du verlässt Leute schneller, das ist wie ein Sprint. Es kommt darauf an: Ist man ein Warmblü ter oder ein Kaltblüter? Ist man eine Katze oder ein Hund? Ich bin ein Hund. Ich bin sehr emotional. Und ich versuche, all diese

Menschen in meinem Herzen zu behalten, da schleppt man ganz schön viel mit. Aber ehrlich, ich lebe jetzt auch nicht in Bosnien oder Mali. Wir sind einfach nur Schauspie ler, wir sollten im Grunde die Klappe hal ten. Manchmal lese ich: „Ich bin für diesen Film ein großes Risiko eingegangen“, und dann denk ich mir: Schätzchen, wirklich? Warst du im Krieg? Man wird um sieben Uhr morgens mit einer Limousine zuhau se abgeholt, und wenn man einen Kaffee will, rennen sofort drei Leute los. Bleiben wir doch bitte am Boden.

Hat „Titane“ etwas verändert für Sie? Kam ein anderes Publikum dazu?

Lindon: Wenn man die Goldene Palme be kommt, dann läuft der Film überall. Ich war überall, in New York, in London, in Rom, in Madrid, in Argentinien. Man ist der Botschafter der Goldenen Palme. Aber tatsächlich habe ich inzwischen mehr Angst, ans Set zu gehen als vorher. Ich bin angespannter. Wenn man älter wird, wird man gehemmter, weil man weiß, was die sen Beruf eigentlich ausmacht. So wie ein

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INTERVIEW: JULIA PÜHRINGER
Schauspieler sind privilegiert, meint Vincent Lindon, hier in „Avec amour et acharnement“ mit Juliette Binoche, „wir sollten im Grunde die Klappe halten“
VINCENT LINDON
„Ich
Ein Star für alle Fälle: In Claire Denis’ neuem Film spielt Vincent Lindon einen ehemaligen Rugbyspieler FOTO: VIENNALE

Rennfahrer: Wenn man 22 ist und man gewinnt den Grand Prix, dann fährt man weiter, aber selbst Lewis Hamilton hat in zwischen Angst, weil er Angst vorm Ster ben hat. Und nun habe ich jeden Tag Angst vor jeder Szene, vor jedem Take, es gibt diesen kleinen Vincent in mir, der mir auf die Schulter klopft und sagt: „Hör mal, das ist doch völlig lachhaft, ist das echt unser Beruf? So sorgst du für deine Kin der? Das ist doch nicht dein Ernst.“ Früher habe ich gedacht, vor mir hat nichts exis tiert und nach mir existiert nichts. Heute weiß ich es besser. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann ist das angenehm, weil man sich nicht so ernst nimmt, aber es ist auch traurig, weil der Traum vorbei ist. Um den Song von John Lennon zu paraphrasie ren: „I was the walrus – but now I’m John“.

Aber Sie machen Filme, an die Sie glauben, das ist schon auch ein Traum.

Lindon: Ja, sicher. Meine Freiheit kostet et was, aber sie hat keinen Preis. Ich sage zu vielen Projekten nein. Ich muss in der Lage sein zu sagen: Niemand anderer kann die se Rolle spielen, sie ist für mich geschaf fen. Aber das ist selten.

Hat Claire Denis die Rolle des ehemaligen Rugbyspielers Jean eigens für Sie geschrieben?

Lindon: Die Rolle war mir nicht auf den Leib geschneidert. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet, bis sie mir schließlich ge passt hat wie ein Anzug.

Ihre Figur umgibt ein Mysterium. Haben

Sie das gedanklich gefüllt oder da eine Leerstelle gelassen?

Lindon: Ehrlich, meine Antwort wäre sehr langweilig. Ich denke nicht, wenn ich spie le, ich bin kein psychologischer Schauspie ler. Wenn ich die Rolle habe und das Dreh buch, lese ich es, und dann passiert drei, vier Monate lang nichts. Aber während ich nichts tue, arbeitet das Unbewusste. Ich selbst kenne meine Geheimnisse nicht.

Sie wirken etwas ermattet.

Lindon: Ich liebe diesen Job sehr, aber ich brauche das nicht mehr, dass ich noch alle fragen will: „Liebt ihr mich noch?“ Ich bin kein junger Bursche mehr. Ich bin er wachsen. Ich habe inzwischen ganz andere Probleme: den Tod, das Älterwerden, Kin der großzuziehen. Ich habe keine Zeit zu verschwenden.

Was ist das Dümmste, das Sie je aus Liebe gemacht haben?

Filme von Claire Denis auf der Viennale

F

Lindon: Oh, viel! Liebe ist nett, das ist dieses große Wort, aber wenn man wirk lich liebt, dann ist das ja Leidenschaft. Es ist die Haut, der Geruch, wenn man sich nach jemandem verzehrt und dann drehst du durch. Es ist wie ein Knochen für den Hund. Das ist meine Frau, mein Mann, don’t fuck with me! Und dann wird man verrückt. Man hat Energie wie nie sonst. Man kann eine Nacht lang auf der Straße warten mit drei Schachteln Zigaretten, bis man in einem Zimmer im fünften Stock das Licht angehen sieht. Man ist immer glücklich, man braucht keinen Schlaf, man liebt alle.

Julia Pühringer ist Redakteurin des Fernsehmagazins Tele. Für den Falter interviewt sie Filmstars und Regisseurinnen auf den Festivals von Berlin bis Cannes

Avec amour et acharnement Gartenbau: Di, 25.10., 13.00 (OmenglU) Stadtkino: Di, 1.11., 20.30 (OmenglU)

Ein blinder Fleck. Das waren Claire Denis und ihre Filme für die Viennale über vie le Jahre. Keines ihrer Hauptwerke wurde – dem spätpubertären Bestemm des da maligen Direktors sei’s gedankt – je auf dem Festival gezeigt: weder „Beau travail“ (1999) noch „Trouble Every Day“ (2001) oder „L’Intrus“ (2005). Und auch regulär ins Kino kamen sie bei uns, wenn über haupt, nur mit mehrjähriger Verspätung.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet, heuer etwa ist Denis mit gleich drei Arbei ten bei der Viennale präsent. Neben dem Liebesfilm „Avec amour et acharnement“ (siehe Interview) steht ihre Verfilmung von Denis Johnsons Nicaragua-Roman „Stars at Noon“ mit Margaret Qualley auf dem Pro gramm. Und in Erinnerung an Michel Su bor, ihren Anfang des Jahres verstorbenen Lieblingsschauspieler, hat Denis den Trai ler „Le Soldat“ für die Viennale gestaltet.

dem

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FOTO: VIENNALE

Fragen an die Zukunft

Der weibliche Blick wird die Zukunft des französischen Autorenkinos maßgeblich prägen: neue Filme von Alice Diop, Rebecca Zlotkowski, Mia Hansen-Løve und alten Bekannten

Ende September erhitzte das Cover der Zeitschrift Le film français die Gemüter im Hexagon. Auf eine so heftig und brei tenwirksam anschwellende Aufmerksam keit war die Redaktion nicht vorbereitet, denn sie verantwortet ein Branchenblatt, das sich überwiegend an Insider richtet.

Das Umschlagmotiv erregte nicht nur deshalb Empörung, weil die Schlagzeile mulmig an das Wahlprogramm des Rechts auslegers Éric Zemmour erinnerte: „Objec tif: Reconquete!“ – Ziel: Rückeroberung! Die Konsolidierung des Kinogeschäfts nach der Pandemie hätte man sich gewiss we niger martialisch herbeiwünschen können. Der größere Eklat bestand freilich darin, dass die Gestalten, denen die Zeitschrift diese Wiedergeburt quasi als Mandat an trug, ausnahmslos männlich sind. In der Mitte des heroischen Ensembles steht Jé rome Seydoux, der mächtige Chef des Kon zerns Pathé, der umringt wird von sechs Schauspielern, darunter Dany Boon, Guil laume Canet und Vincent Cassel.

Als Erste erhob Audrey Diwan, letztjährige Ge winnerin des Goldenen Löwen in Venedig für „Das Ereignis“, Einspruch: Warum legt das Blatt die Zukunft des heimischen Ki nos nicht auch in weibliche Hände? Etwa in die der Regisseurin Alice Diop, die mit „Saint Omer“ kurz vorher in Venedig gleich zwei Preise gewonnen hat?

Tatsächlich handelte es sich bei dem Cover um eine verkappte Werbung für die

Gerhard Midding, freier Filmkritiker und Übersetzer in Berlin, schreibt u.a. für Berliner Zeitung, Die Welt, epd-Film und den Falter

Die einzelnen Termine finden Sie in der Heftmitte und im Filmlexikon ab Seite 22

nächsten Filmstarts von Pathé, darunter eine Neuverfilmung der „Drei Musketie re“, die die Welt eventuell gar nicht mehr braucht. Aber auch Missverständnisse weisen mitunter in die rechte Richtung. Die Auswahl der Viennale jedenfalls lie fert zahlreiche triftige und glänzende Ar gumente dafür, dass der weibliche Blick maßgeblich die Zukunft des französischen Autorenkinos prägen wird.

Die gelernte Dokumentaristin Diop ist mit ihrem Spielfilmdebüt ebenso vertreten wie Valeria Bruni-Tedeschi, Claire Denis, Mia Hansen-Løve, Léonor Seraille und Rebecca Zlotkowski. Auch die männlichen Filme macher können sich (mit Ausnahme von Mathieu Amalric und Michel Hazanivizi us) eher geringe Chancen ausrechnen, auf dem Cover der Branchenpostille zu lan den: Es sind gestandene Außenseiter. Die Liste reicht von Bertrand Bonello über Eu gène Greene und Alain Guiraudie bis Pie tro Marcello, dem italienischen Neuzugang im hexagonalen Kino.

Dieses präsentiert sich in Wien nicht nur weitestgehend Pathé-frei, sondern zu dem in staunenswerter Vielgestaltigkeit. In Greenes „Le Mur des morts“ („The Wall of the Dead“) begegnet ein zeitgenössi scher Flaneur einem Gefallenen des Ers ten Weltkriegs und wird in dessen Fami liengeschichte verstrickt. Der in New York geborene Franzose, an dem ein Kunsthis toriker verlorengegangen ist, entdeckt hier

die transzendentale Strenge von Bresson und Dreyer und erzählt einen Bildungsro man, der zwischen der Verantwortung für Historie und Zukunft ein Plädoyer formu liert für eine unbedingte Neugier auf die Gegenwart.

Auch der poetische Assoziationskünst ler Marcello wählt in „L’Envol“ („Scarlet“) den Großen Krieg als Ausgangspunkt: Ein verwitweter Heimkehrer sorgt für seine Tochter – deren leiblicher Vater er nicht ist –, die zu einer jungen Frau mit bemer kenswerten musischen und magischen Ta lenten heranwächst. Guiraudies „Viens, je t’emmène“ („Nobody’s Hero“) beginnt mit dem Liebeswerben um eine sturmerprobte Prostituierte (dargestellt von der Regisseu rin Noémie Lvovsky, die auch bei Marcel lo eine wunderbar stattliche Rolle spielt), um dann von der Privatsphäre zur politi schen zu extrapolieren.

Bonello wiederum hat mit „Coma“ einen waschechten, mithin passagenweise ba nalen Lockdown-Film gedreht: klaustro phob, ratlos, von Bildschirmen fasziniert und von dystopischem Raunen überwölbt. Das junge Mädchen, das sich im Hausar rest in morbiden Träumen und Zoom-Kon ferenzen sowie den Einflüsterungen einer vielseitigen Influencerin verliert, könnte seine eigene Tochter sein. Hartgesottene Postmoderne, die nicht entscheiden mag, wem sie mehr misstraut: der Verzweiflung oder der Zuversicht.

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In Alice Diops Gerichtssaalfilm „Saint Omer“ verfolgt die Schriftstellerin Rama (im Bild: Kayije Kagame) empathisch den Prozess um einen Kindsmord
RUNDSCHAU: GERHARD MIDDING

In den Filmen der Regisseurinnen ver dichtet sich das übergreifende Thema der transmission, der Weitergabe, in realisti schen Alltagsdramen. Allerdings öffnet sich Diops Gerichtsfilm „Saint Omer“ für kurze Momente durchaus dem Okkulten, Gespenstischen. Eine junge Migrantin aus dem Senegal ist angeklagt, ihre 15 Mona te alte Tochter getötet zu haben; sie beruft sich auf Hexerei, höhere Mächte.

Das Drehbuch, an dem die Schriftstel lerin Marie Ndiaye mitgearbeitet hat, ist spiegelbildlich konstruiert. Eine junge Ro manautorin mit ähnlichen Wurzeln ver folgt empathisch den Prozess (ebenso wie die Regisseurin den wahren Fall im Ge richtssaal begleitete, der ihrem Film zu grunde liegt) und entdeckt dabei vieles, das auch ihre eigene Biografie prägte: den er stickenden Schatten der Mutter, den laten ten, oft subtilen Rassismus im Einwande rungsland Frankreich.

Diop fällt kein Urteil, sondern will er gründen, wie eine vielversprechende Stu dentin sich selbst und ihr Kind im Exil dem Verschwinden überantworten kann. Man spürt, dass die Regisseurin vom Do kumentarfilm kommt – die Zeugenaussa gen scheinen in Realzeit gefilmt –, die for male Strenge ihrer Inszenierung sowie ihre eindrucksvollen Darstellerinnen verleihen den Gerichtsszenen indes eine schillern de Intensität.

„Un pétit frère“ („Mother and Son“) von Léonor Serraille ist ein wunderbares Gegenstück zu „Saint Omer“: die Chro nik der Anstrengungen einer Frau aus der Elfenbeinküste, in Frankreich ein selbst bestimmtes Leben zu führen. Mit großer Sensibilität für Nuancen schildert der in Cannes sträflich übersehene Film, welche Risse in der Ferne durch Biografien und Familien gehen.

Valeria Bruni-Tedeschi setzt in „Les Aman diers“ („Forever Young“) die munter-tra gikomische filmische Aufarbeitung ihrer eigenen Biografie fort; nun erzählt sie von ihrer éducation théatrale im Unterricht bei Patrice Chéreau.

Auch „Un beau matin“ („One Fine Morning“) und „Les Enfants des autres“ („Other People’s Children“) sind lebensge schichtlich grundiert. Im ersten schildert Mia Hansen-Løve, wie die Erkrankung ihres Vaters eine verwitwete Dolmetsche rin in eine existenzielle Krise stürzt. Der ehemalige Philosophieprofessor leidet am Benson-Syndrom, das ihm sein Augenlicht und die Erinnerung raubt; Pascal Greggory spielt ihn als einen höflich Erlöschenden, der sich die Lebensneugier nach Kräften bewahrt. Die unvermeidliche Léa Seydoux ist diesmal höchst willkommen als allein erziehende Mutter, die sich auf eine neue, ungewisse Liebe mit einem alten Freund einlässt und zugleich das Erbe des Vaters pflegen will.

„Un beau matin“ ist bürgerliches Kino im besten französischen Sinne – ihr Dreh buch hätte auch einen hervorragenden Sau tet- oder Téchiné-Film hergegeben –, in das die Regisseurin ihre ganz eigene, rationale Empfindsamkeit einbringt. Ihre vielstim mige Befragung des Alltäglichen und der Tragfähigkeit familiärer Bindungen fin det eine überraschende, ebenso themati sche wie atmosphärische, Entsprechung in

Oben: „Un beau matin“ mit Léa Seydoux als alleinerziehender Mutter

Links: „Coma“, dystopischer LockdownFilm zwischen Essay und Fantasy

Unten: „L’Envol“, ein Film des poetischen Assoziationskünstlers Pietro Marcello

Ganz unten: „Le Mur des morts“ versetzt einen 1918 Gefallenen ins Heute

„Les Enfants des autres“. Rebecca Zlot kowskis beschwingtes Melodram, das auf ihrer Beziehung zu dem Regiekollegen Jacques Audiard basieren soll, handelt von der 40-jährigen, engagierten Lehrerin Ra chel (Virginie Efra), die sich in den Auto designer Ali (Roschdy Zem) verliebt und behutsam ein Verhältnis zu dessen kleiner Tochter Leila aufbauen will.

Die beiden Regisseurinnen haben fast Zwil lingsfilme gedreht – achten Sie nur ein mal darauf, wie souverän sie jeweils mit der Befangenheit umgehen, als die Kin der im Bett des Vaters respektive der Mut ter einen neuen Gefährten/eine neue Ge fährtin antreffen! Während ihre Beziehung zu Leila zwischen Anziehung und Abwei sung schwankt, entdeckt Rachel, dass sie noch an einer anderen Lebensschwelle steht. Bisher hat sie Sorge getragen für die Kinder der anderen, nun muss sie sich Rechenschaft ablegen, ob sie nicht selbst Mutter werden will. Ihr Gynäkologe (der Dokumentarfilm-Veteran Frederick Wise mann in einer verschmitzten Gastrolle) ge mahnt geduldig daran, dass ihre biologi sche Uhr tickt.

Welche Erkenntnisse und Entscheidun gen diese Sinnsuche bereithält, inszeniert Zlotkowski mit einer beschwerten, elasti schen Heiterkeit, die in jeder Tonlage si cher ist. Ein Kino, dessen Einzelpositionen so intensiv aufeinander antworten, hat die Rückeroberung längst geschafft.

F

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FOTOS: VIENNALE

Spiel mir das Lied vom Fremden

Schroff, grau liegt in der ersten Einstellung ein großer Felsen in der nebeligen Landschaft. Ein elegi scher Chor kündigt Tragisches an. Der Schweizer Michael Koch versetzt in seinem stillen Drama „Drii Winter“ die Figuren in ein abgelegenes Berg bauerndorf im Kanton Uri. Anstatt die Weite der Landschaft in Cinema Scope zu betonen, fasst er die Men schen im engen 4:3-Format ein.

Die Landschaft ist karg, die Men schen sind spröde. Hier keimt die zar te Liebe von Anna (Michèle Brand) und Marco (Simon Wisler). Die al leinerziehende Mutter mit Tochter aus einer früheren Beziehung kell nert abends, untertags fährt sie die Post aus. Der bullige, wortkarge Mar co hingegen hilft beim Bergbauern Alois aus. Am Stammtisch wird ge redet. Der Neue aus dem Flachland

– ist er der Richtige für Anna? Kann er arbeiten? Schon dass Marco am Eistee nippt statt an einem Bier, ist verdächtig genug. Schließlich heira tet Anna Marco trotz der zweifelnden Blicke und Worte im Dorf.

Bei so viel Hochgefühl ahnt man schon, dass die Tragödie nicht mehr fern ist. Plötzlich vergisst Marco eine Kuh im Schnee, klagt über pochendes Kopf weh und ein Motorradausflug endet im Graben. Er bleibt unversehrt, doch der Spitalsarzt entdeckt etwas viel Be drohlicheres: einen Gehirntumor, der seine Persönlichkeit und Impulskon trolle beeinflusst.

Koch rahmt die Liebesgeschichte mit dokumentarischen Beobachtun gen: Heuballen, die surrend aus dem Nebel der Berge an Stahlseilen hinab gleiten; Hänge so steil, dass die Arbeit

dort einer Mutprobe gleicht. Zugleich unterteilt er die Erzählung in einzel ne Akte: Der Trachtengesangsverein kommentiert wie in einer griechischen Tragödie das heraufziehende Drama. Dieser Kontrast verleiht dem medi tativen Film eine entrückte Qualität, die das Laienpaar Brand (im Brotbe ruf Architektin) und Wisler (selbst Bergbauer) mit seinem natürlichen Spiel bemerkenswert ergänzt.

Marcos Verhalten wird zunehmend erratisch, bis die kleine Familie unter dem Druck zerbricht und Anna – nach dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs – Marco verlässt. Der herausfordern de Film zieht aus dem Verhältnis von Mensch, Tier und Natur eindrückliche Allegorien über Nutzen und Konven tionen und betont am Ende die Kraft der inneren Stärke, die die zierliche Anna in sich trägt.

Wie ein inneres Band zerbricht, er zählt das Drama „Close“ des belgi schen Regisseurs Lukas Dhont. Die 13-jährigen Buben Léo (Eden Dam brine) und Rémi (Gustav De Waele) sind seit Ewigkeiten beste Freunde, die eine unschuldige Intimität teilen. Gegenseitig jagen sie sich durch bun te Blumenfelder, teilen sich ein Bett und eine Decke. Ihre Eltern akzep tieren ihre Freundschaft als das, was es ist: eine kostbare Verbindung, die ohne Wertung sein darf.

Ein neues Schuljahr beginnt. Die un schuldige Frage einer Klassenkolle gin ändert alles: „Seid ihr ein Paar?“ Der Moment, in dem die Intimität zwischen zwei Buben von außen ge deutet wird: Das, was sich natürlich anfühlte, wird plötzlich fremd. Der

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Kino auf Identitätssuche: „Drii Winter“ von Michael Koch, „Close“ von Lukas Dhont und der Eröffnungsfilm der Viennale, „Vera“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel Unauffällig geht anders: Vera Gemma spielt sich in „Vera“ mit Cowboyhut selbst und sucht ihren Platz in der römischen High Society
FOTO: VENTO FILM
blonde Léo zieht sich zurück, weicht

Rémis Berührungen aus. Statt Zeit mit seinem Freund zu verbringen, versucht er sich an genormten Codes von Männlichkeit, trägt sich ins Eis hockeyteam ein. Als Léo auf den ge meinsamen Schulweg mit Rémi „ver gisst“, eskaliert die Situation. Ein Wort gibt das andere, ein Schubser, ein Schlag. Es kommt zum Bruch. Rémi bleibt mit Unverständnis zu rück und selbst Léo kann sein Ver halten wohl nicht in Worte fassen.

Wie in der ersten Hälfte des Films die Entfremdung einer Freundschaft sensibel erzählt wird, ist großteils der Darstellung der Buben geschul det. Eden Dambrine in seiner Rolle als Léo ist hier noch ein Stück mehr hervorzuheben. Wie es ihm gelingt, nur mit Blicken Schichten von Emo tionen freizulegen, ist beeindruckend.

Doch um die Erzählung fortzu setzen, ist hier explizit ein „SpoilerAlarm“ gesetzt: Nach einem Schul ausflug ohne Rémi stehen unvermutet die Eltern vor dem Bus. Es ist etwas passiert: Rémi ist nicht mehr da. Hier schwenkt der Film auf Léos unaus gesprochene Schuldgefühle um, Ré mis Suizid bleibt dagegen mysteriös.

Léo, unfähig zu trauern, lenkt sich mit der Arbeit auf den Dahlienfeldern seiner Eltern ab. Blumen ernten, Blu men pflanzen, Monate vergehen. In seiner Orientierungslosigkeit sucht er die Nähe von Rémis Mutter (Émi

Martin Nguyen

Filmemacher

Programmredaktion

einzelnen

Falter:Woche

lie Dequenne), die selbst Trost in den Begegnungen findet. Der Film ist ein herzzerreißendes, cineastisches Erleb nis über Schuld und Vergebung und mündet in einen Höhepunkt, der dem Ende von „Le fils“ (2002) der Brü der Dardenne nicht unähnlich scheint.

Wer man zu sein hat, ist noch schwieri ger, wenn der eigene Vater schon wer war. Vera Gemma, Sprössling des Italowestern-Beaus Giuliano Gemma, will mehr sein als nur „die Tochter“. Im neuen Film „Vera“ des österreichi schen Filmemacherpaars Tizza Covi und Rainer Frimmel, der die heurige Viennale eröffnet, spielt sich Gemma quasi selbst.

Im Covi/Frimmel-Universum, das sich durch körniges 16-mm-Material, Laienensemble und semidokumenta rischen Ansatz auszeichnet, entfaltet sich ein Spielfilm über Erbe, Identi tät und Schönheit. Die Handkame ra Frimmels folgt Vera – mit langen, blonden Haaren und Cowboyhut kei ne unscheinbare Gestalt – durch die Straßen Roms; vom erfolglosen Cas ting zur nächsten VIP-Party, auf der Suche nach ihrem Platz in der Ge sellschaft versucht die Schauspielerin aus dem Schatten des bekannten Va ters zu treten.

„Schönheit in meiner Familie war ein Muss“, verrät sie der Bedienung einer kleinen Bar. Sie habe sich ihre eigene Norm geschaffen: Je mehr sie

einer Transperson gleicht, desto schö ner fühle sie sich. Auch wenn das Skalpell nachhelfen muss. Ihrem jun gen Geliebten und Regisseur soll ihr berühmter Name Türen öffnen, doch ihr selbst bleiben viele Türen dadurch verschlossen.

Vera ist ein guter Lodsch; eine tra gische Figur, die ihre Selbstzweifel hinter schicken Markenkleidern und ihrer künstlich erhaltenen Jugend zu verbergen trachtet. Zu oft wurde ihre Gutmütigkeit schon ausgenützt. Als ihr loyaler Fahrer Walter (Walter Saa bel) den achtjährigen Manuel (Sebas tian Dascalu) und seinen Vater Daniel (Daniel De Palma) auf dem Moped anfährt, beginnt eine Reise zu den Rändern Roms.

Vera kompensiert den Schaden und in ihrer Einsamkeit blüht sie in der Fürsorge für den verletzten Manuel auf. Sie wird Teil der kleinen Fami lie, freundet sich mit dem alleinerzie henden Vater an, der kaum die Rech nungen zahlen kann. Doch bald muss sie sich eingestehen, auch hier wird sie nur benutzt. Die Mauern zwischen den Klassen wirken hier ebenso un überwindbar wie in der High Society.

Geschickt verwebt der Film Fik tion und Realität, die Figur/Person Vera gewinnt durch ihre schonungs lose Darstellung – und dennoch ist ihr eines geblieben: der Glaube an das Gute im Menschen. F

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VIENNALE 22 FALTER 15
Léo
(Mitte) trauert in „Close“ einer Freundschaft nach Eine Liebesgeschichte in den Schweizer Bergen: „Drii Winter“
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Termine finden Sie in der Heftmitte und im Lexikon ab Seite 22FOTOS: MENUET, EFP Hersteller: URSAPHARM Arzneimittel GmbH, Industriestraße 35, 66129 Saarbrücken; Vertrieb Österreich: URSAPHARM Ges.m.b.H., 3400 Klosterneuburg, www.ursapharm.at Informationen, Tipps & Tricks unter hylo.at
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DER

21.10.

12.30 Sparta (Ulrich Seidl, Ö/D/F 2022, OmenglU, 101 min)

15.45 Les Passagers de la nuit (Mikhaël Hers, F 2022, OmU, 111 min)

Women

Crimes of the Future (David Cronenberg, GR/GB/CAN 2022, OmU, 107 min)

Mutzenbacher (Ruth Beckermann, Ö 2022, OmenglU, 101 min)

The Listener (Steve Buscemi, USA 2022, OF, 96 min)

Mi país imaginario (Patricio Guzmán, CHL/F 2022, OmenglU, 83 min)

Rewind & Play (Alain Gomis, F/D 2022, OmenglU, 65 min)

Session#1: Fires of Forough (Ebrahim Golestan et al., IRN 1958–1962, OmenglU, 93 min)

Mes voisins (Med Hondo, F 1971, OmenglU, 35 min) Lumière noire (Med Hondo, F 1993, OmenglU, 103 min)

22.00 À vendredi, Robinson (Mitra Farahani, F/CH/IRN/LBN 2022, OmenglU, 96 min)

12.30 Les Amandiers (Valeria Bruni Tedeschi, F 2021, OmenglU, 126 min)

Aftersun (Charlotte Wells, GB/USA 2022, OmenglU, 98 min)

17.30 Zhena Chaikovskogo (Kirill Serebrennikov, RUS/F/CH 2022, OmU, 143 min)

All the Beauty and the Bloodshed (Laura Poitras, USA 2022, OF, 117 min)

Falcon Lake (Charlotte Le Bon, CAN/F 2022, OmenglU, 100 min)

Keiko, me wo sumasete (Miyake Sho, J/F 2022, OmenglU, 99 min)

Father’s Day (Kivu Ruhorahoza, RWA 2022, OmenglU, 111 min)

15.15 Mato seco em chamas (Adirley Queirós, Joana Pimenta, BRA/P 2022, OmenglU, 163 min)

Akyn (Darezhan Omirbayev,

10.30 Nuit obscure –Feuillets sauvages (Sylvain George, F/CH 2022, OmenglU, 265 min)

Session#2: Jewels of Earth, Part I (Ebrahim Golestan et al., IRN 1961–1965, OmenglU, 59 min)

18.15 Les Bicots-nègres, vos voisins (Med Hondo, F/MRT 1973/74, OmenglU, 102 min)

Die Krise ist der Markt (Ö 1978–2010, OmenglU, 96 min)

Living (Oliver Hermanus, GB 2022, OF, 102 min)

15.00 Zorn I (2010–2016) (Mathieu Amalric, F 2016, englOF, 54 min) Zorn II (2016–2018) (Mathieu Amalric, F 2018, englOF, 59 min) Mein Satz (Amina Handke, Ö 2022, OmenglU, 85 min)

Lars Eidinger –Sein oder nicht sein (Reiner Holzemer, D 2022, OmenglU, 91 min)

Enys Men (Mark Jenkin, GB 2022, OF, 91 min)

Tengo sueños eléctricos (Valentina Maurel, B/CRI/F 2022, OmenglU, 100 min)

13.30 Mutter (Carolin Schmitz, D 2022, OmenglU, 88 min)

Un petit frère (Léonor Serraille, F 2022, OmenglU, 116 min)

Falcon Lake (Charlotte Le Bon, CAN/F 2022, OmenglU, 100 min)

Unrueh (Cyril Schäublin, CH 2022, OmU, 93 min)

SO, 23.10.

12.30 Heojil kyolshim (Park Chan-wook, KOR 2022, OmenglU, 139 min)

Armageddon Time (James Gray, USA 2022, OmU, 114 min)

Eismayer (David Wagner, Ö 2022, OmenglU, 87 min)

Pacifiction (Albert Serra, F/E/D/P 2022, OmU, 163 min)

Session#3: Jewels of Earth, Part II (Ebrahim Golestan et al., IRN/GB 1952-1965, OmenglU, 64 min)

13.00 Soleil ô (Med Hondo, F/MRT 1969, OmenglU, 98 min)

16.15 Akyn (Darezhan Omirbayev, KAZ 2021, OmenglU, 105 min)

19.00 Pamfir (Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk, UKR/F/P/ CHL/LUX/D 2022, OmenglU, 106 min)

21.30 Session#4: Khesht va ayeneh (Ebrahim Golestan, IRN 1964, OmenglU, 130 min)

12.30 Herbaria (Leandro Listorti, ARG/D 2022, OmenglU, 83 min)

15.00 À vendredi, Robinson (Mitra Farahani, F/CH/IRN/LBN 2022, OmenglU, 96 min)

17.30 Afterwater (Dane Komljen, D/KOR/E/SRB 2022, OmU, 93 min)

20.15 Viens je t’emmène (Alain Guiraudie, F 2022, OmenglU, 100 min)

L’Envol (Pietro Marcello, F/I/D 2022, OmU, 100 min)

E noite na América (Ana Vaz, I/F/BRA 2022, OmenglU, 66 min)

13.30 Unrueh (Cyril Schäublin, CH 2022, OmenglU, 93 min)

Human Flowers of Flesh (Helena Wittmann, D/F 2022, OmenglU, 106 min)

18.45 Nuclear Family (Travis Wilkerson, Erin Wilkerson, USA/SG 2021, OmU, 96 min)

Enys Men (Mark Jenkin, GB 2022, OF, 91 min)

MO, 24.10.

Film Socialisme (Jean-Luc Godard, CH 2010, OmU, 102 min)

All the Beauty and the Bloodshed (Laura Poitras, USA 2022, OF, 117 min)

Matter Out of Place (Nikolaus Geyrhalter, Ö 2022, OmU, 105 min)

21.00 Family Dinner (Peter Hengl, Ö 2022, OmenglU, 96 min)

DI, 25.10.

6.30 Armageddon Time (James Gray, USA 2022, OmU, 114 min)

13.00 Avec amour et acharnement (Claire Denis, F 2021, OmenglU, 116 min)

Tori et Lokita (Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne, B/F 2022, OmenglU, 88 min)

The Fire Within: A Requiem for Katia and Maurice Krafft (Werner Herzog, F/GB/CH/USA 2022, dF, 81 min)

21.00 A Little Love Package (Gastón Solnicki, Ö/ARG 2022, OmU, 81 min)

23.15 Family Dinner (Peter Hengl, Ö 2022, OmenglU, 96 min)

MI, 26.10.

Khers nist (Jafar Panahi, IRN 2022, OmenglU, 107 min)

Stars at Noon (Claire Denis, F 2022, OmenglU, 137 min)

18.15 Viens je t’emmène (Alain Guiraudie, F 2022, OmenglU, 100 min)

21.15 Theater of Thought (Werner Herzog, USA 2022, OF, 107 min)

Apenas un delincuente (Hugo Fregonese, ARG 1948, OmenglU, 88 min)

Kurzfilmprogramm 1: Mirages (Ö/D/USA/GR/ARG/CAN 2022, 60 min)

Mutter (Carolin Schmitz, D 2022, OmenglU, 88 min)

Native Son (Pierre Chenal, ARG/USA 1951, englOF, 106 min)

Kurzfilmprogramm 2: Crises in Paradise (D/PAL/Ö/GEO 2022, 77 min)

Rokudenashi (Yoshida Kijū, J 1960, OmenglU, 88 min)

Herbaria (Leandro Listorti, ARG/D 2022, OmenglU, 83 min)

La bestia debe morir (Román Vinoly Barreto, ARG 1952, OmenglU, 92 min)

Kurzfilmprogramm 3:

Stories of Stars (CHN/E/USA 2020, 75 min)

A New Leaf (Elaine May, USA 1971, OF, 102 min)

Chi wa kawaiteru (Yoshida Kijū, J 1960, OmenglU, 87 min)

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg (Ö 1991–1997, OmenglU, 100 min)

13.45 No abras nunca esa puerta (Carlos Hugo Christensen, ARG 1952, OmenglU, 85 min)

Geographies of Solitude (Jacquelyn Mills, CAN 2022, OmU, 103 min)

Kurzfilmprogramm 3: Stories of Stars (CHN/E/USA 2020, 75 min)

Keiko, me wo sumasete (Miyake Sho, J/F 2022, OmenglU, 99 min)

Pamfir (Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk, UKR/F/P/ CHL/LUX/D 2022, OmenglU, 106 min)

Nuclear Family (Travis Wilkerson, Erin Wilkerson, USA/SG 2021, OmU, 96 min)

17.45 Human Flowers of Flesh (Helena Wittmann, D/F 2022, OmU, 106 min)

La edad media (Alejo Moguillansky, Luciana Acuña, ARG 2022, OmenglU, 90 min)

Três tigres tristes (Gustavo Vinagre, BRA 2022, OmenglU, 85 min)

Silver Bird and Rainbow Fish (Lei Lei, NL/USA 2022, OmenglU, 104 min)

13.30 Eismayer (David Wagner, Ö 2022, OmenglU, 87 min)

De humani corporis fabrica (Véréna Paravel, Lucien Castaing-Taylor, CHE/USA/F 2022, OmenglU, 117 min)

Un été comme ça (Denis Côté, CAN 2022, OmenglU, 137 min)

21.45 Zorn III (2018–2022) (Mathieu Amalric, F 2022, englOF, 78 min)

Polisario, un peuple en armes (Med Hondo, F/MRT 1978, OmenglU, 85 min)

Kurzfilmprogramm 4: Imagining Languages (Ö/CH/KAZ/KGZ 2022, 68 min)

Akitsu onsen (Yoshida Kijū, J 1962, OmenglU, 117 min)

The United States of America (James Benning, USA 2022, OF, 102 min)

Krise: Leben (Ö 1972–2018, OmenglU, 105 min)

14.00 Si muero antes de despertar (Carlos Hugo Christensen, ARG 1952, OmenglU, 73 min)

Mein Satz (Amina Handke, Ö 2022, OmenglU, 85 min)

Chiara (Susanna Nicchiarelli, I/B 2022, OmenglU, 106 min)

Shimen (Huang Ji, Otsuka Ryuji, J 2022, OmenglU, 148 min)

Incroyable mais vrai (Quentin Dupieux, F 2022, OmenglU, 74 min)

15.00 Matter Out of Place (Nikolaus Geyrhalter, Ö 2022, OmenglU, 105 min)

Zorn III (2018–2022) (Mathieu Amalric, F 2022, englOF, 78 min)

20.15 Lobo e Cão (Cláudia Varejão, P 2022, OmenglU, 111 min)

R.M.N. (Cristian Mungiu, RO/F/SWE 2022, OmenglU, 125 min)

Retour à Séoul (Davy Chou, F/B/D/QAT 2022, OmenglU, 119 min)

13.30 O trio em mi bemol (Rita Azevedo Gomes, P/E 2022, OmenglU, 127 min)

16.30 Fogo-Fátuo (João Pedro Rodrigues, P/F 2022, OmU, 67 min)

18.15 Monica (Andrea Pallaoro, USA/I 2022, OF, 106 min)

Pacifiction (Albert Serra, F/E/D/P 2022, OmenglU, 163 min)

12.30 West Indies ou les nègres marrons de la liberté (Med Hondo, F/ALG/MRT 1979, OmenglU, 115 min)

Kurzfilmprogramm 5: Ordinary Devotions (B/I/GB/Ö 2021–2022, 67 min)

Arashi o yobu juhachinin (Yoshida Kijū, J 1963, OmenglU, 108 min)

Schlachthäuser der Moderne (Heinz Emigholz, D 2022, OmenglU, 80 min)

A Little Love Package (Gastón Solnicki, Ö/ARG 2022, OmenglU, 81 min)

Afterwater (Dane Komljen, D/KOR/E/SRB 2022, OmenglU, 93 min)

Terra que marca (Raúl Domingues, P 2022, OmenglU, 66 min)

La edad media (Alejo Moguillansky, Luciana Acuña, ARG 2022, OmenglU, 90 min)

Vanskabte Land – Volaða Land (Hlynur Pálmason, SWE/DK/F/ISL 2022, OmenglU, 143 min)

11.45 Un été comme ça (Denis Côté, CAN 2022, OmenglU, 137 min)

Saint Omer (Alice Diop, F 2022, OmenglU, 122 min)

Werner Herzog – Radical Dreamer (Thomas von Steinaecker, D/E/USA/GB 2022, OmU, 113 min)

21.00 Coma (Bertrand Bonello, F 2022, OmenglU, 80 min)

23.15 Incroyable mais vrai (Quentin Dupieux, F 2022, OmenglU, 74 min)

Cette Maison (Miryam Charles, CAN 2022, OmenglU, 75 min)

13.15 Mutzenbacher (Ruth Beckermann, Ö 2022, OmenglU, 101 min)

Nous, étudiants! (Rafiki Fariala, CAF/F/COG/SAU 2022, OmenglU, 82 min)

Close (Lukas Dhont, B/F/NL 2022, OmenglU, 105 min)

Les amandiers (Valeria Bruni Tedeschi, F 2021, OmenglU, 126 min)

12.30 Sarraounia, an African Queen (Med Hondo, MRT/BFA/F 1986, OmenglU, 120 min)

Kurzfilmprogramm 6: Burning (USA/HK/GB/F 2021-2022, 76 min)

Buchpräsentation: Picturing Austrian Cinema

Mizu de kakareta monogatari (Yoshida Kijū, J 1965, OmenglU, 120 min)

SA, 22.10.
FR,
KAZ 2021, OmenglU, 105 min) Kaigenrei (Yoshida Kijū, J 1973, OmenglU, 110 min) 21.15 Tengo sueños eléctricos (Valentina Maurel, B/CRI/F 2022, OmenglU, 100 min) R.M.N. (Cristian Mungiu, RO/F/SWE 2022, OmenglU, 125 min)
Talking (Sarah Polley, USA 2022, OmU, 104 min) Sparta (Ulrich Seidl, Ö/D/F 2022, OmenglU, 101 min) Coupez! (Michel Hazanavicius, F 2022, OmU, 112 min) 12.30 Viennale-Trailer 2022 Vera (Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö/I 2022, OmU, 115 min) GARTENBAUKINO METRO KINOKULTURHAUS STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS URANIA FILMMUSEUM 13.00 15.30 18.00 20.30 23.00 11.00 13.30 16.00 18.30 21.00 13.00 15.30 18.00 20.30 23.00 11.00 13.00 13.00 15.30 16.00 18.00 18.30 20.30 21.00
FALTER-VIENNALE-PLANER 22

DO, 27.10.

6.30 The Menu (Mark Mylod, USA 2022, OmU,

13.00 The Whale (Darren

Les Enfants des autres (Rebecca Zlotowksi, F 2022, OmenglU, 103

Monica (Andrea Pallaoro, USA/I 2022,

21.00 The Banshees of Inisherin (Martin McDonagh, GB/IRL/USA 2022, OmU,

FR, 28.10.

Close (Lukas Dhont, B/F/NL 2022, OmU, 105 min)

Women Talking (Sarah Polley, USA 2022, OmU, 104 min)

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (Claudia Müller, D/Ö 2022, OmenglU, 96 min)

Bones and All (Luca Guadagnino, USA 2022, OF, 130 min)

23.15 Fumer fait tousser (Quentin Dupieux, F 2022, OmenglU, 80 min)

Bilderliebe und Bilderkrieg (Ö 1989–1999, OmenglU, 107 min)

Mamani in El Alto (Photographie und jenseits – Teil 35) (Heinz Emigholz, D 2022, 95 min)

El vampiro negro (Román Vinoly Barreto, ARG 1953, OmenglU, 90 min)

18.00 O trio em mi bemol (Rita Azevedo Gomes, P/E 2022, OmenglU, 127 min)

Nous, étudiants! (Rafiki Fariala, CAF/F/COG/SAU 2022, OmenglU, 82 min)

Super Natural (Jorge Jácome, P 2022, OmenglU, 85 min)

15.15 Lobo e Cão (Cláudia Varejão, P 2022, OmenglU, 111 min)

Une fleur à la bouche (Eric Baudelaire, F/KOR/D 2022, OmenglU, 67 min)

20.00 Jet Lag (Zheng Lu Xinyuan, Ö/CH 2022, OmenglU, 111 min)

22.30 Manto de Gemas (Natalia López Gallardo, ARG/MEX 2022, OmenglU, 117 min)

Father’s Day (Kivu Ruhorahoza, RWA 2022, OmenglU, 111 min)

13.30 Terra que marca (Raúl Domingues, P 2022, OmenglU, 66 min)

Cette Maison (Miryam Charles, CAN 2022, OmenglU, 75 min)

Tenéis que venir a verla (Jonás Trueba, E 2022, OmenglU, 64 min)

Aftersun (Charlotte Wells, GB/USA 2022, OmenglU, 98 min)

12.45 Watani, un monde sans mal (Med Hondo, F/MRT 1998, OmenglU, 103 min)

Kurzfilmprogramm 7: Minimum Staged (Ö/F/D/MEX/RO 2022, 74 min)

Coma (Bertrand Bonello, F 2022, OmenglU, 80 min)

Onna no mizumi (Yoshida Kijū, J 1966, OmenglU, 102

Salamone, Pampa (Photographie und jenseits –Teil 34) (Heinz Emigholz, D 2022, 62 min)

Kurzfilmprogramm 7: Minimum Staged (Ö/F/D/MEX/RO 2022, 74 min)

The United States of America (James Benning, USA 2022, OF, 102 min)

18.45 Los tallos amargos (Fernando Ayala, ARG 1956, OmenglU, 90 min)

Super Natural (Jorge Jácome, P 2022, OmenglU, 85 min)

Nie zgubiliśmy drogi (Anka Sasnal, Wilhelm Sasnal, PL 2022, OmenglU, 74 min)

15.00 Trenque Lauquen –Teil 1 und 2 (Laura Citarella, ARG/D 2022, OmenglU, 128 min + 132 min)

Khers nist (Jafar Panahi, IRN 2022, OmenglU, 107 min)

Fogo-Fátuo (João Pedro Rodrigues, P/F 2022, OmenglU, 67 min)

Mikey and Nicky (Elaine May, USA 1976, OF, 106 min)

13.30 Tenéis que venir a verla (Jonás Trueba, E 2022, OmenglU, 64 min)

L’Envol (Pietro Marcello, F/I/D 2022, OmU, 100 min)

Camuflaje (Jonathan Perel, ARG 2022, OmenglU, 93 min)

Drii Winter (Michael Koch, CH/D 2022, OmenglU, 136 min)

Fatima, l’algérienne de Dakar (Med Hondo, MRT/TUN/F/SEN 2004, OmenglU, 93 min)

Kurzfilmprogramm 8: Choices (ARG/MEX/COL/USA/Ö 2021–2022, 65 min)

Hono to onna (Yoshida Kijū, J 1967, OmenglU, 101 min)

When There Is No More Music to Write, and Other Roman Stories (Eric Baudelaire, F/I 2022, OmenglU, 59 min)

SA, 29.10.

The Banshees of Inisherin (Martin McDonagh, GB/IRL/USA 2022, OmU, 109 min)

Bones and All (Luca Guadagnino, USA 2022, OF, 130 min)

18.15 Armageddon Time (James Gray, USA 2022, OmU, 114 min)

20.45 The Eternal Daughter (Joanna Hogg, GB 2022, OF, 96 min)

23.15 Crimes of the Future (David Cronenberg, GR/GB/CAN 2022, OmU, 107 min)

Trenque Lauquen –Teil 1 und 2 (Laura Citarella, ARG/D 2022, OmenglU, 128 min + 132 min)

SO, 30.10.

10.30 Les Passagers de la nuit (Mikhaël Hers, F 2022, OmenglU, 111 min)

13.00 Überraschungsfilm

16.00 The Menu (Mark Mylod, USA 2022, OmU, 106 min)

18.15 The Whale (Darren Aronofsky, USA 2022, OF, 117 min)

20.45 Showing up (Kelly Reichardt, USA 2022, OF, 108 min)

MO, 31.10.

Walk Up (Hong Sangsoo, KOR 2022, OmenglU, 97 min)

DI, 1.11.

12.00 Drii Winter (Michael Koch, CH/D 2022, OmenglU, 136 min)

15.15 Tori et Lokita (Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne, B/F 2022, OmenglU, 88 min)

16.30 The Kiev Trial (Sergei Loznitsa, NL/UKR 2022, OmenglU, 106 min)

19.30 Un couple (Frederick Wiseman, USA/F 2022, OmenglU, 63 min)

Lars Eidinger –Sein oder nicht sein (Reiner Holzemer, D 2022, OmenglU, 91 min)

Theater of Thought (Werner Herzog, USA 2022, OF, 107 min)

Kafka for Kids (Roee Rosen, IL 2022, OmenglU, 111 min)

18.15 Gigi la legge (Alessandro Comodin, I/F/B 2022, OmenglU, 98 min)

20.45 Astrakan (David Depesseville, F 2022, OmenglU, 104 min)

Coupez! (Michel Hazanavicius, F 2022, OmU, 112 min)

Taht el shajara (Erige Sehiri, F/TUN/CH/D/QAT 2022, OmenglU, 92 min)

13.30 Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (Claudia Müller, D/Ö 2022, OmenglU, 96 min)

16.15 Mi país imaginario (Patricio Guzmán, CHL/F 2022, OmenglU, 83 min)

Kapinynas (Emilija Skarnulyte, LT/NOR 2022, OmenglU, 60 min)

20.30 The Natural History of Destruction (Sergey Loznitsa, LT/NL/D 2022, OmenglU, 110 min)

2 Pasolini (Andrei Ujică, F 2021, OmenglU, 11 min) La Nature (Artavazd Peleshian, ARM/D/F 2020, 63 min)

Jem Cohen. Ballads (Jem Cohen, USA 2019–2022, OF, 71 min)

Missing Pieces: A Look at Med Hondo’s First Film „Ballade aux sources“ (Med Hondo, Bernard Nantet, MRT 1965, OmenglU, 30 min)

Saraba natsu no hikari (Yoshida Kijū, J 1968, OmenglU, 96 min)

Kapag wala nang mga alon (Lav Diaz, PHL/F/P/DK 2022, OmenglU, 187 min)

15.30 The Natural History of Destruction (Sergey Loznitsa, LT/NL/D 2022, OmenglU, 110 min)

18.15 Kafka for Kids (Roee Rosen, IL 2022, OmenglU, 111 min)

Kunst und Krise (Ö 1993–2013, OmU, 101 min)

Vanskabte Land – Volaða Land (Hlynur Pálmason, SWE/DK/F/ISL 2022, OmenglU, 143 min)

16.00 Três tigres tristes (Gustavo Vinagre, BRA 2022, OmenglU, 85 min)

El Agua (Elena López Riera, F/CH/E 2022, OmenglU, 104 min)

20.45 The Listener (Steve Buscemi, USA 2022, OF, 96 min)

Eo (Jerzy Skolimowski, PL/I 2022, OmenglU, 88 min)

Manto de Gemas (Natalia López Gallardo, ARG/MEX 2022, OmenglU, 117 min)

13.30 Jet Lag (Zheng Lu Xinyuan, Ö/CH 2022, OmenglU, 111 min)

Astrakan (David Depesseville, F 2022, OmenglU, 104 min)

18.45 Gigi la legge (Alessandro Comodin, I/F/B 2022, OmenglU, 98 min)

21.30 Flux Gourmet (Peter Strickland, GB/USA/H 2022, OmenglU, 109 min)

The Kiev Trial (Sergei Loznitsa, NL/UKR 2022, OmenglU, 106 min)

Camuflaje (Jonathan Perel, ARG 2022, OmenglU, 93 min)

Erosu purasu gyakusatsu (Yoshida Kiju, J 1969, OmenglU, 216 min)

19.00 Un beau matin (Mia Hansen-Løve, F/D 2022, OmU, 112 min)

Heojil kyolshim (Park Chan-wook, KOR 2022, OmenglU, 139 min)

Al amparo del cielo (Diego Acosta, CHL 2021, 70 min)

Kapinynas (Emilija Skarnulyte, LT/NOR 2022, OmenglU, 60 min)

Footnote (Yang Zhengfan, USA 2022, OmenglU, 91 min)

18.00 Taht el shajara (Erige Sehiri, F/TUN/CH/D/QAT 2022, OmenglU, 92 min)

20.00 Mato seco em chamas (Adirley Queirós, Joana Pimenta, BRA/P 2022, OmenglU, 163 min)

Rewind & Play (Alain Gomis, F/D 2022, OmenglU, 65 min)

14.30 Flux Gourmet (Peter Strickland, GB/USA/H 2022, OmenglU, 109 min)

17.30 The Eternal Daughter (Joanna Hogg, GB 2022, OF, 96 min)

20.00 Shimen (Huang Ji, Otsuka Ryuji, J 2022, OmenglU, 148 min)

Retour à Séoul (Davy Chou, F/B/D/QAT 2022, OmU, 119 min)

45th Parallel (Lawrence Abu Hamdan, GB/USA/CAN 2022, OF, 15 min)

Le Mur des morts (Eugène Green, F 2022, OmenglU)

13.30 Stars at Noon (Claire Denis, F 2022, OmenglU, 137 min)

16.30 Fumer fait tousser (Quentin Dupieux, F 2022, OmenglU, 80 min)

Saint Omer (Alice Diop, F 2022, OmenglU, 122 min)

21.30 Un petit frère (Léonor Serraille, F 2022, OmenglU, 116 min)

Los tallos amargos (Fernando Ayala, ARG 1956, OmenglU, 90 min)

E noite na América (Ana Vaz, I/F/BRA 2022, OmenglU, 66 min)

Rengoku eroica (Yoshida Kijū, J 1970, OmenglU, 118 min)

Kapag wala nang mga alon (Lav Diaz, PHL/F/P/DK 2022, OmenglU, 187 min)

So-seol-ga-ui yeong-hwa (Hong Sangsoo, KOR 2021, OmenglU, 92 min)

21.15 Un beau matin (Mia Hansen-Løve, F/D 2022, OmU, 112 min)

Apenas un delincuente (Hugo Fregonese, ARG 1948, OmenglU, 88 min)

Geographies of Solitude (Jacquelyn Mills, CAN 2022, OmU, 103 min)

The Heartbreak Kid (Elaine May, USA 1972, OF, 95 min)

Living (Oliver Hermanus, GB 2022, OF, 102 min)

Walk Up (Hong Sangsoo, KOR 2022, OmenglU, 97 min)

The Cathedral (Ricky D’Ambrose, USA 2021, OF, 88 min)

Un couple (Frederick Wiseman, USA/F 2022, OmenglU, 63 min)

17.30 Showing up (Kelly Reichardt, USA 2022, OF, 108 min)

Avec amour et acharnement (Claire Denis, F 2021, OmenglU, 116 min)

Ishtar (Elaine May, USA 1987, OF, 107 min)

13.15 Zhena Chaikovskogo (Kirill Serebrennikov, RUS/F/CH 2022, OmenglU, 143 min)

16.30 Eo (Jerzy Skolimowski, PL/I 2022, OmU, 88 min)

Les Enfants des autres (Rebecca Zlotowksi, F 2022, OmenglU, 103 min)

El Agua (Elena López Riera, F/CH/E 2022, OmenglU, 104 min)

De humani corporis fabrica (Véréna Paravel, Lucien Castaing-Taylor, CHE/USA/F 2022, OmenglU, 117 min)

Brainwashed: Sex-Camera-Power (Nina Menkes, USA 2022, OmenglU, 107 min)

Kagami no onna-tachi (Yoshida Kijū, J/F 2002, OmenglU, 129 min)

20.45 Footnote (Yang Zhengfan, USA 2022, OmenglU, 91 min)

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Aronofsky, USA 2022, OF, 117 min) Features Shorts Kinematografie Österreich real Monografien Ebrahim Golesdan / Med Hondo / Elaine May Argentinischer Film noir Retrospektive Yoshida Kijū Alle Termine, alle Kinos auf einen Blick falter.at/viennale ERÖFFNUNG: DO, 20.10. GARTENBAUKINO: 19.00 / STADTKINO: 20.30 METRO KINOKULTURHAUS: 21.00 / URANIA: 21.00 Viennale-Trailer 2022 Vera (Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö/I 2022, OmenglU, 115 min) GARTENBAUKINO METRO KINOKULTURHAUS STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS URANIA FILMMUSEUM 13.00 15.30 18.00 20.30 23.00 11.00 13.30 16.00 18.30 21.00 13.00 15.30 18.00 20.30 23.00 11.00 13.00 13.00 15.30 16.00 18.00 18.30 20.30 21.00 OF Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln englOF englische Originalfassung

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KURZFILMPROGRAMM 1: MIRAGES

Fata Morgana (Tacita Dean, USA/Deutschland 2022, 22 Min, stumm)

The Newest Olds

Pablo Mazzolo, Argentinien/Kanada 2022, 12 Min, OF)

Marine Target

(Lukas Marxt, Deutschland/Österreich 2022, 9 Min, englOF)

Saving Some Random Insignificant Stories

(Anna Vasof, Österreich/Griechenland 2022, 14 Min, OmenglU)

Ertrunken

(Friedl vom Gröller, Österreich 2022, 3 Min, OF)

KURZFILMPROGRAMM 2: CRISES IN PARADISE

Paradiso, XXXI, 108

(Kamal Aljafari, Palästina/Deutschland 2022, 18 Min, OmenglU)

urban solutions

(Arne Hector, Luciana Mazeto, Minze Tummescheit, Vinícius Lopes, Deutschland 2022, 30 Min, OmenglU)

Air Crises

(Michael Heindl, Österreich/Tansania 2022, 4 Min, kD)

Reihe 6 (Bidzina Gogiberidze, Lennart Hüper, Österreich/Georgien/Deutschland 2022, 25 Min, OmenglU)

KURZFILMPROGRAMM 3: STORIES OF STARS

Po sui tai yang zhi xin, A Short Story

(BI Gan, China 2022, 15 Min, OmenglU)

El sembrador de estrellas / The Sower of Stars (Lois Patiño, Spanien 2022, 25 Min, OmenglU)

Eventide (Sharon Lockhart, USA 2022, 35 Min, kD)

KURZFILMPROGRAMM 4: IMAGINING LANGUAGES

gewesen sein wird (Sasha Pirker, Österreich 2022, 17 Min, OmenglU)

Blind Date

(Jan Soldat, Deutschland/Österreich 2022, 12 Min, OmenglU)

Imagine Language (Day_00, Day_03, Day_01) (Chantal Kaufmann, Österreich/Schweiz 2022, 9 Min, OmenglU)

KURZFILMPROGRAMM 8: CHOICES

Camarera de piso, Maid (Lucrecia Martel, Argentinien/Mexiko 2022, 12 Min, OmenglU)

Los mayores ríos se deslizan bajo tierra / Underground Rivers (Simón Vélez, Kolumbien 2022, 19 Min, OmenglU)

Nadine Nortier

(Gillian Garcia, USA 2022, 13 Min, kD)

Lesser Choices

(Courtney Stephens, USA/Mexiko 2022, 8 Min, OF)

Singing in Oblivion (Eve Heller, Österreich 2021, 13 Min, kD)

DIE KRISE IST DER MARKT

Auf amol a Streik

(Ruth Beckermann, Josef Aichholzer, Österreich 1978, 24 Min, OmenglU)

Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater (Gabriele Mathes, Österreich 2006, 22 Min, englOF)

Michael Berger – Eine Hysterie (Thomas Fürhapter, Österreich 2010, 50 Min, OmenglU)

NACH DEM KRIEG IST VOR DEM KRIEG

During the Many Years (Goran Rebic, Österreich 1991, 40 Min, OF)

Somewhere Else (Barbara Albert, Österreich 1997, 60 Min, OmenglU)

KRISE: LEBEN

Ich schaff’s einfach nimmer (John Cook, Österreich 1972, 50 Min, OF)

Knittelfeld – Stadt ohne Geschichte (Gerhard Benedikt Friedl, Österreich/Deutschland 1997, 35 Min, OmenglU)

Doppelgänger (Michaela Taschek, Österreich 2018, 20 Min, englOF)

BILDERLIEBE UND BILDERKRIEG

MEDIENPARTNER 1000things Cineplexx DOT.magazine FAQ film.at ORF III Superfly 98.3 The Gap VORmagazin

MARKETING-PARTNER

Film Akademie des Österreichischen Films Austrian Film Commission Crossing Europe Diagonale dok.at Festival dei Popoli Ficunam FIDMarseille Filmarchiv Austria Forum Österreichischer Filmfestivals IndieLisboa Int. Frauenfilmfestival Dortmund / Köln Int. Kinderfilmfestival Wien Int. Kurzfilmtage Oberhausen Kino im Kesselhaus Österreichisches Filmmuseum Punto de Vista Stadtkino im Künstlerhaus Vienna Film Commission Vienna Shorts WienXtra Video & Filmtage

Medien

APA DATUM

Die Furche Fleisch Magazin period.

springerin Vienna Würstelstand

Kultur, Kunst, Non-Profit Akademie der Bildenden Künste Amnesty International Österreich Arbeiterkammer Wien Blickfang Buch Wien Büchereien Wien Burgtheater

Die Angewandte Festspielhaus St. Pölten ImPulsTanz Institut für Theater-, Film& Medienwissenschaft Kulturreferat ÖH Uni Wien Kunsthalle Wien Kunsthistorisches Museum Wien

Lateinamerika Institut MuseumsQuartier Tanzquartier Wien VHS Wiener Urania Volkstheater Wien Weltmuseum Wien Wiener Festwochen Wiener Volkshochschulen WUK Business

cyledge Direct Marketing European Youth Card Filmgalerie Achteinhalb Flimmit Goldbach Audience KAFFEEKÜCHE

Schottentor-Passage KINO VOD CLUB AUSTRIA ORF OMC RailAd Schüren Verlag Thalia ZONE Media

Songy seans / Last Screening (Darezhan Omirbayev, Kasachstan/Kirgisistan 2022, 30 Min, OmenglU)

KURZFILMPROGRAMM 5: ORDINARY DEVOTIONS

The Demands of Ordinary Devotion (Eva Giolo, Belgien/Italien 2022, 12 Min, kD)

We Love Life (Hana Vojáčková, Großbritannien 2021/2022, 29 Min, OmenglU)

After Work (Céline Condorelli, Ben Rivers, Großbritannien 2022, 13 Min, OF)

Bildwerden (Christiana Perschon, Österreich 2022, 10 Min, OmenglU)

Neue Fenster (Friedl vom Gröller, Österreich 2022, 3 Min, stumm)

KURZFILMPROGRAMM 6: BURNING

Devil’s Peak (Simon Liu, USA/Hongkong 2021, 30 Min, OmenglU)

Polycephaly In D (Michael Robinson, USA 2021, 23 Min, OmenglU)

Sixth Form Acid (Morgan Quaintance, Großbritannien 2022, 3 Min, kD) Rollostraat 18 (Morgan Quaintance, Großbritannien 2022, 2 Min, kD)

Il faut regarder le feu ou brûler dedans / Watch the Fire or Burn Inside It (Caroline Poggi, Jonathan Vinel, Frankreich 2022, 18 Min, OmenglU)

KURZFILMPROGRAMM 7: MINIMUM STAGED

Moune Ô (Maxime Jean-Baptiste, Belgien/Frankreich 2022, 17 Min, OmeU)

Flora (Nicolás Pereda, Mexiko 2022, 11 Min, OmenglU)

Staging Death (Jan Soldat, Österreich/Deutschland 2022, 8 Min, OmenglU)

Hardly Working (Total Refusal, Österreich 2022, 20 Min, englOF)

Potemkiniștii / The Potemkinists (Radu Jude, Rumänien 2022, 18 Min, OmenglU)

Krieg in Wien (Michael Glawogger, Ulrich Seidl, Österreich 1989, 84 Min, OmU)

Carmen (Anja Salomonowitz, Österreich 1999, 23 Min, OmenglU)

KUNST UND KRISE

James Ellroy: Demon Dog of American Crime Fiction (Reinhard Jud, Österreich 1993, 93 Min, englOF) Semra Ertan (Cana Bilir-Meier, Österreich/Deutschland 2013, 8 Min, OmenglU)

Kartenvorverkauf

Vorverkauf ab 15. Oktober, tägl. ab 10 Uhr GARTENBAUKINO: 15. bis 19. Oktober täglich 10 bis 20 Uhr, 20. Oktober von 10 bis 17 Uhr

Tickets per Telefon

15. Oktober bis 1. November, täglich 10 bis 20 Uhr, Tel. 01/526 594 769 Ausverkaufte Vorstellungen: Ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für verfügbare Resttickets ausgegeben

Tickets Online

15. Oktober bis 1. November, viennale.at Kartenverkauf Retrospektive An allen Viennale-Kassen, online und telefonisch

OF Originalfassung

18 FALTER VIENNALE 22
MEDIENPARTNER SONDERPUBLIKATIONEN
englOF englische Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln kD kein Dialog TICKETS: TEL. 01/526 594 769 ODER WWW.VIENNALE.AT

Crimes of the Future Gartenbau: Sa, 22.10., 18.00 + Sa, 29.10., 23.15 (OmU)

Eingeweide für Eingeweihte

E in Thriller im Milieu Chirurgiebasierter Performancekunst, ihrer Shows, ihrer Versorgung mit Gerät und Ideen, ihrer Kontakte zu Unter grundpolitik und Behörden. David Cronenbergs „Crimes of the Future“ spielt in einer Zukunft, in der man neuartige Verbrechen einhegt, erörtert, feiert: tumorhaft „idiopathische“ Ver stöße gegen Regeln der menschlichen Evolution.

Die Stadt – gedreht in Athen –ist leer und ramponiert; Schmerz und Krankheit gibt’s nur noch bei je nen, die neue Organe in sich ausbrü ten. Vielen wächst offenbar einiges; wie dem sein Leiden in Kunst entäu ßernden Saul (Viggo Mortensen), an dessen Bauch seine Partnerin Capri ce (Léa Seydoux) rumschnippelt und rumdeutet, mittels ferngesteuertem Sarkophag und naheliegenden Phra sen: Kunst müsse Körperrebellion in „meaning“ umwandeln.

Das Innen ist unentrinnbar: Noch die wenigen Außenaufnahmen wirken wie ein Verfallsstudiensetting. Die häuslichen Innenräume muten rost modern an, die leiblichen grauslich, aber matter of fact-haft. Prätentiöses

Gerede geht fließend in seine Selbst zerpflückung und in Habitussatire über; das Flüstern des mönchischen

Saul mit brütendem Bauch bleibt ans Körperinnere gebunden: Räus pern und Halsknacken als signature sound. Dabei ist er ein netter älterer Herr; das Performance-Paar ist liebe voll und bedachtsam im Umgang.

Die Leute reden. Schon um 1980, als Cronenberg an Zensurgrenzen des Genrekinos Body-Horror wie „The Brood“, „Sanners“ oder „The Fly“ drehte, waren seine Szenarien zur Technowissenschaft („Psychoplasma tik“) Hörräume von talking cures; der Dialog war Manifest oder Moderation zu Körper-Vorführungen.

In „Crimes of the Future“ folgen Per formances mit verbuchstäblichten Cut-ups auf all die Firmen- und For schungspräsentationen, die showar tigen Therapie- und Analysesettings seiner früheren Filme. Diese ScifiThriller und Beziehungsdramen ten dierten zur Verhaltensbeobachtung am sozialtechnologisch entwicklungs beschleunigten bürgerlichen Subjekt in seinen instabilen Körpern. Mit Starbesetzung: klinische Studien mit Jeff Goldblum oder Robert Pattinson.

Cronenbergs neuer Film zählt zu seinen radikaleren, was die Umwand lung von Story ins Prozessieren des gelebten Leibes betrifft. Der Leib lebt, erlitten, entglitten, schlaff oder sich auslebend, mit Tendenz zum Fleisch und seinen Pathologien (eine davon heißt Denken). Figuren schlurfen,

kauern, verkrampfen sich – wie Kris ten Stewart als Beamtin des „Natio nal Organ Registry“, das Neo-Einge weide schriftlich erfasst (tätowiert!). Wie die Leute, so ihr Mobiliar: larve nhaftes Hängebett, stuhlartiges Exo skelett als Wellness-Tools.

Der Krimi-Plot löst sich in Körper kino auf; nicht nur deshalb ist die fi nale Auflösung samt Autopsie-Offen barung diffus. Offenbar sind hier alle Teil dessen, was sie bekämpfen, weil es sie aufwühlt (ein Hauch von Dop pelagent); crimes werden offenbar zum Normalverhalten der Zukunft; und die Kunst will rückhaltlose Erforschung sein, arbeitet aber unwillkürlich der Registratur zu, die alles ausforscht, archiviert, normalisiert.

Umschlag von Verstoß in Routi ne (bekannt aus Gesellschaften mit kapitalistischem Entwicklungsturbo): Er erfasst auch diesen Film selbst –wie er gesehen wird. Fast unvermeid lich gerät all das Verstörende auch zu einer Greatest-Hits-Revue.

Cronenbergs erster Film seit 2014 wirkt wie das dezidierte Abschiedsstück einer Ende der 1960er begonnenen Karriere, der als Groteskkunst-Ge bärer verehrte alte Mann wie ein Selbstporträt. Cronenberg, dessen Sohn Brandon heute Body-HorrorMelos à la Papa dreht, versammelt alte regulars wie Carol Spier und Ho ward Shore (Ausstattung bzw. Mu

sik fast aller seiner Filme seit 1979) rund um ein Repertoire. Fans kön nen es ausweiden, Zitate archivieren – und auf Cronenbergs nächste Re giearbeit „The Shrouds“ (wieder mit Seydoux) warten.

Dieser Film ist nicht das Ende. Sein Ende aber ist die ultimative Variation eines Neubeginns: Es variiert das Ende von Cronenbergs zweitem Langfilm; der hieß ebenfalls „Crimes of the Future“ und beobachtete 1970 ein Wissen schaftsmilieu queerer Hippies. Auch damals standen veränderte Evolution und Sexualität als Problem und Ver heißung im kargen Raum.

An beiden Filmenden isst der Held (1970 ein gewisser Ron Mlodzik, wie später Mortensen in vier Cronen berg-Filmen zu sehen) vom Schleim der Erkenntnis: Mit Glücksträne im Close-up fügt er sich ins Fatum der Verwandlung, die damals „MädchenWerdung“ hieß.

Cronenbergs 1970er-Filme hat ten sozial- und kulturrevolutionäre Bewegungen als Horizont und Rei bebaum. 2022 deutet sich Öko-Kritik an: Der skeptisch leidende Saul wird zum lakonischen believer, sein „neu es Fleisch“ stellt auf Plastikmüllnah rung um. „Opening up“ hieß so etwas 1983 in „Videodrome“; hier führt es zur Industrieabfallentsorgung durch Verdauungsstörungsbehebung. Auf bruch in unendliche Therapie. F

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Sitzen, liegen, kauern: die erschöpften Körper von Léa Seydoux, Viggo Mortensen und Kirsten Stewart Drehli Robnik ist Autor/Herausgeber von Büchern zu Film und Politik, zuletzt „Gewohnte Gewalt“ und „Ansichten und Absichten“. FOTO: STADTKINO

„Es war mir peinlich, wie ich aussah“

Schauspielstar Charlotte Gainsbourg über Selbstzweifel, echte Gefühle und Wochenenden mit Papa Serge

Charlotte Gainsbourgs neuer Film heißt „Passagiere der Nacht“. Die französische Schauspielerin und Sän gerin, Tochter von Jane Birkin und Serge Gainsbourg, spielt darin eine Frau, die von ihrem Mann verlas sen wurde und dringend einen Job braucht. Als sie den bei einem Ra diosender findet, liest sie dort eines Nachts eine junge Frau auf, die das Familiengefüge zuhause auf die Pro be stellt. Premiere feierte „Les Pass agers de la nuit“ auf der diesjährigen Berlinale. Mikhaël Hers’ zartes Fami lienporträt – mit Emmanuelle Béart in einer Nebenrolle als Moderatorin – besticht durch Charme und RetroOptik im Alle-rauchen-Gitanes-Ne bel. Und ach, diese Lederjacken!

Falter: Frau Gainsbourg, hatten Sie selbst Lieblingsradiosender als junger Mensch?

Charlotte Gainsbourg: Nein, ich habe überhaupt nicht Radio gehört, nur CDs und Kassetten. Jetzt höre ich viel, genau wie meine Mutter, bei ihr läuft die ganze Zeit das Radio. Aber ich habe durchaus einen Bezug zu den 1980ern, als das Radio noch wie ein eigenes Reich war – es gab nur die Stimme, und die ist so etwas Besonderes.

Hat Sie die Ausstattung auch sehr in diese Zeit zurückgeholt?

Gainsbourg: Es hat mich sehr bewegt, und die Kinder am Set haben es sehr lustig gefunden, weil die gar nichts damit anfangen konnten. Die Telefo ne! Die waren für sie wie von einem anderen Planeten. Und ich liebte die ganzen Magazine meiner Kindheit, die Gitanes, ich hatte zu allem einen persönlichen Bezug, auch wenn ich anders aufwuchs als diese Familie; ich bin in Saint Germain groß geworden, alles war sehr stilsicher. Ich mag an Elisabeth, meiner Figur, dass sie nicht wirklich weiß, wie man sich gut klei det, das hat eine gewisse Unschuld. Es geht um eine ganz normale Fa milie, mit ganz gewöhnlichen Gefüh len, das ist sehr echt und berührend.

Ich fühlte mich der Einsamkeit der Figur sehr verbunden, der Tatsache, dass Elisabeth ein bisschen naiv ist: Sie hat keine Angst zu sagen, dass sie manches einfach nicht weiß. Sie gibt nicht vor, jemand anders zu sein.

Was sind Ihre besten Erinnerungen an diese Zeit? Sie waren da Teenager ... Gainsbourg: 1984 war ich 13 Jahre alt, mit 17 spielte ich bereits in Filmen mit … Ich habe meine Kindheit ge liebt, sie dauerte, bis ich zwölf war.

Ich habe sentimentale Gefühle, wenn ich an diese Zeit, besonders an die Wochenenden mit meinem Vater, den

ke. Ich wurde sehr verwöhnt. Ich war auch nicht schüchtern als Kind, aber ich wurde sehr schüchtern als Heran wachsende. Und ich liebte es, Filme zu drehen, es fiel mir schwer, wieder ins echte Leben zurückzukehren. Ich mochte es nicht, wenn Drehs vorbei waren, sondern wollte für immer bei der Crew bleiben.

Wieso glauben Sie, dass Sie schüchtern wurden?

Gainsbourg: Das hatte persönliche Gründe. Es war mir peinlich, wie ich aussah. Vorher war mir das egal. Ich hatte das Gefühl, nicht schön zu sein, das kennen ja viele Teenager. Ich war nicht hässlich, aber auch nicht schön, das war für mich ein Problem. In mei ner Familie ging es viel um Ästhetik.

Hat sich das im Lauf der Jahre gebessert?

Gainsbourg: Ja, aber ich war nie glück lich damit, wie ich aussah. Ich konn te später nur besser damit umgehen. (Lacht.) Ich war immer die Jüngste und habe lang meine Jugendlichkeit behalten. Und dann war ich plötz lich alt. Mir kommt vor, ich habe die Phase „Frau“ dazwischen ausgelassen und hatte keine Gelegenheit, meine Weiblichkeit zu genießen. Aber ich bin nicht unglücklich, ich mag die Dinge, die ich gemacht habe, ich arbeite gern und habe ein gutes Leben.

Haben Sie inzwischen das Gefühl, erwachsen zu sein?

Gainsbourg: Ich fühle mich schon sehr erwachsen, bin aber immer noch sehr naiv. Und ich mag das, ich bin nicht gern misstrauisch. Ich glaube gern an Menschen. Bei mir klappt das gut.

Wie war die Zusammenarbeit mit Mikhaël Hers?

Gainsbourg: Er ging sehr liebevoll mit den Figuren um, mit Elisabeth und ihren Gefühlen. Er ist ein reizender Mensch, er hat nicht aufgehört, sich nach jeder Szene bei uns zu bedan ken. Ich hielt das zunächst für einen Scherz. Und dann habe ich gedacht: Nein, er meint das ernst, nimm das Kompliment an, es ist schön.

Wird nicht mit über 40 erst alles richtig spannend?

Gainsbourg: Vor allem versteh ich jetzt erst Schauspielen so richtig. Jetzt, wo es ein bisschen zu spät ist, würde ich manche Sachen gerne noch einmal spielen. Manchmal hatte ich früher schreckliche Angst am Set, das habe ich inzwischen nicht mehr. Für die Musik gilt dasselbe – ich bin immer noch vor jedem Live-Auftritt nervös, aber ich tue wenigstens nicht mehr so, als wäre ich cool. F

Gartenbau: Sa, 22.10., 15.45 (OmenglU) +

So, 30.10., 10.30 (OmU)

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„Sie gibt nicht vor, jemand anders zu sein“, sagt Charlotte Gainsbourg über die Figur der Elisabeth, die sie im Familienfilm „Passagiere der Nacht“ spielt FOTO: NORD-OUEST FILMS

Freundschaft über alle Grenzen

In „Tori und Lokita“ schicken die Brüder Dardenne zwei Minderjährige aus Kamerun und Benin durch die Hölle des belgischen Einwanderungssystems

D er neue Film der Brüder Luc und JeanPierre Dardenne beginnt mit einer Nahaufnahme. Sie zeigt die Jugendliche Lokita (Joely Mbundu), die sich einem Ver hör durch Beamte der belgischen Einwan derungsbehörde aussetzen muss. In einer erfundenen Geschichte gibt sie vor, ihren vermeintlichen Bruder Tori (Pablo Schils) in einem Waisenhaus gefunden zu haben. Doch die Beamten glauben ihr nicht und setzten sie weiter unter Druck. Die Ka mera bleibt nah beim Teenager und zeigt die immer größere Anspannung und Ver zweiflung von Lokita, die panische Angst hat, ihren Aufenthaltsstatus in Belgien zu verlieren.

„Was uns interessiert, sind die Schwa chen“, bekräftigte Luc Dardenne im Rah men der Premiere von „Tori und Lokita“ bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes. „Verglichen mit den Mächtigen ist es das Leben der Schwachen, über das wir reden möchten. Das sind die Charak tere, die wir abbilden wollen.“

Tori und Lokita stehen stellvertretend für eine Generation von sozial und poli tisch marginalisierten Flüchtlingskin dern, die von der belgischen Gesellschaft strukturell benachteiligt werden und vom Arbeitsmarkt und Bildungssektor ausge schlossen werden. Nur in diesem Sinne ge hören sie zu den „Schwachen“, als Cha raktere im Film sind sie stark, mutig und einfallsreich.

Im Zentrum der Filmhandlung steht die un zerbrechliche Freundschaft der beiden, sie schafft einen emotionalen Raum, der es den beiden Figuren überhaupt ermöglicht, den andauernden Existenzkampf auszuhal ten. Kennengelernt haben sich die beiden an Bord eines Bootes, das sie von Kame run und Benin nach Belgien brachte, und als Schicksalsgefährten sind sie seitdem zusammengeblieben. Obwohl Tori und Lokita von den belgischen Behörden in einem Heim für unbegleitete minderjäh rige Flüchtlinge untergebracht sind, ver setzt permanente Geldnot sie in permanen ten Stress; auch ihre Schmuggler wollen ihnen immer noch Bargeld abpressen.

Die Erwachsenen im Umfeld von Tori und Lokita nutzen sie aus, indem sie die Kinder als Schutzschilde für kriminelle Ak tivitäten missbrauchen. Mangels anderer Optionen muss Tori, dem seine Kindheit vorenthalten wird, einen Job als Drogenlie ferant annehmen. Der Umstand, dass Lo kita ihrer Mutter und ihren Geschwistern Geld nachhause schicken muss, wird aus genutzt und sie wird als „Gärtnerin“ auf eine Cannabisfarm außerhalb der Stadt ge schickt. Die hermetisch abgeschirmte Farm ist ein Schauplatz, der als Metapher für die Situation der beiden Hauptfiguren ver standen werden kann. Als Lokita die mit

ten im Nirgendwo versteckte Farm betritt, wird ihr sofort klar, dass die Arbeit, die sie hier für die nächsten drei Monate erwar tet, eher einer Haftstrafe ähnelt.

Als dramatische Darstellung der Ausbeu tung und der prekären Lebensverhältnis se, denen sozial Marginalisierte ausge setzt sind, entwickeln die Filmemacher eine ästhetische Ernsthaftigkeit und Kom promisslosigkeit, die das gesamte Werk prägt. Die Kamera ist stets mitten im Ge schehen, folgt den Protagonisten, ist ruhe los und dynamisch und verleiht den filmi schen Bildern große Unmittelbarkeit und Einfachheit. Dieses beobachtende Prinzip wird bis zum Ende des Films aufrecht erhalten; selbst in den gefährlichen Situ ationen wird die unversöhnliche Nicht einmischung durchgehalten, ein düsterer Realismus, der oft kaum zu ertragen ist.

Andererseits birgt das distanzierte Be obachten auch Chancen für einen respekt voll-distanzierten Humanismus. Die Ka meraarbeit leistet ihren wichtigen Beitrag hier vor allem durch das, was nicht im Bild zu sehen ist. Als ihr Arbeitgeber Be

Ramón Reichert

ist Kulturwissenschaftler und Medientheoretiker und lebt in Wien

Gartenbau: Di, 25.10., 15.30 + Di, 1.11., 15.15 (OmenglU)

tim (Alban Ukaj) der minderjährigen Lo kita sexuelle Avancen macht, schneidet die Kamera ab, um ihr etwas an Würde zu rückzugeben, obwohl sie und Tori andau ernd belästigt, angegriffen und auf Schritt und Tritt ausgenutzt werden.

Die Dardennes zeigen mit ihrem neu en Film, dass sie meisterhaft ganz unter schiedliche Register filmischen Erzählens beherrschen. Denn als Tori eigenmäch tig versucht, Lokita aus ihrer Gefangen schaft zu retten, nimmt der dokumentari sche Stil der Dardenne-Brüder genrehafte Züge eines Thrillers an. Dieses Spiel mit dramatischen Elementen bricht mit dem zurückhaltenden Naturalismus ihrer frü heren Werke wie „Rosetta“ (1999) oder „Lornas Schweigen“ (2008).

Das soziale Band, das Tori und Lokita in der Erfahrung herzloser Migrationsbürokratie miteinander knüpfen, markiert trotz aller Widrigkeiten einen unveräußerlichen Hoff nungsschimmer. Ihre Verbundenheit sichtund sagbar zu machen macht diesen Film zu einem wertvollen Beitrag zum Verständ nis migrantischer Lebenswelten. F

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Stark, mutig und einfallsreich: die Flüchtlingskinder Lokita (Joely Mbundu) und Tori (Pablo Schils)
FOTO: VIENNALE

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Features

Aftersun (GB/USA 2022) R: Charlotte Wells D: Paul Mescal, Frankie Corio, Celia Rowlson-Hall. 98 min. Die elfjährige Sophie und ihr Vater, Calum, verbringen einen gemeinsamen Urlaub in einem türkischen Resort – eine wertvolle Zeit, da Sophie sonst bei ihrer Mutter lebt. Das Verhältnis von Vater und Tochter ist nah, doch immer wieder schleicht sich eine gewisse innere Abwesenheit Calums in die Beziehung ein. Regisseurin Wells lässt auch Bilder der erwachse nen Sophie, selbst Elternteil geworden, in ihrem Langfilmdebüt aufblitzen. Ein melancholischer (Rück-)Blick auf eine Kindheit, der an Sofia Coppolas bessere Werke erinnert. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 21.10., 15.30 + Urania: Do 27.10., 21.00 (OmenglU) Afterwater (D/KOR/E/SRB 2022) R: Dane Komljen D: Jonasz Hapka, Ton Gras, Rose Anabel Beermann, Signe Westberg, Boban Kaluđer, Gorka Martin, Clàudia Ro bert, Alice Heyward. 93 min. Rund um einen See, die ihn bevölkernde Flora und Fauna und die Freuden, die er mit sich bringt, verzweigt sich dieses experi mentelle Drama, das in drei Episoden verschiedene (badende) Protagonisten versammelt. Eine zarte und sinnliche Meditation über das Mysterium des Ganzen und seiner Teile, des Einzelnen und des Vielen, in der sich poetische Texte zu den Bildern einer zunehmend „fluiden“ Kamera gesellen. Stadtkino im Künstler haus: So 23.10., 17.30 (OmU) + Metro: Mi 26.10., 13.30 (OmenglU) Akyn / Poet (KAZ 2021) R: Darezhan Omirbayev D: Yerdos Kanayev, Serik Salkinbayev, Klara Kabylgazina, Gulmira Khasanova, Bolat Shanin. 105 min. Didar, ein Familienvater in der kasachischen Metropole Almaty, fühlt sich zur Dichtung berufen, findet jedoch keine Leser und ist daher gezwungen, als Zeitungsredak teur zu arbeiten. Mithilfe von Traumsequenzen und Flashbacks verknüpft Regisseur Omirbayev die sanft-ironische Geschichte seines unglücklichen Poeten mit jener des kasachischen Nationaldichters Makhambet Otemisuly, dem es noch schlimmer erging. Und fragt: Was ist der Wert eines Dichters in Zeiten von Youtube und Computerspielen? Urania: Fr 21.10., 18.30 + Metro: So 23.10., 16.15 (OmenglU) Al amparo del cielo / Under the Sky Shelter (CHL 2021) R: Diego Acosta. 70 min. Was zunächst wie ein Dokumentarfilm über die Wanderweidewirtschaft erscheint und einen Mann mit seinen mehr als 1000 Schafen in den Anden in körniges, kontrastreiches Schwarz-Weiß fasst, biegt später in Richtung Expe rimentalfilm mit traumartiger Atmosphäre ab. Die gefinkelte Tonspur (ohne Dialog) trägt das Ihre dazu bei. Metro: Mo 31.10., 11.00

All the Beauty and the Bloodshed (USA 2022)

R: Laura Poitras. 117 min. Ein Porträt der US-ame rikanischen Fotografin und Aktivistin Nan Goldin (Jg. 1953), die sich in ihrem Werk u.a. mit den Themen Sex, Drogen und Gewalt, der AIDS-Epidemie und dem Tod beschäftigt hat. Herzstück des Films ist Goldins Kampf gegen die Milliardärsfamilie Sackler, deren Medikament Oxycontin als Auslöser der Opio idkrise in den USA gilt. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 21.10., 20.30 + Gartenbau: Mo 24.10., 15.30 (OF)

Armageddon Time / Zeiten des Umbruchs (USA 2022) R: James Gray D: Anne Hathaway, Jeremy Strong, Anthony Hopkins, Tovah Feldshuh, Jessica Chastain. 114 min. Queens, New York, am Beginn der Ära von Ronald Reagans Präsidentschaft (1981–1989): Der junge Paul, der Künstler werden möchte, fühlt sich von allen unverstanden – seinen Eltern, seiner Schule, den Nachbarn, deren Ideen vom Leben und Erfolg er nicht teilt. Während sich das ganze Land im freien Fall befindet, hält nur Pauls Großvater wirklich zu ihm: Er ermutigt ihn, seine Stimme zu erheben und sich für seinen von Rassismus betroffe nen Freund einzusetzen. Gartenbau: Sa 29.10., 18.15 + So 23.10., 15.30 + Di 25.10., 6.30 (OmU) Astrakan (F 2022) R: David Depesseville D: Mirko Giannini, Jehnny Beth, Bastien Bouillon, Théo Costa-Marini, Lorine Delin, Lisa Hérédia. 104 min. Coming-of-Age-Geschichte und Charakterstudie eines Pflegekindes: Der junge Samuel lebt bei Marie und Clément, die Kinder mehr aus finanziellen denn aus altruistischen Gründen aufnehmen. Als der

verhaltensauffällige Bub seine Pflegeeltern über fordert, wird er auf einen Bauernhof geschickt, der nicht der sicherste aller Zufluchtsorte ist. Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 29.10., 20.45 + Urania: So 30.10., 16.00 (OmenglU) Avec amour et acharnement / Mit Liebe und Entschlossenheit (F 2021) R: Claire Denis D: Juliette Binoche, Vincent Lindon, Grégoire Colin, Bulle Ogier, Mati Diop. 116 min. Eine Frau zwischen zwei Männern: Nach zehn Jahren glücklicher Beziehung mit Jean begegnet Radiomoderatorin Sara Jeans altem Freund François wieder – ihrem Exmann. Gefühle der Liebe und Begierde flackern mächtig auf in diesem erotischen Psychothriller, der mit vielen Auslassungen und Geheimnissen die Genregrenzen dehnt und in einen Zustand radikaler Gegenwart einlädt. Gartenbau: Di 25.10., 13.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Di 1.11., 20.30 (OmenglU)

À vendredi, Robinson / See You Friday, Ro binson (F/CH/IRN/LBN 2022) R: Mitra Farahani D: Jean-Luc Godard, Ebrahim Golestan. 96 min. Godard bei der Viennale, auch nach seinem Ableben: Regis seurin Mitra Farahani hatte die Idee, die beiden über 90-jährigen Intellektuellen Ebrahim Golestan und Jean-Luc Godard zu einem Austausch zu bewegen. Der französische Regisseur schlug dem iranischen Filmemacher und Literaten vor, jeden Freitag eine Nachricht auszutauschen: „Wir werden miteinander korrespondieren. Möglicherweise korrespondieren wir nicht.“ 30 Wochen lang hats damit gut geklappt. Metro: Fr 21.10., 22.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 23.10., 15.00 (OmenglU)

The Banshees of Inisherin (GB/IRL/USA 2022) R: Martin McDonagh D: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan. 109 min. Padraic (Colin Farrell) und Colm (Brendan Gleeson) leben auf einer abgelegenen Insel an der Westküste von Irland. Sie sind schon ihr Leben lang Freunde. Der Schrecken ist groß, als Colm beschließt, ihre Freundschaft zu be enden. Mit Unterstützung seiner Schwester Siobhan (Kerry Condon), die zusammen mit dem Sohn des örtlichen Polizisten Dominic (Barry Keoghan) ihre ganz eigenen Probleme in der kleinen Inselgemein de hat, versucht der am Boden zerstörte Padraic, ihre Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Doch Colm stellt ihm ein schockierendes Ultimatum, um seine Absicht klarzumachen. Gartenbau: Do 27.10., 21.00 + Sa 29.10., 13.00 (OmU)

Un beau matin / One Fine Morning (F/D 2022) R: Mia Hansen-Løve D: Léa Seydoux, Pascal Greggory, Melvil Poupaud. 112 min. Die 35-jährige Sandra ist Mutter einer achtjährigen Tochter, Dolmetscherin und seit fünf Jahren verwitwet. Zwei Dinge bestim men ihre Gegenwart in dieser von sanfter Wärme geprägten Erzählung: der langsame Abschied von ihrem demenzkranken Vater, für den sie ein Pflege heim sucht, und die stürmische Affäre mit einem alten Freund, der schon vergeben ist. Gartenbau: Mo 31.10., 19.00 + Di 1.11., 21.15

Bones and All (USA 2022) R: Luca Guadagnino D: Timothée Chalamet, Taylor Russell, Michael Stuhlbarg, Jake Horowitz, Mark Rylance. 130 min. Eine neue Zusammenarbeit von Jungschauspieler Timothée Chalamet und Regisseur Luca Guadagnino („Call Me by Your Name“), aber diesmal ganz anders: Ein junges Paar, Maren und Lee, macht einen Road-Trip durch die USA. Was die beiden so gemeinsam haben? Sie sind Menschenfleischfresser. Eigenwillige Identi tätssuche trifft auf die Romanze zweier Liebender am Rand der Gesellschaft trifft auf Kannibalen-Horror mit gorig-blutigen Schockmomenten. Nach dem gleichnamigen Buch von Camille DeAngelis. In Venedig war man begeistert: Mahlzeit! Gartenbau: Fr 28.10., 20.30 + Sa 29.10., 15.30 (OF) Brainwashed: Sex-Camera-Power (USA 2022) R: Nina Menkes. 107 min. Menkes legt eine spannende Analyse dazu vor, wie das Kino – die Traumfabrik – über viele Jahrzehnte eine Objektivierung der Frau vorangetrieben und damit ein bis heute von Diskriminierung und Missbrauch geprägtes Verhält nis der Geschlechter unterstützt hat. Basierend auf ihrem Vortrag „Sex and Power: The Visual Language of Oppression“ und untermauert mit mehr als 175 Filmbeispielen aus den Jahren 1896 bis 2020, deckt

Menkes auf, wie das Kino ein Frauenbild mitgeschaf fen hat, das im Wesentlichen auf Attraktivität in den Augen der Männer basiert. Filmmuseum: Di 1.11., 15.30 (OmenglU)

Camuflaje / Camouflage (ARG 2022) R: Jonathan Perel. 93 min. Perel arbeitet in seinem filmischen Schaffen die Ereignisse und Auswirkungen der argen tinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 auf. Sein neues Werk rückt die Militärbasis Campo de Mayo, ein Epizentrum des Grauens, in den Mittelpunkt. Zusammen mit seinem Protagonisten, dem Schrift steller Félix Bruzone, sucht Perel die Begegnungen mit Menschen aus der Gegend rund um das Gelände. Urania: Fr 28.10., 18.30 + Filmmuseum: So 30.10., 15.30 (OmenglU)

The Cathedral (USA 2021) R: Ricky D’Ambrose D: Monica Barbaro, Brian d’Arcy James, Geraldine Singer. 88 min. Stilistisch eigenwillige Autobiografie des Sprosses einer konfliktbelasteten Familie, der einst Filmemacher werden sollte: Als eine Art Anti-„Boy hood“ folgt der Film dem Aufwachsen des jungen Jesse in New York von den 1980er- bis frühen 2000er-Jahren. Fotos, Nachrichtensendungen und TV-Werbespots fließen in das Porträt von Jesses Großfamilie ein, eine unbekannte weibliche Stimme fungiert als Erzählerin. Stadtkino im Künstlerhaus: Di 1.11., 13.00 (OF)

Cette Maison / This House (CAN 2022) R: Miryam Charles D: Schelby Jean-Baptiste, Florence Blain Mbaye, Eve Duranceau, Mireille Metéllus. 75 min. Im Jänner 2008 wird die junge Tessa in Bridgeport erhängt in ihrem Zimmer aufgefunden. Es sieht aus wie ein Selbstmord, doch steckt in Wahrheit ein Verbrechen dahinter. Zehn Jahre später beginnt eine Filmemacherin – die Cousine der Toten – sich mit dem traumatischen Ereignis zu beschäftigen. In einem Film, einer imaginierten Biografie, erzählt sie Tessas Geschichte und malt jene Zukunft aus, die ihr genommen wurde. Miryam Charles setzt Haiti, Kanada und die USA miteinander in Verbindung und erschafft einen Raum, in dem die Lebenden und die Toten, Glückseligkeit und Grusel einander be gegnen. Urania: Mi 26.10., 11.00 + Do 27.10., 16.00 (OmenglU)

Chiara (I/B 2022) R: Susanna Nicchiarelli D: Marghe rita Mazzucco, Andrea Carpenzano, Carlotta Natoli. 106 min. Ein Film über das Leben der Klara von Assisi (um 1193–1253), eine Freundin Franz von Assisis und Gründerin des Ordens der Klarissen, der der ersten Ordensregel der Geschichte folgt, die eine Frau für Frauen geschrieben hat. Dem erstaunlich demo kratischen Orden traten zahlreiche Frauen aus Klaras Umfeld bei – nicht, um auf ihr bisheriges Leben zu verzichten, sondern um es selbst zu bestimmen und Zwangsverheiratung sowie männlicher Brutalität zu entgehen. Nach ihren Filmen über Nico und Eleanor Marx ein neues Werk von Regisseurin Nicchiarelli über eine wichtige weibliche historische Persönlich keit. Metro: Di 25.10., 18.30 (OmenglU) Close (B/F/NL 2022) R: Lukas Dhont D: Eden Dambri ne, Gustav De Waele, Émilie Dequenne, Léa Drucker. 105 min. Lukas Dhont („Girl“) erzählt in seinem neuen Spielfilm von der unzertrennlichen Freund schaft zweier Buben – unzertrennlich jedenfalls, bis sie 13 Jahre alt werden. Léo und Rémi verbringen letzte sorglose Sommertage auf den Blumenfeldern von Léos Familie, bevor die Schule wieder beginnt. Als eine Gruppe von Mädchen in der neuen Klasse die beiden fragt, ob sie ein Paar seien, bricht Léo den Kontakt zu seinem besten Freund abrupt ab – mit ir reversiblen Konsequenzen. Urania: Mi 26.10., 18.30 (OmenglU) + Gartenbau: Fr 28.10., 13.00 (OmU) Coma (F 2022) R: Bertrand Bonello D: Julia Faure, Louise Labeque, Laëtitia Casta, Gaspard Ulliel, Vincent Lacoste, Louis Garrel. 80 min. Ein namenloses Mäd chen im Teenageralter während des Corona-Lock downs: Eingesperrt in der Pariser Wohnung ihrer Eltern, gibt es nicht viel mehr zu tun, als auf dem Bett zu liegen, mit Freunden zu chatten und Youtube-Vi deos der mysteriösen Influencerin Patricia Coma an zusehen. Unter deren Einfluss beginnen Realität und (Tag-)Träume des Mädchens ineinanderzufließen. Als aus Tagen Wochen werden, schleicht sich immer mehr Gewalt in diese Entgrenzung ein. Stadtkino im

Künstlerhaus: Mi 26.10., 21.00 + Filmmuseum: Do 27.10., 18.00 (OmenglU)

Coupez! / Final Cut (F 2022) R: Michel Hazanavicius D: Romain Duris, Grégory Gadebois, Bérénice Bejo, Finnegan Oldfield, Matilda Anna Ingrid Lutz. 112 min. Remake der japanischen Horrorkomödie „One Cut of the Dead“ (2017), die durch Mundpropaganda Kultstatus erlangt hat. Ein mittelloses Filmteam ist gerade dabei, einen Zombiefilm zu drehen, als plötz lich echte Zombies angreifen: gut für die Spezial effekte, schlecht für jene, die am Leben hängen. Eine urkomische Ode an alle Do-it-yourself-Amateure des Kinos, mit „The Artist“-Star Bérénice Bejo unter viel Kunstblut. Gartenbau: Fr 21.10., 23.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 29.10., 23.15 (OmU)

Un couple (USA/F 2022) R: Frederick Wiseman D: Na thalie Boutefeu. 63 min. Wiseman, der Gigant des Di rect Cinema, versucht sich hier an einem „Spielfilm“, dessen Script er zusammen mit Nathalie Boutefeu verfasst hat, die auch die einzige Hauptrolle spielt. Der Film basiert auf den Briefen und Tagebüchern, die Sophia Behrs während ihrer 36 Ehejahre mit Leo Tolstoi geschrieben hat. Obwohl sie zusammen lebten, schrieben sie sich ständig gegenseitig Briefe. Sophia arbeitete als Leos Kopistin und veröffentlich te zwei Romane, nebenbei kümmerte sie sich auch um den Haushalt: Sie hatten neun Kinder, die auf dem riesigen Anwesen aufwuchsen. Der Drehort des Films – der Garten von La Boulaye auf Belle-Île in der Bretagne – ist eine Hommage an diese Umgebung. Wiseman und Boutefeu, die seit Jahren befreundet sind und zusammenarbeiten, wählten das Material gemeinsam aus und entschieden sich dafür, den daraus resultierenden 60-minütigen Monolog in die Gegenwart zu verlegen. Metro: Sa 29.10., 19.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Di 1.11., 15.30 (OmenglU)

Crimes of the Future (GR/GB/CAN 2022) R: David Cronenberg D: Léa Seydoux, Viggo Mortensen, Kristen Stewart, Scott Speedman, Tanaya Beatty, Don McKellar. 107 min. In einer zukünftigen Welt durch laufen die Menschen das „Accelerated Evolution Syndrome“, das unterschiedlichste körperliche und mentale Veränderungen zur Folge hat. Einige Men schen versuchen, ihre neuerworbenen Fähigkeiten zu unterdrücken, andere, wie der Performance künstler Saul (Mortensen) und seine Partnerin Caprice (Sedoux), kommen bestens damit zurecht. Body-Horror, nicht zu verwechseln mit Cronenbergs gleichnamigem Film von 1970. Gartenbau: Sa 22.10., 18.00 + Sa 29.10., 23.15 (OmU)

De humani corporis fabrica (CHE/USA/F 2022) R: Véréna Paravel, Lucien Castaing-Taylor. 117 min. Was wäre die moderne Medizin ohne Kameras? Die filmenden Anthropologen Paravel und CastaingTaylor haben sich französische Krankenhäuser und die Körper der dortigen Patienten als neues Erforschungsfeld ausgesucht: Vom Rohrpostsys tem, das pathologische Präparate verschickt, über Kaiserschnittgeburt und Prostataoperation bis zum Zusammenschrauben einer Wirbelsäule geht es hier direkt und blutig zu. Urania: Mo 24.10., 16.00 + Filmmuseum: Di 1.11., 13.00 (OmenglU) Drii Winter (CH/D 2022) R: Michael Koch D: Michèle Brand, Simon Wisler, Elin Zgraggen, Daniela Barmett ler, Josef Aschwanden. 136 min. In einem entlegenen Bergdorf im Schweizer Kanton Uri, wo die Jahre in Wintern gezählt werden, werden Marco und Anna ein Paar. Er stammt aus dem Flachland und arbeitet nun für Bergbauer Alois, sie hat eine kleine Tochter und ist Bedienung im Wirtshaus des Dorfes. Eine Erkran kung Marcos verändert ihre Beziehung für immer. In Kochs mit Laiendarstellern besetztem Werk trifft zeitgenössischer Heimatfilm auf griechische Tragö die: Regelmäßig erscheint und erklingt ein Chor, um das Geschehen zu kommentieren, stilecht in grüner Tracht vor archaischer Landschaft. Urania: Fr 28.10., 21.00 + Gartenbau: Di 1.11., 12.00 (OmenglU) Eismayer (Ö 2022) R: David Wagner D: Gerhard Liebmann, Luka Dimic, Julia Koschitz, Anton Noori. 87 min. Vizeleutnant Karl Eismayer, der härteste Ausbilder beim österreichischen Bundesheer, hütet ein sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgenes Ge heimnis: Er ist schwul. Als er sich in einen Rekruten

22 FALTER

verliebt, gerät seine Fassade eines heteronormativen Lebens ins Wanken. Gartenbau: So 23.10., 18.00 + Urania: Mo 24.10., 13.30 (OmenglU)

El Agua / The Water (F/CH/E 2022) R: Elena López Riera D: Nieve de Medina, Bárbara Lennie, Alberto Olmo, Luna Pamiés. 104 min. Ana lebt mit ihrer Mutter und Großmutter in einem kleinen spanischen Dorf. Als sie sich in den Sohn eines Nachbarn ver liebt, erwecken ihre Schönheit und Jugend aufgrund eines Fluchs die zerstörerischen Kräfte des nahen Flusses. Elena López Riera lässt in ihrem Debütfilm über ein Land zwischen Tradition und Moderne ma gische Töne anklingen und mythologische Figuren auftreten. Stadtkino im Künstlerhaus: So 30.10., 18.00 + Urania: Di 1.11., 21.00 (OmenglU)

Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen (D/Ö 2022) R: Claudia Müller. 96 min. Wunderkind, Skandalautorin, Vaterlandsverräterin, Theaterfurie, Feministin, Modeliebhaberin, Kom munistin, Pessimistin, Sprachterroristin, Rebellin, Enfant terrible, Nestbeschmutzerin, geniale, verletz liche Künstlerin, Nobelpreisträgerin … Der Film über Elfriede Jelinek, die 2004 als erste österreichische Schriftstellerin mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, stellt ihren künstlerischen Umgang mit Sprache in den Mittelpunkt. Es sprechen Sandra Hüller, Stefanie Reinsperger, Sophie Rois, Ilse Ritter, Martin Wuttke, Maren Kroymann. (Pro duktionsmitteilung) Gartenbau: Fr 28.10., 18.00 + Urania: Sa 29.10., 13.30 (OmenglU)

Les Enfants des autres / Other People’s Children (F 2022) R: Rebecca Zlotowksi D: Virginie Efira, Roschdy Zem, Chiara Mastroianni, Callie Ferreira-Gon calves, Yamée Couture, Frederick Wiseman. 103 min. Rachel, 40, zufriedener Single und kinderlos, lässt sich auf eine leidenschaftliche Beziehung mit dem alleinerziehenden Vater Ali ein. Seine aufgeweckte vierjährige Tochter Leila fegt wie ein Wirbelwind durch Rachels Gefühlswelt. Nicht nur muss sich die Lehrerin plötzlich die Frage stellen, ob ihre Wahl, keine Kinder zu haben, richtig war, sondern auch noch mit der bedingungslosen Liebe auseinander setzen, die sie für Leila entwickelt. In der Hauptrolle brilliert Virginie Efira. Gartenbau: Do 27.10., 15.30 + Urania: Di 1.11., 18.30 (OmenglU)

E noite na América / It is Night in America (I/F/BRA 2022) R: Ana Vaz. 66 min. Immer wieder verirren sich Tiere aus dem – noch bestehenden – Dschungel in die Retortenstadt Brasília, in die Welt der Menschen, die ihnen ihren Lebensraum gestohlen haben. Viele bleiben und ernähren sich von dem, was die Müllton nen hergeben, bis sie krank werden und mitunter im Zoo landen. In ihrem experimentellen Dokumentar film, gedreht mit abgelaufenem 16-mm-Material, beschäftigt sich Regisseurin Vaz mit Landraub und der Vertreibung unserer Mitwesen. Sie blickt den Tie ren ins Gesicht, während die Menschen Randfiguren bleiben. Kommen sie doch einmal ins Bild, scheinen sie den Zementburgen der Stadt mehr verwandt als der nachtaktiven Fauna. Urania: So 23.10., 11.00 + Filmmuseum: Mo 31.10., 15.30 (OmenglU)

Enys Men (GB 2022) R: Mark Jenkin D: Mary Woodvine, Edward Rowe, Flo Crowe. 91 min. Auf dem titelgebenden verlassenen Eiland (Kornisch für „Steininsel“) beobachtet eine Botanikerin im Frühling des Jahres 1973 das Wachstum einer besonderen Pflanze. Rituale bestimmen ihren Tagesablauf, wenig tut sich. Doch etwas beginnt sich langsam zu regen: Sind es die Geister des ehemaligen Insellebens oder kann die Frau nicht mehr zwischen Realität und albtraumhafter Fantasie unterscheiden? Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 22.10., 23.00 + Urania: So 23.10., 21.00 (OF) Eo (PL/I 2022) R: Jerzy Skolimowski D: Sandra Drzymalska, Lorenzo Zurzolo, Mateusz Kościukiewicz. 88 min. Die Geschichte eines Esels, stets aus der Perspektive des – von sechs „schauspielenden“ Vierbeinern verkörperten – Tieres gefilmt: Inspiriert von Robert Bressons „Au hasard Balthazar“ (1966), versammelt Skolimowski Begegnungen des Esels mit guten und schlechten Menschen, sein Leid und Glück sowie surreale Situationen zwischen Zirkus und Schlachthof. Mit einem Cameo-Auftritt von Isabelle

Huppert. Stadtkino im Künstlerhaus: So 30.10., 23.00 (OmenglU) + Urania: Di 1.11., 16.30 (OmU)

The Eternal Daughter (GB/USA 2022) R: Joanna Hogg D: Tilda Swinton, Joseph Mydell, Carly-Sophia Davies. 96 min. Die Filmemacherin Julie, ihre betagte Mutter Rosalind und Hund Louis besuchen einen he runtergekommenen Landsitz, der früher der Familie gehörte. Nun ist er zu einem quasi leer stehenden Hotel verkommen, doch das Trio lebt sich bald ein. Nach und nach gibt das Haus seine Geheimnisse preis – die oft sehr anders sind als erwartet. Ein at mosphärischer, hypnotischer Mysterythriller mit viel Grusel nach altenglischer Geistergeschichten-Tradi tion und unheimlichen Familiendynamiken, Letztere stark untermauert von einer Tatsache: Tilda Swinton spielt sowohl Mutter als auch Tochter. Gartenbau: Sa 29.10., 20.45 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 31.10., 17.30 (OF)

Falcon Lake (CAN/F 2022) R: Charlotte Le Bon D: Joseph Engel, Sara Montpetit, Monia Chokri, Arthur Igual. 100 min. Der junge Franzose Bastien verbringt seine Ferien mit seiner Familie am Falcon Lake in Kanada. Er ist furchtbar gelangweilt, nur die Suche nach dem Geist eines Buben, der der Legende nach am See umgeht, fasziniert ihn. Als die etwas ältere Chloe im Ort auftaucht, nimmt Bastiens Urlaub eine neue Wendung. Warm und sinnlich strahlt der Som mer von den 16-mm-Bildern, mit denen Charlotte Le Bon die Melancholie und Einsamkeit einer endenden Kindheit einfängt. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 21.10., 23.00 + Urania: Sa 22.10., 18.30 (OmenglU) Family Dinner (Ö 2022) R: Peter Hengl D: Pia Hierzegger, Michael Pink, Nina Katlein, Alexander Sladek. 96 min. Die junge Simi hadert mit ihrem Gewicht und sucht Rat bei ihrer Tante Claudia, die mit Büchern über gesunde Ernährung erfolgreich ist und ihr beim Abnehmen helfen will. Der alte Bauernhof am Land, den Claudia mit Mann und Sohn Filipp bewohnt, strahlt unheimliche Kühle aus, und bald erklärt Claudia Simi, dass Filipp „leider nicht ganz gesund“ sei. Während Ostern naht, greift Grusel um sich. Heimathorrorfilm, geprägt von vorchristlichen Traditionen und viel Pfannengebrutzel. Gartenbau: Mo 24.10., 21.00 + Di 25.10., 23.15 (OmenglU)

Father’s Day (RWA 2022) R: Kivu Ruhorahoza D: Mediatrice Kayitesi, Aline Amike, Yves Kijyana, Cedric Ishimwe, André Musagara. 111 min. Zaninka trauert um ihr verlorenes Kind und entfernt sich dabei immer weiter von ihrem Ehemann. Mukobwa ist ein Mädchen aus einer wohlhabenden Familie, das seinem kranken Vater einen Lungenflügel spenden soll. Kadago, Sohn eines gewalttätigen Mannes, ver sucht sich auf den Straßen von Ruandas Hauptstadt Kigali durchzuschlagen. Sie sind die Protagonisten einer Geschichte von Befreiung und Wiedergeburt: In einem von seiner Vergangenheit heimgesuchten Land stellen sie sich gegen das Patriarchat, liegen auf ihnen die Zukunftshoffnungen. Urania: Fr 21.10., 13.00 + Do 27.10., 11.00 (OmenglU)

Film Socialisme (CH 2010) R: Jean-Luc Godard D: Robert Maloubier, Patti Smith, Lenny Kaye, Alain Ba diou. 102 min. In Godards „Film Socialisme“ geht es um die großen Entwürfe, die Reise führt wie immer bei ihm zitatenreich und gelehrt in die Geschichte zu rück, naturgemäß bis in die Antike, sprich: Richtung Mittelmeer. Sprich weiter: Warum machen wir dann nicht gleich eine Kreuzfahrt? Gesagt, getan. Garten bau: Mo 24.10., 13.00 (OmU)

The Fire Within: A Requiem for Katia and Mau rice Krafft (F/GB/CH/USA 2022) R: Werner Herzog. 81 min. Ein Mensch im silbernen Schutzanzug nähert sich einer riesigen, in den Himmel strebenden Wand aus Feuer und glühendem Gestein: Das französische Vulkanologen-Paar Katia und Maurice Krafft nahm unglaubliche Filmbilder auf, bevor es 1991 bei der Beobachtung des japanischen Vulkans Unzen von einem pyroklastischen Strom verschlungen wurde.

Werner Herzog ist der Faszination dieser Bilder erlegen – und teilt seine Hingabe, untermalt von schwerer Musik, als Erzähler mit dem Publikum. Gartenbau: Di 25.10., 18.00 (dF)

Flux Gourmet (GB/USA/H 2022) R: Peter Strickland D: Asa Butterfield, Gwendoline Christie, Makis Papa dimitriou, Ariane Labed, Fatma Mohamed. 109 min.

Satire auf das Kunst-Mäzenatentum, angesiedelt im Umfeld der Haute Cuisine: Ein völlig zerstritte nes kulinarisches Kunstkollektiv erhält durch ein Stipendium die Möglichkeit für einen einmonatigen Aufenthalt beim renommierten Sonic Catering Institute. Ein Schriftsteller mit heftigen Verdauungs problemen soll diese Zeit dokumentieren, während rivalisierende Food-Aktionisten zum Angriff über gehen. Komik, gewürzt mit Horror. Urania: So 30.10., 21.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 31.10., 14.30 (OmenglU)

Fogo-Fátuo / Irrlicht (P/F 2022) R: João Pedro Rodrigues D: Mauro Costa, André Cabral, Joel Branco, Oceano Cruz, Margarida Vila-Nova. 67 min. Wer hätte gedacht, dass Humor eine Strategie sein könnte, um kolonialistisches Erbe und rassistische Stereotypen zu überwinden? In seinem Fantasy-Musical zeichnet Filmer Rodrigues den Weg in die postkoloniale Gesellschaft mit Gesangseinlagen und Up-Sexing der Kunstgeschichte vor. „Der königliche Wald, in dem der junge Prinz Alfredo so steile Erektionen bekommt, lässt seinen Wunsch nach einem Leben als Firefighter wachsen, ohne zu ahnen, welch komplexe Freuden bei der Feuerwehr auf ihn warten.“ (Robert Weixlbaumer) Urania: Di 25.10., 16.30 (OmU) + Stadt kino im Künstlerhaus: Fr 28.10., 23.00 (OmenglU) Footnote (USA 2022) R: Yang Zhengfan. 91 min. Es ist das letzte Jahr der Trump-Regierung und das erste Jahr der Pandemie. Filmemacher Yang Zhengfan richtet die Kamera aus den Fenstern seiner Wohnung und beobachtet seine Chicagoer Nachbarschaft. 23 lange, mithin elegische Einstellungen stehen im Kontrast zur Tonspur, die über den abgehörten Polizeifunk bewaffnete Raubüberfälle, verdächtige Gestalten im Supermarkt, Protestmärsche der „Black Lives Matter“-Bewegung und verwirrte Obdachlose

vor dem inneren Auge aufruft. Metro: Mo 31.10., 16.00 + Filmmuseum: Di 1.11., 20.45 (OmenglU)

Fumer fait tousser / Smoking Causes Coughing (F 2022) R: Quentin Dupieux D: Oulaya Amamra, Adèle Exarchopoulos, Anaïs Demoustier, Gilles Lellouche, Benoît Poelvoorde. 80 min. Retro-pop-surrealisti sche Rächer-Horror-Anthologie: Nach einem verhee renden Kampf gegen eine teuflische Schildkröte wird ein Team von fünf Rächern – bekannt als „Tobacco Force“ – eine Woche auf Zwangsurlaub geschickt, um den bröckelnden Zusammenhalt der Gruppe zu stärken. Ihr Aufenthalt verläuft wunderbar, bis Lézardin, der Imperator des Bösen, beschließt, den Planeten Erde zu vernichten. Gartenbau: Fr 28.10., 23.15 + Urania: Mo 31.10., 16.30 (OmenglU)

Geographies of Solitude (CAN 2022) R: Jacquelyn Mills. 103 min. Regisseurin Mills taucht in den Alltag von Zoe Lucas ein, einer Natur- und Umweltschüt zerin, die seit me hr als 40 Jahren auf Sable Island im nordwestlichen Atlantik lebt. Lucas teilt ihr Dasein mit Pferden, Seehunden, Vögeln und Insekten und dokumentiert auch die Unmengen an Müll, die auf dem abgelegenen Sandstreifen angeschwemmt werden. Ein Werk über den Reichtum der Schöpfung, die gerade auf dem Spiel steht. Metro: Mo 24.10., 16.00 + Di 1.11., 13.30 (OmU)

Gigi la legge / The Adventures of Gigi the Law (I/F/B 2022) R: Alessandro Comodin D: Pier Luigi Mec chia, Ester Vergolini, Annalisa Ferrari, Tomaso Cecotto, Massimo Piazza, Mario Fontanello. 98 min. Gigi ist alt gedienter Polizist in einem norditalienischen Dorf. In seinem Alltag passiert wenig: Er grüßt die Menschen aus dem Polizeiwagen, flirtet per Funk mit der neuen Polizeianwärterin, hat ein paar Probleme mit dem Vorgesetzten, mahnt Jugendliche ab. Doch als er eines Tages eine Leiche auf den Bahngleisen findet

VOM WIDERSCHEIN DES KINOS

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Alle Termine, Film für Film, vom 20. Oktober bis zum 1. November OF Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln englOF englische Originalfassung ZUM LIEBE FILM faltershop.at | 01/536 60-928 | In Ihrer Buchhandlung
Hans Hurch: Essays, Interviews und Kurz texte zum Thema Film, Filmschaffende und Kino des ehemaligen Viennale-Direktors 248 Seiten, € 22,90

Café · Bar · Diskussionen · DJs TÄGLICH AB 18 UHR Falkestraße 5, 1010 Wien Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen!

Auch in diesem Jahr gibt es wieder einen Viennale Treffpunkt für Diskussionen und Gespräche mit Filmgästen oder einfach nur zum gemütlichen Plaudern, gelegen zwischen Gartenbaukino und Urania. In der Nacht wird das Untergeschoß zur Partyzone mit DJs und Live Acts.

APERITIVO MIT CAMPARI

Täglich zwischen 19 und 21 Uhr im Viennale Club Gegen Vorweis eines V’22 Tickets erhalten Sie zwei Campari Spritz zum Preis von einem. Great stories lie beyond the

Do, 20. 10., 21 Uhr Viennale-Eröffnungsparty

FARCE (LIVE) / DJ ZEY / DJ DIAMOND

Veronika J. König alias Farce hat heuer ihr zweites Studioalbum „Not To Regress“ veröffentlicht und setzt sich frech über Genregrenzen hinweg.

ist

Untergrund ebenso wie in der internationalen Avantgarde zuhause und besticht mit einem unverkennbaren Sound. Nach einem umtriebigen Festivalsommer eröffnet König als Live-Act den ViennaleVeranstaltungsreigen. DJ Zey verspricht dazu einen Einblick in das musikalische Schaffen der queeren afrikanischen Diaspora, DJ Diamond (Nice + Fast) sorgt für den tempobetonten Abschluss.

Fr, 21.10., ab 21 Uhr Party LARS EIDINGER

Nach seinem letztjährigen Party-Abriss im Viennale Club ist Schauspieler Lars Eidinger in diesem Jahr auch filmisch im Programm vertreten. Die Doku LARS EIDINGER – SEIN ODER NICHT SEIN liefert Einblicke in das Leben des Schauspielers und seine Arbeit. Nur logisch, dass Eidinger dann auch mit seiner Anti-Disco in Wien gastiert, einer mehrstündigen musikalischen Reise durch unterschiedlichste Genres von Pop bis Rap mit Tanzgarantie. Das Warm-up bestreitet Trppn.

Sa, 22.10., ab 22 Uhr Party

PLASTIC DREAMS / KATIA CURIE

Record- und Concept-Store, Partys mit Blick aufs Wesentliche: Das Wiener Kollektiv „plastic dreams“ kuratiert die Samstagnacht mit einem all-female Line-up und macht den Dancefloor mit einem eigenen Awareness-Team zum Safe Space. Hauptact ist die aus Kiev stammende Katia Curie, die mit ihrem Kollektiv Sonic Resistance und groovigem House, Trance und Techno die Clubs bespielt. Unterstützung erhält sie von DJ Hill und DJ SEX B2B sirAcha.

So, 23.10., ab 19 Uhr Vinyl-Bar

LUMPLECKER (SCHOOL)

Ambient, simple Techno Beats, Noise-Fragmente, Stimmen, Summen, Gezwitscher und fragile Melodien – Andrea Lumplecker kreiert Ebene für Ebene einen Schwarm unterschiedlichster Sounds nach dem Motto: „I compost my soul in this hot pile“. (Donna Haraway)

Mo, 24.10., 18 Uhr Panel

MÄNNLICHKEIT: ZWISCHEN SEIN UND NICHT SEIN

Topos im Kino, toxisch im Alltag? Kein nachhaltig Strukturen verändernder Feminismus, der nicht auch Definitionen von Männlichkeit mitdenkt, sie analysiert, sie konstruktiv nutzt, sie konkret beeinflusst. Ruth Beckermann (MUTZENBACHER), Albert Serra (PACIFICTION) und Mark Jenkin (ENYS MEN) sind eingeladen, filmische Positionen und gesellschaftspolitische Implikationen

Di, 25.10., ab 21 Uhr Party

DORIS UHLICH

Die zeitgenössische Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich weiß, was Körper in Schwingungen versetzt und wie wichtig es ist, das auch regelmäßig zu tun. An diesem Abend lädt sie mit ihrer persönlichen Doris-Playlist ein, dem Alltag zu entfliehen. Mit Songs aus ihren Performances und Workshops – von Pop bis Techno, von New Wave bis Klassik. Ihren Leitspruch leiht sie sich dabei von Madonna: “Just one day out of life. It would be so nice. One day to come together to release the pressure. We need a holiday!”

Mi, 26.10., ab 21 Uhr Vinyl-Bar

ASMA AIAD (SALAM OIDA)

Die Künstlerin & Aktivistin Asma Aiad ist Mitbegründerin von Salam Oida. Musikalisch spannt sie einen Bogen durch unterschiedliche Genres, Sprachen und Länder, zeigt mit wieviel Vielfalt sie in Wien aufgewachsen ist und wie sie diese Diversität feiert.

Do, 27.10., ab 22 Uhr Party

FM4 SWOUND SOUND: DJ STEFAN EGGER / MAKOSSA

In den 80er-Jahren eroberte eine neue Musikrichtung von Italien aus ganz Europa: Der Cosmic-Sound ist ein Mix aus Afro-Rhythm, World Music, Tribal, Reggae und Ethno, gepaart mit einer speziellen Auflegetechnik. DJ Stefan Egger war von der ersten Stunde dabei und veranstaltete auch die international gefeierten Afro-Meetings in Innsbruck, welche zur Pilgerstätte für die Cosmic-Gemeinde wurden. Dem legendären Sound wird ein Revival-Abend gewidmet, FM4-Urgestein Makossa darf dabei nicht fehlen.

In Kooperation mit

Fr, 28.10., 18.30 Uhr Panel

NARRATIVE UND MANIPULATION

Das Narrativ, die „sinnstiftende Erzählung“, ist ein vom Kino immer wieder eingelöstes Versprechen. Die Manipulation ein filmisches Werkzeug. Welche Verantwortung geht damit einher? Welche Machtstrukturen offenbaren sich? Worin liegt die künstlerische Freiheit in der Konstruktion von Narrativen – und wo das Potenzial für Missbrauch? Radu Jude (POTEMKINIȘTII), Roee Rosen (KAFKA FOR KIDS) und Eric Baudelaire (UNE FLEUR À LA BOUCHE) diskutieren Tragweiten von Set bis Kinosessel.

Fr, 28.10., ab 21 Uhr Party

BEIRUT GROOVE COLLECTIVE

Das in Beirut gegründete Kollektiv aus Vinyl-DJs, Musik-Sammlern und Künstlern ist bekannt für die populärsten Underground-Clubnächte der SWANA-Region und sorgt mit seinen Tanzabenden seit einiger Zeit nun auch in London für Furore. Der eklektische Mix aus raren Sounds der 60er bis 80er-Jahre aus dem Nahen Osten, Afrika und rund um die Welt sorgt für volle Tanzflächen und Lobeshymnen von New York Magazine, BBC und Vice. Zu Gast sind Gründungsmitglieder Ernesto Chahoud und Natalie Shooter.

Sa, 29.10., ab 22 Uhr Party RADIO RUDINA

Der Community-Radiosender Radio Rudina sendet seit 2020 24/7 und feiert dabei die Genrevielfalt. Das Radiostudio wird als hybrider Raum betrieben und die Betreiber:innen veranstalten selber auch Events im Bereich der elektronischen Live-Musik. An diesem Abend präsentieren die DJs Dazey, DJ.org, Lelo, PAU und Ice Scholle die musikalische Vielfalt des Senders.

So, 30.10., 18 Uhr Gespräch JOANNA HOGG

Vor wenigen Wochen erst für ihren aktuellen Spielfilm THE ETERNAL DAUGHTER bei den Filmfestspielen Venedig gefeiert, gehört die Britin Joanna Hogg zu den wichtigsten Regisseurinnen der Gegenwart. Ihre so präzisen wie kühlen Studien von Beziehungen innerhalb der gehobenen Mittelschicht und ihre Reflexionen über Kunst und Leben sind solitär im zeitgenössischen britischen Kino. Über ihr Schreiben spricht sie im Rahmen der Viennale. Moderation: Wilbirg Brainin-Donnenberg

In Kooperation mit

So, 30.10., ab 20 Uhr Vinyl-Bar

ALASKA AL TROPICAL (BOOMBOOMRECORDS)

Vinyl-Sammler Alaska Al Tropical ist spezialisiert auf Raritäten – von peruanischem Cumbia über kapverdischen Funana bis zu Muslim Funk aus dem Benin.

Mo, 31.10., ab 21 Uhr Party

MEGATRONIC / LUCIA KAGRAMANYAN

Megatronic ist DJ, Produzentin und Songwriterin, und hostet ihre eigene Radioshow Global Music Movement auf Gilles Petersons Worldwide FM. Gleichzeitig setzt sie sich als Aktivistin für die Gleichberechtigung in der Musik- und Kreativszene ein. Musikalisch bewegt sie sich innerhalb der Elektronik, R&B und African Disco, balanciert moderne Beats mit bunten und melodischen Flows und begeistert damit international in Clubs und auf Festivals. Support erhält sie von Lucia Kagramanyan mit einem Faible für armenische Musik und obskure Sounds.

Di, 1.11.,

21 Uhr Live/Party

OZAN ATA CANANI (LIVE), NEAL SUGARMAN

ALAIN GUIRAUDIE

Obwohl

Möglichkeiten.

zum

Präsentation der Publikationsreihe TEXTUR und Gespräch mit Alain Guiraudie. Moderation: Karin Schiefer

In Kooperation mit

VIENNALE CLUB
Farce
im feministischen
DJ ZEYFARCE
usual! Jedes V’22 Ticket kann für den Aperitivo nur einmal eingelöst werden.
KAFKA FOR KIDS ERNESTO CHAHOUD ASMA AIAD DJ STEFAN EGGER
DORIS UHLICH
zu diskutieren. Moderation: Andrea Braidt (Film- und Medienwissenschafterin) In Kooperation mit Mo, 24.10., ab 20 Uhr Vinyl-Bar A PARTY CALLED CHA CHA CHA DJ Ach (Our Latin Thing Vienna) packt Latin Old School, Afro Cuban, Afro Beat und Salsa in seine Plattenkiste. Di, 25.10., 18 Uhr Gespräch und Buchpräsentation
– oder weil – Alain Guiraudie Konventionalitäten sozialen Miteinanders virtuos zu erweitern vermag, gilt der Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur als einer der großen Außenseiter im französischen Kino. Seine Filme handeln oft von queeren Themen und sind im besten Sinn metamorph. Das alltägliche Leben wird
Abenteuer, die ländliche Enge zu einem Raum unbegrenzter
MUTZENBACHER KATIA CURIE ANDREA LUMPLECKER DJ ACH
ALAIN GUIRAUDIE
LARS EIDINGER THE ETERNAL DAUGHTER MEGATRONIC NEAL SUGARMAN OZAN ATA CANANI
ab
Ozan Ata Canani ist einer der Protagonisten des Films LIEBE, D-MARK UND TOD. Der türkischstämmige Saz-Spieler erfand in den 70er Jahren auf Deutsch gesungenen türkischen Rock ’n’ Roll und machte in seinen Texten auf die Diskriminierung türkischer Gastarbeiter aufmerksam. Mittlerweile hat er Legendenstatus erlangt. Eine weitere Legende ist der New Yorker Neal Sugarman, der mit seiner Band Dap Kings und dem Label Daptone den Retro-Soul-Sound des beginnenden Milleniums und so auch Acts wie Amy Winehouse maßgeblich mitgeprägt hat und im Viennale Club aufleben lässt. In Kooperation mit Dank an RADIO RUDINA

Intrigen. Gartenbau: Mi 26.10., 15.30 + Urania: Mo 31.10., 13.30 (OmenglU)

Super Natural (P 2022) R: Jorge Jácome D: Alexis Fernandes, Bárbara Matos, Bernardo Graça, Celestine Ngantonga Ndzana. 85 min. Fantastischer Trip in Form eines Experimentalfilms, in dem eine künst liche Intelligenz – präsent in Geräuschen und Unter titeln – auf verschiedene Akteur:innen trifft, die mit ihr in einen Dialog treten. Eine übernatürliche Meditation in allen Farben und Formen. Stadtkino im Künstlerhaus: Do 27.10., 13.00 + Metro: Fr 28.10., 21.00 (OmenglU)

Taht el shajara / Under the Fig Trees (F/TUN/CH/D/ QAT 2022) R: Erige Sehiri D: Fidé Fdhili, Feten Fdhili, Ameni Fdhili, Samar Sif. 92 min. Feigenernte in Tune sien: Angesiedelt an einem Tag, taucht Sehiris Drama in die Welt der Erntehelfer:innen aus verschiedenen Generationen ein. Wir sehen sie bei ihrer harten Arbeit und hören ihren Gesprächen zu. Die Alten, zumeist Frauen, blicken trotz Enttäuschungen ohne Verbitterung auf ihr Leben. Die Jungen plaudern, streiten und flirten – im Zentrum auch hier die Frau en, die zwischen Tradition und Aufbruch, Heiratsund Freiheitswunsch, Hidschab und Instagram ihren Weg suchen. Urania: Sa 29.10., 11.00 + Metro: Mo 31.10., 18.00 (OmenglU)

Tenéis que venir a verla / You Have to Come and See It (E 2022) R: Jonás Trueba D: Itsaso Arana, Vito Sanz, Francesco Carril, Irene Escolar. 64 min. Zwei befreundete Paare in ihren Dreißigern, die sich aus den Augen verloren haben, treffen einander bei einem Konzert in Madrid wieder. Guillermo und Susana laden Dani und Elena ein, sie auf dem Land zu besuchen. Hier besichtigen sie das Haus, essen zu sammen, diskutieren über das Werk des Philosophen Peter Sloterdijk, gehen spazieren und spielen Tisch tennis. In seiner komisch-melancholischen Miniatur erzählt Trubea von jenem Zeitraum in Biografien, wenn jugendliche Unruhe und Entdeckungslust langsam in das Lebensgefühl eines mittleren Alters übergehen. Urania: Do 27.10., 18.30 + Fr 28.10., 13.30 (OmenglU)

Tengo sueños eléctricos / I Have Electric Dreams (B/CRI/F 2022) R: Valentina Maurel D: Reinaldo Amien Gutiérrez, Daniela Marín Navarro, Vivian Rodríguez, José Pablo Segreda Johanning. 100 min. Nach der Scheidung ihrer Eltern boykottiert die 16-jährige Eva den Neuanfang der Mutter und setzt alles daran, bei ihrem Vater zu leben, auch: ihm beizustehen. Denn wie er spürt sie in sich jene schwelende Aggression, die er immer wieder gegen sich und andere entlädt. Diese Spirale aus Verzweiflung und Wut kontert Eva mit jugendlicher Verletzlichkeit und Energie. Neben einer hilflos in Egoismen festgefahrenen Elterngene ration erscheint sie oft als die einzige „Erwachsene“. Urania: Fr 21.10., 21.15 + Sa 22.10., 11.00 (OmenglU)

Terra que marca / Striking Land (P 2022) R: Raúl Domingues D: Maria Alice Sousa, Manual Jesus Duro, Joaquim Sousa, Manuel Carpalhoso, José António Sousa, Luís Mil Homens. 66 min. Menschen kommen in diesem fast wortlosen Film zwar vor, doch sie sind nur ein Faktor neben anderen. Regisseur Domingues hat im portugiesischen Hinterland gedreht, zeigt schwielige Hände, die säen, jäten und harken, gebückte Rücken beim Pflücken. Die meiste Zeit aber beobachtet die Kamera den Boden, sammelt Bilder von Ackerfurchen, Kartoffelstauden, Unkraut, grasenden Pferden oder Traktorräderabdrücken im Schlamm, von Werkzeugen und Landmaschinen.

Metro: Mi 26.10., 16.00 + Urania: Do 27.10., 13.30 (OmenglU)

Theater of Thought (USA 2022) R: Werner Herzog. 107 min. Herzog nimmt das Kinopublikum mit auf eine Reise in die Welt des menschlichen Gehirns, des Denkens. Sein Film besteht vor allem aus Interviews mit Neurowissenschaftlern und Experten für künst liche Intelligenz – einmal sagt der Regisseur selbst im Voiceover, dass er kein Wort verstehe, aber fasziniert sei – und entwickelt sich zu einer spannenden Annäherung an die menschliche Existenz und ihre Zukunft. Ein intelligentes, oft frei assoziierendes Werk zwischen ethischen Dilemmata und der Frage: Werden wir eines Tages mit Vögeln sprechen können? Gartenbau: Mi 26.10., 21.15 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 29.10., 13.00 (OF)

Tori et Lokita (B/F 2022) R: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne D: Joely Mbundu, Pablo Schils, Nadège Ouedraogo, Marc Zinga. 88 min. Lokita, ein Teen ager aus Benin, und Tori, den sie wie einen kleinen Bruder „adoptiert“ hat, leben in einer belgischen Unterkunft für junge Flüchtlinge. Sie haben Schulden bei Menschenschmugglern und arbeiten nachts als Drogenverkäufer. Als Lokita aus Verzweiflung einen fatalen Handel eingeht, nimmt die Geschichte des Duos eine noch düstere Wendung. Ein neues Werk

aus dem so sozialkritischen wie schnörkellos-empa thischen Kino-Universum der Brüder Dardenne. Gar tenbau: Di 25.10., 15.30 + Di 1.11., 15.15 (OmenglU)

Trenque Lauquen – Teil 1 (ARG/D 2022) R: Laura Citarella D: Juliana Muras, Elisa Carricajo, Verónica Lli nás. 128 min. Ein skurriler Zweiteiler mit schrulligen Charakteren, einem Quantum an Meta-Humor und Selbstironie: In Teil I wird Protagonistin Laura (CoDrehbuchautorin Laura Paredes) vermisst, woraufhin sich ihr Freund und ein Kollege auf die Suche nach ihr begeben. Als engagierte Pflanzenforscherin wird Laura von der Geschichte einer hocherotischen und gequälten Affäre zwischen einer Biologin und einem verheirateten Mann in den Bann gezogen. „Trenque Lauquen I“ führt durch die gleichnamige Provinz südwestlich von Buenos Aires, eine existenzielle Ent deckungsreise. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 28.10., 15.00 (OmenglU) + Metro: Sa 29.10., 11.00 (OmU) Trenque Lauquen – Teil 2 (ARG/D 2022) R: Laura Citarella D: Juliana Muras, Elisa Carricajo, Verónica Llinás. 132 min. Lauras leidenschaftliche Suche nach einer talentierten jungen Biologin, die nach einer leidenschaftlichen Affäre mit einem Mann aus einer kleinen Provinzstadt verschwunden ist, dauert an. Im Mittelpunkt von Citarellas vielschichtiger und oft spielerisch barocker Geschichte steht die ironische Parallelität zwischen der geheimnisvollen Wissen schaftlerin und Lauras eigenem Leben: eine Bewe gung, die als weibliche Emanzipation definiert wird und sich von einem Akt sexueller und beruflicher Befreiung zu einer durchaus existenziellen Suche nach dem endgültigen Platz der Frau in der Welt ausweitet. Ein Film, labyrinthisch wie eine Geschichte von Borges. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 28.10., 15.00 (OmenglU) + Metro: Sa 29.10., 11.00 (OmU)

Três tigres tristes / Three Tidy Tigers Tied a Tie Tighter (BRA 2022) R: Gustavo Vinagre D: Isabella Pereira, Jonata Vieira, Pedro Ribeiro, Gilda Nomacce, Carlos Escher, Julia Katharine. 85 min. Jonata kommt nach São Paulo, um seine HIV-Medikamente ab zuholen und seinen Onkel Pedro zu besuchen, der im selben Alter ist wie er und als Camboy arbeitet. Pedros Mitbewohnerin Isabella versucht für die Krankenschwesternprüfung zu lernen. Als die Pandemie alle Pläne durchkreuzt, wandern die drei jungen queeren Menschen durch die Stadt. Als eine Art Roadmovie zu Fuß erzählt „Três Tigres Tristes“ keine wirkliche Geschichte, sondern versammelt zunehmend surreale Episoden rund um Liebe und Sex, existenzielle Entwürfe zwischen Instagram und Youtube sowie einen nostalgischen Blick auf vergan gene Lebenswelten. Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 24.10., 23.00 + So 30.10., 16.00 (OmenglU)

Une fleur à la bouche / A Flower in the Mouth (F/KOR/D 2022) R: Eric Baudelaire D: Oxmo Puccino, Dali Benssalah. 67 min. Eine dokumentarische Beobachtung des Treibens am Blumenmarkt im niederländischen Aalsmeer, wo täglich Millionen aus Afrika eingeflogene Schnittblumen sortiert, voll automatisch zu Gebinden verpackt, in Gitterwagen durch riesige Hallen transportiert und bei Auktionen in großem Stil verkauft werden, zeigt Blumen als Objekte globalen Handels und macht den ökologi schen Irrsinn dieser industriellen Nutzung deutlich. Daneben steht ein fiktives Szenario – frei nach einem Stück von Luigi Pirandello aus dem Jahr 1923 – um den Mann mit der Blume im Mund, womit metapho risch ein Tumor gemeint ist. (Berlinale) Stadtkino im Künstlerhaus: Do 27.10., 18.00 (OmenglU)

Un été comme ça / That Kind of Summer (CAN 2022) R: Denis Côté D: Larissa Corriveau, Aude Mathieu, Laure Giappiconi, Anne Ratte Polle. 137 min. In einer therapeutischen Einrichtung versuchen die drei sexsüchtigen jungen Frauen Geisha, Léonie und Eugénie ihre „Probleme“ – Nymphomanie, BondageSpiele, Gang-Rape-Fantasien – zu bearbeiten. In ausgedehnten, manchmal quälenden Sequenzen und einem semidokumentarischen, von vielen Close-ups geprägten Stil beobachtet Coté in diesem Psychodrama, wie die Gruppe sich bemüht, ein empfindliches Gleichgewicht zu halten. Urania: Mo 24.10., 18.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mi 26.10., 12.00 (OmenglU)

The United States of America (USA 2022) R: James Benning. 102 min. Berge und Täler, Flüsse und Seen, Wiesen und Felder, charakteristische Gebäude, Pfer de, ein Autorennen: Benning widmet jedem der USBundesstaaten plus Puerto Rico und Washington, D.C. eine zweiminütige starre Einstellung. Er spielt mit Assoziationen und Klischees, befördert durch Text- und Songfragmente auf der Tonspur. Viel Zeit ist vergangen, seit er 1975 mit Bette Gordon einen gleichnamigen Kurzfilm gedreht hat, der die USA auf einem Road Trip von Ost nach West vom Rücksitz

In der Zwickmühle mit Zombies: „Coupez!“ von Michal Hazanavicius

Mit einer Spoilerwarnung ist es nicht getan. Michal Ha zanavicius’ „Coupez!“ bringt jeden, der ihn gesehen hat, in eine echte Zwickmühle. Besonders die, die da ran Vergnügen fanden. Denn davon lässt sich nicht erzählen, ohne dass man selbiges verderben würde. Hin zu kommt, dass die größten Über raschungen, die der Film bereitet, sich nicht aus seinem Inhalt, son dern aus seiner Struktur ergeben.

Wie also soll man ihn beschrei ben? „Zombie-Komödie“ jedenfalls wäre nur bedingt richtig, ja, es kom men Zombies vor, und ja, es darf ge lacht werden. Aber das Besondere des Films entwickelt sich erst dar aus, wie sich das eine zum anderen verhält. Als dankbarer Fakt erweist sich der Hinweis darauf, dass es sich um ein Remake handelt. Dem japa nischen Regisseur Shin’ichirō Ueda war mit „One Cut of the Dead“ 2017 ein echter Überraschungshit gelungen. Mit unbekannten Schau spielern und einem sehr beschei

denen Budget von 25.000 Dollar gedreht, schrieb der Film Kinoge schichte, weil er am Ende das Tau sendfache seiner Kosten einspielte.

Nun ist Hazanavicius’ Version keineswegs die übliche HollywoodHochglanzproduktion, die natur gemäß an den Underdog-Charme des Originals nicht heranreicht. Im Gegenteil spielen hier Romain Du ris als überforderter Regisseur und Bérénice Bejo als seine überspann te Hauptdarstellerin mit so viel be freiender Lust am Chargieren auf, dass man sie ganz neu sieht. Ver vielfacht wird der Spaß durch Cha rakterdarsteller wie Grégory Ga debois, Finnegan Oldfield und Jean-Pascal Zadi, die von stoisch bis exzentrisch das Spektrum des Komischen ausreizen. Für ein opti males Kinoerlebnis sollte man aber bitte auch nicht zu viel erwarten.

Gartenbau: Fr, 21.10., 23.00 (OmU)

Stadtkino: Sa, 29.10., 23.15 (OmU)

VIENNALE 22 FALTER 27
BARBARA
SCHWEIZERHOF
FEATURE Zombie-Komödie? Zombie-Komödie! Romain Duris outriert als überforderter Regisseur und das übrige Ensemble reizt das Spektrum des Komischen von stoisch bis exzentrisch aus
FOTOS: VIENNALE

zerbrochenes Objektiv die Dreharbeiten bis in den Sommer, als sich auf den Straßen gerade der Protest gegen die Verhaftung von Ayatollah Khomeini formierte. Der Titel spielt auf ein Gedicht von Attar an: „Was die Alten in einem Lehmziegel sehen können, können die Jungen in einem Spiegel sehen.“ Eine filmhistorische Rarität. Metro: So 23.10., 21.30 (OmenglU)

Session#1: Fires of Forough (IRN 1958–1962) R: Ebrahim Golestan et al. 93 min. Ein Blick auf die „ÖlDokumentarfilme“ von Ebrahim Golestan und seine Kollaboration mit der Dichterin Forough Farrokhzad. 1958 geriet eine Ölquelle im Iran in Brand, was Abolghassem Rezaie im selben Jahr in „Fire-Fight at Ahwaz“ dokumentierte. Als Golestan das Material sah, zu dem er den Text schrieb, beschloss er, seine eigene Version der Ereignisse zu produzieren, „A Fire“ (1961). Geschnitten wurde diese von Farrok hzad, die auch in Golestans „Courtship“ (1961) mit wirkte, ehe sie im Jahr darauf ihren einzigen eigenen Film realisierte: „The House is Black“, das einmalige Dokument eines Aufenthalts in einer Leprakolonie. Metro: Fr 21.10., 16.00 (OmenglU)

Session#2: Jewels of Earth, Part I (IRN 1961–1965) R: Ebrahim Golestan et al. 59 min. „Wave, Coral and Rock“ von Ebrahim Golestan und Alan Pendry (1961) ist ein 40-minütiger Filmbericht über die Ver legung von Ölpipelines im Süden des Iran. Obwohl er dieses Thema von allen Seiten ausleuchtet, werden auch Themen wie der „geduldige Prozess der Natur“ berührt, bis er mit einer sehr politischen Aussage über die Menschen im Iran endet, die keinen Anteil am Ölreichtum haben. Noch gewagter ist „The Crown Jewels of Iran“ (1965), eine visuell beeindruckende Attacke auf das Persische Königshaus. Metro: Sa 22.10., 16.00 (OmenglU)

Session#3: Jewels of Earth, Part II (IRN/GB 1952–1965) R: Ebrahim Golestan et al. 64 min. Ebrahim Golestans halbstündiger „Harvest and Seed“ (1965) ist eine Studie der Lebensbedingungen in einem iranischen Dorf nach den Landreformen der frühen 1960er-Jahre. Anstatt zu einer Verteilung des Reichtums zu führen, haben lediglich die Profiteure der schier allgegenwärtigen Korruption gewechselt.

Kein Wunder, dass der Film umgehend beschlag nahmt wurde. Gleichfalls der Frage der Landnutzung widmete sich Golestan in „The Hills of Marlik“ (1963), der von einer 3000 Jahre alten Stätte im Nor den Irans erzählt, die gleichzeitig von Archäologen ausgegraben und von Landwirten gedüngt wird.

Den Abschluss bildet „Persian Story“ (GB 1952), eine Kurzdoku von Ralph Keene. Metro: So 23.10., 11.00 (OmenglU)

Monografie: Med Hondo

Fatima, l’algérienne de Dakar / Fatima, the Algerian Woman of Dakar (MRT/TUN/F/SEN 2004) R: Med Hondo D: Amel Djemel, Thierno Ndiaye Doss, Mame Ndoumbé. 93 min. Erzählt wird die Geschichte von Fatima (berührend: Amel Djemel), einer Algerierin, die während des Befreiungskrieges 1957 von dem senegalesischen Offizier Souley mane Fall vergewaltigt wird, der eine Kolonne der französischen Kolonialarmee anführt. Einige Jahre später, nach seiner Rückkehr in den Senegal, fordert sein Vater ihn auf, nach Algerien zurückzugehen und den Schaden wiedergutzumachen, den er Fatima zugefügt hat: Diese ist in der Zwischenzeit ständigem Rassismus ausgesetzt, weil sie einen schwarzen Sohn hat. In einem unwahrscheinlichen Happyend kehren Souleymane, Fatima und ihr Sohn Abdelkader schließlich in den Senegal zurück, um ein neues Leben anzufangen. Basierend auf einem Buch des tunesischen Autors und Schauspielers Tahar Cheriaa. Filmmuseum: Fr 28.10., 13.00 (OmenglU)

Les Bicots-nègres, vos voisins / Arabs and Niggers, Your Neighbours (F/MRT 1973/74) R: Med Hondo D: Armand Abplanalt, Jean Berger, Claude Debord, Sally N‘Dongo. 102 min. Ein komplexer Film essay mit verschiedenen Enden und Laufzeiten (eine Version war drei Stunden lang) und acht scheinbar lose zusammenhängenden Sequenzen, der eine brillante Analyse des repressiven postkolonialen Staatsapparats liefert, bevor er die Erfahrungen und Lebensbedingungen von Migranten, ihr affektives Elend, ihre Bewusstwerdung und ihr Aufbegehren untersucht und mit einer Hommage an das afrika nische Kino schließt. Starker Film. Metro: Sa 22.10., 18.15 (OmenglU)

Lumière noire / Black Light (F 1993) R: Med Hondo D: Patrick Poivey, Ines de Medeiros, Gilles Ségal, Char lie Bauer. 103 min. Nach einem Terroranschlag in der Nähe des Flughafens Charles de Gaulle kommt ein

Autofahrer an einer Straßensperre ums Leben. Sein Freund, ein Flugzeugingenieur, glaubt den Aussagen der Polizei über den Vorfall nicht. Seine einzige Mög lichkeit, die Wahrheit herauszufinden, besteht darin, einen Augenzeugen des Mordes zu finden, einen jungen Malier, der in einem Hotel am Flughafen fest gehalten wird und mit anderen Migranten auf seine Abschiebung wartet. Die Suche des Ingenieurs führt ihn bis nach Bamako und ins malische Umland. Teile dieses Films mit kriminalistischen Untertönen dreh ten Med Hondo und sein Team ohne Genehmigung verkleidet als Flughafenarbeiter. Metro: Fr 21.10., 18.30 (OmenglU)

Mes voisins / My Neighbors (F 1971) R: Med Hondo. 35 min. Der Titel zitiert ein Chanson, in dem das Elend vor der eigenen Tür besungen wird: Afrika nische Migranten in Paris sprechen über ihr Leben und den alltäglichen Rassismus auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Prägnanter als in der animierten Schlusssequenz wurde die postkoloniale Weltlage noch nie auf den Punkt gebracht. Metro: Fr 21.10., 18.30 (OmenglU)

Missing Pieces: A Look at Med Hondo’s First Film „Ballade aux sources“ / Walk to the Sources (MRT 1965) R: Med Hondo, Bernard Nantet D: Pierre Letailleur. 30 min. Med Hondos erster, semidoku mentarischer Film, die Reise eines afrikanischen Emigranten durch sein Heimatland kurz nachdem Nordafrika unabhängig wurde. Das Werk wird im Rahmen einer Sonderveranstaltung als „restoration in progress“ im Zuge einer Präsentation von Anna belle Aventurin (ciné-archives) gezeigt. Filmmuseum: Sa 29.10., 18.00 (OmenglU) Polisario, un peuple en armes / Polisario, a People in Arms (F/MRT 1978) R: Med Hondo. 85 min. Dokumentarfilm über die Sahrawi in der WestSahara, die unter der Führerschaft der Polisario-Front einen nationalen Befreiungskrieg zunächst gegen die Spanier und dann gegen die Marokkaner und Mauretanier führten, die nach dem Rückzug der Ko lonialisten das Gebiet für sich beanspruchten. Med Hondo und sein Team lebten einige Monate vor Ort mit den Sahrawis, erlebten Bombenangriffe und Eva kuierungen mit und wurden Zeugen einer der letzten Schlachten vor dem Waffenstillstand zwischen den Polisario und Mauritanien. Die bittere Realität der Kämpfenden steht in auffälligem Kontrast zur Schön heit der Wüstenlandschaft, dazwischen werden Menschen in Interviews zu den vordringlichsten politischen Problemen befragt. Filmmuseum: Mo 24.10., 13.00 (OmenglU) Sarraounia, an African Queen (MRT/BFA/F 1986)

R: Med Hondo D: Ai Keta, Jean-Roger Milo, Didier Sauvegrain, Roger Mirmont. 120 min. Deutsch: „Der Kampf der schwarzen Königin“. Episch angelegter Geschichtsfilm über ein besonders düsteres Kapitel der französischen Kolonialgeschichte: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts versetzen die blutigen Feldzüge der Offiziere Voulet und Chamouine die Niger-Re gion in Angst und Schrecken. Erst einer jungen Kriegerin – Königin der Aznas und mystische Figur zugleich – gelingt es, dem schrecklichen Geschehen Einhalt zu bieten. – Seine Realisierung verdankt der Film Thomas Sankara, dem einstigen Staatschef von Burkina Faso, der von Hondos Problemen im Niger erfuhr und ihm anbot, mit Technikern, Schauspielern und der burkinische Armee in seinem Heimatland zu drehen. Filmmuseum: Mi 26.10., 12.30 (OmenglU) Soleil ô / Oh, Sun! (F/MRT 1969) R: Med Hondo D: Robert Liensol, Théo Légitimus, Gabriel Glissand, Mabousso Ló. 98 min. Anhand eines jungen Mauretaniers, der zum Arbeiten nach Paris geht, erzählt Med Hondos aufrüttelndes Langfilmdebüt von der Situation schwarzer Afrikaner in Frankreich, das harte Kritik an der weißen Gesellschaft übt und sich zugleich selbstkritisch mit den Aktionen und Reaktionen der Black Community auseinandersetzt. Ein militante Collage, die mit Symbolen, Inserts und Stilmitteln des Cinema verité sowie des sowjetischen Formalismus die Verstrickung von Kapitalismus und Rassismus analysiert – und 1970 in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde. Metro: So 23.10., 13.00 (OmenglU) Watani, un monde sans mal / Watani (F/MRT 1998) R: Med Hondo D: Patrick Poivey, Cumba Awa Tall, Mboup Massyla, Anne Jolivet, James Campbell. 103 min. „Watani“ stellt zwei Personen gegenüber, die am selben Tag ihre Arbeit verlieren: Patrick Clement, ein verheirateter Bankangestellter mit zwei Töchtern und einer Frau, die infolge eines Terror anschlags im Rollstuhl sitzt, und Mamadou Sylla, ein afrikanischer Immigrant, gleichfalls Vater von zwei Kindern, der als Müllmann arbeitet. Während der eine vergeblich nach einer Beschäftigung sucht, gerät der andere langsam in die Hände einer rechts

Heimischer Problemfilm als Reklame für Rekrutennachschub: ,,Eismayer“

J

a, so ist’s, wie „Eismayer“ ver rät, wirklich passiert: Ein Aus bildner und ein Rekrut verlieben sich ineinander. Der Romanze mit dem Ehrgeizling mit Migrations hintergrund (aufmüpfig, gut: Luka Dimić) steht jedoch im Weg, dass der Unteroffizier im Gegensatz zu ihm sein Coming-out bisher ver schleppt hat. Einerseits gibt er den harten Macho, andererseits den liebevollen Familienpapa, der sich nach männlicher Zuneigung sehnt (Gerhard Liebmanns eindringliches Eismienenspiel rettet den Charak ter vorm „Harte Schale, weicher Kern“-Klischee).

Der titelgebende Protagonist ist also so gespalten wie „Eismayer“ selbst, der vieles kritisch Revue pas sieren lässt, was in der Gewaltins titution, die zum Töten ausbilden soll, falsch läuft. Dass es da mit unter brutal, autoritär, homophob, rassistisch usw. zugeht, dürfte sich herumgesprochen haben – sonst bliebe der Nachschub nicht aus.

Was einen jungen Hauptmann be sonders aufregt, als er Eismayer at testiert: „Wegen Typen wie ihnen geht keiner mehr zum Heer.“

Anstatt dieser Diagnose jedoch den Marsch zu blasen, hält David Wagners Spielfilmdebüt deren Fah ne hoch. So wird das Problem vor allem als eines des Personals darge stellt, das nur noch nicht fortschritt lich genug ist. Dadurch wirkt die ser preisverdächtig nach der Marke „schnörkelloser Problemfilm-Realis mus“ inszenierte (und in Venedig prämierte) Film so, als rühre er die Werbetrommel für das Heer. Das Finale – Liebesbekundung vor ver sammelter Mannschaft, Beifall, JaWort in der Kaserne – bringt des sen ramponiertes Image schließlich mächtig auf Vordermann.

Hab Acht, so steht der Muste rung ja eigentlich gar nichts mehr im Weg!

Gartenbau: So, 23.10., 18.00 (OmenglU) Urania: Mo, 24.10., 13.30 (OmenglU)

VIENNALE 22 FALTER 29
DAVID AUER FEATURE Hab Acht, Liebesfilm! In der Titelrolle rettet Gerhard Liebmann mit eindringlichem Eismienenspiel den Charakter vorm „Harte Schale, weicher Kern“-Klischee
FOTOS: GOLDEN GIRLS FILM

extremen Gruppierung, die schwarze und arabische Migranten in der Dunkelheit der Nacht angreift und tötet. Ein minimalistischer, in Schwarz-Weiß gedrehter Film, der mit Anklängen an das Kino der Stummfilmzeit und die Hip-Hop-Kultur spielt und von aktuellen Nachrichten über tägliche Demütigun gen von Migranten in Frankreich inspiriert wurde. Filmmuseum: Do 27.10., 12.45 (OmenglU) West Indies ou les nègres marrons de la liberté / West Indies – The Fugitive Slaves of Liberty (F/ ALG/MRT 1979) R: Med Hondo D: Robert Liensol, Hélène Vincent, Toto Bissainthe, Gabriel Glissant, Elsie Haas. 115 min. In jeder Hinsicht beeindruckendes Musical, das auf einem riesigen Sklavenschiff spielt, das symbolisch für die Dreiecksbeziehung zwischen Afrika, Europa und der Karibik steht. Hondo platziert es in einer aufgelassenen Citroën-Fabrik, um die grundlegende Bedeutung des atlantischen Sklaven handels für die industrielle Revolution, die Entste hung und den Aufstieg der Bourgeoisie, den Anbruch der Moderne sowie den globalen Siegeszug des Kapitalismus zu verdeutlichen. Parallelen zwischen der erzwungenen Migration des atlantischen Skla venhandels und den afrokaribischen Migrationsbe wegungen des 20. Jahrhunderts sind unverkennbar. Filmmuseum: Di 25.10., 12.30 (OmenglU)

Monografie: Elaine May

The Heartbreak Kid / Pferdewechsel in der Hochzeitsnacht (USA 1972) R: Elaine May D: Charles Grodin, Cybill Shepherd, Jeannie Berlin, Eddie Albert. 95 min. Die lang herbeigesehnten Ehefreuden eines jüdischen Sportartikelhändlers schwinden bereits während der Flitterwochen. Kaum in Florida ange kommen, verguckt er sich in eine schlagfertige Blon dine – und lässt seine Frau mit Sonnenbrand links liegen. Skript von Neil Simon, großartige Komödie der Peinlichkeiten. Metro: Di 1.11., 16.00 (OF) Ishtar (USA 1987) R: Elaine May D: Warren Beatty, Dustin Hoffman, Isabelle Adjani, Charles Grodin. 107 min. Auf seine Art ein Katastrophenfilm: Beatty und Hoffman wandeln als talentlose Singer-Song-Writer auf den Spuren von Bing Crosby und Bob Hope on „the road to“ Ishtar. Ein blindes Kamel stiehlt ihnen die Show. Urania: Di 1.11., 11.00 (OF)

Mikey and Nicky (USA 1976) R: Elaine May D: Peter Falk, John Cassavetes, Rose Arrick, Ned Beatty, Carol Grace, William Hickey, M. Emmet Walsh. 106 min. Weil er einen Gangsterboss hintergangen hat, ver kriecht sich Schmalspurgauner Nicky (Cassavetes) in einem billigen Hotel und ruft seinen Kumpel Mikey (Falk) zu Hilfe. Dabei arbeitet auch Mikey für das Syndikat. Auf der Suche nach Schutz beginnt eine lange Reise durch die Nacht. Regisseurin und Autorin May drehte über 400 Kilometer Film, ungefähr das Dreifache von „Gone With the Wind“! Einst von Para mount versenkt, gilt „Mikey and Nicky“ mittlerweile als poetisches Meisterwerk des Neo-Noir, dessen wunderbar-schäbige Locations ein abgerocktes New York zeigen, das es schon lange nicht mehr gibt. Urania: Fr 28.10., 11.00 (OF) A New Leaf (USA 1971) R: Elaine May D: Walter Matthau, Elaine May, Jack Weston, James Coco, Doris Roberts. 102 min. Deutscher Spaßtitel: „Keiner killt so schlecht wie ich“. Der alternde Playboy Harry Graham (Matthau) sieht seinen luxuriösen Lebensstil gefährdet und heiratet deshalb eine weltfremde Milliardärstochter (May). Doch sein Plan, die frisch gebackene Ehefrau möglichst schnell zu beseitigen, geht nicht auf. Hintergründige Komödie, die vor allem im letzten Drittel hinreißenden Witz und Tem po erreicht. Der zunächst dreistündige Film wurde vom Studio brutal gekürzt; Elaine May, Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin in Personalunion, versuchte daraufhin vergeblich, ihren Namen aus dem Projekt zurückzuziehen. Dennoch großartig. Filmmuseum: So 23.10., 18.00 (OF)

Argentinischer Film noir

Apenas un delincuente / Hardly a Criminal (ARG 1948) R: Hugo Fregonese D: Jorge Salcedo, Serbastián Chiola, Tito Alonso, Linda Lorena, Nathán Pinzón. 88 min. Dieses fulminante Meisterwerk beginnt als Großstadtsinfonie: Züge rasen, Menschen hasten, Autos quietschen um die Kurve, eine Verfolgungs jagd endet im Straßengraben – das Bild friert ein, wird zum Zeitungscover, die Schlagzeile: „José Moran geschnappt“. Dann, in Rückblende, erzählt der Film die Geschichte von Moran, 28, Angestellter bei einer Versicherung, der auf zu großem Fuße lebt, jemand sein will, eine halbe Million unterschlägt

und dafür gern ins Gefängnis geht. Der Erfolg dieses Films ebnete Regisseur Fregonese den Weg nach Hollywood. Filmmuseum: Fr 21.10., 13.00 + Metro: Di 1.11., 11.00 (OmenglU)

El vampiro negro / The Black Vampire (ARG 1953)

R: Román Vinoly Barreto D: Olga Zubarry, Roberto Escalada, Nathán Pinzón, Nelly Panizza. 90 min. Ein inoffizielles Remake von Fritz Langs „M“: die Ge schichte eines Kindermörders, verkörpert von Nat hán Pinzón, der von Statur und geducktem Naturell her stark an Peter Lorre erinnert. Genial schon der Anfang: ein Close-up, von Rauchschwaden umflort, dazwischen Bilder eines Rorschachtests, in denen er immer nur junge Frauen erkennt. – Deutscher Titel: „Der Würger geht durch die Stadt“. Metro: Do 27.10., 16.00 (OmenglU)

La bestia debe morir / The Beast Must Die (ARG 1952) R: Román Vinoly Barreto D: Narciso Ibánez Menta, Laura Hidalgo, Guillermo Battaglia, Nathán Pinzón. 92 min. Krimiautor Felix Lane (der legendäre spanische Schauspieler Narciso Ibáñez Menta) erleidet einen tragischen Verlust: Sein neunjähriger Sohn wird bei einem Autounfall getötet, der Lenker begeht Fahrerflucht. Verzweifelt auf Rache sinnend, umgeht Lane die Behörden, nimmt eine neue Identität an und macht sich auf die Suche nach dem Schuldigen. Eine düstere Geschichte der argentini schen Upperclass, in der Schuldgefühle abwechselnd sadistisch und masochistisch abgewehrt werden. Claude Chabrol versuchte sich 1969 mit „Que la bête meure“ an einem Remake. Filmmuseum: So 23.10., 13.00 (OmenglU)

Los tallos amargos / The Bitter Stems (ARG 1956)

R: Fernando Ayala D: Carlos Cores, Aída Luz, Julia Sandoval, Vassili Lambrinos, Bernardo Perrone, Gilda Lousek. 90 min. Hierzulande vergessener Film noir um den Reporter Gaspard aus Buenos Aires und einen ungarischen Emigranten, der seine Familie nach Argentinien zu holen trachtet: Gemeinsam wollen sie „das perfekte Verbrechen“ planen. Nach einem Roman von Adolfo Jasca, einer Parabel auf den latenten Faschismus in der argentinischen Gesellschaft. Filmmusik von Astor Piazzolla. Metro: Fr 28.10., 18.45 + Filmmuseum: Mo 31.10., 13.00 (OmenglU)

Native Son (ARG/USA 1951) R: Pierre Chenal D: Richard Wright, Gloria Madison, Jean Wallace, Nicholas Joy, George Rigaud. 106 min. Der Autor Richard Wright selbst spielt die Hauptrolle in diesem bizarren Unikat des vor den Nazis aus Frankreich emigrierten Regisseurs Chenal. „Bigger“ Thomas, ein junger Afroamerikaner aus Chicago, wird von einem altersweisen Millionär als Chauffeur angestellt – und in der ersten Nacht unabsichtlich zum Mörder von dessen Tochter. Ein thesenhafter Film noir, der das Verbrechen vor allem als eine Folge des strukturellen Rassismus der US-amerikanischen Gesellschaft zeigt. Wie richtig er mit dieser Diagnose lag, belegt schon der Umstand, dass Buenos Aires beim Dreh für Chicago einstehen musste. Filmmuseum: Sa 22.10., 13.00 (englOF)

No abras nunca esa puerta / Don’t Ever Open That Door (ARG 1952) R: Carlos Hugo Christensen D: Ángel Magana, Renée Dumas, Nicolás Fregues, Rober to Escalada, Ilde Pirovano. 85 min. Ein B-Picture, das auf zwei Kurzgeschichten von Cornell Woolrich be ruht, die wie durch eine Tür miteinander verbunden sind. Regisseur Christensen folgt in diesem Film noir mit Neigung zur tragischen Pointe nie den Spuren der amerikanischen Genre-Vorbilder, sondern treibt seine Suche nach einem eigenen Stil voran. Dank der bemerkenswerten Fotografie von Pablo Tarbenero (geboren 1910 als Peter Paul Weinschenk in Berlin), hält der Film lange Zeit die Spannung und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Metro: Mo 24.10., 13.45 (OmenglU)

stand in Österreich seit Kriegsende. Metro: Sa 22.10., 21.00 (OmenglU)

Carmen (Ö 1999) R: Anja Salomonowitz. 23 min. „Irgendwie hab ich den Eindruck das Kino versteht mich.“ Quasi dokumentarischer Mini-Essay über die wundersam libidinöse Leidenschaft von Frau Carmen Martinek, die Kinosäle zu ihren Liebhabern macht. Metro: Do 27.10., 11.00 (OmenglU)

Doppelgänger (Ö 2018) R: Michaela Taschek. 20 min. Es ist Freitag der 13. und Vollmond, als Erich Taschek in seinem Badezimmer einen Herzinfarkt erleidet. Die Spr ünge in den Fliesen sind stumme Zeugen des tödlichen Ereignisses. Doch ist dies wirk lich der Zeitpunkt, an dem der Vater aus dem Leben der Filmemacherin Michaela Taschek verschwindet? Metro: Di 25.10., 11.00 (englOF)

During the Many Years (Ö 1991) R: Goran Rebic. 40 min. Merab, Nino, Levan, Ludmilla erzählen von Tiflis, ihrer Stadt. Keine sozio-historischen Er läuterungen, kein Off-Kommentar. Ein wunderbarer Essay, eine Sammlung von Eindrücken während einer Reise ins jüngst unabhängig gewordene Georgien. „Die geistige Verwirrung brach dann über Nacht ganz plötzlich über die Menschen herein. Als der Film fertig geschnitten war, ist der Krieg zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten Gamsachurdia ausgebrochen.“ (Goran Rebic) Metro: Mo 24.10., 11.00

Ich schaff’s einfach nimmer (Ö 1972/73) R: John Cook. 50 min. Cooks erste dokumentarische Arbeit: Das auf die Poesie rauer, direkter Machart bauende, vielstimmige Porträt des mit seiner doppelt so alten Frau und vier Kindern als Gelegenheitsarbeiter in Wien lebenden „Zigeuners“ Petrus, der (vergebens) Karriere als Amateurboxer zu machen hofft, während man im Radio von Muhammad Alis bevorstehendem „Kampf des Jahrhunderts“ hört. Metro: Di 25.10., 11.00

James Ellroy: Demon Dog of American Crime Fiction (Ö 1993) R: Reinhard Jud. 93 min. „Der Zusammenbruch des ‚Amerikanischen Traums‘“, „das keimende Potenzial von Angst, Hysterie und Paranoia“, „Monomanie und Besessenheit“, sowie „visionäre und philosophische Qualitäten“: Mister James Ellroy, der Kriminalautor, im Porträt. Metro: So 30.10., 21.00 (OmU)

Knittelfeld – Stadt ohne Geschichte (Ö/D 1997) R: Gerhard Benedikt Friedl. 35 min. Spaßistische Mockumentary, Schauplatz: Knittelfeld. 1977 sie delte sich dort Familie Pritz an und konfrontierte die Einwohner mit einem für österreichische Kleinstädte eher unüblichen Ausmaß an Unglück, Totschlag und Verbrechen. Metro: Di 25.10., 11.00 (OmenglU)

Krieg in Wien (Ö 1989) R: Michael Glawogger, Ulrich

Seidl D: Karin David-Kienzer, Dagmar Schwarz, Thomas Stolzetti. 84 min. „Krieg in Wien“ berichtet von der Entstehungsgeschichte und dem Verlauf eines brutalen Bürgerkriegs, der über Wien hereinbricht: aus Archivaufnahmen und Spielszenen montierte Mockumentary im abendfüllenden Format. Produ ziert von der Wiener Filmakademie. Metro: Do 27.10., 11.00 (OmenglU)

Michael Berger. Eine Hysterie (Ö 2010) R: Thomas Fürhapter. 50 min. Gesucht: Michael Berger, der von Salzburg aus die Wall Street eroberte, bis er alles verlor. Metro: Sa 22.10., 21.00 (OmenglU)

Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater (Ö 2006) R: Gabriele Mathes. 22 min. Der Tod des Einzelhandels aus sehr persönlicher Sicht: Gabriele Mathes beschreibt aus nächster Nähe den bankrottösen Niedergang des großväterlichen Möbelhauses wie auch dessen Auswirkungen auf ihre Familie. Metro: Sa 22.10., 21.00 (englOF)

DAS GESPROCHENE BILD

Florian Reiners | Susanne Altweger

Die Methode Bilder sprechen beschreibt den Findungsprozess für eine kreative Sprachgestaltung. Für alle, die mit Sprechen Erfolg haben wollen. 112 Seiten, €

Si muero antes de despertar / If I Should Die Be fore I Wake (ARG 1952) R: Carlos Hugo Christensen D: Néstor Zavarce, Blanca del Prado, Florén Delbene, Homero Cárpena. 73 min. Nach einer Geschichte von Cornell Woolrich. Eingebettet in Form eines Märchens wird die Geschichte eines kleinen Buben erzählt, der ein verschwundenes Mädchen wieder findet und einen Kindermörder dingfest macht. Christensens selten gezeigter Film noir scheiterte in den USA an den Zensurbehörden und kam dort nie ins Kino. Metro: Di 25.10., 14.00 (OmenglU)

Österreich real

Auf amol a Streik (Ö 1978) R: Ruth Beckermann, Josef Aichholzer. 24 min. Die Reifenwickler der Semperit in Traiskirchen streiken im Frühjahr 1978 für eine fairere Entlohnung, der längste Arbeitsaus

Semra Ertan (Ö/D 2013) R: Cana Bilir-Meier. 8 min. „Mein Name ist Ausländer“, so der Titel eines Gedichtes von Semra Ertan. Als Zeichen gegen den Rassismus in der BRD setzte sich die türkische Arbeitsmigrantin 1982 im Alter von nur 25 Jahren selbst in Brand und löste damit eine längst über fällige Debatte aus. Ein biografisches Mosaik. Metro: So 30.10., 21.00 (OmenglU)

Somewhere Else (Ö 1997) R: Barbara Albert. 60 min. Vier junge Leute zwischen 19 und 27 Jahren erzählen vier Monate nach Ende des Krieges von ihrem Leben in Sarajevo: von der Todesangst vor den Scharfschützen, von der Auflösung der Normalität in Momentaufnahmen, von ihrer verlorenen Jugend. Metro: Mo 24.10., 11.00 (OmenglU)

Retro Yoshida Kijū

Akitsu onsen / Akitsu Springs (J 1962) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Nagato Hiroyuki, Yamamura Sô, Uno Jukichi. 117 min. Yoshida macht aus der ro

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mantischen Geschichte der Romanvorlage ein Werk von melancholischer Perfektion, das als Showcase für Hauptdarstellerin Okada Mariko in ihrem 100. Film (so ein Insert zu Beginn) dient. Dazu arbeitet er die Obsessivität des zum Scheitern verurteilten Paares heraus. Ihre Beziehung, die der Film über 17 Jahre hinweg verfolgt, ist auf perverser Selbstaufop ferung und einer unbezahlbaren Schuld aufgebaut. Ergebnis ist ein Melo, dessen visuelle Pracht sich mit den besten Arbeiten von Douglas Sirk oder Nicholas Ray messen kann, und ein reich nuanciertes Epos über die gewaltvolle Geburt des modernen Japan. Filmmuseum: Mo 24.10., 18.00 + Sa 5.11., 20.30 (OmenglU)

Arashi o yobu juhachinin / 18 Who Cause a Storm (aka 18 Roughs) (J 1963) R: Yoshida Kijū D: Hayakawa Tamotsu, Kayama Yoshiko, Hirao Masaaki. 108 min. „18 Who Cause a Storm“ spielt in der Industriehafenstadt Kure und handelt von einer Gruppe junger, ungelernter Wanderarbeiter, die von einer völlig zerrütteten Gesellschaft ausgebeutet werden (und diese im Gegenzug auch selbst ausnut zen). Als Abfall des kapitalistischen Systems haben die Migranten vor nichts Respekt – schon gar nicht vor dem altmodischen Prinzip der Rebellion −, ob wohl sie sich instinktiv als Gruppe verstehen. Da sie wissen, dass sie in den Augen ihres Landes wertlos sind, projizieren sie ihre Entfremdung nach außen und rächen sich, wie sie nur können. Der formal wie inhaltlich radikale Film wurde vom Studio Shōchiku nach nur vier Tagen aus den Kinos zurückgezogen. Filmmuseum: Di 25.10., 18.00 + Mo 7.11., 20.30 (OmenglU)

Chi wa kawaiteru / Blood is Dry (aka Bloody Thirst) (J 1960) R: Yoshida Kijū D: Sada Keiji, Iwasaki Kaneko, Mikami Shin’ichiro, Yoshimura Mari, Oda Masao. 87 min. Der Angestellte Kiguchi Takashi will durch einen Selbstmord die bevorstehende Massenentlassung in seiner Firma verhindern. Sein Leben wird im letzten Moment gerettet – und die ehrgeizige PR-Frau Nonaka Yuki kommt auf die Idee, ein Foto von Kiguchi mit Pistole an der Schläfe für eine Werbekampagne einzusetzen. Filmmuseum: So 23.10., 20.30 + Fr 4.11., 20.30 (OmenglU)

Erosu purasu gyakusatsu / Eros + Massacre (J 1969) R: Yoshida Kiju D: Okada Mariko, Hosokawa Toshiyuki, Yûko Kusunoki, Etsushi Takahashi. 216 min. Freier Sex, politische Zwänge: Das L(iebesl) eben des 1923 von der Geheimpolizei ermordeten hegelianisch-anarchistischen Theoretikers Osugi Sakae und seiner Gattin, der Frühfeministin Ito Noe, gespiegelt in den Verwirrungen eines SechzigerStudentenpaars. Narrativ verschachteltes, visuell sinnlich-irritierendes Historienepos, ausnahms weise in seiner Originalversion (nicht der generell verfügbaren Kurzfassung von 165 Minuten). Eines der Hauptwerke der Japanischen Neuen Welle! Filmmuseum: So 30.10., 18.00 + Sa 12.11., 16.00 (OmenglU)

Hono to onna / Impasse (aka Flame and Women) (J 1967) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Kimura Isao, Ogawa Mayumi, Kusaka Takeshi. 101 min. Ibuki Shingo und seine Frau Tatsuko haben einen eineinhalb Jahre alten Sohn, Takashi, der jedoch nicht Shingos biologischer Sohn ist, sondern mithilfe künstlicher Befruchtung gezeugt wurde. Das Auftauchen von Sakaguchi, dem Samenspen der, und dessen Frau Shina im Ibuki-Haushalt setzt eine komplizierte Dynamik in Gang, an deren Ende Tatsuko zu dem Schluss kommt, dass Takashi weder Shingos noch Sakaguchis Kind ist, sondern ihres und ihres allein. (Roland Domenig) Filmmuseum: Fr 28.10., 18.00 + Fr 11.11., 20.30 (OmenglU)

Kagami no onna-tachi / Women in the Mirror (J/F 2002) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Tanaka Yoshiko, Isshiki Sae, Murota Hideo. 129 min. Yoshi das letzter Film ist eine bewegende Auseinander setzung mit Erinnerung, Geschlecht und den ver heerenden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki: die Geschichte dreier Frauen einer Familie – Großmutter, Mutter, Tochter – , die dieses historische Trauma verbindet und trennt zugleich. Filmmuseum: Mi 23.11., 20.30 + Di 1.11., 18.00 (OmenglU) Kaigenrei / Coup d’etat (J 1973) R: Yoshida Kijū D: Mikuni Rentaro, Matsumura Yasuyo, Miyake Yasuo. 110 min. Spartanisch, mit dissonanten Anklängen an Michelangelo Antonioni gestaltetes, japanolinks-nihilistisches Lehrstück über den Tod des rechtsradikalen Philosophen Kita Ikki (1936), in dessen Denken wie Handeln Yoshida die Wieder sprüche allen revolutionären Strebens findet. (Olaf Möller) Filmmuseum: Fr 21.10., 20.30 + Sa 19.11., 20.30 (OmenglU)

Manto de Gemas / Robe of Gems (ARG/MEX 2022) R: Natalia López Gallardo D: Nailea Norvind, Antonia Olivares, Aida Roa, Juan Daniel Garcia Trevi ño, Mónica Poggio. 117 min. Das Spielfilmdebüt der Cutterin Natalia López Gallardo zeigt sich als kom plexes erzählerisches Netz rund um systematische Gewalt und persönliche Schuld. Es entspinnt sich zwischen drei weiblichen Figuren: Isabel kehrt nach dem Scheitern ihrer Ehe in die Villa ihrer Kindheit im ländlichen Mexiko zurück; Maria, die Hausan gestellte, sucht nach ihrer Schwester; Roberta, die Polizistin, versucht sich und ihren Sohn aus der Brutalität von Drogenkartellen und Korruption herauszuhalten. Der Horror, der das Land erschüttert, wird langsam zu einem permanenten Zustand des Traumas. Urania: So 30.10., 11.00 (OmenglU)

Mizu de kakareta monogatari / A Story Written with Water (J 1965) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Irikawa Yasunori, Asaoka Ruriko, Yamagata Isao. 120 min. Der erste unabhängige Film Yoshidas nach seinem Ausscheiden aus dem Shōchiku Studio: ein in kristallinem Schwarz-Weiß gedrehtes und mit Rückblenden durchsetztes Drama rund um einen introvertierten Büroangestellten und ein inzestuö ses Mutter-Sohn-Verhältnis. Filmmuseum: Fr 26.10., 20.30 + Mi 9.11., 18.00 (OmenglU)

Onna no mizumi / Woman of the Lake (J 1966)

R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Tsuyuguchi Shigeru, Hayakawa Tamotsu, Natsu Keiko. 102 min. Miyako, die ihres Mannes überdrüssig ist, beginnt eine Affäre mit dem jungen Kitano; sie erlaubt ihm gar, Nacktfotos von ihr zu machen. Allerdings werden diese gestohlen, und in ihrem Bemühen, sie zurück zubekommen, folgt Miyako den Anweisungen des unbekannten Erpressers und steigt in einen Zug.

Der erste Film von Gendai Eigasha, einer Produk tionsfirma, die Yoshida 1966 mit seiner Frau Okada Mariko (hier auch in der Rolle der Miyako) gegrün det hatte, um sich künstlerische Unabhängigkeit zu sichern. Filmmuseum: Do 27.10., 20.30 + Do 10.11., 20.30 (OmenglU)

Rengoku eroica / Heroic Purgatory (J 1970) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Kamoda Kaizo, Tsutsui Kazumi, Kimura Naho. 118 min. Der Alltag von Shōda Rikiya, eines Ingenieurs der japanischen Atom behörde, wird durch das Auftauchen eines mysteriö sen Mädchens in seinem Haus zerrüttet. Shōda sieht sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert, als er in eine radikale revolutionäre Bewegung involviert war. In seinem schwierigsten und rätselhaftesten Film, einer Erkundung der politischen Diskurse im Japan der Nachkriegszeit, treibt Yoshida seine unverwechselbare Filmsprache, gekennzeichnet durch eine labyrinthische Erzählstruktur, radikal dezentrierte Kompositionen und eine faszinierend manierierte Fotografie, weiter voran, stößt damit aber auch an seine Grenzen. (Roland Domenig) Filmmuseum: Mo 31.10., 18.00+ Mi 16.11., 20.30 (OmenglU)

Rokudenashi / Good-for-Nothing (J 1960) R: Yoshida Kijū D: Takachiho Hizuru, Tsugawa Masahiko, Kawazu Yusuke, Yamashita Junichiro, Chino Kakuko. 88 min. Yoshidas erster Film ist eine ästhetische und lebensweltliche Standortbestimmung. „Der Nichtsnutz“ schlägt sich schon im Titel auf die Seite der jugendlichen Unproduktivität – und sieht dabei geradezu unverschämt gut aus. Im Mittelpunkt steht Jun, ein Herumtreiber aus ärmlichen Verhältnissen, der sich plötzlich mit einer etwas älteren Frau konfrontiert sieht, die Anforderungen an ihn stellt, denen er nicht gewachsen ist. Filmmuseum: Sa 22.10., 18.00 + Do 3.11., 20.30 (OmenglU) Saraba natsu no hikari / Farewell to the Summer Light (J 1968) R: Yoshida Kijū D: Okada Mariko, Yokouchi Tadashi, Paul Beauvais, Hélène Soubielle. 96 min. 1967, anlässlich der Aufnahme ihres Flugbetriebs rund um die Welt, trat Japan Air lines an Yoshida heran, um in Europa einen Film zu drehen. Ergebnis ist dieses – in Portugal, Spanien, Frankreich, Schweden, Dänemark und Italien ent standene – „Roadmovie“. Der Architekt Kawamura, der auf der Suche nach dem Archetyp einer nicht mehr existierenden Kirche nach Europa gekommen ist, trifft in Lissabon auf Naoko, eine verheiratete, in Paris lebende Möbelhändlerin. Der Film folgt den weiteren Begegnungen der beiden quer durch Europa und dem steten Wechselspiel zwischen Annäherung und Trennung: jedes Mal, wenn der unerfüllte Traum des Mannes und die unausgespro chene Vergangenheit der Frau aufeinandertreffen, taucht ein vergessener Ort vor ihnen auf – Nagasaki. (Roland Domenig) Filmmuseum: Sa 29.10., 20.30 + Mo 14.11., 20.30 (OmenglU)

Stille Verstörung, lachende Verwunderung in einem Land der Männer: „Father’s Day“

Auf einem Gehsteig in Kigali legt Zaninka Blumen nieder, dort, wo ihr Sohn bei einem Unfall ge storben ist. Seitdem versinkt sie in Schweigen, kann ihre Trauer nicht verarbeiten. Ihr Ehemann meint, das Leben müsse doch weiterge hen. Ein Streit offenbart die finan zielle Not der Familie, die er ver schuldet hat.

Mukobwa hat keine Geld-, aber genug andere Sorgen. Sie soll ihrem COPD-kranken Vater einen Lun genflügel spenden, zweifelt jedoch: Er sei kein guter Mensch gewesen, deutet sie einmal an. Auf den Stra ßen der ruandischen Hauptstadt treibt sich indes ein anderer Vater mit seinem Sohn herum. Anstatt ihn in die Schule zu schicken, setzt der narzisstische Kleinkriminelle den kleinen Kadogo Psychoterror und Armut aus.

Drei Geschichten folgt Kivu Ru horahoza in seinem Drama „Father’s Day“ und blickt damit auf die heuti ge ruandische Gesellschaft, die von

patriarchalen Strukturen und einer Historie der Gewalt geprägt ist. Der Völkermord von 1994 blitzt dabei nur für Sekundenbruchteile konkret auf. Ruhorahoza erzählt unaufgeregt von drei Menschen, die über ihre verstörenden Erfahrungen still ge worden sind; kontrastiert von einer intensiven Bildsprache, die den Fi guren sehr nahe kommt, und einer oft ungewöhnlichen, das Auge fes selnden Kadrage.

Trotz aller unausgesprochenen Trauer und Wut bewegt sich etwas: Die Frauen, deren Episoden sich kreuzen, solidarisieren sich in einer Gruppe – und lachen mitunter ver wundert über ein Land der Männer, das der Veränderung harrt. Etwa als sie über die Bedeutung ihrer Namen sprechen: „Füge mehr Kühe hinzu“, „Bring die Kühe herbei“, „100 Kühe wert“.

SABINA ZEITHAMMER

Urania: Fr, 21.10., 13.00 (OmenglU) + Do, 27.10., 11.00 (OmenglU)

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FEATURE Drei Schicksale im heutigen Ruanda Drei Menschen, drei Geschichten: Zaninka (Mediatrice Kayitesi, oben links), Mukobwa (Aline Amike) und Kadogo (Cedric Ishimwe)
FOTOS: VIENNALE

.morgen

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Achtung, fertig autolos!

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Guten Morgen, Am Freitag war

der dreispurigen Gudrunstraße in

Adrenalinspiegel

Zwischen

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ich auf
Favoriten unterwegs, und der Autolärm ließ meinen
sofort steigen. Ich habe wahrscheinlich schon einmal erwähnt, dass mich Motorengeräusche stressen (das liegt daran, dass ich einige Jahre am Gürtel gewohnt habe, und dort ohne Ohropax nicht an Schlaf zu denken war). So laut war es auch hier im 10. Bezirk – und insofern konnte ich mir kaum vorstellen, dass ich hinter dem nächsten Häuserblock das finden würde, was ich suchte: eine verkehrsberuhigte Wohngegend.
Gudrunstraße, Leebgasse, Quellenstraße und Neilreichgasse absolviert nämlich Wiens erstes Supergrätzl seit
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