FALTER Klimamagazin 2023

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DIESES HEFT RETTET DIE WELT.

DURCHLESEN, NACHMACHEN, WEITERSAGEN.

BEWEGEN. SCHAFFEN. VERÄNDERN. ÜBERZEUGEN Klimamagazin 2023 Nr. 26a/23
FALTER
ILLUSTRATION: JORGHI POLL Österreichische Post AG, WZ 02Z033405 W, Falter Zeitschri en Gesellscha m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien
DAS FALTER-BEST-PRACTICE-PAKET

Die Zukunft braucht mehr grünen Strom.

Darum investieren wir in mehr erneuerbare Energie.

Wir alle leisten einen Beitrag zur Energiewende, indem wir fossile Brennstoffe durch grünen Strom ersetzen. Deswegen investieren wir bei VERBUND in die Erzeugung und Verteilung von immer mehr grünem Strom. Denn es ist wichtig, dass er überall bereitsteht, wo er gebraucht wird. Gemeinsam sind wir die Kraft der Wende.

BEWEGEN

4 Was Klimaaktivismus in Österreich erreicht hat

5 Klimaheldin: Die Aktivistin

6 Wo wir in der Klimadebatte derzeit stehen

10 Wie kann man … seine persönliche Klimabilanz verbessern?

11 Transformationsforscherin Ilona Otto über soziale Kipppunkte

SCHAFFEN

14 Historische Erfolge

15 Klimaheld: Der Praktiker

16 Unternehmen unterwegs auf grünem Kurs

20 Die Revolution am Bau

22 Wie kann man … seinen Ort gegen die Hitze wappnen?

23 Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke über den inneren Schweinehund

VERÄNDERN

26 Quellen der Veränderung: Wissen, Ideen und Geld

27 Klimaheldin: Die Unternehmerin

28 Hat die „Freiheitsmaschine“ Auto eine ökologische Zukunft?

30 Wie kann man … in Österreich klimafreundlich leben?

32 Wo die Mobilitätswende bereits geprobt wird

34 Synthetische Biologie: Eine vielversprechende Wunderwaffe

ÜBERZEUGEN

36 Quellen der Überzeugung: Daten, Strategien, Medien

37 Klimaheldin: Die Politik-Gestalterin

38 Medien: Wie man in der Klimakrise richtig kommuniziert

40 Konrad Paul Liessmann über das Narrativ der Apokalypse

43 Klimaheld: Der Wissenschaftler

44 Zwanzig Buchempfehlungen

46 Wie kann man … Opa & Oma überzeugen?

Karre

Klimaheld

Kommunikation

Wie können Journalisten übers Klima berichten und dabei den Nerv ihres Publikums treffen?

Klimaangst? Zynismus? Hol mich hier raus, Falter!

Der Meeresspiegel steigt, Gletscher schmelzen, Tiere verenden, Felder verdorren, Menschen hungern, das Wasser wird knapp. Ja, wissen wir schon. Macht uns sehr betroffen. Aber was sollen wir dagegen tun?

Die einen verfallen durch Klima-Nachrichten vor Angst in Schockstarre, andere wiederum werden zynisch und blättern weiter. Aber das hilft ja alles nichts. Wir müssen da schließlich irgend-

IMPRESSUM

wie wieder raus. Im März haben die Expertinnen und Experten des Weltklimarats der Uno ihren großen Klimabericht vorgelegt. Kurzfassung: Es sieht nicht gut aus und uns rennt die Zeit davon. Die wichtigste Botschaft:

Wir können die Klimakrise meistern.

Wir müssen nur wollen – und schleunigst damit anfangen.

Also haben wir in der Redaktion getan, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler uns nahelegen: Wir sind ins Tun gekommen. Weil

wir der Klima- und Biodiversitätskrise im Falter regelmäßig Platz geben wollen, haben wir vor zwei Jahren das Natur-Ressort gegründet. Seither verschicken wir jede Woche außerdem einen kostenlosen Natur-Newsletter, damit wir auch jene Menschen erreichen, die die Zeitung nicht lesen (Abo unter falter.at/natur). Reicht das? Nein.

Also gibt es jetzt erstmals in der 46-jährigen Geschichte des Falter ein eigenes, von der Redaktion gestalte-

tes Heft, das sich ausschließlich ums Klima dreht. Wir präsentieren Ihnen darin Lösungen und zeigen Handlungsanleitungen auf, wir stellen Ihnen Klimaheldinnen und vorbildliche Projekte vor. Vor allem aber wollen wir Ihnen Lust darauf machen, selbst zum Teil der Lösung zu werden.

Kommen Sie, holen wir uns da raus! Gemeinsam.

1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9, T: +43-1-536 60-0, F: +43-1-536 60-912, E: wienzeit@falter.at

Chefredakteure: Armin Thurnher, Florian Klenk Redaktion: Benedikt Narodoslawsky Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. GRAFIK: Dirk Merbach KORREKTUR: Helmut Gutbrunner, Patrick Sabbagh

Geschäftsführung: Siegmar Schlager Finanz: Petra Waleta Marketing: Barbara Prem Anzeigenleitung: Ramona Metzler Abwicklung: Franz Kraßnitzer, Oliver Pissnig Vertrieb: PGV, St. Leonharder Straße 10, 5081 Anif

Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH Erscheinungsort: Wien, Verlagspostamt 1011 Wien Homepage: www.falter.at. DVR-Nr. 047 69 86.

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2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 MG ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.

INHALTKLIMAMAGAZINFALTER 3
Transformationsforscherin Ilona Otto erklärt, was es braucht, damit sich die Gesellschaft verändert. Das Auto wurde zum Symbol der Klimasünde. Gibt es Hoffnung für umweltbewusste Autoliebhaber? Windkrafttechniker Klaus Rockenbauer hilft Tag für Tag mit, die Energiewende zu ermöglichen.
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Kipppunkt
Falter 26a/23 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H.,
Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. und
BENEDIKT NARODOSLAWSKY
FOTO: AKG-IMAGES PICTURE-ALLIANCE DPA ILLUSTRATION: JORGHI POLL FOTO: CHRISTOPHER MAVRIC ILLUSTRATION: PM HOFFMANN

AUF UND AB

EMISSIONEN IM ZEITVERLAUF

Österreich bläst noch immer so viele Tonnen an Treibhausgasen in die Luft wie im Jahr 1990. Bis 2040 will die Republik klimaneutral werden. Die hellgraue Linie zeigt, wie rapide die Emissionen von nun an abnehmen müssten, um dieses Ziel zu erreichen

Um so viel hat sich Österreich seit dem Jahr 1880 erwärmt. Die Hälfte dieses Temperaturanstiegs verzeichnete die Alpenrepublik allein in den vergangenen vier Jahrzehnten. Österreich erwärmt sich damit doppelt so schnell wie im globalen Schnitt. Das liegt vor allem an der Luft, die über Landflächen rascher aufheizt als über den Ozeanen.

WAHLEN

FRIDAYS FOR FUTURE

Am 27. September 2019 gingen mehr als 100.000 Menschen in Österreich für den Klimaschutz auf die Straße. Es war die größte Klima-Demo in der Geschichte des Landes. Bei der Nationalratswahl zwei Tage später wurde der Klimaschutz laut einer Sora-Wahltagsbefragung zum entscheidenden Thema der Wahl. Schon in den Monaten davor hatte Fridays for Future den öffentlichen Diskurs in Europa verändert. Bereits im Mai zeigte sich der Einfluss der Großdemonstrationen bei den EU-Wahlen. Das Thema Klima- und Umweltschutz war für die Europäerinnen und Europäer laut einer Eurobarometer-Umfrage zum zweitwichtigsten Wahlmotiv geworden, in sieben EU-Staaten sogar zum wichtigsten – darunter auch in Österreich.

GESETZE

KLIMAVOLKSBEGEHREN

Am 26. März 2021 stimmten ÖVP, Grüne und Neos für einen Entschließungsantrag. Sie appellierten damit an die türkis-grüne Regierung, die Forderungen des Klimavolksbegehrens weitgehend zu übernehmen, das 380.590 Menschen unterschrieben hatten. Der Antrag liefert ein politisches Gerüst fürs Klimaschutzgesetz, mit dem das Land klimaneutral werden soll, aber das bis heute fehlt. Zumindest zwei Erfolge kann das Volksbegehren vorweisen. Das Ziel, dass Österreich bis 2040 klimaneutral werden soll, übernahmen ÖVP und Grüne im Regierungsabkommen. Und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) setzte den geforderten Klimarat der Bürgerinnen und Bürger ein, der politische Vorschläge für die Politik erarbeitete.

KLIMAHELDIN: DIE AKTIVISTIN VERONIKA WINTER

BLOCKADE

LOBAU BLEIBT!

Am 30. August 2021 besetzten Mitglieder der Klima-Organisationen Extinction Rebellion, Fridays for Future, Jugendrat und System Change, not Climate Change eine Baustelle der Wiener Stadtstraße. Die Aktion erfolgte spontan, um gegen den Ausbau der Schnellstraße S1 und des dazugehörigen Lobautunnels zu demonstrieren. Sie weitete sich zur längsten Besetzung in der Umweltgeschichte des Landes aus. Am 1. Dezember 2021 sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Lobau-Projekt ab und begründete das mit den Auswirkungen aufs Klima. Die Aktivistinnen und Aktivisten demonstrierten daraufhin weiter gegen die Stadtstraße, aber ohne Erfolg. Am 5. September 2022 räumten sie ihr letztes Protestcamp.

Sie demonstrierte als Studentin auf der ersten Fridays-for-Future-Demonstration in Österreich und wurde zu einer der wichtigsten Stützen der Bewegung. Sie organisierte die größten Klimademonstrationen in Österreich, ist Präsidentin des Unterstützungsvereins der Bewegung Fridays for Future Vienna / Wien und hielt die Klimabewegung mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern auch während der Pandemie am Leben. Winter begründete das Netzwerk Klimajournalismus mit, engagiert sich als Klimabildungsexpertin und reichte gemeinsam mit Greenpeace die erste Klimaklage in Österreich ein.

QUELLE: UMWELTBUNDESAMT.AT 1990 2000 2010 2020 2030 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalent 2040 20 0 40 60 80 100 4 FALTER KLIMAMAGAZIN
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Grad!
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FOTO: CHRISTOPHER MAVRIC; ILLUSTRATION: JORGHI POLL

WO WIR

Klimaaktivisten radikalisieren sich, die Erneuerbaren sind im Vormarsch, fossile Konzerne schreiben trotzdem Rekordgewinne und die Emissionen steigen weiter: Die Welt erlebt einen historischen Umbruch –und jeder von uns kann ihn mitgestalten

ÜBERBLICK:

BENEDIKT NARODOSLAWSKY

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GGreta Thunberg hat ihr Abschlusszeugnis bekommen, die bekannteste Klimaaktivistin der Welt ist jetzt keine Schülerin mehr. Ihr Schulstreik gehe zu Ende, schrieb die Schwedin Anfang Juni, aber ihr Protest gehe weiter. Und zwar viel weiter. Vergangene Woche wurde Thunberg erneut von Polizisten abgeführt. Sie hatte mit einer Gruppe von Klimaaktivistinnen tagelang Öltankwagen im Hafen von Malmö blockiert.

Im Sommer vor fünf Jahren hat sie sich zum ersten Mal vors Parlament in Stockholm gesetzt, alleine wollte die Außenseiterin damit die schwedischen Wahlen beeinflussen. Es war ein extrem heißes Jahr, in Schweden wüteten Waldbrände historischen Ausmaßes. Aus dem fast anmaßenden Vorhaben einer 15-Jährigen, alleine die schwedische Politik beeinflussen zu wollen, ist viel mehr geworden.

Thunberg hat – unfreiwillig – eine weltweite Bewegung erschaffen, die Millionen Menschen auf die Straße trieb. Schülerinnen und Studenten brachten das altbekannte Problem der Erderhitzung nach Jahrzehnten erstmals als Top-Thema auf die politische Agenda. Die Medien hievten das Klima so oft wie noch nie auf die Titelseiten, rund um den Globus kamen Regierende

STEHEN

und Unternehmen unter Druck und mussten sich für ihre katastrophalen Klimabilanzen rechtfertigen. Klimaschützerinnen und Klimaschützer atmeten auf. Endlich schien sich etwas zu bewegen.

In diesen fünf Jahren ist vieles passiert. Und noch mehr nicht.

Die globalen Emissionen steigen weiter. Sie sind heute auf einem Rekordniveau. Die Welt steuert heuer laut den Vorhersagen von Klimaforschern auf das heißeste Jahr der Messgeschichte zu. Die fossilen Milliardenkonzerne schreiben indes Rekordgewinne. Vergangene Woche gab der heimische teilstaatliche Fossiltanker OMV – Österreichs größtes und damit auch politisch einflussreiches Unternehmen – bekannt, vier Milliarden Euro zu investieren, um ein riesiges Erdgasfeld in Rumänien zu erschließen. Obwohl die Klimawissenschaft sagt: Wir müssen schleunigst raus aus Kohle, Öl und Gas.

In den vergangenen fünf Jahren haben nicht nur die Emissionen zugenommen, auch der Klimaaktivismus hat sich radikalisiert. In Österreich wurden die harmlosen Fridays for Future angefeindet und als „Schulschwänzer“ diffamiert, weil sie

für ihre Massenproteste den Unterricht verweigerten. Bald darauf formierte sich unter dem Kampfruf „Lobau bleibt!“ eine Allianz aus verschiedenen Klimabewegungen gegen ein Wiener Straßenprojekt, das durch den Nationalpark Donau-Auen führen sollte. Ein Jahr besetzten Aktivistinnen und Aktivisten Baustellen, es war die längste Besetzung der österreichischen Umweltgeschichte. „Lobau bleibt!“ polarisierte die Gesellschaft, aber nur wenig später klangen die Aktivisten wie die Stimme der Vernunft. Denn mit der Letzten Generation trat ein neuer, noch kompromissloserer Akteur auf, deren Aktivistinnen und Aktivisten in Museen Flüssigkeiten auf Kunstwerke spritzten (die hinter Glas geschützt waren), sich mit Superkleber auf der Straße festklebten und mit ihren Guerilla-Aktionen bis heute regelmäßig den Verkehr lahmlegen.

Das bringt manche Gegner der Aktionen regelrecht zum Kochen. Vergangene Woche wurde ein Autofahrer zu einer dreimonatigen bedingten Haftstrafe verurteilt, der Anfang des Jahres auf einen auf der Straße sitzenden Klimaaktivisten eintrat. Politiker aus dem rechtskonservativen Lager denken indes laut über höhere Strafen für Klimaaktivisten nach und beschimpfen sie als Terroristen. Zugleich stellen sich Wissenschaftlerinnen, Kabarettisten und andere Promis demonstrativ hinter die „Klimakleber“. In einer Zeit, in der New York im Smog versinkt, weil Kanadas Wälder im großen Stil abbrennen, eine Dürre Südeuropa erfasst hat und Tankwagen tausende Spanier und Franzosen mit Trinkwasser versorgen müssen, im Tiroler FluchthornMassiv ein Berggipfel abstürzte, weil der schmelzende Permafrost ihn nicht mehr halten konnte, und dieser Text am Höhepunkt der ersten Hitzewelle des Jahres verfasst wird.

Vielleicht ist es in dieser verfahrenen Ära auch einmal Zeit, den Feind der Klimaaktivisten zu würdigen: die fossilen Energien. Sie haben uns erst dorthin gebracht, wo wir heute sind. Im Guten wie im Schlechten. Kohle, Öl und Gas sind die größten Klimasünder, aber zugleich trieben sie die industrielle Revolution an.

Die Klimaforschung datiert den Beginn dieser Ära – etwas willkürlich – auf das Jahr 1750. Sie brachte unserer Spezies nie da gewesenen Wohlstand. Wohnungen blieben im Winter warm, Maschinen erledigten die harte körperliche Arbeit des Menschen, Zugtiere wurden durch leistungsfähigere Autos, Traktoren und Lastkraftwagen ersetzt. Die Schlote rauchten, die Felder blühten, die Produktion schritt voran, die Teller wurden voll, der Handel globalisierte sich, der Mensch flog um die Welt und auf den Mond. Dass unser Leben heute so gemütlich ist, verdanken wir den Energien, die bis heute so massig und billig zur Verfügung stehen – auch deshalb, weil sie noch immer von der Politik mit Steuergeld gefördert werden.

Der unglaubliche Erfolg der Menschheit lässt sich an den nackten Zahlen ablesen.

„Im Jahr 1500 lebten 500 Millionen Menschen auf unserem Planeten. Heute sind es

7 Milliarden“, schreibt der Universalhistoriker Yuval Noah Harari in seinem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“.

ler zu drehen. Wer heute vom All aus auf uns herunterblickt, sieht nicht nur die sonnenbeschienene Seite eines blauen Planeten, sondern auch die schwarze Hälfte, die nicht durch die Kraft der Sonne, sondern durch die Geschicke des Menschen an vielen Punkten hell erstrahlt.

Die Spezies Homo sapiens hat die Nacht abgeschafft. Diese der Sonne abgewandte Seite der Erde, die dennoch leuchtet, symbolisiert den Energiehunger, der gerade in der jüngsten Vergangenheit nicht zu stillen war. 2020 berechnete ein internationales Forscherteam unter Mitwirkung der Universität Wien etwas nahezu Unbegreifliches: Die Menschheit hat in den vergangenen 70 Jahren mehr Energie verbraucht (22 Zettajoule) als in den vorangegangenen 11.700 Jahren (14,6 Zettajoule). Der explodierende Energieaufwand erfolgte „hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie.

Die Masse an Verbranntem lässt sich in der Luft nachweisen, die wir atmen. Der CO2-Gehalt der Luft wird in ppm angegeben, das steht für parts per million, also wie viele CO2-Moleküle pro einer Million Luftmoleküle in der Atmosphäre sind. In den vergangenen 10.000 Jahren lag der CO2Gehalt in der Luft stabil zwischen 250 und 270 ppm. Durch die Industrielle Revolution begann er zu steigen, heute – Stand Juni – sind es 424 ppm. Der berühmte Treibhauseffekt führt – vereinfacht gesagt – dazu, dass die Sonnenenergie länger auf der Erde bleibt, weil die Treibhausgase sie in der Atmosphäre festhält. Je mehr Treibhausgasmoleküle durch die Luft schwirren, desto mehr Wärme staut sich auf. Je mehr Wärme sich aufstaut, desto stärker werden unsere Lebensgrundlagen bedroht.

Was das im Detail bedeutet, hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Bericht festgehalten – er ist der Goldstandard der Klimaforschung: Hitzewellen, tropische Wirbelstürme, Starkniederschläge werden häufiger und brutaler, in manchen Regionen auch die Dürren. Arktisches Meereis, Schneedecken und Permafrost verschwinden. Der Wasserkreislauf samt Monsunregen gerät außer Kontrolle. Weil sich manche klimaschädlichen Gase extrem lange in der Atmosphäre halten, lassen sich große Entwicklungen auch in den nächsten Jahrhunderten bis Jahrtausenden nicht mehr aufhalten. Zum Beispiel der Meeresspiegel. Er wird weiter steigen, selbst wenn wir es schaffen, die klimaschädlichen Gase auf null zu drosseln. All das klingt düster. Aber am meisten irritierte bei der Vorstellung des Weltklimaratsberichts der Satz, den Petteri Taalas, der Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie, vorbrachte: „Die Hauptaussagen sind noch immer dieselben wie im ersten IPCC-Report.“ Dieser wurde 1990 veröffentlicht.

ILLUSTRATION:

JORGHI POLL

Die Pointe: Seit dem Erscheinen seines Buches im Jahr 2011 ist die Menschheit um eine weitere Milliarde gewachsen. Die Erde befindet sich noch in derselben Umlaufbahn, aber sie scheint sich immer schnel-

Spätestens seit damals liegen die Fakten auf dem Tisch. Dennoch haben Politikerinnen und Politiker nicht ausreichend gegengelenkt. Die CO2-Werte haben sich immer weiter und schneller nach oben geschraubt.

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Sie liegen heute höher als in den letzten zwei Millionen Jahren. Das ist nicht der einzige Rekord, den die Forscher festhalten. Der Meeresspiegel steigt rascher als in den letzten 3000 Jahren. Die Gletscher schmelzen stärker ab als in den letzten 2000 Jahren. Das arktische Meereis ist auf eine Fläche zusammengeschrumpft, die so klein ist wie seit 1000 Jahren nicht. Eine brandneue Studie zeigt, dass das Eis rasanter schmilzt als bislang angenommen. Die Arktis könnte demnach schon im nächsten Jahrzehnt im Sommer eisfrei sein. Die Forscher sprechen von einem „noch nie da gewesenen eisfreien arktischen Klima“, das sich auch auf die Menschen und Ökosysteme außerhalb der Arktis auswirken wird.

Es ist zu spät dafür, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn der Wandel kommt nicht erst, wir befinden uns schon mittendrin. Wichtige Entscheidungsträger auf der Welt haben das Problem bereits erkannt. UNGeneralsekretär António Guterres? Klingt inzwischen wie Greta Thunberg. Papst Franziskus? Hat der Krise eine eigene Enzyklika gewidmet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen? Erklärte den Green New Deal, der den alten Kontinent auf Klimakurs bringen soll, zum europäischen „Man-on-the-Moon-Moment“. Selbst im kleinen Österreich hat die türkis-grüne Koalition ein großes Ziel ins Regierungsprogramm geschrieben: Klimaneutralität 2040. Das wäre früher als in jedem anderen EU-Land.

Dennoch zieht sich die nationale und internationale Klimapolitik nicht nur wie ein Strudelteig, sie droht auch zu zerbröseln. Ein starkes Energieeffizienzgesetz?

Scheiterte vor kurzem an der taktischen Blockade der SPÖ. Das Klimaschutzgesetz? Bekommen die Grünen aufgrund des

»Die Menschheit hat in den vergangenen 70 Jahren mehr Energie verbraucht als in den vorangegangenen 11.700 Jahren

Widerstands der ÖVP bis heute nicht auf den Boden. Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz? Steht auf der Kippe. Und die nächste Weltklimakonferenz? Leitet – leider kein Scherz – ein Öl-Manager aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Vorverhandlungen in Bonn waren enttäuschend. Die amerikanischen Klimaleugner-Präsidenten Donald Trump und Jair Bolsonaro wurden zwar abgewählt, aber sie können auch bald wiederkommen.

Es gibt aber auch uneingeschränkt gute Nachrichten: Die Erneuerbaren – allen voran Strom von Sonne und Wind – sind so effektiv und günstig geworden, dass sie nicht nur moralisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich zur besten Wahl geworden sind. Die Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren hat deshalb selbst die kühnsten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) übertroffen, für heuer sagt die IEA einen Rekordzuwachs bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien voraus.

Das hat riesige Auswirkungen: China – der weltweit größte Emittent – baut seine Photovoltaikanlagen so rasch und massiv aus, dass Analysten von Bloomberg bereits in naher Zukunft den Wendepunkt erwarten, ab dem sie die fossilen Energien verdrängen. Die USA – der weltweit zweitgrößte Emittent – pumpen mit dem Reduction Inflation Act 369 Milliarden US-Dollar (336 Milliarden Euro) in Klima-und Energieprogramme. Das ist die höchste Investition in Erneuerbare in der US-Geschichte und könnte laut Schätzungen die Treibhausgasemissionen der USA bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 40 Prozent senken. Indien –der weltweit drittgrößte Emittent – änderte erst vor wenigen Wochen seinen nationalen

Elektrizitätsplan ab und will nun auf Batteriespeichersysteme statt auf Kohlekraftwerke setzen. Auch im kleinen Österreich gibt es Grund für vorsichtigen Optimismus: Bis 2030 will das Land den Strom zu 100 Prozent erneuerbar machen. Die Bundesländer sind zwar noch nicht schnell genug, aber dem Ziel laut einer neuen Studie der Österreichischen Energieagentur jüngst ein gutes Stück weit nähergekommen.

Doch die Anhänger des fossilen Systems wehren sich. Die heftigen Auseinandersetzungen lassen sich dieser Tage eindrücklich mitverfolgen. Mitte Mai blockierten dänische Lkw-Fahrer die Grenze zu Deutschland, um gegen die geplante kilometerabhängige Lkw-Autobahnmaut zu protestieren, die die dänische Regierung aus Klimaschutzgründen einführen will. In Deutschland gingen Anfang Juni tausende Menschen im bayrischen Erding gegen das Heizungsgesetz auf die Straße, mit dem die deutsche Bundesregierung das Ende der fossilen Ära einläuten will. Und vor knapp zwei Wochen stimmten in der steirischen Gemeinde Gaal 72 Prozent gegen die Errichtung von acht Windrädern.

Was wir in diesen Tagen beobachten, ist nichts weniger als eine Welt, die sich in einem historischen Umbruch befindet. Sie könnte richtig sauber, schön und stabil werden. Wir sind nicht nur Zeugen dieser Zeitenwende, wir dürfen sie auch selbst mitgestalten. Die folgenden Seiten zeigen, dass es bereits Lösungen und Wege für eine vielversprechende Zukunft gibt. Die jüngste Vergangenheit lehrt uns hingegen, dass jede und jeder einen Unterschied machen kann. Selbst eine 15-jährige Außenseiterin. F

ILLUSTRATION: JORGHI POLL
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kleineren Wohnungen leben und ein gutes ÖffiAngebot nützen können), am höchsten im suburbanen Raum (wo die Menschen reicher sind, große Einfamilienhäuser beheizen, vor denen Autos parken). Damit kristallisieren sich zwei weitere große Hebel heraus: Wohnen und Mobilität. Wer weniger Wohnfläche hat, muss weniger heizen/kühlen. Erneuerbare Heizsysteme und Dämmung machen langfristig einen riesigen Unterschied aus.

„Als große Hebel zeigen sich in der Studie beispielsweise ein autofreier Lebensstil, der Wechsel auf Elektromobilität oder öffentlichen Verkehr, weniger Flüge, der Wechsel zu erneuerbaren Stromanbietern, thermische Wohnraumsanierung, vegane Ernährung und ein Wechsel auf ein erneuerbares Heiz-

…SEINE EIGENE KLIMABILANZ VERBESSERN?

Laut einer Forschungsarbeit der Wirtschaftsuniversität Wien, die im Februar veröffentlicht wurde, verursachten die reichsten zehn Prozent der Welt rund die Hälfte der globalen Emissionen. In Österreich bläst das reichste Zehntel der Haushalte mehr als doppelt so viel CO2 in die Luft wie der durchschnittliche Haushalt (Median) und mehr als viermal so viel CO2 wie die ärmsten zehn Prozent. Xenia Miklin, Mitautorin der Forschungsarbeit, erklärt:

„Konsum hat den mit Abstand größten Einfluss auf verschiedenste Umweltindikatoren.“

Wer weniger kauft, spart also Ressourcen und Emissionen.

Die Forschungsarbeit zeigt auch räumliche Unterschiede auf: Am niedrigsten sind die ProKopf-Emissionen in Städten (wo Menschen in

Auch für den Verkehr gilt: Wer die saubere Alternative wählt, kann seinen Emissionsrucksack deutlich verkleinern. Die klimafreundlichsten und gesündesten Formen der Fortbewegung bleiben Gehen und Radeln. Das Umweltbundesamt berechnete, dass ein Kilometer mit einem Verbrenner-Auto mehr als elfmal so klimaschädlich ist wie ein Kilometer mit der Bahn. Ein Kilometer mit dem Flugzeug schädigt das Klima sogar 32-mal mehr als ein Bahnkilometer. Flugreisen oder Urlaube auf dem Kreuzfahrtschiff verhageln jede persönliche Jahresklimabilanz.

Thomas Brudermann, Nachhaltigkeitsforscher an der Uni Graz, hat sich in seinem Buch „Die Kunst der Ausrede“ intensiv mit dem individuellen Verhalten auseinandergesetzt. Er verweist auf eine große Meta-Studie, die auch der jüngste Weltklimaratsbericht aufgegriffen hat und die wichtigsten Maßnahmen noch einmal knapp zusammenfasst:

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system. Wenig effektiv werden hingegen beispielsweise ein geringerer Papierverbrauch, Dachbegrünung, weniger und die effizientere Nutzung von Elektrogeräten eingeschätzt.“

Es spielt allerdings nicht nur der Lebensstil eine Rolle fürs Klima. Das macht Politikwissenschaftler Reinhard Steurer klar, der an der Universität für Bodenkultur in Wien forscht:

„Der ökologische Handabdruck – also Wertewandel und politischer Protest – ist vielleicht sogar wichtiger als der ökologische Fußabdruck, weil wir die Klimakrise nur politisch, nicht mit individuellen Verhaltensänderungen lösen können.“ BN

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ILLUSTRATION: JORGHI POLL

nützt meinem Kind eine tolle

Ilona Otto, Professorin am Grazer Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, über Reiche als Treiber des Klimawandels, warum eine Minderheit eine radikale Wende bewirken kann und Klimaaktivisten für sie Helden sind

INTERVIEW:

GERLINDE PÖLSLER

IIm Lebenslauf von Ilona Otto, 43, stechen die vielen Stationen ins Auge, an denen die gebürtige Polin bereits geforscht hat: Polnische Akademie der Wissenschaften, Poznán. Berliner Humboldt-Universität, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Bratislava, Rotterdam, das irische Galway, dazu Gastaufenthalte in Südkorea und China.

Jetzt ist Otto Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz. Über ihre Forschungen zu sozialen Kipppunkten berichtete der Spiegel ebenso wie die New York Times.

Am Tag des Interviews ist Otto übernächtig: Sie ist schon um drei Uhr früh aufgestanden und von Graz nach Wien gefahren, um dort zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen Klimaaktivisten bei einer Klebeaktion zu begleiten: Zwecks moralischer Unterstützung. In ihrem Büro hängen Plakate, die die Wissenschaftlerin mit einer Künstlerin gestaltet hat: „Poor have to pay. Rich are consuming and polluting“, steht darauf: „Why?“

Falter: Frau Otto, Klimaaktivist:innen, die sich auf Straßen festkleben, sind für viele Menschen ein rotes Tuch – Sie gehen mit ihnen mit und unterstützen sie. Warum?

Ilona Otto: Weil sie für mich Heldinnen und Helden sind. Es ist traurig, dass junge Menschen auf der Straße sitzen, weil sie einfach keinen anderen Weg sehen. Manche von ihnen sind meine Studentinnen und Studenten, kluge junge Menschen, die alles riskieren. Von einem weiß ich, dass er ziemlich viel Geld zahlen muss, ansonsten muss er vielleicht ins Gefängnis. So etwas beeinflusst das ganze Leben; an einer Uni oder Schule zu arbeiten ist damit schon ausgeschlossen. Ich finde das sehr mutig. So wie seinerzeit die Suffragetten, die für das Frauenwahlrecht gekämpft haben, oder die jungen Menschen, die in den USA für die Rechte von People of Color eingestanden sind. Viele der ersten Demonstrierenden wurden mit Gewalt konfrontiert, nicht nur von der Polizei, sondern auch von Passan-

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„Was
Ausbildung, wenn es vielleicht nicht genug zu essen bekommt und ständig Umweltkatastrophen erlebt?“
ILLUSTRATION PM HOFFMANN Fortsetzung nächste Seite

Fortsetzung von Seite 11

ten, viele wurden inhaftiert, einige sind sogar gestorben. Heute sehen wir sie als Helden – ähnlich wird es einmal mit den jungen Menschen sein, die heute an den Klimaprotesten teilnehmen.

Selbst manche Klimaaktivist:innen sehen diese Form des Protests aber als nicht ideal an; sie fänden es wirkungsvoller, wenn die Proteste sich gegen Politiker oder Unternehmen richten würden.

Otto: Ja, ich fände solche gezielten Aktionen auch besser. Aber um einen Ölkonzern zu blockieren, bräuchte es viel mehr Logistik und Geld, das die Aktivisten nicht haben. Außerdem gab es solche Proteste gegen Firmen etwa in der Schweiz, doch wir haben nichts davon gehört. Aktionen hingegen, die den Alltag von uns allen stören, erhalten sehr viel mediale Aufmerksamkeit.

Was ist mit den Leuten, die bei diesen Protesten in den Autos festsitzen? Der Berliner taz haben Sie gesagt, Sie könnten deren Wut nicht wirklich nachvollziehen.

Otto: Doch, ich verstehe das schon. Was ich meinte: Die Straßen könnten jederzeit auch von einem Hochwasser blockiert werden oder von umgestürzten Bäumen nach einem Sturm. Solche Extremwetterereignisse werden immer häufiger werden, und mit ihnen kann man nicht verhandeln. Mit Aktivisten schon.

Wir kennen inzwischen physikalische Kipppunkte, etwa das Auftauen des sibirischen

Permafrosts, wo eine kleine zusätzliche Störung eine riesige Änderung im Gesamtsystem bewirken kann. Sie analysieren soziale Kipppunkte. Was ist das denn?

Otto: Ein Kipppunkt ist ein Moment, wo sich das System sehr schnell verändert. In demokratischen Systemen kann eine kleine Veränderung in der Stimmenverteilung die Zusammensetzung des Parlaments verändern oder die Fähigkeit der stärksten Partei, eine Regierung zu bilden, beeinflussen. Auch ein Krieg oder eine andere Krise kann einen Kipppunkt auslösen, so wie bei Fukushima: eine Katastrophe, die gleichzeitig ein „Window of Opportunity“ geöffnet hat, in dem Menschen bereit sind, große Veränderungen zu akzeptieren. Fukushima hat dazu geführt, dass Deutschland den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen hat.

In einer Studie haben Sie ein Beispiel beschrieben, an dem drei Faktoren gemeinsam zu einem Kipppunkt geführt haben: Martin Luther entwickelte revolutionäre Ideen und mithilfe des soeben erfundenen Buchdrucks fanden sie auch breite Resonanz in einer aufnahmebereiten Gesellschaft. Wann ist denn ein sozialer Kipppunkt erreicht?

Otto: Ein Kipppunkt ist erreicht, wenn sich die neue Option exponentiell ausbreitet und wenn sie zur ersten und einfachsten Wahl wird. Im Klimakontext ist das dann der Fall, wenn die einfachste, günstigste und sozial angesehenste Option eine klimaschonende ist.

Wo ist das schon passiert?

EINE INVESTITION IN DIE ZUKUNFT

Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen –DIE GRÜNE BANK.

Seit 2012 ist Gunskirchen das Zentrum Österreichs, wenn es um nachhaltige Geldanlagen und Green Banking geht: Das Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen ist als grüne Bank auf ökologische Investments, nachhaltiges Sparen und grüne Girokonten spezialisiert. Kunden haben österreichweit die Möglichkeit, ihr Geld mittels grünen Anlageprodukten sinnvoll für sich arbeiten zu lassen und ihre täglichen Bankgeschäfte nachhaltig zu erledigen. Rund 70 Mio. Euro wurden so in mehr als 175 Umweltprojekte investiert. „Denn jeder nachhaltig veranlagte Euro ist eine Investition in eine lebenswerte Zukunft“, erklärt Kristina Haselgrübler, Leiterin des Umweltcenters. Nähere Informationen: www.umweltcenter.at

Zur Person Ilona Otto, 44, ist Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz. Die gebürtige Polin hat in Poznán, Rotterdam, Galway und Wageningen studiert und an der Humboldt-Universität zu Berlin habilitiert. Weitere Stationen: die Slowakische Akademie der Wissenschaften in Bratislava und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Auf besonderes Interesse stoßen ihre Forschungen zur „Sozialen Kippdynamik zur Stabilisierung des Erdklimas bis 2050“

Otto: Bei den erneuerbaren Energien. Die sind inzwischen meistens schon die günstigste Option. Niemand, der heute ein Haus baut, überlegt noch, eine Öl- oder gar Gasheizung einzubauen; meistens ist die Wärmepumpe die erste Wahl.

Wann und warum ist das gekippt?

Otto: Schon vor dem russischen Überfall auf die Ukraine war die Technologie verfügbar, da war es aber noch günstiger, mit Gas zu heizen, und es gab noch zu wenige Monteure. Mit dem Krieg sind die Gaspreise gestiegen, zusätzlich kam die Sorge auf, dass es im Winter nicht genug Gas geben könnte.

Sie haben solche Kipppunkte auch für Finanzmärkte analysiert. Wie kann ein Finanzmarkt im Sinne des Klimas kippen?

Otto: Wenn Investoren nur noch in erneuerbare Energiequellen investieren und gleichzeitig Geld von fossilen Brennstoffen abziehen – und auch von Firmen, die fossile Brennstoffe nutzen. Eine Studie hat gezeigt, dass nur neun Prozent der Investoren den Finanzmarkt zum Kippen bringen können.

Weil was genau passiert?

Otto: Weil dann die anderen Investoren Angst bekommen, dass die fossilen Investitionen nichts mehr wert sind. Dann wollen alle solche Aktien loswerden und der Preis fällt natürlich sehr stark.

Genauso, sagen Sie, kann eine gesellschaftliche Minderheit eine radikale Wende bewirken.

Otto: Ja, eine sehr motivierte und gut vernetzte Minderheit mit Führungspersönlichkeiten, die andere begeistern und inspirieren, kann so etwas schaffen. Manchmal braucht es dafür ein Viertel der Bevölkerung – bei Menschen mit sehr wenig Einfluss braucht es natürlich mehr –, manchmal genügen schon ein paar Prozent.

Könnte die „Letzte Generation“ das System zum Kippen bringen?

Otto: Ja, denn wenn ziviler Ungehorsam im Spiel ist, braucht es viel weniger Menschen. Da zeigen die Daten, dass in manchen Fällen schon 3,5 Prozent der Bevölkerung genügen, damit ein Gesetz geändert wird.

Andererseits sagt in Umfragen inzwischen die Mehrheit der Menschen: Ja, der menschengemachte Klimawandel existiert, ja, wir müssen dringend handeln. Und trotzdem passiert noch so wenig. Wie passt das zusammen?

Extremwetterereignisse werden immer häufiger werden, und mit ihnen kann man nicht verhandeln. Mit Aktivisten schon

Das Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen hat mehr als 175 nachhaltige Projekte in Österreich finanziert. Im Bild: Das neue Vorstandsteam mit v.r. Michael Kammerer, Kristina Haselgrübler und Andreas Hohensasser.

Otto: Ich glaube, das liegt an den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft – Entschuldigung, aber das sind meist ältere Männer. Die sitzen in privilegierten Positionen und wollen natürlich nicht alles ändern. Viele junge Menschen denken sehr anders, aber bis sie in die Spitzenpositionen gelangen, wird es noch zehn bis 20 Jahre dauern. Doch diese Zeit haben wir nicht.

In einem Interview haben Sie gesagt, wir sollen uns schlecht fühlen, wenn wir CO2 verursachen. Aber muss die Pendlerin, die mit ihrem alten Verbrenner zur Arbeit fährt, wirklich ein schlechtes Gewissen haben, während andere sich gaudihalber ins All schießen lassen?

Otto: Es geht mir nicht darum, jemanden zu beschämen, und natürlich gibt es oft kaum andere Optionen. Zum Beispiel, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel schwer erreich-

12 FALTER KLIMAMAGAZIN
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© Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen
»

bar sind. Auch ich fahre manchmal mit dem Auto, weil es sonst gerade mit Kindern oft unglaublich kompliziert wird. Dienstlich fahre ich meistens mit der Bahn, wenn mein Reiseziel weniger als tausend Kilometer entfernt liegt; aber wenn es keine andere Option gibt, fliege ich auch manchmal. Ich fühle mich dabei unglaublich schlecht. Und so hat einst auch die Bewegung gegen die Sklaverei begonnen.

Aber wie Sie selbst sagen: Manchmal ist die klimafreundliche Variante sehr kompliziert und auch viel teurer – mit dem Zug zu fahren statt zu fliegen zum Beispiel.

Otto: Ja, aber wenn genügend Menschen das Verbrennen fossiler Brennstoffe unmoralisch finden, werden sie Druck ausüben, damit Infrastruktur ausgebaut wird und Subventionen anders verteilt werden. In Österreich gibt es nun das Klimaticket. Solche Lösungen können das Verhalten der breiten Bevölkerung verändern.

Sie forschen viel dazu, dass verschiedene soziale Gruppen sehr unterschiedlich viele Emissionen verursachen …

Otto: Genau, in Deutschland zum Beispiel verbrauchen die Menschen der höchsten Emissionsgruppe das Zehnfache von dem der niedrigsten Gruppe. Ich habe eine Theorie des sozial-ökologischen Stoffwechsels entwickelt und sechs Klassen definiert, abhängig von der Ressourcennutzung einerseits und der Verwundbarkeit durch Umweltveränderungen andererseits.

Wer gehört denn zur untersten Klasse?

Otto: Menschen, die selbst sehr wenig verbrauchen, aber sehr hohe Kosten für die Klimakrise zahlen: kleine Bauern in Afrika oder Asien zum Beispiel. So wie jene in Pakistan, wo im Vorjahr durch die Überflutungen viele Menschen gestorben sind und weitere ihre Häuser, Reisfelder und damit Lebensgrundlagen verloren haben.

Gibt es diese ärmste Klasse in Europa überhaupt?

Otto: In Europa leben dank der Sozialsysteme nur wenige Menschen in extremer Armut. Aber auch hier sind die Ungleichheiten sehr groß. Viele Menschen können ihre

»Die Wohlhabendsten, die sehr viel Verschmutzung verursachen, können sich gleichzeitig sehr gut schützen. Sie können einfach zu einem anderen Wohnsitz fliegen

Heizungsrechnungen nicht zahlen, manche sind auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Ärmere wohnen auch eher in Gebieten mit wenig Grünflächen und leiden daher stärker unter der Hitze.

Und wer steht am anderen, am obersten Ende der Skala?

Otto: Die Wohlhabendsten, die sehr viel Verschmutzung verursachen, die Privatflugzeuge nutzen, mehrere Autos und große Häuser besitzen und sich gleichzeitig sehr gut schützen können. Sie können einfach zu einem anderen Wohnsitz oder gar auf einen anderen Kontinent fliegen. So wie beim Hurrikan Katrina in New Orleans: Die Menschen ohne Autos konnten nicht fliehen, viele sind gestorben. Die Reicheren aber konnten sich ins Landesinnere retten.

Was ist also zu tun?

Otto: Wenn wir wollen, dass auch die global ärmste Gruppe Zugang zu Wohnraum und genug Essen bekommt, dann steigen die Emissionen global um bis zu einem Viertel. Das geht sich aber mit den Klimazielen nicht aus; also müssen die reichste Gruppe und auch die Mittelklasse den Verbrauch von Energie und Ressourcen stark reduzieren.

Und wie könnte das gehen?

Otto: Ich glaube, dass es höhere Steuern auf Vermögen und auf Erbschaft braucht, die es derzeit ja in Österreich gar nicht gibt: Damit wenigstens ein Teil der größten Vermögen für gemeinnützige Zwecke verwendet werden kann. Manche Aktivitäten, die hohe Verschmutzung verursachen, könnten auch einfach verboten werden. So wie in der EU ab 2035 keine neuen Verbrennerautos mehr verkauft werden dürfen, so wird es auch Verbote für Privatjets brauchen.

Wie soll das aussehen?

Otto: Die Privatflugzeuge sollen zum Beispiel auf bestimmten Flughäfen nicht mehr landen dürfen oder nur noch für bestimmte Zwecke genützt werden dürfen. Es wird auch Werbeverbote brauchen. In Amsterdam dürfen zum Beispiel die Fluggesellschaften nicht mehr werben. So wie es Werbeverbote für Alkohol oder Zigaretten gibt,

könnte es sie für Produkte geben, die fossile Brennstoffe nutzen.

Aber braucht es nicht auch breitere Maßnahmen?

Otto: Beim Hausbau könnte man zum Beispiel Flächenbegrenzungen vorschreiben und zumindest größere Häuser sollten verpflichtend ein Solarpanel auf dem Dach haben. Wer ein 200-Quadratmeter-Haus baut, kann auch das bezahlen.

Werden wir das mit der Klimakrise hinkriegen, ohne dass jeder Einzelne auch Verzicht übt? Zumindest in den reichen Industriestaaten?

Otto: Wir müssen nachdenken, was wir tun können, um auch ohne riesigen Ressourcenverbrauch ein gutes Leben zu haben. Letzte Woche habe ich mit meinen Studierenden ein Gemeinschaftswohnprojekt in Eggersdorf bei Graz besucht. Statt dass jeder ein Gästezimmer und ein großes Wohnzimmer baut, können die Leute Gästehäuser und einen großen Raum gemeinsam nutzen. Das bedeutet sogar eine Verbesserung, weil man sich so mit anderen Menschen austauschen kann. Und es ist günstiger. Sie haben zwei Kinder, wie geht es Ihnen als Mutter mit den trüben Zukunftsszenarien?

Otto: Wir Eltern schicken unsere Kinder in die besten Schulen, bringen sie zum Sport und zum Musikunterricht. Wir möchten, dass sie gesund und glücklich sind. Aber was nützt meinem Kind seine tolle Ausbildung einmal, wenn es vielleicht nicht genug zu essen bekommt und es ständig Umweltkatastrophen erlebt?

Die Frage drängt sich auf: Sind Sie selbst ein gutes Vorbild?

Otto: Ich mache nicht alles super und kann sicher noch viel verbessern. Vor Ostern haben wir zuhause fast zwei Monate kein Fleisch gekocht, und meine Ersatzrezepte sind manchmal gut angekommen und manchmal kam es zu kleinen Katastrophen. Meine Kinder wollten die Spaghetti Bolognese ohne Fleisch leider nicht essen. Aber ich versuche, alles so gut zu machen, wie ich kann. F

KLIMAMAGAZIN FALTER 13
Künstlerische Erkundungen  in benachbarten Umwelten  Outdoor Ausstellung und
Ein Museum der
Community Programm

BAUSTELLEN

WER SCHÄDIGT DAS KLIMA?

Die meisten Treibhausgase verursacht in Österreich der Sektor Energie und Industrie (44,4 Prozent), gefolgt vom Verkehrssektor (27,8 Prozent). Die Landwirtschaft und der Gebäudesektor bewirken jeweils etwa ein Zehntel der Emissionen

POLITIK

MONTREAL-PROTOKOLL

1987 ging die internationale Staatengemeinschaft mit der Unterzeichnung des MontrealProtokolls entschlossen gegen die Zerstörung der Ozonschicht vor. Damit einigten sich die Staaten darauf, jene Chemikalien zu verbieten, die die Ozonschicht zerstören, und läuteten zugleich das Ende der extrem klimaschädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) ein. Wissenschaftler berechneten, dass sich die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts ohne das Montreal-Protokoll um 2,5 Grad stärker erwärmt hätte. Eine weitere Studie zeigt, dass das Montreal-Protokoll das Abschmelzen des arktischen Meereises um bis zu 15 Jahre verzögert hat. Das Umweltübereinkommen gilt bis heute als das erfolgreichste der Geschichte.

JUSTIZ

DER FALL URGENDA

2007 gründeten der Klimaforscher Jan Rotmans und die Juristin Marjan Minnesma die niederländische Stiftung Urgenda mit dem Ziel, einen nachhaltigen Wandel voranzutreiben. 2013 verklagte Urgenda gemeinsam mit 900 Bürgern die niederländische Regierung, weil diese zu wenig dafür tat, den Klimawandel zu bekämpfen. 2019 gewann Urgenda den Fall in letzter Instanz. Durch diese erste erfolgreiche europäische Klimaklage wurde die Niederlande zu mehr Klimaschutz verpflichtet, und zwar auf Basis der Grund- und Menschenrechte. Die Niederlande mussten sich durch das Urteil stärkere Reduktionsziele setzen, gleichzeitig erkannte das Gericht damit die Grund- und Menschenrechtsverpflichtungen in der Klimakrise an.

KLIMAHELD: DER PRAKTIKER KLAUS ROCKENBAUER

die für 85 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, werden von Klimawissenschaftlern mit dem Carbon Action Tracker bewertet. Keines davon tut derzeit politisch genug, um das Pariser Klimaziel einzuhalten. Die Bewertung für Österreich und die EU lautet: „unzureichend“.

WIRTSCHAFT ØRSTED

2017 benannte sich der Konzern Dong Energy um und hieß von nun an Ørsted. Dem war ein drastischer Strategiewechsel des Gas- und Ölunternehmens vorausgegangen, der mehrheitlich dem dänischen Staat gehört. 2009 fand nicht nur die Klimakonferenz in Kopenhagen statt, sondern es scheiterte auch ein großes Dong-Kohleprojekt aufgrund lokaler Proteste in Deutschland. Der Konzern dachte um und investierte von da an massiv in Erneuerbare. 2017 stieß das Unternehmen sein Öl- und Gasgeschäft ab. Noch heuer will Ørsted komplett aus der Kohle aussteigen. Über 90 Prozent der Energieproduktion sind laut Konzernangaben bereits grün. Heute ist Ørsted Weltmarktführer in der Offshore-Windenergie.

Er ist Windkrafttechniker. Als er mit acht Jahren sein erstes Windrad sah, legte er seine Karriere darauf aus. Er besuchte die Fachschule für Maschinenbau in Hollabrunn, machte die Ausbildung zum Werkmeister in Wien und arbeitete danach in der Fernüberwachung, wo er zig Windkraftanlagen überblickte. Seit 2012 hält er Windräder im In- und Ausland in Schuss. Nebenbei fotografiert Rockenbauer auf der ganzen Welt Windkraftanlagen und betreibt die Webseite globalwindphotos.com. Mit seinen Fotos will er vermitteln, dass Windräder das Landschaftsbild nicht stören, sondern bereichern können.

14 FALTER KLIMAMAGAZIN
39 LÄNDER,
QUELLE: UMWELTBUNDESAMT.AT Abfallwirtschaft Fluorierte Gase Energie- und Industrie Verkehr Gebäude Landwirtschaft 3% 2,4% 44,4% 27,8% 11,7% 10,6%
KLIMAMAGAZIN FALTER 15 FOTO: CHRISTOPHER MAVRIC; ILLUSTRATION JORGHI POLL

ÖSTERREICH KÖNNTE ERSTER SEIN

Kann man den Klimawandel unternehmerisch bekämpfen? Die österreichische Umwelttechnologiebranche macht vor, dass das geht. Was ihr fehlt: die politische Unterstützung

BERICHT: EVA KONZETT

ILLUSTRATIONEN:

JORGHI POLL

VVielleicht ist die größte Errungenschaft des kalifornischen Silicon Valley, dass jeder sich darauf beruft, wenn es um Innovation geht. So auch in Österreich.

Das Green Tech Valley zum Beispiel, ein Technologiecluster in der Steiermark und in Kärnten. Es hat sich nicht dem digitalen, sondern auch dem grünen Fortschritt verschrieben. Im österreichischen Valley wird nach Lösungen für die dringlicheren Fragen dieser Zeit gesucht: Wie kann Kreislaufwirtschaft laufen? Wie funktionieren umweltfreundliche Energien und Energiespeicherung, nachhaltige Mobilität? Wie dekarbonisieren wir die Land- und Forstwirtschaft? Kurz: Wie schafft man die technologischen Grundlagen für die Energiewende? Für eine klimaneutrale Zukunft?

300 Unternehmen haben sich eben im Valley, im Süden Österreichs, zusammengeschlossen, sie alleine erwirtschaften einen Umsatz von 6,8 Milliarden Euro im Jahr.

Und ganz nebenher wird hier im Green Tech Valley der österreichische Wirtschaftsstandort gerettet. Ebenso wie in Oberösterreich, wo ein Unternehmen wie Fronius von der einfachen Reparaturwerkstätte der 1950er-Jahre zum Weltmarktführer in umweltfreundlicher Schweißtechnik aufstieg. Oder dann, wenn die voestalpine 1,5 Milliarden Euro in die Produktion von „grünem Stahl“ (Porträts der voestalpine und zwei anderer Unternehmen lesen Sie auf diesen Seiten) steckt.

Man kann es auch so sagen: Ausgerechnet der Klimawandel könnte der österreichischen Industrie auch in der Energiewende eine Perspektive geben. Das ist nicht un-

erhört. Das ist nicht das Wunschdenken einer industrieskeptischen Großstadtszene, die noch nie vor einem Fließband gestanden hat. Man kann das vermeintliche Paradoxon untermauern. Auch wenn das nicht jeder Industriellenvertreter so sehen mag.

Zum Beispiel an den folgenden drei Punkten.

Punkt eins: Die sieben größten Industrienationen der Welt haben sich dazu verpflichtet, ihre Gesellschaften mittelfristig so aufzustellen, dass diese ihre CO2-Emissionen ausgleichen und „klimaneutral“ wirtschaften. China mit seinen 1,4 Milliarden Menschen macht da auch mit. Auch wenn Politiker ihre Ziele mitunter verwässern, steht die Richtung eindeutig fest und wird durch internationale Abkommen wie den Pariser Klimavertrag noch verstärkt.

Dazu passt zweitens, dass die Regierungen die Energiewende mit großzügig aufgelegten Förderprogrammen umsetzen wollen, alleine der Europäische Green Deal (sofern er nicht aufgeweicht wird) soll Investitionen in Höhe von einer Billion Euro bis 2030 antreiben. Das kanalisiert privates Kapital, das auf der Suche nach renditestarken Anlagemöglichkeiten ist.

Der streitbare US-amerikanische Investor Larry Fink, Chef der weltweit größten Investorengruppe Blackrock, hat schon vor einem Jahr angekündigt, groß in umweltfreundliche Anwendungen zu investieren. Er tue das aus kapitalistischen Gründen, nicht weil er ein Menschenfreund sei, meint er dazu. Der weltweite Markt für nachhaltige Lösungen könnte in den kommenden sieben Jahren auf knapp zehn Billionen Euro ansteigen. Die diesbezüglichen Schätzungen variieren, haben aber eines gemeinsam: Es geht immer um sehr, sehr viel Geld.

DER GRÖSSTE CO2-EMITTENT DES LANDES, DER LINZER STAHLKONZERN VOESTALPINE, WILL SEINE HOCHÖFEN

UMBAUEN. DAS WÜRDE 30 PROZENT IHRER EMISSIONEN EINSPAREN

E s ist eine dieser seltenen Nachrichten, die Klimaaktivisten und Wirtschaftskammerfunktionäre gleichermaßen zum Jubeln brachte: Der größte CO2-Emittent des Landes schwenkt um. 1,5 Milliarden Euro will die voestalpine investieren, um bis 2027 zwei Hochöfen – einen in Linz, einen im steirischen Donawitz – zu ersetzen. Bis 2050 will der Stahlkonzern dann komplett klimaneutral sein, alle Hochöfen ausgetauscht haben und so Pionier für eine klimafreundliche Stahlproduktion werden. 30 Prozent ihres CO2-Ausstoßes soll das einsparen und somit gewaltige fünf Prozent der Gesamtemissionen des Landes.

Der Hoffnungsträger heißt Elektrolichtbogenofen: Statt Kohle nützt er grünen Wasserstoff als Treibstoff, er wird mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt. So wird recycelter Elektroschrott auf 3500 Grad erhitzt und zu Stahl eingeschmolzen. Bis 2030 will die gesamte europäische Stahlindustrie 55 Prozent ihrer Emissionen einsparen, auch um teuren Emissionshandel zu vermeiden. Ab Herbst will es die EU durch Grenzausgleichssysteme außerdem teurer machen, nicht-grünen Stahl aus dem EU-Ausland zu importieren.

Schweden, Frankreich, Spanien und Deutschland haben ähnliche Ambitionen: Im schwedischen Boden wird bereits am ersten grünen Stahlwerk gebaut, in Frankreich soll ein solches 2027 starten. Das Linzer Unternehmen reiht sich hier gut ein. Im März gab der Aufsichtsrat grünes Licht, noch wartet man auf eine Förderung aus dem Transformationsfonds des Arbeits- und Klimaministeriums – im „mehrstelligen Millionenbereich“, sagt CEO Herbert Eibensteiner. „Wenn man auf das vergangene Jahr zurückblickt, hatten wir doch sehr große Herausforderungen – hohe Energiepreise, Inflation, einen Engpass bei Facharbeitern“, referierte er Anfang Juni bei der Präsentation der Kennzahlen des Geschäftsjahres 2022/23, „trotzdem können wir heute erneut Rekordzahlen präsentieren.“ Und nicht irgendwelche: den höchsten Umsatz und das beste operative Ergebnis in der Konzerngeschichte.

Ob das neue Projekt gefördert wird, entscheidet sich im Herbst. Dann bleibt wohl noch ein weiteres großes Fragezeichen: Wird es bis 2050 überhaupt genug erneuerbaren Strom und somit genug grünen Wasserstoff geben, um diese Technologie möglich zu machen? Zumindest Eibensteiner hat keine Zweifel. KATHARINA KROPSHOFER

16 FALTER KLIMAMAGAZIN

SEITDEM LEUTE DIE ABHÄNGIGKEIT VON RUSSISCHEM GAS UND

HOHE ENERGIEKOSTEN MEIDEN, STEHT DER WÄRMEPUMPENBETRIEB

OCHSNER HOCH IM KURS. AUCH

DESHALB, WEIL ER PIONIERARBEIT LEISTET

Wer beim Bahnhof im niederösterreichischen Haag aussteigt, dem springen zwei Gebäude ins Auge: die Wehrkirche St. Michael auf der linken und die Zentrale des Wärmepumpenherstellers Ochsner auf der rechten Seite. Seit 150 Jahren existiert das Unternehmen und produzierte zunächst Apparate für Brauereien und die Lebensmittelindustrie sowie Pumpen in Bielitz im heutigen Polen. In den letzten Kriegstagen 1945 transportierte die Familie die Maschinen nach Österreich. Auch viele Arbeiter kamen mit.

Der Vater des jetzigen Geschäftsführers Karl (Kari) Ochsner, Karl sen. Ochsner, beschloss schon 1978, Wärmepumpen herzustellen, seit 1992 produziert das Unternehmen ausschließlich diese. Zuerst wurden die Ochsners als Spinner ausgelacht. Doch die Umsatzzahlen zeigen, dass dem nicht so ist: Von 60 Millionen Euro im Jahr 2021 stieg der Umsatz auf 90 Millionen Euro 2022. Heuer könnten es 150 Millionen Euro sein. Kari Ochsner ist einer dieser Unternehmenschefs, die schon im Februar die Auftragsbücher bis zum Ende des Jahres voll haben.

Bei den Brauchwasserpumpen – sie nutzen thermische Energie der Luft, um warmes Trinkwasser zu erzeugen – hat Ochsner in Österreich einen Marktanteil von zehn Prozent in Wien, für Gewerbegebäude zwischen 20 und 30 Prozent, beim klassischen Einfamilienhaus zwischen fünf (einfache Systeme) und bis zu zehn Prozent bei den komplexeren Systemen. Und das trotz internationaler Konkurrenz.

2022 haben in Österreich mit Biomasse und Wärmepumpen erstmals erneuerbare Heizsysteme bei den gekauften Geräten für die Privathaushalte die fossilen Systeme überholt. „Wir sind nicht auf den Green-Tech-Trend aufgesprungen, sondern leben das seit 50 Jahren“, sagt Kari Ochsner. So bald wird dieser Erfolg auch nicht abebben: Gerade erst hat der Familienbetrieb ein neues Technologiezentrum in Mauer bei Amstetten eröffnet. EVA KONZETT

Zudem schreiben Global Player wie Microsoft, aber auch Autobauer wie Mercedes Benz ihre eigenen kleinen Lieferkettengesetze und fordern jeden Zulieferer auf, die eigene Klimaneutralität in der Produktion zu dokumentieren. Wer solche Papiere nicht vorlegen kann, fliegt raus. Die Plansee Group im beschaulichen Tiroler Reutte etwa fertigt Molybdän- und Wolframmetalle für Halbleiter für Apple nun extra mithilfe von grünem Wasserstoff. Das ist der dritte Punkt.

Die Umwelttechnologie hat also alles, was einen Zukunftsmarkt ausmacht: Die Dringlichkeit durch den Klimawandel. Politisch festgeschriebene Ziele und ordnungspolitische Rahmen. Finanzielle Unterstützung durch öffentliche und private Gelder. Und in der österreichischen Ausprägung hat die Branche einen großen Vorteil: Sie hat Tradition.

Im Green Tech Valley ist man stolz auf die eigenen Wurzeln. Hier hat der Ingenieur Viktor Kaplan kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Patentschrift 74 244 über eine „Schaufelregelung für schnelllaufende Kreiselmaschinen mit Leitvorrichtung“ eingereicht, eine Turbine, die Wasserkraft vor allem bei schwankenden Wassermassen ermöglicht – bis heute heißt sie Kaplanturbine. Bis heute ist sie im Einsatz.

In einem Jahr erwirtschaften österreichische Unternehmen in der Umwelttechno-

logie rund 15 Milliarden Euro, die Branche wächst um sechs Prozent pro Jahr, im Vergleich dazu macht der Tourismus rund 40 Milliarden Euro. Die Umwelttechnologie sichert 50.000 gut bezahlte Jobs direkt und weitere 140.000 indirekt ab. Mehr als 2700 Unternehmen wirtschaften in diesem Bereich.

Zum Beispiel Robert Kanduth. Ausgerechnet in einer Garage tüftelte Anfang der 1990er der Schlossermeister an Sonnenkollektoren. 20 Jahre später lieferte sein Unternehmen Greenonetec Kollektoren für eine Fläche von 36.000 Quadratmetern in die saudische Wüste. Mittlerweile ist Greenonetec Weltmarktführer bei thermischen Sonnenkollektoren. Ein „Hidden Champion“, wie die Wirtschaftskammer diese Betriebe gerne nennt: Hochinnovativ, exportorientiert, global erfolgreich. Und er ist nicht allein: Geschätzte zwölf Prozent der österreichischen Umwelttechnologiefirmen sind europäische oder Weltmarktführer mit ihren Produkten, weit mehr als in anderen Branchen.

Doch das hilft alles nichts. Lobbyorganisationen wie die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung treten – zumindest öffentlich – als Bremser in Klimafragen auf. 2021 sah WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf im Entwurf des Klimaschutzgesetzes „ideologiegetriebene Bestrafungsfantasien“. 2022 forderte die Industriellenvereinigung de facto, die

Fortsetzung nächste Seite

Der Plan bi für unseren Planeten.

Gut für mich.

KLIMAMAGAZIN FALTER 17
für meine Welt. NaturZertifiziertekosmetik
Gut

29,4

Prozent der globalen CO2-Emissionen stammen aus der Industrie (Quelle: Our World in Data)

33,98

Prozent der österreichischen Emissionen fallen auf die Industrie zurück (Quelle: Klimadashboard)

14,24

Prozent und somit den größten Anteil daran hat die Metallindustrie (Quelle: Klimadashboard)

5 Prozent der jährlichen Emissionen Österreichs könnte ein Umstieg der voestalpine auf ElektroHochöfen einsparen (Quelle: voestalpine)

von Seite 17

Energiewende auszusetzen. 2023 rückte WKO-Chef Harald Mahrer die Klimakleber in die Nähe der deutschen terroristischen Rote Armee Fraktion der 1970erJahre. Bundeskanzler Karl Nehammer lud kürzlich zum E-Fuels-Gipfel, dabei glauben selbst die großen Autobauer nicht mehr an den Verbrennungsmotor.

Und was sagt der Chef des Green-Tech-Clusters Bernhard Puttinger dazu? „In der Umwelttechnologie findet gerade ein geopolitisches Wettrennen statt. Und wir müssen schneller werden.“ Österreich ist vorne dabei. Noch. Die politischen Scheuklappen

verstellen die Sicht auf die österreichische Realität. Die österreichische Industrie hat sich in den vergangenen zwei Dekaden stark verändert, die EU-Osterweiterung hat zu einer „Mini-Globalisierung“ in der österreichischen Wirtschaft geführt. Werkbankjobs lagerten die Unternehmen in die neu erschlossenen Märkte Osteuropas aus, die Forschungsabteilungen, die Entwicklung, das Know-how beließen die Firmenchefs im Land, Österreich musste – durch die Billigkonkurrenz gezwungen – innovativer werden. Die EU-Kommission listet Österreich im Bereich der Umwelttechnologie deshalb in der Kategorie der Eco-Innovation Leaders Group, also jener Länder, die den Fortschritt antreiben.

Doch für die Unternehmen fehlt es an der dringend notwendigen Rechts- und Planungssicherheit. Entscheidende Umweltgesetze wie beispielsweise das Klimaschutzgesetz fehlen. Niemand wird investieren, wenn er die Bedingungen nicht einschätzen kann. Einziger Trost: Die österreichische Industrie kann darauf hoffen, dass andere Länder durchsetzungsfreudiger sind: Die Exportquote in der Umwelttechnologie, also der Anteil der Produkte, die im Ausland verkauft werden, beträgt mehr als 80 Prozent.

Was aber auch stimmt: Den Tod und die Zukunft kann man nicht austricksen. Die Energiewende wird kommen. Wenn österreichische Unternehmen nicht die passenden Lösungen dafür finden, werden es andere tun. Den Gewinnern jedenfalls winkt eine historische Marktchance. F

DIE ZEMENT- UND BETONBRANCHE GEHÖRT WELTWEIT ZU DEN GRÖSSTEN CO2-EMITTENTEN.

DER ÖSTERREICHISCHE ZEMENTHERSTELLER LAFARGE ÜBT SICH

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E s brauche eine starke CO2-Bepreisung, höher als die 30 Euro pro Tonne, also der Einstiegspreis, den die Bundesregierung 2021 beschloss. Das beklagten damals nicht Klimaaktivisten, sondern 15 CEOs großer österreichischer Unternehmen. Unter ihnen Berthold Kren, seit 2020 Geschäftsführer der Lafarge Zementwerke mit Sitz in Niederösterreich und der Steiermark. Zement. Nicht unbedingt bekannt für eine klimafreundliche Bauweise. Wissenschaftler sprechen von fünf bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen, die von der Beton- und Zementindustrie ausgehen. Auch wenn die Forschung zu Lehm, Holz und anderen alternativen Baustoffen immer populärer wird (siehe Seite 20), kann die Menschheit so bald nicht komplett aus Beton aussteigen.

Umso wichtiger sei deshalb die CO2-Reduktion innerhalb der Produkte. 20 Millionen investierte Lafarge erst im September 2022 in CO2-Reduktion und Kreislaufwirtschaft. Für die Produktion von Zwischenprodukten wie Klinker kommen statt Kohle bereits Ersatzbrennstoffe wie Altöle, Schnipsel aus alten Autoreifen, Kunststoffe zum Einsatz. „Zu mehr als 90 Prozent“, meint Kren.

Im niederösterreichischen Werk in Mannersdorf läuft außerdem ein Pilotprojekt des Lafarge-Mutterkonzerns: Das CO2, das beim Prozess entsteht, wird aufgefangen und mithilfe von grünem Wasserstoff zu einem synthetischen Gas umgewandelt. OMV und Borealis wollen dieses Gas wiederum in Kunststoff umwandeln. Und der? Könnte dann irgendwann wieder im Zementwerk verbrannt werden.

KATHARINA KROPSHOFER

ILLUSTRATION: JORGHI POLL

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Fortsetzung Foto: ©Christian Fischbacher

DDie neue Satellitenstadt im Süden war der ganze Stolz von Linz, und ihr Name klang ein bisschen wie ein Techno-Label: solarCity. Geplant wurde das Quartier für rund 4000 Bewohner im Jahr 1992 als Pionierprojekt für klimagerechtes Bauen: passive Solarnutzung durch große Fenster und Wintergärten nach Süden hin, Sonnenkollektoren auf den Dächern, Niedrigenergiebauweise.

Mit all dem war man damals der Zeit ein Stück weit voraus, und stolz ist Linz heute noch auf das Quartier. Bauen würde man es heute in dieser Form wohl nicht mehr, selbst wenn man sich vornimmt, eine ökologische Mustersiedlung zu errichten. Warum? Vor allem, weil große Glasfassaden, die möglichst viel Wärme ins Innere lassen, in den Hitzesommern der Gegenwart nicht die beste Idee sind und weil sich die Vorstellungen klimagerechten Bauens seit den 1990ern gewandelt haben. Das taten sie schon immer, und sie pendelten dabei regelmäßig zwischen Hightech und Lowtech.

Derzeit hat Hightech ganz schlechte Karten. Denn die mit Sensorik und Apps vollgestopfte Haustechnologie der „SmartCity“Welle, die in den 2010er-Jahren Stadtplaner, Investoren und Tech-Bros begeisterte, verschlingt selbst viel Energie, und ihre Komponenten müssen ständig ausgetauscht und gewartet werden. Heute wirken diese Technologien wie eine sorglose Spielerei, denn es ist fast allen, die mit der Baubranche zu tun haben, klar, dass es jetzt um alles geht: Weltweit ist die Bauwirtschaft für knapp 40 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich, sie ist eine der größten Klimasünderinnen – aber sie hat auch die Chance, zur Retterin zu werden, wenn die „Bauwende“ gelingt. 2019 gab die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, mit dem Startschuss der Initiative New European Bauhaus, die neue Konzepte für nachhaltiges Bauen fördert, auch von der obersten Ebene das Signal dazu.

Hier schlägt die große Stunde des Lowtech. Das heißt: Bauen mit Materialien, die nicht um den halben Globus gekarrt werden müssen, und die Wiederentdeckung einfacher, langlebiger Bauweisen. Denn die Wegwerfmentalität, die Häuser nach 20 oder 30 Jahren auf die Schutthalde bugsiert, können wir uns nicht mehr leisten. Ein Pionierprojekt dieses einfachen Bauens steht im Vorarlberger Ort Lustenau, sieht aus wie ein weißer Würfel mit Löchern und trägt einen kryptischen Namen: 2226. Entwickelt wurde es von Baumschlager Eberle Architekten, die im Kubus auch ihr Büro betreiben. Die Idee: keine Heizung, keine Lüftung, keine Klimaanlage, keine Wärmedämmung. Nur 50 Zentimeter solides Mauerwerk – und eine konstante Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad. Seit der Eröffnung hat sich das Bürohaus auch in zehn heißen Sommern bewährt. Inzwischen gibt es das energiesparende Modell 2226 auch bei Wohnhäusern, so etwa in Dornbirn.

Das zweite Notfallrezept für das Bauen in der Klimakatastrophe ist: Recycling von Vor-

VOLLBREMSUNG

AM BAU

Kreislaufwirtschaft, Recycling, Lehmbau, neue Einfachheit oder Energiegemeinschaften: Die Bauwirtschaft hat realisiert, dass sie eine der größten Klimasünderinnen ist –und arbeitet an allen Fronten an Lösungen

handenem. Hier geht ausgerechnet die reiche Schweiz voran, wo Barbara Buser vom Basler baubüro in situ schon seit 25 Jahren an einer Architektur der Kreislaufwirtschaft arbeitet. Das galt lange als eine Randerscheinung, heute können sich Buser und ihr Team vor Anfragen und Aufträgen kaum noch retten. Denn die Schweizer haben schlüssig berechnet, dass praktisch jeder Abriss und Neubau eine schlechtere Ökobilanz hat als der Erhalt und die Reparatur des Bestandes, und die Architektur von baubüro in situ beweist es: Alte Fenster, Blechfassaden, Badezimmer oder ganze Stiegenhäuser werden wiederverwendet, und es sieht dabei auch noch gut aus.

Ähnliches praktiziert Architekt Thomas Romm in Österreich, der als Pionier der Kreislaufwirtschaft gilt und die Firma Baukarussell mitbegründete. Heute entwickelt er Konzepte zirkulären Bauens für Neubauviertel, zum Beispiel neben der U1 am Kurpark Oberlaa. Dieses eignet sich besonders, da es um die ehemaligen Ziegelgruben immer noch Tonerden gibt. „Das Thema Boden und Aushub sind ein enormer Hebel für die Kreislaufwirtschaft“, sagt Romm. „In Österreich werden 30 Millionen Tonnen Aushub pro Jahr erzeugt. Wir kippen Ressourcen, die wir schon

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FOTO: KURT HÖRBST
BERICHT: MAIK NOVOTNY

Links:

auf der Schaufel haben, einfach weg.“ Besser wäre es, den Aushub während des Baus vor Ort zu lagern und dann wiederzuverwenden, sei es für Grünflächen oder in Form von Recyclingbeton.

Auch das sei alles andere als eine Spielerei mit dem oft missbrauchten Begriff der Nachhaltigkeit, denn es gehe ums Überleben, betont Romm: „Wenn wir in fünf bis zehn Jahren die unumkehrbaren Kippeffekte des Klimawandels nicht aufgehalten haben, wird es keine Nachhaltigkeit mehr geben. Es geht nicht darum, Klimagerechtigkeit und Leistbarkeit auszubalancieren. Es geht um eine Vollbremsung.“

Andere Klimaaktivisten der Architektur wollen noch radikaler aufs Bremspedal treten. Für sie ist es das ökologischste Handeln, gar nichts mehr abzureißen. Denn jeder Neubau verbraucht „graue Energie“ für Transport und Baustelle, jeder Kubikmeter Stahl und Beton bedeutet einen Abbau endlicher Ressourcen irgendwo auf der Welt.

Die an der Universität Harvard lehrende französische Architekturtheoretikerin Charlotte Malterre-Barthes forderte 2021 ein Abriss-Moratorium, dem sich im September 2022 auch eine Initiative deutscher Architekten in einem offenen Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz anschloss: „In Deutschland entstehen jedes Jahr 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle, was 55 Prozent des gesamten Abfalls ausmacht“, heißt es darin. „Heute, wo die Klimaerwärmung spürbar, die Energieversorgung unsicher und die planetaren Grenzen erreicht sind, ist nicht der Erhalt von Gebäuden erklärungsbedürftig, sondern ihr Abriss.“ Zu guter

Letzt wird spätestens seit 2022 ein Aspekt klimagerechten Bauens wieder diskutiert, der seit den Zeiten der solarCity etwas in Vergessenheit geraten ist: die Energie. Diese ist nicht nur aufgrund der aktuellen Teuerung wieder in aller Munde, sondern auch, wenn es um die Umrüstung der Haushalte auf nichtfossile Energieträger geht. Ein Beispiel, wie das gehen kann, ist jetzt schon im 17. Wiener Gemeindebezirk zu besichtigen: der Smart Block Geblergasse, der mit dem Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit und mit dem Wiener Stadterneuerungspreis ausgezeichnet wurde. Basierend auf einem mehrjährigen Forschungsprojekt der beiden Architektinnen Jutta Wörtl-Gössler und Uli Machhold und umgesetzt durch Zeininger Architekten, entstand in diesem Gründerzeit-Straßenblock ein Pilotprojekt für CO2-freie Energieversorgung durch Geothermie, mit Fernwärme, Solarmatten und Hybridkollektoren.

Die sommerliche Wärme wird hier im Boden gespeichert, um sie im Winter wieder hervorzuholen, die Leitungen der Fußbodenheizung werden wiederum im Sommer aus dem Rücklauf der Erdsonden mit rund 20 Grad kühlem Wasser gespült. „Die bestehende Stadt muss für das 21. Jahrhundert reorganisiert werden. Das bedeutet: Althaussanierungen forcieren und nachhaltige Energieversorgung umsetzen“, sagt Architekt Johannes Zeininger. Denn die Klimawende am Bau schaffen wir nicht, wenn jeder für sich alleine werkelt, sondern in Nachbarschaft. Im Quartier, in der Stadt, in Europa und global. F

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Hanf dämmt einfach grüner.

Nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv. Wärmedämmung aus Hanf ist die ökologische Wahl bei der Sanierung.

Österreich ist nicht ganz dicht.

Das Thema Gebäudesanierung ist derzeit wieder in aller Munde. Durch stetig steigende Energiekosten und CO² Emissionen gilt: Ein gut gedämmtes Gebäude ist ein klimaschonendes Gebäude.

Dabei wird auch immer mehr auf Naturprodukte statt auf mineralölbasierte Dämmstoffe zurückgegriffen. Wer jetzt sein Gebäude saniert und dabei auf ökologische Dämmstoffe setzt, der wird mit besonders hohen Fördersummen belohnt.

Naturdämmung made in Austria

Der heimische Dämmstofferzeuger Capatect bietet hier mit seinem innovativen Wärmedämmsystem aus Hanf eine besonders ökologische Lösung. Hanf wächst schnell, benötigt weder Dünger noch Pestizide und bindet schon im Heranwachsen klimawirksam CO². Die in Niederösterreich gefertigten Dämmplatten sind damit nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimapositiv.

Hanfplatten dämmen deutlich besser als die meisten Naturdämmstoffe und besitzen damit etwa das Dämmvermögen konventioneller Dämmstoffe. Der Schallschutz, den die hanfgedämmte Fassade bietet, ist einzigartig. Und: Eine Hanfdämmung bietet hohe Widerstandskraft und verbessert die Schlagfestigkeit der Fassade. Eine

hanfgedämmte Fassade ist atmungsaktiv und erzeugt ein Rundum-Wohlfühlklima im Haus. In heißen Sommern sorgt sie in Innenräumen für Kühle. Beim Einsatz in Innenräumen sorgen die AkustikElemente für ein verbessertes Wohlfühl-Klima und lassen sich darüber hinaus gestalterisch toll in Szene setzen.

Sanierungsbonus 2023/24

Mit dem aktuellen Sanierungsbonus des Bundes gibt es für eine thermische Sanierung je nach Gebäudeart zwischen 6.000 und 14.000 Euro an Förderungen. Mit einer ökologischen Hanfdämmung sind es sogar nochmal 7.000 Euro extra. Förderbar sind neben Material und Montage auch die Planungskosten.

Weitere Informationen: www.hanfdaemmung.at

Capatect Baustoffindustrie GmbH office@capatect.at

+43 7262 560

Dämmen mit Hanffasern ist eine bewusste Entscheidung für den Klimaschutz.

KLIMAMAGAZIN FALTER 21 FOTO: RENÉ DÜRR
Capatect Bezahlte Anzeige
Fotos:
Oben: Der Kubus „Modell 2226 steht in Lustenau und braucht keine Heizung, keine Lüftung, keine Klimaanlage und keine Wärmedämmung Der Smart-Block Geblergasse im Wiener Bezirk Hernals ist ein preisgekröntes Pilotprojekt für CO2-freie Energieversorgung

Großflächige Grünräume schützen/schaffen: Eine deutlich messbare Kühlungswirkung ganzer Ortsteile lässt sich bei Grünflächen mit einer Größe ab einem Hektar nachweisen. Solche Freiflächen und Wälder, egal wo, sind also unbedingt zu erhalten.

Freiräume vernetzen: Öffentliche Parks und andere größere Grünanlagen und Landschaftsräume wie Wälder oder Wasserflächen sollten durch Grünzüge verbunden werden. So kann kühle Luft im Ort besser wirken.

Bestandsgebäude beschatten: Mit Beschattungselementen lässt sich eine Überhitzung durch Sonneneinstrahlung im öffentlichen und privaten Raum mindern. Geeignet sind Arkaden, Pergolen oder außenliegender Sonnenschutz an Fenstern. Den besten und langfristigsten Effekt haben Bäume mit großen Kronen.

… SEINEN ORT GEGEN DIE HITZE WAPPNEN?

Im Jahr 2020 rief eine Gruppe von Meteorologen, Raumplanern, Landschaftsarchitekten und Verkehrsplanern eine Non-Profit-Initiative namens KlimaKonkret ins Leben. KlimaKonkret will den österreichischen Kommunen dabei helfen, sich an die Klimakrise anzupassen und sie dadurch auch in Zukunft als lebenswerte Orte zu erhalten. Die Initiative präsentiert ein Bündel an Maßnahmen, mit denen Dörfer genauso wie Städte in Zeiten der Erderhitzung kühl bleiben können. Darüber hinaus geben die Expertinnen und Experten der Initiative auch Tipps, wo sich Gemeinden für die Umsetzung der Maßnahmen finanzielle Hilfe holen können. Der KlimaKonkret-Plan für klimafreundliche Kommunen umfasst die vier Themenfelder Grünräume, Mobilität, Wasser sowie Klimagerecht Bauen und Siedeln. Der Falter zitiert einige der Maßnahmen aus diesem Plan, der im Internet unter der Adresse www.klimakonkret.at kostenlos verfügbar ist.

Klimawandelanpassung bei jeder Sanierung: Jede Straßen- oder Platzsanierung und jede Erneuerung von Einbauten sollte auch für ein besseres Mikroklima genutzt werden. Im Rahmen der Bauarbeiten lassen sich Synergien erzielen und sowohl Baumpflanzungen als auch Entsiegelung umsetzen.

Alltagswege klimafit machen: Fuß- und Radwege, Wartebereiche bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Zebrastreifen oder Kreuzungen, Vorbereiche von Geschäften, Ämtern, Arztpraxen, Schulen – damit all diese angenehm zu nutzen sind, braucht es in den Sommermonaten Beschattung und Kühlung, aber auch Witterungsschutz. Aufenthaltsbereiche sollten priorisiert und vulnerable Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen und Kinder geschützt werden.

Kaltluftschneisen freihalten: Kaltluftschneisen sorgen für einen guten Luftaustausch. Diese zu identifizieren, langfristig zu sichern und wenn möglich weiter auszubauen zählen zu den zentralen Aufgaben einer klimagerechten Raumentwicklung. Kaltluftschneisen sollten zudem immer frei von Bebauung gehalten werden, damit eine gute Durchlüftung und eine nächtliche Abkühlung der angrenzenden Siedlungsgebiete gewährleistet sind.

Bodenversiegelung reduzieren: Eine kompakte Bebauung lässt Platz für Grünflächen. Eine zusätzliche Entsiegelung bzw. eine geringere Versiegelung bei Neubauprojekten fördert die Kaltluftentstehung im sehr lokalen Maßstab und sichert die Versickerungsfähigkeit für das Regenwasser im Boden. Eine aktive Bodenpolitik beinhaltet auch den Ankauf oder die Mobilisierung unbebauter Grundstücke oder leerstehender Gebäude in zentralen Ortslagen. Hier sollten Gemeinden langfristig und nachhaltig denken.

Schwammstadt speichert Niederschlagswasser: Das Schwammstadt-Prinzip ist eine Bauweise, die einerseits für größere und vitalere Bäume sorgt und andererseits einer Überlastung des Kanals vorbeugt. Der Untergrund der Schwammstadt ist hohlraumreich, bietet also Platz für Wurzeln und Wasser. Er kann gleichzeitig überbaut werden, erfüllt also auch die Ansprüche des Straßenbaus. Nach dem Schwammstadt-Prinzip gepflanzte Bäume nehmen Niederschläge, besonders bei Starkregen, besser auf und speichern sie unterirdisch. Das Wasser steht den Bäumen dann auch in Trockenperioden zur Verfügung – ohne unsere Trinkwasservorräte zu belasten.

Klima und Entwässerung koppeln: Bei Starkregen fällt viel Wasser an, das entweder über den richtigen Untergrund – wie bei Schwammstadtbäumen – gespeichert oder in gezielt gestaltete Überflutungsflächen eingespeist wird. Dort verdunstet es und trägt so zur Kühlung bei, außerdem bieten solche Flächen auch Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Trinkwasser öffentlich anbieten: Je heißer es wird, desto wichtiger werden Trinkwasserspender im öffentlichen Raum für die gesamte Bevölkerung und Haustiere.

Grüne Dächer fördern: Intensive und extensive Dachbegrünungen wirken sich über den Regenwasserrückhalt auch günstig auf den Wasserhaushalt aus. Dazu kommt ein Kühlungseffekt, der einerseits durch Verdunstung, andererseits durch die Verhinderung von Überhitzungen von Dachflächen erreicht wird. BN

Bio=KlimaschutzzumEssen!

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WirschauenaufsGanze. DieBiobäuerinnen&Biobauern ©Foto: Melissa V aroy|Dreamstime.com
MehrInfoszuBio&EU-Bio-Logo unterbio-austria.at/EU-Bio-Logo
ILLUSTRATION: JORGHI POLL

„Oft sind es nur ganz kleine Hebel, die nicht viel

Die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke erklärt, wie man seinen inneren Schweinehund beim Klima überlistet und wie es das eigene Umfeld beeinflusst, wenn man klimafreundliches Verhalten vorlebt

GESPRÄCH:

BENEDIKT NARODOSLAWSKYY

IIsabella Uhl-Hädicke zählt zu den bekanntesten Umweltpsychologinnen in Österreich, in ihrem Buch „Warum machen wir es nicht einfach?“ erklärt sie, was viele Menschen noch davon abhält, ein klimafreundliches Leben zu führen – und wie man das ändern kann.

In Zeiten, in denen die Welt dem Untergang nahe scheint, gibt Uhl-Hädicke Hoffnung. Denn die Umweltpsychologin hat eine sehr gute Nachricht zur Selbstermächtigung parat: Jeder kann durch kleine Verhaltensänderungen nicht nur sein eigenes Leben klimafreundlicher gestalten, sondern auch jenes der anderen. Ein Gespräch darüber, wie man in dunklen Zeiten positiv wirken kann.

Falter: Frau Uhl-Hädicke, Pandemie, Krieg in der Ukraine, der Bericht des Weltklimarats – wie gehen Menschen mit solch katastrophalen Nachrichten um?

Isabella Uhl-Hädicke: Wenn man eine existenzielle Bedrohung erlebt, fällt man in eine Schockstarre. Das führt zu einem Ohnmachtsgefühl und zur Frage: Was soll ich als Einzelperson machen? Menschen können nur mit einer gewissen Anzahl an Krisen umgehen. Derzeit hat man das Gefühl, es gibt ein Übermaß an Krisen und Bedrohung. Das überfordert uns und wir sagen: Eigentlich mag ich mich nicht der Verantwortung stellen, sondern ich will mich auch einmal rausnehmen. Man braucht dann Mechanismen, um dieses Ohnmachtsgefühl zu lösen.

Wie können sich die Menschen aus dieser Ohnmacht befreien?

Uhl-Hädicke: Sie reagieren entweder direkt oder symbolisch. Direkte Reaktionen haben mit der Bedrohungsquelle zu tun. Wenn ich zum Beispiel den neuesten Bericht des Weltklimarats lese, wäre eine direkte Reaktion darauf, die Verantwortung anzunehmen und zu versuchen, mich im Alltag klimafreundlich zu verhalten. Sieht man sich in der Gesellschaft um, merkt man aber, dass das nicht immer der beliebteste Lösungsweg ist. Menschen tendieren also eher zu

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Aufwand brauchen und nicht viel kosten, aber eine große Wirkung erzeugen können.“
ILLUSTRATION : PM HOFFMANN KLIMAMAGAZIN FALTER 23

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symbolischen Reaktionen, die nichts mit der Bedrohungsquelle zu tun haben. Die sind oft überraschend und irrational. Was wären solche symbolischen Reaktionen?

Uhl-Hädicke: Die Forschung zeigt, dass Personen, die mit einer existenziellen Bedrohung konfrontiert werden, ihre eigene Gruppe plötzlich aufwerten und andere Gruppen abwerten. Sie verteidigen ihre Weltanschauung viel stärker. Es gibt zum Beispiel eine Studie mit zwei Gruppen von Richterinnen und Richtern, die ein Strafmaß für Straftäter festlegen mussten. Eine Gruppe musste zuvor über ihre eigene Sterblichkeit nachdenken, die andere nicht. Die Gruppe, die die existenzielle Bedrohung erlebt hat, hat danach ein höheres Strafmaß für Straftäter festgelegt als die Kontrollgruppe.

Warum?

Uhl-Hädicke: Während eine existenzielle Bedrohung Ohnmacht auslöst, geben uns unsere Werte, unsere Gruppenzugehörigkeit, unsere Weltanschauung und unsere sozialen Normen hingegen Kontrolle. Indem wir uns stärker darauf fokussieren, hilft es uns dabei, die Situation zu lösen. Gefühlt bekommt man dadurch also wieder die Kontrolle zurück, auch wenn es nichts an der Bedrohungsursache ändert. Das zeigt sich auch in meiner eigenen Forschung zum Klimawandel: Das Wachrütteln mit Informationen über die Klimakrise wirkt zwar bei Menschen, die bereits umweltfreundliche Werteinstellungen mitgebracht haben – für sie ist es wirklich wie ein Boost. Aber für den Großteil der Personen ist es eher überfordernd, sodass sie zu den Ersatzhandlungen tendieren und symbolisch reagieren.

Viele wollen die schlimmen Nachrichten nicht hören. Ist das ein Grund, warum Klimaschützerinnen wie Greta Thunberg so viele Gegner haben?

Uhl-Hädicke: Personen, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen, können wirklich sehr starken Gegenwind erleben – bis hin zu extremem Hass. Die Erklärung aus psychologischer Sicht ist die sogenannte kognitive Dissonanz. Das ist eine Diskrepanz, die ich in mir erlebe. Die meisten Menschen würden nicht von sich selbst sagen, dass sie klimaschädigend handeln. Plötzlich kommt Greta und sagt zu ihnen: „Die Art, wie ihr lebt, raubt uns unsere Zukunft.“ Wenn man es runterbricht, heißt das: „Auch dein geliebtes Schnitzel trägt dazu bei.“ Das löst natürlich eine Diskrepanz aus: Man will ja selbst auch eine positive Zukunft – für sich und seine Kinder, für die man nur das Beste will.

Wie reagieren die Menschen auf diesen Vorwurf?

Uhl-Hädicke: Man kann die Info wieder integrieren und sein Verhalten ändern. Oder man wertet die Quelle ab, von der die Information kommt, indem man ihr die Legitimation nimmt. Dann heißt es: „Greta ist noch jung, sie soll erst einmal erwachsen werden.“ Oder man findet bei ihr scheinbare Fehler. Greta Thunberg hat auf ihrer 76-stündigen Zugfahrt zum Weltwirtschaftsforum in Davos einmal einen veganen Snack verspeist, der in Plastik verpackt war. Das hilft den Leuten zu sagen: „Die ist

auch nicht perfekt, sie tritt für einen klimafreundlichen Lebensstil ein, aber schafft es selbst nicht. Also brauche ich auch nichts zu ändern.“

Was muss passieren, damit Menschen ihr Verhalten ändern?

Uhl-Hädicke: Es hat sich gezeigt, dass unser Verhalten von unterschiedlichen Faktoren gesteuert wird. Zentral sind unter anderem die sozialen Normen – das sind ungeschriebene Gesetze in unserer Umgebung, also die Verhaltensweisen, die ich bei anderen beobachte. Oft sind es nur ganz kleine Hebel, die nicht viel Aufwand brauchen und nicht viel kosten, aber eine große Wirkung erzeugen können. Nehmen wir zum Beispiel diese klassischen Schilder, die man in Hotels findet. Da steht drauf: „Schützen Sie die Umwelt! Verwenden Sie die Handtücher noch einmal!“ In einem Versuch hat man das Schild um folgenden Satz ergänzt: „75 Prozent der Hotelgäste verwenden die Handtücher noch einmal.“ Dieser Satz hat dazu geführt hat, dass die Leute die Handtücher deutlich öfter wiederverwendet haben als jene, die das Schild ohne diesen Satz gesehen haben. Es gibt noch eine andere Studie, in der verschiedene Ansätze getestet wurden, wie man den Energieverbrauch im Haushalt am besten reduziert. Die erfolgreichste Strategie war nicht, wo die Menschen gesehen haben, wie viel Geld sie sparen oder wie sehr sie die Umwelt schützen, sondern jene, wie sie im Vergleich zu den Nachbarn liegen. Leute mit einem höheren Energieverbrauch haben ihn reduziert, wenn sie gesehen haben, dass die Nachbarn weniger verbraucht haben.

Wie lässt sich das psychologisch begründen?

Uhl-Hädicke: Wir wollen wissen: Wie ist mein Verhalten? Ist es normal? Da orientieren wir uns an der Mehrheitsgesellschaft. Noch stärker wirken soziale Normen, wenn sie von einer Gruppe vorgelebt werden, mit der ich mich identifiziere. Es kann aber auch zu einem gegenteiligen Effekt kommen. Wenn eine Gruppe ein bestimmtes Verhalten zeigt, mit der ich mich gar nicht identifiziere – weil die Leute zum Beispiel eine andere politische Einstellung haben –, kann das dazu führen, dass ich dieses Verhalten weniger oft zeige. Darum ist es für die Klimabewegung wie Fridays for Future so wichtig, dass sie sich breit aufstellt. Denn wenn sie nur als eine Gruppe wahrgenommen wird, an der sich andere Gesellschaftsgruppen nicht orientieren können, kann das sogar dazu führen, dass sich diese Gruppen abgeschreckt fühlen und gegenteilig reagieren.

Warum ist es eigentlich so schwer, sich zu verändern?

Uhl-Hädicke: Das liegt auch an den Gewohnheiten, die unser Leben steuern. Sie sind wichtig für uns, weil wir sonst den Alltag nicht bestreiten könnten. Wir haben ja nur begrenzte kognitive Ressourcen, es würde unsere ganze Kapazität belegen, wenn man täglich darüber nachdenken müsste, wie man sich die Zähne putzt oder zur Arbeit geht. Gerade beim klimafreundlichen Verhalten ist es aber herausfordernd, weil die meisten Gewohnheiten nicht klimafreundlich sind. Und Gewohnheiten sind extrem

Isabella

Uhl-Hädicke, 35, ist Umweltpsychologin an der Universität Salzburg und Vorstandsmitglied im österreichischen Klimaforschungsnetzwerk

Climate Change Centre

Austria. Sie forscht zum Thema Klimawandelkommunikation und war Mitglied des wissenschaftlichen Beirats für den österreichischen Klimarat

schwer zu ändern, weil sie als verfestigte Verhaltensmuster automatisch ablaufen. Ich habe zum Beispiel schon beim Einkaufen meine klassische Route und nehme die Produkte, bei denen ich nicht mehr darüber nachdenken muss, und sehe die klimafreundlichen Alternativen gar nicht mehr. Oder ich bin gedanklich schon in der Arbeit und greife automatisch zum Autoschlüssel – und nehme dann das Auto.

Wie schaffe ich es, diese Gewohnheiten zu brechen, um zukünftig klimafreundlicher zu leben?

Uhl-Hädicke: Ich würde Ihnen empfehlen, nicht alle Verhaltensweisen auf einmal in Angriff zu nehmen, weil Sie das wahrscheinlich eher demotiviert. Schließlich schafft man wahrscheinlich nicht alles von heute auf morgen. Besser ist es, Sie fokussieren auf eine Verhaltensweise, die Sie ändern möchten. Legen Sie sich im Vorhinein Alternativen zurecht, damit Sie nicht erst später in der Situation überlegen müssen, was Sie jetzt tun sollen. Das ist natürlich ein sehr bewusster Schritt. Das Wichtigste ist, das automatische Verhalten zu unterbrechen. Dann haben Sie die Möglichkeit, die alternative Lösung, die Sie sich vorher überlegt haben, anzuwenden. Ein Trigger hilft dabei, Sie rauszuholen. Sie können sich zum Beispiel einen Post-it-Zettel auf den Autoschlüssel kleben. Oder legen Sie den Fahrradhelm auf den Schlüssel.

Wann gelingt es einem am besten, sein Verhalten zu ändern?

Uhl-Hädicke: Es gibt gewisse Zeitfenster, in denen es leichter ist – idealerweise, wenn eine neue Lebensphase beginnt. Also wenn man zum Beispiel mit dem Studium fertig wird, wenn man ein Kind bekommt oder in Pension geht. Aber auch, wenn man umzieht und in einer neuen Umgebung erst neue Verhaltensmuster etablieren muss. Natürlich kann man nicht immer auf neue Lebensabschnitte warten. Es funktioniert auch, wenn man die Bereitschaft mitbringt und sich bewusst damit auseinandersetzt. Ansonsten wird’s schwierig.

Hat es überhaupt Sinn, sich zu ändern? Kann ich also auch als Einzelner einen Unterschied machen und etwas bewegen?

Isabella Uhl-Hädicke: Warum machen wir es nicht einfach? Molden, 176 S., € 25,–

Uhl-Hädicke: Ja, definitiv. Auch wenn es vielleicht oft mühsam ist und Überwindung braucht, zahlt es sich aus, weil man als Vorbild wirkt. Natürlich kann es frustrierend sein, weil man die Veränderung nicht von heute auf morgen merkt – und man wird nicht sofort alle mitreißen können. Aber man löst etwas aus in den anderen. Da ist es eben so wichtig, dass Menschen in allen Bereichen – aus Stadt und Land, aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen – dranbleiben. Denn die Personen im Umfeld merken: Ah, schau! Die macht das auch. Sie hat ein ähnliches Leben wie ich und ihr geht’s gut. Sie schafft das und sitzt nicht den ganzen Tag in der Ecke und weint. Sondern sie hat ein schönes Leben, das möglich ist. F

Dieses Interview erschien zuerst im Falter 10/22.

24 FALTER KLIMAMAGAZIN

WIR SCHAFFEN PERSPEKTIVEN

INNOVATIVE ENERGIESYSTEME

FÜR KLIMAFREUNDLICHE LEBENSKONZEPTE

Es ist Zeit für neue Ideen und mehr Idealismus. Auf Kosten der kommenden Generationen den Planeten zu übernutzen und zu belasten ist kein zukunftstaugliches Konzept.

Wer neue Wege finden will, muss ambitionierte Ziele haben: kreislauffähige Stadtquartiere, nachhaltig agierende Unternehmen, qualitätsorientierte Innen- und Außenräume sowie flexible und umweltfreundliche Mobilitätsservices gehören zu den Ergebnissen, die aus einem Perspektivenwechsel entstehen. Wir treten an, um zu zeigen, dass ein klimaverträgliches, nachhaltiges und sicheres Wachstum möglich ist.

TRIIIPLE

Die Lage direkt am Wiener Donaukanal dient nicht nur als Erholungsraum: TrIIIple nutzt für die Heizung und Kühlung die Energie des Flusswassers mittels Wärmepumpen, die mit Ökostrom aus Windkraftproduktion betrieben werden. Dadurch werden CO2-Emissionen eingespart, die dem jährlichen Verbrauch einer durchschnittlichen österreichischen Gemeinde mit rund 10.000 Einwohner*innen entsprechen.

VIENNA TWENTYTWO

Klimafreundliches Highlight dieses Quartiers ist das Energiesystem: Mittels Wärmerückgewinnung, Geothermie, Grundwassernutzung und Bauteilaktivierung werden die CO2-Emissionen minimiert. Ein Wärme- und Kälteliefercontracting stellt eine effiziente und kostenoptimierte Energieversorgung sicher.

VILLAGE IM DRITTEN

Bei dieser Quartiersentwicklung arbeiten Energieexpert*innen, Stadtentwickler*innen, Start-ups sowie freifinanzierte und geförderte Bauträger*innen zusammen und finden neue Lösungen für das Zusammenleben. Das Innere des Quartiers ist an der Oberfläche komplett autofrei. Es gibt zwei Hektar Parkfläche, KlimaresilienzMaßnahmen und ein europaweit einzigartiges Energiekonzept mit 500 Erdwärmesonden und PV-Anlagen, die 1 MWp Strom liefern werden.

Über die ARE

Die ARE Austrian Real Estate ist ein auf Büro-, Wohn- und Entwicklungsliegenschaften spezialisiertes Immobilienunternehmen mit 582 Bestandsliegenschaften und rund 35 Projekten in Entwicklung. ARE.AT

Rund 2.000t CO2 werden im TRIIIPLE jährlich durch das innovative Heiz- und Kühlsystem mit Flusswasser aus dem Donaukanal eingespart.

Bis zu 100% erneuerbare Energie. Das VIENNA TWENTYTWO wurde mit dem ÖGNI Gold-Vorzertifikat ausgezeichnet.

500 Erdwärmesonden sind Teil des baufeldübergreifenden Energiekonzeptes im VILLAGE IM DRITTEN, einem der nachhaltigsten Immobilienprojekte Europas. © Markus Schieder Entgeltliche Einschaltung

WO DIE KLIMASCHÄDLICHEN GASE

SEIT 1990 AB- UND ZUNAHMEN Energie –1,9 Gebäude

TRENDS

LICHT UND SCHATTEN

Die Quellen der klimaschädlichen Gase haben sich seit 1990 sehr unterschiedlich entwickelt. Während Österreich im Verkehrssektor jährlich 7,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent mehr in die Luft bläst als vor drei Jahrzehnten, verschmutzt der Gebäudesektor seither um 3,8 Millionen Tonnen weniger.

WISSEN

CLIMATE CHANGE CENTRE AUSTRIA

2011 gründeten Klimawissenschaftler den Verein Climate Change Centre Austria (CCCA). Dieser bringt seither Österreichs Klimaexperten aus Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstitutionen zusammen, bündelt ihr Wissen und macht dieses zugänglich. Damit dient es der Politik, den Medien und der breiten Öffentlichkeit als zentrale Anlaufstelle fürs Wissen ums Klima. Das Ziel des CCCA: die heimische Klimaforschung zu stärken und international zu profilieren, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und übers Klima aufzuklären. Das CCCA arbeitet auch federführend am jährlichen Klimastatusbericht mit, der die Wettersituation des jeweils vergangenen Jahres in den Kontext des Klimawandels stellt.

IDEEN

FUTURZWEI STIFTUNG

Um den apokalyptischen Bildern in Zeiten der ökologischen Krisen etwas entgegenzusetzen, riefen die deutschen Soziologen Harald Welzer und Dana Giesecke die gemeinnützige Stiftung Futurzwei ins Leben. Diese setzt sich für eine zukunftsfähige, offene Gesellschaft ein und präsentiert „Geschichten des Gelingens“: Sie porträtiert Menschen mit Vorbildwirkung, berichtet über konkrete Projekte des Wandels und erzählt die Zukunft aus einem ermutigenden Blickwinkel. Die Geschichten handeln unter anderem vom sparsamen Umgang mit Ressourcen, von nachhaltigem Konsum und klimafreundlicher Mobilität. Damit zeigt die Stiftung Handlungsmöglichkeiten auf, die Menschen dazu motivieren sollen, Teil der Veränderung zu werden.

KLIMAHELDIN: DIE UNTERNEHMERIN THERESA IMRE

US-DOLLAR –

umgerechnet 2,61 Billionen Euro –werden heuer weltweit in Energien investiert. Das ergeben die Prognosen der Internationalen Energie Agentur (IEA). Davon wird knapp mehr als eine Billion US-Dollar in die fossilen, klimaschädlichen Energieträger Kohle, Öl und Gas fließen. 2.800.000.000.000

GELD

KLIMA- UND ENERGIEFONDS

Bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden. Der Klima- und Energiefonds ist der politische Finanzhebel, um dieses Ziel zu erreichen und dabei gleichzeitig die heimische Wirtschaft zu stärken. Seit seiner Gründung im Jahr 2007 bis zum Vorjahr unterstützte der Fonds rund 300.000 Projekte mit Fördermitteln in der Höhe von insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Für das Jahr 2023 gibt es nun ein Rekordbudget von 581 Millionen Euro. Das Geld soll laut dem Jahresprogramm vor allem in die Energiewende (226 Millionen Euro), die Mobilitätswende (171 Millionen Euro) und die Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft (110 Millionen Euro) fließen. Der Fonds untersteht dem Klimaschutzministerium.

Sie stellte 2015 mit einer Freundin den Blog „Eingebrockt & Ausgelöffelt“ online, auf dem sie regionale, saisonale und biologische Lebensmittel sowie landwirtschaftliche Kleinbetriebe vorstellte. 2017 gründete sie daraufhin den digitalen Bauernmarkt markta. Anfangs brachte sie mit der Plattform Produzenten und Konsumenten zusammen, daraus entwickelte sie später einen Webshop, der regionale und nachhaltige Lebensmittel vertreibt – mit nachhaltiger Verpackung und auf kurzen Transportwegen. Ihr Ziel: kleine Bauern stärken, regionale Produkte pushen und damit Treibhausgase einsparen.

26 FALTER KLIMAMAGAZIN
QUELLE: UMWELTBUNDESAMT.AT
–1,6
–2,4
0,3
–3,8 Landwirtschaft
Abfallwirtschaft
F-Gase
Verkehr 7,8
Millionen Tonnen CO2-Äquivalent
KLIMAMAGAZIN FALTER 27 FOTO: CHRISTOPHER MAVRIC; ILLUSTRATION JORGHI POLL

ICH LENKE, ALSO BIN ICH

Der Autor will seine Freiheitsmaschine Auto nicht aufgeben. Und sucht verzweifelt nach einer ökologischen Zukunft der Mobilität

FERNLICHT:

LUKAS MATZINGER

DDie Photovoltaikanlage auf dem Hausdach lädt den Wagen für 1000 Kilometer, die Solarkarosserie verpflegt die Scheinwerfer und Sitzheizung, das Navi und Autoradio.

In Städten und auf Autobahnen steuert sich der Wagen selbst, unter den meistbefahrenen Straßen laden Leiterschleifen die Akkus über Magnetfelder. Und abends kann der mobile Stromspeicher Auto von der Garage aus noch die Schlafzimmerlampe einschalten.

Der Mensch ist immer gescheitert, wenn er sich die Mobilität der Zukunft vorzustellen versuchte. Fliegende Taxis, Reisezeppeline und atomgetriebene Fernzüge haben sich nicht durchgesetzt. Im 20. Jahrhundert waren solche Verkehrsvisionen aber auch

15 bis 20

Prozent der CO2Emissionen entstehen auf den Straßen

18

Prozent mehr Strom würde Österreich brauchen, wenn morgen alle Autos elektrisch führen

250

Kilometer weit soll das neue chinesische Stadtauto JAC Hua Xianzi kommen – mit ressourcenschonenden NatriumIonen-Akkus

nur muntere Gedankenspiele – jetzt hängt an Szenarien wie dem obigen unser nacktes Überleben.

Je nach Auskunftsgeber steigen zwischen 15 und 20 Prozent der CO2-Emmissionen von den Straßen auf (35 bis 40 Prozent verantwortet der Energiesektor). Umweltaktivisten verstehen das Automobil nicht ganz grundlos als Ausdruck eines gewissenlosen, reaktionären, zerstörerischen Egoismus. Wenn es nach ihnen ginge, wären wir die letzte Generation mit privatem Pkw.

Ich will das nicht wahrhaben. Ich bin ein Kind der Automobilindustrie. Mein Vater hat sein halbes Leben lang in einer Fabrik Getriebegehäuse, Innentürrahmen und Federbeinstützen für Autos aus Aluminium gegossen. Jedes Jahr in Lignano – wohin wir mit dem Auto fuhren – durfte ich mir ein Ferrari-Modell im Maßstab 1:18 aussuchen. Vom Pool aus spielte ich Autoverkäufer, bot meiner Schwester alle Wägen im Parkhaus vis-à-vis an.

Das Automobil ist nicht nur mein liebstes Technikwunder – das Wohlgefühl hinter der langen Motorhaube oder beim warmen Klang des Startgeräuschs, die Gravitation in schnellen S-Kurven und die Selbstermächtigung, mir diesen Blechberg gefügig zu machen. Nein, vor allem ist das Auto mein Tor zur Freiheit. Die Führerscheinprüfung erweiterte den Lebensraum des Dorfkinds, das Kfz machte zum ersten Mal die Fremde erschließbar.

Laut Sozialforschern haben wir Millennials eine undogmatische Alltagsgestaltung und die ständige Selbstverwirklichung als Maximen unserer Lebensführung. Vielleicht habe ich deshalb das Auto als Weltermöglicher meiner Vorfahren übernommen: Das Bewegen nach dem eigenen Willen und das Treffen von zwanglosen Entscheidungen dürften von jeder Freiheitsdefinition umfasst sein.

Zu fahren, zu halten und anzukommen, wann ich will, wie ich will und wo ich will, auf fast endlosen Weiten des Straßennetzes – das war jene Errungenschaft der Nachkriegszeit. Ich entscheide, über Alpenstraßen zu fahren und beim gefrorenen Gebirgssee stehenzubleiben, die Allee statt der Schnellstraße zu nehmen und abzubiegen, wo der Mohn blüht. So wird Land erfahrbar.

Wohnenweitergedacht.

Die hohe Kunst des Reisens lässt sich nicht recht an fremde Takte binden, an Fahrpläne, Haltestellen, Sitzplatzreservierungen. So viel Luxus der Moderne ist entbehrlich – der Individualverkehr wird es mir nie sein. Jetzt ist aber auch Hubraumromantikern schon aufgefallen, dass die erdölbefeuerte Beschleunigung von 1,5 Tonnen Masse zur Fortbewegung Einzelner den Planeten ruiniert. Das Fahren in einer Öffi-Metropole wie Wien ist schon lange überflüssig geworden, außerhalb der Stadtgrenzen aber kommt das historische Versprechen des Automobils noch zum Tragen. Haben wir eine Chance, das hohe Gut individueller Mobilität in eine klimaverträgliche Zukunft zu retten?

Ich verfolge die Fortschrittsmühen der Branche mit hohem (Eigen-)Interesse. Warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem uns ein Ingenieursgenie mit seinem CO2-negativen Solar-Wasserstoff-Kernfusions-Diffusor-Antrieb das schlechte Gewissen nimmt. Bis der erfunden ist, versuchen die Autozeichner dieser Welt Teil für Teil (teils kosmetisch) verträglicher zu machen – es geht schließlich um ihre Existenz.

Das spanische Start-up Liux hat ein Elektroauto aus Flachsfasern im 3-DDrucker geformt (200 Kilo leichter als aus Blech). Der Reifenkonzern Continental hat mit Pflanzenzüchtern KautschukLkw-Reifen aus einjährigem russischen Löwenzahn geschnitten. Im Volvo EX90-SUV sitzen die Passagiere nicht auf Leder, sondern auf Vinyl, recycelten PET-Flaschen und Weinkorken.

Die komplizierteste, aber entscheidende Frage des Antriebs scheint fürs Erste beantwortet: Auch wenn Start-ups aller Welt noch an Wasserstoffwägen tüfteln und der Start-up-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) anhängt, hat sich die Branche auf Stromautos geeinigt.

Nachhaltigkeit heißt: Projekte im Sinne der Kreislaufwirtschaft planen, ressourcenschonend bauen und mit erneuerbarer Energie betreiben. So schaffen wir Lebensqualität für die Zukunft.

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vmfimmo.at
KLIMAFREUNDLICHER HOLZBAU BY VMF
THE CHANGE

Die deutschen Dinosaurier VW, Mercedes und Audi wollen spätestens 2036 keine Verbrenner mehr bauen. Schon im April waren bei der größten Automesse der Welt in Shanghai alle wesentlichen Enthüllungen strombetrieben, Einspritzmotoren sind ein Nischenprodukt. Der wegweisende Markt ist China, das sich erst seit 15 Jahren massenweise motorisiert. Inzwischen ist die Hälfte aller weltweiten Elektroautos auf Chinas Straßen unterwegs – die Mehrzahl aus eigener Herstellung.

Die Zukunft ist elektrisch, und sie birgt doch Zweifel. Beginnen wir beim Verbrauch: Würden alle Pkw in Österreich ab morgen elektrisch fahren, würde das Land laut der TU Wien Energy Economics Group auf einen Schlag 18 Prozent mehr Strom brauchen: zehn Extra-Terawattstunden. Das klingt einschneidend, Österreich will aber ab 2030 zusätzlich 27 Terrawattstunden aus erneuerbaren Energien gewinnen. Mit nur etwa einem Drittel davon werden sich also alle Autos betreiben lassen.

Auch das Recycling der Batterieberge scheint halbwegs geregelt: Im Dezember hat die EU neue Quoten für alte Akkus vorgeschrieben, schon 2027 sind 90 Prozent des Nickels und Kobalts wiederzuverwenden. Mercedes ist schneller, wird bald in einer Pilotfabrik in Kuppenheim die gan-

Eine Familie ist mit ihrem VW-Golf ins Grüne gefahren und veranstaltet ein Picknick unter blühenden Obstbäumen (Aufnahme aus den 70er-Jahren)

»Ich entscheide, über Alpenstraßen zu fahren und beim gefrorenen Gebirgssee stehenzubleiben, die Allee statt der Schnellstraße zu nehmen und abzubiegen, wo der Mohn blüht. So wird Land erfahrbar

ze Lithium-Ionen-Batterie zu 96 Prozent recyceln.

Der Missklang der E-Mobilität liegt heute in der verschwenderischen Produktion jener Lithium-Ionen-Batterien. Sie ist schuld daran, dass der Bau eines Elektroautos (laut deutschem Fraunhofer-Institut) ungefähr doppelt so viel Treibhausgase verursacht wie jener der Elterngeneration mit Diesel- und Benzinmotoren. Die Lösung dieses Problems wird über das Versprechen ökologischer Roadtrips richten.

Das außeruniversitäre Austrian Institute of Technology (AIT) leitet seit September eine EU-Forschung zur besseren Batterieproduktion. Bisher sind solche Fabriken Energiefresser: das Zusammenbauen der Akkuzellen verlangt eine konstante Temperatur, bei einem Taupunkt von minus 60 bis minus 40 Grad Celsius. Das AIT experimentiert mit neuen, wasserbasierten Elektroden, die die Arbeit wesentlich energieschonender machen sollen.

Vielleicht ist der bisherige Goldstandard der Lithium-Ionen-Batterie auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Lithium wächst nicht nach, das Alkalimetall kommt aus dem Erzbergbau und Salzwüsten von Chile, Australien, Argentinien und China. Das erforderliche Kobalt stammt vor allem aus Minen in der Demokratischen Republik Kongo, wo die Industrie Ökosysteme, Kinder- und Arbeiterrechte verleugnet.

Wird es irgendwann einen potenten Akku geben, der ohne Lithium und Kobalt auskommt?

Ich klammere mich an jeden Strohhalm, und mit viel Glück werden wir uns einmal an den 6. März 2023 als Schicksalstag der Mobilität erinnern: Da hat der verhältnismäßig kleine chinesische Autobauer Anhui Jianghuai Automobile Group gemeinsam mit Volkswagen seinen neuen Stadtwagen Hua Xianzi vorgestellt. Betrieben wird er ausschließlich durch Natrium-Ionen-Akkus.

Natrium galt wegen seiner kümmerlichen Energiedichte als zu schwach für große Ladungen, aber irgendwie wollen die Chinesen das gute, alte Lithium damit ersetzt haben: Der JAC Hua Xianzi soll 250 Kilometer weit kommen und die Akkus sollen sogar um ein Drittel billiger sein. Denn Natrium ist als Teil von Salz in rauen Mengen verfügbar, die Akkus brauchen kein Kobalt und lassen sich besser recyceln. Technische Einzelheiten ihrer Errungenschaft verraten die Projektpartner nicht, aber zur Nahrung meiner Hoffnung reicht es allemal.

Salzbetriebene Öko-Autos – diese Vision ist noch keinem Science-Fiction-Autor gekommen. Aber sollten sie die Freiheit der Fortbewegung sichern, können wir mit dem Straßenbau bald weitermachen. F

KLIMAMAGAZIN FALTER 29
FOTO: AKG-IMAGES / PICTURE-ALLIANCE DPA

Wenn klimafreundliches Verhalten durch kurze Wege erleichtert werden soll, braucht es passende Rahmenbedingungen und Infrastrukturen, insbesondere im gegenwärtig ressourcenintensiven Verkehrs-, Wohn- und Energiesektor

Damit klimafreundliches Leben zur attraktivsten Option, dauer-

…IN ÖSTERREICH KLIMAFREUNDLICH LEBEN?

Eine in Hinblick auf klimafreundliches Leben tiefgreifende und effektive Reform von Steuern und Subventionen schafft Anreize und ist ein zentraler Ansatzpunkt zur Emissionsminderung

Ende 2022 stellten Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) die Ergebnisse eines 750 Seiten dicken Berichts vor, an dem 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitwirkten. Die Kernbotschaft daraus lautete: Das individuelle Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern spielt eine deutlich kleinere Rolle als der große Strukturwandel. Wenn die Menschen in Österreich klimafreundlich leben wollen, muss also vor allem die Politik die Weichen dafür stellen.

In ihrer Arbeit analysierten die Forscherinnen und Forscher die neueste wissenschaftliche Literatur und erarbeiteten daraus Antworten auf die Frage, welche großen gesellschaftlichen Hebel die Politikerinnen und Politiker umlegen müssen. Dazu werteten sie über 2000 Literaturquellen aus, ließen die Ergebnisse von etwa 180 Expertinnen und Experten überprüfen und von weiteren 100 Stakeholdern begutachten.

Der Falter druckt einige Schlüsselsätze aus dem wegweisenden Bericht ab, den Sie im Netz kostenlos downloaden können: https://klimafreundlichesleben.apcc-sr.ccca.ac.at.

Ohne kritische wissenschaftliche Analyse, ohne zivilgesellschaftliche Mobilisierung einer aktiven Klimabewegung, ohne Unternehmen, die sich für klimafreundliches Leben einsetzen, und ohne am klimafreundlichen Leben orientierte Interessenvertretungen sind die notwendigen Transformationen kaum umsetzbar

haft möglich und auch selbstverständlich wird, braucht es rasch umfassende Strukturveränderungen in allen Lebensbereichen

Eine in Hinblick auf klimafreundliches Leben tiefgreifende und effektive Reform von Steuern und Subventionen schafft Anreize und ist ein zentraler Ansatzpunkt zur Emissionsminderung

Ohne kritische wissenschaftliche Analyse, ohne zivilgesellschaftliche Mobilisierung einer aktiven Klimabewegung, ohne Unternehmen, die sich für klimafreundliches Leben einsetzen, und ohne am klimafreundlichen Leben orientierte Interessenvertretungen sind die notwendigen Transformationen kaum umsetzbar

Für die Agrar- und Ernährungswirtschaft gibt es zahlreiche umsetzbare Vorschläge, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, wobei die größten Reduktionspotenziale in Produktion, Distribution und Konsum von tierischen Produkten liegen

Klimafreundliches Leben wird dauerhaft möglich und rasch selbstverständlich, wenn alle Wege kurz sind und zu Fuß, mit dem Fahrrad bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können

Eine wichtige Rolle bei der Gestaltung klimafreundlicher Strukturen kommt Unternehmen zu, die klimafreundliche Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsprozesse umsetzen

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BN
Die Bepreisung klimaschädigender Gase durch CO2-Steuern oder Emissionshandelssysteme mindert Emissionen
In Österreich besteht erheblicher Qualifizierungsund Umschulungsbedarf für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft
ILLUSTRATION: JORGHI POLL

Klimaschutzverstehenundleben

Schüler*innengehenaufdieStraße,jungeMenschenklebensichaufdenAsphaltvon Hauptverkehrsadern–undWissenschaftler*innenunterstützendieseProteste. DashatguteGründeundnur,wersieversteht,kanndieKlimakriselösen.

Kaum jemand kann sich noch ernsthaft derRealitätdesKlimawandelsentziehen, doch zu wenige sehen sich imstande, etwas dagegen zu unternehmen. Die Prognosen der Expert*innen machen Angst, aber ebenso tun das die Vorstellungen, welche Opfer zu bringen sind, um die Klimakrise noch aufzuhalten. Das beste Mittel gegen solche Ängste ist Bildung: ein Verständnis des Problems und die FähigkeitLösungendafürzuentwickeln. AnderUniversitätfürBodenkulturWien (BOKU) beschäftigen sich Forschende und Lehrende seit über 150 Jahren mit der Auswirkung des Klimas und seiner Veränderungen auf die Umwelt. Die Entwicklung dieser Tradition zu einer interdisziplinären Forschung hat die BOKU zur führenden Ausbildungs- und WirkungsstättederExpert*innenfürdie Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Gesellschaft und deren technologischeLösungengemacht.

Verstehenheißtverändern

Ein Universitätsstudium ist weit mehr als eine Ausbildung. Es vernetzt intelligente, engagierte Menschen, die sich für dasselbe Thema interessieren und begeistern, um voneinander zu lernen. BOKU-Politikwissenschaftler Reinhard Steurer brachte es bereits 2021 auf den Punkt: „Streikende Jugendliche haben dieKlimakrisebesserverstandenalsviele Politikerinnen und Politiker.“ Analytisches, fachübergreifendes Denken und Kreativitätsindmehrdennjegefragt,um unsereZukunftlebenswertzumachen. Das neue Masterstudium „Climate Change and Societal Transformation“ folgtgenaudiesemPrinzip:Esvermittelt eine Systemperspektive auf die globale Klimakrise und integriert ein physikalisches Verständnis des Klimasystems. Studierende lernen transformative Ansätze für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaftzuentwickeln.

FACTBOX

MitdenrichtigenKonstruktionsmethodenund-materialen kannauchderBausektorklimaverträglicherwerden.

Mit spezifischen Lösungen für Branchen, die als große Mitverursacher der Klimakrise gelten können, beschäftigen sich zweiweitereMasterstudienanderBOKU: Green Buliding Engineering und Green Chemistry. Das erste der beiden Studien beantwortet die Frage, wie die Bauwirtschaft schonender mit den natürlichen

Green Chemistry wird gemeinsam mit der TU Wien und der Uni Wien angeboten.DasMasterstudiumwilldieProblemlösungskapazitäten, die in der Chemie vorhanden sind, offensiv vorantreiben und Expert*innen ausbilden, die aktuelle und kommende Herausforderungen bewältigenkönnen.

DieBotschaftweitertragen

Ressourcenumgehenkann.Dasinterdisziplinäre Ingenieur-Masterprogramm behandelt alle relevanten Bereiche für die Planung, Bemessung und Beurteilung dernachhaltigenGebäudevonmorgen–vonderKonstruktionunddenverwendeten Materialien, über die EnergiekonzeptebiszumRückbauundRecycling.

StudierenanderNachhaltigkeitsuniBOKU: https://boku.ac.at/studium

KlimarelevanteMasterstudien:

ClimateChangeandSocietalTransformation,GreenBuildingEngineering, GreenChemistry(ZulassunganderTUWien),alleinenglischerSprache

https://boku.ac.at/newmasterstudies

MehrMasterstudien:https://boku.ac.at/masterstudien

Bachelorstudien:https://boku.ac.at/boku4younow

Jugendliche und junge Erwachsene müssen sich mit der Wissenschaft zusammentun und gemeinsam mit allen Teilen der Gesellschaft kommunizieren, um die Politik davon zu überzeugen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Für jede*n gibt es einen individuellen Weg, sich optimal vorzubereiten, einen eigenen Beitrag zu leisten. Die neuen BOKU-Masterstudien bieten eine wissenschaftlichfundierteGrundlagefür den eigenen Beitrag ebenso wie für das Sprechen darüber. Alle drei werden in der „Weltsprache“ Englisch angeboten –schließlichistauchdasProblem,zudessenLösungsiebeitragensollen,global.

„Streikende Jugendlichehaben dieKlimakrisebesser verstanden alsvielePolitikerinnen undPolitiker.“
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B. Kromoser BOKU

VERBINDUNG GESUCHT

Langsam, aber immer mehr lässt sich Österreich autofrei bereisen. Warum Kärnten den Ausbau der Öffis als Überlebensfrage sieht, im kleinen Trofaiach der Bus im Viertelstundentakt fährt und Vorarlberg besonders wenige Schwarzfahrer hat

RECHERCHE:

GERLINDE PÖLSLER

OOhne Auto tut man sich im Salzburger Abtenau schwer. An die Eisenbahn ist die 6000-Einwohner-Gemeinde gar nicht angebunden. Busse fuhren 2019 so wenige, dass der Ort bei der Erreichbarkeit am untersten Ende des Rankings stand, das der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) erstellte. Mittlerweile fahren die zwei Buslinien schon häufiger. Immer noch tingelt man aber etwa in die Bezirkshauptstadt Hallein bis zu 65 Minuten herum, während die Autofahrt keine halbe Stunde dauert. Auf Platz eins des VCÖ-Rankings steht Wiener Neustadt: Pro Werktag halten hier rund 500 Züge.

„Nach wie vor ist nicht einmal jede Bezirkshauptstadt gut an das überregionale öffentliche Verkehrsnetz angebunden“, sagt Christian Gratzer vom VCÖ. In den letzten zehn Jahren werde es aber besser. Vorreiter ist Vorarlberg, gefolgt von Tirol. Schon vor Jahrzehnten, als andere Bundesländer das Angebot noch zurückgefahren haben, haben die beiden bereits aufgerüstet – wohl auch angestachelt vom Vorbild der Schweiz.

Viel bewirkt haben die S-Bahnen, die zuerst Wien, dann die Steiermark und Tirol ausgebaut haben. Meist fahren sie im Halbstunden- oder Stundentakt, die Abfahrtszeiten sind leicht zu merken. Dank dem dichten Takt bringen die S-Bahnen eine wirklich große Zahl von Menschen von A nach B. „Würden die alle mit dem Auto fahren, wären das riesige Kolonnen“, sagt Gratzer. Daneben sind zuletzt auch ganz neue Projekte aus dem Boden geschossen.

Eine Kleinstadt zeigt es den Großen Mit nicht ganz 11.000 Einwohnern ist das obersteirische Trofaiach eine Kleinstadt, hat aber ein öffentliches Verkehrssystem wie eine Großstadt. Das Stadtgebiet ist mit 143 Quadratkilometern recht ausgedehnt, daher fährt allein der Citybus, der

den ganzen Tag durch Trofaiach kreuzt, 58 Stationen an. Beim Terminal kreuzt er die Regionalbuslinie, die im sagenhaften Viertelstundentakt zur Bezirkshauptstadt Leoben aufbricht. Freitags und samstags bringt ein Nachtbus die Jugendlichen der Region zum Fortgehen und wieder nachhause. „Es geht sich sogar aus, öffentlich nach Graz in die Oper zu fahren“, sagt Bürgermeister Mario Abl (SPÖ). „Essen gehen kann man nachher nimmer, aber heim kommt man noch.“

Zusätzlich fährt ein Expressbus zweimal am Tag direkt zum Grazer Hauptbahnhof; hier steigen viele Pendler ein. Zum neuen Trofaiacher Busterminal kam im Vorjahr auch eine Car-Sharing-Station mit zwei Pkw. Laut Bürgermeister lief sie über den Sommer bereits kostendeckend. Ziel sei, dass wenigstens ein paar Familien das Zweitauto wegbringen: „Am Land ist ja das schon ein Riesenerfolg.“

Zu alledem können die Trofaiacher noch den gMeinBus rufen: Ein Sammeltaxi, das die Leute an 40 „Info-Points“ abholt. Eltern schicken ihre Kinder damit zum Sport oder in die Musikschule, Wandergruppen buchen ihn und vor allem Ältere: „Durch den gMeinBus können sie länger und selbstbestimmter zuhause leben. Was der Lift für ein Mehrparteienhaus“, so Mario Abl, „ist der öffentliche Verkehr für eine Gemeinde.“ Wie sich das finanziell alles ausgeht? City- und Rufbus stemmt die Gemeinde alleine. Trofaiach habe kaum Arbeitsplätze, sagt der Bürgermeister: Als Wohngemeinde könne sie Einwohner daher nur durch Lebensqualität halten oder gar anlocken. „Und bei 60.000 Nutzern im Jahr müssen wir uns das einfach leisten.“

Wenn Busse populär werden

Der Landbus Vorarlberg bringt es auf ziemlich viele Zeitungsmeldungen – einfach deshalb, weil es ihn schon so lange gibt, er auf so vielen Linien durchs Land kurvt und da eben einiges passiert. Im Sommer des Vorjahrs etwa sorgte ein „Landbus-Exhibitionist“ für Gerede; zwei Mal hatte er sich auf der Fahrt von Lustenau nach Hard entblößt, bevor die Polizei den 37-Jährigen stoppte. Ansonsten dominieren die guten Nachrichten: Seit dem letzten Fahrplanwechsel tragen die Buslinien in ganz Vorarlberg dreistellige Nummern. Das Angebot war in den letzten Jahren so stark gewachsen, dass mehrere Nummern bereits doppelt vergeben waren: So fuhren bereits mehrere Linien 1 durch die Gegend.

Im Frühling feierte der Landbus bereits sein 30-Jahres-Jubiläum: 1993 schwärmten in Bregenz und Feldkirch die ersten Stadtbusse und im Oberen Rheintal die ersten Landbusse aus. Heute fahren die Busse auf den Hauptlinien im Halbstundentakt und in die Seitentäler im Stundentakt, am Wochenende sind außerdem Nachtbusse unterwegs. Schon seit 2014 können die Vorarlberger mit der Öffi-Jahreskarte um 365 Euro fahren, „und nach wie vor wird das Angebot dort Jahr für Jahr besser“, sagt Gratzer vom VCÖ.

Weil sie so zufrieden seien, habe Vorarlberg laut seinem Verkehrsverbund im Vergleich „die ehrlichsten Fahrgäste“, sprich: mit 1,4 Prozent vergleichsweise wenige Schwarzfahrer. Kein Wunder, dass die Verkehrsbetriebe dringend weitere Buschauffeure suchen.

32 FALTER KLIMAMAGAZIN

Die letzten Meter schaffen sie auch noch Sie heißen LiLa und Bast, GUSTmobil und Marchfeld mobil: Die Sammeltaxi-Systeme des Grazer Unternehmens Istmobil poppen in immer mehr Regionen auf. GUSTmobil kurvt durch Graz-Umgebung, „LiLa“ steht für „Link the Lakes“ und klappert das Gebiet Villach, Faaker See und Ossiacher See ab. Die Rufbusse machen den Bus- und Bahnlinien keine Konkurrenz, sondern lösen das Problem der letzten Meile bis zur Haustür: Gibt es für eine Strecke keine öffentliche Verbindung oder fährt diese gerade nicht, weil zum Beispiel Wochenende ist, dann springt das Istmobil ein. Es holt die Fahrgäste vom nächstgelegenen Bahnhof oder einem von vielen Haltepunkten ab. Allein in Graz-Umgebung gibt es davon 1800.

Dabei arbeitet Istmobil mit den regionalen Taxibetrieben zusammen. Die Tarife sind meist deutlich günstiger als die regulären Taxitarife, weil je nach Region Gemeinden, Tourismusverbände und Länder das Angebot stützen. Buchen lässt sich die Fahrt per App oder Telefon.

Noch ausbaufähig ist in einigen Regionen die Bekanntheit des Angebots. In Graz und Graz-Umgebung etwa wissen nicht allzu viele Leute, dass dieses existiert. Drei Istmobil-Projekte wurden bisher wieder eingestellt, etwa der Narzissenjet Ausseerland. Im Gegenzug kommen stetig neue hinzu, im September läuft das Burgenländische Anrufsammeltaxi (BAST) an. Unter dem Namen „flexo“ betreibt Istmobil auch in Deutschland bereits neun Rufbusprojekte.

ILLUSTRATIONEN: JORGHI POLL

Damit die Städter auch in Zukunft kommen Nockmobil heißt das Sammeltaxi, das im Biosphärenpark Nockberge die letzte Meile überbrückt. Dort ist es schon relativ bekannt: Die Touristische Mobilitätszentrale Kärnten (TMZ), eine Kooperation von Tourismusregionen, dem Land und der Kärnten Werbung, fährt Medienkampagnen und hat in großem Stil die Tourismusbetriebe geschult, damit die den Gästen auch vom Angebot erzählen. Die Einheimischen selbst könnten es ruhig noch mehr nutzen, sagt Daniel Wurster-Ellinger, Mobilitätsmanager bei der TMZ: „Aber immerhin geht es bergauf.“ Insgesamt fahren jährlich circa 25.000 Menschen mit dem Nockmobil, Jahr für Jahr werden es um zehn bis 15 Prozent mehr.

Kärnten ist es insgesamt richtig groß angegangen: Als einziges Bundesland bietet es ein landesweites Bahnhof-Shuttle. Es

Mobilitätswende selbst gestalten?

bringt Gäste vom Bahnhof zu ihren Unterkünften und zu Ausflugszielen. „Sie möchten zum Beispiel in ein Hotel am Millstätter See. Dann sagt Ihnen das Shuttleservice, dass Sie in Spittal an der Drau aussteigen sollen und dort abgeholt werden“, erklärt Wurster-Ellinger.

Dass ihre Gäste das nicht brauchen, glaubten heute nur noch wenige Hoteliers. Die meisten hätten erkannt, dass Tourismusregionen ohne Öffi-Angebot nicht mehr mithalten können. Ein großer Teil der (potenziellen) Urlauber kommt aus Ballungsräumen wie Hamburg, Berlin oder Wien und besitzt gar kein Auto mehr. „Und die kommen nicht nach Kärnten, wenn es hier keine Öffis gibt“, sagt Mobilitätsmanager Wurster-Ellinger.

Ein Zehntel der Urlauber reist bereits jetzt öffentlich an. Doch der öffentliche Mobilitätsbedarf ist viel größer: Wie der Tourismus-Monitor Austria mit seiner T-MONAUrlauberbefragung aufzeigt, will auch von jenen, die mit dem Pkw anreisen, fast ein Drittel dieses am Urlaubsort stehen lassen. Daher fahren die Kärnten-Urlauber mit den Gästekarten gratis mit der S-Bahn, können Wanderbusse nutzen und mit „Kärnten rent e bike“ an 50 Verleihstationen sämtliche Radarten ausleihen und zurückgeben. Den nächsten Schub erwarten die Kärntner mit der Koralmbahn, die Ende 2025 fertig sein soll. Die Fahrt Graz–Klagenfurt dauert dann nur noch 45 Minuten. „Damit werden wir für die Region Graz zum Naherholungsgebiet“, sagt Wurster-Ellinger: „Darauf bereiten wir uns seit zehn Jahren vor.“ F

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BIOLOGISCHE GEHEIMWAFFEN

Bakterien, die klimafreundlichen Zement bilden, und Turbobäume, die Massen an CO2 schlucken: Wie uns die synthetische Biologie in der Klimakrise helfen kann

RECHERCHE:

ÄHNLICH REVOLUTIONÄR UND HERMETISCH WIE LEONARDO DA VINCIS (1452–1519) IDEEN, DIE ER BEIDHÄNDIG SKIZZIERTE UND SPIEGELVERKEHRT BESCHRIFTETE, KOMMT HEUTE DIE SYNTHETISCHE BIOLOGIE MIT VERBLÜFFEND EINLEUCHTENDEN KONZEPTEN, HINTER DENEN VIEL KNOW-HOW UND WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE STECKEN

ILLUSTRATION: JORGHI POLL

UUnsere bisherigen Bemühungen zur CO2Reduzierung reichen nicht aus, um den Klimawandel und den Verlust von Ökosystemen aufzuhalten. Elektroautos, Flugverzicht – all diese Maßnahmen behandeln nur Symptome, aber nicht die eigentliche Ursache: die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Wir benötigen ein radikales Umdenken des Systems. Eine Transformation einer erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaft im Sinne einer Bioökonomie.

Dabei spielt die moderne synthetische Biologie eine entscheidende Rolle. Seit der Erfindung von Gen-Scheren können Wissenschaftler im Labor Gene von Or-

ganismen gezielt verändern und neu zusammenbauen. Dank rasch sinkender Technologiekosten und wachsender Rechenkraft der künstlichen Intelligenz können wir nun DNA billiger und schneller denn je lesen, schreiben und manipulieren. Wir sind nun imstande, die Biologie so zu programmieren wie ein Softwareprogramm. Das ist von enormem Nutzen. Bisher haben wir das in der Medizin und bei der Bewältigung der Pandemie eingesetzt, jetzt richtet sich der Fokus auf den Klimaschutz.

Mithilfe synthetischer Biologie können wir plastikfressende Bakterien züchten, Lederschuhe aus Pilzen machen, Betonziegel aus Bakterien bauen und Turbobäume pflanzen, die bis zu zehnmal mehr CO2 aus der Atmosphäre saugen als gewöhnliche Bäume. All das mag sich nach Zu-

Tara Shirvani ist Chemikerin und Mitglied der internationalen Expertengruppe Climate Crisis Advisory Group

kunftsmusik aus einem Nischen-Labor anhören. In Wahrheit befinden wir uns mitten in einer neuen Industriellen Revolution, die einflussreicher als die Entdeckung des Computers sein könnte.

Ein aktuelles Beispiel, wie synthetische Biologie bahnbrechende Lösungen für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit findet, ist Bio-Zement. Anstatt die traditionelle und kostenintensive Herstellung zu verbessern, nutzen wir das, was die Natur uns bietet – Bakterien, die Zement herstellen können. Genauer gesagt: Kalziumkarbonat. Inspiriert von Muscheln, Korallen und Kalksteinhöhlen nutzen diese Bakte-

34 FALTER KLIMAMAGAZIN
FOTO: TARA SHIRVANI
TARA SHIRVANI

rien Kalziumkarbonat, um widerstandsfähige Strukturen zu bilden. Statt eines 2700 Grad heißen Zementofens benötigen wir nur einen Bioreaktor bei 27 Grad Raumtemperatur, der effizienter, umweltfreundlicher und kostengünstiger ist. Der so hergestellte Biozement stößt 95 Prozent weniger CO2 aus, ist dreimal stärker und um ein Fünftel leichter als herkömmlicher Zement. Trotz etwas höherer Kosten wird Biozement bereits weltweit eingesetzt. In Sachen Klimaschutz ist Biozement damit nicht nur eine theoretische Idee, sondern eine reale, vielversprechende Lösung.

Die Biotechnologie kann uns auch im Kampf gegen das globale Plastikproblem helfen. Unsere Welt erzeugt jedes Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Plastikabfälle. Was noch erschreckender ist: Weniger als neun Prozent werden tatsächlich recycelt. Der verbleibende Müll wird entweder verbrannt, auf Deponien abgeladen oder landet in der Natur. Doch in der Natur hat sich eine unglaubliche Lösung entwickelt: Mikroben, die in der Lage sind, Kunststoffe zu „fressen“ und in einzelne Moleküle zu zerlegen.

Allerdings dauert dieser natürliche Prozess Tausende von Jahren. Doch durch den Einsatz von synthetischer Biologie haben Wissenschaftler Bakterien optimiert, die Plastik in Rekordzeit zersetzen können. In nur einem Tag sind sie in der Lage, bis zu 90 Prozent einer Plastikflasche abzubauen – eine drastische Beschleunigung gegenüber dem natürlichen Zersetzungsprozess von 1000 Jahren.

Das französische Unternehmen Carbios setzt beispielsweise in Fabriken bereits in großen Mengen plastikfressende Bakterien ein. Dabei behandelt Carbios jährlich zwei Milliarden Flaschen mit diesen genetisch optimierten Mikroben. Anstelle eines mechanischen Prozesses, bei dem eine recycelte Flasche nach wenigen Wiederverwendungen zu Abfall wird, ermöglicht dieser Ansatz die theoretisch unbegrenzte Wiederverwendung einer Flasche. Das kann die Anzahl der Recyclingzyklen um das Fünfzigfache erhöhen. Zusätzlich ist dieses enzymatische Recycling weniger ener-

Tara Shirvani: Plastikfresser und Turbobäume.

Wie wir das Klima retten, den Müll aus dem Meer holen und den ganzen Rest auch noch glänzend hinbekommen.

Edition a, 208 S., € 25,–

gieintensiv und hat einen kleineren CO2Fußabdruck, was die CO2-Emissionen im Vergleich zur Herstellung von Neuplastik halbieren kann.

Die moderne synthetische Biologie kann uns auch dabei helfen, den Überschuss an CO2 in der Atmosphäre biologisch schneller abzubauen. Bäume fungieren auf natürliche Weise als Kohlenstoffreservoirs, da sie durch die Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und es in ihren Wurzeln, Ästen und Blättern speichern. Dennoch stoßen wir auf erhebliche Herausforderungen: Das Wachstum von Bäumen braucht Zeit, außerdem fehlt der Platz für eine ausreichende Anzahl an Bäumen. Um ein Fünftel der jährlichen CO2Emissionen zu kompensieren, müsste man eine Fläche, die neunmal so groß wie China ist, mit einer Milliarde Bäume bepflanzen. Die Lösung für das Problem könnte in Turbobäumen liegen, die durch eine erhöhte Photosynthese-Leistung den Kohlenstoff besser binden können. Wissenschaftler haben Gene aus Kürbissen und Algen in Hybridpappeln eingebaut, wodurch diese Bäume nach ihrer Ausbringung aus dem Labor schneller wachsen. Turbobäume können um bis zu 50 Prozent größer werden und nehmen 30 Prozent mehr Kohlenstoff auf als gewöhnliche Bäume. In den USA ist ihre Nutzung bereits weit verbreitet, bis 2024 wollen die Vereinigten Staaten fünf Millionen dieser Hybridpappeln pflanzen. Forstwirte unterstützen die Initiative, da die schnelle Wachstumsrate der Turbobäume einen früheren Erntezeitpunkt und raschere Rentabilität ermöglicht.

Darüber hinaus können diese Turbobäume auf Gebieten angepflanzt werden, die für herkömmliche Bäume ungeeignet sind –etwa auf kontaminierten Flächen. Indem sie schädliche Metalle und Abfälle in ihren Wurzeln binden und den Bodenverlust verlangsamen, verbessern sie das lokale Ökosystem. Da Turbobäume steril sind und keine Pollen oder Samen verbreiten, besteht zudem keine Gefahr einer ungewoll-

Universitäre Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit und Energie

Wissen für eine bessere Zukunft.

Wagen Sie den Schritt vom Denken zum Handeln!

ten Kreuzung mit wilden Bäumen. Das minimiert mögliche negative Auswirkungen. Warum haben wir in Europa die synthetische Biologie, die bahnbrechende Lösungen für den Klimawandel verspricht, nun noch nicht im großen Maßstab umgesetzt? Die USA und China zeigen uns, was möglich ist, wenn man beherzt in die Biotechnologie investiert. Unter der Führung von US-Präsident Joe Biden hat die US-Regierung mit dem Bioökonomie-Gesetz erhebliche Investitionen in diesen Bereich getätigt und sich dabei ehrgeizige Ziele gesetzt: Innerhalb von zwei Jahrzehnten sollen 90 Prozent aller Kunststoffe auf biobasierte Alternativen umgestellt und 30 Prozent aller Chemikalien durch biotechnologische Verfahren ersetzt werden. Bis 2030 will die USA rund 280 Milliarden US-Dollar in den Bereich investieren.

China geht sogar noch weiter und plant vierbis fünfmal so hohe Investitionen in den kommenden Jahren. In Europa halten wir trotz dieser beeindruckenden globalen Entwicklungen immer noch an dem Irrglauben fest, dass Biotechnologie und Gentechnik im Widerspruch zur Nachhaltigkeit stünden. Ideologisch noch stark geprägt von der GMO-Debatte der 1990er-Jahre sagen die Europäer immer noch pauschal „Nein“ zu allen neuen Technologien der modernen Biotechnologie.

In Wahrheit sind sie jedoch unerlässliche Werkzeuge auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft. Die entscheidende Frage, die wir uns in Europa stellen müssen, ist nicht, ob wir uns Biotechnologie und Gentechnik leisten können, sondern ob wir es uns leisten können, sie nicht zu nutzen. Es ist höchste Zeit, dass wir aufwachen und die Bedeutung der synthetischen Biologie für eine nachhaltige Zukunft erkennen. Es ist nicht nur unsere Verantwortung, sondern unsere Pflicht gegenüber den kommenden Generationen. F

Programme

MSc Environmental Technology & International Affairs

MEng Nachhaltiges Bauen

MSc Renewable Energy Systems

MBA Mobility Transformation

MBA Sustainable Business & the Circular Economy

Mehr Informationen unter: tuwien.at/en/ace/sustainability-energy

KLIMAMAGAZIN FALTER 35

DER MEDIENBERICHTE ÜBER DIE KLIMAKRISE

FOKUS

IN DEN SCHLAGZEILEN

Die zehn größten Zeitungen des Landes und die österreichische Nachrichtenagentur APA veröffentlichten im Jahr 2013 insgesamt 2556 Berichte, in denen das Wort Klimawandel (oder auch „Klimakrise“, „Klimakatastrophe“) vorkam. Im Vorjahr waren es bereits 14.674 Berichte.

DATEN

KLIMADASHBOARD

Wie viele Tonnen Treibhausgase hat Österreich seit Ihrer Geburt ausgestoßen? Wie stark weicht die Temperatur heuer von den Jahren seit 1960 ab? Und welche Bundesländer haben den höchsten Erdgasverbrauch? Die drei Fridays-for-Future-Aktivisten Adrian Hiss, David Jablonski und Johannes Stangl haben im Vorjahr das Klimadashboard gegründet, an dem mittlerweile ein Team aus Wissenschaftlern, Designern und Programmierern ehrenamtlich mitarbeitet. Auf ihrer Plattform haben sie eine Fülle von Daten und Fakten zur Klimakrise in Österreich zusammengetragen und sie mithilfe von interaktiven Grafiken leicht verständlich und elegant aufbereitet. Sie finden das Projekt im Internet unter der Adresse klimadashboard.at.

STRATEGIEN

KLIMAFAKTEN

Wie gewinnt man andere Menschen für den Klimaschutz? Welche Botschaften sind besonders erfolgversprechend? Und wie soll man mit Leuten umgehen, die die Klimawissenschaft anzweifeln? Die deutsche Plattform klimafakten.de bereitet regelmäßig neue Erkenntnisse aus der Klimaforschung auf und erklärt zugleich, wie man am besten übers Klima sprechen soll. Im Vorjahr hat die Plattform auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen ein 417-seitiges Handbuch für Klimakommunikation herausgebracht, mit dem man sich für jede erdenkliche Klimadiskussion rüsten kann. Das Nachschlagewerk heißt „Über Klima sprechen“, auf der Seite klimakommunikation.klimafakten.de können Sie es kostenlos herunterladen.

KLIMAHELDIN: DIE POLITIK-GESTALTERIN RENATE CHRIST

der Österreicher halten den Klimawandel laut einer Eurobarometer-Umfrage für kein ernstes Problem. Im EU-Schnitt haben nur sieben Prozent dieselbe Einstellung. 27 Prozent der Österreicher haben in letzter Zeit nichts getan, um die Klimakrise zu bekämpfen. EU-weit waren es 35 Prozent.

MEDIEN

NETZWERK KLIMAJOURNALISMUS

Wie berichtet man richtig über die Klimakrise? Mit dieser Frage befasst sich das Netzwerk Klimajournalismus, das die freie Journalistin Clara Porák, die Klimabildungsexpertin Veronika Winter und Falter-Redakteurin Katharina Kropshofer im Jahr 2020 gründeten und das regelmäßig Klimajournalistinnen und -journalisten zusammenbringt. Im Vorjahr erstellte das Netzwerk eine Klimacharta zum Selbstverständnis der Branche, heuer veröffentlichte es einen Klimakodex, der den Redaktionen als Leitlinie für eine angemessene, klare und konstruktive Klimaberichterstattung dienen soll. 24 Medien haben ihn bereits übernommen, darunter die Nachrichtenagentur APA, die Gratiszeitung Heute und das Monatsmagazin Datum

Sie ist Biologin, nahm für Österreich an den Verhandlungen für die Klimarahmenkonvention teil und verhandelte als Mitarbeiterin der EU-Kommission das erste große internationale Klimaschutz-Abkommen mit – das Kyoto-Protokoll. Christ arbeitete mehrere Jahre für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen in Nairobi, entwickelte eine Reihe von Länderstudien zum Klimawandel und schrieb an mehreren Berichten des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) mit. Von 2004 bis 2015 leitete sie das Sekretariat des IPCC, der 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

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12%
QUELLE: EIGENERHEBUNG/APA-ONLINEMANAGER ANZAHL
2013 14.000 5.000 10.000 2017 2014 2018 2015 2019 2021 2016 2020 2022
KLIMAMAGAZIN FALTER 37 FOTO:
ILLUSTRATION: JORGHI
CHRISTOPHER MAVRIC;
POLL

Der Spiegel warnte 1986 vor dem Klimawandel und illustrierte das mit dem Untergang des Kölner Doms

ANALYSE: KATHARINA KROPSHOFER

DDas Weltklima gerät aus den Fugen. Globale Hitzerekorde, Probleme mit dem Ozonloch, Meeresplankton, das mit den Veränderungen zu kämpfen hat. Die Message: Es ist zu spät; der von Wassermassen umgebene Kölner Dom soll als Bild dafür stehen. Der deutsche Spiegel verpackte das Thema so schon 1986 auf seinem Cover.

Und läutete damit eine Art Geburtsstunde des Klimajournalismus ein: Noch lange bevor Al Gore mit seiner Dokumentation

„Eine unbequeme Wahrheit“ die Menschen aufrüttelte, war das Thema plötzlich in den Redaktionen angekommen. Und das gleich mit einem Schönheitsfehler: Denn dass der Kölner Dom, wie am Cover aus 1986, im Wasser zu versinken droht, ist rein physikalisch unmöglich. Selbst wenn alles Eis der Welt abschmelzen würde, könnten die Wassermassen den 157 Meter hohen Dom in einer 53 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Stadt nicht erreichen. Ein bisschen Sensation, um ein vermeintlich trockenes Thema aufzupeppen – und ein Dilemma der Klimakommunikation. Bis heute.

Dass wir auch noch 2023 über dieses Cover diskutieren, hat seinen Grund: Wir haben noch keine zufriedenstellende Antwort, wie die perfekte Klimakommunikation aussehen soll. Journalistinnen und Journalisten tun sich weiterhin schwer zu entscheiden, ob sie die Menschen schon am Frühstückstisch mit den katastrophalen Fakten zur Klimakrise konfrontieren sollen. Wer es nicht tut, läuft Gefahr, der Krise nicht gerecht zu werden. Und wer nur kommuniziert, wie Leute ihren Alltag klimafreundlicher gestalten können, verfehlt womöglich die Größe des Themas.

Seit diesen frühen Stunden der Klimaberichterstattung ist viel passiert, auch in Österreich: Zahlreiche Zeitungen – vom Boulevardblatt Heute bis hin zum Natur-Ressort des Falter – haben Klimaressorts gegründet; jeden Samstag um 20 Uhr kann man das „ZIB Magazin Klima“ ansehen, auch die „FM4 Klimanews“ gibt es wöchentlich; Profil, Standard, Kleine Zeitung haben Podcasts und Newsletter zum Thema gestartet. Und auch auf systemischer Ebene entsteht so einiges: An der FH Joanneum in Graz startet im Herbst ein Masterstudium für Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus; die APA hat eine eigene

ILLUSTRATION: JORGHI POILL

REPORTAGEN

AUS DER HEISSEN WELT

Klimaressorts und neue Formate sprießen aus dem Boden. Doch wie kommuniziert man eine Krise, die zu groß ist für tägliche Berichterstattung?

Klimakoordinatorin, die das Thema ressortübergreifend verankert; Nachrichtenagenturen wie AFP haben Klimateams in jedem Land stationiert, in dem sie aktiv sind. Und in vier europäischen Ländern gibt es mittlerweile Netzwerke, um Klimajournalisten zu vernetzen und über Grundsätze guter Klimaberichterstattung zu diskutieren.

Das österreichische Pendant stellte Ende Mai einen fünf Punkte umfassenden, von Wissenschaftlern begleiteten Klima-Kodex für angemessene Klimaberichterstattung vor: Die Klimakrise sei gemeinsam mit dem Artensterben die dringlichste Krise in diesem Jahrhundert und habe deswegen auch journalistisch höchste Priorität. Jedes Medium, das den Kodex unterschreibt, erkennt die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel an und stellt entsprechende Strukturen – also Ressorts, Formate, Journalisten mit Kompetenz in dem Thema – bereit. Um nämlich nicht nur faktenbasiert zu berichten, sondern auch Lösungen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die Krise angemessen zu bebildern. Und all das in Abgrenzung zu dem, was dem Klimajournalismus oft vorgeworfen wird: er sei eine Form von Aktivismus.

Der Kodex ist eine Art Mindestmaß, um die Dringlichkeit der Klimakrise darzustellen. Auch weil es noch nicht selbstverständlich ist, dass Berichte zu Wetterextremen wie Überschwemmungen oder Dürreepisoden den Konnex zur Klimakrise herstellen, sollte es diesen geben. Und als die Weltwetterorganisation Ende Mai bekannt gab, dass wir das 1,5-Grad-Limit, auf das sich Vertragsstaaten 2015 bei der Weltklimakonferenz in Paris geeignet hatten, wahrscheinlich schon innerhalb der nächsten fünf Jahren erreichen, landete diese Nachricht auf kaum einer Titelseite internationaler Medien. Die einzige Breaking-News-Nachricht, die die New York Times an diesem Tag verschickte, vermeldete, dass Prinz Harry und seine Frau Meghan Markle von Paparazzi verfolgt wurden.

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Wolfgang Blau nennt angemessene Klimaberichterstattung auch deswegen die größte Herausforderung des Journalismus. Der ehemalige Chefredakteur der Zeit Online unterbrach seine Arbeit als Medienmanager, um sich über die Klimakrise zu informieren. Dabei wurde er auch mit seiner eigenen „Ignoranz“ konfrontiert: Wie konnte es sein, dass die wissenschaftlichen Fakten schon jahrelang auf dem Tisch lagen, es bereits zahlreiche Initiativen im Klimajournalismus gab, er es aber trotzdem als Problem der Zukunft betrachtete? Blau begann selbst zu forschen, gründete das Oxford Climate Journalism Network als Teil des Reuters Institut der Universität Oxford. Jedes Jahr wird dort eine internationale Kohorte an Klimajournalisten ausgebildet.

Als Blau in seiner Forschung zum Thema CEOs von Medienunternehmen befragte, fiel ihm auf, dass niemand das Wissen der eigenen Leserschaft zur Klimakrise erfasst hatte. „Wie oft erwähnen Journalisten das ‚Übereinkommen von Paris‘ oder das ‚1,5-Grad-Ziel‘? Und wie viel Prozent der Nachrichtenkonsumenten wissen auch wirklich, was diese Wörter bedeuten?“

Einerseits gibt es also Leser und Leserinnen, denen die Dringlichkeit der Krise noch nicht bewusst ist. Das zeigt zum Beispiel auch eine Lücke an Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit, die der Psychologe Thomas Brudermann erst kürzlich in der Zeit benannte: Viele Menschen sagen, dass sie „eh das Plastiksackerl weglassen“ – für das Weltklima bringt diese Maßnahme reichlich wenig. Am anderen Ende des Spektrums stehen jene Medienkonsumenten, die Nachrichten zur Erderhitzung und ihren Folgen gar nicht mehr lesen wollen.

Wie also schafft man es, der Klimakrise genug Platz zu geben, ihre Dringlichkeit zu betonen und gleichzeitig die Leute nicht zu überfordern? Fünf Ansätze ziehen sich durch:

1. Die Klimakrise als Dimension sehen Es sind weniger die einzelnen Berichte, die einen Unterschied machen. Man müsse die Klimakrise als eine Dimension sehen, die überall mitgedacht wird, ressortübergreifend. Um diese Regelmäßigkeit noch zu verfestigen, braucht es Gefäße, also fixe Sendeplätze, Ressorts, Formate. Sie bieten einen sicheren Platz für das Thema und strahlen auf den Rest der Redaktion aus.

2. Klima-Basisbildung

All das würde auch bedeuten, dass alle Redaktionsmitglieder ein Basiswissen zur Klimakrise haben. Das kann in der Ausbildung passieren oder bei Fortbildungen zu Klimathemen im eigenen Unternehmen. So entsteht kreative Berichterstattung: Auch im Sport- oder Modejournalismus gibt es genug Zugänge, um über die Klimakrise zu berichten.

3. Angemessene Sprache und Bebilderung

Kinder, die im Wasser spielen, als Bebilderung für einen Bericht über eine Hitzewelle? Das sehen viele Experten eher kritisch. Sinken die Temperaturen auch in der Nacht nicht, wird das gefährlich für vulnerable Gruppen wie etwa ältere Menschen. Auch über die angemessene Sprache wird diskutiert: Soll man von Klimawandel sprechen, obwohl viele Menschen mit „Wandel“ etwas Positives assoziieren? Ist „Krise“ noch dringend genug oder stecken wir bereits mitten in der Klimakatastrophe? Eine Liste an Regeln gibt es nicht, jedoch genug Anhaltspunkte, um in jedem Fall gesondert zu entscheiden.

4. Medienlogik überdenken

Die Klimakrise ist abstrakt und hat nicht immer einen Aufhänger. Aber es gibt auch Klimajournalismus jenseits von Wetterextremen: Reporter können Forschungsergebnisse präsentieren, aber auch über Lobbys,

The Oxford Climate Journalism Network (OCJN) arbeitet weltweit mit Journalisten zusammen, um die Qualität, das Verständnis und die Wirkung der Klimaberichterstattung auf der ganzen Welt zu verbessern. Ab September können sich Journalisten auch aus Österreich dafür bewerben.

die aktiv versuchen, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verhindern. Sie können soziale Aspekte herausgreifen, etwa wie sich Luftverschmutzung in verschiedenen Teilen der Welt und auch Österreichs unterschiedlich stark bemerkbar macht. Das Schöne daran: Klimathemen liegen sprichwörtlich auf der Straße. Man muss nicht darauf warten, dass Politiker das Thema von sich aus auf die Agenda bringen. Bei wissenschaftlichen Berichten über die Klimakrise ist es außerdem nicht immer zielführend, Menschen mit einer „Gegenmeinung“ einzuladen. Entspricht dieser eine Marginalmeinung in der Wissenschaft, könnte das eine falsche Balance wiedergeben.

5. Know your audience 70 Prozent der Menschen gaben in einer repräsentativen Umfrage des Österreichischen Gallup-Instituts und des Medienhauses Wien an, dass ihr Interesse am Klimawandel in den Medien sehr oder eher groß sei. Nur 38 Prozent fühlten sich hingegen sehr gut über das Thema informiert. 85 Prozent der APA-Berichte zur Klimakrise werden von anderen Medien übernommen – mehr als in jedem anderen Bereich. Psychologen unterteilen die Bevölkerung übrigens in vier Gruppen: Überzeugte, Vorsichtige, Unbekümmerte und Ablehnende. Während die letzte Gruppe – also jene, die nicht an menschengemachten Klimawandel glauben – schrumpft, stellen die Vorsichtigen die größte Gruppe dar: Sie sprechen nur selten über die Krise. Wer sie erreichen will, kann das mit Geschichten über die Verantwortlichen tun: Regierungen und Industrie.

Die Gruppe der Überzeugten freut sich stattdessen über Lösungen, die natürlich der Komplexität des jeweiligen Problems gerecht werde. Der Spiegel druckte 2022 übrigens nochmal ein Update ihrer Klimageschichte aus dem Jahr 1986. Das gleiche Motiv des überfluteten Doms, aber mit einer anderen, konstruktiven Titelzeile: „Rette sich wer kann“. F

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Katharina Kropshofer ist Mitgründerin des Netzwerks Klimajournalismus Österreich

„Durch Katastrophismus und Untergangsrhetorik wird unser politisches Denken in falsche Richtungen gelenkt.“

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann hätte sich als Student auch an die Straße geklebt. Heute rät er Jugendlichen, ein technisches Fach zu studieren, statt in Katastrophismus zu verfallen. Ein Gespräch über die Irrtümer der Letzten Generation

GESPRÄCH:

FLORIAN KLENK

WWie verbessert man die Welt ohne sektiererisch zu werden und ohne in Alarmismus zu verfallen? In einem Wiener Kaffee diskutierte der Falter mit einem scharfen Kritiker der Letzten Generation, dem Wiener Philosophen Konrad Paul Liessmann. Er sieht die Aktionen und Untergangsszenarien der Klimaaktivisten kritisch, warnt vor Katastrophismus, Zurechtweisungsdiskursen und moralischer Selbsterhöhung.

Falter: Herr Professor Liessmann, wenn Sie bei einem Spaziergang durch die Stadt Aktivisten sehen, die sich auf der Straße festkleben, um uns aufzurütteln und uns dazu zu bringen, nicht mit Verbrennungsmotoren zu fahren oder zu viel Fleisch zu essen, was geht da in Ihrem Kopf vor?

Konrad Paul Liessmann: Auf dem Weg hierher habe ich zunächst einmal keine Aktivisten gesehen, die sich festgeklebt hätten, sondern unzählige Menschen, die freudig shoppen, ins Kaffeehaus gehen und flanieren. Ich habe also nicht den Eindruck, dass bei uns jene große Weltuntergangspanik ausbricht, die die Letzte Generation beschwört. Ich sehe also einen gewissen Widerspruch zwischen dem imaginierten Bedrohungsszenario und dem realen Leben der Leute.

Offenbar haben die Leute keine Angst vor der Zukunft.

Liessmann: Die Sache ist eben komplexer: Die Klimaveränderung, die jetzt so bedrohlich geworden ist, ist ja nicht dadurch entstanden, dass irgendjemand beschlossen hätte, dass wir im großen Stil die Welt zerstören. Sondern es waren lauter kleine Schritte. Wir sind vom Fahrrad auf das Moped, vom Moped auf das Auto umgestiegen. Wir haben begonnen, energieintensive, aber sehr bequeme und das Leben erleichternde Geräte wie Kühlschränke

Konrad Paul Liessmann, 70, ist einer der bekanntesten österreichischen Philosophen. Er unterrichtete an der Universität Wien, ist Publizist und scharfer Kritiker der Umweltverschmutzung, insbesondere durch den Autoverkehr. Er kritisiert zugleich die sektiererischen Auswüchse der Klimabewegung. Zuletzt erschien bei Zsolnay sein Essay „Lauter Lügen“

oder Waschmaschinen zu benutzen. Wir haben dann vielleicht mal einen Flug riskiert, um die Welt zu sehen. Die Flüge sind billiger geworden, also haben immer mehr Menschen diese Chance, Weltoffenheit zu demonstrieren, genützt. Es war eine Alltagspolitik der kleinen Schritte, die in Summe zu dieser Belastung des Planeten geführt hat. Und daher muss man wiederum viele Schritte setzen, um da wieder rauszukommen. Aber ich glaube nicht, dass man dafür tatsächlich ein Katastrophenszenario braucht, dessen religiöser Ursprung unübersehbar ist.

Die Aktivisten würden einwenden, man müsse die Leute wecken, wenn sie zufrieden über die Straße gehen, daher diese dramatischen Aktionen. Liessmann: Das Problem bei dramatischen Appellen liegt allerdings darin, dass sie unglaublich schnell an Kraft verlieren, wenn sie sich nicht bewahrheiten. Greta Thunberg hat unter Berufung auf amerikanische Klimaforscher im Jahr 2018 erklärt, wir hätten noch genau fünf Jahre Zeit, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Thunberg hat diesen Tweet nun wieder stillschweigend gelöscht. Die Warnungen müssen auch mit den Erfahrungen der Menschen korrelieren. Zudem weiß ich nicht, ob wir wirklich so gebaut sind, dass wir Veränderungen nur dann in die Wege leiten, wenn wir mit Bildern konfrontiert werden, deren Plausibilität erstens nicht nachvollziehbar ist und deren Drohpotenzial und damit verbundene politische Implikationen zu vordergründig sind.

Klimaaktivisten wenden ein, man sehe das Artensterben nicht sofort, man sehe die vielen Kipppunkte, die möglicherweise bald erreicht sind, nicht sofort. Viele Dinge nehmen wir im Westen kaum wahr: Fluchtbewegungen, Hitzetote, Abwanderung.

Liessmann: Das kann und soll man ja alles benennen. Es gibt entsprechende Prognosen, es gibt Modelle. Das Problem ist allerdings: Wir reden immer von der Zukunft. Aber wir können über die Zukunft

nur in Wahrscheinlichkeiten sprechen, wir können nur Hochrechnungen anstellen. Und unsere Zukunftsprognosen wirken wieder zurück auf unser Handeln. Es gibt keine wissenschaftlichen Fakten über die Zukunft des Klimas, es gibt nur Modelle, es gibt nur Berechnungen, es gibt Hypothesen. Es gibt ein Abwägen unterschiedlicher Szenarien unter unterschiedlichen Bedingungen. Abgesehen davon muss man natürlich auch Nebeneffekte einrechnen: Natürlich könnten wir sofort unseren Energieverbrauch drastisch reduzieren. Der Preis dafür wäre eine neue globale Armut. Wollen wir das? Können wir das wollen? Was würde das tatsächlich bedeuten? Das heißt, die soziale Frage ist ja hier nicht zu entkoppeln von der reinen klimatechnischen Frage.

Die Erzählung von Katastrophenszenarien gibt es, solange es die Menschheit gib. Wann hat man damit begonnen?

Liessmann: Die erste mir bekannte Weltuntergangserzählung ist die Geschichte von der Sintflut. Interessanterweise eine Flutkatastrophe, die noch gar nichts mit menschengemachten Klimaveränderungen zu tun hatte, sondern die gottgewollt war. Der Plot: Die Menschen leben so, wie sie nicht leben sollen, deshalb werden sie untergehen müssen. Weltuntergangsszenarien haben immer drei Elemente. Erstens: Der Zustand, in dem wir leben, ist ein Zustand der vollkommenen Sündhaftigkeit, also Klima-Sündhaftigkeit im modernen Fall. Zweitens: Wir haben es aufgrund der Sündhaftigkeit gar nicht mehr verdient, zu existieren. Daher, drittens, braucht es die große Umkehr, die große Einsicht, den großen Wandel, die große Veränderung. Diese Struktur zieht sich durch die meisten unserer apokalyptischen Szenarien. Ganz deutlich wird es bei der „Apokalypse“, der „Offenbarung“ des Johannes.

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Da kommen die vier apokalyptischen Reiter. Liessmann: Ja, es sind die Boten des nahenden Untergangs: Krankheit, Seuchen, Krieg, Hunger und Tod – ein Unheil, das über die Menschen hereinbricht und nach einem dramatischen Endkampf Gottes gegen die verdorbenen Herren der Erde, der Schlacht von Armageddon, alle verschlingen wird, mit Ausnahme der Gerechten. Und auch hier ist der Weltuntergang immer nur das dramatische, katastrophale Vorspiel zu einer besseren Welt. Die Botschaft ist also klar: Die Welt muss untergehen, damit etwas Besseres entsteht. Es gibt natürlich auch säkularisierte Formen davon, z.B. die modernen Revolutionstheorien, die argumentiert haben, dass die alte Welt verschwinden, ja vernichtet werden müsse. Wer sich dem Neuen entgegenstellt, muss unterdrückt, im Ernstfall liquidiert werden. Für eine bessere Welt müssen Opfer gebracht werden. Allerdings: Alle Weltuntergangsszenarien, die eine bessere Welt versprachen, haben eine schlechtere hervorgebracht. Das sollte einen schon einmal vorsichtig stimmen gegenüber apokalyptischer Rhetorik.

Wie also kommt man von diesen religiösen und totalitären Denkmustern weg?

Liessmann: Indem man zunächst anerkennt, dass sie im Grunde doch sehr schlicht gestrickt sind. Auf der einen Seite steht die große Zahl der Sünder, auf der anderen Seite die kleine Zahl der Gerechten und der Wissenden, derjenigen, die tatsächlich die Zukunft offenbaren können. Das ist letztlich auch die Selbstwahrnehmung der Letzten Generation. Sie sind die Einzigen, die wissen, wie die Zukunft tatsächlich wird. Alle anderen irren sich, alle anderen sind verblendet, alle anderen sind kurzsichtig, alle anderen sind zynisch. Und das schafft natürlich genau diese Dichotomie der wenigen Erwählten und Wissenden unter vielen tumben Toren. Das ist politisch auch deshalb brisant, weil die Wissenden sich immer auch bestimmte Vorrechte gegenüber den Verstockten herausgenommen haben. Die Reise der Klimaaktivisten nach Bali ist ja dazu nur eine ironische Fußnote. Die tumben Toren müssen jedenfalls geleitet und geführt werden, sie müssen, wenn sie uneinsichtig sind, drangsaliert werden, die Regierungen sollen von der Straße aus unter Druck gesetzt werden. Und das ist für demokratische und säkulare Gesellschaften, für Gesellschaften, die auch ihre politischen Geschäfte auf ein Minimum an Rationalität gründen wollen, nicht zumutbar.

Jetzt würden die „Scientists for Future“ Einspruch erheben und einwenden: Wir wollen keine Bevormundung, keine totalitäre Gesellschaft, sondern einfach nur, dass sich die Staaten an ihre eigenen Klimakonventionen halten.

Liessmann: Unter dem Gesichtspunkt der politischen Kommunikation können solche Formen des Protests, die sehr medienwirksam sind, kurzfristig Aufmerksamkeit geFortsetzung nächste Seite

KLIMAMAGAZIN FALTER 41 ILLUSTRATION: PM HOFFMANN

nerieren. Wenn wir aber über „zivilen Widerstand“ reden, dann sollten wir schon schauen, gegen wen sich der richtet: gegen politische Systeme, die Unrechtscharakter haben? Oder gegen demokratische Strukturen, wie wir sie in unseren rechtsstaatlichen Verfassungen festgeschrieben haben? Gegen Letztere zu rebellieren ist an sich problematisch. Würden etwa radikale Bewegungen, die politisch anders ticken, ähnliche Formen des Protests wählen, wäre das Entsetzen – mit Recht – wahrscheinlich groß.

Die Aktivisten erwidern, die Staaten halten ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht ein, sie missachten die Ziele, die in verschiedenen Konventionen festgelegt wurden. Daher sei Widerstand legitim. Liessmann: Nur weil ein Staat ein Ziel nicht erreicht, wird er ja nicht zum Unrechtsstaat. Unsere Rechtsordnungen erlauben es uns übrigens, genau darüber Klage zu erheben. Und ob die Substitution politischen Handelns durch das Recht immer die Lösung sein kann, scheint mir demokratiepolitisch zumindest doch ziemlich fragwürdig. Aber wie auch immer: Ich sehe hier einfach nicht die Notwendigkeit einer apokalyptischen Überzeichnung und der Verkündigung eines Notstands – außer wenn man mit Rückgriff auf das Argument des Weltuntergangs tatsächlich die politische Willensbildung umgehen und Grundrechte außer Kraft setzen will.

Die Aktivisten kontern: Weil wir so laut und radikal sind, rücken wir den Diskurs insgesamt in die Mitte. Greta Thunberg, die noch vor einigen Jahren als radikal galt, ist heute Mainstream.

Liessmann: Das scheint mir ein völlig schräges Argument zu sein, das jede Form des Extremismus legitimieren würde. Abgesehen davon ist es faktisch falsch. Denn Thunberg wurde nie als radikal interpretiert. Im Gegenteil: Sie wurde gehört wie kaum eine andere Jugendliche. Sie sprach vor der UN-Generalversammlung, sie konnte mit den Spitzen der Politik in einen Dialog treten, sie durfte beim Weltwirtschaftsforum auftreten, sie wurde von den Medien hofiert.

Und obwohl die Fridays-for-FutureBewegung so akzeptiert war, erzeugt sie nach Meinung vieler Aktivisten nicht genügend politischen Impact.

Liessmann: Die Fridays for Future waren vielleicht nicht so erfolgreich, wie sich das manche gewünscht hätten. Nur sollte man sich die Frage stellen, ob radikalere Bewegungen überhaupt einen Impact haben. Robert Habeck, meines Wissens ein Grüner, hat sich jüngst von der Letzten Generation deutlich distanziert. Und solidarisieren sich wenigstens Jugendliche wirklich mit der radikalen Klimabewegung? Eine Umfrage, die Ö3 kürzlich durchgeführt hat, zeigt, dass zwei Drittel der Jugendlichen ganz konventionelle Lebensvorstellungen haben, in denen der Kampf gegen den Klimawandel keine Rolle spielt. Der Großteil möchte nach wie vor

ein Auto mit Verbrennungsmotor. Die Klimaproteste haben bei der eigenen Generation kein entsprechendes grünes Bewusstsein geschaffen.

Die Jugendlichen tendieren doch mehrheitlich zu Grün.

Liessmann: Das stimmt leider nicht ganz. Unter männlichen Jungwählern liegt die FPÖ deutlich vor den Grünen. In Deutschland war es interessanterweise die FDP, die bei den Jugendlichen punkten konnte. Die Affinität, die man so immer unterstellt zwischen grün und jugendlich, die trägt nicht mehr, wie wir auch bei den letzten Landtagswahlen gesehen haben. Da sind die Grünen mehr oder weniger sang- und klanglos untergegangen – auch bei den Jungwählern. Man soll sich da nicht die Dinge schönreden. Es ist wichtig, gerade bei der Klimafrage zu erkennen, dass das ein politischer, sozialer, ökonomischer, technischer Kraftakt ist, den wir nur dann vorantreiben können, wenn möglichst viele auf allen Ebenen mitmachen. Das ist nichts, was von einer Minderheit diktiert werden könnte.

Die Minderheit sagt, sie will nicht diktieren, sondern aufklären.

Liessmann: Es weiß doch mittlerweile jeder, dass wir Klimaprobleme haben. Wir haben die Weltklimakonferenzen, der UN-Generalsekretär hält flammende apokalyptische Reden. Es ist ja nicht so, dass da noch irgendjemand auf ein Problem aufmerksam gemacht oder aufgeklärt werden müsste.

Die Klimabewegung muss sehr aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, das Hauptproblem der Menschheit seien die Menschen und es wäre alles viel besser auf der Erde, wenn es die Menschen nicht gäbe

Und dennoch schaffen wir nicht mal Tempo 100 auf der Autobahn.

Liessmann: Und wir werden es auch nicht schaffen, wenn wir uns weiter ankleben. Politik ist komplizierter. Die Klimabewegung muss sehr aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, das Hauptproblem der Menschheit seien die Menschen und es wäre alles viel besser auf dieser Erde, wenn es die Menschen nicht gäbe. Und deswegen sei es legitim, Politik gegen Menschen zu machen. Ich war immer dafür, dass der Individualverkehr in Städten radikal reduziert wird. Ich unterstütze jedes Verkehrskonzept, das den Rückbau von Stadtautobahnen, die Minimierung des Individualverkehrs in Ballungsräumen zum Programm macht. Es gibt Städte, in denen all das viel besser funktioniert als zum Beispiel in Wien. Man muss den Menschen klar machen, welche Vorteile sie davon hätten, in einer verkehrsberuhigten Stadt zu leben. Aber der Katastrophismus ist die falsche Strategie.

Wie würden Sie heute, wenn Sie noch einmal 20 wären, demonstrieren? Was würden Sie heute machen?

Liessmann: Ich würde mich wahrscheinlich auch wo ankleben – wahrscheinlich gar nicht so sehr aus Besorgnis um das Klima, sondern aus Lust am Protest. Aber es ist einer der wenigen Vorteile des Alters, dass man Erfahrungen gemacht hat und sein Verhalten danach ausrichten kann.

Aber es ist doch interessant, dass sich langsam auch die Alten zu solidarisieren beginnen. Wissenschaftler, Kabarettisten, Schauspieler, ...

Liessmann: Ich gestehe, das ist mir ein bisschen zu anbiedernd. Wir erleben hier ja auch den Diskurs unter Privilegierten. Erfolgreiche Kabarettisten solidarisieren sich mit erfolgreichen Gymnasiastinnen. Ich fürchte, dass dadurch nicht einmal das Meinungsklima verbessert wird. Im Gegenteil. Wenn man die Menschen nervt, um sie auf ein Problem hinzuweisen, das ohnehin schon jeder sieht und erkennt, gewinnt man politisch nichts.

Eine linke Krankheit?

Liessmann: Ja. Und deshalb finde ich diesen apokalyptischen Gestus bei der Bewegung so verhängnisvoll. Noch dazu, wo es ja nicht um ein reales Szenario einer plötzlichen Weltvernichtung geht, wie etwa bei der atomaren Bedrohung, sondern um das Hineinschlittern in ökologische, politische, soziale Konflikte und Katastrophen, deren negativste Auswirkungen wir, wenn wir halbwegs bei Sinnen sind, verhindern müssen. Aber es wird kein Weltuntergang sein. Durch die Untergangsrhetorik wird unser politisches Denken in falsche Richtungen gelenkt. Ich glaube zudem, dass wir nicht jede sinnvolle Reform immer gleich mit dem großen Klima-Bedrohungsszenario begründen sollten. Es ist nicht alles Klima. Es ist auch gefährlich, das Klima als Universalargument zu benutzen, als Joker, der immer stechen soll. Man kann auch anders argumentieren: Tempo 100 macht einfach ein entspannteres und sichereres Fahren möglich. Man kann auch, ohne das Klima ins Treffen zu führen, gegen Bodenversiegelung sein, gegen den Raubbau an fruchtbarem Land. Wir können auch ohne Klimaangst dagegen sein, dass an Stadträndern riesige Shoppingcenter errichtet und die Leute gezwungen werden, ständig mit dem Auto hin- und herzufahren.

Herr Liessmann, Sie sagten, Sie hätten sich als Jugendlicher angeklebt, aber Ihre Erfahrungen mit Katastrophismus und radikalen Bewegungen würden Sie heute anders handeln lassen. Wie würden Sie sich heute engagieren, um gehört zu werden?

Liessmann: Zunächst muss man erkennen, dass es schon längst nicht mehr darum geht, „gehört“ zu werden. Es vergeht doch kein Tag, an dem nicht Meldungen von der Klimafront die Medien dominieren. Ich würde mich daher, wäre ich jung, vielleicht gar nicht mehr politisch engagieren, sondern ein Studium wählen, das es mir erlaubt, darüber nachzudenken, welche faktischen Möglichkeiten wir haben, um mit diesen Problemen fertig zu werden. Also eher Technik statt politische Wissenschaften. Ich hätte keinen missionarischen Eifer mehr, aber auch kein großes Vertrauen in politische Parteien, schon gar nicht, wenn diese an Ideologien anschließen, die sich als verhängnisvoll erwiesen haben. Im Gegensatz zu denen, die genau wissen, was los ist, weiß ich das eben nicht. Wahrscheinlich wäre ich einfach neugierig. Und Neugier ist der größte Feind jedes Dogmatismus. F

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KLIMAHELD: DER WISSENSCHAFTLER KEYWAN RIAHI

Er leitet das Programm für Energie, Klima und Umwelt am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. Reuters wählte ihn zum einflussreichsten Klimawissenschaftler der Welt. Riahi zählt zu den Hauptautoren der Weltklimaberichte und ist Mitglied eines zehnköpfigen Teams, das die UNO bei der Implementierung der Agenda 2030 berät. Er koordiniert den zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel, lehrt als Professor an der TU Graz und ist externes Fakultätsmitglied der Universität Amsterdam sowie des Payne Institute der Colorado School of Mines.

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EMPFEHLUNGEN AUS UNSEREM BÜCH

Die Falter-Klimajournalisten Katharina Kropshofer, Gerlinde Pölsler und Benedikt Narodoslawsky legen Ihnen 20 Bücher ans Herz,

Esther Gonstalla: Das Klimabuch. Oekom, 128 S., € 24,70

Die Infografikerin Esther Gonstalla verspricht, mit 50 Grafiken alles zu erklären, was man über das Klima wissen muss. Und es gelingt ihr. Gonstalla vermittelt in ihrem Buch zunächst physikalisches Grundlagenwissen, bevor sie die verschiedenen Einflüsse des Menschen auf das Weltklima beschreibt, die Folgen davon sichtbar macht und schließlich Lösungen anbietet. Man sieht dem Werk nicht nur Liebe zum grafischen Detail an, sondern auch die tiefgründige Recherche.

Sven Plöger: Zieht euch warm an, es wird heiß! Westend, 320 S., € 20,60

Der Meteorologe und ARD-Wettermoderator Sven Plöger liefert ein Faktenfeuerwerk, das richtig knallt. Er stellt die Klimakrise in all ihren Schattierungen dar: Wodurch verändern wir das Klima? Welche Folgen drohen uns? Und wie kommen wir da wieder raus? Plöger beantwortet diese Fragen rund um ein vermintes Thema im richtigen Ton: gerade einfach genug, um noch nicht zu vereinfachen, gerade detailliert genug, um nicht zu langweilen.

IPCC: AR6 Synthesis Report. IPCC, 85 S., kostenloser Download der deutschen Kurzfassung unter www.de-ipcc.de

In den vergangenen beiden Jahren veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) seinen sechsten Sachstandsbericht in drei Teilen über die naturwissenschaftlichen Grundlagen (Teil 1), über die Folgen, die Anpassung und die Verwundbarkeit (Teil 2) sowie die Minderung des Klimawandels (Teil 3). Heuer erschien die große Zusammenfassung. Schwierig zu lesen, aber der Goldstandard der Klimaforschung.

David Nelles, Christian

Serrer: Machste dreckig –Machste sauber. KlimaWandel, 200 S., € 11,–

Zwei BWL-Studenten haben Lösungen für die Klimakrise zusammengetragen. Ihre Sammlung gleicht einem reichhaltigen Themenbuffet, in dem sie Häppchen zu den klimarelevanten Sektoren Energie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie knackig servieren. Sie garnieren sie mit Infografiken und vielen Quellenverweisen. Das kleinformatige Buch besticht durch Übersichtlichkeit, Vielseitigkeit und Kompaktheit.

Mathias Plüss: Weniger ist weniger. Echtzeit, 168 S., € 26,80

Klimaschonend zu leben gehört zu den komplizierteren Aufgaben unserer Zeit. Der Schweizer Journalist Mathias Plüss bringt Ordnung ins Chaos. In „Weniger ist weniger“ erklärt er kurzweilig und informativ, wo die größten Hebel sind, um die persönliche Klimabilanz zu verbessern (Auto stehen lassen, auf Fleisch verzichten, klimafreundlich heizen) – und welche Maßnahmen kaum etwas bewirken. Jedes Thema bewertet er auf einer Fünf-Punkte-Skala.

Sara Schurmann:

Klartext Klima.

Brandstätter, 224 S., € 20,–

Viele Jahre arbeitete Sara Schurmann als Klimajournalistin, das schiere Ausmaß der Krise wurde ihr erst 2020 bewusst. Bekannt machte die Deutsche ein offener Brief an Kolleginnen und Kollegen, die Krise endlich ernst zu nehmen. In ihrem Buch (Zielgruppe Klima-Einsteiger) versucht sie nun, diese Überwindung der Bewusstseinsschranke mit Fakten, aber auch Emotionen zu füttern. Und zu erklären, was die Klimakrise für jeden und jede bedeutet.

Thomas Brudermann: Die Kunst der Ausrede.

oekom, 256 S., € 22,70

Wird ein Shoppingtag mit Billigmode besser, wenn man noch ein Bioshirt dazukauft? Ist der jährliche Urlaubsflug okay, weil wir irgendwann vielleicht klimaneutral fliegen? Der Grazer Psychologe Thomas Brudermann sammelt 25 Ausreden, mit denen wir „uns selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben“, und zerpflückt sie mit viel Humor.

Ziel: eigenes und fremdes Handeln besser zu verstehen – und künftig vielleicht klimafreundlicher entscheiden.

Klaus Wiegandt (Hg.): 3 Grad mehr.

oekom, 352 S., € 25,70

Dieses Buch rüttelt wach: Aktuell befinden wir uns auf dem Weg in Richtung 3 Grad plus bis zum Jahr 2100. In Landgebieten wie Österreich wird es damit um 6 Grad wärmer, das Wetter „radikalisiert sich“. Laut dem deutschen Klimaforscher Stefan Rahmstorf drohe „eine Erde, wie wir sie nicht kennen wollen“. Dabei, so die Autoren, wären naturbasierte Lösungen wie der Stopp der Regenwaldabholzung rasch umsetzbar, relativ billig und höchst effizient.

Kira Vinke: Sturmnomaden.

dtv, 320 S., € 23,70

Wie viel Unrecht die Klimakrise schon heute mit sich bringt, zeigt Kira

Vinke: Millionen Menschen sind bereits vor Extremwetterereignissen geflohen. Vinke hat Hirten im Sahel, philippinische Fischer und Frauen in Bangladesch getroffen, die in einen Slum geflüchtet sind. Doch gerade die größten Armensiedlungen liegen in Gegenden mit hohem Risiko für extreme Hitze, Wasserknappheit, Extremregen und tropische Stürme. Wer hier landet, wird nicht alt.

Club of Rome: Earth for All. oekom, 256 S., € 25,70

Wissenschaftler skizzieren typische Lebenswege, die je nach Klimaszenario sehr unterschiedlich verlaufen. Je heißer es wird, umso wahrscheinlicher kollabieren Staaten: wegen Umweltkatastrophen, Hungerkrisen, Konflikten ums Wasser. Conclusio: Extremer Reichtum ebenso wie Armut seien zu begrenzen. Das Nutzen von Gemeingütern müsse teurer werden und es müsse massiv in die Energierevolution und Nahrungsmittelherstellung investiert werden.

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ERSCHRANK

mit denen Sie die Klimakrise besser verstehen, die Mut machen, Lösungen aufzeigen und auf unterschiedliche Weise sensibilisieren

Lena Schilling: Radikale Wende.

Amalthea, 208 S., € 22,–

Lena Schilling und ihre Mistreiterinnen forderten die Stadt Wien durch die monatelange Baustellenbesetzung der Stadtstraße heraus. In ihrem Buch gibt sie einen ebenso lebendigen wie authentischen Einblick ins Leben einer Klimaaktivistin. Sie sieht ihren Protest in der Tradition der Frauenund Bürgerrechtsbewegungen, von den Suffragetten bis zu Rosa Parks. Wer Schillings Buch liest, versteht besser, warum sich Menschen regelmäßig vor Autos auf die Straßen kleben.

Katharina Rogenhofer, Florian Schlederer: Ändert sich nichts, ändert sich alles. Zsolnay, 288 S., € 20,60

Katharina Rogenhofer gründete Fridays for Future in Österreich mit und repräsentierte das Klimavolksbegehren als Frontfrau. In ihrem Buch erzählt sie sehr persönlich von ihrer Angst vor der Klimakrise und ihrer emotionalen Achterbahnfahrt im Klimaaktivismus. Sie hält ein leidenschaftliches Plädoyer, fürs Klima aktiv zu werden, und skizziert unter dem Begriff „Green New Deal“ vielversprechende Lösungsansätze.

Ayana E. Johnson, Katharine Wilkinson: All We Can Save. Penguin Random House, 448 S., € 22,80

Es kann oft zu viel werden: Nachrichten über kaputte Ökosysteme; über Dürren und Fluten, die mit der Klimakrise häufiger werden. Da helfen vorsichtig optimistische Geschichten: Naturschützerinnen, die von gelungenen Anstrengungen berichten; Autorinnen, die in Essays die Schönheit der Welt bestaunen. Eine inspirierende Sammlung aus Fiktion und NichtFiktion – allesamt aus Frauenhand.

Samira El Ouassil, Friedemann Karig: Erzählende Affen. Ullstein, 544 S., € 16,–

Die Klimakrise sei eine Krise der Vorstellungskraft, meint der Anthropologe Amitav Ghosh. Nicht nur aufseiten der Politik, sondern auch in der Literatur. Karig und El Ouassil haben sich Gedanken über gängige Narrative gemacht, mit denen wir die Klimakrise oder Kriege erzählen. Etwa, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein Aufbegehren gegen eine unberechenbare Natur sei – obwohl es konkrete Verursacher gebe: fossile Unternehmen.

Rebecca Solnit, Thelma Young Lutunatabua: Not Too Late. Haymarket Books, 220 S., € 17,36

Es ist kein erster Satz, der Mut macht: „Es ist spät.“ Doch es ist der nächste Satz, der dieses Buch lesenswert macht: „Aber es ist noch nicht zu spät, denn die Katastrophe ist noch nicht vorbei.“ In einem kleinen Taschenbuch haben die Herausgeberinnen Geschichten von Klima(aktivismus)erfolgen gesammelt, die Hoffnung machen. Eine Handlungsanleitung, trotz allem weiterhin etwas zu unternehmen. Bisher nur auf Englisch erschienen.

Verena Kessler: Eva. Hanser Berlin, 208 S., € 24,70

Oft geht es in Klimageschichten nur dem Anschein nach um die Klimakrise. Sie dient als Aufhänger, man könnte die Kulisse einfach austauschen, Klimaaktivisten etwa genauso für mehr Tierwohl einstehen lassen. Da ist es erfrischend, Geschichten zu lesen, die sich um Probleme drehen, die klimaaffine Menschen wirklich beschäftigen: In „Eva“ raubt eine dieser Fragen einer der Protagonistinnen den Schlaf: Soll man in Zeiten der Klimakrise noch Kinder bekommen?

Jonathan Franzen: Freiheit. Rowohlt, 736 S., € 27,90

Viel Kritik bekam der US-Starautor Jonathan Franzen, als er seine Gedanken zur Klimakrise äußerte: Man solle einfach resignieren. Viel ausgewogener begegnet Walter Berglund, der Protagonist seines Romans „Freiheit“, dem Thema. Überbevölkerung und die Erhaltung seines Lieblingstiers, des Pappelwaldsängers, machen ihm Sorgen. Das ist teilweise tragisch, aber vor allem auch tragisch-komisch. Denn ja, über die Klimakrise kann man auch lachen.

Kim Stanley Robinson: Das Ministerium für die Zukunft. Heyne Verlag, 720 S., € 17,50

700 Seiten Lesestoff mit Zeitzeugenberichten? Absolut notwendig, schließlich versucht der US-amerikanische Sci-Fi-Autor Kim Stanley Robinson, sich die nächsten 100 Jahre vorzustellen und alles, was dabei klimapolitisch auf uns zukommen könnte: Geoengineering, Klimakrieger oder eben ein Ministerium, das die Krise bewältigen soll. Spoiler: ein dystopischer Roman, bei dem die Menschheit am Ende doch noch die Kurve kriegt.

Benedikt Narodoslawsky: Inside Fridays for Future.

Falter Verlag, 240 S., € 24,90

Anfang 2019 sagt ein Mann bei einer Klimadebatte, die „Fridays for Future“ könnten die neue 68er-Bewegung werden. Falter-Redakteur Benedikt Narodoslawsky „hielt das für absurd“. Monate später schaut er mit Greta Thunberg von der französischen Botschaft hinunter auf den Schwarzenbergplatz, wo die Demonstranten den Autoverkehr lahmlegen. Die Fridays sind zu einem politischen Faktor geworden. Der Autor zeichnet ihre Genese nach.

Markus Eisl, Gerald Mansberger: Klima im Wandel. eoVision, 256 S., € 49,95

Der Bildatlas „Klima im Wandel“ macht die Klimakrise von einem besonderen Blickwinkel aus sichtbar: vom All aus. Die ebenso detaillierten wie ästhetischen Satellitenfotos offenbaren, wie die menschengemachte Klimakrise die Erde im Kleinen und Großen formt. Neben optischen Leckerbissen enthält das Buch Infografiken und Texte, die es zum Nachschlagewerk für Ursachen, Auswirkungen und Lösungen der Klimakrise machen.

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… OPA & OMA ÜBERZEUGEN?

Ob Stammtisch oder Familienessen: Übers Klima lässt es sich gut streiten. Die Kinder werfen den Eltern vor, immer noch einen SUV zu besitzen; der Gastwirt versteht das Interesse an diesem „veganen Zeug“ nicht; und während der eine alte Schulfreund von „Klimahysterie“ redet, versucht der andere, wirksame Lösungen zu präsentieren. Der Falter hat die gängigsten Argumentationsmuster gesammelt, mit denen Klimaschutz ausgebremst wird. Und auch, was man ihnen entgegnen kann.

Es stimmt: Österreich hat nur einen Anteil von 0,22 Prozent an den globalen Emissionen. China liegt hier bei weit über 20 Prozent. Zählt man die Emissionen aller EU-Staaten zusammen, sind es aber mehr als neun Prozent. Anders sieht es auch aus, wenn man die Emissionen pro Kopf berechnet: Dann überholen die Bewohner der Alpenrepublik die Chinesen sogar (am schlechtesten schneidet übrigens Katar ab) und verursachen pro Kopf zehn Mal so viele Emissionen wie Menschen in Kenia.

Wir waren noch nie so wohlhabend, gebildet und noch nie hatte ein so großer Anteil der Weltbevölkerung Zugang zu Gesundheitsversorgung. In diese Kerbe schlägt auch diese Argumentation: Wir haben ja bereits den sauren Regen und das Waldsterben in den 1980ern erlebt und bekämpft. Das Ozonloch schließt sich durch das weltweite Verbot von FCKWs auch. Doch das ist der Knackpunkt: Hier ging es um einzelne Stoffe, die man verbieten musste, einzelne Umweltmaßnahmen, die getroffen werden mussten. Momentan riskieren wir aber das gesamte Erdklima – eine andere Größenordnung.

Statt Verzicht zu propagieren, heißt es oft, man müsse einfach nur abwarten: Die technologische Lösung sei bereits in Entwicklung, dafür einen Teil unseres Wohlstands aufs Spiel zu setzen, sei also übertrieben. Was viele dabei ausblenden: Selbst der Weltklimarat IPCC setzt auf diese technologische Entwicklung – jedoch nicht statt einer sozial-ökologischen Wende, sondern zusätzlich dazu. Ein Erreichen der Klimaziele sei nur durch zusätzliche CO2Speicherung möglich. Auf Wunderwaffen wie Kernfusion zu warten würde zu lange dauern. Übrigens, die wichtigste Technologie im Kampf gegen die Klimakrise haben wir bereits: erneuerbare Energien von Solaranlagen bis Windanlagen.

„Wir können sowieso nichts mehr tun“

Es bleibt uns keine Wahl: Wir stecken bereits mitten in der Klimakrise, Extremwetterevents nehmen zu, der Temperaturanstieg in Mitteleuropa ist bereits schneller fortgeschritten als im globalen Durchschnitt. Es geht also nicht nur darum, das Fortschreiten der Erderhitzung mit all ihren Folgen zu verlangsamen, sondern auch darum, sich an eine wärmere Welt anzupassen. Das österreichische Bundesheer listet die Klimakrise bereits als großes Sicherheitsrisiko, die französische Regierung hat soeben einen Plan für eine Erderwärmung von vier Grad erarbeitet. Nur: Je wärmer es wird, desto schwieriger wird das. Und der Preis einer Anpassung ohne weitere Maßnahmen sind zahlreiche Menschenleben, zerstörte Ökosysteme und höhere Risiken für Hungersnöte oder gewaltvolle Konflikte.

Wer nicht mehr weiter diskutieren will, wechselt oft in das Lager der Resignierten. Nur ist das Kopf-in-denSand-Politik. Wenn wir nichts tun, wird das, was bevorsteht, richtig gefährlich und richtig teuer. Selbst Klimaforscher und -forscherinnen, die ein umfassendes Wissen über die Klimakrise haben und das 1,5-Grad-Limit vielleicht nicht mehr als realistisch erachten, pochen weiterhin auf starke und schnelle Klimapolitik und nicht darauf, einfach aufzugeben. Denn: Jedes Zehntel Grad Erderhitzung, das wir verhindern können, zählt. KK

„China und Indien produzieren viel mehr Emissionen als Österreich!“
„Wir können uns ja einfach an höhere Temperaturen anpassen!“
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ILLUSTRATION: JORGHI POLL
„Es gab immer irgendwelche Umweltkrisen!“
„Technologie wird uns retten!“

FÄHRT ZUG AB

AUF SCHIENE

Othmar Pruckner

33 Bahnreisen durch Österreich und darüber hinaus. Vom Bodensee, über Hallstatt und den Semmering bis zum Neusiedler See.

320 Seiten, € 29,90

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