FALTER Beilage: ImPulsTanz 23

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FALTER

Nr. 25a/23

ImPulsTanz 23 VIENNA INTERNATIONAL DANCE FESTIVAL

Dani Brown verspricht in ihrem Solo „THE PRESSING“ nichts weniger als ein Wunder / Foto: Daniel K.B. Schmidt

Trajal Harrell Interview +++ Lucinda Childs’ Uraufführung +++ Benjamin Abel Meirhaeghe verzaubert +++ Autobiochoreografien Performances zu Leben und Werk +++ Workshop-Nostalgia Erinnerungen an 40 Jahre Tanzklassen +++ Service Performance-Lexikon, Timetable Österreichische Post AG, WZ 02Z033405 W, Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien


WIR MACHT UNS ALLE STÄRKER. WIR MACHT’S MÖGLICH.

Ein starkes Wir kann mehr bewegen als ein Du oder Ich alleine. Es ist die Kraft der Gemeinschaft, die uns den Mut gibt, neue Wege zu gehen, die uns beflügelt und die uns hilft, Berge zu versetzen. Daran glauben wir seit mehr als 160 Jahren und das ist, was wir meinen, wenn wir sagen: WIR macht’s möglich. raiffeisenbank.at Impressum: Medieninhaber: Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien.


IMPULSTANZ 23

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Vorwort

Inhalt

ierzig Jahre ImPulsTanz! Das ist V nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern auch ein guter Moment, um

Ungezähmte Wunder International renommierte Choreograf:innen zeigen österreichische Erstaufführungen

zurückzublicken. 1984 begann das Festival unter dem Namen Wiener Tanzwochen als reines Workshop-Festival auf der Schmelz. Die Tanzklassen wanderten in den 90er-Jahren ins weitläufigere Arsenal. Heuer, im Jubiläumsjahr, finden sie erstmals wieder an ihrem Ursprungsort statt. Dozent:innen haben mit uns ihre schönsten, lustigsten und berührendsten Erinnerungen geteilt. Mit dabei zum Beispiel Joe Alegado, der kein einziges Festivaljahr verpasst hat, und Meg Stuart, die bei ihrem ersten Mal in Wien vom barfüßigen Workshop-Chef Rio Rutzinger vom Bahnhof abgeholt wurde und begeistert war (Seite 22 bis 24). Über die letzten 40 Jahre hat sich ImPulsTanz mit seinem überbordenden Performance- und Workshop-Programm zu einem weltweit einzigartigen Tanz-Event entwickelt. In diesem Jahr ist alles noch größer, diverser, mehr: Ganze 68 Produktionen (sie alle kommen in diesem FalterSpecial vor) und 217 Workshops stehen auf dem Spielplan. Zu Gast etwa die TanzKoryphäen Lucinda Childs (Seite 19) und Marie Chouinard (Seite 12). Lesen Sie wie Wolfgang Kralicek das Autofiktionale in den Performances des Festivals ergründet (Seite 10) und Christopher Wurmdobler erklärt, warum Countertenor Benjamin Abel Meirhaege verzaubert (Seite 13). Ditta Rudle stellt die heimische Szene im Festival vor (Seite 20). Wie aus einem Nackttanz-Workshop bei ImPulsTanz eine Performance wurde, erfahren Sie auf Seite 25. Das zehnjährige Jubiläum von Doris Uhlichs „more than naked“ fällt mit dem runden Geburtstag von ImPulsTanz zusammen: Die große gemeinsame „Celebration“ findet am 6. Juli im MQ-Haupthof statt. Happy Birthday! SARA SCHAUSBERGER

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FOTO: BERNHARD MÜLLER

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FOTO: LUCIE JANSCH

FOTO: MARIE MAGNIN

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Porträt eines jungen Mannes im hermetischen Raum Gisèle Viennes „L’Étang“

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Tänzerinnen, die rebellieren Mathilde Monnier zeigt ein Stück wider die Gewalt an Frauen

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Nadia Beugré: Die sanfte Heldin Die ivorische Tänzerin und Choreografin und ihr Solo „Quartiers Libres“ Best of Dimchev: Man sieht den Ivo immer zweimal Ein Medley und ein Selfie-Concert von Ivo Dimchev Sintflut, Sehnsucht, Stuart Meg Stuart zeigt gleich drei Stücke bei ImPulsTanz

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„Ich habe mich 20 Jahre lang nicht getraut“ Tänzer und Choreograf Trajal Harrell im Interview

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Autobiochoreografien Jérôme Bel, Boris Charmatz, Mélanie Demers, Olivier Dubois blicken auf ihr Leben

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11 An den Wurzeln von Wahnsinn und Weisheit Die gefeierte Marie Chouinard zeigt ihr neues Tanzstück « M » 12 „Fase“: Der Tanzklassiker schlechthin Anne Teresa De Keersmaeker und ihre prägende Choreografie 12 Madrigeil ODER In höchsten Tönen Countertenor und Theatermacher Benjamin Abel Meirhaeghe verzaubert 13 When Dance meets Art Performances in mumok, Leopold Museum, Künstlerhaus und in der Horten-Collection 14 Die Mensch-Maschine kennt Humor Alexander Vantournhouts „Through the Grapevine“ 15 Körper mit Visionen Die neun Performer:innen der Nachwuchsreihe [8:tension] 16 Schwingungen im Schädelknochen Choreografin und Musikerin Clara Fureys „Dog Rising“ 18 Figuren, die auf Wellen starren Christian Rizzo nimmt das Publikum in „miramar“ mit ans Meer 18 Tanz mit Einstein, Glass und Sontag Legende Lucinda Childs kommt mit Robert Wilson und einer Uraufführung 19 Homebase Wien Die internationale heimische Tanzszene beim Festival 20 40 Jahre Dance Class Dozent:innen erinnern sich an schöne Momente bei den ImPulsTanz-Workshops 22 Nachschlag bei Shakespeare Die Needcompany schreibt sämtliche Shakespeare-Werke neu 25 Da fliegt mir doch das Fett weg Zehn Jahre „more than naked“: Doris Uhlichs Fetttanztechnik feiert Jubliäum 25 Tanz vor Krieg, Rihanna vor Isadora Die Ausstellungen und Buchpräsentationen des Festivals 27 Körperlichkeit und Kamerablick Das überaus üppige Filmprogramm 27 Lexikon ImPulsTanz von A bis Z: alle Performances, alle Daten, alphabetisch geordnet 28 ImPulsTanz Soçial: Dance the pain away! Weitertanzen beim Party- und Konzertprogramm von ImPulsTanz 30 Vielleicht wird Sie dieser Beitrag irritieren Marina Oteros autofiktionale Arbeiten „FUCK ME“ und „LOVE ME“

Impressum Falter 25a/23 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: +43-1/536 60-0, E: wienzeit@falter.at, www.falter.at Redaktion: Sara Schausberger Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.; Layout: Raphael Moser, Marion Großschädl; Lektorat: Helmut Gutbrunner, Daniel Jokesch; Geschäftsführung: Siegmar Schlager; Anzeigenleitung: Ramona Metzler Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86. Im Auftrag von ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.


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Ein Tanz am Rand des Ungezähmten: Lenio Kakleas „Agrimi (Fauve)“

a ist eine nichtmenschliche Entität in D den Credits angeführt. Die Gruppenarbeit von Angela Schubot entstand nämlich nicht nur mit Suvi Kemppainen, Kate Nankervis und Ann Trépanier, sondern auch „in Co-Kreation mit: Moos“. Das Moos im Besonderen, die langjährige Beschäftigung mit Pflanzenbewusstsein im Allgemeinen – und überhaupt: der Versuch, Vielstimmigkeit ohne Zentrum zu ermöglichen – haben die Performance „MOSSBELLY“ befruchtet. Dafür nimmt die in Toronto und Berlin situierte Choreografin den Nachnamen ihres Großvaters an, um als Angela Vitovec die intensive Begegnung mit Pflanzen auch in der Veränderung ihrer menschlichen Daseinsweise zu markieren. Sie schöpft aus ihren Forschungen zu Schamanismus und der Praxis der Pflanzenzerreibung, über die sie mit vegetabilen Lebensformen in Verbindung tritt. Vielstimmigkeit ohne hierarchisierendes

Zentrum – das ist aber auch ein gutes Stichwort, um einen etwas größeren Streifzug

Kristina und Sadé Alleyne fragen sich in „Far From Home“, wo Zuhause ist

UNGEZÄHMTE

WUNDER Keine Newcomer mehr, aber auch noch keine alten Hasen: Viele der international renommierten Choreograf:innen zeigen bei ImPulsTanz österreichische Erstaufführungen ÜBERBLICK: THERESA GINDLSTRASSER


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MOSSBELLY 10.7., 17 und 19 Uhr, 11.7., 21 und 23 Uhr, 12.7., 15 und 17 Uhr Künstlerhaus Factory Bien y Mal 12. und 14.7, 19 Uhr Odeon L’Étang (Der Teich) 13. und 15.7., 21 Uhr Museumsquartier, Halle G O Samba do Crioulo Doido 15.7., 23 Uhr Odeon Them Voices 15 und 16.7., 17 Uhr und 16.7., 21 Uhr Künstlerhaus Factory SIMPLE 22. und 24.7., 19 Uhr Odeon Agrimi (Fauve) 26.7., 19 Uhr und 28.7., 21 Uhr Museumsquartier, Halle G

F OTO S: M A RC D OM AG E, C A M ILL A G R EEN W ELL , DA NIEL K .B. S C HM IDT, G IL G RO S SI

Dani Brown verspricht in „THE PRESSING“ nichts weniger als ein Wunder

durch das diesjährige Festivalprogramm zu unternehmen und um die Bandbreite des Angebots zwischen der Newcomer-Schiene und den All-Stars vorzustellen. Zum Beispiel wurde Ofelia Jarl Ortega 2018 mit dem Young Choreographers’ Award ausgezeichnet und gastiert nun, fünf Jahre später, mit ihrer ersten Gruppenchoreografie zum ersten Mal seither wieder in Wien. Für „Bien y Mal“ lässt die in Stockholm lebende Choreografin fünf Performende in einer intensiven Begegnung miteinander ins Spiel kommen. Während Lichtstimmungen das Geschehen mal verdüstern, mal offenbaren und die musikalische Komposition von Jassem Hindi zur Verausgabung einlädt, entspinnt sich auf der Bühne 70 Minuten lang eine faszinierende Gruppendynamik: Ein unaufgeregtes Miteinander und neugieriges Ausprobieren der Möglichkeiten von Gemeinschaft und Einsamkeit. Keine Menschengruppe , sondern zwei be-

merkenswerte Einzelpersönlichkeiten stehen sich bei „L’Étang (Der Teich)“ gegen-

Der brasilianische Tänzer Calixto Neto tanzt ein Solo von Luiz de Abreu

über (siehe auch Seite 6). Anders als die meisten für diesen Überblick versammelten Produktionen stellt das Stück von Gisèle Vienne keine österreichische Erstaufführung dar. Die abgründige stimmliche und körperliche Präzision der beiden Performerinnen lässt die Grenzen zwischen Schauspiel und Tanz verschwimmen. Und mit der Frage nach der Darstellbarkeit von Identität zwischen Selbstbehauptung und Zurichtung von außen steht die Regisseurin und Puppenspielerin Vienne definitiv nicht alleine da. 2004 entwickelte der brasilianische Choreograf Luiz de Abreu das Solo „O Samba do Crioulo Doido“ zunächst für sich selbst und übergab 2020 an den großartigen Tänzer Calixto Neto. Für den „Samba des verrückten Kreolen“ bewegt sich Neto nackt und auf High Heels langsam und genüsslich im Halbdunkel vor einer Wand unzählbar vieler brasilianischer Flaggen. Plötzliche Zurufe und Pfiffe unterbrechen das beruhigende akustische Plätschern. Später wird Neto seine Muskulatur Wellen der Energie durch seinen Körper sen-

den lassen, wird er sich in eine Marionette, eine Statue oder einen Kussmund verwandeln und die ihn exotisierenden und erotisierenden Begehrlichkeiten des Publikums vor dem Hintergrund von Rassismus und bestehenden Herrschaftsverhältnissen ironisch in die Leere laufen lassen. Im 70-minütigen Solo „Them Voices“ beruft sich Lara Kramer auf die Stimmen ihrer nativen Ahn:innen, die aus der Linie der Oji-Cree stammen. Die multidisziplinäre Künstlerin, (in diesem Jahr gemeinsam mit der Choreografin Clara Furey und im Dialog mit der Regisseurin Caroline Monnet Mentorin des internationalen Weiterbildungs- und Austauschprogramms danceWEB), versucht Kontakt aufzunehmen mit den First Nation Generationen vor ihr einerseits und mit den Generationen eines zukünftigen Kanadas andererseits. Nach und nach nähert sich die Performerin den vielen disparaten Gegenständen auf der Bühne an, erschafft darFortsetzung nächste Seite

Seek Bromance 28.7., 21 Uhr und 30.7., 19 Uhr Kasino am Schwarzenbergplatz Far From Home 30.7., und 1.8., 21 Uhr Odeon Blast! 30.7., 19 Uhr und 1.8., 21 Uhr Museumsquartier, Halle G THE PRESSING 3.8., 21 Uhr und 5.8., 23 Uhr Museumsquartier, Halle G


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Fortsetzung von Seite 5

FOTO: FRANÇOIS DECLERCQ

aus eine Schutzarchitektur und verunklart die Grenzen zwischen Mensch und Ding. Auch die Zwillinge Kristina und Sadé Alleyne (dem Wiener Publikum nicht nur aus Choreografien von Akram Khan und Wim Vandekeybus bekannt, sondern auch als hoch energetische Workshop-Leiterinnen beliebt) beschäftigen sich in ihrer neuen Produktion „Far From Home“ mit einer Frage der Perspektive: Wieso werden die beiden in London als karibisch wahrgenommen, auf Barbados aber als britisch? Wo ist „Zuhause“ jenseits des gesellschaftlichen Otherings? Oder bleibt „Zuhause“ als Migrationserfahrung immer „weit weg“? Kristina und Sadé Alleyne schaffen eine lebendige Gruppenchoreografie vor beeindruckend widersprüchlicher Kulisse.

Die zweite Ausnahme aus dem hier vorge-

FOTO: SAMIRA ELAGOZ

Dass der menschliche Körper nicht nur Ge-

walt erleiden, sondern auch Gewalt ausüben können, darin besteht das doppelte Erkenntnisinteresse der Tänzerin Ruth Childs, die sich für die Performance „Blast!“ in die Grimassen und Fratzen der Brutalität hinein begibt und diese in aller Langsamkeit und aller Detailgenauigkeit dem Publikum präsentiert. Die hochkonzentrierten Abläufe werden von einer mysteriösen Klangkulisse unterstützt, wobei in der Schwebe bleibt, wer hier wen steuert oder wem ausgeliefert ist. Ähnlich wie die Frage nach Aktivität und Passivität bleibt auch die Frage nach dem Genre offen: Voll komödiantisch und doch voll der Horror? Bei Ayelen Parolins Performance „SIMPLE“ geht die Entscheidung ganz eindeutig in Richtung Komödie. Vor einem regenbogenbunten Hintergrund hüpfen Baptiste Cazaux, Piet Defrancq und Daan Jaartsveld in ebenso regenbogenbunte Ganzkörperanzüge gekleidet und mit nackten Füßen von den Seiten herein. Parolin verzichtet für ihren Gegenentwurf zur prätentiösen Welt der BescheidWissenden auf Musik und rückt das Klopfen, Schleifen und Dröhnen der Körper am Bühnenboden in den Mittelpunkt der

len (Poledance-)Stangen und dunkelgrün den Raum flutenden Projektionen erschafft einen betanzbaren Wald im Kontext des Theaters. Die Domestizierung der Wildnis, die Eroberung neuer Lichtungen und die Jagd nach neuen Erlebnissen, also auch das Verhältnis von Realität und Kunst – das sind die Themen des Abends. Während die in Athen geborene, in Paris lebende Tänzerin und Choreografin Kaklea im vergangenen Jahr für das Solo „Sonatas and Interludes“ (John Cage) nur mit dem Pianisten Orlando Bass auf der Bühne stand, bewegt sie sich für ihre neue Arbeit im Verbund mit Georgios Kotsifakis und Ioanna Paraskevopoulou. Gemeinsam schaffen sie einen Tanz an den Rändern des Ungezähmten.

Ayelen Parolins Performance „SIMPLE“ ist eine bunte Komödie; Samira Elagoz’ „Seek Bromance“ dokumentiert die Beziehung zwischen zwei trans Männern

Aufmerksamkeit. Das Trio ergeht sich in überraschenden Posen und Richtungswechseln; über nicht minder überraschende Lichtwechsel schaltet sich der Raum als Mitspieler in die Komödie ein. Dabei zielt zwar alles Geschehen auf die Pointe, wird von den Tänzern jedoch in ernsthafter Präzision überhöht. Ein vielversprechendes Beieinander von Strenge und Kindlichkeit! Für „Agrimi (Fauve)“ kreiert Lenio Kaklea gemeinsam mit der für das Bühnenbild zuständigen Clio Boboti ein Beieinander von Abstraktion und Urtümlichkeit, von Konkretion und Künstlichkeit. Die Kombination aus geradlinig-kah-

stellten Reigen der österreichischen Erstaufführungen bildet der Abend „Seek Bromance“. Im Rahmen von ImPulsTanz läuft die vierstündige Filmperformance, die 2022 mit dem Silbernen Löwen der Theater Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde, nun noch einmal in Wien. Der finnische Performancekünstler Samira Elagoz kommentiert dabei live das Bildmaterial, das mit dem Künstler Cade Moga innerhalb dreier Lockdown-Monate im pandemisch leisen Los Angeles entstand. Dabei kommen verschiedene Standpunkte im Hinblick auf Transition und Identität zur Sprache beziehungsweise in den Blick. Die Kamera, mit der performt wird, erscheint in diesem behutsamen Epos als dritte Akteurin. Am Ende dieses Streifzugs durch das überbordende Festivalprogramm sei noch auf das Solo „THE PRESSING“ von Dani Brown verwiesen. In einem barocken Ambiente voller Spiegel, Blumen und Nebel, das auf sehr zeitgenössische Art und Weise Motive der Vanitas-Malerei nachempfindet, verspricht die Performerin – einerseits in Trainingshose und dem Publikum gegenüber nahbar, andererseits in hypertheatraler Überartikulation – mit dem Einsetzen eines Gewitters ein Wunder. Sie proklamiert: „Die Zukunft ist CUNT!“. F

Porträt eines jungen Mannes im hermetischen Raum Gisèle Viennes choreografische Bearbeitung des Robert-Walser-Dramoletts „Der Teich“ kehrt nach Wien zurück BERICHT: MARTIN PESL

te gern fest an sich gekuschelt. Dass Künstlerinnen nicht nur einer Institution verpflichtet sind, gab es zuletzt öfter. Doris Uhlich, Anna Teresa De Keersmaeker und Marlene Monteiro Freitas arbeiten mit den Wiener Festwochen ebenso wie mit ImPulsTanz. Wenn aber eine internationale Produktion schon hier lief und dann da auch, muss sie richtig Eindruck gemacht haben. So ist das bei „L’Étang (Der Teich)“ von Gisèle Vienne. Die

FOTO: JEAN LOUIS FERNANDEZ

estivals können neidisch aufeiF nander sein. Gerade innerhalb einer Stadt hält man die eigenen Gäs-

Radikale Trennung von Text und Bild: Adèle Haenel verblüfft in „Der Teich“

L’Étang (Der Teich) 13.7., 15.7., 21 Uhr, Museumsquartier, Halle G

hochkonzentrierte Inszenierung eines in Berner Mundart verfassten Dramoletts von Robert Walser lief 2022 im Rahmen der Wiener Festwochen im Jugendstiltheater am Steinhof. ImPulsTanz holt sie jetzt näher Richtung Zentrum, die Aufführungen finden in der Halle G im Museumsquartier statt. Die verstörende Handlung: Ein Jugend-

licher, Fritz, will wissen, ob er von seiner Mutter geliebt wird, und fingiert daher den eigenen Tod durch Ertrinken im nahegelegenen Teich. Vienne platziert dazu zwei Performerinnen in einem hermetisch abgeschlossenen Raum. In harten Lichtstimmun-

gen bewegen sie sich aufeinander zu und voneinander weg. Text und Bewegung sind dabei zeitweise asynchron choreografiert, was maximales Unwohlsein und eine einzigartige Faszination auslöst. Die kühle Mutterfigur spielt die Tänzerin Julie Shanahan, die Rollen von Fritz und seinen Geschwistern übernimmt Adèle Haenel. Die aus „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ bekannte Schauspielerin erregte kürzlich mit der Ankündigung Aufsehen, wegen des Übermaßes an Sexismus in der Branche nur noch mit Regisseurinnen arbeiten zu wollen. Mit Gisèle Vienne hat sie sich eine der Besten ausgesucht. F


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Tänzerinnen, die rebellieren Die französische Star-Choreografin Mathilde Monnier zeigt ein Gruppenstück wider die Gewalt an Frauen und ein Solo Die 24 Filme sind Minidramen, die eigentlich perfekt auf die Bühne passen. Mit Mathilde Monnier, 64, nimmt sich nun eine der einflussreichsten französischen Choreografinnen dieses Themas an.

WIDERSTÄNDIG: KARIN CERNY

ine Schülerin erzählt, wie sie von ihren Klassenkameradinnen als „Schlampe“ E beschimpft wurde; eine Schwangere sitzt

In ihren bahnbrechenden Arbeiten erfindet

FOTO: MARC COUDRAIS

im Polizeiauto und überlegt, ob sie Anzeige gegen ihren gewalttätigen Mann erstatten soll; eine Mutter sinnt auf Rache, weil ihre 16-jährige Tochter Selbstmord begangen hat, nachdem ein Pornovideo von ihr im Internet geteilt worden war. Das sind nur drei Beispiele aus der TVSerie von Valérie Urrea und Nathalie Masduraud „H24 – 24 Stunden im Leben einer Frau“ (Arte, 2021), die nach wie vor online abrufbar ist. 24 Autorinnen, 24 Schauspielerinnen, 24 Kurzfilme: Die vierminütigen, pointierten Beiträge wurden von wahren Begebenheiten inspiriert. Es handelt sich um Einzelschicksale, die ein fatales Gesamtbild ergeben, wie systematisch Frauen in unserer Gesellschaft rund um die Uhr gedemütigt, sexualisiert und mit Gewalt konfrontiert werden.

Mathilde Monnier macht aus Kurzfilmen Tanztheater

BLACK LIGHTS 28.7., 21 Uhr und 30.7., 19 Uhr, Volkstheater

Défilé pour 27 chaussures Sie haben die Schnauze voll. Wie eine Fast- 1.8., 20 Uhr und 21.30 Uhr Food-Angestellte, die einem prügelnden Heidi Horten Collection Die Betroffenen blicken direkt in die Kamera:

Mann die Pommes ins Gesicht schleudert. Der Film versteht sich als Empowerment. Er inszeniert Frauen nicht als passive Opfer. Man sieht den Akteurinnen gern zu, wie sie Ungerechtigkeit nicht mehr tonund tatenlos hinnehmen möchten. Einige der Beiträge haben bereits einen choreografischen Ansatz, etwa die Geschichte einer jungen Rezeptionistin, die nicht engagiert wird, weil sie keine High Heels, sondern Turnschuhe trägt. Dann tanzt im Hintergrund eine Gruppe in Stöckelschuhen.

sich Monnier stets neu, stellt politische Fragen, wie Gemeinschaft funktionieren kann, wie Institutionen interdisziplinär arbeiten können, aber auch, wie sich der kollektive Pandemie-Rückzug angefühlt hat. Sie versteht Tanz als Teil des Lebens. Und hat sogar den Lockdown choreografisch aufgearbeitet. Für ihre jüngste Arbeit „BLACK LIGHTS“ haben acht Tänzerinnen und Schauspielerinnen nun zehn der Texte aus „H24 – 24 Stunden im Leben einer Frau“ von Autorinnen wie Siri Hustvedt oder Fabienne Kanor in ein Stück packendes Tanztheater transferiert. Auf der Bühne stehen Tänzerinnen, die rebellieren. Ein raffiniertes Aufbegehren der Körper gegen Gewaltkultur. Zusätzlich tritt die Choreografin beim Festival in „Défilé pour 27 chaussures“ (siehe auch S. 15), entstanden als Kooperation mit Olivier Saillard, dem künstlerischen Direktor von J.M. Weston, als Solo-Performerin auf. F

Nadia Beugré: Die sanfte Heldin Die ivorische Tänzerin und Choreografin Nadia Beugré tourt seit elf Jahren mit ihrem Solo „Quartiers Libres“ der aufs Neue endgültigen Zuschreibungen von Stärke und Verletzlichkeit.

PORTRÄT: MARTINA GIMPLINGER

Beugré ist eine sanfte und präzise Tänzerin.

dia Beugré. Ein Haus, das zwar noch stünde, dem aber ein Stück seines Daches oder seiner Wände fehlten. „Womit kann ich es wieder aufbauen, ersetzen und auffüllen?“, fragt Beugré mit ihrem Solo „Quartiers Libres“, in dem ein tosender Wasserfall aus plattgedrückten Plastikflaschen durch das Dach des Theaters zu stürzen scheint. Der Westen feiert Beugré gerne als Heldin und Kämpferin, als wütende, starke, Schwarze Frau, die ihr Publikum mit einer rohen Energie konfrontiert und mitunter beunruhigt. Erdrückende Geschichten von nicht eingelöster Freiheit schüren unsere Sehnsucht nach Held:innen. Übergehen wir mit unserer Vorstellung dessen, was heroisch ist, jene feinsinnigen Nuancen, welche die weniger frontal und laut performten Momente von „Quartiers Libres“ ausmachen? Für den Wiederaufbau des abgetragenen

FOTO: YI-CHUN WU

in Haus, das plötzlich von etwas PhyE sischem erschüttert wird, das ist die Art und Weise, wie ich arbeite“, sagt Na-

Nadia Beugrés subtiles und zugleich starkes Spiel mit Ambiguität ist beeindruckend

Quartiers Libres

Hauses stimmt Beugré ein Liebeslied von 4. und 6.8., 19 Uhr 1945 an. „Trotz allem, und auch wenn es Odeon

vergänglich ist, müssen wir lieben. Weiter lieben ...“, so Beugré. Auf Swahili ruft sie einen berühmt gewordenen, schönen Engel an: „Malaika, nakupenda Malaika!“ Sie singt mit endlosen Kabeln um Hals und Brust gewickelt. Trägt sie ein opulentes, kraftspendendes Schmuckstück oder eine erstickende Last zur Schau? Beugrés subtiles und zugleich starkes Spiel mit Ambiguität ist beeindruckend: Selbst wenn das Uneindeutige in den Figurationen des Eindeutigen Zuflucht findet, entzieht sich ihr Solo immer wie-

Den Zuschauenden begegnet sie direkt, aber mit einer Sensibilität für das Zerbrechliche und Unverfügbare des Menschseins. Mit ausgestrecktem Arm und einem langen, behutsamen Blick, der ins Publikum geht, hält sie das Mikrofon in die Höhe. Fast so, als könne sie, durch die realen Dächer und Wände des Theaters hindurch, weit entfernte Antworten auf ihre Fragen empfangen. Mit nur 16 Jahren war Nadia Beugré zusammen mit Béatrice Kombé Mitbegründerin des weiblichen Tanzensembles Tché Tché. Anschließend nahm sie Unterricht bei Germaine Acogny. Nach dem riesigen Erfolg von „L’Homme rare“, 2022 beim Festival, das sie für fünf männliche Tänzer entwickelte, zeigt die ivorisch-französische Choreografin zum diesjährigen Jubiläum von ImPulsTanz ihre damals erste eigene Arbeit, mit der sie seit elf Jahren tourt. 2020 gründet sie mit Libr’Arts ihre eigene Tanzkompanie, die sich in Montpellier, Abidjan und darüber hinaus insbesondere an Frauen richtet und die Weitergabe von Wissen fördert. F


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IMPULSTANZ 23 Die amerikanischdeutsche Choreografin Meg Stuart tritt in „All the Way Around“ selbst auf

Best of Dimchev: Man sieht den Ivo immer zweimal FAN: MARTIN PESL

in ImPulsTanz-Festival ohne Ivo E Dimchev ist eigentlich nicht vorstellbar. Dimchev ohne ImPulsTanz aber auch nicht. Der 1976 in Bulgarien geborene Allroundkünstler hat in den 40 Jahren, die es ImPulsTanz gibt, ebenso viele Choreografien kreiert, und das, obwohl er erst vor 20 Jahren damit angefangen hat. Um den Schnitt zu halten – wobei es ja für Ivo Dimchev gar keinen Grund braucht! –, sehen wir ihn auch im Jubiläumsjahr wieder zweimal. Zunächst mit einem spektakulären Medley seiner gesammelten Werke unter dem Titel „Begeraz Top 40“. In dieser Show wird ein für alle Mal bestätigt, warum Dimchev ein so kontroverser Performance-Star ist. Die ärgsten Szenen aus Stücken von „Lili Handel“ (2004) bis „In Hell with Jesus“ (2022) lassen sich nicht nur sehen und hören, sondern auch fotografieren.

ONE SHOT 15.7., 21 Uhr Volksoper Probebühne FOTO: ANDREA MACCHIA

All the Way Around 19. und 21.7., 21 Uhr Akademietheater BLESSED 22. und 24.7., 21 Uhr MQ, Halle G

Sintflut, Sehnsucht, Stuart Feel blessed: Meg Stuart zeigt gleich drei Stücke beim diesjährigen Festival

Die ganz Mutigen dürfen sogar mitma-

chen. Dafür gibt es Geld, und es wird sexy! Deshalb ist die Uraufführung auch erst ab 18 Jahren zugelassen. Nach dieser Aufregung kehrt dann ein Feelgood-Evergreen wieder: „The Selfie Concert“. Darin streift der Maestro durch einen White Cube im Museum moderner Kunst und präsentiert mit seiner magischen Stimme einige der rund 100 ätherischen Songs, die er im Repertoire hat. Das tut er allerdings nur, solange das Publikum nicht müde wird, Selfies mit ihm zu machen. Im vorpandemischen Jahr 2018, als der Abend entstand, steckte dahinter noch das Statement, dass jedes Konzert gewissermaßen ein Selfie-Konzert ist. Wie ist das heute? Sind Fans achtsamer und reflektierter geworden? Und werden Selfies in zehn Jahren noch ein „thing“ sein? Wahrscheinlich nicht. Aber Ivo Dimchev wird es hoffentlich geben. F

PORTRÄT: JULIA DANIELCZYK

eit Jahrzehnten ist die US-ameriS kanische Tänzerin, Choreografin und Performerin Meg Stuart eine fixe Größe in der internationalen Tanzszene. Im Alter von 15 Jahren entwickelte sie ihre ersten Choreografien, ihre Weltkarriere begann vor über 30 Jahren beim Klapstuk Festival in Leuven, wo sie mit dem Stück „Disfigure Study“ einen neuen Stil – fern vom Anspruch auf Virtuosität – präsentierte und weltweit Aufmerksamkeit erlangte. 1994 gründete Stuart in Brüssel ihre Company „Damaged Goods“ – der Name bezieht sich auf eine Rezension, die Stuarts Fokus auf die Fragilität des menschlichen Körpers reflektiert. Nach Residencies an der Volksbühne Berlin und am Zürcher Schauspielhaus ist ihre Position auch im deutschsprachigen Theater längst etabliert.

Begeraz Top 40 28.7., 19 Uhr, 30.7., 21 Uhr, Akademietheater

Die Ergebnisse ihrer Arbeiten lassen

FOTO: IVO DIMCHEV

The Selfie Concert 4.8., 22.30 Uhr, mumok

Auch im Jubiläumsmedley „Begeraz Top 40“ gibt Ivo Dimchev Songs zum Besten

sich jedoch nie voraussagen, zu vielfältig sind ihre künstlerischen Ansprüche, Partner:innen und Produktionen, in deren Mittelpunkt zumeist die Themen Veränderung und Körpergedächtnis stehen. ImPulsTanz lädt Meg Stuart heuer gleich mit drei Arbeiten ein, die ihre unterschiedlichen Zugänge auffächern: die österreichischen Erstaufführungen „All the Way Around“ (2020) und „ONE SHOT“ (2016) sowie den Klassiker „BLESSED“, bereits im Entstehungsjahr 2007 und 2018 in Wien eingeladen.

Mit „BLESSED“ reagierte Stuart unmittelbar auf den Hurrikan Katrina. Zusammen mit dem portugiesischen Tänzer Francisco Camacho nahm sie auf hellsichtige Weise die Klima- und Finanzkrise vorweg. Das Stück erzählt vom sisyphusartigen Kampf des Menschen gegen die Unerbittlichkeit der Natur. Sintflutartiger Regen schwemmt das Haus eines Mannes weg. Die Decke stürzt ein, die Wände fallen zusammen, Palme und Schwan werden davongetrieben. Im Pseudo-Paradies aus Pappende-

ckel, das nicht die Abbildung von Realität darstellt, sondern die Illusion einer heilen Welt mit dazugehörigem Südsee-Zauber, baut Camacho unverdrossen sein Zuhause wieder auf. Doch die Natur ist gnadenlos und „BLESSED“ ist nur ein Wort für den scheinbar Glücklichen. Zur anschwellenden Musik des New Yorker Geigers und Gitarristen Hahn Rowe setzt der Regen wieder ein, kennt kein Mitleid. Aber der Mensch ist ein Überlebenskünstler, Camacho steht wieder auf, fast nackt ist er, Spielball und zugleich Verursacher der apokalyptischen Zustände. Kapitalismus und Katastrophe bilden die Pole dieser minimalistischen Performance, in der sich eine schöne Sambatänzerin auf der Bühne räkelt, während Camacho am Verrecken ist. „BLESSED“ ist ein Stück über Fantasie, über Kunst und Hoffnung. Es ist aber auch ein Stück über Ausdauer, den Körper als Objekt der Erzählung, an dessen Verletzlichkeit

und Widerstandskraft Stuart den ständigen Wandel sichtbar macht. Bei „ONE SHOT“ und „All the Way Around“ tritt Meg Stuart selbst auf. Mit Mark Tompkins improvisiert sie auch hier zu Live-Musik. Es sind Momentaufnahmen, konzentriert auf die zentralen Aspekte des künstlerischen Prozesses: Zuhören, Probieren und Darstellen. Dabei haben sich die drei Künstler:innen auf drei grundlegende Fragen verständigt, die jeden Abend neu aufgefächert werden: Wohin zieht es uns? Was müssen wir loslassen? Was wünschen wir uns? Ähnlich geht sie in „All the Way Around“ vor: Zu Kompositionen des Jazzbassisten Doug Weiss und zusammen mit der Pianistin Maria Carvalho etabliert Stuart einen intimen Rahmen. Auch hier wagen sich die drei Künstler:innen auf eine Reise aus Bewegung und Musik, erzählen Balladen von Sehnsucht und Widerstand, verbinden kollektive Erfahrungen mit persönlichen, wobei die Improvisation als künstlerische Strategie verstanden wird, Körpergedächtnis mit physischen und psychischen Zuständen zu verbinden. Die große Meg Stuart setzt mit ihren Inszenierungen Ausrufezeichen in einer aus den Fugen geratenen Zeit. Ihre Arbeiten sind theatrale Forschungsstationen, geprägt durch ihr einzigartiges Bewegungsdenken, aber auch Feste der Lebenslust, des Körpers sowie Ausdruck der Freude trotz aller Widerstände und Katastrophen. F


IMPULSTANZ 23 r verschiebt den Fokus auf die E Schwarzen Bediensteten der Filmgeschichte, tanzt neben sechs

Das klingt fast schon ein bisschen wehmütig und erinnert an Ihre Beschäftigung mit dem Butoh, wo auch die Vergänglichkeit eine große Rolle spielt. Wie beeinflusst das japanische Tanztheater Ihre Arbeit? Harrell: Meine Forschungen haben mich sehr verändert. 2016 war ich im Archiv von Kazuo Ōno und entdeckte einen Tanz, der mich umhaute und dem ich mich total verbunden fühlte. Ich fand in ihm ein Vorbild und blühte auf. 2018 wurde ich dann zum Tänzer des Jahres gekürt.

FOTO: RETO SCHMID

Falter: Mister Harrell, heuer sind Sie mit drei Arbeiten in Wien, zwei davon tragen das Wort „Cat“ im Titel. Mögen Sie Katzen besonders gerne? Trajal Harrell: „Maggie The Cat“ spielt definitiv auf den Catwalk an. „The Cat’s Meow“ hatte damit eigentlich nichts zu tun, der Ausdruck meint etwas besonders Verführerisches. Aber nachdem das Stück meine größte Laufsteg-Choreografie ist, habe ich den Titel unterbewusst vielleicht doch auch aus dem Grund gewählt.

Sie beschäftigen sich im Stück auch mit der Unabhängigkeitserklärung der USA. Wie kam es dazu? Harrell: Als Chefchoreograf am Schauspielhaus Zürich sollte ich eine Choreografie für die große Halle entwickeln. Ich hatte ein so großes Budget wie noch nie und musste im Vorfeld nichts vorweisen, kein Konzept schreiben, nichts! Und ich dachte mir: Wow! Mit dieser Freiheit will ich ins Studio gehen. Normalerweise wissen die Tänzer:innen, worum es in dem Stück geht, wenn sie zu den ersten Proben kommen. Dieses Mal hatten wir nur den Titel. Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, war ich in Georgia und entschloss mich, die „Declaration of Independence“ zu lesen. Ich war so berührt davon. Natürlich ist dieses Manifest problematisch, weil es um eine Freiheit geht, die nicht für alle gilt. Dennoch versuchten diese Menschen ihre Sehnsucht auszuformulieren, nicht mehr unter der Herrschaft anderer zu stehen. Diese Sehnsucht steckt im Stück. Darin liegt auch eine Spannung: Frei-

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Köln Concert“ auch selbst. 2018 wurden Sie zum Tänzer des Jahres gekürt. Sind Sie mehr Tänzer oder mehr Choreograf? Harrell: Ich choreografiere gerne, aber ich bin nicht der Choreograf, den es glücklich macht, allein außerhalb zu stehen und zuzuschauen. Die Freude liegt für mich vor allem im Tanzen. Außerdem bin ich an einem Punkt in meinem Leben, wo mehr Zeit hinter mir liegt als vor mir. Ich will nicht auftreten, bis ich 100 bin, also gebe ich mir noch ungefähr 15 Jahre auf der Bühne.

anderen ein Solo zu Keith Jarretts „The Köln Concert“ und vermischt die größte Laufsteg-Show seiner Karriere mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: Trajal Harrell gehört zu den wichtigsten Interpreten des zeitgenössischen Tanzes. Sein Name steht in diesem Jahr gleich mehrmals am Spielplan des ImPulsTanzFestivals. Im Gespräch zeigt sich der amerikanische Tänzer und Choreograf bestens gelaunt.

In „Monkey off My Back or the Cat’s Meow“ laufen zehn Tänzer:innen und sieben Schauspieler:innen über einen von Piet Mondrian inspirierten Catwalk auf der Bühne. War es schwierig, die zwei Disziplinen – Schauspiel und Tanz – in einem Abend zu vereinen? Harrell: Eigentlich versuche ich nicht zu unterscheiden: Sie sind alle Performer:innen. Aber ich habe dennoch gemerkt, dass ich mit den Tänzer:innen Erfahrungen teile und mit den Schauspieler:innen erst eine gemeinsame Sprache finden muss. Es war mir wichig, sie nicht zu Zweite-Klasse-Tänzer:innen zu machen, also versuchte ich, ihre Beziehung zur Bewegung zu verstehen.

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Trajal Harrell in seinem berührenden Stück zu Jarretts „The Köln Concert“

„Ich habe mich 20 Jahre lang nicht getraut“ Der Tänzer und Choreograf Trajal Harrell zeigt heuer gleich drei Stücke beim ImPulsTanz-Festival

Research scheint überhaupt ein großer Teil ihrer Praxis zu sein. Harrell: Zehn Jahre lang habe ich vor allem in der Voguing-, Ballroom- und Fashion-Szene geforscht. Seit 2013 befasse ich mich intensivst mit Butoh und reise regelmäßig nach Japan. Aber ich bin nicht der große Forscher, der seine Ergebnisse auf der Bühne präsentiert. Viel eher lasse ich die Bewegungen und Ästhetiken in mich eindringen und dann kommen sie raus, wie sie wollen. Die Art, wie ich Sound verwende und über Bewegung auf der Bühne nachdenke, wurde vom Voguing beeinflusst. Ich versuche allerdings, nichts zu reproduzieren, das empfände ich als respektlos. Um ehrlich zu sein: Butoh hat sehr viele Stücke hervorgebracht, die sich mit dem Tod beschäftigen. Er wird immer ein Teil von mir sein, aber ich glaube, bald habe ich meine Forschungen dazu abgeschlossen. Ich fühle, dass es reicht und ich weiterziehen muss.

INTERVIEW: SARA SCHAUSBERGER

heit ist immer kontextabhängig. Die Freiheit des einen bedeutet nicht unbedingt Freiheit für jemand anderen. „The Köln Concert“ war letztes Jahr schon in Wien und begeisterte total. Heuer läuft die Arbeit bei ImPulsTanz als Classic. Es klingt sehr riskant, ein Tanzstück zu Keith Jarretts berühmtestem Werk zu inszenieren. Hatten Sie keine Angst davor? Harrell: Ich habe mich total gefürchtet und mich über 20 Jahre lang nicht drübergetraut. Als junger Künstler hörte ich „The Köln Concert“ zum ersten Mal und verliebte mich sofort. So eine Musik hatte ich noch nie zuvor gehört. Als Corona kam, fragten mich

die Züricher Intendanten, ob ich mir vorstellen könne, ein Stück mit Abstandsregeln zu machen. Ich überlegte: Ich habe schon oft mit Klavierhockern gearbeitet, ich setze einfach sieben Tänzer:innen auf sieben Hocker. Vielleicht war es an der Zeit für mein allerliebstes Musikstück? Aber etwas sagte mir, es wäre nicht richtig. Bis ich in meinem Schlafzimmer lag und Joni Mitchell hörte. Mir kam die Idee, dass die Sängerin den Abend eröffnen und die Klaviermusik rahmen könnte. Und so traute ich mich drüber. So wie in fast allen ihren Choreografien tanzen Sie in „The

Kommen nun die Komödien? Harrell: Humor steckt zwar in allen meinen Stücken, aber meine Natur weist eher in Richtung Tragödie. „Maggie The Cat“ – eine Neuinterpretation von Tennessee Williams’ Südstaaten-Drama „Cat on a Hot Tin Roof “ – ist bis jetzt meine einzige Komödie und es ist mir nach wie vor ein Rätsel, wie mir das gelingen konnte. F Monkey off My Back or the Cat’s Meow 27. und 29.7., 21 Uhr, Museumsquartier, Halle E The Köln Concert 31.7. und 2.8., 21 Uhr, Volkstheater Maggie The Cat 4. und 6.8., 21 Uhr, Volkstheater


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FOTO: KEVIN CALIXTE

AUTOBIOCHOREOGRAFIEN Jérôme Bel, Boris Charmatz, Mélanie Demers, Olivier Dubois und andere blicken in ihren Stücken auf ihr Leben und Werk RETROSPEKTIVE: WOLFGANG KRALICEK

Bel lässt in seinem neuen gern innehält und eine ZwischenbiJ érôme Solo knapp 30 Jahre als Choreograf lanz zieht. Der Konzeptchoreograf Jérôme Bel, 59, war bei ImPulsTanz oft vertreten, zum ersten Mal bereits 1997 mit „Jérôme Bel“. In diesem Frühwerk, seiner zweiten eigenen Arbeit, wollte der Franzose eine Art choreografischen Nullpunkt kreieren: „Jérôme Bel“ war das Konzentrat einer Performance, alles war auf die nackten Körper der vier Performerinnen und Performer reduziert. Das Stück, das Bel dieses Jahr zeigt, heißt zwar auch „Jérôme Bel“, aber das täuscht. Es handelt sich um eine neue Arbeit: ein Solo, in dem Bel auf sein bisheriges Schaffen zurückblickt; er selbst spricht von einem „auto-bio-

FOTO: MARC DOMAGE

Revue passieren. Olivier Dubois zeigt und kommentiert Auszüge aus den 60 Stücken, an denen er in seiner Karriere bisher mitgewirkt hat. Ivo Dimchev hat die 40 besten Szenen und Songs seines Œuvres kompiliert. Boris Charmatz hat nach 30 Jahren sein erstes echtes Solo geschaffen. Marina Otero und Mélanie Demers bringen persönliche Geschichten auf die Bühne, die jedoch von anderen performt werden. Autobiografische beziehungsweise autofiktionale Stücke sind eine markante Spur im diesjährigen Programm von ImPulsTanz. Die meisten davon wurden von Künstler:innen um die 50 choreografiert; ein Alter, in dem man


SOMNOLE 8.7., 21 Uhr und 10.7., 19 Uhr, Odeon Confession Publique 14.7., 19 Uhr und 16.7., 21 Uhr Schauspielhaus My body of coming forth by day 20. und 22.7., 21 Uhr Burgtheater Bühne Jérôme Bel 5.8., 21 Uhr (dt.) und 6.8., 21 Uhr (engl.) Kasino am Schwarzenbergplatz

FOTO: JULIEN BENJAMO

FOTO: HERMAN SORGELOOS

Mélanie Demers: „Confession Publique“ (links); Jérôme Bel: „Jérôme Bel“ (unten); Boris Charmatz: „SOMNOLE“ (ganz unten links); Olivier Dubois: „My body of coming forth by day“ (ganz unten rechts)

choreografischen“ Stück. Er hat einen Text geschrieben, der von Videobeispielen aus seinen Performances begleitet wird, darunter das alte „Jérôme Bel“, aber auch das DiscoStück „The Show Must Go On“, sein populärstes Werk, oder das mit dem Schweizer Theater Hora inszenierte „Disabled Theater“ (sie alle waren bei ImPulsTanz zu sehen). Vor ein paar Jahren hat Jérôme Bel beschlossen, aus politischen Gründen keine Flugreisen mehr zu machen; angeblich weigert er sich sogar, Aufführungen von Künstler:innen anzusehen, die mit dem Flugzeug angereist sind. Vielleicht ist das ja mitverantwortlich dafür, dass er sich in dem neuen Solo jeweils von einem lokalen Künstler (oder auch einer Künstlerin) vertreten lässt: In Berlin, wo „Jérôme Bel“ im vergangenen Jänner im HAU lief, stand die Schauspielerin Ruth Rosenfeld (Schaubühne) auf der Bühne, bei ImPulsTanz wird es Nestroypreisträger Max Mayer sein. „Jérôme Bel“ ermöglicht somit auch das Wiedersehen mit einem Schauspieler, der Teil des fast schon legendären Ensembles war, das Andreas Beck bis 2015 am Wiener Schauspielhaus versammelt hatte. The Show Must Go On! Boris Charmatz, 50, wird oft in einem Atemzug mit Jérôme Bel genannt. Er gehört derselben Generation an und verfolgt ebenso einen konzeptuellen, theoretisch fundierten Ansatz. Charmatz ist aber, wenn man so will, näher am Tanz geblieben; man sieht das auch daran, dass er seit dem Vorjahr die künstlerische Leitung des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch übernommen hat. Letzteres ist bei ImPulsTanz diesmal nicht am Start, dafür zeigt Boris Charmatz sein Solo „SOMNOLE“. Erstaunlicherweise ist es das erste „richtige“ Solo seiner Karriere; er hat zwar schon öfter Solos getanzt, aber noch kein eigenständiges, abendfüllendes Solostück erarbeitet. Der Titel leitet sich vom schönen französischen Verb „somnoler“ ab, was so viel wie „dösen“ oder „halb schlafen“ bedeutet. „Ich mag es, dass mir choreografische Ideen immer dann einfallen, wenn ich gerade am Einschlafen bin“, erklärt Charmatz, „ich wollte ein Solo choreografieren, das von genau diesem Status der Latenz inspiriert ist.“ Besonderes Augenmerk sollte das Publikum auf die akustische Ebene des Solos legen: Während der gesamten 60 Minuten der Performance pfeift Charmatz sich seine eigene Begleitmusik – übrigens eine Parallele zu „Jérôme Bel“ aus dem Jahr 1995, als die Tänzer:innen sich die Musik selbst gesungen hatten. Der Pfeif-Soundtrack umfasst vor allem klassische Melodien von Bach, Mozart oder Vivaldi, aber auch Vogelstimmen, Filmmusik von Ennio Morricone oder den Titelsong von „La Boum“. Eine gepfiffene Autobiografie, wenn man so will.

Olivier Dubois, 51, begann seine Karriere als Tänzer bei Angelin Preljocaj, Jan Fabre oder Sasha Waltz, ehe er 2007 seine eigene Compagnie gründete. Mit dem Solo „Pour tout l’or du monde“ nahm Dubois 2008 an der ImPulsTanz-Newcomer-Reihe [8:tension] teil und gewann den damals zum ersten Mal ausgelobten Prix Jardin d’Europe. Das Solo „My body of coming forth by day“, mit dem Dubois heuer bei ImPulsTanz gastiert, ist eine äußerst unterhaltsame Retrospektive. Der Künstler agiert wie ein Talkshow-

Host an einem Schreibtisch, er trinkt Champagner, raucht eine Zigarette nach der anderen (ob das die Wiener Behörden erlauben werden?) und führt Schmäh mit dem Publikum. Auf dem Schreibtisch liegen 60 Kuverts mit den 60 Rollen, die er im Lauf der Zeit getanzt hat; Zuschauerinnen und Zuschauer werden eingeladen, ein Kuvert zu ziehen. Aus dem betreffenden Stück tanzt Dubois dann was vor und kommentiert sich dabei selbst. Auch Ivo Dimchev, 47, blickt zurück. In „Begeraz Top 40“ bringt er sein persönliches „Best of “ auf die Bühne; eine Auswahl der besten Szenen und Songs aus 20 Jahren und mehr als 40 Produktionen (siehe Seite 8). Die argentinische Tänzerin/Choreografin Marina Otero, 39, beleuchtet in „FUCK ME“ (siehe Seite 11) ein dunkles Kapitel ihrer Familiengeschichte: Ihr Großvater war während der argentinischen Militärdiktatur Geheimdienstoffizier und hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Die Performance ist eine Art Rachefeldzug, in dem Otero selbst allerdings nur eine Nebenrolle spielt; weitgehend überlässt sie die Bühne sechs männlichen, nackten Tänzern. Auch das Nachfolgeprojekt, das Solo „LOVE ME“, ist bei ImPulsTanz im Programm. Die kanadische Choreografin Mélanie Demers, 49, hat mit ihrer Compagnie Mayday schon mehr als 30 Stücke kreiert; bei ImPulsTanz ist sie heuer erstmals präsent. „Confession Publique“ ist die biografischpoetische Erzählung einer Emanzipationsgeschichte; der Text ist zwar sehr persönlich, wird aber nicht von Demers selbst, sondern von Angélique Willkie performt – was dem subtilen Abend eine zusätzliche Farbe verleiht. Willkie, die in „Confession Publique“ auch Schlagzeug spielt, ist als Dozentin regelmäßig zu Gast bei ImPulsTanz; heuer leitet sie auch das Mentoringprogramm ATLAS. „In dieser Arbeit widmen wir uns dem Privaten und Verschwiegenen“, schreibt Mélanie Demers. „Wir begeben uns in den Sumpf, in die Untiefen der Psyche. Das ist unser Protest gegen die vulgäre Selbstentblößung, mit der man heute ununterbrochen bombardiert wird.“ F

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FOTO: MACA DE NOIA

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Marina Otero macht in ihrem Stück aus Autofiktion offenen Protest

Vielleicht wird Sie dieser Beitrag irritieren PORTRÄT: JÜRGEN BAUER

ls die „Tagesschau“ im August A 2021 über Marina Oteros Stück „FUCK ME“ berichtete, schickte die Moderatorin eine Warnung an das Publikum voraus: „Vielleicht wird der folgende Beitrag den einen oder anderen etwas irritieren.“ Immerhin stehen in der Aufführung gleich ein halbes Dutzend nackter Männer auf der Bühne. Es hagelte trotz der Warnung Beschwerden. „Obszön, dekadent und abartig“ sei das Gezeigte und den Zuseher:innen nicht zuzumuten. Dabei nutzt Otero Nacktheit keineswegs in plakativer Form, sondern zur ganz konkreten Erzählung ihrer eigenen Geschichte. Die argentinische Tänzerin hat ihren Körper durch das Tanzen zugrunde gerichtet. Deshalb hat sie die gestählten Männer engagiert, nach einjährigem Krankenhausaufenthalt schaue sie lieber denen dabei zu, „wie sie ihre Körper für meine narzisstische Sache zur Verfügung stellen“. Die narzisstische Sache ist die autofik-

tionale Geschichte, die Otero erzählt. Als Enkelin eines Geheimdienstoffiziers der argentinischen Militärdiktatur bringt sie finstere Geheimnisse der Großeltern zur Sprache. „Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich als Heldin auf der Bühne stehe und an allem Rache übe“, sagt sie. Nun macht sie aus persönlicher Geschichte offenen Protest. Quasi ein Lebensstriptease. Seelische an der Seite von körperlicher Nacktheit. Düstere Themen behandelt auch „LOVE ME“. Als Sequel zu „FUCK ME“ angekündigt, erzählt das Stück von Oteros Abschied aus Argentinien und ihrer Flucht nach Spanien. Auch dieses Werk spricht über „die Dunkelheit und Gewalt, die ich in mir trage“, und das mit vielschichtigem Text und explosivem Punk-Tanz. F FUCK ME 25.7., 21 Uhr und 27.7., 19 Uhr, Akademietheater LOVE ME 28.7., 23 Uhr, Schauspielhaus


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An den Wurzeln von Wahnsinn und Weisheit Frisch und lebendig: Die gefeierte kanadische Choreografin Marie Chouinard zeigt ihr neues Tanzstück « M » arbeiten. Weniger offensiv als Florentina Holzinger und weniger antinormativ als Doris Uhlich. Aber sehr wohl als deutliche Positionierung gegen die Vernageltheit prüder Ideologien. Chouinard beschreibt die Tänzer:innen bei « M » als eine „Gemeinschaft, die in einer Endlosschleife auf die Wurzeln von Wahnsinn und Weisheit stößt“.

GLÜCKSBRINGER: HELMUT PLOEBST

nard und gibt an: „Ich höre nie auf, über den Reichtum der menschlichen Erfahrung glücklich zu sein.“ Die kanadische Choreografin, geboren 1955 in Quebec, zeigt sich gerne positiv und ironisch: „Die Lebenskräfte haben immer zwei Seiten. Und wir werden sterben. Tut mir Leid, aber das habe nicht ich entschieden. Vielleicht ist es nicht so schlecht, dass wir sterben. Es ist schön.“ Sozusagen zum Sterben schön sind etliche ihrer Stücke, die sie seit 1988 auch bei ImPulsTanz in Wien zeigt. Damals war es „L’Après-midi d’un faune“, 1994 folgte „Le Sacre du printemps“, beides Arbeiten, die damals kontroversiell genug diskutiert wurden, um der Choreografin den ehrenvollen Titel eines „Enfant terrible der kanadischen Tanzszene“ zu bescheren.

F OTO: S Y LV IE A NN PA R E

er Körper ist ein Universum aus Gefühlen, Philosophie, Wahrnehmung D von Dingen und Zeit“, sagt Marie Choui-

In « M » konzentriert sich Star-Choreografin Marie Chouinard auf Atem und Stimme

Heute blickt Chouinard auf eine international

äußerst erfolgreiche Karriere zurück, und « M » sie hat wohl eine vielversprechende Zeit 12. und 14.7., 21 Uhr vor sich, wenn man die Frische und Le- Volkstheater

bendigkeit ihres neuen Tanzstücks « M » als zukunftsweisend deuten will. Darin folgen zwölf Tänzerinnen und Tänzer den Rhythmen, der Musik und den Intensitäten des Atems. „Der Körper, das Atmen, die Verbindung zwischen Denken und Fühlen“ und das Auskosten „aller Verbindungen innerhalb des Körpers“, die laut Chouinard die Hauptreferenzen ihres Werks bilden, treiben auch dieses Stück an. Ihr positives Verhältnis zum Körper veranlasst die Choreografin immer wieder, mit Nacktheit zu

Immer wieder bringt die Choreografin den

Spagat zwischen dem Irren und der Intelligenz, wie ihn die „kultivierte“ Spezies Homo andauernd zu vollführen verurteilt ist, auf die Bühne. Aber bei ihr siegt in aller Ambivalenz am Ende überwiegend das Gefühl, dass dem Guten die Öffentlichkeit gehören müsste. Das Wichtigste für sie ist, zu demonstrieren, „wie wir unsere persönlichen Leben schaffen können und wie sehr wir die Schöpfer unseres Glücks sein können“. Sie sagt zwar salopp, „ich bin überhaupt nicht intellektuell“, aber genau dieses Insistieren auf das Überschreiten von akademischen Eingrenzungen verlangt große Disziplin, wenn es zu einem Kunstwerk führen soll, das kein oberflächliches Unterhaltungsspektakel darstellt. Und das gelingt Marie Chouinard hervorragend. F

„Fase“: Der Tanzklassiker schlechthin Anne Teresa De Keersmaeker hat mit ihrem Stück die Tanzgeschichte geprägt: Nun gibt sie es an eine neue Generation weiter Genau wie die Musik geht auch der Tanz von dem Prinzip der Phasenverschiebung aus. Der Begriff bezeichnet kleinste Variationen: Bewegungen, die zu Beginn komplett synchron sind, gleiten und verschieben sich allmählich, was ein faszinierendes Spiel sich ständig verschiebender Formen und Muster ergibt.

TANZGESCHICHTE: JÜRGEN BAUER

der Tanz- und Performancegeschichte wieder gezeigt und in eine neue Zeit transferiert. Heuer gibt es im Rahmen der Reihe nicht irgendeinen Klassiker zu sehen, sondern den Klassiker der zeitgenössischen Tanzgeschichte schlechthin: Anne Teresa De Keersmaekers „Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich“. 1982 – und damit noch vor Gründung des ImPulsTanz Festivals – reiste die damals 22-jährige De Keersmaeker mit einer Aufnahme der Musik Steve Reichs in der Reisetasche nach New York und legte dort den Grundstein für das dann in Brüssel uraufgeführte Stück, das bis heute als Ausgangspunkt nicht nur ihres eigenen Werkes gilt, sondern auch vieles von dem begründete, was ab den 80er-Jahren von Belgien aus die Tanzwelt veränderte. „In ‚Fase‘ geht es um die Kunst der Choreo-

grafie“, hat Anne Teresa De Keersmaeker einmal gesagt. „Das Bewegungsmaterial ist sehr minimalistisch, fast banal. Es er-

FOTO: ANNE VAN AER SCHOT

eit einigen Jahren gibt es bei ImPulsS Tanz das Format „ImPulsTanz Classic“. Hier werden ikonische Aufführungen

Die belgische Kompanie Rosas tanzt eine ikonische Choreografie aus dem Jahr 1982

Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich 17. und 19.7., 21 Uhr Volkstheater

innert an die Art und Weise, wie ein Kind tanzt.“ Doch wie es mit Kindertänzen so ist – mögen sie noch so einfach wirken, sie entfalten eine unglaubliche Energie. Ohne die Komposition zu illustrieren, schafft De Keersmaeker zu den vier minimalistischen Musikstücken, allesamt zwischen 1966 und 1972 entstanden, eine abstrakte Tanzsprache, die dennoch eine körperliche und emotionale Intensität entfaltet. „Mit ‚Fase‘ habe ich gelernt, wie man choreografiert“, sagt die Choreografin über diesen Prozess.

Ursprünglich tanzte De Keersmaeker die

Choreografie gemeinsam mit Michèle Anne De Mey selbst, seit einigen Jahren hat sie das Werk an eine neue Tänzerinnengeneration weitergegeben. Den Prozess des Abschiednehmens hat De Keersmaeker, die sich auch über 40 Jahre nach dem Entstehungsprozess mehr als Tänzerin denn als Choreografin begreift, als „eine Form der Trauer“ bezeichnet. Und doch wagt sie den Schritt, haben die Tänzerinnen ihre Sprache doch nach vielen Jahren verinnerlicht, wie sie sagt, gewinnt diese Sprache doch jedes Mal an Tiefe, wenn sie wieder aufgegriffen wird. De Keersmaekers Kompanie Rosas wurde einmal als Rockband mit einer Frontfrau bezeichnet. Zeit für eine neue Generation im Publikum, ihr frühes Werk neu zu entdecken. F


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FOTO: FREAD DEBROCK

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Benjamin Abel Meirhaeghe ist 28. Mit drei Abenden wird der Belgier das Wiener Publikum verzaubern. Versprochen. Hier am Lagerfeuer das Ensemble aus „Madrigals“

an muss sich einfach nur auf die große Theatermaschine M samt Nebel, Kitschorgel und überirdischem Gesang einlassen. Am Ende von „Madrigals“ hat das Publikum keinen sehnlicheren Wunsch, als mit den acht singenden Tänzer:innen (oder tanzenden Sänger:innen) gemeinsam auf der Bühne um das Lagerfeuer zu sitzen. Herzerwärmend ist das. Man muss sich ja nicht gleich selbst nackt machen. Das Stück, das auf Festivals international für Aufsehen sorgt, schwingt zwischen Tanz und Musiktheater, zwischen Spätrenaissance, Frühbarock und Gegenwart. Benjamin Abel Meirhaeghe, der erst 28-jährige Macher des Ganzen, ist Countertenor und aufstrebender Regisseur aus Belgien. Gemeinsam mit den Tänzer:innen und vier Live-Musiker:innen bringt er Claudio Monteverdis Kriegs- und Liebesgesänge „Madrigali guerrieri ed amorosi“ neu auf die Bühne. So haben wir Monteverdi vielleicht noch nie gehört, aber sicher nicht gesehen. „Utopische Rituale“ lautet das Thema in Meirhaeghes „Madrigals“, die Menschheit, die sich selbst und ihre Utopie der Freiheit abfeiert. Die nackten Performer:innen verbinden

Vergangenheit und Zukunft und führen in einer Art dionysischer Gemeinschaft rund um lodernde Flammen in der Bühnenmitte die Geburt einer neuen Gesellschaft vor. Singend und tanzend werden sie zu einem Körper,

Countertenor und Theatermacher Benjamin Abel Meirhaeghe hat keine Angst vor der Kitschorgel

mich auch mal ins Puppentheater. An Theatralik mangelte es also nicht.“ Seine Mutter wollte sogar durchsetzen, dass ihr Sohn in der Schule unbedingt „etwas mit Kunst“ machen soll. „Die Antwort dort lautete allerdings, dass man für Kunst etwas wirklich gut können müsse. Ich wurde einfach auf eine ungebildete Person reduziert.“

PORTRÄT: CHRISTOPHER WURMDOBLER

Gerade behauptet sich Benjamin Abel

Madrigeil ODER In höchsten Tönen

elektronische Beats verbinden sich mit einem klassischen Konzert. Die Musik dabei kommt nämlich nicht nur von Monteverdi. Der audiovisuelle Pop-Kunst-Experimentalist Jesse (Doon) Kanda, Kooperationspartner von Björk, FKA Twigs und Arca, und Co-Komponist Wouter Deltour sorgen für einen neuen Sound. Mit Respekt vor Monteverdi eröffnet diese Produktion neue Perspektiven und überschreibt die barocken Chorgesänge. „Das klassische Repertoire“, so Meirhaeghe, solle sich nämlich nicht ewig „um sich selbst drehen“. Dabei entstammt der junge Theatermann aus Belgien gar nicht jener bildungsbürgerlichen Schicht, die er mit Arbeiten wie „Madrigals“ möglicherweise nun anzusprechen versucht. Er sei in den flämischen Ardennen aufgewachsen, mit einem Vater, der in der Fabrik geschuftet hat, und

einer Mutter, die Sekretärin war. In einem Zuhause mit einer „Kakophonie als Dekoration“, inklusive scheußlicher roter Ledermöbel. „Es ist sehr untypisch, dass ich jetzt als Ästhet betrachtet werde“, sagt er. „Alle meine Freunde und alle, die mit mir auf der Bühne sind, haben intellektuelle Eltern. Ich beziehe mich immer darauf, auf diese höheren Kreise. Ich komme aus der untersten Bildungsschicht. Verstehen Sie diese Spannung? Es ist eine Menge Bluff dabei, aber ich habe auch das Gefühl, dass es das ist, was ich tun muss.“ Apropos Bluff: Den klassischen Ge-

sang hat sich Meirhaeghe selbst beigebracht, und er ist damit sehr erfolgreich unterwegs. Es gab aber schon Kultur im Haus, eine Compilation-CD mit klassischer Musik zum Beispiel, französische Lieder. „Und meine Eltern brachten

Meirhaeghe auf den internationalen Bühnen und wird von der Kritik gefeiert. „Madrigals“, eine Produktion des Muziektheater Transparant, ist nicht das einzige Stück, mit dem er bei ImPulsTanz zu Gast ist. Sein Abend „Spectacles“ ist vergleichsweise ein Kammerspiel. Auch in diesem elektronischen Performance-Konzert hört man den jungen Mann in höchsten Tönen singen. Das Stück balanciert entspannt zwischen Spektakel und Liebesritual. Zwischen Theaternebelschwaden, magischem Licht und überbordender Theatralik inszeniert er zusammen mit dem Musiker Laurens Mariën und der Tänzerin Hanako Hayakawaeine eine sinnliche Bühnenshow. Operativer Dada-Blues-Punk-Pop trifft hier auf überirdischen Gesang und düstere Beats. F Spectacles 21.7., 23 Uhr, Schauspielhaus Madrigals 24. und 26.7., 21 Uhr, Volkstheater


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FOTO: MARC DOMAGE

Emmanuelle Huynh wirft einen queeren Blick auf Bilder einer Ausstellung

WHEN DANCE MEETS ART Kommt der Tanz ins Museum, erhält auch die Kunst neuen Drive. Kaum je hat ImPulsTanz mit so vielen Wiener Museen kooperiert wie bei der diesjährigen Ausgabe

Lara Kramer beruft sich in „Them Voices“ auf die Stimmen ihrer Ahn:innen

Ishmael Houston-Jones improvisiert mit Keith Hennessy in „Closer“

Benoît Lachambre holt unterschiedliche Kulturen in die Künstlerhaus Factory

FOTO: RITA DENIS

FOTO: DIMITRI HADDAD

FOTO: ROBBIE SWEENY

FOTO: CHARLES LAFRANCE

ÜBERBLICK: NICOLE SCHEYERER

Die Volkstanz-Dekonstruktion „fractional step“ im Mumok


IMPULSTANZ 23 er Abend ging als „Museum Bacon Ende der 1940er-Jahre seine rote Hula-Hoop-Reifen zum EinD Event No. 1“ in die Tanz- modernen Versionen des Kirchen- satz kommen. Das mumok präsentiert aktuell geschichte ein: Auf seiner ers- oberhaupts, die auch als „screa-

„Rendez-vous“ titelt die aktuelle Schau in Hortens Privatmuseum, die sich „Picasso, Chagall, Klein und ihrer Zeit” widmet. Mit Mathilde Monnier bietet der historischen Pariser Malerriege eine der wichtigsten Choreografinnen Frankreichs und Leiterin renommierter Tanzzentren die Stirn. In ihrem Solostück „Défilé pour 27 chaussures“ (Umzug für 27 Schuhe) vereint Monnier Eleganz mit einer feministischen Grundhaltung. Ein „queer eye“, also einen queeren Blick, wirft Emmanuelle Huynh auf Bilder einer Ausstellung. Seit 2019 reist die französisch-vietnamesische Tänzerin mit ihrem In-situ-Projekt „Archeologia“ von Museum zu Museum und konzipiert Stücke, die mit Kunstwerken vor Ort spielen. Die Kunstgeschichte kennt zahllose Beispiele dafür, wie Tanz und Malerei einander inspiriert haben. Auf zwei intensive Porträtgemälde bezieht sich das Stück „The Two Pop(e)s“, das Roland Rauschmeier und Yosi Wanunu von toxic dreams im Leopold Museum zeigen. Der Barockmaler Diego Velázquez fing einst Papst Innozenz X. mit grimmiger Miene ein; drei Jahrhunderte später schuf der Brite Francis

ming popes“ bekannt wurden. Nun machen sich zwei zeitgenössische Performer daran, Repräsentationen von Macht und Ohnmacht auszuloten. Das Ende des Glaubens in die menschliche Allmacht ist angesichts der aktuellen ökologischen Krisen längst besiegelt. Das Künstlerhaus widmet seine Sommerausstellung „human_nature“ dem Anthropozän, also der vom Menschen veränderten Erdentwicklung. Für ImPulsTanz öffnet es seinen „Factory“ genannten Saal für Positionen aus Tanz und Performance, die sich mit unserer Beziehung zur Umwelt auseinandersetzen. Der Welt der Pflanzen wendet sich das Stück „This is not a garden. vegetal encounters“ von Lisa Hinterreithner zu, das auf Recherchen zu Europas historischen Gartenanlagen und deren kolonialistischem Erbe gründet. Zumindest im Titel spielt auch die Gruppenperformance „MOSSBELLY“ (Moosbauch) von Angela Schubot auf Gewächse an. Die kanadische Künstlerin Lara Kramer thematisiert in ihrer Arbeit die kulturelle Bedeutung der First Nations, die Diskriminierung und wie an die indigenen Völker erinnert wird. Kramers aus Montreal stammender Landsmann Benoît Lachambre holt mit kanadischen, mexikanischen und libanesischen Performer:innen drei unterschiedliche Kulturen in die Künstlerhaus Factory. Sein Stück „All in All“ dreht sich auch um Isolation und Ausbruch da, wobei 80 rosa-

Archeologia 3.8., 21 Uhr, 5.8., 19 Uhr, Heidi Horten Collection Them Voices 15. und 16.7., 17 Uhr, 16.7., 21 Uhr, Künstlerhaus Factory Closer 29.7., 19 Uhr, 31.7., 19 Uhr, mumok All in All: Perro de Fuego y Rata de Agua 31.7., 18 Uhr, 1.8., 19 Uhr, 2.8., 21 Uhr, Künstlerhaus Factory All in All: Boreal Castles 3.8., 17 Uhr, 4.8., 21 Uhr, Künstlerhaus Factory All in All: L’Ogre, le Phénix et l’Ami Fidèle 5.8., 21 Uhr, 6.8., 19 Uhr, Künstlerhaus Factory the other side / the whip / fractional step 3.8., 19 Uhr, mumok

Die Mensch-Maschine kennt Humor: Zwei Männer im Duett

die erste große Soloschau des amerikanischen Künstlers Adam Pendleton in Europa. In seinem multidisziplinären Werk zeigt der 1984 in Virginia geborene Afroamerikaner auch ein leidenschaftliches Interesse an Tanz und Performance. Der Ausschluss Schwarzer Körper aus der westlichen Kulturgeschichte bildet dabei ein implizites Thema. So traf Pendleton, der ursprünglich von der Malerei kommt, für sein allererstes filmisches Porträt die Tanzikone Yvonne Rainer. In Rainers New Yorker Lieblingslokal teilte der Künstler mit der Choreografin unter anderem Texte über Blackness und Erfahrungen von Rassismus. Im Erdgeschoß des Museums präsentiert Pendleton seine Gemälde und Keramiken, aber die große Saalfläche bleibt leer. Während ImPulsTanz wird sie zum Ort für den Dialog mit unterschiedlichen Choreograf:innen, unter anderem für den Tänzer und Choreografen Ishmael Houston-Jones, von dem die Schau ein Filmporträt zeigt. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat der 1951 geborene Tänzer immer wieder mit Keith Henessy improvisiert; in ihrem Stück „Closer“ setzen sie ihr tänzerisches Gespräch jetzt fort.

AUS DER MANEGE: LARA CORTELLINI

er sich sonst von theoretischW ernsten Bewegungsstudien abschrecken lässt, wird an „Through the Grapevine“ von Alexander Vantournhout Freude haben. Der belgische Künstler und Choreograf hat sowohl zeitgenössischen Tanz als auch Zirkus-Kunst studiert und lässt in seine Projekte gerne beides einfließen. Im Duett mit Axel Guérin aus seiner „not standing“-Company zeigt Vantournhout eine Mischung aus Tanz, Akrobatik und reduzierten Zirkus-Elementen. Zwei Männer in gelben Shorts bewegen sich darin durch ein simples, schwarz-weißes Bühnenbild. Mit meist kräftigen Bewegungen fügen sie ihre Körper zu verschiedenen mobilen Skulpturen zusammen. Aktive Tableaux vivants entstehen: Mal sitzen die Tänzer so aufeinander, dass sie zusammen wie ein Ball davonrollen oder wie ein Schaukelpferd hin und her wippen. Ein anderes Mal experimentieren sie mit maschinenähnlichen Wiederholungen und weit ausgestreckten Armen, Gleichgewichtsübungen und lockeren Impulsen. Dieses Spiel aus Nähe und Distanz sowie Anspannung und Entspannung entwickelt sich allmählich zu einer rhythmischen Harmonie zwischen den beiden Tänzern. Eine angedeutete Kritik an übertriebenen Männlichkeitsidealen und einer auferzwungenen Angst vor Berührungen liegt dabei nahe. Vantournhout und Guérin bilden ein funktionierendes Team. Ihre Körper stoßen mit den akrobatischen Figuren an ihre sportlichen Grenzen. Oft sieht man im Geschehen kaum noch, welcher Arm oder welches Bein nun zu wem gehört. Wer ebenfalls die eigene Mobilität erforschen will, kann Alexander Vantournhout auch als WorkshopLeiter in Aktion erleben. F

Bekannt wurde Pendleton mit sei-

nem „Black Dada Reader“; Akemi Takeya stellt dem mit „The Act of LemoDada“ ihre japanisch-europäische Variante gegenüber. „Eine Begegnung mit der Gegenwart, eine Suche nach Utopie, eine Konfrontation zwischen Körper und Zitrone, Original und Kopie, Tragödie und Komödie, Unsinn und Sinn“, so die Performerin zur Uraufführung ihres neuen Solos. Der norwegische Performer Harald Beharie wuchs in Oslo auf, lernte durch seinen Vater aber auch die jamaikanische Dancehall-Kultur kennen. Als er deren sexistischhomophobe Tendenz begriff, recherchierte er in Jamaika. Mit „Batty Bwoy“ erkundet Beharie seinen eigenen Schwarzen Körper als Projektionsfläche, Objekt der Schaulust und queeres Subjekt. Das Thema Pflanzen kehrt im mumok in „Hedera helix“ von Elizabeth Ward wieder. Das Stück speist sich aus barocker Gartengestaltung, höfischem Tanz und Postmoderne. Der dreiteilige Abend „the other side/the whip/fractional step“ mit Tarik Burnash und Elena Demyanenko, Yulia Arsen, Tatiana Chizhikova und Roman Malyavkin versammelt Akte des Widerstands gegen Scham und Wut. Esben Weile Kjær mit „BURN!” und Ivo Dimchev mit „The SelfieConcert“ komplettieren das Programm im mumok. F

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Through the Grapevine 16.7., 21 Uhr, 18.7., 19 Uhr, MQ, Halle G

FOTO: BART GRIETENS

ten Europatournee 1964 gastierte Modern-Dance-Legende Merce Cunningham auch im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts – zu jener Zeit ein ungewöhnlicher Auftrittsort. Für den großen offenen Saal des ehemaligen Weltausstellungspavillons erfand der US-Choreograf ein spezielles Format, eben jenes des „Events“. Seine Company führte schließlich eine Art Collage älterer Stücken zur Musik des Minimalisten John Cage auf. Warum verlässt der Tanz die Bühne? „Im Museum entsteht ein anderes Verhältnis zum Publikum, ebenso zu Raum und Zeit“, erklärt die Kuratorin Christine Standfest von ImPulsTanz zum Wunsch nach Interaktion mit den Zuschauer:innen, der in den 1960er-Jahren erstmals Ausdruck fand. Die Performer:innen treten dem Publikum nicht mehr frontal und hierarchisch gegenüber, sondern setzen sich selbst stärker aus. Die tanzenden Füße berühren den gleichen Boden wie jene der Betrachter:innen, ihre Blicke nähern sich an und auch die Kunst gerät gewissermaßen in Bewegung. Kaum je hat ImPulsTanz mit so vielen Wiener Ausstellungshäusern kooperiert wie bei der diesjährigen Ausgabe. Neben den langbewährten Partnerinstitutionen Leopold Museum und mumok hält das Festival heuer auch in der Heidi Horten Collection und im Künstlerhaus Einzug.

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Alexander Vantournhout und Axel Guérin verbinden Akrobatik und Tanz


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Körper Visionen mit

Attention! Die Newcomer-Reihe [8:tension] stellt neun aufstrebende Choreograf:innen und Tänzer:innen vor

s ist leicht, den Überblick zu verlieren E zwischen Namen wie ATLAS, danceWEB und den professionellen Workshopangeboten. Was das ImPulsTanz-Festival besonders macht, ist nicht nur das große Publikumsangebot, sondern mindestens genauso die sehr begehrten Programme für die Generation zwischen Ausbildung und künstlerischen Anfängen. Es lohnt sich auch für Zuschauer:innen, den Fokus auf die jungen Choreograf:innen und Künstler:innen zu legen, die jedes Jahr in der [8:tension] Young Choreographers’ Series vorgestellt werden. Christine Standfest leitet und kuratiert das Programm, welches dieses Jahr aus neun Beiträgen aus Ländern wie Australien, Ungarn, Griechenland, Österreich, Norwegen und Portugal besteht. Während es in den Anfängen immer streng acht Beiträge waren, variiert die Menge an Performances seit ein paar Jahren. Diesmal kann die Auswahl mit einem mul-

tidisziplinären und genreübergreifenden Ansatz locken. Einige Performances arbeiten weiterhin mit den Techniken einer Tanzausbildung, wie etwa „Shortcuts to familiar places“ von James Batchelor & Collaborators. Mit einem Fokus auf Ausdruckstanz und einer Hommage an Gertrud Bodenwieser, die seine eigene Tanzlehrerin inspirierte, befasst sich Batchelor mit Bodenwiesers Flucht vor dem Nationalsozialismus nach Australien. Und damit auch ihrem Einfluss in der Tanzgeschichte: Die gebürtige Österreicherin wurde zur Wegbereiterin des Ausdruckstanzes in Down Under.

„DELICATE“ von Anna Biczók hingegen konzentriert sich auf das Körpergedächtnis, das Erinnerungen, Berührungen und Erlebnisse speichert. Sie verwendet den Tanz als Medium zur Untersuchung weiblicher, (ost-)europäischer Erfahrungen. Drei Tänzerinnen, Karin Pauer, Adél Juhász und Sasha Portyannikova, mit österreichischem, ungarischem und russischem Hintergrund, verkörpern diese Suche auf der Bühne. Andere [8:tension]-Künstler:innen wiederum orientieren sich in ihren Choreografien an der bildenden Kunst, an Popkultur, Musik oder Film. Immer mit dabei ist der Bezug auf den Körper in Bewegung und Körperlichkeit in allen Facetten und Herausforderungen – ob in Digitalisierung, Natur oder Ekstase. Auch der Sex soll neu entdeckt werden, nicht

nur, aber auch in queerem Kontext. Die Wiener Produktion „FUGUE FOUR : RESPONSE“ von Olivia Axel Scheucher und Nick Romeo Reimann befasst sich mit Lust außerhalb des Patriarchats. Ebenso untersucht das Duett „LOUNGE“ von Marga Alfeirão eine neue Erotik, lesbische Sinnlichkeit und Selbstbestimmung. Dazu gibt es Musik aus der afrikanischen Diaspora. Der Titel der Solo-Performance „Batty Bwoy“ von Harald Beharie bezieht sich auf einen abwertend gemeinten Slang-Begriff aus Jamaika für einen queeren Mann, wie man ihn auch in Reggae-Texten hören kann. Beharie schafft hier einen virtuosen, energetischen Gegenentwurf. Lediglich mit Schuhen und Knieschonern bekleidet, dreht der Performer den diskri-

minierenden Begriff um und führt die Zusehenden dabei durch die zerstörerischen Erzählungen und Stereotype, die auf queere Schwarze Personen projiziert werden. Interessant dabei ist, wie es die einzelnen Produktionen schaffen, sich in neuen Räumen zu entfalten. Denn es steht dabei nicht nur die typische Blackbox im Theaterraum zur Verfügung: die [8:tension]Performance „Batty Bwoy“ zum Beispiel findet im Mumok im Kontext der AdamPendleton-Ausstellung „Blackness, White and Light“ statt. Brücken zur bildenden Kunst und zur Popkultur schlagen Anne Lise Le Gac und Esben Weile Kjær. Le Gacs „La Caresse du Coma feat. YOLO“ führt ins Setting einer kroatischen Spa-Anlage, in der die Gäste mit ausufernden Methoden das Glück suchen. Zwischen großen Tüchern, die als Projektionsfläche für Graphic Fiction dienen, komatösen Ritualen und verzückender Elektromusik spielt sich die Performance ab. Esben Weile Kjær hingegen widmet sich der Performativität der Popkultur unter digital vermittelten Bedingungen. „BURN!“, zu sehen einmal im Mumok und zu Beginn als Auftakt der Festival-Eröffnung „Celebration ’23“ im Hof des Museumsquartiers, unterbricht Publikumssituationen und will für „kontrolliertes Chaos“ sorgen: Gleichzeitig zeigt die Gruppe um den dänischen Shootingstar, Jahrgang 1992, die Show live auf Instagram. Die [8:tension]-Reihe sollte jedoch nicht mit

Nachwuchsformaten verwechselt werden, bei denen angehende Choreograf:innen erste Stücke zeigen. Die[8:tension]-Artists

F OTO S: JO SEPH BA NDER E T, PINELOPI G ER A SIM OU, NIKOL AUS O S T ER M A NN

AUSBLICK: LARA CORTELLINI


F O T O S: M AY R A WA L L R A F F, C H R I S T I A N E P E S C H E K , DA N I E L D Ö M Ö L K Y P H O T O G R A P H Y, M A R G AU X V E N DA S S I , J H DA N S E H U S , A N D R E W S I KO R S K I

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Von links oben nach rechts unten: Esben Weile Kjær zeigt mit „BURN!“ eine echte Pyro-Show. Chara Kotsali beschäftigt sich in „To Be Possessed“ mit besessenen Frauen. „FUGUE FOUR : RESPONSE“ von Olivia Axel Scheucher und Nick Romeo Reimann entzieht sich dem Binären. „LOUNGE“ von Marga Alfeirão sucht eine neue Erotik. Sebastiano Sing spielt in „MATHIEU“ Dark Schlager. In Anna Biczóks „DELICATE“ suchen drei Tänzerinnen nach (ost-)europäischer Erfahrungsgeschichte. „La Caresse du Coma feat. YOLO“ von Anne Lisa Le Gac führt ins Setting einer kroatischen Spa-Anlage. In „Batt y Bwoy“ tanzt Harald Beharie gegen den diskriminierenden Begriff. James Batchelor begibt sich in „Shortcuts to Familiar Places“ auf historische Spurensuche

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bewegen sich in künstlerischen Kontexten und verfolgen mit Dringlichkeit ihre Themen und Fragen. Sie treiben neue Visionen voran und setzen diese auf interessante Weise um. Viele bekannte Namen wie Olivier Dubois, Akram Khan, Florentina Holzinger, Samira Elagoz und Orfelia Jarl Ortega waren mit ihren frühen Stücken eingeladen. Gegen eine reine „Trendiness“ der Young Choreographers’ Series spricht sich die Kuratorin des Programms Christine Standfest im Gespräch aber aus: Statt einfach aktuelle Themen abzuarbeiten, gehe es bei [8:tension] um die jeweils besonderen Arbeiten, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit oft auch aneinander reiben. „Überhaupt leben wir in einer schwer zu verstehenden Gleichzeitigkeit von neuen Vermischungen und brutalen Trennungen“, schreibt sie im Programmtext. Eine dieser „neuen Vermischungen“ bietet das Stück „MATHIEU“ von Sebastiano Sing, der „Dark Schlager“ als neues Genre begründen will. Auf der Suche nach Kitsch und in einer Mischung aus Tanztheater und Klangkunst widmet sich der in Wien lebende Tegernseer Sehnsüchten und Weltfluchten. Ein Stück, das sich den „guilty pleasures“, also dem etwas peinlichen Vergnügen, als Phänomen nähert. Auch Chara Kotsali aus Griechenland widmet sich einer ihrer Faszinationen: Horrorfilme und das konstruierte Bild der besessenen Frau, das sich durch verschiedene Geschichten und Kulturen zieht, bieten die Inspiration für ihre Solo-Performance „To Be Possessed“. Die Tänzerin mit einem Hintergrund in Anthropologie und Theater begibt sich auf eine intensive Reise durch Rituale, Exorzismen und die Dämonisierung von Weiblichkeit. Zur [8:tension]-Einladung der Künstler:innen gehört neben einer zweiwöchigen Residence in Wien auch die Möglichkeit, die Vorstellungen, Workshops und Partys zu besuchen sowie ein zur Verfügung gestelltes Studio zu nutzen. Außerdem sind die Performances für den ImPulsTanz – Young Choreographers’ Award nominiert. Eine Jury – diesmal bestehend aus der Kulturwissenschaftlerin Anna Kozonina, der Choreografin und AwardPreisträgerin Tamara Alegre und Dramaturg und Kurator Mateusz Szymanówka – entscheidet am Ende des Festivals über die Preisträger:in. Zu gewinnen gibt es ein Preisgeld von 5000 Euro und 14 Tage Residence bei ImPulsTanz im Folgejahr. Verliehen wird der Preis heuer am 5. August in der Roten Bar im Volkstheater. F

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Celebration’ 23 6.7., 20.45 Uhr Museumsquartier Haupthof BURN! 8.7., 18 Uhr mumok To Be Possessed 10. und 12.7., 23 Uhr Schauspielhaus MATHIEU 18.7., 23 Uhr und 20.7., 21 Uhr Schauspielhaus DELICATE 21.7., 21 Uhr und 23.7., 19 Uhr Kasino am Schwarzenbergplatz Shortcuts to Familiar Places 24.7., 19 Uhr und 26.7., 23 Uhr Schauspielhaus Batt y Bwoy 24. und 27.7., 19 Uhr mumok LOUNGE 25. und 27.7., 23 Uhr Kasino am Schwarzenbergplatz La Caresse du Coma ft . YOLO 1.8., 23 Uhr und 3.8., 21 Uhr Kasino am Schwarzenbergplatz FUGUE FOUR : RESPONSE 4.8., 21 Uhr und 6.8., 23 Uhr Schauspielhaus ImPulsTanz – Young Choreographer’s Award Ceremony 5.8., 19 Uhr Volkstheater, Rote Bar


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Schwingungen im Schädelknochen Choreografin und Musikerin Clara Furey macht fröhliche Erschütterungen im Körper auch fürs Publikum erfahrbar Eine energische Abfolge von Lichtstimmungen tunkt den Raum in intensive Farben und trägt zum Aufbau einer hypnotischen Situation bei, unaufhaltbar entsteht das Gefühl: Alles pulsiert!

SCHALLMESSUNG: THERESA GINDLSTRASSER

euer gibt’s bei ImPulsTanz insgesamt acht „Classics“ genannte PublikumsH lieblinge beziehungsweise stilistisch rich-

Mal in Synchronität, mal in Dissonanz zuFOTO: M ATHIEU VERRE AULT

tungsweisende Produktionen aus vergangenen Festivaljahren zum Wiedersehen. Darunter auch: „Dog Rising“, eine Choreografie von Clara Furey (die bisher insgesamt sechs Mal selbst bei ImPulsTanz performte) für die drei Performenden Baco Lepage-Acosta, Be Heintzman Hope und Brian Mendez. Auf einem in die Leere des großen Raumes platzierten weißen BühnenbodenQuadrat bewegt sich da das Trio 60 Minuten lang unentwegt zum unaufhörlichen Rhythmus der Musik. Wie ein sich in aller Strenge dennoch unbedingt verausgabendes Metronom, so klingt die vereinnahmende Komposition von Tomas Furey, dem Bruder der 1983 geborenen, kanadischen Choreografin, Schauspielerin und Musikerin.

Zum unaufhörlichen Rhythmus der Musik bringt Fureys Tanztrio das Skelett zum Klingen

Ausgangspunkt für ihre Arbeit war in diesem

Fall die Beschäftigung mit Knochenschall- Dog Rising leitung, also der direkten Weitergabe von 18.7., 21 Uhr, akustischen Schwingungen über die Schä- 20.7., 19 Uhr, Odeon

delknochen. Furey macht mit „Dog Rising“ die Vibrationen der Musik als eine sich durch drei Körper arbeitende Welle der fröhlichen Erschütterung nicht nur sichtbar, sondern selbst auch für das Publikum spürbar. Nämlich laden die unermüdlichen Wiederholungen von minimalistischen Bewegungsabfolgen – wie zum Beispiel ein charakteristisches, ruckartiges Kipp-Kipp-Kipp der Hüfte – zu Kontemplation, Selbstvergessenheit und Identifikation mit den sich Bewegenden auf der Bühne ein.

einander, bewegt sich das Trio der Performenden wie ein Perpetuum mobile in Endlosschleifen der Ausdauer, der Lust und des Vergnügens. „Ich lasse mich von der Überzeugung leiten, dass Schönheit erst durch einen langen, mühsamen Prozess entstehen kann. Nicht Schönheit, die aus dem Nichts auftaucht, sondern Schönheit, die bereits da ist, unter den Dingen verborgen“, so Furey, die in diesem Jahr gemeinsam mit der multidisziplinären Künstlerin Lara Kramer und im Dialog mit der Regisseurin Caroline Monnet Mentorin des internationalen Weiterbildungs- und Austauschprogramms danceWEB ist. Darüber hinaus bietet Furey in der ersten Festivalwoche und am dritten Wochenende einen Workshop mit dem Titel „Cosmic Eroticism“ an, bei dem gemeinsam versucht wird, das begrenzte Körpergefühl in Richtung Unendlichkeit zu überschreiten. F

Figuren, die auf Wellen starren Eine Choreografie wie die Gezeiten: Christian Rizzo nimmt das Publikum in seinem Stück „miramar“ mit ans Meer er selbst sagt, zur Bühne, wo er heute als einer der prominentesten Namen der französischen Tanzwelt gilt. Seit 2015 ist er Leiter des Centre Chorégraphique National de Montpellier, das in ICI (International Choreographic Institute) umbenannt wurde.

MEERESBLICK: JÜRGEN BAUER

oogelt man im Netz nach Hotel MiG ramar, erhält man über 13 Millionen Suchergebnisse. Die Hotels werben mit

Ins Zentrum rücken bei Rizzo allerdings auch

Auch in „miramar“ ist das visuelle EleFOTO: MARC DOMAGE

Luxus und meist mit direktem Meerblick. Schloss Miramare, nordwestlich von Triest gelegen, ist zwar kein Luxushotel, aber Erzherzog Ferdinand Maximilian ließ auch für dieses Schloss seine Liebe zum Meer einfließen. Der Blick und das Meer ergeben zusammengesetzt denn auch den Namen Miramare. Warum diese kleine Kulturgeschichte? Weil Christian Rizzo sein neues Stück, das er bei ImPulsTanz im Volkstheater zeigen wird, „miramar“ benannt hat. Und weil auch die Notizen zur Choreografie wie Urlaub klingen: „Miramar ist wie der Name eines Versprechens, das man vom Fenster eines malerisch verfallenen Hotels aus spüren kann.“

Zehn Tänzer:innen treten wie Fremde an einen dunklen, einsamen Strand in Rizzos „miramar“

jene, die da in die Ferne schauen: „Am Anfang könnte das Meer stehen. Oder, besser gesagt, diejenigen, die darauf blicken.“ Zu- miramar erst betritt ein einzelner Tänzer die Büh- 21.7., 21 Uhr ne, bald folgen ihm weitere Figuren, die Volkstheater

sich seinem Blick aussetzen, nach neuen Horizonten suchen. Zwischen ihnen entwickelt sich ein ausgeklügeltes Spiel: Wer betrachtet die Wellen, den Horizont und das Wasser? Und wer betrachtet wiederum die Betrachtenden? Kein Wunder, dass ausgerechnet bei Christian Rizzo das Element des Schauens so wichtig ist. Seine ersten Schritte machte der Franzose als Künstler in Toulouse, gründete eine Rockband, entwarf Mode, studierte bildende Kunst – und gelangte durch „zufällige Begegnungen“, wie

ment zentral: Im Hintergrund eine riesige, schwarze Wand, die Vorstellungen eines Ozeans bei Nacht wachruft. Über der Bühne ein maschinenartiges System von Lichtquellen, die sich von hinten nach vorne bewegen und die Tänzerinnen und Tänzer scannen. „Der Begriff ‚scannen‘ erinnert mich an Ebbe und Flut, die sich mit Regelmäßigkeit hin- und herbewegen, aber hier auf eine eher beunruhigende, unaufhaltsame, mechanische Weise.“ Liest man diese Worte, verwundert es nicht, dass Rizzo auch Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mönch am Meer“ als Inspiration nennt. Schattenartige Silhouetten, eine Choreografie zwischen Natur und Mechanik, eine Atmosphäre von Sehnsucht, Leere oder Hoffnung: Gibt es eine bessere Gelegenheit als ein sommerliches Tanzfestival, um den Blick in die Ferne schweifen zu lassen? F


FOTO: LUCIE JANSCH

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Lucinda Childs, 83, Miterfinderin des postmodernen Tanzes, tritt bis heute live auf

Tanz mit Einstein, Glass und Sontag Lucinda Childs kommt mit Robert Wilson, einer italienischen Company und einer Uraufführung nach Wien den. Aber die 1940 geborene New Yorkerin Childs war nicht lange überzeugt von der dabei umgesetzten Reduktion des Tanzens als künstlerische Ausdrucksform. Sie wandte sich wieder der tänzerisch dominierten Choreografie zu und gründete 1973 ihre eigene Company. Schon drei Jahre später beteiligte sie sich mit dem Komponisten Philip Glass an Robert Wilsons legendärem Stück „Einstein on the Beach“. Die von Childs mitgestaltete tänzerische Postmoderne ist deswegen von Bedeutung, weil sie die Grundlagen auch für die heutige zeitgenössische Choreografie lieferte. Und weil sie andererseits zeigt, warum das Tanzen als Ausdrucksform – ohne die choreografische Performance zu verdrängen – wieder zurückgekehrt ist: Der Tanz bleibt die konsequenteste Übersetzung unseres sozial normierten körperlichen Verhaltens in „exzentrische“ poetische Muster.

PORTRÄT: HELMUT PLOEBST

anche Jubiläen führen ganze AbM schnitte einer Kunstform vor. Das ist nun bei Lucinda Childs der Fall. Vor genau 60 Jahren stieß sie als junge Tänzerin auf Vermittlung von Yvonne Rainer zum legendären New Yorker Judson Dance Theater und begann dort zu choreografieren. Diese Vereinigung von Größen wie Trisha Brown, Steve Paxton, Deborah Hay oder Carolee Schneemann in der zum Performance Space umgewidmeten Judson Memorial Church hat die postmoderne Choreografie erfunden. Vorläufer dieser interdisziplinären Bewegung, in der neues Terrain für den Tanz erschlossen wurde, entstanden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts: etwa mit Isadora Duncan, Loïe Fuller, den revolutionären Ballets Suédois unter Rolf de Maré und Jean Börlin in den 1920ern oder dem später in den USA einflussreichen Bauhaus. Aber so richtig los ging es erst mit der zweiten Avantgarde in Zusammenhang mit der Fluxus-Bewegung, die ebenso wie der postmoderne Tanz entscheidend von John Cage mitbestimmt war. Anfänglich stand Lucinda Childs unter dem

Einfluss choreografischer Experimente mit Performancekunst und von Ideen, die Yvonne Rainer zu ihrem berühmten „No-Manifesto“ (1965) führen sollten, in dem das Spektakuläre, die Virtuosität oder das Exzentrische im Tanz abgelehnt wur-

Aktuell ist Yvonne Rainers „No-Manifesto“, RELATIVE CALM music by Jon Gibson, Igor Stravinsky, John Adams 7., 9. und 10.7., 21 Uhr Volkstheater distant figure Part I: Description (of a description) Part II: 4 etudes by Philip Glass 16. und 17.7., 19 Uhr Akademietheater

das in den 1990ern ein Revival feierte – damals wurde das Spektakuläre im Tanz noch einmal grundlegend hinterfragt –, wieder eine Art No-Go, weil dieses Nein der Camp-Ästhetik der woken, genderdiskursbefeuerten jungen Tanzgeneration nicht entspricht. Für den Tanz ist das Faktum, dass sich künstlerische Paradigmen immer wieder verändern, eine erweiternde Bereicherung. In diesem volatilen Prozess über die vergangenen Jahrzehnte hin besetzt Lucinda Childs’ umfangreiches Werk eine eigene Position. Wie sich diese heute dar-

stellt, zeigt die nun 83-Jährige bei ImPulsTanz mit zwei Werken. Dass der Kontakt zu Wilson nie abgerissen ist, beweist die neuerliche Zusammenarbeit der beiden bei „RELATIVE CALM“ zur Musik von Jon Gibson, Igor Strawinsky und John Adams. Und wie präsent Childs als Choreografin und als Tänzerin bis heute ist, geht aus der Uraufführung von „distant figure“ hervor, in der sie selbst live auf der Bühne tanzt. Der Vorteil einer langen Künstlerbiografie im

Tanz oder auch im Theater ist, dass ältere Werke in einer veränderten Zeit neu getestet werden können: Funktionieren sie für die Künstler:innen noch, und wie wirken sie auf ein Publikum jüngerer Generationen? Das gilt auch für „RELATIVE CALM“, das 1981 entstand und jetzt zusammen mit der italienischen Company MP3 Dance Project aus Rom unter Michele Pogliani wiederkommt. Der Zweiteiler „distant figure“ besteht aus Lucinda Childs’ bereits im Jahr 2000 entstandenem Solo „Description (of a description)“ auf Basis eines Texts von Susan Sontag und der Premiere von „4 etudes by Philip Glass“ in Childs’ Choreografie, getanzt von der MP3-Company. Der Einfluss der Choreografin zeigt sich im Festival übrigens auch bei Anne Teresa De Keersmaekers Arbeit „Fase – Four Movements to the Music of Steve Reich“ (1982). Die charakteristischen Drehschwünge der Tänzerinnen sind sozusagen ein Echo von Childs’ choreografischen Mitteln in den späten 1970er-Jahren. F


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Wien Wi FOTO: KAROLINA MIERNIK

Homebas Homebase

Seit mehr als 30 Jahren lebt die Japanerin Akemi Takeya in Wien. Heuer präsentiert sie das Abschlusswerk ihrer Serie über die europäischen -ismen: „The Act of LemoDada“

’23 bringt auch die österreiIballtmPulsTanz chische Tanz- und Performanceszene geauf die Bühne. Doch wo Wien draufsteht, ist nicht immer Wien drinnen. Wie das gesamte Festival ist auch die heimische Tanz- und Performanceszene international. Manche Künstler:innen sind von weit her gekommen, um zu bleiben, andere erfreuen regelmäßig als Gäste. Auch die jungen Choreograf:innen, die in der Serie [8:tension] zeigen, was die Zukunft von Tanz und Performance (möglicherweise) bringen wird, haben ihren Platz. [8:tension] ist eine Startrampe, die die Teilnehmer:innen mit Schwung ins

Wien choreografiert und tanzt international: Die vielfältigen Beiträge der heimischen Tanzszene bei ImPulsTanz haben ihre Wurzeln in Japan, Finnland, Kinshasa oder Tegernsee ÜBERBLICK: DITTA RUDLE

Hauptprogramm schleudert. Die Young Choreographers, die in der AT-Gruppe zusammengefasst sind, haben zumindest ein Standbein in Wien. Anna Biczók etwa, sie zog 2023 von Budapest nach Wien. Im Vorjahr war sie besonders häufig da, hat mit einem Stipendium an den vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten im EU-weiten Projekt Life Long Burning teilgenommen, an ihrem neuen Stück „DELICATE“ gearbeitet und war überdies in Stücken von Claudia Bosse und Karin Pauer im Tanzquartier und im brut zu sehen. „DELICATE“ hat Biszók in ihrer Heimat uraufgeführt, nun be-


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FOTO: HANNA FASCHING

kommt das hochgelobte Stück auch das Wiener Festival-Publikum zu sehen. Regisseur:in Olivia Axel Scheucher und Volkstheater-Ensemblemitglied Nick Romeo Reimann begeben sich ins Schauspielhaus, um Fragen sexueller Konditionierung nicht nur verbal zu stellen. Zu zweit ist man relativ allein, deshalb vervollständigen die Berlinale-Preisträgerin Thea Ehre und der Tänzer Luca Bonamore das Duo zum Quartett. In der queeren Performance „FUGUE FOUR : RESPONSE“ kommen die vier mit Humor zur Sache. Der junge Römer Luca Bonamore ist schon richtig eingewienert und in die Szene integriert. Im aktuellen Festival tritt er nicht nur im Quartett, sondern auch im Duett mit Lau Lukkarila auf. „MATHIEU“ fehlt noch in der experimentellen Reihe, ein musikalisches, getanztes Gedicht von Sebastiano Sing (geboren in Tegernsee, Basis in Wien), das das Publikum zum Träumen anregt. Sing hat das Stück 2023 im Rahmen einer TurboResidency bei ImPulsTanz entwickelt und im März ’23 im brut uraufgeführt.

Die nächste in Wien entstandene Urauffüh-

FOTO: ESEL

FOTO: CHRIS HARING

FOTO: ELODIE GRETHEN

Wenn die Szene sich in Grün zeigt, geht es

nicht ums Klima, sondern um die Natur und den Tanz mittendrin. Elizabeth Ward denkt an den rankenden Efeu: „Hedera helix“. Der lateinische Name gibt der Tanzaufführung den Titel und dem Stück die Struktur. Choreografin Ward aus Detroit lebt seit vielen Jahren in Wien als produktives Mitglied der Tanzszene. In „Hedera helix“ tanzt sie im Mumok mit den beiden Wiener Französ:innen Alix Eynaudi und Samuel Feldhandler sowie mit Mzamo Nondlwana, der von Johannesburg kommend in Wien gelandet ist. Die Aufführung macht deutlich, dass der zeitgenössische Tanz von den Wurzeln und Ranken vergangener Tanzstile zehrt. Einen Garten, der keiner ist, pflanzt die Salzburgerin Lisa Hinterreithner in die Künstlerhaus Factory. „This ist not a garden. vegetal encounters“ ist der Titel einer Einladung an das Publikum, geduldig und fürsorglich in die Welt der Pflanzen einzutauchen. Das benötigt Geduld, die Uhren der Lebewesen, die sich nicht fortbewegen können, ticken anders. Weniger grün als melancholisch blau ist den Tänzer:innen zumute, wenn sie in der Choreografie von Michèle Anne de Mey „blue smile“ tanzen. Die Choreografin ist Belgierin, die Tänzer:innen kommen aus aller Welt, um in der Salzburg Experimental Academy of Dance (SEAD) zu studieren. Aus den Graduierten speist sich die angeschlossene Company BODHI PROJECT. Rare Aufnahmen der früh verstorbenen Ikone der Hippiegeneration Janis Joplin begleiten die vier auf der Bühne, senken den Blues ins Herz und zaubern ein Lächeln auf die Lippen. Das letzte Kapitel ist der Basis der Wiener Szene gewidmet. Geboten wird heuer neuer Wein in keineswegs alten Schläuchen. Choreograf:innen und Tänzer:innen sowie Performer:innen sind aus allen Himmelsrichtung gekommen, haben Grenzen überschritten und fühlen sich nun zuhause in Wien. Um keine Hierarchie der auf Wiener Boden gewachsenen Uraufführungen zu bilden, wird das Alphabet benutzt.

Elisabeth Bakambamba Tambwe, 1971 in Kinshasa geboren, seit 2005 in Wien beheimatet, zählt zu den Fixsternen der Wiener Tanzszene. In „Beyond the Overflow“, empfohlen ab 18 Jahren, setzt sie ihre Auseinandersetzung mit Roland Barthes und seinem Werk „Fragmente einer Sprache der Liebe“ fort. Frei nach dem französischen Philosophen vermischt sie Exzess, Fantasie und Adrenalin mit post-performativer Müdigkeit. Anne Juren und Frédéric Gies kommen aus Frankreich, Anne lebt in Wien, Frédéric seit 2018 in Malmö, gemeinsam haben sie 2021 das Mentoring für danceWEB geleitet. Jetzt outen sie sich als Zwillinge: „Jumelles“, der Titel ihrer Performance, sind in Frankreich weibliche Zwillinge, doch auch das Fernglas ist damit gemeint. Sie kennen einander gut, so kann Frédéric Anne porträtieren und Anne erzählen, was sie von Frédéric hält.

Von oben nach unten: Die Performances „Lapse and the Scarlet Sun“ von Luca Bonamore und Lau Lukkarila, „Hedera helix“ von Elizabeth Ward, „L.I.F.E.“ von Liquid Loft und „DeSacre!“ von Christine Gaigg

rung, findet unter roter Sonne in einer Karaoke-Bar statt. Die in Wien lebende finnische Performer:in Lau Lukkarila bietet dem Römer Luca Bonamore eine hemmungslose Club-Affäre. Lukkarila und Bonamore bereichern die queere Wiener PerformanceSzene nun schon seit geraumer Zeit. „Lapse and the Scarlet Sun“ ist ein heißes, poetisches Duett, vor einem Hintergrund aus herrlichen Gartenrosen. Eine Uraufführung bietet auch Chris Haring mit seiner Company Liquid Loft. „living in funny eternitiy_L.I.F.E.“ ist ein Traum auf dem Live-Bildschirm! In dieser neuen Konstellation bewegen sich Musiker und Tänzer:innen in einem hybriden Raum zwischen Bühne und Live-Video. Das Neue: hinreißende Livemusik der Wiener RockExperimentalisten Bulbul. Ebenfalls auf der Bühne des Burgtheaters ist u. a. der Dramatiker Thömas Köck im „post(operatischen)apokalytischen video spiel essay“ „opera – a future game / vienna edition“ zu erleben. Die Tanzartist:innen sind in Wien zuhause, doch ihre Herkunftsländer bringen den Globus zum Rotieren. Seit mehr als 30 Jahren lebt die Japanerin Akemi Takeya in Wien und arbeitet unermüdlich. Unter dem Titel „Lemonism“ stellt die Künstlerin seit 2015 ihr Werk ins Licht der Zitronen. Heuer präsentiert sie in einer neuen Soloarbeit das Abschlusswerk ihrer Serie über die europäischen -ismen: „The Act of LemoDada“. Vertreten ist heuer auch die allgemein beliebte Company toxic dreams, in der alle alles können: tanzen, singen, sprechen und das Publikum begeistern. Die Wienerin Kornelia Kilga und der aus Israel stammende Künstler Yosi Wanunu haben die OffCompany 1997 gegründet. Im Duo mit Roland Rauschmeier erzählt Wanunu in „The Two Pop(e)s“ von den Papstporträts Francis Bacons und Diego Velazquez’. Zum guten Ende sei eine bereits zum Klassiker aufgestiegene Choreografie von Christine Gaigg genannt. In der Otto-Wagner-Kirche am Steinhof ist Christine Gaiggs Erfolgsstück „DeSacre!“ zu sehen. Vaslav Nijinsky tanzt mit Pussy Riot. Gaigg referiert historische und politische Hintergründe; Gaiggs Compagnie 2nd nature liefert die Praxisbeispiele. Eine spannende, mitreißende Nachhilfestunde. Ein Erlebnis. Aktueller denn je. F

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The Act of LemoDada 20. und 22.7., 19 Uhr, mumok DELICATE 21.7., 21 Uhr, 23.7., 19 Uhr, Kasino am Schwarzenbergplatz The Two Pop(e)s 27.7., 18.30 Uhr, Leopold Museum DeSacre! 30.7., 17 Uhr, 1.8., 18 Uhr, Otto-WagnerKirche am Steinhof living in funny eternitiy_L.I.F.E. 9. und 11.7., 19 Uhr, Burgtheater Bühne Lapse and the Scarlet Sun 26.7., 21 Uhr, 28.7., 19 Uhr, Odeon Jumelles 17. und 19.7., 23 Uhr, Kasino am Schwarzenbergplatz Beyond the Overflow 13.7., 23 Uhr, Kasino am Schwarzenbergplatz blue smile 29.7., 19.30 Uhr, Kasino am Schwarzenbergplatz This is not a garden vegetal encounters 20.7., 19 Uhr, 22.7., 17 Uhr, 23.7., 21 Uhr Künstlerhaus Factory Hedera helix 15. und 17.7., 19 Uhr, mumok MATHIEU 18.7., 23 Uhr, 20.7., 21 Uhr, Schauspielhaus FUGUE FOUR : RESPONSE 4.8., 21 Uhr, 6.8., 23 Uhr, Schauspielhaus


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40 JAHRE D In den Tanzklassen liegen die Anfänge von ImPulsTanz. Was vor 40 Jahren als reines Workshop-Festival begann, wurde zu einem der wichtigsten Performancefestivals. Wir haben Dozent:innen um ihre schönsten Erinnerungen gebeten

FOTO: FRANZ KIMMEL

Cristina Caprioli

Workshop Opening Lecture «impressions’23» 9.7., 16 Uhr, USZ Schmelz Freestyle Dance Contest Rhythm is a Dancer 29.7., 20.15 Uhr, USZ Schmelz

Joe Alegado Ich habe in jedem der letzten 40 Jahre an ImPulsTanz teilgenommen – auch an den Winterworkshops. Ich komme gerne wegen der Atmosphäre aus harter Arbeit im Unterricht und sozialen Kontakten mit Menschen aus der ganzen Welt. Eine besondere Erinnerung an meine Zeit beim Festival stammt aus dem ersten Jahr. Damals war der Tanz noch nicht so präsent wie heute. Am letzten Unterrichtstag waren die Teilnehmer:innen so aufgeregt und überglücklich, dass die Gruppe mich auf ihre Schultern hob und durchs Studio trug. Sie schrien und klatschten und feierten unsere gemeinsame Zeit. Jeder war offen für alles. Einmal unterrichtete ich sogar mit einem Bier in der Hand. Etwas, das ich mir davor und danach nicht vorstellen konnte zu tun. Ja, alles war unschuldig und neu am Anfang der Wiener Tanzwochen.

FOTO: KAROLINA MIERNIK

Workshop-Phasen: Week 1: 10. bis 14.7. Intensive 1: 15. und 16.7. Week 2: 17. bis 21.7. Intensive 2: 22. und 23.7. Week 3: 24. bis 28.7. Intensive 3: 29. und 30.7. Week 4: 31. bis 4.8.

Ich bin alt und trocken, aber noch nicht tot und begraben. Ich bewege mich immer noch und habe einen Plan. Um so mehr interessiert es mich, darüber nachzudenken, wie und warum Tanz betrieben werden sollte. Ich habe mehrmals bei ImPulsTanz unterrichtet, in den frühen 80er-Jahren, manchmal um 2002 herum und noch einmal im Jahr 2021. Jedes Mal bin ich gerne nach Wien gekommen, um die Angst, den Trubel, das Essen, den Wein, die Hitze und das Flair der Kaiserstadt zu genießen. Natürlich war das Workshop-Programm immer etwas Besonderes. Das verrückte Zusammentreffen von so verschiedenen Menschen mit einer großen Lust am Tanzen überschnitt sich mit dem perversen Bedürfnis, sich zu exponieren, eine Karriere anzukurbeln, an der Zukunft mitzumischen und so viel wie möglich zu erleben. Eines hat das alles noch übertroffen: Das unermessliche Vergnügen, mit einem Haufen verschiedener Nichttänzer:innen zusammenzukommen, die es mir, uns, sich erlaubten in meinem Kurs „tune in turn on and dance along“ (2021) in völlige intime Zweisamkeit einzutauchen. Das werde ich nie vergessen! Vielen Dank dafür und meine besten Wünsche für Euer nie endendes Tanzen!

Raza Hammadi

Public Moves 6.7. bis 4.8., Badeteich Hirschstetten, Goethehof, Maria-von-Zeitoun Koptische Kirche, Museumsquartier, Papstwiese im Donaupark

FOTO: W W W.FOTOGR AC ZIA .HU

Final Workshop Showing «expressions’23» 5.8., 16 Uhr, USZ Schmelz

Ich bin Lehrer der ersten Stunde bei ImPulsTanz. Ich unterrichte Jazztanz und Jazz Mix. Das erste Mal kam ich im Februar 1986 auf Einladung von Ismael Ivo – Friede seiner Seele. Wir trafen uns in Paris, ich war 24 Jahre alt und er lud mich ein, dieses Festival in seinen Anfängen zu entdecken, wo die größten Lehrer der Welt unterrichteten und es immer noch tun. Ich kam mit Tänzer:innen meiner Kompanie, es war großartig. Jahre später setzten wir uns wieder mit Karl Regensburger in Verbindung. Als ich zurückkam, sagte Karl: „Ahhhh, die Jazzlegende“, das war sehr schmeichelhaft. Die Besonderheit ist, dass ein Schlagzeuger meine Klasse begleitet. Und wenn kein Schlagzeuger da ist, spiele ich das Tamburin. Dieses Festival ist für mich wie eine Familie geworden, die mich jeden Sommer willkommen heißt.


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ANCE CLASS Mark Tompkins

Als ich in den 90er-Jahren zum ersten Mal bei ImPulsTanz in Wien unterrichtete, wurde ich am Bahnhof von Rio Rutzinger begrüßt, barfuß und mit einem Frisbee in der Hand. Ich dachte: Ich mag es. So viele Ideen von mir wurden bei ImPulsTanz zum ersten Mal ausprobiert. Ich wurde nie gebeten, das Gewohnte zu tun. Künstler:innen brauchen einen Raum, um zu lernen und zu experimentieren, und ImPulsTanz war für mich immer dieser Raum: ein kreatives Labor zum gemeinsamen Üben. Ich habe mich immer frei gefühlt, meine wildesten Wünsche und Träume zu äußern, und das Team hat mir geholfen, sie zu verwirklichen.

Ich kam 1989 zum ersten Mal zu ImPulsTanz. Ich unterrichtete Contact Improvisation auf der Schmelz, mit großen akustischen Problemen. Während wir uns schwitzend in der Stille wälzten, drangen afrikanische Trommeln durch die dünnen Wände zwischen den Studios und forderten uns auf, anders zu tanzen! Was für ein Zirkus! Aber die Anpassung war immer ein wichtiger Teil des großzügigen Festivals, bei dem für jeden etwas dabei war. Ich bin alle ein bis zwei Jahre zurückgekehrt, um zu unterrichten: Contact Improv, Video Danse, Real Time Composition. Dieses Jahr gebe ich zusammen mit Meg Stuart „ONE SHOT“.

FOTO: GILLES TOUTEVOIX

Meg Stuart

Mårten Spångberg Ich bin Sänger, Schauspieler und Tänzer und unterrichte Jazztanz. Mehrere Jahre lang hatte ich das Vergnügen, im Sommer zu ImPulsTanz eingeladen zu werden. Ich liebte es, dort zu sein, weil ich wusste, dass ich die unterschiedlichsten Menschen treffen würde, die die gleiche Leidenschaft teilen: Tanz! Eine wunderbare und lustige Erinnerung erzähle ich: Ich unterrichtete meine Klasse und der CD-Player hing an Drähten in der Luft. Jedes Mal, wenn ich auf Play drückte, schwankte der CD-Player im Takt der Musik! Wir konnten nicht aufhören zu lachen. Danke Rio, Karl und natürlich Ismael (rest in peace my friend) für euer Vertrauen!!

FOTO: IL ARIA SC ARPA

FOTO: IMPULSTANZ ARCHIV

Pascal Couillaud

Eine Erinnerung an ImPulsTanz abzurufen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. ImPulsTanz ist wie die Bar, von der man nie weiß, warum man sie besucht, und trotzdem geht man wieder hin. Das Festival ist die beste Scheißbar aller Zeiten, und das schon seit 40 Jahren. Die Mitarbeiter:innen sind nicht die bestfrisiertesten, aber ihre Überzeugung ist unbestreitbar. Das Programm ist nicht das originellste, aber das beste. Die Workshops sind die besten und originellsten, ganz zu schweigen davon, dass sie die wichtigste Bildungsplattform für Tanz in Europa darstellen. Die Großzügigkeit ist unermesslich. Bei ImPulsTanz geht es nicht darum, woran man sich erinnert, sondern um die Erinnerungen, die wir gemeinsam schaffen.

FOTO: KAROLINA MIERNIK

Kristina and Sadé Alleyne Wir sind Zwillingsschwestern und unterrichten „Dynamics, Rhythm & Texture“ und „Afro-Fusion“. Ismael Ivo sah uns beide in der Akram Khan Company 2014 auftreten und war begeistert. Er stellte uns eine Frage, die einen großen Einfluss auf unser Leben hatte: „Was macht IHR?“ Das war die Geburtsstunde von Alleyne Dance, unserer eigenen Company. Seit 2015 unterrichten wir beide jedes Jahr in Wien. Unsere Workshops sind sehr beliebt. Unsere Lieblingsklasse ist „Afro-Fusion“. Der lustigste Moment war, als eine Teilnehmerin uns sagte, dass sie zu müde sei, um an unserem Kurs teilzunehmen. Am Ende des Kurses sahen wir sie über den Boden fliegen, schwitzend und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie sagte: „Ihr gebt mir das Gefühl, dass ich fliegen kann.“ Diesen Sommer findet die österreichische Premiere unserer neuesten Produktion „Far From Home“ statt. Wir werden diese Aufführung Ismael Ivo widmen, der an uns geglaubt und uns eine Chance gegeben hat. Happy anniversary to ImPulsTanz. Unser Sommer-Zuhause.

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F OTO: SILV IA W IM M ER

Doris Uhlich Ich unterrichte dieses Jahr bei ImPulsTanz die Workshops „more than naked“ und „Gootopians“ und im Rahmen der Public Moves „Into the Groove“. Ich unterrichte schon viele Jahre unterschiedliche Workshops, es kommen Menschen aus aller Welt zusammen und was sie verbindet, ist das Interesse, körperlich zu arbeiten, zu experimentieren. In einem „more than naked“ Workshop hat mal eine schlanke Frau zu einer opulenten Frau gesagt: „Ich hätte gerne deinen Po, er schwingt so schön.“ Wenn sich körperliche Zuschreibungen, Schubladen und Normen verschieben, ist das großartig. Beim Unterrichten bin ich den Teilnehmer:innen sehr nahe, ich stehe nicht auf einer Bühne, es gibt einen intensiven Austausch. Ich übersetze gerne meine künstlerische Arbeit für Tanzinteressierte jeden Alters und aller Abilities. Ich denke auch, dass Menschen, die selbst tanzen, Tanzproduktionen anders anschauen.

Ich bin Choreograf, Bewegungscoach, der Großvater des ikonischen „House of Ninja“ und der Katalysator für den heute existierenden Voguing Ballroom in Europa. Ich war 1995 mit einem erstaunlichen Kulturprojekt namens „New York Meets Vienna“ hier. Für Österreich waren Voguing und Whacking/Waacking damals noch unbekannt. Ich komme seit 2010, heuer ist es mein 13. Jahr. Am lustigsten fand ich es, als wir im dritten oder vierten Jahr des Festivals in Studio F untergebracht waren, dem letzten Studio im hinteren Teil des Arsenals, und als der Kurs gerade beginnen sollte, kam ein Student zu mir und sagte, er wolle den Kurs besuchen, aber das Büro habe gesagt, der Kurs sei geschlossen. Ich schaute mich im Raum um und dachte: Das ist ein verdammter Flugzeughangar! Geschlossen?? Wo? Unnötig zu sagen, wie die Situation ausging. Je mehr, desto besser, Baby!!

FOTO: KAROLINA MIERNIK

Archie Burnett

Ich bin interdisziplinäre* Künstler*in und seit mehr als zehn Jahren im Bereich der Performance tätig. Ich habe begonnen zu ImPulsTanz zu kommen, um zu performen, und habe auch an Panels und Lehrworkshops teilgenommen. Heuer unterrichte ich den einwöchigen Workshop „Rename and Unbody: Somatic Awareness and Language for Who and What We Are“ und den Wochenend-Intensivkurs „Soft Body“. Ich liebe meine Teilnehmer:innen bei ImPulsTanz, weil sie so offen sind, neue Formen von Verkörperung zu entdecken. Letztes Jahr konnte ich beobachten, wie sich das Bewusstsein der Teilnehmer:innen für ihre somatischen Fähigkeiten veränderte, und das Klassenzimmer fühlte sich wie ein echter Nährboden an. Da ich mich als queer und behindert identifiziere, achte ich beim Unterrichten darauf, dass alle im Raum das Gefühl haben, dass sie so sein können, wie sie sind. Dann müssen wir in der Lage sein, in unseren Körpern zu sein, und zwar auf eine Art und Weise, die sich positiv anfühlt, so dass wir gemeinsam unbekannte Räume erkunden können. Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell wir gemeinsam Vertrauen aufbauen und wie sehr sich die Schüler:innen in die Forschung einbringen.

FOTO: PAVEL BELCHEV

FOTO: GEORG OBERWEGER

FOTO: YAKO ONE

Perel

Comfort Fedoke

Maria Scaroni

Ich bin Hip-Hop- und Groove-Lehrerin. Ich arbeite sowohl in der Filmindustrie als auch in der Welt des Streetdance und liebe es, die Sprache des Tanzes weiterzugeben. Das ImPulsTanz-Festival ist ein wahrer Schmelztiegel von so vielen verschiedenen Tänzer:innen jeden Alters, jeder Form und Größe. Es gibt nichts Schöneres, als einen Raum voller eifriger Menschen zu haben, die bereit sind, positive Energie zu geben und zu empfangen. Meine schönsten Momente sind die Abende, an denen ich auf den Partys auflege und meine Teilnehmer:innen kommen, um mein Set zu unterstützen! Diese Abende sind sehr lebendig, also wenn du noch nie bei meinem DJ-Set warst, komm und finde es heraus!

Ich unterrichte post-post-moderne somatische und soziale Praktiken und komme seit sieben oder acht Jahren regelmäßig zu ImPulsTanz, sowohl als Lehrerin als auch als Performerin. Ich komme gerne zu ImPulsTanz, weil ich die Freude an den Menschen, den Ehrgeiz und die Festlichkeit liebe. Am lustigsten war es 2019 in Meg Stuarts „Solos und Duos“, nackt zu sein, mit meiner Haut wie ein Gecko oben auf einer riesigen Marmorsäule, vier Meter hoch, und nicht herunterkommen zu können. 500 Menschen schauten zu und lachten fröhlich.


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Nachschlag bei Shakespeare Tragödien, Komödien: Mit gleich zwei Stücken schreibt die Needcompany Shakespeares sämtliche Werke neu DRAMAKUNDE: CHRISTOPHER WURMDOBLER

ny, die seit den 1980er-Jahren die europäische Tanz- und Theaterszene aufmischt und auch bei ImPulsTanz mit all ihren Ablegern regelmäßig zu Gast ist. Shakespeare loswerden, lautet also das Motto fürs diesjährige Festival-Engagement der Needcompany, nämlich den, der seit Jahrhunderten in den Theatern rauf und runter gespielt wird. Gleich mit zwei Stücken versucht sich die Truppe sämtlicher Tragödien und Komödien des Meisters zu entledigen – in „Billy’s Violence“ insgesamt bloß vier Stunden. nach Shakespeares Ein schwieriges Unterfangen? Nicht für Herrn

Lauwers. Shakespeare sei der meistgespielte Autor überhaupt im europäischen Theater, eine Obsession, sagt er: „Shakespeare ist kontrovers. Entweder man liebt oder man hasst ihn. Viele Menschen würden seine Stücke am liebsten zerstören. Zu viel Gewalt, zu viel Gerede, die Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus. Aber sie sind halt immer noch Spiegel unserer Gesellschaft.“

Tragödien: Eine (kunst-) blutige Angelegenheit Billy’s Joy 11.7., 21 Uhr, 13. und 14.7., 19 Uhr Akademietheater Billy’s Violence 14.7., 21 Uhr Akademietheater

FOTO: MA ARTEN VANDEN ABEELE

et’s get rid of Shakespeare“, sagt Jan Lauwers, Mastermind und künstleriL scher Leiter der belgischen Needcompa-

Etwas ist faul im Staate Märchenland: Mit „Billy’s Violence“ (Tragödien) und „Billy’s Joy“ (Komödien) will der belgische Theatermacher Shakespeare neu schreiben oder überschreiben. Er stellt sich die Frage, was passiert, wenn man zum Beispiel aus „Othello“ die Figur des Jago herausnimmt – ein anderer Blickwinkel auf die Story beginnt. Die Arbeit mit den Tragödien während der Pandemie habe ihn aber depressiv werden lassen, erzählt Lauwers. „Und auch Shakespeares Komödien sind über-

haupt nicht lustig.“ Darum ließ Lauwers seinen Sohn Viktor – die Needcompany ist inzwischen auch ein Familienunternehmen – die Arbeit am Text erledigen. Der untersuchte, welche Bedeutung die Klassiker heute noch haben in einer Zeit von großen Kontroversen, Cancel Culture, strukturellem Rassismus, Klimakatstrophe oder Kriegen. Was bleibt da noch übrig, worüber man lachen kann? Was passiert, wenn Romeo auf der Suche nach seiner geliebten Julia in eine Komödie gerät? Humor als Waffe für Feiglinge oder eine

Form von Aktivismus? Die Geschichte(n) steht/stehen bei den Shakespeare-Überschreibungen von Lauwers junior im Mittelpunkt: „Wer die Vergangenheit nicht kennen will, will sich selbst nicht kennen.“ Klar, „Billy’s Violence“ ist voller Gewalt und eine (kunst-)blutige Angelegenheit. „Billy’s Joy“, das bei ImPulsTanz uraufgeführt wird, bringt erwartungsgemäß das Theater-Glücksgefühl, für die die Needcompany von ihren Fans weltweit geliebt wird, auf die Bühne. Und, das kann Jan Lauwers bereits vor der Premiere in Wien versprechen: „I think it’s very F funny.“

Da fliegt mir doch das Fett weg Zehn Jahre „more than naked“: Doris Uhlich feiert die Fetttanztechnik mit der Wiederaufnahme ihres ImPulsTanz-Klassikers GRATULATION: MARTIN PESL

des ImPulsTanz-Festivals statt. Im Vorjahr, erinnert sich Leiterin Doris Uhlich, habe es nur neun Anmeldungen gegeben; diesmal war ihr Workshop „more than naked“ ausgebucht. „Wir haben uns richtig ineinander verliebt, so toll war dieser Jahrgang“, strahlt Uhlich im Falter-Gespräch. Also versammelte sie ihre Klasse am Ende des Festivals im Museumsquartier und verkündete ihre Vision: „Wir müssen weitermachen. Ich schlage Karl Regensburger vor, dass wir uns nächstes Jahr auf der Das war 2013: Bühne wiedersehen.“ 2023 still naked Der Festivalchef sagte Ja, und am 5. August

2013 zelebrierten 21 Menschen in der Halle G des MQ erstmals öffentlich die Fetttanztechnik. Nur eine hatte dabei was an, wenn auch nicht viel: Doris Uhlich selbst stand mit Sportschuhen und einer übergeworfenen Jacke am DJ-Pult. Die nächsten vier Jahre tourte die Produktion höchst erfolgreich, dann kam „Habitat“, die nächste Stufe. „Statt der

Celebration’ 23 6.7., 20.45 Uhr, Museumsquartier, Haupthof more than naked – 10th anniversary 8.7., 19 Uhr, 9. und 10.7., 21 Uhr, Museumsquartier, Halle G

FOTO: BERNHARD MÜLLER

ir schreiben das Jahr 2012. Im KelW ler des Arsenals fand zum zweiten Mal der Nackttanzunterricht im Rahmen

klassischen Frontalperspektive war das Publikum jetzt mit den nackten Leuten in einem Raum“, so Uhlich. Bis zu 100 Nackte bewohnten das Habitat, in der Pandemie schuf die Choreografin eine hygienesichere Variante. Das zehnjährige Jubiläum von „more than naked“ fällt praktischerweise mit dem 40. des Festivals zusammen, also wird gemeinsam gefeiert. Vor der Neuauflage der Bühnenshow mit einem Großteil des Originalensembles zeigen die Nackten in einer erweiterten, diverseren Besetzung

Ausschnitte aus dem Stück beim ImPulsTanz-Opening im MQ-Haupthof. „Unser Körper ist unser Archiv“, sagt Uhlich seither immer wieder über den Hit. „Ich liebe es, Frau Holle zu spielen und dieses Archiv aufzuschütteln.“ Dass die Menschen auf der Bühne unbekleidet sind, gehört zum Prinzip, anders wäre der Fetttanz, bei dem Bauchspeck geschüttelt wird, Brüste und Gesäße vibrieren, gar nicht möglich. Die im Theater häufig gestellte Frage „Muss das sein?“ erübrigt sich. Vor zehn Jahren war Bühnennacktheit zwar kein Tabu mehr, wurde aber immer auf einer Skala von Provokation bis Sexualisierung eingeordnet. Ist das heute immer noch so? Doris Uhlich will das nicht klar verneinen. „Es ist wahnsinnig individuell. Vom Kulturkreis und von der Erziehung hängt ab, wie man mit Nacktheit umgeht. Viele fühlen sich immer noch nicht zuhause in ihrem Körper, sie schämen sich.“ Eine Anekdote aus den „more than naked“-Workshops – auch die wird es heuer wieder geben – lässt sie an deren Zeitlosigkeit glauben: Da sagte eine schlankere zu einer opulenteren Frau: „Deinen Popo hätt ich gern, der schwingt so schön.“ F


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Tanz vor Krieg, Rihanna vor Isadora Choreografie in Bild und Wort: Die Ausstellungen und Buchpräsentationen beim diesjährigen Festival stellungsprojekt mit ihrer interaktiven Research-Performance: „Alfa of death“.

LEKTÜRE: SARA SCHAUSBERGER

brig bleibt meist ein einziges Bild. Ü Manchmal zwei. Dabei machen die Künstler:innen von Festival-Kamapagnen natürlich viel mehr Entwürfe, Sujets, Fotos. Vieles davon kann was und ist also bei weitem kein Produkt für den Papierkorb. Und so entstand heuer die Idee aus den ungenutzten Materialien eine Ausstellung zu machen. Das Designstudio Cin Cin arbeitet schon lange mit ImPulsTanz zusammen. Von der Fotografin Anna Breit kommen die analogen Bilder, die Illustrationen macht Luca Schenardi, die Ergebnisse zeigt die Ausstellung „Unveröffentlicht“ im Spitzer des Odeon (Vernissage: 15.7., Die Ausstellung geöffnet bis 6.8. zu den Performances im „Unveröffentlicht“ Odeon jeweils eine Stunde vor Beginn). zeigt Fotos für Die zweite Ausstellung in diesem Jahr kam

die ImPulsTanzKampagne 2023

durch Zufall zustande. ImPulsTanz-Kuratorin Chris Standfest traf bei einem Empfang auf den Journalisten und leidenschaftlichen Tänzer Thomas Seifert. Er war eben von der Kriegsfront in der Ukraine zurück und erzählte, dass er dort in Begleitung des ukrainischen Fotografen und Filmemachers Yevheniy Titov unterwegs war:

FOTO: ANNA BREIT

Über Bewegung zu schreiben ist schwierig.

Auch dieser ein Tänzer. Vor dem Krieg fotografierte und filmte Titov vor allem in der Kontakt-Impro-Szene. Nun war er vom Tanz-Fotografen zum Kriegsfotografen geworden. Aus dieser Begegnung entsteht nun eine Fotoausstellung mit Bildern aus verschiedenen Zeiten und Leben: „Files of Routine Action. Documentary.“ beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Tanz und Krieg. Auch Titovs Frau, Inna Falkova, wurde zu ImPulsTanz eingeladen. Die Psychotherapeutin und Tänzerin begleitet das Aus-

Zum Glück gibt es regelmäßig Menschen, die sich der Herausforderung stellen. Der äußerst umtriebige Dramaturg Jeroen Peeters wünscht sich mehr Verschränkung zwischen Praxis und Theorie. Das praxisnah geschriebene „And then it got legs“ beinhaltet viele Gespräche zwischen unterschiedlichen Tanzschaffenden. Prominent besetzt ist das Podium zur Buchpräsentation am 15.7. in der Roten Bar des Volkstheaters, wenn drei der wichtigsten dramaturgischen Persönlichkeiten im Tanzfeld der letzten 20 Jahre zusammenkommen: Guy Cools, Bojana Cvejić und natürlich der Autor Jeroen Peeters. Mårten Spångberg ist einer der engagiertesten Schreiber. Der schwedische Tanzschaffende und ehemalige Journalist machte nichts weniger wahr, als dass er in seinen catchy geschriebenen Tanztheorien die Tanzgeschichte änderte, in dem er die Pop-Kultur in die Historie einschleuste: Rihanna vor Isadora! Nun erscheint eine zweite Ausgabe von „Spangbergianism“ (Buchpräsentation: 2.8., Volkstheater, Rote Bar). F

Körperlichkeit und Kamerablick Das Film-Programm des ImPulsTanz-Festivals ist üppig wie noch nie: Musikvideos treffen auf Dokumentationen avancierten Stücks „Umwelt“ der Compagnie Maguy Marin.

SICHTUNG: SARA SCHAUSBERGER

m 24. Februar 2022 musste Anton A Ovchinnikov, Mitbegründer der Contemporary Dance Platform Ukraine, Kyiw

Die drei Tanzschaffenden versuchten, den

Zustand von Trance filmisch festzuhalten. Dabei sollte die Kamera nicht einfach beobachten, sondern der Zustand sollte die Kamera mitnehmen. Das Ergebnis zur Originalmusik von Anand Wilder gibt es am 29.7. im Filmmuseum zu sehen. Michael Laubs „The Post Confinement Travelogue“

FOTO: JOY SONG

verlassen und fand sich in dem 50 Kilometer entfernten Dorf Morozivka wieder. Der Kriegsbeginn versetzte ihn in Schockstarre. Als er draußen am weiten Feld wieder zu tanzen begann, entstand daraus der 15-minütige Film „Monochrome“. Am 18.7. gibt es die erste Vorführung mit Artist Talk, danach ist der Film an mehreren Terminen bis 27.7. im mumok zu sehen. Ganz anders „Cannibalizing the Conductor“: Der experimentelle und gleichzeitig dokumentarische Film von Derek Howard, Emma W. Howes und Justin F. Kennedy entstand 2022 bei einem ImPulsTanz-Research Project.

Found-Footage und Bildmaterial aus alles

Pflichttermin ist wie jedes Jahr das MusikvideoProgramm. Am Bild: Yeule

(23.7., Filmmuseum) nimmt das Publikum mit auf eine Reise. Der Regisseur litt unter den Lockdowns während der Pandemie und brach, sobald möglich, aus, in die Welt hinaus. Er irrte durch Kambodscha, Vietnam und Brüssel. Das Ergebnis ist ein großartiges Selbstporträt. Einen neuen Blick auf ein bekanntes Stück eröffnet „Umwelt, de l’autre côté des miroirs“ (20.7., Filmmuseum). Die Dokumentation von David Mambouch wirft einen Blick hinter die Kulissen des wegweisenden, zum hochaktuellen Klassiker

Welt kombiniert Alain Platels und Mirjam Devriendts „Why We Fight?“ (25.7., Filmmuseum). Die Arbeit entstand aus der Performance „Nicht schlafen“ und untersucht, warum wir eigentlich kämpfen und wie viel das mit männlicher Sozialisation zu tun hat. Pflichttermin ist wie jedes Jahr das Musik video-Programm (11., 18. und 29.7., Filmmuseum). Theresa Pointner und Christoph Etzlsdorfer kuratieren eine geballte Vielfalt an unterschiedlichen Tanzstilen, Körperlichkeiten, Inhalten und Produktionstechniken. Sidney Leonies „FLY“ (31.7., 23 Uhr und 2.8., 19 Uhr, Schauspielhaus) ist eine gewagte Kombination aus Film und LiveTanz und eine Hommage an den großen Tänzer und Choreografen Vaslav Nijinsky. Und: Autor Thomas Köck und Opernregisseur Michael v. zur Mühlen laden zu ihrem interaktiven, digitalen VideospielEssay mit Live-Performance-Erweiterung „opera – a future game / vienna edition“ am 17.7. auf der Burgtheater-Bühne. Lassen Sie sich überwältigen und überraschen. F


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LEXIKON ImPulsTanz The Act of LemoDada Akemi Takeya Unter dem Titel „Lemonism“ stellt die Künstlerin seit 2015 ihr Werk ins Licht der Zitronen. Die neue Soloarbeit ist, so die Künstlerin, „eine Begegnung mit der Gegenwart, eine Suche nach Utopie, eine Konfrontation zwischen Körper und Zitrone, Original und Kopie, Tragödie und Komödie, Unsinn und Sinn. Doch wer die absurde Schlacht „Lemo(n) vs. Dada“ gewinnt, ist zweitrangig: Zu verlieren gibt es ohnehin nichts!“ mumok, Do 20.7., 19.00, Sa 22.7., 19.00 Agrimi (Fauve) Lenio Kaklea Die aus Griechenland stammende Choreografin Kaklea untersucht den Wald als ursprünglichen, schwer fassbaren Naturraum und erinnert an die Prozesse seiner Domestizierung. In ihrem Trio tanzen Ideen von Wildnis und Eroberung, die sich mit Legenden von der Jagd und mit Assoziationen zu Tanz und Sexualität mischen. Museumsquartier, Halle G, Mi 26.7., 19.00, Fr 28.7., 21.00 All in All Benoît Lachambre. Montréal Dance – Parbleux Diese Performance-Trilogie schildert, was für Benoît Lachambre das „Alles in Allem“ von individuellen Identitäten und politischen Kontexten ist. Zusammen mit der Dramaturgin Kathy Casey und einer Handvoll Künstler:innen aus Kanada, Mexiko und dem Libanon entstehen in der Factory des Künstlerhauses tiefgehende, transdisziplinäre Reflexionen von künstlerischen und soziokulturellen Wirklichkeiten. Mit dabei sind 80 pinke Hula-HoopReifen. Künstlerhaus Factory. Perro de Fuego y Rata de Agua: Mo 31.7., 18.00, Di 1.8., 19.00, Mi 2.8., 21.00. Boreal Castles: Do 3.8., 17.00, Fr 4.8., 21.00. L’Ogre, le Phénix et l’Ami fidèle: Sa 5.8., 21.00, So 6.8., 19.00 All the Way Around Meg Stuart & Doug Weiss Das Körpergedächtnis bildet einen wesentlichen Ausgangspunkt für dieses intime Trio, in dem Meg Stuart von zwei renommierten Musiker:innen, dem Jazzbassisten Doug Weiss und der Pianistin Mariana Carvalho, begleitet wird. In den Geschichten von „All the Way Around“ gewährt die Choreografin, die den zeitgenössischen Tanz seit den 1990er-Jahren maßgeblich mitgestaltet, einen tiefen Einblick in die Strukturen ihres einzigartigen Bewegungsdenkens. Akademietheater, Mi 19.7., 21.00, Fr 21.7., 21.00 Archeologia Emmanuelle Huynh. Plateforme Múa Emmanuelle Huynh gehört zu den etabliertesten Vertreterinnen der französischen Tanzszene. Seit 2019 reist Huynh mit DJ und zwei Tänzer:innen von Museum zu Museum, um mit den dort ausgestellten Arbeiten in Dialog zu treten, ihnen Geheimnisse zu entlocken. In Wien tritt sie in der Ausstellung „RENDEZ-VOUS“ auf: Es entsteht ein neuer Blick auf Picasso, Chagall, Klein und ihre Zeit. Heidi Horten Collection, Do 3.8., 21.00, Sa 5.8., 19.00 Begeraz Top 40 Cie. Ivo Dimchev Der bulgarische Künstler hat in den letzten 20 Jahren nicht nur mehr als 40 Bühnenproduktionen choreografiert und inszeniert, sondern auch rund 100 eigene Songs geschrieben. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich entschlossen hat, ein Best of auf die Beine zu stellen. Akademietheater, Fr 28.7., 19.00, So 30.7., 21.00 Bien y Mal Ofelia Jarl Ortega Im ersten Gruppenstück der schwedischen Choreografin, die 2018 bei 8:tension den Jurypreis erhielt, verschwimmen die Grenzen. Die Choreografin, die sich im Zuge ihrer Schwangerschaft verstärkt die Frage stellte, wo das Ich aufhört und das Wir beginnt, lässt ihre Performer:innen zur Musik von Jassem Hindi aufeinanderprallen, eins werden und sich vereinzeln. Odeon, Mi 12.7., 19.00, Fr 14.7., 19.00 Billy’s Joy Needcompany Die belg. Performancegruppe schreibt sich auf Basis der Shakespeare-Dramen und unter dem Vorzeichen der Versöhnung selbst eine Komödie: Darin übersiedelt zum Beispiel Romeo in ein Märchenland, wo er nach der Liebe sucht. Akademietheater, Di 11.7., 21.00, Do 13.7., 19.00, Fr 14.7., 19.00 Billy’s Violence Needcompany Die belgische Performancegruppe untersucht zehn Shakespeare-Dramen auf ihr Gewaltpotenzial: War Shakespeare der (brutalere) Quentin Tarantino seiner Zeit, und lassen sich über Shakespeare Wege aus der Hassspirale finden? Akademietheater, Fr 14.7., 21.00

TEXTE: SARA SCHAUSBERGER

BLACK LIGHTS Mathilde Monnier / Otto Productions In ihrer TV-Serie „H24 – 24 Stunden im Leben einer Frau“ (Arte, 2021) stellen die Regisseurinnen Valérie Urrea und Nathalie Masduraud die alltägliche Gewalt gegen Frauen dar und positionieren sich kompromisslos dagegen. Die französische Choreografin Mathilde Monnier transferiert die Serie in ein packendes Tanztheater. Volkstheater, Fr 28.7., 21.00, So 30.7., 19.00 Blast! Ruth Childs / Scarlett’s Aggression, Wut und Brutalität sind verpönte, aber auch faszinierende Eigenschaften des menschlichen Körpers. Dieses Phänomen untersucht Ruth Childs, die Nichte von Lucinda Childs, in ihrem neuen Solo und konzentriert sich auf den gewalttätigen und explosiven, aber auch leidenden Körper. Museumsquartier, Halle G, So 30.7., 19.00, Di 1.8., 21.00 blue smile Michèle Anne De Mey / BODHI PROJECT dance company Die belgische Choreografin Michèle Anne De Mey hat sich mit der Salzburger BODHI PROJECT dance company in Janis Joplin und ihre Songs über Ausgrenzung eingefühlt und einen emotionsgeladenen Tanz über Gemeinschaft, Abhängigkeit und Emanzipation geschaffen, in dem sich Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Angst vor Ausgrenzung gegenüberstehen. Kasino am Schwarzenbergplatz, Sa 29.7., 19.30 Celebration’ 23 ImPulsTanz wird 40! Bei der großen Eröffnungssause im Haupthof des Museumsquartiers feiert die Choreografin und Tänzerin Doris Uhlich zusammen mit 27 Tänzer:innen das zehnjährige Jubiläum ihres Hits „more than naked“: Let’s party our body! Davor begrüßen die Performer um Esben Weile Kjær alle Feierlauningen. Museumsquartier (Haupthof), Do 6.7., 20.45 Closer Ishmael Houston-Jones & Keith Hennessy Die beiden prägende Figuren der US-amerikanischen Tanzszene improvisieren gemeinsam. Sie arbeiteten erstmals Mitte der 1990er-Jahre zusammen und führen seit 25 Jahren ein intensives Gespräch über Kunst, Zusammenarbeit, Improvisation, Race, Aktivismus, Sex, Tanz, Geschichte und Zukunft. mumok, Sa 29.7., Mo 31.7., 19.00 Confession Publique Mélanie Demers / MAYDAY Ein öffentliches Geständnis, ein intimer Tauchgang in die Tiefen des Selbst und zugleich eine Rebellion gegen das vulgäre Auspacken narzisstischer Selbstdarsteller: Das ist das Solo der multidisziplinären Künstlerin Mélanie Demers. Es wurde nie öffentlich aufgeführt, bis sich schließlich die Performerin und Sängerin Angélique Willkie dafür einsetzte. Demers übertrug für sie dieses gefühlsgeladene, zutiefst persönliche und auch politische Werk, in dem unerschrockene Selbstbeobachtung zu Darstellungen des Geheimen und Privaten, von Abgründen und inneren Sümpfen führt. Schauspielhaus, Fr 14.7., 19.00, So 16.7., 21.00 Défilé pour 27 chaussures Mathilde Monnier In dieser Arbeit, entstanden als Kooperation mit Olivier Saillard, dem künstlerischen Direktor von J.M. Weston, spielt Mathilde Monnier mit 27 kultigen Fußhüllen, die sie wie schattenhafte Kreaturen in einer Parade begleiten. Im Rahmen der Sommerausstellung „RENDEZ-VOUS“ der Wiener Heidi Horten Collection tanzt die große französische Choreografin als barfüßige Soloperformerin in schwarzen Strumpfhosen und weißem Herrenhemd. Heidi Horten Collection, Di 1.8., 20.00, 21.30 distant figure Part I: Description (of a description) Part II: 4 etudes by Philip Glass Lucinda Childs & MP3 Dance Project Aus einer 1984 publizierten Kurzgeschichte der New Yorker Literatin und Essayistin Susan Sontag destilliert eine der Leitfiguren des US-amerikanischen Postmodern Dance das Erzählmotiv einer Choreografie für sich selbst. Uraufgeführt hat Lucinda Childs diesen für sie geschriebenen Text im Jahr 2000. Mit einzigartiger Präsenz und dem ihr eigenen Charisma tanzt Childs dieses Solo jetzt, mit 83 Jahren Im zweiten Teil kommt es zur Uraufführung von „4 etudes by Philip Glass“ live begleitet am Flügel von Alain Franco. Akademietheater, So 16.7., 19.00, Mo 17.7., 19.00 «expressions’23» – Final Workshop Showing Zum Abschluss des ImPulsTanz-Workshopfestivals zeigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was sie in vier Wochen erarbeitet haben. Eintritt frei. Universitätssportzentrum Schmelz, Sa 5.8., 16.00

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Far From Home Alleyne Dance Das Zwillingspaar Kristina und Sadé Alleyne unterrichtet regelmäßig ImPulsTanz-Workshops und hat in den letzten zehn Jahren mit Alleyne Dance eine der mitreißendsten Compagnies der englischen Tanzszene gebildet. Geboren in eine Londoner Familie, die von dem karibischen Inselstaat Barbados stammt, versuchen die Schwestern nun mit britischen und lokalen Tänzer:innen herauszufinden, wo sie eigentlich hingehören. Odeon, So 30.7., 21.00, Di 1.8., 21.00 FLY Sidney Leoni Dieses Stück des gebürtigen Franzosen Sidney Leoni ist eine Hommage an Vaslav Nijinsky, der vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs so revolutionäre Ballettstücke wie „L’Après-midi d’un faune“ oder „Le Sacre du printemps“ schuf. Zusammen mit Elias Girod und Linda Blomqvist streift Leoni durch die Höhen und Tiefen der Biografie des in Kiew geborenen Jahrhunderttänzers: live und in einem Film. Schauspielhaus, Mo 31.7., 23.00, Mi 2.8., 19.00 FUCK ME Cie. Marina Otero Nach einem einjährigen Krankenhausaufenthalt schaue sie lieber zu, wie andere auf der Bühne die Arbeit tun, so die Tänzerin und Choreografin Marina Otero, die in ihrem Stück als Randfigur erscheint. Ein halbes Dutzend nackte Männer erzählen die Autofiktion dieser radikalen Künstlerin. Otero, die Enkelin eines Geheimdienstoffiziers der argentinischen Militärdiktatur, lässt finstere Geheimnisse hochkochen, die ihre Großeltern mit ins Grab genommen haben. Um endlich zu erzählen, was bisher verschwiegen wurde, macht Otero aus persönlicher Geschichte offenen Protest. Akademietheater, Di 25.7., 21.00, Do 27.7., 19.00 Hedera helix Elizabeth Ward / vitus In ihrem Quartett verschmilzt die in Wien lebende US-amerikanische Choreografin Fantasien von Tänzen aus der Vergangenheit und springt zwischen Zeiten und Welten: Barocke Gartengestaltung und europäischer Hoftanz, die grotesken Ballette Wiens um 1700, der postmoderne Tanz und die Fernsehserie „Fame“ aus den 1980er-Jahren. mumok, Sa 15.7., 19.00, Mo 17.7., 19.00 «impressions’23» – Workshop Opening Lecture Dozentinnen und Dozenten der ImPulsTanz-Workshops zeigen, was sie in den nächsten Wochen vermitteln wollen. Hier können Interessierte in das Workshop-Angebot „hineinschnuppern“. Eintritt frei. Universitätssportzentrum Schmelz, So 9.7., 16.00 Jérôme Bel Jérôme Bel / Max Mayer Eine Reise durch Jérôme Bels künstlerische persönliche Biografie, in seinen Worten ein „auto-bio-choreografisches“ Stück. Der Begründer des Konzepttanzes lässt sich an jedem Aufführungsort von lokalen Größen vertreten: In Wien vom grandiosen Nestroy-Preisträger Max Mayer. Kasino am Schwarzenbergplatz, Sa 5.8. (dt.), 21.00, So 6.8. (engl.), 21.00 Jumelles Anne Juren & Frédéric Gies Sowohl Anne Juren als auch Frédéric Gies haben in Frankreich zu tanzen begonnen und sind dann fortgezogen: Juren nach Wien und Gies über Berlin nach Schweden. Jetzt haben sich die avancierten, international erfolgreichen Tanzschaffenden zusammengetan, um einander in „Jumelles“ (französisch für weibliche Zwillinge und für Fernglas) gegenseitig zu porträtieren. Kasino am Schwarzenbergplatz, Mo 17.7., 23.00, Mi 19.7., 23.00 Lapse and the Scarlet Sun Luca Bonamore & Lau Lukkarila Mit diesem Zusammentreffen entführen die Performer:innen Lau Lukkarila und Luca Bonamore ihr Publikum in eine imaginäre Karaoke-Bar. Dort entfacht das exzentrische Paar eine zügellose ClubAffäre. Odeon, Mi 26.7., 21.00, Fr 28.7., 19.00 L’Étang (Der Teich) Gisèle Vienne / DACM Die französische Choreografin Gisèle Vienne inszeniert das 1902 verfasste Theaterstück. Darin täuscht der sich ungeliebt fühlende Fritz seinen Tod durch Ertrinken vor. In ihrer Bearbeitung von Robert Walsers Dramolett geht Vienne, gemeinsam mit Schauspielerin Adèle Haenel und Tänzerin Julie Shanahan, sehr körperlich dem zersplitterten Verhältnis zwischen menschlichem Empfinden und seiner Darstellbarkeit nach. Museumsquartier, Halle G, Do 13.7., 21.00, Sa 15.7., 21.00 living in funny eternity_L.I.F.E.Liquid Loft & Bulbul Die Tänzer:innen von Chris Harings Company Liquid Loft treten gemeinsam mit den Noiserockern Bulbul auf. Darin tanzen zukunftsvisionäre Körper durch eine lustige Ewigkeit, auch wenn es um einen Plane-

ten geht, der „seinem Ende entgegenzuschlingern scheint“, so die Ankündigung. Burgtheater Bühne, So 9.7., 19.00, Di 11.7., 19.00 LOVE ME Marina Otero „Diese Arbeit ist ein Abschied“, sagt Marina Otero. Die Uraufführung ihres Solos zeigte sie in Buenos Aires als Akt des Bruchs und flüchtete daraufhin nach Spanien. Und sie bekennt, „dass diese Arbeit über die Dunkelheit und Gewalt spricht, die ich in mir trage.“ Schauspielhaus, Fr 28.7., 23.00 « M » Cie. Marie Chouinard In dieser neuen Arbeit konzentriert sich die kanadische Star-Choreografin ganz besonders auf den Atem und die Stimme und nimmt damit ein Motiv, dem sie zuletzt vor über 30 Jahren in ihrem ersten Ensemblestück, „Les trous du ciel“, zentrale Bedeutung zugewiesen hatte, wieder auf. Für « M » verwandeln zwölf Tänzer:innen in knallbunten Perücken und Hosen die Geräusche ihrer Respiration in eine gleichsam kraftvolle wie zarte Soundpoesie. Volkstheater, Mi 12.7., 21.00, Fr 14.7., 21.00 Madrigals Benjamin Abel Meirhaeghe / Muziektheater Transparant Für sein Gruppenstück bringt der tanzaffine belgische Countertenor und Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe Claudio Monteverdis „Madrigali guerrieri ed amorosi“ gemeinsam mit vier Live-Musiker:innen neu auf die Bühne. Die Musik stammt vom Pop-Kunst-Experimentator Jesse (Doon) Kanda, Kooperationspartner von Björk, FKA Twigs und Arca, und seinem Co-Komponisten Wouter Deltour. Es tanzen acht Sänger:innen und Tänzer:innen. Volkstheater, Mo 24.7., 21.00, Mi 26.7., 21.00 miramar Christian Rizzo / ICI—CCN Montpellier Occitanie Der Blick in die Ferne ist ein Bildmotiv, das alle kennen: von Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mönch am Meer“ zum Beispiel oder von vielen sehnsuchtsgeladenen Fotos auf Instagram. Der Name Miramar, also „Meeresblick“, für Hotels verspricht prächtige Aussichten. Auf diesen Blick lassen sich die zehn Tänzer:innen des französischen Choreografen, Künstlers und Modedesigners Christian Rizzo ein. Volkstheater, Fr 21.7., 21.00 Monkey off My Back or the Cat’s Meow Trajal Harrell / Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble Choreograf und Tänzer Trajal Harrell hat die „Declaration of Independence“ aus dem Jahr 1776 neu gelesen und war hingerissen von der Dringlichkeit dieses Rufs nach Freiheit. Dabei vergisst er nicht, dass diese Freiheit nicht für alle galt. Rund um diese zwiespältige Freiheitsbeschwörung bringt der Chefchoreograf des Schauspielhauses Zürich nicht nur dessen Tänzer:innen und Schauspieler:innen zusammen, sondern auch die politische Rhetorik mit seiner Philosophie der Mode. Museumsquartier (Halle E), Do 27.7., 21.00, Sa 29.7., 21.00 MOSSBELLY Angela Vitovec aka Angela Schubot Eine Choreografie, die aus einer langjährigen, intensiven Beschäftigung mit Moos entstanden ist. Für ihre Gruppenarbeit nimmt die Choreografin Angela Schubot den Namen ihres längst vergessenen Großvaters, der ihr von den Pflanzen lebhaft ins Gedächtnis gerufen wurde: Vitovec. Künstlerhaus Factory, Mo 10.7., 17.00, Mo 10.7., 19.00, Di 11.7., 21.00, Di 11.7., 23.00, Mi 12.7., 15.00, Mi 12.7., 17.00 My body of coming forth by day COD – Olivier Dubois In seiner letzten Soloarbeit lässt der französische Choreograf das Publikum darüber mitentscheiden, wie er seine mittlerweile 60 Werktitel heraufbeschwört. So wird ihm bei seiner Suche danach geholfen, was ein Meisterwerk sein soll. Den vollen Körpereinsatz dafür liefert der Meister selbst. Burgtheater Bühne, Do 20.7., 21.00, Sa 22.7., 21.00 ONE SHOT Meg Stuart / Damaged Goods & Mark Tompkins / I.D.A. Seit 2016 teilen Meg Stuart und Mark Tompkins ihre Leidenschaft für Improvisation, wie hier in dieser Echtzeitkomposition. Volksoper Probebühne, Sa 15.7., 21.00 opera – a future game / vienna edition Thomas Köck & Michael v. zur Mühlen Ein Dramatiker, ein Komponist und ein Regisseur – so war die Ausgangslage, als vor der Pandemie Thomas Köck und Michael von zur Mühlen zur Musik von Ole Hübner eine Oper so gut wie fertig geprobt hatten. Die beiden nutzten die Zeit des Lockdowns und machten ein interaktives und digitales Musiktheater-Videospielessay mit Visuals daraus, welches sich seither ständig weiterentwickelt. Burgtheater Bühne, Mo 17.7., 19.00


IMPULSTANZ 23 O Samba do Crioulo Doido Luiz de Abreu & Calixto Neto/ VOA Ein „Samba des verrückten Kreolen“ wird zur Abrechnung mit der Position, in die sich Brasiliens Schwarze Bevölkerung gedrängt sieht. 2004 entwickelte der in Minas Gerais geborene Choreograf und Tänzer Luiz de Abreu dieses Stück für sich selbst. Seit 2020 wird es von seinem Kollegen Calixto Neto getanzt, der sich nun nackt mit hochkomischen und genussvoll provokanten Gesten über die ihm aufgezwungene exotische und erotische Identität lustig macht. Odeon, Sa 15.7., 23.00 the other side / the whip / fractional step Yulia Arsen, Tatiana Chizhikova, Roman Malyávkin, Tarik Burnash, Elena Demyanenko Ein dreiteiliger Abend mit künstlerischen Positionen, die eines gemeinsam haben: einen „Twist“, einen Kipppunkt, nach dem ganz wie im echten Leben nichts mehr so ist wie vorher. Um eine Peitsche und ihre symbolischen Bedeutungen dreht sich „the whip“ von Yulia Arsen; um die Dekonstruktion von Volkstanz geht es bei Tatiana Chizhikova und Roman Malyavkin in „fractional step“; und der präzise und verletzliche Tanz in „the other side“ von Tarik Burnash und Elena Demyanenko zeigt sich als somatischer Widerstand gegen Scham und Wut. mumok, Do 3.8., 19.00, Sa 5.8., 19.00 THE PRESSING Dani Brown Für die Performerin, geboren in New York und derzeit wohnhaft in Berlin, ist „die Zukunft Cunt“. Brown will eine Befreiung des Begriffs Cunt (Fotze) von seinen obszönen Zuschreibungen erreichen, diese ist für sie wörtlich ein „subtiles, fließendes, warmes, anschwellendes Minenfeld der unsichtbaren Aktivität von Neurotransmittern, Hormonen, Körpergeweben und grundlegenden Wünschen“. Museumsquartier, Halle G, Do 3.8., 21.00, Sa 5.8., 23.00 Quartiers Libres Nadia Beugré Die Choreografin kämpft in ihrem Solo im glitzernden Kleid, ein Kabel um den Hals, gegen eine Umgebung aus Abfall, die ihr immer näher rückt und sie zu verschlingen droht. Schon als Mädchen wusste sich die im ivorischen Abidjan geborene Tänzerin durchzusetzen. Mit nur 16 Jahren wurde sie zum Gründungsmitglied von Béatrice Kombés Frauen-Compagnie Tché Tché, mit der sie jahrelang durch die halbe Welt tourte. Odeon, Fr 4.8., 19.00, So 6.8., 19.00 RELATIVE CALM music by Jon Gibson, Igor Stravinsky, John Adams Lucinda Childs / Robert Wilson 1976 trafen sich die Tänzerin und Choreografin sowie der Bühnenbildner und Regisseur Robert Wilson – zusammen schufen sie die legendäre Arbeit „Einstein on the Beach“. Während der Pandemie fanden sie wieder zusammen, um ein neues Stück mit den Tänzer:innen von Michele Poglianis MP3 Dance Project zur Musik von Igor Strawinsky zu kreieren. Volkstheater, Fr 7.7., 21.00, So 9.7., 21.00, Mo 10.7., 21.00 Seek Bromance Samira Elagoz. In englischer Sprache Mit der erschütternden Performance „Cock, Cock... Who’s There?“ über die eigene Vergewaltigung nahm Samira Elagoz 2017 die MeToo-Bewegung vorweg. In dieser neuen filmischen Dauerperformance zeigt Elagoz, der sich nunmehr als trans Mann identifiziert, die Beziehung zwischen zwei trans Männern. Beide hatten in der Vergangenheit eine extreme Form von Weiblichkeit performt, haben aber sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was Männlichkeit sein kann. Kasino am Schwarzenbergplatz, Fr 28.7., 21.00, So 30.7., 19.00 SIMPLE Ayelen Parolin / RUDA Das komische Trio, das die argentinisch-belgische Choreografin Aylene Parolin auf die Bühne stellt, entwickelt einen grotesken Tanz, bei dem Narrentum, Kindlichkeit und Naivität als hingebungsvolle Komplizen fungieren. Ein Stück, bei dem nicht zuletzt Bühnenbild und Kostüm den Geist des großen Merce Cunningham wiederaufleben lassen. Odeon, Sa 22.7., 19.00, Mo 24.7., 19.00 SOMNOLE Boris Charmatz / [terrain] Der Tänzer, Choreograf und neue Intendant des Tanztheater Wuppertal präsentiert nach 30 Jahren seine erste richtige Soloarbeit. Darin lotet er den Körperzustand zwischen Wachsein und Schlaf aus, in dem das Unbewusste die Regie zu übernehmen beginnt. Odeon, Sa 8.7., 21.00, Mo 10.7., 19.00 Spectacles Benjamin Abel Meirhaeghe & The Unrequired Love / Muziektheater Transparant Das Performance-Konzert des Countertenors Benjamin Abel Meirhaeghe balanciert zwischen Spektakel und Liebesritual. Schauspielhaus, Fr 21.7., 23.00 Beyond The Overflow Elisabeth Bakambamba Tambwe Frei nach Roland Barthes beschäftigt sich die Choreografin Elisabeth Bakambamba Tambwe mit dem verliebten Subjekt. In der neuen Performance mischen Exzess, Fantasie und Adrenalin sich mit post-performativer Müdigkeit. Kasino am Schwarzenbergplatz, Do 13.7., 23.00 Them Voices Lara Kramer Die kanadische Performerin überträgt die Stimmen ihrer gemischten Herkunft von Siedlern und einer kanadischen First-NationLinie der Oji-Cree in unsere fragile Gegenwart. In

ihrem Stück vermischen sich das Vergangene und das Zukünftige zu einer Suche nach neuen Wegen. Lara Kramer praktiziert eine künstlerische Archäologie und findet verborgene Erzählungen über die Konsequenzen unseres heutigen Handelns auf folgende Generationen. Künstlerhaus Factory, Sa 15.7., 17.00, So 16.7., 17.00, So 16.7., 21.00 This is not a garden. vegetal encounters Lisa Hinterreithner Eine Performance in einer anderen Zeitrechnung: Langsam, sinnlich und intim führen vier Tänzerinnen in eine menschlich-pflanzliche Utopie. Künstlerhaus Factory, Do 20.7., 19.00, Sa 22.7., 17.00, So 23.7., 21.00 Through the Grapevine Alexander Vantournhout / not Standing Alexander Vantournhout, einer der im Moment gefragtesten belgischen Choreografen seiner Generation, und Axel Guérin legen ihr Duett als Widerspruch gegen die zunehmende Reduktion der menschlichen Erscheinung auf ihre Abbilder und gegen die Manipulationen dieser Bilder an. Ein Pas de deux mit ständigem Körperkontakt, in dem die Bedeutung von Berührungen als unersetzliche Form der Intimität neu beleuchtet wird. Museumsquartier, Halle G, So 16.7., 21.00, Di 18.7., 19.00 The Two Pop(e)s toxic dreams Die Wiener Theatergruppe stürzt sich auf Papst Innozenz X., der sowohl von Diego Velázquez (1650) als auch von Francis Bacon (1953) porträtiert wurde. Yosi Wanunu und Roland Rauschmeier schlüpfen in die Rollen zweier müder und verzweifelter Päpste, die mit schrecküberschatteten Gesichtern über das Altern und Sterben, über Kunstgeschichte und Interpretation sinnieren. Leopold Museum, Di 25.7., Mi 26.7. 13.00–18.00, Do 27.7., 18.30

Classic BLESSED Meg Stuart / Damaged Goods & EIRA Auf der Bühne ist ein Mann, der rundherum glücklich ist, hat er doch alles, was das Herz begehrt: Häuschen, Schwan und Freizeit. Bis die heile Welt zu bröckeln beginnt. Meg Stuarts Meisterwerk ist längst zum Klassiker geworden. Mit Livemusik von Hahn Rowe. Museumsquartier, Halle G, Sa 22.7., 21.00, Mo 24.7., 21.00 DeSacre! Christine Gaigg / 2nd nature In ihrer Performance bringt die Choreografin Christine Gaigg den Anti-Ballett-Klassiker „Le Sacre du printemps“ (1913) und das „Punk-Gebet“ von Pussy Riot (2012) in einer Kirche zusammen. Gaigg referiert historische und politische Hintergründe; Gaiggs Compagnie 2nd nature liefert die Praxisbeispiele. Eine spannende, teils auch mitreißende Nachhilfestunde. Otto-Wagner-Kirche am Steinhof, So 30.7., 17.00, Di 1.8., 18.00 Dog Rising Clara Furey Der Groove vibrierender Knochen: Ein polyphones Tanztrio der kanadischen Schauspielerin, Komponistin, Musikerin und Choreografin, in dem Brian Mendez, Be Heintzman Hope und Winnie Ho auftritt. Zu den hypnotischen Sounds von Fureys Bruder Tomas konzentrieren sich die Tänzer:innen beinahe wie beim Tanzen im Club in Loops ganz auf die Kreuzung von Schwingungen in unseren Körpern. Furey war schon zu Gast bei ImPulsTanz: Das Solo „When Even The“ war ein behutsames Ritual der Trauer und des Lebens zugleich. Odeon, Di 18.7., 21.00, Do 20.7., 19.00 Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas „Fase“ war Anne Teresa De Keersmaekers Durchbruch als Choreografin. Das vierteilige, frühe Meisterwerk hat seine vielen Tourneen von der Uraufführung 1982 bis heute unbeschädigt überstanden und ist nun als „ImPulsTanz Classic“ zu Gast. Volkstheater, Mo 17.7., 21.00, Mi 19.7., 21.00 The Köln Concert Trajal Harrell / Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble Eine Choreografie für sieben Tänzer:innen zu Keith Jarretts „Köln Concert“, die erfolgreichste Soloklavier-Einspielung aller Zeiten, die Harrell mit Songs von Joni Mitchell eröffnet. Volkstheater, Mo 31.7., 21.00, Mi 2.8., 21.00 Maggie The Cat Trajal Harrell In dieser Company-Performance mit Voguing und bunten Kostümen bezieht sich Trajal Harrell, die „Big Mama“ verkörpernd, auf Tennessee Williams’ 50er-Jahre-Südstaatendrama „Die Katze auf dem heißen Blechdach“. Statt der reichen weißen Familie liegt der Fokus aber auf der Schwarzen Dienerschaft. Volkstheater, Fr 4.8., 21.00, So 6.8., 21.00 more than naked – 10th anniversary Doris Uhlich Mit 20 internationalen Tänzerinnen und Tänzern, die an ihrem Nackt-Workshop „more than naked“ teilgenommen hatten, erarbeitete die Wiener Choreografin Doris Uhlich im Sommer 2013 ein Stück, das ein Highlight von ImPulsTanz war. Nun wird es zum Zehnjahresjubiläum mit einem dreißigköpfigen diversen Cast wiederaufgenommen. Museumsquartier, Halle G, Sa 8.7., 19.00, So, 9.7., 21.00, Mo 10.7., 21.00

The Selfie Concert Cie. Ivo Dimchev Der Künstler, Performer, Sänger und Musiker Ivo Dimchev präsentiert heuer erneut sein Konzertformat mit Publikumsbeteiligung, mit dem er nun schon öfter bei ImPulsTanz zu Gast war und das zum Hit wurde. Während des Singens soll das Publikum ständig mit ihm Selfies machen. mumok, Fr 4.8., 22.30

[8:tension] Batty Bwoy Harald Beharie Der jamaikanische Slangbegriff „Batty Bwoy“ (wörtlich: „Arsch-Junge“) ist ein stark abwertender Slangausdruck für eine homosexuelle bzw. queere Person. Harald Beharie eignet sich zu norwegischem Prog-Rock den Begriff wieder an. mumok, Mo 24.7., 19.00, Do 27.7., 19.00 BURN! Esben Weile Kjær Der Däne Esben Weile Kjær versteht sich nicht als Choreograf oder als Tänzer, sondern als bildender Künstler. In seinen Arbeiten macht er sich die Haudrauf-Strategien der Unterhaltungsindustrie zu eigen: Feuerwehr, Rave und Randale. In seinem von Pop- und Clubkultur geprägten „social dance“ greift er Diskurse rund um Authentizität, Technologie und Aufmerksamkeit auf. Und spielt mit den Bildern der Performance in den sozialen Medien. mumok, Sa 8.7., 18.00 La Caresse du Coma ft. YOLO Anne Lise Le Gac, Loto Retina / OKAY CONFIANCE Anne Lise Le Gac sitzt in einem gottverlassenen Teil von Kroatien in einem 4-Sterne-Spa. Sie ist nicht allein, mit ihr ist eine Gruppe von Menschen; sie sind auf der Suche nach Glück. Zu großartiger Livemusik von Loto Retina. Kasino am Schwarzenbergplatz, Di 1.8., 23.00, Do 3.8., 21.00 DELICATE Anna Biczók In Anna Biczóks Arbeit spielt das Körpergedächtnis eine zentrale Rolle. In ihrem Stück stehen drei Frauen auf der Bühne, aus deren Bewegungs- und Erfahrungsmaterial webt die ungarisch-österreichische Choreografin ein Gespräch über das Frausein in verschiedenen europäischen Kontexten. Kasino am Schwarzenbergplatz, Fr 21.7., 21.00, So 23.7., 19.00 FUGUE FOUR : RESPONSE Olivia Axel Scheucher / Nick Romeo Reimann Die Wiener Regisseur:in Olivia Scheucher und Volkstheater-Ensemblemitglied Nick Romeo Reimann untersuchen in ihrer Performance zusammen mit Berlinale-Preisträgerin Thea Ehre und dem Performancekünstler Luca Bonamore die eigene sexuelle Konditionierung. Schauspielhaus, Fr 4.8., 21.00, So 6.8., 23.00 LOUNGE Marga Alfeirão with Mariana Benenge, Myriam Lucas, Shaka Lion Marga Alfeirão, deren Arbeit stark von den Tänzen und Sounds der afrikanischen Diaspora geprägt ist, denkt in ihrem „lesbian lap dance duet“ das Ausruhen – das Loungen – im Kontext weiblicher Selbstbestimmung und Erotik und schafft dabei eine Choreografie von hypnotischer Sorgfalt und Schönheit. Kasino am Schwarzenbergplatz, Di 25.7., 23.00, Do 27.7., 23.00 MATHIEU Sebastiano Sing Gemeinsam mit Tänzer Hugo Le Brigand und Klangkünstler:in Ernst Lima wagt sich der in Wien arbeitende Choreograf und Performer mit den Mitteln des Tanztheaters an den Schlager heran und kreiert ein neues Genre: den „Dark Schlager“. Schauspielhaus, Di 18.7., 23.00, Do 20.7., 21.00 Shortcuts to Familiar Places James Batchelor & Collaborators Eine historische Spurensuche, eine Befragung der Gegenwart, aber vor allem eine getanzte persönliche Hommage des Australiers James Batchelor, an die gebürtige Österreicherin und Ausdruckstänzerin Getrud Bodenwieser, die seine Kindheits-Tanzlehrerin inspiriert hatte. Schauspielhaus, Mo 24.7., 19.00, Mi 26.7., 23.00 To Be Possessed Chara Kotsali Eine Sound- und Bewegungscollage, welche die Dämonen und Gestalten aus Horrorfilmen, insbesondere den Archetyp der besessenen Frau, auf ihr subversives Potenzial untersucht. Schauspielhaus, Mo 10.7., 23.00, Mi 12.7., 23.00

Extras Film: 1001 Nights Apart Sarvnaz Alambeigi / Rabison Art and Filmpunkt Im Iran ist Tanzen verboten – aber junge Menschen in Teheran widersetzen sich dem. Sie trainieren und tanzen hinter verschlossenen Türen. Die Regisseurin Sarvnaz Alambeigi sammelt Interviews und Probenmaterial der heutigen Tänzer:innen und kombiniert dies mit seltenem Filmmaterial des Nationalballetts aus der Zeit vor der Revolution. Filmmuseum, Do 13.7., 18.00 2 Die 4 Musikvideoprogramm mit Fokus auf Tanz und Choreografie. Ausgewählt von Theresa Pointner und Christoph Etzelsdorfer. Filmmuseum, Di 11.7., 19.15, Sa 29.7., 21.15

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Alfa of Death Inna Falkova Interactive Research Performance. Universitätssportzentrum Schmelz, Di 18.7., 10.00 Film: Cannibalizing the Conductor Derek Howard, Emma W. Howes and Justin F. Kennedy Der Film kombiniert Tanz mit narrativen und dokumentarischen Filmtechniken, um sich Zuständen von Trance filmisch zu nähern. Eine Gruppe von Performer:innen improvisiert in verschiedenen Zuständen mit Imagination, Stimme und Bewegung. Filmmuseum, Sa 29.7., 20.30 Ausstellung: Unveröffentlicht Cin Cin / Anna Breit & Luca Schenardi Die Ausstellung macht erstmals das Material der aktuellen ImPulsTanz-Kampagne sichtbar, das ausgemustert wurde, und präsentiert Fotos von Anna Breit und Illustrationen von Luca Schenardi. Spitzer, Sa 15.7., 22.30 (Vernissage), 16.7.–6.8. Daily Festival Lounge Burgtheater Vestibül, 6.7. bis 6.8., 22.00 Ausstellung: Files of Routine in Action. Documentary Yevheniy Titov / Thomas Seifert Yevheniy Titov und Thomas Seifert begegneten sich als Kriegsreporter an der Front. Beide aber sind auch – Tänzer. Aus dieser Begegnung entsteht eine Fotoausstellung mit Bildern aus verschiedenen Zeiten und Leben. Odeon, Di 18.7., 19.30 (Vernissage), 19.7.–6.8. ImPulsTanz Party A-Side Die ImPulsTanz-Party ist ein Fixpunkt im Wiener Partysommer. Dieses Jahr dürfte die Party besonders spektakulär werden: zum 40-jährigen Jubliläum gibt Peaches ein Live-Konzert. Außerdem mit dabei: Lou Asril, DJs Dial808, Kristian Davidek. Eintritt ab 16 Jahren! Rathaus (Arkadenhof), Fr 14.7., 21.30 ImPulsTanz Party B-Side Das letzte Festivalwochenende wird eingetanzt mit der zweiten großen Party. Hier mit dabei: LYZZA, DJ Dalia Ahmed, Peeps. Eintritt ab 16 Jahren! Kasino am Schwarzenbergplatz, Fr 4.8., 22.00 Into the Groove Ikonische Musikvideo-Highlights, ausgewählt von Christoph Etzlsdorfer und Theresa Pointner. Filmmuseum, Di 11.7., 17.30, Di 18.7., 20.30 Buchpräsentation: And then it got legs Jeroen Peeters Das Buch des umtriebigen Dramaturgen, Essayisten und Autors kommt direkt aus der Praxis und ist Zeugnis einer besonderen Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler:innen. Bei ImPulsTanz spricht Jeroen Peeters mit den Dramaturgie-Kolleg:innen Bojana Cvejić und Guy Cools. Volkstheater (Rote Bar), Sa 15.7., 19.00 Film: Monochrome Anton Ovchinnikov Der Mitbegründer der Contemporary Dance Platform Ukraine, musste am 24. 2. 2022 Kyiw verlassen und fand sich isoliert in dem 50 km entfernten Dorf Morozivka wieder. Als sein Körper aus der Starre wieder erwachte, drehte er diesen Tanzfilm Monochrome, um, wie er sagt, „die Zwischentöne wieder zum Leben zu erwecken“. mumok, Di 18.7., 18.00, Do 20.7., 18.15, Sa 22.7., 18.15, Mo 24.7., 18.15, Do 27.7., 18.15 Film: The Post Confinement Travelogue Michael Laub In diesem filmischen Selbstporträt irrt der Theaterregisseur Michael Laub durch Kambodscha, Vietnam, Brüssel und erinnert an seine vielen Arbeiten. Und er tanzt. Filmmuseum, So 23.7., 20.30 Rhythm is a Dancer – Freestyle Dance Contest Ein jährlicher Renner: Hobby- und Profitänzer aller Stile und jeden Alters tanzen vor, was sie wollen, eine Jury und das Publikum vergeben Preise. Anmeldungen unter workshopoffice@impulstanz.com. Universitätssportzentrum Schmelz, Sa 29.7., 20.15 Buchpräsentation: Spangbergianism Mârten Spångberg 2011 veröffentlichte Spångberg seine berüchtigte Kritik an zeitgenössischem Tanz und seinem Umfeld. 4000 Exemplare wurden verteilt und weckten Choreograf:innen, Produzent:innen und Publikum aus ihrem langen Schlaf aus Höflichkeit, Freundlichkeit und Wohlwollen. Nun erscheint die zweite Ausgabe. Volkstheater, Rote Bar, Mi 2.8., 19.00 Film: Umwelt, de l’autre côté des miroirs Compagnie Maguy Marin, Regie: David Mambouch Ein filmischer Blick auf die gefeierte Arbeit der Compagnie Maguy Marin: In „Umwelt“ setzt sich die französische Choreografie-Ikone Marin mit der Frage auseinander, ob es uns gelingen wird, die Erde bewohnbar zu halten. Filmmuseum, Do 20.7., 20.30 Film: Why We Fight Alain Platel & Mirjam Devriendt / Cassette for timescapes Der Film ist inspiriert von der Performance „Nicht Schlafen“ aus dem Jahr 2016. Diese stellte unter anderem die Frage, warum es so viel sinnlose und willkürliche Gewalt in der Welt gibt, was zu hitzigen Diskussionen in der Gruppe führte. Der Film kombiniert Found Footage und Bildmaterial aus aller Welt mit den Einsichten dreier Tänzer:innen. Filmmuseum, Di 25.7., 20.30 ImPulsTanz Special: The Grand and Glorious Part – A Noisical A Sound of Musick [sic!]. Peter Kutin und Florian Kindlinger lassen gemeinsam mit dem Publikum einen Film entstehen – und es ordentlich krachen. Odeon, Do 10.8., Sa 12.8., 21.00


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IMPULSTANZ 23 FOTO: KAROLINA MIERNIK

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Peaches kommt mit ihrem knalligen Electropop zur großen ImPulsTanzParty am 14. Juli

ImPulsTanz Soçial: Dance the pain away Die große Headlinerin des ImPulsTanz-Nachtprogramms ist Peaches, aber auch das Vestibül wird wieder zum Party-Hotspot NACHTWACHE: KATHARINA SEIDLER

errill Nisker eine Ikone der feministiM schen, sexuellen Gleichberechtigung zu nennen, ist keinesfalls übertrieben. Sie hat Sätze wie „Fuck the pain away“ oder „Diddle my skittle“ (huch) geprägt und inszeniert bei ihren Shows lust- und humorvoll weibliches Begehren als Motor zur Selbstermächtigung. Unter ihrem Artist-Namen Peaches produziert die kanadische Musikerin und Performerin knalligen, punkigen Electropop, dargebracht gerne im selbstgenähten Ganzkörperanzug aus Stoffbrüsten; sie spaziert im Inneren eines riesigen, aufblasbaren Plastikpenis über die Köpfe des Publikums und erschafft live gemeinsam mit einem großen Team an Tänzer:innen und Performer:innen ein sinnliches Gesamtkunstwerk, das als sexpositives Rockmusical ebenso funktioniert wie als entfesselte Party. Schon früher einmal war Peaches im Rahmen von ImPulsTanz in Wien zu Gast, nun kehrt die Künstlerin zum Festival zurück, wo sie am 14. Juli den Arkadenhof des Rathauses zum Beben bringen wird. Wer Glück hat, bekommt auch Peaches’ ganz

eigene Coverversion von Celine Dions’ Hit „It’s all coming back to me now“ vorgesungen. Support kommt an diesem Abend von dem österreichischen Neo-Soul-Aufsteiger Lou Asril sowie von den DJs Dial1808 und Kristian Davidek. Die zweite große Party des diesjährigen ImPulsTanz findet in der Stammlocation

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Wer die herrlich verschwitzten Partys des Festivals kennt, weiß, dass es sich auszahlt, den Schlaf ein wenig zu kurz kommen zu lassen

Kasino am Schwarzenbergplatz statt, wo die holländisch-brasilianische MC und Experimental-Musikerin Lyzza avantgardistischen Pop, Reggaeton, HipHop und kühle, futuristische Clubmusik zusammenbringt. An ihrer Seite stehen an diesem Abend, den 4. August, die heimische Radio-Host Dalia Ahmed und der Pariser Choreograf und Fashion Creative Director Peeps mit globalen Clubsounds an den Decks. Auch für die allseits beliebte ImPulsTanz Festival Lounge, die zwischen 6. Juli und 6. August beinahe allabendlich im Burgtheater Vestibül aufschlägt, hat die Kuratorin der Festival-Partyschiene Hanna Bauer wieder ein buntes und hochkarätiges Programm zusammengestellt. Da wäre etwa die Schiene Live’n’Local, die

heimische Newcomer:innen einmal donnerstags, ansonsten immer mittwochs oft zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere auf die Bühne der ImPulsTanz Festival Lounge holt, bevor diese in der Regel dann immer mehr Fahrt aufnimmt. Acts wie Mavi Phoenix oder KeKe ist es in der Vergangenheit bereits so ergangen; dieses Jahr präsentiert die Reihe etwa die Wiener Rapperin und R’n’B-Vokalistin Bex (6.7.), das Cousinen-Duo Cousins Like Shit, das Lo-Fi-Antifolk und postpunky Indiepop vereint (12.7.) oder die Deutschpop-Romantiker tauchen (19.7.). Die junge Münchner Musikerin Lizki tauscht ihre Vergangenheit als angehende Opernsängerin gegen eine Karriere als synthverliebte Electropopperin (26.7.), die Newcomerin Siska verspricht elektronische Popmusik mit 4/4-Clubrhythmen und glas-

klarer Stimme (2.8.) und die mysteriöse Band The P’s (Eigenbeschreibung: „music for joy and sorrow, from far to wide“) beschließt wie jedes Jahr die ImPulsTanz Festival Lounge am Abschlussabend, den 6. August. Die Freitage im Vestibül stehen unter der

Schirmherrschaft von Radio FM4 im Zeichen von DJ-Dreamteams, gern mit leichter HipHop-Schlagseite, namentlich sind das B.Visible & Austrian Apparel (7.7.), DJ Johanna & DJ Bynite (21.7.) und die FM4 Tribe-Vibes-Radiohosts Phekt & Trishes (28.7.). Ebenfalls beliebte Tradition haben die Nächte des Wiener Labels Affine Records, das sich mit seinem ständig wachsenden Katalog der „forward thinking music“ verschrieben hat und das diesen Sommer am Samstag, 15. Juli, die Beatjongleur:innen Zanshin & Dzc. sowie am 5. August Kenji Araki und Ybsole und deren dekonstruierten Clubtracks eingeladen hat. An allen sonstigen Sommernächten wird in der Lounge im Burgtheater Vestibül zu Lieblingsmusik von Künstler:innen und Mitarbeiter:innen von ImPulsTanz selbst getanzt. „Da spielt der künstlerische Leiter des Workshop-Programms nach der US-amerikanischen Voguing-Ikone und die niederländische Performancekünstlerin vor der ImPulsTanz-Marketingchefin“, verspricht die Website, und wer die herrlich verschwitzten, gutgelaunten Partys des Festivals kennt, weiß, dass es sich auszahlt, den Schlaf während dieser Wochen des Jahres ein wenig zu kurz kommen zu lassen. F


DER STANDARD feiert 40 Jahre ImPulsTanz.

Der Haltung gewidmet.


ImPulsTanz 23 Compagnie/Choreograf*innen Stücktitel

www.impulstanz.com Spielstätte

, 6.7., 20.45 Festivaleröffnung mit Doris Uhlich & Esben Weile Kjær Celebration’ 23

6. Juli bis 6. August Compagnie/Choreograf*innen Stücktitel 21.00 BLESSED

Museumsquartier, Haupthof

7.,9., 10.7., Lucinda Childs / Robert Wilson 8.7., 18.00 8.7., 19.00, 9., 10.7., 21.00 8..7., 21.00, 10.7., 19.00 9.7., 16.00 9, 11.7., 19.00 10.–12.7., versch. Beginnzeiten

10., 12.7., 23.00 11.7., 21.00 13., 14.7., 19.00 14.7., 21.00 12., 14.7., 19.00 12., 14.7., 21.00 13., 15.7., 21.00 13.7., 23.00 14.7., 19.00, 16.7., 21.00 14.7., 21.30 15.7., 17.00 16.7., 17.00, 21.00 15., 17.7., 19.00 15.7., 21.00 15.7., 23.00 16., 17.7., 19.00 16.7., 21.00 18.7., 19.00 17.7., 19.00 17., 19.7., 21.00 17., 19.7., 23.00 18.7., 10.00 18.7., 21.00 20.7., 19.00 18.7., 23.00 20.7., 21.00 19., 21.7., 21.00 20.. 22.7., 19.00

20.7., 19.00, 22.7., 17.00, 23.7., 21.00 20., 22.7., 21.00

21.7., 21.00, 23.7., 19.00

19.00 Batty Bwoy

19.00 SIMPLE

Odeon

mumok

24.7., 19.00 James Batchelor & Collaborators , 26.7., 23.00 Shortcuts to Familiar Places 24., 26.7., Benjamin Abel Meirhaeghe / Muziektheater Transparant

Schauspielhaus

21.00 Madrigals

Volkstheater

25., 26.7., 13.00— toxic dreams Leopold Museum 18.00, 27.7., 18.30 The Two Pop(e)s 25.7., 21.00 Cie. Marina Otero Akademietheater 27.7., 19.00 FUCK ME 25., 27.7., Marga Alfeirão with Mariana Benenge, Myriam Lucas, Shaka Lion 23.00 LOUNGE

Kasino am Schwarzenbergplatz

26.7., 19.00 Lenio Kaklea 28.7., 21.00 Agrimi (Fauve) 26.7., 21.00 Luca Bonamore & Lau Lukkarila 28.7., 19.00 Lapse and the Scarlet Sun 27., 29.7., Trajal Harrell / Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble 21.00 Monkey off My Back or the Cat’s Meow

28.7., 19.00 Cie. Ivo Dimchev 30.7., 21.00 Begeraz Top 40 28.7., 21.00 Mathilde Monnier / Otto Productions 30.7., 19.00 BLACK LIGHTS 28.7., 21.00 Samira Elagoz 30.7., 19.00 Seek Bromance

Museumsquartier, Halle G Odeon Museumsquartier, Halle E Akademietheater Volkstheater Kasino am Schwarzenbergplatz

Marina Otero

28.7., 23.00 LOVE ME

Schauspielhaus

29., 31.7., Ishmael Houston-Jones & Keith Hennessy 19.00 Closer

29.7., 19.30 29.7., 20.15 30.7., 17.00 1.8., 18.00 30.7., 19.00 1.8., 21.00 30.7., 1.8., 21.00 31.7., 18.00, 1.8., 19.00, 2.8., 21.00 31.7., 2.8., 21.00 31.7., 23.00 2.8., 19.00 1.8., 20.00, 21.30 1.8., 23.00 3.8., 21.00 3.8., 17.00 4.8., 21.00 3., 5.8., 19.00 3.8., 21.00 5.8., 19.00 3.8., 21.00 5.8., 23.00 4., 6.8., 19.00

mumok Michèle Anne De Mey / BODHI PROJECT dance company Blue Smile Kasino am Schwarzenbergplatz Freestyle Dance Contest Rhythm is a Dancer Universitätssportzentrum Schmelz Christine Gaigg / 2nd nature DeSacre! Otto Wagner-Kirche am Steinhof Ruth Childs / Scarlett’s Blast! Museumsquartier, Halle G Alleyne Dance Far From Home Odeon Benoît Lachambre / Montréal danse – Parbleux All in All: Perro de Fuego y Rata de Agua Künstlerhaus Factory Trajal Harrell / Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble The Köln Concert Volkstheater Sidney Leoni FLY Schauspielhaus Mathilde Monnier Défilé pour 27 chaussures Heidi Horten Collection Anne Lise Le Gac, Loto Retina / OKAY CONFIANCE La Caresse du Coma ft. YOLO Kasino am Schwarzenbergplatz Benoît Lachambre / Montréal danse – Parbleux All in All: Boreal Castles Künstlerhaus Factory Burnash & Demyanenk / Arsen / Chizhikova & Malyávkin the other side / the whip / fractional step mumok Emmanuelle Huynh / Plateforme Múa Archeologia Heidi Horten Collection Dani Brown THE PRESSING Museumsquartier, Halle G Nadia Beugré Odeon Quartiers Libres

Trajal Harrell

4., 6.8., 21.00 Maggie The Cat

Volkstheater

4.8., 21.00 Olivia Axel Scheucher / Nick Romeo Reimann 6.8., 23.00 FUGUE FOUR : RESPONSE ImPulsTanz Party B-Side 4.8., 22.00 live: LYZZA / DJs Dalia Ahmed & Peeps Cie. Ivo Dimchev 4.8., 22.30 The Selfie Concert «expressions’23» 5.8., 16.00 Final Workshop Showing 5.8., 21.00 Benoît Lachambre / Montréal danse – Parbleux 6.8., 19.00 All in All: L’Ogre, le Phénix et l’Ami Fidèle

Christian Rizzo / ICI–CNN Montpellier Occitane 21.7., 21.00 miramar Volkstheater Benjamin Abel Meirhaeghe & The Unrequired Love / Muziektheater Transparant 21.7., 23.00 Spectacles Schauspielhaus

22., 24.7., Ayelen Parolin / RUDA

Museumsquartier, Halle G

24., 27.7., Harald Beharie

21.00 RELATIVE CALM music by Jon Gibson, Igor Stravinsky, John Adams

Volkstheater Esben Weile Kjær BURN! mumok Doris Uhlich more than naked – 10th anniversary Museumsquartier, Halle G Boris Charmatz / [terrain] SOMNOLE Odeon «impressions’23» Workshop Opening Lecture Universitätssportzentrum Schmelz Liquid Loft & Bulbul living in funny eternity_L.I.F.E. Burgtheater Bühne Angela Vitovec aka Angela Schubot MOSSBELLY Künstlerhaus Factory Chara Kotsali Schauspielhaus To Be Possessed Needcompany Billy’s Joy Akademietheater Needcompany Billy’s Violence Akademietheater Ofelia Jarl Ortega Bien y Mal Odeon Cie. Marie Chouinard «M» Volkstheater Gisèle Vienne / DACM L’ Étang (Der Teich) Museumsquartier, Halle G Elisabeth Bakambamba Tambwe Beyond The Overflow Kasino am Schwarzenbergplatz Mélanie Demers / MAYDAY Confession Publique Schauspielhaus ImPulsTanz Party A-Side live: Peaches / LOU ASRIL / DJs Dial808 & Kristian Davidek Rathaus, Arkadenhof Lara Kramer Them Voices Künstlerhaus Factory Elizabeth Ward / vitus Hedera helix mumok Meg Stuart / Damaged Goods & Mark Tompkins / I.D.A. ONE SHOT Volksoper Probebühne Luiz de Abreu & Calixto Neto / VOA O Samba do Crioulo Doido Odeon Lucinda Childs & MP3 Dance Project distant figure Akademietheater Alexander Vantournhout / not standing Through the Grapevine Museumsquartier, Halle G Thomas Köck & Michael v. zur Mühlen opera – a future game / vienna edition Burgtheater Bühne Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich Volkstheater Anne Juren & Frédéric Gies Jumelles Kasino am Schwarzenbergplatz Inna Falkova Alfa of death Universitätssportzentrum Schmelz Clara Furey Dog Rising Odeon Sebastiano Sing MATHIEU Schauspielhaus Meg Stuart & Doug Weiss All the Way Around Akademietheater Akemi Takeya The Act of LemoDada mumok Lisa Hinterreithner This is not a garden. vegetal encounters Künstlerhaus Factory COD – Compagnie Olivier Dubois My body of coming forth by day Burgtheater Bühne Anna Biczók DELICATE Kasino am Schwarzenbergplatz

Spielstätte

22., 24.7., Meg Stuart / Damaged Goods & EIRA

5.8. (dt.), Jérôme Bel / Max Mayer 6.8. (engl.), 21.00 Jérôme Bel

Schauspielhaus Kasino am Schwarzenbergplatz mumok

Universitätssportzentrum Schmelz Künstlerhaus Factory Kasino am Schwarzenbergplatz

KARTENVORVERKAUF: +43 1 235 00 22 (tägl. 11.45–19 Uhr) www.impulstanz.com ImPulsTanz Haupttageskasse 7., Museumsstraße 5 tägl. 11.45–19.00 (von 1.7. bis 6.8.)

ImPulsTanz Office MuseumsQuartier 7., Museumsplatz 1/ Q21, Mezzanin, Mo–Fr 15.30–19.00 (bis 30.6.)

Workshops & Research 10.7. bis 4.8. Info: www.impulstanz.com, Tel. +43 1 235 00 22

Workshop Office, Auf der Schmelz 15., Auf der Schmelz 6, Mo 8.30–19.00, Di–So 8.45–18.30 (3.7. bis 4.8.) ABENDKASSE Ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn am jeweiligen Spielort


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