HEUREKA 3/08

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heureka! Das Wissenschaftsmagazin im Falter

3–08 Beilage zu Falter Nr. 41/08 Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W;

Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2169/2008; Coverillustration: Julia Mende

Von allen Sinnen

Was die Wissenschaft über das Schmecken, Riechen, Sehen, Hören und Tasten weiß.

en

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210-297 heureka

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Ein Fall für 2 > Gesucht: das Super Antibiotikum Gefunden: mit den Mitteln der EU Österreich und die EU >

unterhalten eine erfolgreiche Partnerschaft in den Belangen Wissenschaft und Forschung. Für diese Bereiche erhält Österreich mehr Geld, als es einzahlt. So können österreichische Forscher/innen zum Beispiel erforschen, wie verhindert werden kann, dass Bakterien immer resistenter gegen Antibiotika werden. Damit etwa das Halsweh auch wirklich vergeht, wenn es vergehen soll…

Johannes Hahn

www.bmwf.gv.at

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung


EDITORIAL

Barth

Liebe Leserin, lieber Leser!

An Arachnophobie leidet Friedrich Barth nicht. So konnte der Wiener Zoologe in den letzten vier Jahrzehnten den erstaunlich komplexen Tastsinn der Spinnen erforschen. Er entdeckte das hochsensible Spaltsinnesorgan, mit dem im Tierreich allein die niedlichen Achtbeiner ausgestattet sind. Seit 1. Oktober ist der hochdekorierte „Spiderman“ emeritiert.

„Sie machen ein Heft über die fünf Sinne. Ja wissen Sie denn nicht, dass es viel mehr gibt?“, fragte so mancher der von uns interviewten Wissenschaftler leicht entgeistert zurück. Ja, wissen wir, aber wie viele es nun wirklich sind – ob sechs, acht oder elf –, konnte uns am Ende niemand verbindlich sagen. Und „fünf + x“ wäre zwar ein genauerer, aber doch ein etwas eigenartiger Titel für diese Ausgabe gewesen. Ganz abgesehen davon, dass sich unsere Antennen für die Welt ohnehin nicht so genau auseinanderdividieren lassen: Beim Schmecken zum Beispiel riechen wir ja hauptsächlich. Zu diesen und anderen neuronalen Netzwerken der Sinneswahrnehmung hat sich die Forschung in den letzten Jahren vorangetastet – und wir haben ihr dabei nachgespürt. In wie weit sich Auge und Co. ersetzen lassen und wie sich die Damen und Herren Forscher fühlen, wenn sie nur mehr auf Bildschirme starren – auch dazu haben wir uns umgehört. Und dass dies, wie wir finden, ein gschmackiges Heft wurde, dazu hat auch Falter-Grafikerin Julia Mende mit ihren Piktogrammen optisch beigetragen. Schnuppern oder schauen Sie doch rein! Die Redaktion

Hackl

Wikimedia

Walter Gehring, Universität Basel

Carlos Paes

3Der Blog zum Heft: www.heurekablog.at3

INHALT

Falsche Augen 5

Zarte Finger 12

Duftes Wissen 15

Sechster Sinn 20

Ein Genetiker ließ an den Beinen

Der Tastsinn gilt als der Ver­­lierer

Noch immer birgt der Geruchssinn

Viele Tiere orientieren sich am

von Fliegen Augen wachsen und

der Moderne. Doch es gibt einen

zahlreiche Rätsel. Einige davon

Magnetfeld der Erde. Forscher

belebte eine alte Debatte neu.

neuen Trend zum Taktilen.

konnte die Wissenschaft lösen.

rätseln, wie sie das machen.

ZAhlEN 4 Bestleistungen aus dem Reich der Tiersinne | SEHEN 8 Schauen Japaner anders? | Das Auge der Astronomin 10 Fünf Forscher über jenen Sinn, der für sie unverzichtbar ist | Hören 14 Die Hightech-Ohren der Insekten | Riechen 16 Hanns Hatt im Interview Schmecken 18 Ein Besuch im Sensoriklabor der Universität Wien | Wussten Sie ...? 22 Erstaunliches über unsere Sinnesleistungen Impressum: Beilage zu Falter Nr. 41/08; Herausgeber: Falter Verlags GmbH, Medien­inhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T.: 01/536 60-0, F.: 01/536 60-912, E.: heureka@falter.at, DVR-Nr.: 0476986; Redaktion: Birgit Dalheimer, Klaus Taschwer, Oliver Hochadel; Satz, Layout, Grafik: Reinhard Hackl; Druck: Berger, Horn

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heureka! erscheint mit ­Unterstützung des Bundesministeriums ­für Wissenschaft und Forschnung

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ZAHLEN BITTE! 0,000000002 Liter

des Aromastoffes Menthenthiol pro Liter Flüssigkeit reichen aus, um bei uns den Geschmackseindruck von frischem Grapefruitsaft auszulösen.

0,003 Grad Celsius

Guntram Deichsel

Temperaturunterschiede kann die Grubenotter registrieren. Die Schlange besitzt zwischen Auge und Nasenloch das namensgebende Grubenorgan. Mäusefangen im Dunkeln ist somit ein Kinderspiel. Grubenottern spüren die feinsten Unterschiede

6 Sinne

haben angeblich jene Tiere, die Stunden vor Ausbruch eines Erdbebens das Weite suchen. Eine nicht belegte These des chemischen Physikers Helmut Tributsch von der FU Berlin besagt, dass Ratten, Kröten, Elefanten, Pferde, aber auch Schlangen und andere Tiere den vor Erdbeben erhöhten Aerosolgehalt der Luft beim Einatmen spürten, was wiederum eine Fluchtreaktion auslöse.

20 Hertz

180 Dezibel

Johnny Ljunggren

(also Schwingungen pro Sekunde) ist in etwa die tiefste für uns Menschen hörbare Frequenz. Elefanten (große Ohren!) hören Schallwellen von lediglich zehn Hertz und können so über Distanzen von fünf oder mehr Kilometern mit ihren Artgenossen kommunizieren. Elefanten hören die tiefsten Töne

laut kann der „Gesang“ des Blauwals sein. Das bedeutet Platz eins bei den tierischen Krachmachern. Menschen in großen Gruppen schaffen bis zu 128 Dezibel. Ab 85 Dezibel empfehlen sich bereits Ohrenschützer.

300 Einzelbilder

pro Sekunde bräuchte es, damit bei Libellen der Eindruck entstünde, dass sie einen Film sähen. Bei uns sind es gerade einmal 20.

von Geruchsrezeptoren helfen Ratten bei der Partner- und Futtersuche. Hunde haben immerhin noch ungefähr 1000, Menschen lediglich etwa 350 verschiedene „Andockstellen“ für Duftstoffmoleküle (s. Seite 15–17).

André Krawath

1500 verschiedene Typen

Libellen haben den schnellsten Blick

1500 Mechanosensoren

werden in der Hand aktiviert, wenn wir jemandem eben diese schütteln.

1.000.000 Sinneszellen

pro Quadratmillimeter Netzhaut und sehr große Augäpfel sorgen bei Greifvögeln für eine enorm hohe Auflösung. Adleraugen vermögen daher auch kleine Tiere aus hunderten von Metern Entfernung zu erspähen.

für sehr schwache Helldunkelkontraste in der Nacht hat unser neuronaler Minicomputer Auge. Immerhin sechs Millionen „Zapfen“ sind auf unserer Netzhaut für das Farbsehen und das hochauflösende Sehen bei Tageslicht zuständig.

4   …

Richard Bartz

120.000.000 „Stäbchen“

Steinadler besitzen die schärfsten Augen

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Walter Gehring, Universität Basel

Mehr Sehsinn dank „eyeless“ – durch die Manipulation dieses Gens wuchsen der Taufliege auch auf den Antennen Augen

Augen an den Beinen Science, not fiction. Das Szenario schien aus

einem Horrorfilm zu stammen. Genetisch manipulierten Taufliegen waren an Beinen und Flügeln, ja selbst an den Antennen zusätzliche Augen gewachsen. Ort der Handlung war aber nicht Hollywood, sondern ein Labor der Universität Basel. Dort hatte Mitte der 1990er-Jahre der Genetiker Walter Gehring einen Hauptschalter im Erbgut der Fruchtfliege namens „eyeless“ entdeckt, der mehr als 2500 andere Gene in Form einer Kettenreaktion aktiviert. Viele Biologen waren überrascht, dass diese Kaskade zur Bildung kompletter Insektenaugen führte. Bis dahin hatte niemand gedacht, dass ein einzelnes Gen für den Start eines so komplexen Vorgangs verantwortlich sein könnte. Gehring und seine Mitarbeiter aktivierten „eyeless“ auch außerhalb des Kopfes der Taufliegenembryonen und erzielten beeindruckend monströse Resultate. Ob Taufliegen mit den Augen an Beinen, Flügeln und Antennen tatsächlich sehen, ist noch nicht klar, denn die Nervenverbindungen der Zusatzaugen wachsen wegen Platzmangels ins Riechhirn. „Es wäre denkbar, dass die Fliegen Licht riechen und nicht sehen“, sagt Gehring im Gespräch mit heureka!.

Das Auge war in der Biologie immer wieder Auslöser für heftige Grundsatzdebatten. Ist das Urauge nun einmal oder viele Male entstanden? Und die Frage, ob es für die Entstehung von etwas so Komplexem nicht eines Schöpfers bedürfe, ist ohnehin ein Dauerbrenner Robert Czepel

Das Urauge? So weit ist die Angelegenheit zwar spektakulär, aber nicht allzu umstritten. Für Zündstoff sorgte indes die Entdeckung, dass es gleiche (oder nahe verwandte) Gene auch bei der Maus, beim Menschen, ja sogar bei Tintenfischen, Strudelwürmern, Kammmuscheln und vielen anderen Spezies gibt, was auf ein gemeinsames stammesgeschichtliches Erbe hindeutete. Gehring machte die Probe aufs

Exempel und wiederholte den Monsterversuch bei Fruchtfliegen, verwendete diesmal allerdings das „mäusische“ Gen – und siehe da: auch diesmal wuchsen den Fliegen Augen an Beinen und Antennen. Gehring zog daraus den Schluss: Wer auch immer jenes Wesen war, das „eyeless“ zuerst im Genom trug, war der Besitzer des Urauges, dem letztlich alle sehenden Tiere der Gegenwart ihr Augenlicht verdanken. Das ist die These vom „monophyletischen“, sprich: einmal erfolgten Ursprung des Sehsinns in der Naturgeschichte. Sogleich regte sich Widerstand im Lager der Entwicklungs- und Evolutionsbiologen. Sie gruben eine Arbeit aus, die der Harvard-Biologe Ernst Mayr mit seinem österreichischen Kollegen Luitfried Salvini-Plawen im Jahr 1977 veröffentlicht hatte. Darin kamen die beiden aufgrund morphologischer Vergleiche zu dem Schluss, dass Augen im Tierreich nicht einmal, sondern 40- bis 60-mal unabhängig entstanden seien. Den Kompromiss im Blick. Der augenfällige

Widerspruch zwischen diesen beiden Positionen kann zumindest teilweise aufgelöst werden, wenn man die unterschiedliche

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atikam aus

Walter Gehring, Universität Basel

Gab es ein Wesen mit dem „Urauge“, oder entstand das Auge viele Male aufs Neue?

diese Möglichkeit auch wirklich genutzt wurde. Alle Augentypen, die wir heute kennen, sind späteren Datums.“ Und Gehring akzeptiert als Urauge auch einen simplen Pigmentfleck mit einer Rezeptorzelle, die, wie er mittlerweile zeigen konnte, ebenfalls unter dem Einfluss des „Masterregulators“ steht. Womit sich der Disput auf eine Frage reduziert: Besaß der erste Träger von „eyeless“ bereits einen Fotorezeptor – oder hatte das Gen ursprünglich eine andere Funktion? Das wäre noch zu klären.

Verwendung des Begriffs „Auge“ berücksichtigt. Morphologisch orientierte Biologen verstehen darunter in der Regel mehr oder weniger komplexe Organe, seien es nun Becher-, Insekten- oder Linsenaugen. Für Genetiker ist hingegen schon das ein Auge, was durch den „eyeless“-Schalter gebildet wird. Insofern haben die Morphologen schon Recht, wenn sie betonen, der gemeinsame Vorfahre von Mensch, Maus und Muschel müsse augenlos gewesen sein. Gehring und seine Mitstreiter punkten hingegen mit dem Hinweis, dass die offenbar allgemeine Verbreitung von „eyeless“ auf ein gemeinsames Erbe hindeute. Mittlerweile haben sich die Positionen ein wenig angenähert. Salvini-Plawen macht im Gespräch mit heureka! einen Kompromissvorschlag: „Die genetische Basis für die Entstehung des Auges dürfte tatsächlich einen einzigen Ursprung haben. Allerdings haben in den verschiedenen Tiergruppen erst die Umweltbedingungen entschieden, ob

Augenauswischerei. Keinerlei Annäherung gibt es bei der Kontroverse zwischen Neodarwinisten und den Vertretern des „Intelligent Design“ (kurz: ID). Zu Letzteren gehört Wolf-Ekkehard Lönnig, ehemals am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung tätig und nun im Ruhestand. Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber dürfte es das eine oder andere Zerwürfnis gegeben haben: „Ich spreche als Privatperson, nicht als Vertreter einer Institution.“ Und: „Intelligent Design ist etwas anderes als Kreationismus. Wir sind nicht an die Bibel gebunden, sondern stellen uns nur die Frage: Sind Mutation und Selektion wirklich ausreichend, um die Phänomene des Lebens zu erklären? Oder steckt nicht vielmehr eine Intelligenz dahinter?“ Nicht weiter überraschend kommen die Vertreter des ID zu der Auffassung, dass Letzteres der Fall sei. Wobei sie meist offenlassen, was unter dieser „Intelligenz“ zu verstehen sei. Lönnig ist da eher eine ehrliche Ausnahme. Er bekennt: „Für mich ist das Gott.“ Pikanterweise beziehen sich gerade die AntiDarwinisten in ihren Schriften häufig auf Dar-

Das Auge des Tintenfischs Der Akademiestreit. „Der Vulkan ist ausgebrochen, alles steht in Flammen; wir haben keine Verhandlungen hinter verschlossenen Türen mehr!“ Mit diesen Worten kommentierte Johann Wolfgang von Goethe die Ereignisse im Paris des Jahres 1830. Und er meinte damit keineswegs die Julirevolution, nein, Goethe meinte einen Disput, der in den Räumen der ehrwürdigen Akademie der Wissenschaften entbrannt war. Im Epizentrum dieser bis nach Weimar spürbaren wissenschaftlichen Eruption standen zwei Autoritäten der französischen Biologie, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Auf der einen Seite Georges Cuvier, der Begründer der Paläontologie, ein hervorragender Anatom und Vertreter der Katastrophentheorie,

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der zufolge das Leben im Lauf der Naturgeschichte immer wieder ausgestorben sei, um danach regelmäßig mithilfe Gottes in neuem Formenreichtum zurückzukehren. Auf der anderen Seite Étienne Geoffroy Saint-Hilaire, Zoologe ersten Ranges, der – beeinflusst von der romantischen Naturphilosophie – glaubte, der Körperbau der Tiere lasse sich auf einen einzigen Grundbauplan zurückführen. Cuvier indessen vermeinte in der Natur vier von Gott isolierte „embranchements“ zu erkennen – die Hauptgruppen der Wirbel-, Weich-, Strahlen- und Gliedertiere, zwischen denen es seiner Ansicht nach weder Ähnlichkeiten noch Verwandtschaft gab. Tintenfischretina. Anlass für den be-

rühmten Akademiestreit war ein Aufsatz

zweier junger, unbekannter Naturkundler, die behaupteten, man könne die Anordnung der Organe eines Tintenfisches in diejenige von Wirbeltieren überführen. Geoffroy Saint-Hilaire, der das Tierreich durch die Brille der „Einheit der Komposition“ betrachtete, war davon begeistert, Cuvier indes betrachtete die These schlichtweg als Unsinn und widerlegte sie recht schnell mit ein paar anatomischen Argumenten. Aus heutiger Sicht muss man in dieser Sachfrage wohl Cuvier Recht geben, wenngleich es tatsächlich eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Tintenfischen und Wirbeltieren gibt, wie der Biologe und Wissenschaftshistoriker Olaf Breidbach von der Universität Jena betont: „Wenn ich im Anatomiepraktikum die

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Die Debatte zwischen Darwinisten und ID bewegt sich zwar, aber nur im Kreis

win. Besonders gerne zitiert wird ein Satz aus der „Entstehung der Arten“. „Anzunehmen, das Auge (...) sei durch natürliche Zuchtwahl entstanden“, schrieb Darwin 1859, „scheint, das gebe ich offen zu, höchst absurd.“ Das zeigt zwar, dass Darwin mögliche Einwände gegenüber seiner Theorie immer ernst genommen hat, aber das ID-Konzept macht es nicht wirklich plausibler. Warum sollen das Auge und der ganze Rest eigentlich nicht auf natürliche Weise entstanden sein? „Dafür braucht es eine Menge Glauben“, sagt Lönnig, „denn die Teile des Auges müssen harmonisch ineinanderwirken um das Funktionieren zu gewährleisten. Und das bringen Mutationen nicht zustande. Sie haben meist negative Wirkung.“ Denkfaulheit? Der Genetiker Steve Jones vom

Augen durchnahm, führte ich manchmal die Studenten an der Nase herum. Statt einer menschlichen Netzhaut legte ich ihnen eine Tintenfischretina unters Mikroskop. Die beiden sehen nämlich ganz ähnlich aus, bis auf die Tatsache, dass ihre Fotorezeptoren unterschiedlich orientiert sind.“ Man könnte auch sagen: Im menschlichen Auge ist der Film quasi verkehrt eingelegt, unsere Stäbchen und Zapfen schauen nicht zum Licht, sondern weg davon. Breidbach: „Das hat mit der Keimesentwicklung zu tun. Beim Tintenfisch bildet sich das Auge aus einer Einstülpung, bei uns hingegen aus einer Ausstülpung.“ Ein Protodarwinist? Cuvier und Geoffroy Saint-Hilaire hielten sich jedenfalls nicht sehr lange mit etwaigen organischen Parallelen zwischen Weich- und Wirbeltieren auf, sondern verlagerten die Debatte rasch

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University College London lässt an derlei Einwänden kein gutes Haar. Er sieht darin eine Mischung aus „Denkfaulheit und Arroganz“, die man auf folgende Formel reduzieren könne: „Ich bin ein kluger Kerl und kann nicht verstehen, wie das alles durch Evolution entstehen konnte. Also konnte es nicht durch Evolution entstehen.“ Nicht dass die zwei Gruppen bislang zu wenig Argumente ausgetauscht hätten.

Im Fachjournal Biology & Philosophy lieferten sie sich epische Debatten, auf öffentlichen Diskussionsveranstaltungen redeten sie einander ins Gewissen, und natürlich erschienen unzählige Beiträge in Buchform. „Evolutionspapst“ Richard Dawkins etwa hat der Augenfrage in „Der blinde Uhrmacher“ ein ganzes Kapitel gewidmet, worauf Wolf-Ekkehard Lönnig wiederum mit einer 130 Seiten starken Antwort auf seiner Website reagiert hat. Die Debatte bewegt sich zwar – aber nur im Kreis. Wer die einschlägige Literatur durchblättert, bemerkt schnell, dass sich die Argumente in leicht variierter Form regelmäßig wiederholen. Schlichtweg deswegen, weil Evolutionisten und ID-Leute von völlig unterschiedlichen Grund­ annahmen ausgehen, die eben nicht zur Deck­ ung zu bringen sind. Erstere argumentieren stramm naturwissenschaftlich, Letztere sehnen sich im Grunde nach einer Zeit, in der noch übernatürliche Erklärungen erlaubt waren. Dass es angesichts dieser Ausgangslage zwischen den Streitparteien jemals einen Konsens geben wird, scheint wohl ausgeschlossen. Oder mit Richard Rorty gesprochen: Manchmal kann man eben nicht mehr überzeugen, sondern höchstens überreden. 3

Zankapfel Tintenfischauge: Seine Fotorezeptoren sind „verkehrt“ orientiert.

auf eine grundsätzliche Ebene. Sie stritten um nichts weniger als die Ordnung der Natur. Geoffroy Saint-Hilaire wird in diesem Zusammenhang gerne die Rolle des Reformers und Protodarwinisten zugewiesen, nicht zuletzt wegen seines emphatischen Eintretens für eine generelle Verwandtschaft aller Tiere: „Jeder im Saale würde

LITERATUR Literatur, Quellen usw.: Walter Gehring www.biozentrum.unibas.ch/gehring/index.html Wolf-Ekkehard Lönnig www.weloennig.de/internetlibrary.html Intelligent Design Creationism and Its Critics. Philosophical, Theological, and Scientific Perspectives. Herausgegeben von Robert T. Pennock Was Gehrings Augenmultiplikation für die Evolution bedeuten: Die Debatte in Science, Bd. 272, S. 467 www.sciencemag.org/cgi/content/full/272/5261/467b Funktionstüchtige Zusatzaugen PNAS, Bd. 105, S. 8968 www.pnas.org/content/105/26/8968.abstract

erkennen“, rief er während einer der acht öffentlichen Auseinandersetzungen an der Pariser Akademie aus, „dass sich alle Tiere im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihres Bauplans evoluiert haben, wenn hier nicht eine Person säße, die ihre Autorität dazu missbrauchte, diese Wahrheit zu verschleiern!“ Aber so einfach ist die Sache nicht, stellt Breidbach klar: „Geoffroy vertrat im Grunde die uralte Idee der Metamorphose, derzufolge nur das entstehen kann, was bereits in der Natur angelegt ist. Das ist letztlich ein statisches Weltbild, das mit der Evolution im heutigen Sinne nichts zu tun hat. Innovativ war Geoffroy in anderer Hinsicht: Seine Natur kam ohne Gott aus.“ Doch für natürliche Erklärungen war es im Jahr 1830 offenbar noch ein bisschen zu früh. Georges Cuvier verließ die Arena der Akademie als klarer Punktesieger. R. C.

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Japaner schauen anders

Babyjune

Ostasiaten haben zwar eine Lidfalte weniger, sehen physiologisch aber genau wie wir. Bei der Gesichterwahrnehmung allerdings unterscheiden sich Ost und West, behaupten zwei neue Studien. Weil der Blick kulturell geprägt ist? Klaus Taschwer

Die Töchter und Söhne Nippons schauen eher in Richtung Nase und orientieren sich weniger am Gesichtsausdruck des Einzelnen als an dem der Gruppe.

Andere Augen. Jene, die es nicht besser wis-

Kulturell gelenkter Blick? Caldara und Kolle-

sen – oder politisch inkorrekt sein wollen –, sagen „Schlitzaugen“. Denn der Begriff gilt längst als rassistisch. „Mandelaugen“ ist auch nicht viel besser. Den Fachausdruck Epikanthus medialis kennen freilich nur die wenigsten. Gemeint ist jeweils die scheinbare Augenverengung der meisten ostasiatischen Menschen. Aus japanischer Perspektive sehen wiederum „westliche“ Augen seltsam aus: Da in unseren Gesichtern auch die oberen Augenlider eine Falte besitzen, unterscheidet man in Japan zwischen ostasiatischen Augen mit einer und westlichen Augen mit „doppelter Lidfalte“. Westliche und östliche Augen schauen also anders aus. Aber sehen wir auch anders? Rein physiologisch betrachtet gibt es keinen Unterschied: Das Gesichtsfeld ist unabhängig von den Lidern dasselbe. Dennoch gibt es neue Studien, die behaupten, dass Japaner und US-Amerikaner anders schauen – zumindest, wenn sie andere Menschen betrachten. „Der gesellschaftliche Hintergrund wirkt sich darauf aus, wie wir Gesichter betrachten. Das ist je nach Kultur unterschiedlich“, behauptet jedenfalls Robert Caldara von der Universität Glasgow.

gen konnten mittels sogenannter Eye-Tracking-Untersuchungen und bildgebender Verfahren zeigen, dass Angehörige westlicher Kulturen bei der Gesichterbetrachtung auf spezifische Partien wie die Augen oder den Mund fokussieren. Menschen aus Ostasien hingegen würden eher auf die Nase bzw. in die Mitte des Gesichts blicken, so Caldara, der seine Ergebnisse unter dem Titel „Culture Shapes How We Look at Faces“ (PLoS One, Bd. 3, Nr. 8) vor wenigen Wochen veröffentlichte – und damit auf den Punkt brachte. Auch eine Erklärung liefert der Studienautor mit: „Direkter Augenkontakt gilt in vielen ostasiatischen Kulturen als unhöflich.“ Eine weitere mögliche Begründung für den anderen Blick der Ostasiaten lieferte kürzlich Takahiko Masuda, Psychologe an der Universität von Alberta in Kanada. Er ließ für seine neue Studie (veröffentlicht im Journal of Personality and Social Psychology, Bd. 94, Nr. 3) über dreißig Testpersonen die Zeichnungen von fünf Kindern beurteilen. Die Studienteilnehmer – zur Hälfte Japaner und zur anderen Hälfte Nordamerikaner – wurden gebeten, sich das Gesicht in der

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Mitte der Zeichnung besonders genau anzuschauen und es auf einer 10-Punkte-Skala nach Fröhlichkeit, Traurigkeit und Zorn zu bewerten. Auch bei dieser Versuchsanordnung zeigten sich erstaunliche Unterschiede. Wenn nämlich das Gesicht in der Mitte fröhlich dreinschaute, die Figuren im Hintergrund aber unglücklich waren, dann beurteilten die japanischen Studenten den Gefühlszustand der Person im Zentrum signifikant „schlechter“ als ihre nordamerikanischen Kollegen. Ein alter Hut? Orientieren sich die Japaner beim Sehen und Fühlen also mehr am Kollektiv? Kann oder darf einer allein nicht fröhlich sein? Sabine Frühstück, Professorin für Ostasienwissenschaft an der kalifornischen Universität Santa Barbara, ist skeptisch und verweist auf einen anderen Unterschied: Japaner seien generell zurückhaltender, Gefühle im Gesicht zu zeigen, als US-Amerikaner: „Das heißt, die Unterschiede haben wohl weniger mit dem alten Hut vom westlichen Individualismus versus dem japanischen Gruppendenken zu tun, sondern damit, dass man eben nicht in den gleichen Situationen die Gefühle gleich im Gesicht ausdrückt.“3

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Karriereentwicklung

für Wissenschafterinnen

Einreichung jeweils im Frühjahr und Herbst

8 G ezember 200 SCHREIBUN HERBST-AUS 3. Oktober 2008 bis 12. D 1 Einreichfrist:

Elise-Richter-Programm Ein Programm zur Erreichung der Habilitation oder einer gleichwertigen Qualifizierung

© Foto Fayer

Hertha-Firnberg-Programm Größtmögliche Unterstützung von Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere an Universitäten

Antragsunterlagen/Informationen www.fwf.ac.at/de/applications/firnberg.html www.fwf.ac.at/de/applications/richter.html Susanne Menschik 01/505 67 40 DW 8503, susanne.menschik@fwf.ac.at

Hertha-Firnberg-Programm

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Größtmögliche Unterstützung von Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere an Universitäten

Ein Programm zur Erreichung der Habilitation oder einer gleichwertigen Qualifizierung

Anforderungen O abgeschlossenes Doktorat O internationale wissenschaftliche Publikationen O noch nicht vollendetes 41. Lebensjahr oder max. 4 Jahre Postdoc-Erfahrung

Anforderungen O Postdoc-Erfahrung mit relevanten Vorarbeiten O projektrelevante internationale Publikationen O keine Altersgrenze

Dauer 3 Jahre Förderhöhe € 54.180 + € 8.000 p. a.

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Susanne Woytacek 01/505 67 40 DW 8505, susanne.woytacek@fwf.ac.at Dr. Barbara Zimmermann 01/505 67 40 DW 8501, barbara.zimmermann@fwf.ac.at FWF – Der Wissenschaftsfonds 01/505 67 40-0, www.fwf.ac.at

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finanziert aus den Mitteln des

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Die Broccoli-Akzeptanz steigern »torenUltraschalldetekkönnen Hirn und Ohr des Biologen nicht ersetzen

«

Armin Landmann, Ornithologe

erkenne »bitterIch nicht gut, aber ich organisiere die Tests ja nur« Klaus Dürrschmid, Lebensmitteltechnologe

Das Ohr des Ornithologen

Die Zunge des Lebensmitteltechnologen

Das derbe „trä-trä-trä“ der Keulenschrecke auf unseren Almmatten, die rappenden Chorgesänge des Laubfrosches aus den Talsümpfen oder die weich verschwebende Kadenz des Fitislaubsängers im Auwald – das ist Musik in meinen Ohren. Als Biologe beschäftige ich mich seit Jahrzehnten mit drei Tiergruppen, die akustisch kommunizieren: Heuschrecken, Amphibien und Vögel. Ob für die Erstellung von Verbreitungskarten, für ökologische Studien oder die Erforschung des Verhaltens dieser Tiere: Eine solide Kenntnis ihrer Gesänge und Rufe ist unumgänglich. Die Schwierigkeiten beim Erkennen von Stimmen variieren dabei von Tiergruppe zu Tiergruppe. Sie hängen aber auch von Witterung und Tageszeit, der Stimmung der „Sänger“ und der Struktur des Lebensraums ab. So wichtig technische Hilfsmittel bei der Analyse und Dokumentation von Tierstimmen und so hilfreich Ultraschalldetektoren zum Aufspüren etwa von Fledermäusen oder Heuschrecken sind, sie können Hirn und Ohr des Biologen nicht ersetzen. Für den „Hörbiologen“ ist kein besonders gutes oder gar absolutes Gehör nötig. Entscheidend sind vielmehr Konzentrationsfähigkeit, ständiges Wiederholen und Trainieren unter Freilandbedingungen sowie ein möglichst früher Einstieg in das Metier. Letzteres hängt weniger mit der nachlassenden Gehörleistung im Alter zusammen, sondern mit dem deutlich schwächer werdenden akustischen Gedächtnis. Bei hohen, leisen Tönen, etwa von Laubheuschrecken, wirkt sich allerdings auch die im Alter zunehmende „Hochtonabsenkung“ auf die akustische Wahrnehmungsfähigkeit aus. Der alternde Ornithologe erlebt also so manchen Frust beim Waldspaziergang.

Das professionelle Prüfen von Lebensmitteln ist anstrengend und nur selten eine lustvolle Aufgabe. Vor allem Tests, bei denen viele Wiederholungen nötig sind, können sehr öd sein. Bei beschreibenden sensorischen Tests dagegen sollte man seine Wahrnehmungen gut in Worte fassen können. Frauen sind da meist besser. Ich persönlich erkenne bitter nicht gut, und vor allem in niedrigen Konzentrationen kann ich bitter nur schlecht von sauer unterscheiden – aber ich organisiere die sensorischen Tests ja nur. Für analytische sensorische Testzwecke benötigen wir Menschen, die gute sensorische Wahrnehmungsfähigkeiten und ein gutes sensorisches Gedächtnis haben. Bei Konsumententests, bei denen es um den Genusswert der Lebensmittel geht, urteilen ungeschulte Prüfpersonen ganz aus dem Bauch heraus, wie sehr ihnen die Proben schmecken. Bei uns gibt es eine Versuchsküche zur Probenvorbereitung und daneben acht abgeschlossene Kabinen für die Prüfpersonen. Diese geben ihre Beurteilungen nach standardisiertem Verkosten per Mausklick am Bildschirm ab. Eine künstliche Zunge haben wir noch nicht verwendet, eine künstliche Nase hingegen schon. Die Ergebnisse waren eher enttäuschend. Ob etwas gut ­schmeckt oder riecht, kann noch kein technisches Gerät feststellen. Die künstliche Nase ist auch anfällig bei Wasserdampf, was den Einsatz bei Lebensmitteln sehr einschränkt. Wir machen neben Auftragsforschung auch Grundlagenforschung zur Methodik der Sensorik und zu Bitterblockern, um bittere Medikamente oder Gemüsesorten bekömmlicher zu machen. Das funktioniert bisher jedoch nur teilweise, sprich: je nach Person unterschiedlich. Es ist jedenfalls noch nicht gelungen, die Broccoli-Akzeptanz beispielsweise maßgeblich zu steigern.

Lesen Sie Langfassungen dieser Testimonials unter www.heurekablog.at

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Armin Landmann (53) arbeitet am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck.=

Klaus Dürrschmid (43) forscht und lehrt am Department für Lebensmittelwissenschaften und -technologie der Universität für Bodenkultur Wien.=

Landmann, Dürrschmid

Nicht alles ist durch Teleskop, Ultraschall und künstliche Nase zu ersetzen. Fünf Forscher über jene Sinne, auf die sie keinesfalls verzichten können

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Hände täte »ichOhne mir bei der Diagnose schwer« Michael Trauner, Hepatologe

Man kann das Auge »trainieren, die interessanten Strukturen zu identifizieren«

Die Nase ist bei »einigen Substanzen

Sabine Schindler, Astronomin

Erich Leitner, Chemiker

empfindlicher als die teuersten Messgeräte

«

Das Auge der Astronomin

Die Nase des Chemikers

Klar, in der Medizin ist der Tastsinn durch die Apparatemedizin und vor allem durch die bildgebenden Verfahren stark zurückgedrängt worden. Die Palpation, also das Abtasten des Patienten, spielt in manchen Bereichen aber noch eine entscheidende Rolle. In der Bauchchirurgie zum Beispiel entscheidet oft die Reaktion des Patienten auf Betastungen der Bauchdecke, ob der Chirurg schneidet oder nicht. Auch in der Mammografie und in der Gynäkologie sind Tastbefunde nach wie vor sehr wichtig, ebenso in der Orthopädie. In meinem Fach, der Hepatologie, ertastet man Größe und Konsistenz der Leber und spürt, ob Wasser im Bauch ist. Das ist aber nicht zentral. Dennoch: Ohne Hände täte ich mir bei der Diagnose schwer. Oft werden ja auch Hand und Instrument kombiniert. Beim Ultraschall drücke ich den Ultraschallkopf hinein, um zu sehen, was unter der Stelle liegt, die den Schmerz beim Patienten auslöst. Wenn jemand mit akuten Bauchschmerzen ins Spital kommt, dann wird erst einmal tastend untersucht, ob etwa eine Bauchfellentzündung vorliegt. In diesem Fall hilft eine Magnetresonanz- oder Computertomografie nicht viel. Früher gab es sehr viel Schmäh bei der manuellen Untersuchung. Da sagte der Herr Professor: „Das ist so, das fühlt man ja.“ Diese Aussage einer Autoritätsperson konnte nicht überprüft werden, weil es ja etwa noch keinen Ultraschall gab. Die Hand des Arztes dient aber auch zur Kontaktherstellung mit dem Patienten. Das wird nun wieder wichtiger – vielleicht hatte man in dieser Hinsicht zu sehr auf eine rein apparative Medizin gesetzt. Wenn Patienten nicht angefasst, sondern nur an Maschinen angeschlossen werden, kommen sie sich als bloßes Objekt behandelt vor.

In der Astronomie braucht man die Augen immer noch. Freilich schaut man heute nicht mehr direkt durch das Teleskop, sondern auf Bildschirme. Aber auch diese Bilder müssen ausgewertet werden. Das Auge hat ganz erstaunliche Fähigkeiten, Muster oder diffuse Objekte zu erkennen. Und es ist enorm lernfähig: Man kann es regelrecht trainieren, die interessanten Strukturen zu identifizieren. Das Auge ist nicht nur ein Teleskop, sondern auch ein Detektor, und das dahintergeschaltete Gehirn entspricht einem komplizierten Computer. Freilich sind unsere Instrumente den Augen überlegen. Der große Durchmesser der Teleskope erlaubt, sehr viel mehr Licht zu sammeln als im Auge, daher können viel schwächere Objekte nachgewiesen werden. Die Detektoren können das von einem Objekt kommende Licht mehrere Stunden lang „aufsammeln“. Dieses addierte Licht ist dann viel leichter nachzuweisen als der simultane Nachweis im Auge. Außerdem sind Detektoren in verschiedenen Wellenlängen empfindlich, während das Auge nur den visuellen Bereich sieht. Für mich ist durch die Technisierung der Astronomie nichts an „Sinnlichkeit“ verlorengegangen. Am Bildschirm ist das All genauso faszinierend. Man kann die Bilder wieder und wieder anschauen. Man kann sie mit Bildern in anderen Wellenlängen überlagern und damit viel mehr über die physikalischen Prozesse im Universum lernen. Trotz der enormen technischen Übersetzungsvorgänge fühle ich mich näher dran als vorher. Es ist, wie wenn man eine Brille aufsetzt. Es ist zwar Glas zwischen einem und der Welt da draußen, aber man sieht halt einfach besser.

Mein Geruchssinn ist deshalb gut, weil mich Düfte von klein auf interessiert haben und ich schon seit Jahren damit arbeite. Ich schule die Mitarbeiter unserer Prüfgruppe und mich in regelmäßigen Abständen. Dieses Sensorikpanel besteht derzeit aus etwa 15 Mitgliedern. Wir testen hauptsächlich den Geruch von Objekten, gelegentlich auch den Geschmack. Einen hohen Prozentsatz von dem, was wir vermeintlich schmecken, riechen wir ja. Wir schnuppern etwa an Lebensmitteln, Getränken, den Bauteilen des Innenraums von Autos und an Lebensmittelverpackungen. Also an allem, womit Menschen im Alltag in Berührung kommen. Während des Tests wird nicht kommuniziert, um die Ergebnisse nicht zu verzerren. Unterscheiden sich die Proben in den Farben, müssen wir das verbergen, denn sonst riechen sie anders. Die Geruchseindrücke können sowohl qualitativ als auch quantitativ erfasst werden. Die Ergebnisse werden statistisch ausgewertet, um aussagekräftig zu sein. Das Geruchsempfinden ist ja individuell sehr unterschiedlich und genetisch vorbestimmt, daher ist es notwendig, vor den Tests eine gemeinsame Sprache für unterschiedliche Proben und Gerüche zu finden. Wir arbeiten in unserem Institut auch mit Messgeräten. Aber die eigene Nase ist bei einigen Substanzen wesentlich empfindlicher und leistungsfähiger als die teuersten Messgeräte. Wir sind etwa in der Lage, das Phänomen der Chiralität zu riechen. Das sind baugleiche Moleküle, die sich nur durch ihr „Spiegelbild“ unterscheiden, aber dennoch anders riechen. Künstliche Nasen hingegen können diese Substanzen nicht unterscheiden.

Michael Trauner (44) ist Professor für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt auf experimenteller und molekularer Hepatologie an der MedUni Graz.=

Sabine Schindler (47) leitet das Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.=

Erich Leitner (45) arbeitet am Institut für Lebensmittelchemie und -technologie der TU Graz.=

Trauner, Schindler, Leitner

Die Hand des Arztes

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Tausend Mal berührt Die Fernsinne Auge und Ohr dominieren unsere Kultur, der Tastsinn gilt als der Verlierer der Moderne. Es lässt sich aber auch eine ganz andere Traditionslinie des Taktilen ziehen Oliver Hochadel Spinnen spüren. Friedrich Barth kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Der Wiener Zoologe hat sich mit der Erforschung des Tastsinns der Spinnen einen Namen gemacht. Aber den eigenen Tastsinn, nein, den setze er dafür nicht ein. Die niedlichen Tierchen lässt er nur über die Hand laufen, wenn Journalisten vorbeikommen, die Bilder brauchen (zuletzt die heureka!-Redaktion, s. S. 3). Dem Gefühl der Spinnen ist nur mit Hightech beizukommen: Mit dem Mikroskop werden die winzigen Spalten im Chitinskelett untersucht, mit dem Laser die Vibrationen bei der Spinnenbalz gemessen, mittels Computersimulationen wird die komplexe Reizverarbeitung rekonstruiert. In den Anfängen der Naturforschung fungierte der menschliche Körper als Instrument. Noch im 18. Jahrhundert spürte man elektrische Ladungen zunächst mit dem Finger und zog belustigt Funken aus der Nase des elektrisierten Gegenübers. Einige Forscher gerierten sich als Helden, weil sie im Dienste der Wissenschaft bereit waren, Schmerzen bei heftigen Entladungen zu ertragen. Bald aber nutzte man Strohhalme und Metallnadeln, die winzige Mengen von Elektrizität durch einen entsprechenden Ausschlag anzeigen und vor allem quantifizieren konnten. Die menschlichen Sinne wurden zunehmend als Beschränkung und als Fehlerquelle empfunden. Isaac Newton war schon zuvor klar gewesen, dass die Sinneseindrücke „in der Erforschung der Natur keinen Platz haben“. Dominanz der Distanz. Den Spitzenplatz

punkto Unzuverlässigkeit erwarb sich der Tastsinn, in der Aufklärung hieß er bezeichnenderweise „Gefühl“. Was die Finger spüren ist flüchtig, ungenau, zutiefst subjektiv. Im abendländischen Denken „gehören Schmecken, Riechen, und Berühren in die diffuse Welt der Küche, des Gartens, und der Erotik“ und trügen eben nicht zur Durchdringung und Differenzierung unserer Umwelt bei, sagt Niklaus Largier, Germanist an der University of California, Berkeley: „Sehen und Hören wurden hingegen mit Licht und Wort assoziiert.“ Nicht nur in der Erforschung der Natur, sondern

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auch im Leben der Menschen scheint das Angreifen der Dinge massiv an Bedeutung und auch an Ansehen verloren zu haben. In der industriellen Revolution übernahm die Maschine die Arbeit, das Handwerk verschwand mehr und mehr. An die Stelle der haptischen Einbettung in die Welt trat die Distanzierung von den Dingen, wie der Soziologie Norbert Elias dies in seinem Werk „Der Prozess der Zivilisation“ am Beispiel der Benützung von Besteck beschrieben hat. Das Stethoskop ermöglichte es dem Arzt, die Herztöne abzuhören, ohne die Patientin unsittlich berühren zu müssen. Gegenstände zu betasten, ja zu betatschen, gilt als kindisch und ist das zweifelhafte Privileg von „Eingeborenen“, die dadurch vermeintlich ihre zivilisatorische Unreife verraten. Die Romantik des Verlustes. Zwischen uns als körperliche Wesen und die Welt sind einerseits Instrumente und Maschinen sowie andererseits gesellschaftliche Konventionen getreten. Unsere hochsensiblen Fingerspitzen legen nur noch Schalter um oder dirigieren den Cursor auf dem Touchpad des Notebooks. Kulturwissenschaftler nennen das eine „master narrative“ und meinen damit eine „Geschichte“, die sich in unseren Köpfen durchsetzt, weil sie überaus plausibel scheint. Die Meistererzählung des Tastsinns ist die Geschichte eines Verlusts. Bei allem Fortschrittsgetöse schwingt dabei

Kirchenmusik, Gebet, Rosenkranz – all das sind vielfältige Stimulierungen der Sinne auch immer ein Schuss Modernismuskritik mit, womit die Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt beklagt wird. Symptomatisch für diese Romantisierung ist etwa unsere Wertschätzung von Handarbeit, die sich gewiefte Marketingprofis zunutze machen, indem sie handgeschöpftes Büttenpapier, handgepressten Apfelsaft und handgemachte Mehlspeisen unters Volk

bringen. Ob diese Manualia qualitativ tatsächlich maschinell hergestellte Produkte ausstechen oder nicht vielmehr ein gewisses Lifestylebedürfnis befriedigen, sei dahingestellt. Eine andere Geschichte. „Für diese Erzählung vom Verlust spricht vieles“, sagt Niklaus Largier, „aber es ist nur eine Version.“ Der Schweizer Germanist von der US-amerikanischen Westküste möchte eine andere Version herausarbeiten. Er verweist darauf, dass für die Philosophen des Mittelalters der Tastsinn etwas ganz anders ist als die anderen Sinne. Man könne nämlich nicht berühren, ohne berührt zu werden. Der Tastsinn habe eine doppelte Funktion: Da ist zum einen die Hand, die Gegenstände ertastet, da ist zum anderen aber auch die räumliche Einbettung, die Sinnlichkeit als solche überhaupt erst ermöglicht. Für Thomas von Aquin wurde der Tastsinn daher zum Fundament, zum Sinn aller Sinne. Largier möchte nun aber nicht die Hierarchisierung der Sinne umkehren und statt des Sehsinns den Tastsinn inthronisieren. Er will vielmehr aus diesem Oben-untenDenken ausbrechen. Fündig wird er in der mittelalterlichen Mystik und in Frömmigkeitspraktiken. Kirchenmusik, Gebet, Rosenkranz – all das seien vielfältige Stimulierungen der Sinne: „Wenn ein mittelalterlicher Mönch von einem Choral berührt wird, ist das metaphorisch, aber auch ganz konkret gemeint. Die hervorgerufenen Stimmungen manifestieren sich auch auf der physiologischen Ebene.“ In einer erotisch aufgeladenen Vision berichtet die Mystikerin Hadewijch von Antwerpen (13. Jahrhundert), wie sie der Gesang der Messe so bewegte, dass sie Jesus sah. Zunächst umarmten sie sich, dann „kosteten sie sich körperlich“, wie es heißt. Hier fließen Gehör, (inneres) Sehen und Fühlen ineinander. Die Gläubigen begreifen auch buchstäblich Bilder, berühren Reliquien und küssen bis heute Ikonen. Für den spätmittelalterlichen Theologen Hendrik Herp ist daher der Tastsinn das „eigentliche Medium zwischen Mensch und Gott“. Diese religiösen Praktiken sollen

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Die Geißelung ist die extremste Form Gott zu „spüren“. Gleichzeitig wurde dieses Modell zum Vorbild für die Pornographie: Erregen durch Zusehen

LIT

Gün (Prof Nikla und

Epa

LITERATUR

emotional aufwühlen, am spektakulärsten geschieht dies durch die Geißelung. Das Blutigschlagen des eigenen Körpers wird öffentlich vorgeführt, um die Zuseher mitzureißen. Die frühe pornografische Literatur, etwa im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts, übernimmt dieses Modell der Erregung: Wer das Gezeigte anschaue, tue es dann auch selbst, so Largier. Das Streicheln der Kamera. Schön und gut,

aber ist in der Moderne das Taktile nicht doch verlorengegangen? Largier spricht lieber von Verschiebungen und verweist auf Walter Benjamins Interpretation des frühen Films. Dieser stehe vermeintlich für den ultimativen Triumph des Visuellen, „schaue“

man aber genauer hin, zeigten sich auch taktile Qualitäten des Kinos. Dann nämlich, wenn die Kamera die Zentralperspektive aufgibt und den Dingen entlangspürt, über ein Gesicht oder einen Körper „streicht“. Der Distanzsinn des Sehens ziele nun auf das Partikulare und rücke damit in die Nähe des Taktilen. Auch die Virtual Reality unserer Tage werde ja häufig als die Verlängerung der Dominanz des Visuellen interpretiert, als eine unendliche Vervielfältigung der Bilder. Was man in Second Life oder in Computerspielen sehe, habe aber auch haptische Qualitäten. Diese Vereinnahmung der Sinne errege ja nicht nur visuell, sondern erfasse die ganze Sinnlichkeit, so Largier. Um es

Günter Getzinger: Haptik. Rekonstruktion eines Verlusts. Wien 2005 (Profil Verlag). 146 S. , s 22,70 Niklaus Largier: Die Kunst des Begehrens: Über Dekadenz, Sinnlichkeit und Askese. München 2007 (C.H. Beck). 187 S., s 20,50

pointierter auszudrücken: Der Joystick wird zum Rosenkranz des Cyberspace. Raffiniert und künstlich. Die Sinneserfahrung

sei heute differenzierter und reichhaltiger, sagt Lar­gier, Formen der gegenseitigen Verstärkung würden gezielt inszeniert. Gleich, ob in multimedialen Happenings, durch exquisite Sitzmöbel oder exotische kulinarische Genüsse: Die Sinnlichkeit werde immer raffinierter stimuliert – und in der Konsumkultur vereinheitlicht. Der letzte Schrei sind Kuschelpartys. Einander fremde Menschen schmusen unter Aufsicht und im Rudel auf Matratzenlagern: Sex ist tabu, Zärtlichkeit das Ziel. Berühren und berührt werden im 21. Jahrhundert. 3

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Hören und gehört werden Hightech auf kleinstem Raum: Im evolutionären Wettlauf haben Insekten ihr Gehör hochgerüstet. Denn Partner wollen gefunden und Fledermäuse vermieden werden. Das Leben ist kurz  Kurt de Swaaf

Wikimedia

Freiluftkonzert. Es sind die Geräusche des

verschiedener Grillenspezies ein Forschungsschwerpunkt. Diese Insekten haben ihre Ohren – sogenannte Tympanalorgane – an den Vorderbeinen. Sie bestehen aus je zwei einander gegenüberliegenden Trommelfellen, dahinter befinden sich wiederum zwei Luftkammern und dazwischen eine Membran, die mit Sinneszellen in Verbindung steht. Schall kann sowohl von außen als auch über ein Sys­ tem von luftgefüllten Röhren von innen auf das Trommelfell einwirken. Die Differenz der beiden Schalldrücke bestimmt, wie sich das Trommelfell bewegt und wie infolgedessen die Sinneszellen erregt werden. Da dies von der Beschallungsrichtung abhängt, kann das Tier eine Schallquelle zuverlässig orten. Fachleute bezeichnen Tympanalorgane deshalb als „Druckdifferenzempfänger“. Wie genau das Gehör auch geringe Schalldruckunterschiede zu erkennen vermag und diese neuronal verarbeitet, geht aus einer neuen Studie der Grazer Forscher hervor (vgl. Biology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, doi:10.1098/rsbl.2008.0367). Mittels Laborversuchen konnten die Experten nachweisen, dass Exemplare der südostasiatischen Art Mecopoda elongata sogar Lautstärkeunterschiede von lediglich ein bis zwei Dezibel wahrnehmen können. „Das ist exakt der gleiche Wert wie bei uns Menschen“, betont Heiner Römer begeistert, „und umso erstaunlicher, als Insekten natürlich ein viel einfacheres Nervensystem mit nur wenigen Nervenzellen haben.“

Über Schall zum Sex. Im meist kurzen Leben der Insekten steht das Finden eines geeigneten Sexualpartners zwecks erfolgreicher Fortpflanzung ganz oben auf der Prioritätenliste. Sehr viele Arten nutzen Lockstoffe (Pheromone), andere wiederum Schall­ signale. Die gefiederten Antennen männlicher Stechmücken sind z.B. mit tausenden von Sinneshärchen besetzt. Sie nehmen das – auch für menschliche Ohren bekanntlich nur zu gut hörbare – Vibrieren der Flügel weiblicher Tiere wahr. Fluglärm dient in diesem Fall also der Partnerfindung. Für Heiner Römers Grazer Arbeitsgruppe ist die innerartliche akustische Kommunikation

Tief ist attraktiv. Um männliche Grillen nicht nur zuverlässig zu orten, sondern sie auch als Vertreter der eigenen Art von anderen werbenden Insekten unterscheiden zu können, verfügen die Weibchen über ein recht präzise auf einen Frequenzbereich eingestelltes Gehör. Bei der einheimischen Feldgrille (Gryllus campestris) liegt dieser Bereich bei etwa 4,5 kHz. Es wird gerade untersucht, ob Feldgrillenweibchen Männchen mit etwas tieferen Ruffrequenzen bevorzugen; man vermutete, weil diese größer sind. Und da gäbe es dann wieder eine Parallele zum Menschen: Gelten tiefe Männerstimmen nicht auch als besonders sexy?3

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Alexander Lang

Sommers: das Zirpen von Heuschrecken und Grillen auf den Wiesen, die Heimchen in der Stadt oder die knarrenden Gesänge der Zikaden, allgegenwärtig in den glühenden Landschaften Südeuropas. Solche Freiluftkonzerte machen einem schnell klar, dass Schall und seine Wahrnehmung nicht nur für Wirbeltiere eine wichtige Rolle spielen. „Ohren“ im weitesten Sinne findet man bei Insekten an den Beinen, auf Antennen, im Brustbereich oder am Hinterleib, ja sogar an den Mundwerkzeugen. Manche muten in ihrer Struktur äußerst sonderbar an, sind aber dennoch sehr leistungsfähig. „Unterschiedliche Insektenordnungen sind bei der Entwicklung von Gehörorganen sehr verschiedene Wege gegangen“, erklärt der Biologe Heiner Römer von der Universität Graz im Gespräch mit heureka!. Es habe zwei Auslöser für die Evolution des akustischen Wahrnehmungsvermögens von Insekten gegeben: Entweder dient(e) es der Kommunikation mit Artgenossen oder der Erkennung von herannahenden Feinden. Ersteres sei wahrscheinlich bei Grillen und Laubheuschrecken der Fall, so Römer. Bei Nachtfaltern hingegen hat sich das Gehör erst nach dem Erscheinen der ersten Fledermäuse vor etwa 50 Millionen Jahren entwickelt. Manche Arten dieser Insektengruppe können die Ultraschallortungsrufe der fliegenden Säuger sogar über Entfernungen von bis zu 40 Metern erkennen und so rechtzeitig die Flucht ergreifen.

Ohren auf im Regenwald – Feind naht! Wollen diese Heuschrecken nicht gefressen werden, müssen sie genau hinhören

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Carlos Paes

Naseweise Wissenschaft Können es Frauen besser als Männer? Und Tiere besser als Menschen? Und wie ist das mit den, ähem, Darmgasen? Zehn Fragen und Antworten zum Thema Riechen  Klaus Taschwer Wie viele Gerüche können wir eigentlich wahrnehmen?

Bei der Verleihung der Nobelpreise für Medizin oder Physiologie an Linda Buck und Richard Axel im Jahr 2004 hieß es in der Würdigung, dass wir Menschen in der Lage seien, 10.000 verschiedene Düfte wahrzunehmen. Die Ursprünge dieser Zahl dürften wiederum auf einen Aufsatz zurückgehen, den Forscher der Firma Arthur D. Little 1954 veröffentlichten, wie der Geruchsforscher Avery Gilbert für sein neues Buch „What the Nose Knows“ recherchierte. Wissenschaftlich betrachtet ist die Zahl wertlos: Sie entstand aus Schätzungen, wie stark ein bestimmter Duft (auf einer Skala von 0 bis 8) vier verschiedenen „Grundgerüchen“ ähnelt. Tatsächlich weiß niemand, wie viele Gerüche wir unterscheiden können. Weiß die Wissenschaft wenigstens, wie das mit dem Riechen funktioniert?

Nun ja, auch nicht wirklich ganz genau. Im Wesentlichen hat man sich den Riechvorgang so vorzustellen: Geruch besteht aus

den Molekülen von Duftstoffen. Wenn diese zur Riechschleimhaut in unserer oberen Nase gelangen, werden sie von den dort befindlichen Rezeptoren – wir haben 350 verschiedene Arten davon – registriert, in ein elektrisches Signal umgewandelt und über Nervenbahnen ins Gehirn geschickt. Diese Riechrezeptoren sitzen auf der Oberfläche der Zellen der Riechschleimhaut und funktionieren in etwa nach dem Prinzip Schlüssel (Molekülstruktur des Dufts) und Schloss (Rezeptor). Wenn der Schlüssel passt, wird das Signal weitergeleitet. Mindestens genauso wichtig wie die räumliche Struktur der Moleküle dürfte die Ladungsverteilung der Moleküle und des Rezeptors sein. Wenn das Ladungsfeld entgegengesetzt ist und sich die beiden abstoßen, hilft es auch nicht, wenn die Struktur noch so gut passt. Wie gut kann der Mensch im Vergleich zu anderen Tieren Gerüche wahrnehmen?

Gar nicht einmal so schlecht. Im Vergleich zu vielen Tieren ist er zwar ein Mikrosmatiker, ein Nasenzwerg. Wahre Makrosmatiker sind viele der höheren Säugetiere,

wenn auch nicht unbedingt die „höchsten“: Nagetiere, Bären, Hunde oder Katzen können praktisch alles Wichtige – Nahrung, Sexualpartner – nur mit der Nase finden und haben auch eine entsprechend ausdifferenzierte Geruchssprache entwickelt. Ratten haben ungefähr 1500 Rezeptortypen, Hunde ungefähr 1000, Mäuse 900, die Schimpansen und wir in etwa 350. Delfine haben übrigens keinen einzigen. Wichtiger ist aber die Anzahl der Riechsinneszellen: Wir haben rund 20 Millionen, ein Jagdhund ungefähr zehnmal so viele. Und Eisbären haben gar eine Milliarde davon. Deshalb können sie auch unter Wasser mit geschlossenen Augen nach Beute jagen. Schädigt Rauchen den Geruchssinn?

Neue Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen: Eine australische Untersuchung an 942 Personen fand heraus, dass bis zu 15 Minuten nach einer Zigarette die Geruchswahrnehmung beeinträchtigt ist. Ansonsten zeigten sich zwischen Rauchern (außer wirklich intensiven Kettenrauchern) und Nichtrauchern keine Unterschiede. 8

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Eine großangelegte Untersuchung von National Geographic zum Beispiel kam zum Schluss, dass Raucher bestimmte Düfte (wie einen künstlichen Moschusgeruch) stärker bzw. angenehmer wahrnehmen, andere Gerüche eher schlechter als Nichtraucher. Faktum ist aber auch, dass viele der besten Parfümeure wie Schornsteine geraucht haben. Können Frauen tatsächlich besser riechen als Männer?

Ja. Das haben verschiedene Tests mit ganz unterschiedlichen Testmethoden auf der ganzen Welt ergeben. Frauen brauchen geringere Konzentrationen an Duftstoffen und können diese besser benennen. An den Nasen liegt das nicht, allenfalls während der Menstruation, wenn nämlich die Riechschleimhaut bei Frauen anschwillt. Am besten können Frauen allerdings während des Eisprungs riechen, und das hat wohl mit den Hormonen zu tun. Wie genau aber, weiß man nicht. Bewiesen ist auch, dass weibliche Babys in den ersten Lebenswochen Düften mehr Aufmerksamkeit schen-

ken als ihre männlichen Kollegen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Tatsache, dass Frauen im Normalfall eine höhere verbale Ausdrucksfähigkeit haben. Blöde Frage zwischendurch: Wie ist das mit den Fürzen von Männern und Frauen? Welche stinken mehr?

Auch das wurde wissenschaftlich untersucht – von Forschern am Veterans Administration Hospital in Minneapolis im Jahr 1998. Sie gaben männlichen und weiblichen Testpersonen 200 Gramm Bohnen zu essen, und zwar am Vorabend und am Morgen der Tests. Für die Untersuchung wurde der Flatus der Probanden dann „mit einem Rektalröhrchen eingesammelt, das mit einem luftdichten Sack verbunden war“, so die Studienautoren bei der Beschreibung ihrer Methoden. Bei der Untersuchung, die vor allem auf Schwefelverbindungen abstellte, zeigte sich, dass die Fürze von Frauen nach Volumenseinheit stärker stanken. Was allerdings ziemlich genau dadurch kompensiert wurde, dass die Männer wesentlich mehr Gase abgaben.

Duften wir eigentlich ganz grundsätzlich anders als unsere Mitmenschen?

Ja. Das belegte unter anderem eine im November 2006 publizierte Studie von Forschern rund um Dustin Penn vom Konrad-Lorenz-Institut für vergleichende Verhaltensforschung in Wien. 197 Bewohner eines Alpendorfs (108 Männer und 89 Frauen) hatten sich bereit erklärt, eine Zeitlang auf regelmäßige Körperhygiene zu verzichten. Den Probanden wurde fünfmal im Abstand von zwei Wochen Proben von Achselschweiß, Urin und Speichel entnommen. Insgesamt wurden 5000 chemische Komponenten entdeckt, von denen 373 bei den Teilnehmern ein individuelle Geruchsprofil bzw. einen „chemischen Fingerabdruck“ erzeugten. Im Schnüffelstaat DDR hat man übrigens Geruchsproben von verdächtigen Bürgern aufbewahrt und Hunde darauf trainiert. Stimmt es, dass Hunde Krebserkrankungen riechen können?

Ja. Das wurde das erste Mal bei einer Studie aus dem Jahr 2005 gezeigt, bei

„Das hat mich nie mehr losgelassen“ heureka!: Sie sind einer der wichtigsten

Christian Fischer, Archiv

Geruchsforscher weltweit. Wie kommt man eigentlich auf dieses Forschungsthema? Hanns Hatt: Das war Zufall. Während meines Biologiestudiums an der Uni München suchte man am nahegelegenen Max-Planck-Institut in Seewiesen Anfang der 1970er-Jahre jemanden, der sich mit Schmetterlingen auskennt. Man wollte das Riechen bei Insekten studieren. Ich habe das dann gemacht und den Leuten dabei zugeschaut, mit welchen Methoden die das Riechen untersuchen. Und das hat mich nie mehr losgelassen. Täuscht der Eindruck, dass die Wissenschaft vom Riechen im Vergleich zu den anderen Sinnen in den letzten Jahren besonders große Fortschritte gemacht hat? Nein, das ist schon richtig. Das Feld hat von Linda Bucks Entdeckung der Riech-

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rezeptoren im Jahr 1991 extrem profitiert. Danacht erlebten die Forschungen über das Chemosensorium einen unglaublichen Boom. Die Forschritte in der Forschung haben dann wieder Linda Buck geholfen, die in der Folge 2004 den Nobelpreis erhalten hat. Und das hat natürlich wiederum der Riechforschung viel Öffentlichkeit gebracht. In den letzten Jahren hat auch die industrielle Beduftung unseres Alltags – egal ob in Hotels oder durch die Parfümindustrie – enorm zugenommen. Hat das auch mit den neuen Erkenntnissen zu tun? Ja. Der Boom in der Forschung brachte neue Einsichten darüber, wie wichtig das Riechen eigentlich ist. Und darauf wurden wiederum die Industrie und das Marketing aufmerksam. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung lassen sich in dem Bereich

auch recht schnell umsetzen. Ich habe kürzlich am European Food Congress in Zürich einen Vortrag gehalten. Da waren neben den führenden Forschern auch Leute von Nestlé oder Mövenpick, die großen Hoteliers und die wichtigen Restaurantbesitzer. Mittlerweile arbeiten die längst alle mit dem neuen Wissen über die Düfte. In Ihrem Labor wurde der erste der 350 Geruchsrezeptoren des Menschen identifiziert. Viel mehr kennt man aber nach wie vor nicht. Warum eigentlich? Das ist einerseits eine Frage der Forschungsgelder, andererseits ist das ganze wohl doch viel komplizierter, als es mit dem ersten entdeckten Rezeptor aussah. Mittlerweile wissen wir zum Beispiel, dass es eine ganze Reihe von Zellen, etwa im Gehirn, in der Prostata und in der Haut, gibt, die diese Riechrezeptoren herstellen.

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der Hunde unter 400 Testpersonen zu 80 Prozent jene richtig diagnostizierten, die tatsächlich Lungenkrebs hatten. Voraussetzung scheint zu sein, dass die Tumore „Zugang nach außen“ haben: Lungenkrebs über die Atmung, Blasenkrebs über den Urin, Brustkrebs bei den Frauen über Drüsenausgänge. Das dürfte damit zusammenhängen, dass eine absterbende oder eine zerfallende Krebszelle Substanzen freisetzt, die einen anderen Duft erzeugen. An technischen Sensoren wird gearbeitet – doch das konnte bisher nicht umgesetzt werden. Ist an der Aromatherapie eigentlich wissenschaftlich etwas dran?

Ja. Der Geruchsforscher Hanns Hatt (siehe Interview unten) etwa konnte aus dem Jasmin eine Substanz isolieren, die bei der Maus eine sofortige einschläfernde Wirkung hat. Dass das funktioniert, hat allerdings weniger mit der Nase als mit der Atmung zu tun. Diese Duftmoleküle sind oft sehr wasser- oder fettlöslich, kommen über die Lunge ins Blut und von da ins Gehirn. Mittlerweile kann man zeigen, dass die Aromastoffe dort mit den gleichen Rezeptoren im Schlafzentrum Kontakt halten, an denen auch Valium andockt.

Ist es eigentlich wissenschaftlich haltbar, für verschiedene Weine unterschiedliche Formen von Gläsern zu verwenden, um die Aromen besser wahrnehmen zu können?

Bisher haben sich erst drei Studien ernsthaft damit befasst. Bei der ersten kam heraus, dass ein Mondavi Cabernet in einem großen bauchigen Bordeauxglas weniger intensiv duftete als in anderen Gläsern. Alle anderen Geschmackseindrücke blieben für die Tester, die nichts sehen durften, gleich. Bei einer zweiten Studie wurden Weißweine und Rotweine in fünf verschiedenen Glastypen angeboten, was bei den „unverblindeten“ Testern die Wahrnehmung des Weins auf allen Beurteilungsskalen veränderte. Eine dritte Studie ergab, dass die Aromen in bauchigen Gläsern von den – wiederum sehenden – Testern als stärker empfunden wurden, allerdings nur von den besonders feinen Nasen. Die Sache hatte jedoch einen Haken: Für den Test wurde ein und derselbe Wein in verschiedenen Gläsern zur Verkostung gebracht. Die meisten Kenner meinten indes, dass sie zwei oder mehr Weine probiert hätten. Noch ein Sieg des Optischen über das Aromatische. 3

Apropos Fortpflanzung: Evolutionäre Psychologen behaupten immer wieder, dass Pheromone unsere Partnerwahl unbewusst sehr stark beeinflussen würden. Sie scheinen in Ihrem neuen Buch diesbezüglich eher skeptisch. Beim Menschen wurde noch kein Pheromon nachgewiesen, das irgendwie die Kriterien tierischer Pheromone erfüllt. Denn Pheromone sind per definitionem Düfte, die wir selber produzieren und die bei unseren Mitmenschen unweigerlich eine ganz bestimmte Reaktion auslösen müssten. So etwas ist beim Menschen aber nicht bekannt, auch wenn es einige

Piper

Sie konnten auch zeigen, dass Spermien von der Eizelle durch Maiglöckchenduft angelockt werden. Ja, und wir haben gerade erst herausgefunden, dass Spermien nicht nur diesen einen Rezeptor für Maiglöckchenduft haben, sondern vermutlich mindestens 30 verschiedene Geruchsrezeptoren für alles Mögliche.

„Die Industrie wurde sehr schnell auf uns aufmerksam” – Hanns Hatt

Duftstoffkandidaten gibt, die das eine oder andere dieser Kriterien gut erfüllen. Aber so etwas wie bei Schmetterlingen – also dass das Weibchen einen Sexualstoff abgibt und die Männchen nicht anders können als mitzufliegen –, das gibt es bei uns sicher nicht. Und stimmt es, dass Frauen eher jene Männer aussuchen, deren Duft nahelegt, dass sie

Zum Nachlesen Das Material für die Antworten stammt aus den folgenden Neuerscheinungen: Avery Gilbert: What the Nose Knows: The Science of Scent in Everyday Life. New York 2008 (Crown). 290 S., s 16,99 Hanns Hatt und Regine Dee: Das Maiglöckchen-Phänomen. Alles über das Riechen und wie es unser Leben bestimmt. München 2008 (Piper). 317 S., s 20,50 Georg Schwedt: Betörende Düfte, sinnliche Aromen. Zürich 2008 (Wiley-VCH). 219 S., s 25,60

genetisch ganz anders sind, was wiederum dem Nachwuchs eine bessere Immunabwehr verschaffen würde? Im Tierreich hat man das für den sogenannten MHC, also den Major Histocompatibility Complex, jenen Teil des Immunsystems, der vom potenziellen Sexualpartner „errochen“ wird, mittlerweile fast überall nachgewiesen. Ich kann mir vorstellen, dass so etwas auch bei uns Menschen existiert, allerdings in einer viel abgeschwächteren Form. Woher das kommt – ob von einem Pheromon oder ob es erlernt wird – ist noch nicht klar. Für das Erlernen spricht jedenfalls, dass wir als Kind mit den Gerüchen der Eltern und Geschwister aufwachsen, die keine Sexualpartner sind. Hanns Hatt, 61, promovierte in Zoologie, Humanphysiologie und Medizin und ist Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum. Mehr zu Hans Hatt unter www.cphys.rub.de

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Saft aus schwarzen Gläsern Geschmack muss man haben, vor allem in der Lebensmitteltechnologie. Nur, wie lässt sich der Gaumen trainieren? Und das Geschmeckte objektivieren? Ein Besuch im Sensoriklabor des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien   Tina Thiel

Geschmacksfragen. Immer neue Produkte

bringt die Lebensmittelindustrie auf den Markt. In den Regalen konkurrieren sie dann im jeweiligen Produktsegment um das attraktivste Aussehen, den besten Geschmack und damit um die Gunst der Konsumenten. Bei „optimierten“ Lebensmitteln, also sogenanntem Functional Food, das uns vor Übergewicht, Mangel an Vitaminen und Spurenelementen oder schlechter Verdauung bewahren soll, ist es nicht anders: Die sensorische Beurteilung – eine Evaluierung ihres Geschmacks, Geruchs, ihrer Struktur und Textur sowie ihres Aussehens – lange vor der Markteinführung ist essenziell. Denn ein Flop kommt die Produzenten teuer. Da kommt die Forschung ins Spiel, konkret: die Lebensmitteltechnik. Wie man möglichst „objektiv“ schmeckt, das lernen Studenten der Ernährungswissenschaften an

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der Universität Wien bei Dorota Majchrzak. Die Professorin ist hier für die Schulung der Sinne zuständig. „Das Ziel der sensorischen Analyse von Lebensmitteln ist das Generieren von möglichst reproduzierbaren Ergebnissen“, sagt die Wissenschaftlerin. „Und das allein mittels der menschlichen Sinne.“ Schnüffeln, nicht riechen. Die Objektivierung von geschmacklichen Sinneseindrücken klingt wie ein Widerspruch in sich. Deshalb benötigt man Richtwerte. 17 „Geruchsstandards“ in kleinen Fläschchen werden in Majchrzaks Labor im Minutentakt weitergereicht und „erschnüffelt“ – zum Beispiel „Rose“, „Leder“ oder „Ananas“, wie die Beschriftungen verraten. Zwei Stunden später werden dieselben Geruchsrichtungen nochmals, diesmal verschlüsselt, ausgegeben. Gut, wer sich erinnern kann. Noch

besser, wer das Aroma einfach so erkennt. Beim nächsten Mal geht es im Normalfall schon leichter. Auch das „Wie“ spielt bei der geschulten sensorischen Wahrnehmung eine Rolle. „Sie müssen schnüffeln, nicht nur riechen!“, befiehlt Majchrzak. „Beim Schnüffeln bekommen Sie bis zu zehnmal mehr Aromastoffe an die Riechzellen.“ Und tatsächlich: Zieht man die Luft ganz schnell ein, dann bleibt ein stärkerer und nachhaltigerer Eindruck des Aromas. Man muss sofort an Hunde denken, die, mit einer fünfmal größeren Riechschleimhaut ausgestattet, auch noch diese effektive Schnüffeltechnik ständig anwenden. Auf dem Programm steht auch das Schmecken der Grundgeschmacksarten, und zwar in Verdünnungen bis unter den Schwellenwert. Hier geht es zunächst einmal um die vier Hauptgeschmacksrichtungen süß,

Regine Hendrich

Einfach verblindet: die schwarzen Gläser verhindern, dass man sieht, was man trinkt

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Umami, Fett, Kalzium ... Wir haben aber nicht nur Rezeptoren für die schon seit dem Altertum bekannten vier Grundgeschmäcker, sondern, wie man seit dem Jahr 2000 weiß, auch für die Geschmacksrichtung fleischig/würzig, genannt „umami“ (von Japanisch „umai“, was so viel wie „köstlich“ heißt). Bald könnte die Anzahl der anerkannten Geschmäcker samt Rezeptor sogar auf sechs oder gar sieben anwachsen. Zum einen könnte der französische Forscher Philippe Besnard im Glykoprotein CD36 den Rezeptor für den Geschmack „fettig“ gefunden haben. Genauere Untersuchungen stehen aber noch aus. Zum anderen suchen in den USA Forscher derzeit auch nach einem Kalzium-Geschmacksrezeptor. Da viele kalziumreiche Lebensmittel uns nicht schmecken, viele Menschen aber unter Kalziummangel leiden, könnte das Wissen darüber, wie wir Kalzium schmecken, ein Schlüssel zu neuen Produkten sein, die beides sind: kalziumreich und gleichzeitig wohlschmeckend. Spitzenreiter in Sachen Geschmacksvielfalt ist übrigens das Bittere. Es wurden nämlich schon 60 verschiedene Bitterrezeptoren entdeckt, einer reagiert auf Grapefruit, ein anderer auf Artischocke, einer auf Kaffee usw. Man vermutet jedenfalls, dass es auf der Oberfläche unserer Zunge für Geschmacksforscher noch einiges zu entdecken gibt. Auge und Nase essen mit. Im Sensoriklabor von

Professor Majchrzak, in dem das deskriptive Panel in einzelnen sichtgeschützten Zellen sitzt, wird nun ein spezielles Rotlicht eingeschaltet, das die natürliche Farbe von Lebensmittelproben kaschiert. „In dem Moment, in dem sie die Produkte anschauen, haben sie schon 80 Prozent der Information aufgenommen“, sagt die Expertin. „Zwar ist optische Wahrnehmung bei Lebensmitteln auch extrem wichtig, im Moment der geschmacklichen Analyse kann sie aber hinderlich sein.“ Es werden Apfelsäfte und ihre Verdünnungen geschmeckt, und zwar aus schwarzen Gläsern, denn auch hier soll der visuelle Eindruck beim Schmecken unterbunden werden. Wir sehen aber nicht nur, was schmeckt. Ebenso

Die Gene entscheiden mit, ob jemand „Schmecker“ oder „Nichtschmecker“ ist?

wichtig ist der Geruchssinn. Über ihn werden bis zu 80 Prozent eines Geschmacks wahrgenommen. Denn wir riechen nicht nur, was „außen“ ist, sondern wir „riechen“ auch – retronasal – was wir schon im Mund haben. Wie wichtig die Riechschleimhaut beim Schmecken wirklich ist, hat jeder schon einmal erlebt, der mit einem starken Schnupfen isst: Aufgrund der gereizten und belegten Schleimhaut tut sich geschmacklich äußerst wenig – das Nachwürzen ist zwecklos. Maschinelles Schmecken. In Sachen künstlicher Sen-

sorik – also elektronischer Zunge und Nase – ist Majchrzak skeptisch: „Man tendiert immer stärker dazu, bei den Untersuchungen den Menschen durch Geräte zu ersetzen. Das ändert aber nichts daran, dass nur der Mensch den Gesamteindruck weitergeben kann.“ Der sogenannte „Flavour“ setze sich eben aus verschiedenen Komponenten zusammen, die in ihrer Komplexität maschinell nur schwer erfassbar seien: „aus pronasalem und retronasalem Riechen, dann Geschmackseindruck über die Geschmacksknospen und auch die haptischen Eindrücke wie Konsistenz und Textur, die wir durch die Fadenpapillen im Mund wahrnehmen können – also ob ein Lebensmittel weich oder hart, krümelig oder griesig, zart schmelzend oder cremig ist“. Zur ohnehin schon komplexen Geschmackswahrnehmung kommen sogenannte trigeminale Eindrücke. Der Trigeminusnerv hat Endungen in der gesamten Gesichtsregion und der Mundhöhle. Beim Schmecken ist er zum Beispiel verantwortlich für das Prickeln von Kohlensäure, für das Brennen von Chili oder die Schärfe von Alkohol – also stechende Gerüche und beißende Geschmäcker. Geräte für den komplexen Gesamteindruck, den wir „schmecken“, gibt es nicht. Daher könne man Apparate wie die „elektronische Zunge“ zwar punktuell zur Qualitätskontrolle einsetzen, nicht aber für die Qualitätsbeurteilung. Keine Experten. Differenziert zu schmecken und diese Eindrücke in Worte zu fassen bleibe vor allem eines: Trainingssache. „Sensorik-Panelisten müssen jedes Mal speziell auf das Produkt geschult werden. Außerdem müssen sie ihre sensorischen Fähigkeiten in regelmäßigen Abständen überprüfen, denn selbst gute Prüfpersonen haben nach einer langen Pause wieder Probleme, objektiv zur arbeiten.“ Heißt das, es kann also jeder normal schmeckende Mensch zum Profischmecker werden? „Prinzipiell schon, bei entsprechender Schulung“, meint Majchrzak. „Nur die Experten selbst sollte man eher ausschließen. Sie kennen die physischchemischen Produkteigenschaften so genau, dass sie sich nur selten davon freimachen und sich auf die Sinneseindrücke konzentrieren können. Ein Problem für die Objektivierung der sensorischen Wahrnehmung.“3

Tina Thiel

sauer, salzig und bitter. Für jede einzelne haben wir spezielle Rezeptoren auf unserer Zunge. „Viele glauben ja, das Geschmacksorgan sei die Zunge. Aber das eigentliche Organ sind die Geschmacksknospen auf der Zunge, und in die sind dann jeweils 50 bis 100 Geschmackszellen mit ihren Rezeptoren eingelagert“, sagt die Wissenschaftlerin mit dem charmanten polnischen Akzent. Schmecken ist freilich nicht nur Training: Ob jemand „Schmecker“ oder „Nichtschmecker“ ist, hat mit der Anzahl der Geschmacksknospen zu tun, und die ist genetisch bedingt. Nichtschmecker haben rund 100 Geschmacksknospen pro Quadratzentimeter Zunge, die Superschmecker über 400 und die Normalschmecker um die 180.

„Sie müssen schnüffeln, nicht nur riechen“, fordert die Ernährungswissenschaftlerin Dorota Majchrzak von ihren Prüfern: So kommt nämlich bis zu zehnmal mehr Aroma an die Riechzellen

LINKTIPP www.univie.ac.at/nutrition

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Karl-Josef Hildenbrand / dpa

Gleich ob Blüte oder Wabe – Bienen wissen, wo’s langgeht. Orientieren sie sich mittels kleinster Metallnadeln in ihren Zellen?

Der innere Kompass Viele Tiere orientieren sich am Magnetfeld der Erde. Fragt sich nur, wie. Und kann der Mensch das auch?  Birgit Dalheimer Der sechste Sinn. Vor kurzem übersiedelte ein Bie-

Zelluläre Kompassnadeln und Quanteneffekte – die Magnetorezeption ist ein ebenso verbreiteter wie ­rätselhafter Sinn 20   …

nenstock von Oxford nach Wien. Diese Strecke hat er mit menschlicher Hilfe zurückgelegt. Für kürzere Distanzen haben die Bienen aber einen eigenen Sinn, der sie punktgenau ihr Ziel anfliegen lässt: Sie orientieren sich am Magnetfeld der Erde. Mit dieser Fähigkeit stehen die Bienen keineswegs alleine da. Bakterien, Vögel, Fische, Hummer, einige Nagetiere, manche Fledermäuse ... die Liste der Lebewesen mit „innerem Kompass“ wächst beständig. Wie genau die Tierchen das machen, ist allerdings nicht bekannt: Die Magnetorezeption ist ein ebenso weitverbreiteter wie rätselhafter sechster Sinn. Lange belegt ist der Magnetsinn bei Zugvögeln, die sich dank dieser Fähigkeit auf ihren weiten Reisen nicht verirren. Nur sind die gefiederten Interkontinentalreisenden kein ideales Studienobjekt für jene Wissenschaftler, die versuchen, den molekularen Grundlagen des Magnetsinns auf die Spur zu kommen. Dafür eignen sich kleinere, einfacher zu haltende Tiere mit einem deutlich geringeren Bewegungsradius besser. Zum Beispiel Bienen. Mit dem Bienenstock aus Oxford kam der Australier David Keays. Der Molekularbiologe

ist seit Anfang Oktober Fellow am IMP, dem Institut für Molekulare Pathologie, in Wien und interessiert sich für den Mechanismus des inneren Kompasses. Eisen in der Zelle? Wie der funktionieren könnte,

dazu gibt es zwei Ideen. Bei der einen stellt man sich tatsächlich so etwas wie einen intrazellulären Kompass vor: Kleine Eisenpartikelchen in einer Zelle könnten sich dem Magnetfeld entsprechend bewegen wie die Nadel eines Kompasses. Bei mehreren Tieren wurden solche zellulären Eisenpartikel in verschiedenen Formen schon gefunden, sagt David Keays – zum Beispiel bei Tauben im Schnabel, bei Fischen rund um die Nase oder eben bei Bienen. Die Schwachstellen der Theorie: Erstens kann bis jetzt niemand mit Sicherheit sagen, dass diese Partikel wirklich etwas mit der Wahrnehmung des Magnetfeldes zu tun haben. Und zweitens ist, selbst wenn die Eisenteilchen in der Zelle wie eine Kompassnadel ausschwingen, noch völlig unklar, wie dieses Schwingen zuerst innerhalb der Zelle wahrgenommen wird und schließlich dazu führt, dass sich die Tiere in eine bestimmte Richtung bewegen.

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Unter und über Tage. Zwar gibt es zu beiden

Vorschlägen, wie die Magnetorezeption funktionieren könnte, einige Belege – ein vollständiges Modell fehlt aber, was immer wieder zu hitzigen Diskussionen führt. Weitgehend unbekannt ist auch, welche Tiere welchen Typ von Magnetsinn verwenden. Nur bei Lebewesen, die in völliger Dunkelheit leben, spielt der lichtabhängige Magnetsinn wohl keine Rolle. Wenn sich der afrikanische Graumull beim unterirdischen Nestbau am Magnetfeld der Erde orientiert, dann tut er das vermutlich über viele kleine Kompassnadeln in den entsprechenden Zellen. Tiere, die sich im Tageslicht bewegen, könnten auch beide Wahrnehmungssysteme für das Magnetfeld zur Verfügung haben. Zellen im Auge sind bei vielen Wirbeltieren die heißesten Kandidaten für den Sitz des Magnetsinns. Vor allem in der Hornhaut und der Netzhaut werden Sensoren für den Magnetismus vermutet. Wo die Magnetfeld-empfindlichen Zellen sonst noch sitzen könnten, ist eine weitere Unbekannte. In welchem Teil ihres Körpers sich zum Beispiel bei Bienen der innere Kompass befindet, ist eines

der ersten Forschungsprojekte, das David Keays in Wien verfolgen will. Blick aus dem All. Auch große Säugetiere haben

einen Sinn für das Magnetfeld. Kühe etwa grasen in Nord-Süd-Richtung. Herausgefunden haben das vor kurzem Forscher um Sabine Begall von der Universität Duisburg, indem sie Satellitenbilder von Google Earth genauer unter die Lupe nahmen. Nach der Auswertung von Aufnahmen von über 300 Weiden und tausenden Kühen scheint es statistisch unbestreitbar: Die beobachteten Tiere orientieren sich an den magnetischen Feldlinien der Erde. Aus älteren Untersuchungen war bereits bekannt, dass auch Rehe eine eindeutige Präferenz dafür erkennen lassen, mit den Köpfen Richtung Norden zu grasen oder auszuruhen. Nun wollen die Duisburger Wissenschaftler das magnetische Gespür bei anderen großen Säugetieren wie Schafen, Pferden oder Wildschweinen untersuchen.

LITERATUR Infos zur Arbeit von David Keays: www.imp.ac.at/ research/david-keays Andrea Möller: „Cryptochrom als potentielles Rezeptormolekül für die lichtabhängige Magnetkompassorientierung bei Zugvögeln“, Dissertation, Universität Frankfurt a.M., 2006 Sabine Begall et al.: „Magnetic alignment in grazing and resting cattle and deer”, PNAS, DOI: 10.1073/ pnas.0803650105 Robert J. Gegear, Amy Casselman, Scott Waddell, Steven M. Reppert: „Cryptochrome mediates lightdependent magnetosensitivity in Drosophila“, Nature 454, 1014–1018

Homo magneticus? Der

Magnetsinn ist einer der wichtigsten Sinne, wenn nicht überhaupt der wichtigste Sinn, sich im Raum zu orientieren und zielsicher über kurze wie lange Strecken zu wandern. Vorausgesetzt, man hat ihn. Dass er dennoch lange Zeit von der Wissenschaft kaum beachtet wurde, mag damit zu tun haben, dass die Menschen nicht über diesen Sinn verfügen. Zumindest glaubte man das bis jetzt. Als relativ sicher gilt, dass Menschen unserer Zivilisation – und damit auch die meisten Wissenschaftler – das Magnetfeld der Erde nicht direkt wahrnehmen können. Aber ist es sicher, dass Menschen keinen Magnetsinn haben? Eindeutige Hinweise darauf gibt es nicht – das könnte allerdings damit zusammenhängen, dass man noch nicht richtig gesucht hat, mutmaßt David Keays. Fände man eine Kultur, in der Menschen isoliert leben, regelmäßig weitere Wanderungen zurücklegen und auf keine äußeren Orientierungshilfen wie Straßenschilder, Karten oder Google Earth zurückgreifen können, würde es ihn nicht überraschen, wenn man bei diesen Menschen Hinweise auf Magnetorezeption fände, meint der Molekularbiologe. Und er fügt hinzu, dass das bisher nur reine Spekulation sei. Vorerst aber hofft er auf nicht allzu verregnete Sommer hierzulande, damit seine Bienen möglichst viel Gelegenheit haben, ihren Magnetsinn bei Ausflügen unter Beweis zu stellen, und er und seine Mitarbeiter den Voraussetzungen für diese Fähigkeit auf die Spur kommen können. 3

Keays

Karl-Josef Hildenbrand / dpa

Lichtleitung. Die zweite Theorie macht die magnetische Orientierungshilfe abhängig von Licht. Schon länger weisen Beobachtungen darauf hin, dass die Fähigkeit, Magnetfelder wahrzunehmen, sich mit unterschiedlichen Lichtwellenlängen verändert. Vor zwei Jahren hat die Biologin Andrea Mölle von der Universität Frankfurt nachgewiesen, dass ein bestimmtes Protein, ein „Cryptochrom“, in der Netzhaut von Rotkehlchen den Vögeln hilft, das Magnetfeld wahrzunehmen. Licht bestimmter Wellenlänge verändert vorübergehend den Zustand von Elektronen in dem Protein. Es formt sich ein Radikal-Ionen-Paar, das sensibel für das Magnetfeld der Erde ist. Diesen Sommer gesellte sich eine theoretische Berechnung des Physikers Iannis Kominis von der Universität in Kreta zu den experimentellen Befunden, die nahelegt, dass das System aufgrund eines paradoxen Quanteneffekts funktioniert. Wie genau, bleibt vorerst jedoch unklar. Zuletzt wurde eine Variante des Proteins Cryptochrom auch bei der Fruchtfliege Drosophila entdeckt. Für David Keays ist das unter anderem deswegen so interessant, weil Drosophila eines der Lieblingstiere der Molekularbiologen ist. Damit lässt sie exaktere Versuche und genetische Analysen zu als die meisten anderen Tiere, zum Beispiel auch als Rotkehlchen. So ist es jetzt möglich, ein sehr komplexes Phänomen – nämlich die lichtabhängige Wahrnehmung des Magnetfeldes – in einem im Labor relativ einfach handzuhabenden Organismus zu untersuchen, frohlockt Keays.

David Keays, Bienenexperte und seit Oktober Fellow am IMP in Wien

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Wussten Sie, dass ...? ... Menschen theoretisch, also unter idealen Bedingungen, eine Kerze in 48 Kilometern Distanz sehen können? ... wir unsere Augen allein durch das Blinzeln täglich eine Viertel­ stunde lang geschlossen haben? ... wir in der Lage sind, allein durch die Beobachtung der Be­ wegung einer Person auf deren Geschlecht, Alter und Stimmung zu schließen? Dieser Nachweis gelang unlängst, indem den Versuchspersonen bestimmte Arten von Bewegungen lediglich mittels die Gelenke markierender Leuchtpunkte vorgeführt wurden. ... unsere Nase täglich 10.000 Liter Atemluft auf körpergerechte 24 Grad Celsius vorwärmt? ... Frauen besser riechen als Män­ ner (S. 15–17) und beide fähig sind, einen Tropfen Parfüm in einer Dreizimmerwoh­ nung wahrzunehmen? Zur Veranschaulichung für Liebhaber edler Tropfen: bereits 0,5 Nanogramm der viel gefürchteten Ver­ bindung für Kork­ geschmack pro Li­ ter Wein kann die menschliche Nase detektieren. Würde man die gesamte ös­ terreichische Weinpro­ duktion in einen See schütten, entspräche die Korkverbindung nur einer Kaffeelöffelspitze. ... 40 Prozent der Menschen nicht in der Lage sind, Urin zu rie­ chen? Und ebenfalls rund vierzig Prozent verfügen über einen im Erbgut festgelegten Stoffwechsel, der den Spargel so aufbe­ reitet, dass der Urin eben nicht nach Spargel stinkt. ... Spermien von der Eizelle durch Maiglöckchenduft angelockt werden? 22   …

... das Ohr auch bei Erwachsenen pro Jahr noch um etwa 0,2 Millimeter wächst? ... der Ohrenschmalz das einzige Se­ kret ist, das von unserem Körper her­ gestellt wird und bitter schmeckt. Ver­ mutet wird, dass die Bitterkeit Insekten abschrecken soll. ... der Tastsinn unser frühester Sinn ist? Be­ reits in der achten Schwangerschaftswoche, wenn der Fötus gerade einmal 25 Milli­ meter klein ist, fühlt er bereits mit seinen winzigen Fingerchen. Riechen, hören und schmecken können die Kleinen erst wei­ tere sechs Wochen später, sehen erst nach der Geburt. ... die Haut unser größtes Organ ist, aus über 100 Milliarden Hautzellen besteht, sich bei Erwachsenen auf bis zu zwei Qua­ dratmeter erstreckt und etwa 16 Prozent unseres Körpergewichts ausmacht? ... „wir“ seit mindestens 80.000 Jahren bitter schmecken können? Dies zeigten Gen­ analysen verschiedener ethnischer Grup­ pen. Der evolutionäre Vorteil: Unsere Vorfahren versuchten wohl bittere und damit potenziell giftige Pflanzen zu vermeiden. ... wir bis zu 90 Prozent dessen, was wir vermeintlich schmecken, eigentlich riechen? Was wir in den Mund nehmen, nimmt die Nase von „innen“ wahr. ... Synästhetiker nicht nur Farben, die sie sehen, sondern auch Wörter, die sie hören, schmecken können? Ihnen liegen die Worte buchstäblich auf der Zunge. Die Ursache wird in einer Art „Übertreibung“ der bestehenden Verbindungen zwischen Sprachzentrum und Sinnesorganen vermutet. ... wir neben den fünf Sinnen auch noch einige andere haben? Der Temperatursinn etwa, früher dem Tastsinn zugeschlagen, wird durch eigene Nervenbahnen ins Hirn geleitet. Unser Kör­ per- oder Lagesinn besteht aus mehreren Teilsensoren, unter anderem dem Gleichgewichtsorgan, einer Art Wasserwaage im Kopf. Ob wir, wie viele Tiere, auch einen Magnetsinn haben, ist noch nicht geklärt (s. S. 20–21).

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