FALTER Ressort Natur Leseprobe 4

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PE T E R S T I E R G A R T E N

ZEICHNUNG: GEORG FEIERFEIL

L I C H T AU S ! ehr Licht“ waren angeblich die letzten WorM te Goethes. Seitdem rätselt die humanistische Welt darüber, was der Dichterfürst damit der

Nachwelt sagen wollte. Manche meinen, er hätte im Frankfurter Dialekt auf seinem Sterbebett „Mer lischt“ (Man liegt (hier schlecht)) geklagt oder auch nur einen helleren Kaffee verlangt. Sicher hat er aber nicht mehr öffentliche Beleuchtung gefordert. Denn damals war man mit der aufkommenden Gasbeleuchtung der Straßen unzufrieden. In der Kölnischen Zeitung vom 28. März 1819 wurden ausführlich Gründe angeführt, warum „jede Straßenbeleuchtung verwerflich ist“. Über manche Argumente können wir heute lächeln, wenn zum Beispiel dies als „Eingriff in die Ordnung und den Weltenplan Gottes“ bezeichnet wird. Aber ein Punkt erscheint heute geradezu visionär: „Für den Leuchtstoff, Öl oder Steinkohlen, geht jährlich eine bedeutende Summe ins Ausland.“ Die öko-physiologischen Auswirkungen auf Lebewesen einschließlich des Menschen waren da-

mals aber noch kein Thema. Der Begriff „Lichtverschmutzung“ entstand erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bezeichnet die künstliche Aufhellung des Nachthimmels durch ineffizient eingesetzte Straßenlampen, Gebäudebeleuchtungen und Leuchtreklamen. Diese strahlen einen großen Teil ihrer Energie nicht in Richtung Erde, sondern nach oben ab. Auf zehn Einwohner kommt bei uns im Durchschnitt eine Straßenlampe. Das macht ca. 800.000 Stück. Die Himmelshelligkeit ist damit in Großstädten etwa hundertmal heller als der natürliche Nachthimmel und diese Aufhellung der Nacht nimmt global jedes Jahr um bis zu acht Prozent zu. Na und? Ja, man kann sich ignorant stellen, aber 60 Prozent aller Insektenarten und immerhin auch

30 Prozent aller Säugetierarten sind dämmerungsoder nachtaktiv. Die immer häufiger verwendeten LEDs senden kurzwelliges (blaues) Licht aus, das den Schlaf-Wach-Rhythmus von Menschen, Tieren und Pflanzen stört. Auch darüber könnte man läppisch witzeln, dass es deswegen so viele grantige Insekten gibt. Dumm, wenn diese dann ihrer Arbeit, Pflanzen zu bestäuben, nicht mehr nachkommen oder auch die Pflanzenblüte sich auf andere Zeitpunkte verschiebt. Auch die Meeresumwelt ist davon betroffen: Miesmuscheln filtern nächtens das gesamte Wasservolumen des Wattenmeers der Nordsee innerhalb von zwei Wochen. Bei Licht öffnen sie sich später und filtrieren entsprechend weniger. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt, aber nichts passiert. Warum? Weil sich dafür niemand zuständig fühlt. Ja eh, da kann man halt nichts machen.

Peter Iwaniewicz will wieder in der Nacht Sterne sehen können

NATUR

Solang es ging, ließ er das Gemüse auf dem Feld, „doch irgendwann mussten wir einackern“. Sprich: die überreifen Salate in den Boden einarbeiten. Luxus?, Seite 42

HIMMEL

Kwirki, Sendbote der Bäume. Die Skulptur auf dem

Floridsdorfer Spitz spricht Passantinnen und Passanten an und bittet sie um Spenden für ökologische Projekte des Jane Goodall Institute Austria, die sich dem Walderhalt widmen. Kwirki ist eines von elf Klima-Kunstprojekten von Kunst im öffentlichen Raum Wien.

H E I M AT

Anschub für Windräder. In Vorarlberg, Tirol und

Salzburg steht bisher noch kein Windkraftwerk. Umweltministerin Leonore Gewessler will nun den Druck auf die Bundesländer erhöhen. Projektwerber sollen künftig auch ohne die bisher nötige Widmung mit der Umweltverträglichkeitsprüfung starten können.

HÖL L E

Hamster Opfer von Rattengift. Auch für geschützte Tie-

re wie Feldhamster seien prophylaktisch aufgestellte Rattengiftboxen tödlich, stellte der Verein Tierschutz Austria durch Obduktionen von Hamstern fest. Der Verein fordert nun ein Verbot für solche Boxen in der Nähe von Hamster- und Zieselvorkommen.

FOTOS: KÖR/IRIS RANZINGER, APA/HELMUT FOHRINGER, APA/DPA/UWE ANSPACH

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Gemacht für die Zukunft QR-Code scannen und digitales Erlebnis starten

zukunft.unileoben.ac.at


NATUR alate, Kraut, Kohlrabi – alles geS deiht heuer so üppig, dass der Gemüsebauer Stefan Müßigang im Ti-

roler Thaur eine überdurchschnittlich gute Ernte hätte. Aber eben nur hätte. Der Absatz ist über mehrere Wochen um 15 Prozent eingebrochen. „Am extremsten war es bei den teureren Salaten“, erzählt er. So lang es ging, ließ er das Gemüse auf dem Feld, „doch irgendwann mussten wir einackern“. Sprich: die überreifen Salate in den Boden einarbeiten, so dienen sie wenigstens noch als Dünger. Ein befreundeter Bauer habe seine Sachen teils ab Feld verschenkt. Bei den Salaten macht Müßigang, der auch im Vorstand des Vereins der Tiroler Gemüsebauern sitzt, dem Handel keinen Vorwurf. Die Konsumenten griffen jetzt eben eher zu billigeren Sorten. Bei den Erdbeeren aber hätten die Supermärkte heuer zu viel billige ausländische Ware in die Regale gestellt. Er habe gesehen, wie ein Bauer haufenweise Beeren wegkippen musste. Dazu kommen gestiegene Produktionspreise und fehlende ukrainische Saisonarbeiter. „Im Obst- und Gemüsebau haben wir das schlechteste Jahr aller Zeiten“, sagt Müßigang. Er hat den Anbau bereits um ein Viertel reduziert.

MARKTBERICHT: GERLINDE PÖLSLER

chen mit deutschen Erdbeeren gibt’s um zwei bis drei Euro billiger. „Supermärkte haben heuer verstärkt

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Die heimischen Bauern sind heuer für den Handel zu Lückenbüßern geworden STEFAN HAMEDINGER, VERBAND DER OBST- UND GEMÜSEPRODUZENTEN IN OBERÖSTERREICH

ausländische Ware auf Riesenflächen gleich beim Eingangstürl positioniert“, sagt Stefan Hamedinger, Geschäftsführer Gemüsebau im Verband der Obst- und Gemüseproduzenten in Oberösterreich. Offenbar bestellten die Ketten die großen Mengen woanders. Die heimischen Bauern dürften bloß als Lückenbüßer einspringen. Sie erhielten immer nur kleine Bestellungen, können sie doch auf kurzem Weg rasch nachliefern. Manchmal zweimal am Tag. „Diese Unarten sind niemandem anzulasten“, sagt Hamedinger, „Die bringt einfach die hohe Konzentration im österreichischen Handel mit sich: Die pro Telefonat umgeschlagenen Mengen werden immer größer.“ Alle vier großen Ketten – Spar, Rewe (Billa, Billa plus), Hofer und Lidl – erklären dem Falter, sie würden so viel österreichische Ware wie

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te von 9,3 auf zuletzt 12,5 Prozent. „Nach diesem extremen Wachstum war es klar, dass sich die Kurve wieder abflacht, wenn die Leute wieder ins Büro gehen und weniger kochen“, sagt Bio-Austria-Obfrau Gertraud Grabmann. „Bio wird weiter wachsen, aber eben so wie in den Jahren vor Corona: moderat.“ Das Spezielle im Obst- und Gemüsebau, egal ob konventionell oder Bio: Er braucht sehr viel Handarbeit, und die Arbeitskosten sind in Österreich hoch. Daher sind Bananen, die um die halbe Welt geflogen werden, billiger als heimische Äpfel. Manfred Kohlfürst dünnt gerade Apfelbäume aus, zupft also die zu kleinen oder unförmigen Früchte herunter. „Der Schwiegervater findet, wir tun zu viel runter“, sagt Kohlfürst, Obmann der steirischen Erwerbsobstbauern. „Aber heute bringt man Äpfel, die nicht hundertprozentig perfekt sind, am Markt nicht unter.“ Mit ihren fünf Hektar kommt die Familie in St. Marein bei Graz ohne Erntearbeiter über die Runden, im Herbst helfen Eltern, Schwiegereltern und die vier Töchter mit. Menschliche Arbeitskraft ersetzt auch die

Vom „Erdbeer-Wahnsinn“ berichtete

die deutsche Bild-Zeitung: Landwirte müssten ihre Beeren vernichten, „weil keiner sie kauft“. Auch in Österreich müssen gerade teurere Früchte und Gemüse wie Spargel entsorgt oder verschenkt werden. Die Inflationsrate ist mit acht Prozent auf den höchsten Wert seit 40 Jahren geklettert, der Lebensmittel-Wocheneinkauf machte gar einen Preissprung um 14 Prozent. Also kaufen die Menschen billiger und weniger frisches Obst und Gemüse. Schon lassen Bauern Felder lieber brachliegen. Werden Erdbeeren und Spargel zum raren Luxusgut? Und wird es auch in fünf Jahren noch regionales Gemüse zu kaufen geben? Dem Erdbeerhof Roithmayr im oberösterreichischen Hacking nahm der Handel heuer um gut ein Drittel weniger ab als erwartet. Via Facebook rief die Familie kurzerhand zur „Marmeladeerdbeerenaktion“ auf: Selbstpflücker konnten sich um 4,70 Euro das Kilo mit vollreifen Früchten, gerade recht zum Marmeladekochen, eindecken. „Bitte ganz fleißig teilen, damit wir möglichst keine Lebensmittel verschwenden müssen!“ Letztlich sei alles weggegangen, sagt Michael Roithmayr. Jene, die es am stärksten getroffen hat, wollen nicht öffentlich reden: Sie haben Angst, es sich mit dem Handel zu verscherzen. Den nämlich sehen viele zumindest als mitverantwortlich für die Flaute. Üblicherweise bieten die Supermärkte schon vor dem österreichischen Saisonbeginn Früchte aus anderen Ländern an. Sind dann die heimischen Radieschen oder Beeren da, füllen sie die Regale. „Doch heuer“, sagt Fritz Rauer, Obmann der steirischen Gemüsebauern aus Blumau, „lässt man die Billiganbieter einfach weiter liefern.“ Bei den Beerenzüchtern sei jetzt ein „Tsunami“ im Gang. Denn das Halbkilo-Schäl-

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Landwirt Manfred Kohlfürst: „Bei den Äpfeln verlieren wir in den nächsten Jahren sicher 30 Prozent Anbauflächen“

FOTO: MAX WEGSCHEIDLER

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.natur

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möglich ankaufen. „Bei uns sind die Landwirte keinesfalls Lückenbüßer, sondern im Gegenteil während der Saison die Hauptlieferanten”, so SparSprecherin Nicole Berkmann. Ebenso sagt die Diskontkette Hofer, sie verkaufe nahezu alles, was an Obst und Gemüse gerade national verfügbar sei, dann auch aus Österreich. Ähnlich bei Rewe. „Freilich sind die Kunden jetzt preissensibler“, sagt Sprecher Paul Pöttschacher, „und Erdbeeren sind ein gewisser Luxus, auch weil sie nicht lang halten.“ Er räumt aber ein, dass bestimmte Filialen möglicherweise weniger heimische Erdbeeren eingeschlichtet haben, „weil wir basierend auf Erfahrungswerten davon ausgehen, dass die Kunden das dort nicht so annehmen“. Keineswegs mehr als andere leidet die

Biosparte. Bei Spar sieht man immer noch eine sehr gute Bio-Nachfrage, „nur die Zuwachsraten sind halt nicht mehr ganz so hoch“. Von einem Absatzeinbruch könne keine Rede sein, heißt es auch bei Rewe. Seit Beginn der Corona-Krise hat die Branche einen Höhenflug hingelegt: Im Jahr 2020 ist sie im Handel gleich um 23 Prozent gewachsen. Der Anteil der Ausgaben für Bio kletter-

selbstfahrende Arbeitsbühne, auf der Kohlfürst durch die Reihen zuckelt: So kommt er bequem auch an die höheren Äste. Der Schwiegervater musste seinerzeit noch Leiter rauf-, Leiter runterkraxeln. Kostenpunkt des Elektrogefährts: 70.000 Euro. Es ist schon das zweite, beim ersten hat die Batterie Feuer gefangen, das Wägelchen hätte beinahe auch die Scheune mitabgefackelt. Zu investieren war auch in die Hagelnetze, die sich nun über die Kohlfürst’schen Apfelbäume spannen. Ohne sie geht es nicht mehr. Erst vor kurzem kamen wieder sieben Zentimeter große Hagelschloßen herunter. Kaum verändert habe sich in den letzten Jahren, was die Apfelbauern für ihre Ware bekommen. „Damit es sich ausgeht, müssten wir im Schnitt pro Kilo etwa fünfzig Cent bekommen“, sagt Kohlfürst. Heuer könnten es wieder weniger werden. Im Geschäft zahlen die Kunden zwei bis zwei Euro fünfzig je Kilo heimische Äpfel. Viele weitere in der Produktionskette wollen auch etwas verdienen. „Besonders die Kosten für die Verpackung werden immer extremer“, sagt Kohlfürst: „Die Kartons sind oft schon teurer als das Produkt, das drin ist.“ Ewald Mayr baut im oberösterreichischen Pupping Stangensellerie, Chinakohl und Radieschen für den Handel an. „Die Produktionskosten sind extrem gestiegen“, sagt der Obmann der oberösterreichischen Obstund Gemüseproduzenten: der Diesel für den Traktor, die Energie zum Heizen von Glashäusern. Der Dünger ist jetzt bis zu dreimal so teuer. Der größte Faktor aber seien die heuer auch wieder gestiegenen Lohnkosten für die Saisonarbeiter. Von 100 verdienten Euro müsse er bei manchen Kulturen 70 Euro für die Mitarbeiter ausgeben – für Löhne, Unterkunft, Arbeitskleidung. „Insgesamt haben wir um bis zu Fortsetzung nächste Seite


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Fortsetzung von Seite 43

Der Oberösterreicher Mayr sieht ein

Grundproblem: „Wir österreichischen Landwirte sind mit unseren Bedingungen am europäischen Markt nicht wettbewerbsfähig.“ Während die deutschen Bauern über die billigen Arbeitsstunden in Polen und Südeuropa klagen, schaut man in Österreich mit Grimm auch nach Deutschland. Dort bekomme der Erntearbeiter knapp zehn Euro pro Stunde auf die Hand, und mehr koste er auch den Bauern nicht, sagt Mayr. „Bei uns kriegen die Arbeiter keine acht Euro heraus“, die Bauern würden sie aber mehr als das Doppelte kosten. Der Grund: In Deutschland ist ein Teil der Saisonarbeiter bis zu drei Monate von der Sozialversicherung befreit, die Bauern brauchen keine Lohnnebenkosten für sie zu zahlen. Mayr beschäftigt mehr als 30 Leute, und er wolle kein Lohndumping, sagt er: „Aber wenigstens innerhalb Europas sollen für alle dieselben Bedingungen gelten.“ Oder die Pestizide: Ein Viertel der Erdäpfelernte von Mayrs Tochter war im Vorjahr so vom Draht-

Ewald Mayr mit Erntehelfern: „Wir österreichischen Bauern sind mit unseren Bedingungen nicht wettbewerbsfähig“

wurm zerfressen, dass sie diese nur noch einem Bauernhof zum Verfüttern geben konnte. Das Spritzmittel, das die Bauern früher gegen den Wurm einsetzten, ist inzwischen als bienenschädlich verboten. „Wenn es den Bienen wirklich schadet, dann bin ich auch dagegen“, sagt Mayr. Was ihn aber ärgert, ist, wenn er dann in den Geschäften Früherdäpfel aus Zypern oder Ägypten liegen sieht. In Österreich die Bauern zu hohen Standards verpflichten, aber dann Ware (ver)kaufen, die zu niedrigeren Standards erzeugt wurde: „Das ist verlogen.“ Bei der Produktionsgewerkschaft ProGe sieht man das deutsche Saisonniermodell naturgemäß anders. Dass die Erntearbeiter dort nicht vom ersten Tag an sozialversichert sein müssen, ist für Martina Schneller, Leiterin der Internationalen Abteilung, „ein Missstand. Wir sehen das als wichtige Beiträge, damit die Arbeitnehmer abgesichert sind“. Die deutsche Regierung habe versprochen, dies zu beheben. „Die Saisonkräfte, die bei den Bauern arbeiten, sind das schwächste Glied in der Produktionskette.“ Ihre Bezahlung sowie ihre Arbeitsbedingungen gehörten überall verbessert. Einig ist sie mit den Bauern darin, dass die Standards europaweit harmonisiert gehörten. Wenn es nach Schneller geht: nach oben. Schmerzlich vermisst werden heuer die

meisten der 2500 ukrainischen Erntehelfer. Stefan Müßigang in Tirol beschäftigte bis zum Vorjahr überwiegend Ukrainer, manche kamen seit 25 Jahren. Heuer sind nur rund zehn erfahrene Kräfte unter Müßigangs rund 70 Saisonarbeitern. Alle anderen sind neu, darunter 20 Ukrainerinnen, teils die Ehefrauen der langjährigen Saisonniers, die Müßigangs samt deren Kindern einquartiert haben. Mit so vielen Neuen gehe das nicht ohne Anlaufschwierigkeiten. Kürzlich sollten die Saisonkräfte Bierrettich ernten. 500 Gramm solle er haben, dieses Gewicht verlangt der Handel. Doch geerntet haben die Neuen auch Rettiche mit weniger als 300 Gramm. „Die sind hin“, sagt Müßigang. „Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden mit unseren neuen Arbeitskräften“, sagt er. „Aber Erfahrung lässt sich eben nicht so schnell ersetzen.“ Dabei ist die heimische Selbstversorgung mit Obst und Gemüse ohne-

hin nicht berauschend. Aufgrund der klimatischen Verhältnisse wird es in Österreich nie eine ganzjährige Selbstversorgung mit Erdbeeren (39 Prozent, Fünf-Jahres-Schnitt), Tomaten (20 Prozent) oder Spargel (47 Prozent) geben, zumindest nicht ohne massiven Energieeinsatz. Doch auch bei Birnen ist Österreich auf Importe angewiesen (Selbstversorgungsgrad 72 Prozent), ebenso bei Erdäpfeln (83 Prozent) und Knoblauch (ein Fünftel). Dass der Anteil der Importe nicht egal ist, spürt man in Krisen wie zu Beginn der Covid-Pandemie, wenn Grenzbalken fallen und Lieferketten stocken. „Wir haben uns schon in zu vielen Bereichen abhängig gemacht, bei den Lebensmitteln sollten wir nicht den gleichen Fehler machen“, findet Apfelbauer Kohlfürst. Was, wenn noch mehr Bauern Radieschen Radieschen sein lassen? „Bei den Äpfeln verlieren wir in den nächsten Jahren sicher 30 Prozent Anbauflächen“, sagt Kohlfürst. „Viele können nichts mehr investieren. Und die Jungen sagen: Für dieses Einkommen arbeite ich nicht 70 Stunden die Woche.“ Nicht zu vergessen die durch den Klima-

wandel gestiegenen Risiken. „Marillen anzupflanzen ist fast schon Selbstmord“, so Kohlfürst. So mancher Bauer habe 2016 das letzte Mal geerntet, immer vernichteten Frühfröste und Hagel das Obst. Derzeit drohen, nach der guten Ernte, Radieschen und Salate vom vielen Regen abzusaufen. Und neue Schädlinge rücken an: Bei den Äpfeln ist es eine Wanze. Zudem werden der Landwirtschaft gerade riesige Flächen entzogen. Wo früher Gemüse und Getreide wuchsen, steuern heute schwere Lkws Logistikzentren an oder ziehen Bagger 70-Parteien-Wohnparks hoch. Der derzeit noch starke Gemüsebau im Süden von Graz ist im Schrumpfen. Pro Hektar würden hier für einen Baugrund zwei Millionen Euro gezahlt, so Kohlfürst: „Also das Zehn- bis Zwanzigfache dessen, was ein Bauer dafür zahlen kann.“ Dass sich Landwirte zum Verkaufen entschließen, versteht er: „So viel kannst du in zehn Generationen nicht erwirtschaften.“ Im Landwirtschaftsministerium verspricht man ein Entlastungspaket für die Bauern, die Regeln für die Saisonarbeiter seien freilich Sache der Sozialpartner. Außerdem sei die Eigenversorgung bei Obst und Gemüse mit 58 und 48 Prozent, „bedenkt man die klimatischen Bedingungen in Österreich, sehr gut“. Im Vorjahr seien die Erntemengen bei Obst und Kartoffeln deutlich gestiegen. Auch Kohlfürst sieht nicht nur schwarz. Er setzt auf Wandel. Wo heute die Apfelbäume stehen, hielten die Schwiegereltern einst Milchkühe, bis sie nicht mehr mit den Großbauern mithalten konnten. Kohlfürst hat jetzt Birnbäume gepflanzt: Für die Sorte Xenia rechnet er mit einem Euro pro Kilo. Eines sei aber klar: „Meine Eltern mussten weit mehr von ihrem Einkommen für Lebensmittel ausgeben als wir. Unsere Kinder werden das auch wieder müssen.“ F

FOTO: GEMÜSEHOF MAYR

30 Prozent höhere Produktionskosten als im Vorjahr. Der Handel hat uns die aber bisher kaum abgegolten.“ Alle Handelsketten betonen ihr Bemühen um faire Bauernpreise. Von Spar heißt es: „Wir müssen zusehen, dass die Preise für die Lieferanten lebbar, aber für die Kunden auch leistbar bleiben.“ Jeder müsse „seinen Beitrag leisten: Wir verzichten auch auf einen Teil unserer Spanne.“


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Chalets-Chaos am Nassfeld Anders gebaut als angekündigt, mit fragwürdiger Wasserversorgung: Ein Chalet-Projekt wird zum Fall fürs Verwaltungsgericht BERICHT: BARBARA TÓTH

FOTO: BARBARA TÓTH

an sieht es erst, wenn man aus dem M Ort in Richtung Gartnerkofel hinaufwandert: jenes gigantische Chalet-Dorf,

das gerade mitten im Skigebiet Nassfeld in Kärnten knapp an der italienischen Grenze entsteht. „Almressort Sonnenalpe“ heißt das Projekt, und es schaut aus, als hätte sich in Kärntens größtem Skigebiet die Ortschaft multipliziert: 18 Häuser, manche vierstöckig, andere geduckt, reihen sich auf einer Hügelkuppe zwischen Skilift und Straßenkehre. Der Investor, die Firma Riedergarten Immobilien des Kärntners Herbert Waldner, will hier 40 bis 98 Quadratmeter große Ferienimmobilien verkaufen. Chalets in den Alpen, das ist der Traum der Immobilienentwickler. Dort entstehen „kalte Betten“, warnen Kritiker, die die Umwelt und einen nachhaltigen Tourismus im Auge haben. Das Muster ist bekannt: Ein Investor verspricht ein Hotel mit angeschlossenen Apartments, Restaurant, Bar, Wellness & Spa. Am Ende bleiben nur schnell verwertbare Ferienwohnungen über. Beim „Almressort Sonnenalpe“ kommt es noch schlimmer. Denn der Projektentwickler hat nicht nur anderes versprochen, als er gebaut hat, wie der Kärntner Monat und die Kleine Zeitung bereits berichteten. Das Areal wird nun auch ein Fall fürs Ge-

richt. Denn der Kärntner Naturschutzbeirat, der gleichzeitig auch Umweltanwalt ist, hat beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen das Projekt eingebracht. Sein Argument: Es hätte in jedem Fall zu einer

Umweltverträglichkeitsprüfung kommen müssen. Zum einen, weil dort mehr als 500 Betten entstehen, was von den Projektbetreibern geschickt verschleiert wurde. Zum anderen gibt es für den Megaparkplatz gar keine naturschutzrechtliche Bewilligung. Zuständig für die Kontrolle wäre die Bezirkshauptmannschaft Herma-

Der Blick vom Gartnerkofel aufs Nassfeld zeigt die Dimension des geplanten ChaletDorfs „Almressort Sonnenalpe“ (links im Bild)

gor gewesen. Dort heißt es auf Falter-Anfrage, den Bau des Parkplatzes habe man ohnehin im Herbst 2021 schon gestoppt. Die Schlüsselfrage ist: Wurde am Ende das Almressort von den Entwicklern bewusst so eingereicht, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu umgehen? Hinter den Kulissen schwelt dazu ein Machtkampf zwischen den zuständigen Abteilungen in der Kärntner Landesverwaltung Umwelt (Abteilung 8) und Wirtschaft und Tourismus (Abteilung 7). Deren Leiter Albert Kreiner antwortet auf Falter-Anfrage nicht. Ebenso wenig wie Projektbetreiber Riedergarten Immobilien. Interessant ist das Protokoll der Gemeinderatssitzung Hermagors vom 17. 12. 2019. Die Immobilienentwickler kündigen zuerst (Stand 2018) ein Hotel mit 495 Betten an, dazu Appartements mit 165 Betten. Dann wird überarbeitet (Stand Oktober 2019). Jetzt sind es plötzlich ein 126-Betten-Hotel, 195-Appartement-Betten und 338-Chalet-Betten. Mit ein Grund dafür dürfte auch die zukünftige Wasserversorgung im Almressort sein, die, gelinde gesagt, fragwürdig ist. Dafür soll die „Auernigquelle“ genutzt werden, die auf italienischem Gebiet liegt. Ein Wasserliefervertrag garantiert aber nur zwei Liter pro Sekunde und läuft nach 15 Jahren aus. All das störte die Gemeinderäte nicht. Das Projekt wurde ohne Gegenstimmen beschlossen. F

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