Entdeck die Bucklige Welt 1/22

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AUSGABE 9

FRÜHLING / SOMMER 2022

Entdeck die Bucklige Welt in den Wiener Alpen

Auf ins Land der tausend Hügel im Tempo, das Freude und Vergnügen macht

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IMPRESSUM Herausgeber und Medieninhaber: Verein Tourismus Bucklige Welt, Hauptstraße 22, 2813 Lichtenegg E: region@buckligewelt.at W: www.buckligewelt.info Druck: Walstead Leykam Druck GmbH & Co KG, Bickfordstraße 21, 7201 Neudörfl

Inhalt 4 – 5 6 – 17 18 – 19 20 – 21 22 – 23 24 – 25 26 – 29 30 – 31 32 – 33

„Meine Buckel“ von Josef Kleinrath Eine Familienreise Pension Hendling Am Lindenhof bei Eisenkölbls Der Rosalia Rundwanderweg Die Pferde der Familie Luef Bei der Radl-Roas mitfahren Der Garten der Familie Lechner Die „Neue“ im Hacker Haus

Editorial 34 – 35 36 – 39 40 – 43 44 – 45 46 – 49 50 – 51

Feines Rezept von den Fingerlos Die Macher des „Bucklgreissler“ Neue Genuss-Radtouren Musik in der Wehrkirche Zwei Pilger und ihre Routen Die Blasmusik Katzelsdorf

Ob zu Fuß oder mit dem Rad, die Bucklige Welt will gemächlich und genussvoll erfahren werden. Nur so kann man sich an ihrer landschaftlichen Schönheit, ihrer Kultur und an ihren kulinarischen Glanzpunkten wirklich erfreuen. Erholung ist das Ziel einer Reise hierher, die Hektik hat in dieser Welt keine Geltung. Darum kommt man so gern hierher – immer wieder.

Cover: Stefan Knittel/stefanknittel.at, Karte: Artur Bodenstein Foto rechts: Stefan Knittel

Alle Angaben wurden mit großer Sorgfalt erhoben, erfolgen jedoch ohne Gewähr und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit

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GEWINNSPIEL

FRÜHLING / SOMMER 2022

Cover: Stefan Knittel/stefanknittel.at, Karte: Artur Bodenstein Foto rechts: Stefan Knittel

Jetzt gewinnen!

Karte abnehmen, ausfüllen, einsenden und am Gewinnspiel teilnehmen. Zu gewinnen: Wir verlosen zwei Übernachtungen für zwei Personen in der Pension Hendling.

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Meine Buckel J O S E F K L E I N R AT H

Josef Kleinrath, auf einem Bauernhof in der Buckligen Welt aufgewachsen und heute Publizist, schreibt über seine alte Heimat

Zwei PS Freiheit

Foto: Stefan Knittel

Unabhängigkeit, Freiheit. Das hat in der Buckligen Welt auch etwas mit dem ersten Moped zu tun. Mit dem Fahrrad konnte ich von Bromberg aus das Freibad in Seebenstein erreichen. Meine damalige Freundin in Gloggnitz – außer Reichweite. Aber ich war 17, motorisiert und frei. Wenn ich nicht im Internat von der Außenwelt abgeschnitten war. Und da die Intention des Knabenseminars Sachsenbrunn („Weckung und Förderung geistlicher Berufe“) mit meinem Berufswunsch Priester lange ident war, war das Moped letztlich auch ein Zeug, mich von diesem Weg abzubringen. Die Abzweiger zu Freundin und Co. bei Temperaturen bis zwanzig Grad minus am Moped samt Kolbenreiber auf der Heimfahrt waren herausfordernd. Mit meiner KTM Comet 502, einem Oldtimer, war ich den modernen Zündapps und KTMs meines Bruders und seiner Freunde unterlegen. Das hat sich später geändert. Auf meiner Honda Shadow flog ich über die Straßen der Buckligen Welt. Sie hat man dort schon gehört, wenn ich sie in Wiener Neustadt gestartet habe, wie ein Polizist einmal freundlich angemerkt hat. So musste ich den Auspuff in seinen ursprünglichen Zustand rückführen. Als meine Kinder zur Welt kamen, überantwortete ich das Motorrad meinem Vater zum Vatertag als Dauerleihgabe. Er hat damit die Bucklige Welt noch lange erfahren, am liebsten über Lichtenegg zum Eis-Greissler und dann über Hochegg zum Fally in Ödenkirchen. Dort fährt er mit meiner Mutter immer noch gern hin – jetzt meist umweltfreundlich mit dem E-Bike. 4

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Foto: Stefan Knittel

„Freiheit in der Buckligen Welt“

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Die Ziegen haben wir nicht mehr geschafft JOHANNES MÖRTH

Fotos: Stefan Knittel, beigestellt

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W O ZCEHI ET N EU NR DERN EISE SP

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Die Zinnfigurenwelt

Fotos: Stefan Knittel, beigestellt

Hauptstraße 69 2801 Katzelsdorf T 02622 782 50 www.zfw-katzelsdorf.at/

„Aufwachen, Onkel, wir sind da!“ Was, wie – wo? Meine Neffen aus Salzburg starren mich an, die Rucksäcke schon auf den Schultern. Ein Blick aus dem Zugfenster: Bahnhof Bad Erlach. Bin ich im Schlaf in die Bucklige Welt gekommen? Jedenfalls bequemer als mit dem Auto, das sich in Wien erholen darf. Unsere Familienreise wird mit Bahn und Bus verlaufen – großteils. Zum Glück ist mein älterer Neffe ein penibler Planer, er hat die nächsten drei Tage schon genau eingeteilt. Ich muss mich nur daran halten – also aussteigen. Wollten wir nicht in Katzelsdorf anfangen? „Schon“, sagt der Jüngere. „Aber da kommen wir mit dem Bus hin.“ Aha. Wir entern den Bus. „Schlaf nicht wieder ein, es dauert nicht lang“,

Eine dreitägige Reise durch die Bucklige Welt. So frisch und unterhaltsam kann ein Familienausflug sein 7

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Kindergolfplatz beim Grandhotel Niederösterreichischer Hof

Sagenweg Lanzenkirchen Gemeindeamt Hauptplatz 4/1, 2821 Lanzenkirchen T 2627 454 32 www.lanzenkirchen.gv.at

Fotos: Stefan Knittel, Audivision

Parkallee 1, 2821 Lanzenkirchen T 02627 458 10 E office@noehof.at www.noehof.at

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WOCHENENDREISE

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Rundwanderweg Walpersbach

Fotos: Stefan Knittel, Audivision

Schwierigkeit: mittel, Strecke: 13,03 Kilometer, Aufstieg: 520 Höhenmeter, Dauer: 4 Stunden Pfarrkirche Walpersbach, Walpersbach 5/4, 2822 Walpersbach T 02627 483 44

Die Nichten und Neffen wollen gleich auf den Kindergolfplatz. Ich mach’ mit

Blick auf das sommerliche Walpersbach

sagt der Ältere. Also ob ich dauernd einschlafen würde. Was wollen wir überhaupt in Katzelsdorf? „Zinnfigurenwelt“, brummt der Ältere. Das wird ein kurzer Besuch werden, denke ich, als ich das Gebäude von außen zu sehen bekomme. Im Inneren ein paar kleine Dioramen mit – was ist das? Ein gewaltiges Diorama mit der Schlacht um Wien! Und noch eines mit der Schlacht von Prinz Eugen um Griechisch Weißenburg, oder wie ich gern sage Kriechisch Wyffenpurg, und meine Lieblingsschiffe sind auch dabei, ebenso ein paar Tschaiken. Dieses Wochenende ist gelaufen, hier gehen wir nie wieder weg. Die Schlacht um Belgrad beginnt, ich übernehme die türkischen Truppen. Jetzt werden meine Neffen etwas über alternative Geschichte lernen. Und los. Gegen Mittag sind die Kämpfer hungrig, also fallen wir im Gasthaus zur Schmiede der Familie Eva und Richard Tikowsky ein. Es wird für seine gutbürgerliche Küche gerühmt. Die Weiterfahrt im Bus muss natürlich auch bevorratet werden, meine Neffen versorgen sich dazu am Tortenbuffet. 9

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Café-Restaurant Sabine Dorfgasse 11, 2822 Bad Erlach T 02627 482 19 www.wirtin-sabine.at

Sabine Schneeweis führt das Gasthaus, früher als „Keglerwirt“ bekannt, seit 2003

Fotos: Stefan Knittel

Unser nächster Halt ist Lanzenkirchen. Was sonst nach einem Angriff der Ulanen, den edlen Lanzenreitern, in der Zinnfigurenwelt? Vielleicht hätten wir die Nichten aus Wien auch mitnehmen sollen, es geht recht einseitig zu. Aber sie stoßen eh gegen Abend mit ihren Eltern im Niederösterreichischen Hof zu uns. Da wird es den nächsten Wettkampf geben. Noch aber fährt uns der Bus in die Sagenwelt. „Es gibt eine Urkunde“, erklärt uns der ältere Neffe. „Wofür?“ – „Den Sagenmeister. Das ist der, der alle Sagenpunkte abgeht, in den Sagenpass einträgt und am Gemeindeamt abgibt.“ Man kann es auch übertreiben, finde ich. Kann man nicht, behaupten die Neffen. Sie wollen die Urkunde. Wofür? Um ihre Cousinen zu ärgern. „Es gäbe auch einen Bourbonenweg …“ – „Sagenmeister!“ – „Bauernmuseum?“ – „Sagenmeister!“ Den Hinweis auf das awarische Gräberfeld schenke ich mir, es wird der Sagenmeister, die beiden Teufel setzen sich durch. Wenigstens wird so der Nachtisch verarbeitet. 10

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Fotos: Stefan Knittel

WOCHENENDREISE

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Am späteren Nachmittag treffen wir die Nichten samt Elternschaft in Lanzenkirchen. Ah, meine heimliche Befriedigung, als sich die vier Nichten von den Sagenmeisterurkunden ihrer Cousins wenig beeindruckt zeigen. Sie wollen gleich auf den Golfplatz. Nein, nicht zum großen bei der Therme Linsberg Asia oder zu dem am Föhrenwald, sondern zum Kindergolfplatz beim Grandhotel Niederösterreichischer Hof. Bruder und Schwägerin verziehen sich in den Wellnessbereich, ich aber will der Jugend die Stirn bieten. Hoffentlich knallt mir kein Golfball daran. Meine Taktik: Nicht auffallen. Während Nichten und Neffen im Lauf des Spiels von Wettkampffieber und Frust überwältigt werden und meine Schlagleistung amüsiert-mitleidig ignorieren, arbeite ich mich still voran. Am Schluss vergleichen sie dann eifrig ihre Ergebnisse. Meines? Kümmert keinen. Dabei habe ich gewonnen. So schmeckt mir das Abendessen auf der Terrasse der hoteleigenen Bad Erlacher Stubn im Kreis der Familie besonders gut. Was ist schon ein stimmungsvoller

„Es gibt eine Urkunde“, erklärt uns der ältere Neffe. „Wofür?“ „Den Sagenmeister“

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Eis-Greissler Manufaktur Königsegg 25, 2851 Krumbach T 02647 429 50 eis-greissler.at

Heuer findet zum ersten Mal ein Familien- und Parkfest in Pitten statt Fotos: Stefan Knittel, Christian Kremsl, beigestellt

Sonnenuntergang gegen die Hochstimmung eines Mannes, der seinen Sieg gegen die Jugend stillvergnügt in sich hineinsüffelt. Geschlafen habe ich auch wunderbar. Das Frühstück vom reichhaltigen Buffet um sieben Uhr ist Beweis für mein Urlaubsgefühl. Unter der Woche schlafe ich zu dieser Zeit noch fest. Aber hier in der Buckligen Welt ist alles frischer, auch ich. Außerdem hat der Neffe ein steiles Programm vorgesehen. Zunächst folgt ein Rundwanderweg in Walpersbach, zu dem mein Bruder die ganze Meute in seinem Riesenwagen fährt – der Bus hat für uns Pause. An der Kirche gehen wir los, für die 13 Kilometer hat der Neffe drei Stunden veranschlagt, obwohl vier angegeben sind. Am Schluss sind es dreieinhalb Stunden geworden. Dann geht es im Wagen des Bruders nach Pitten, hier findet ein Familien- und Parkfest gleich neben dem Rosengarten statt – zum ersten Mal, das dürfen wir nicht versäumen. Danach brauchen wir alle dringend ein verspätetes Mittagessen, das Café-Restaurant Sabine in Bad Erlach geht sich gerade 12

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WOCHENENDREISE

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Frühlingszauber VIKTORIA KORNFELD

Fotos: Stefan Knittel, Christian Kremsl, beigestellt

Viktoria Kornfeld lebt in der Buckligen Welt und liebt sie wirklich. Daher lädt sie euch gern hierher ein

In einem der Keltenhäuser in Schwarzenbach würden wir es uns gern länger gemütlich machen

Ich habe das Leben am Land immer schon geliebt. Es gab kaum Momente, in denen ich mich in die Stadt gewünscht hätte. Ich mag das Tempo, die Menschen, die Traditionen und den Geruch nach einem Sommerregen. Als junge Mutter von inzwischen zwei Kindern werden mir die Vorzüge des Landlebens noch deutlicher bewusst. Meine Kinder haben das große Glück, auf einem Bauernhof aufwachsen zu dürfen, und zumindest der mit zwei Jahren „Große“ genießt es jetzt schon in vollen Zügen. Sobald es die Temperaturen zulassen, verbringt er mehr oder weniger den ganzen Tag in der Natur. Da werden täglich Kühe gestreichelt, Katzen gejagt, da wird im Heu gehüpft und werden Kälber gefüttert. Es wird auch fleißig beim Arbeiten angepackt, Papa bekommt tatkräftige Unterstützung. So ist es für ihn auch ganz normal, am Stapler, Bagger oder Traktor mitzufahren. Dabei liebe ich es zu sehen, mit welcher Neugier und Unerschrockenheit er auf alles zugeht. Bei dem großen Enthusiasmus muss man nur immer ein wenig aufpassen, dass er sich dabei nicht umbringt. ;) Am Abend kommt er – von Kopf bis Fuß schmutzig, aber verdammt glücklich – ins Haus, und wenn er Glück hat, kann er vom Fenster noch das ein oder andere Reh am Waldrand beobachten. Klingt kitschig, ist es manchmal auch. Sobald die kleine Schwester sitzen kann, darf auch sie das erste Mal mit in den Stall gehen. Im Melkstand hängt eine Schaukel, von wo aus sie alles im Blick hat und gut auf sie aufgepasst wird. Und so wächst auch sie im Herzen der Buckligen Welt auf ihrem ganz persönlichen Abenteuerspielplatz auf. 13

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Keltendorf Schwarzenbach

noch aus. Es wird sportlich, denn natürlich sind die vier Nichten Vegetarierinnen. Hinterher steht der Ziegenhof in Lichtenegg am Programm des älteren Neffen. „Aber du malst eh dauernd diese Ziegen“, sagt er. „Daher wollen wir lieber gleich ins Keltendorf Schwarzenbach.“ Die armen Ziegen, denke ich. Irgendwann schau ich bei seinem Hofladen vorbei, um mich mit Ziegenkäse einzudecken. Womöglich porträtiere ich auch den Bock. Natürlich war das Keltendorf die richtige Idee. Die Anlage bietet für Nichten und Neffen etwas – Küche und Waffen. Und besonders auch für mich: In diesen Häusern würde ich lieber übernachten als im schönsten Hotel. Das müssten sie hier möglich machen: Wohnen wie ein Kelte – drei kenne ich schon,

die sofort dabei wären. Für die Nichten und ihre Eltern ist es der letzte Abend hier. Die Neffen und ich machen morgen noch weiter. Gemeinsam sitzen wir in Edlitz um den Tisch auf einem Bauernhof. Am Wachahof der Familie Schwarz mit seinen hübschen kleinen Tieren genießen wir das Abendessen und dann den Ausblick von der Terrasse des „Freilandhauses“ auf die langsam schwarz werdenden Hügel der Buckligen Welt. Nach den Kelten gestern kommen heute die Ritter dran. Auf der Burgruine in Kirchschlag ist ein Mittelalterfest im Gange. Sehr bunt, sehr friedlich, mehr hohe Minne als Buhurt, das Einanderverprügeln mit stumpfen Waffen. Dennoch: Ein paar

Fotos:Christian Kremsl, Stefan Knittel, Kraft

Keltenwall 1, 2803 Schwarzenbach T 02645 52 01 E office@keltendorf-schwarzenbach.at www.keltendorf-schwarzenbach.at

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Wachahof Familie Schwarz Kohlreuth 22, 2842 Edlitz T 0664 537 75 71 oder 0664 910 00 07 E urlaub@wachahof.at www.wachahof.at

Fotos:Christian Kremsl, Stefan Knittel, Kraft

Im Juli findet auf der Burgruine Kirchschlag ein mittelalterliches buntes Treiben statt

Am Wachahof in Edlitz verbringen wir den letzten Abend in der Buckligen Welt

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ungelenke Männer in Rüstung mühen sich im Zweikampf ab. Wir kosten, was an Ständen als mittelalterliche Schmankerl angeboten wird. Schmeckt sicher besser als damals. Während wir durch den Burghof schlendern, erfasst uns trotz der Gaukler allmählich sanfte Wehmut, wie der Minnesänger sagen würde. Es wird unausweichlich, dass unsere Reise durch die Bucklige Welt bald zu Ende ist. „Gut war dein Plan“, sage ich zum älteren Neffen. „Wir haben fast alles geschafft.“ – „Bis auf die Ziegen“, sagt der jüngere. „Ja, bis auf die Ziegen. Dafür male ich das nächste Mal den Ziegenbock dort oben in Lichtenegg.“ |

Männer in Rüstung mühen sich im Zweikampf ab. Wir kosten Schmankerl

Fotos: Kraft, Stefan Knittel

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Mittelalterfest Kirchschlag

Fotos: Kraft, Stefan Knittel

23. bis 24. Juli 2022 Burgruine Kirchschlag/Bucklige Welt Ganztägiges Unterhaltungsprogramm, mittelalterliche Kulinarik, Live-Musik, Ritterkämpfe, Gaukler, Kinderprogramm und Kunsthandwerk www.kirchschlag-bw.gv.at

Mandl’s Ziegenhof Pengersdorf 7, 2813 Lichtenegg T 0676 94 44 963 www.ziegenhof.at

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Ein Ruheplatz

Eine Sackgasse führt nach Klingfurth, gelegen am kleinen, munter plätschernden Klingfurther Bächlein, eingebettet in die Ausläufer von Rosalia und Buckliger Welt. Wer in diesen Ortsteil von Walpersbach kommt, will hierher, niemand fährt nur durch. Rund 250 Einwohner, jeder kennt jeden. Und jeder kennt die Familie Hendling, die seit den 1960er-Jahren eine Pension betreibt. Eigentlich war es ja ein Einfamilienhaus, das der Vater des jetzigen Betreibers zu einer Frühstückspension ausgebaut hat. Ein Maurer, der genau wusste, wo welcher Stein wo zu setzen ist. Schönbrunn-Gelb, rote Dachziegel, romantische Gaupen. Ein Raum fügte sich zum anderen, jetzt stehen in den 18 schmucken Zimmern 40 Betten bereit. Jedes Zimmer hat einen eigenen Stil. „Manche Gäste reservieren immer das Gelbe Zimmer“, schmunzelt Josef Hendling. Er war bei der Eisenbahn, hat dann die Konzession gemacht. Als eines von vier Geschwistern hat er die Pension der Eltern mit seiner Frau Angelika übernommen, die ganze Familie lebt rund um die Pension, alle sind

fast täglich am großen Familientisch versammelt, helfen mit. Die Schwester ist für das Frühstück zuständig. Selbst gemachte Marmeladen, Eier aus der Region, Semmeln vom Bäcker im Ort, gereicht im hellen, von der Chefin mit Liebe zum Detail ausgestatteten Frühstücksraum, im Sommer auf der Terrasse. Da wie dort fällt der Blick auf zwei oder drei der 1.000 Hügel der Buckligen Welt, blühende Obstbäume im Frühling, auf saftigen Wiesen weidende Kühe, einen Bauernhof. Der Urlaub beginnt schon beim Öffnen des Gartentürls im niedrigen grünen Holzzaun, der, mit Säulen aus Stein gemauert, schon viel Wasser, auch sehr hohes, im darunterliegenden Bächlein vorbeifließen hat sehen. Die liebevoll gestaltete Gartenwelt, jüngst erweitert um den einstigen Gastgarten des Gasthauses Stachl, lässt einen sofort hier ankommen. Vögel zwitschern fröhlich, ihnen stehen mit vielen Vogelhäusern auch Gästezimmer zur Verfügung. Es ist das Reich der Angelika Hendling. Stunden verbringt sie dort täglich mit ihrem goldenen Händchen und

Fotos: Stefan Knittel, derknopfdrücker.com

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HOTELLERIE

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Pension Hendling Klingfurth 31, 2822 Bad Erlach T 02627 482 22 www.pensionhendling.at

Geschichte am Buckel GERT DRESSEL

Gert Dressel, Historiker an der Universität Wien, über Erinnerung und Geschichtliches in der Buckligen Welt

„Aus Polen, Russland und Litauen hatten wir Gäste, einen Radfahrer auf Durchreise in die Mongolei. Wir treffen so viele spannende Gäste bei uns, und alle bewundern und lieben diesen Garten.“ Angelika und Josef Hendling

Fotos: Stefan Knittel, derknopfdrücker.com

Der Urlaub beginnt schon beim Öffnen des Gartentürls im niedrigen grünen Holzzaun …

einer nicht enden wollenden Liebe für den Garten. Eine gemütliche efeuumrankte Laube da, ein romantisches Plätzchen dort. Rosenstöcke, Hortensien, Kräuter, Stelen aus Stein, Amphoren, stimmig in kleinen Garteninseln platziert. Die schweren Äste der uralten Obstbäume gestützt, damit sie unter der Last des Obstes nicht brechen. Dann wieder ein Platz zum Verweilen. Diese unendliche Ruhe genießen die Gäste in der Pension. Wallfahrer, Wanderer des Rosalia Rundwanderweges, Radfahrer, Arbeiter, Thermen- und Kinderreha-Gäste. Alle schöpfen sie Kraft in der Ruhe der Buckligen Welt. „Die Therme war ein Wendepunkt“, erinnert sich Josef Hendling zurück, „aus Polen, Russland und Litauen hatten wir Gäste, einen Radfahrer auf Durchreise in die Mongolei. Wir treffen so viele spannende Gäste bei uns, und alle bewundern und lieben diesen Garten“, strahlen Angelika und Josef Hendling. So ist die kleine Pension in Klingfurth ein wunderbarer Platz, um Ruhe zu finden und die Bucklige Welt zu entdecken. Und alles andere als eine Sackgasse. |

Eine Pionierin Es ist annähernd vierzig Jahre her, dass Maria Gremel zu einer Pionierin wurde. Und das kam so: Gremel hatte ihre Erinnerungen an Kindheit und Jugend aufgeschrieben. Sie selbst zweifelte noch: „Kein Fremder wird lesen, was ich schreibe.“ Memoiren hatten ja bislang vor allem berühmte Männer geschrieben oder solche, die sich dafür hielten. Der Text gelangte aber an die Universität Wien. Dort begann man gerade damit, sich für die Lebensgeschichten „kleiner“ Leute zu interessieren. Das Manuskript von Gremel kam da gerade recht. Es wurde 1983 zum ersten Band der autobiografischen Buchreihe „Damit es nicht verlorengeht …“ des Böhlau Verlags. Wenig später war sie auch schon auf dem Titelblatt der „Krone“. Maria Gremel war die österreichische Pionierin einer sogenannten Geschichte von unten. Einen Ghostwriter hatte sie übrigens nie gebraucht. „Mit neun Jahren in den Dienst“, so heißt ihr Buch. Denn noch als junges Mädchen und als Kind einer Kleinhäuslerfamilie wird Maria Dienstmagd auf einem Bauernhof. Später wird sie Mutter eines unehelichen Kindes. Der Vater ist der Sohn des Bauern. Trotz aller Widerstände heiraten sie. Maria Gremel wurde 1901 in Kirchschlag geboren. Ihr Buch gibt nicht beschönigende, gleichwohl faszinierende Einblicke in eine vergangene Bucklige Welt. Geschrieben von einer starken Frau. Wie gut, dass das Buch antiquarisch noch erhältlich ist. 19

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Wo Mensch und Tier gern leben NINI T SCHAVOLL

Bella meldet pflichtbewusst die Neuankömmlinge. Eine Brücke über den Haßbach hat die Besucher auf den Weg zum Lindenhof gebracht, der nach etwa zwei Kilometern auf einer Anhöhe aufgetaucht ist. Er liegt in einem Seitental der Marktgemeinde Warth über Kirchau, einem kleinen Dorf mit einer mittelalterlichen Kirche und knapp 300 Menschen. In der Hofeinfahrt steht, behäbig wedelnd, Bella, die Hofhündin. Zum Einzelgehöft in sonniger Lage gehören mehrere Gebäude, darunter zwei Wohnhäuser. Im rechten wohnen die Eltern Alois und Christine mit ihrem ältesten Sohn Stefan. Er wurde mit Trisomie 21 geboren und kümmert sich am Hof mit Hingabe um seine beiden Pferde. Links von der Einfahrt haben Cornelia und Peter Eisenkölbl mit ihren Kindern Viktoria, Theresa und Philipp ihr großzügiges Wohnreich. Drei Generationen unter einem Dach stimmt also nicht ganz, aber irgendwie doch. „Das Zusammenleben von Jung und Alt auf dem Lindenhof funktioniert sehr gut“, erklärt Peter, der

vor zehn Jahren den Hof von seinen Eltern übernommen hat. Die Kinder sind bereits in Ausbildung und außer Haus: Viktoria (21) lernt Orthopädietechnikerin, Theresa (18) wird Optikerin, und Philipp (17) will nach Abschluss der Landwirtschaftlichen Fachschule den Beruf des Fleischhauers erlernen. Aber beim zweimal jährlich stattfindenden Mostheurigen sind wirklich alle mit vollem Einsatz dabei. Bis vor Kurzem bewirteten die Eisenkölbls ihre Gäste im überdachten Teil des Innenhofs. Seit dem Frühjahr können sie ihre Spezialitäten endlich auch im neuen Heurigenlokal mit Panoramablick auftischen. Viel Arbeit stecke im neuen Gastraum, erzählt der Hausherr nicht ohne Stolz. Besonders gemütlich sind die Sitzgarnituren aus Kiefernholz geworden. Draußen auf der Weide grast das Fleckvieh. Alle 25 Mutterkühe haben ihre Kälber bei sich. Karin, eine Kuh mit auffälliger Fellzeichnung, habe in ihren 18 Jahren 15-mal gekalbt, erzählt Peter, während wir am geräumigen Offenstall vorbeispazieren.

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Fotos: Stefan Knittel

Peter und Cornelia Eisenkölbl bewirtschaften den Lindenhof mit drei Generationen


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Termine Mostheuriger 2022 15. Juni bis 19. Juni & 31. August bis 4. September

Lindenhof Familie Eisenkölbl Maierhöfenstraße 1, 2831 Kirchau T 02629 34 28 www.eisenkoelbl.at

Auf dem Lindenhof haben alle viel Platz, auch die Schweine können sich zufrieden bewegen

Fotos: Stefan Knittel

Auf ihrem Lindenhof ist die bäuerliche Welt der Familie Eisenkölbl auch für ihre Tiere in Ordnung. Besucher genießen, was natürlich aufwächst

Der kleine schwarze Galloway-Zuchtstier Franz-Josef steht inmitten seiner Gefährtinnen und kümmert sich nach Lust und Laune um die Nachzucht. Die Wiederkäuer genießen 24 Stunden am Tag freien Zugang zur Weide, was sie entspannt erscheinen lässt. Ihre große Wiese vor dem Hof bietet einen Ausblick auf Türkensturz und Schneeberg, sogar die Rax ist noch zu sehen. Auch bei den Schweinen ist viel Platz. Sie fühlen sich am Lindenhof sichtlich sauwohl und kommen neugierig zum Gatter. Geschlachtet werden die Tiere am Ende ihres friedlichen Lebens ohne Transportstress direkt vor Ort. In der neuen, blitzblanken Schlachtkammer zerlegen Cornelia und Peter das Fleisch und verarbeiten es zu Rinderpresswurst, Luftgetrocknetem, Würsten und anderen Schmankerln. „Auf unserer Homepage stehen die Verkaufstermine für das Frischfleisch. Die Leute bestellen es und holen es dann meist selbst bei uns ab. Das ist uns wichtig, damit sie sehen, wie gut es den Tieren hier geht und wie der Hase bei uns rennt“, scherzt Peter Eisenkölbl.

Nur selten bleibe etwas über, denn neben den Einzelstücken sind auch die Frischfleischpakete von Biojungrind und Biojungschwein in verschiedenen Größen heiß begehrt. Besonders gut schmecken die Spezialitäten direkt beim Mostheurigen, wo Cornelia herzhafte Jausen auf die Brettln zaubert. Auch Brot und die Mehlspeisen bäckt die gelernte Konditorin selbst. Mit den Schnäpsen danach kennt sich wiederum der Chef gut aus. Auch das Hochprozentige von Birnen- bis Zwetschkenbrand wird am Hof gebrannt. „Wir sind ein kleiner Familienbetrieb und können keine Massenware herstellen“, sind beide sich einig. „Aber die Qualität muss passen, darum geben wir jeden Tag unser Bestes – und achten Natur und Leben.“ Vermutlich würden das die Tiere am Lindenhof bestätigen. Bella bellt jedenfalls dazu – und es klingt wie Zustimmung. |

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Der Weg war die Vision J O S E F K L E I N R AT H

Am Anfang stand sportlicher Ehrgeiz. Stephan Ernst (40) und Markus Schwendenwein (44) aus der Buckligen Welt wollten mit Freunden Weitwanderwege in der Hälfte der angegebenen Zeit absolvieren. Gesagt, getan. So kam es 2012 zur Wallfahrt nach Mariazell, 2014 ging es auf dem Johannesweg durchs Mühlviertel und 2016 am Kremstal-Rundwanderweg dahin. Da Gehen eine sehr kontemplative Fortbewegungsart ist, überkam sie auf diesen Wegen auch eine Erleuchtung. „Wir fahren so weit, um einen Rundwanderweg zu gehen. Machen wir doch einen bei uns!“ Damit hatten Schwendenwein und Ernst die Vision vom Rosalia Rundwanderweg. Zur Landesausstellung 2019 war er fertig. In der ersten, vergriffenen Auflage der Wanderkarte wurde er als kräftiges gelbes Band markiert. Achtzig Kilometer lang, verbindet er die Thermengemeinden Bad Erlach, Katzelsdorf, Lanzenkirchen, Pitten und Walpersbach in der Buckligen Welt mit der Stadt Wiener Neustadt. Die Wegmacher haben bei der Planung bestehende

Wege in der Region analysiert, Institutionen eingebunden und im Sinne von „Stadt und Land mitanand“ eine Route ausgearbeitet. Sie ermöglicht die Anreise per Öffis zu den Startplätzen und steuert Ortskerne sowie gastronomische und touristische Betriebe an. Der Weg kann in individuellen Etappen gegangen werden, je nach Verfassung und Kondition. 1.200 Stunden haben Ernst und Schwendenwein ehrenamtlich investiert, 420 gelbe Tafeln weisen den Rosalia Rundwanderweg in beide Richtungen. Jede einzelne eigenhändig von den beiden montiert. „Ich habe die Rosalia selbst erst durch den Wanderweg richtig kennengelernt“, gibt Ernst zu. „Ich wusste gar nicht, wie viele schöne Plätze es hier gibt.“ Und Schwendenwein streicht heraus: „Wir verbinden eine Stadt wie Wiener Neustadt samt Militärakademie und einer großen Geschichte mit der umliegenden Region. Die Wertschöpfung bleibt hier, die Region wird gestärkt und geeint. Städter kommen aufs Land, die Landbevölkerung erkundet die Stadt.“ Dieses Zusammenrücken

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Fotos: Stefan Knittel

„Wir verbinden eine Stadt wie Wiener Neustadt mit der umliegenden Region. Die Wertschöpfung bleibt hier, die Region wird gestärkt und geeint.“ Markus Schwendenwein und Stephan Ernst, Initiatoren des Rosalia Rundwanderweges


WANDERN

FRÜHLING / SOMMER 2022

Stephan Ernst und Markus Schwendenwein beschlossen auf dem Kremstal-Rundwanderweg: Wir errichten einen in der Buckligen Welt, den Rosalia Rundwanderweg

Rosalia Rundwanderweg www.thermengemeinden.at/ rosalia-rundwanderweg

Fotos: Stefan Knittel

„Nach fünfzig, sechzig Kilometern kommst du in eine Art Trance, dann wird es extrem. Da zählt der Wille, es zu Ende bringen zu wollen“

war ein gewichtiger Grund für die Realisierung des Weges. Mit der Neuauflage der Rosalia-Rundwanderweg-Karte werden historische Orte und Besonderheiten noch besser ausgeschildert, es wird auch der sportliche Aspekt des Weges betont. Auch sind Kraftplätze, an denen man Energie aufnehmen und Entspannung finden kann, extra ausgewiesen. Schwendenwein und Ernst sind die achtzig Kilometer in beide Richtungen abgegangen. Jeweils an einem Tag, in weniger als 15 Stunden Gehzeit. „Nach fünfzig, sechzig Kilometern kommst du in eine Art Trance, dann wird es extrem. Da zählt der Wille, es zu Ende bringen zu wollen.“ Die beiden haben dabei erfahren: „Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt.“ Ihre Lieblingsplätze am Rundwanderweg teilen sie gern. Zahlreiche gibt es, schwärmen sie. Schwendenwein schwört auf den Blick vom Weißjackl zwischen Leiding und Schiltern auf Pitten hinunter, mit eindrucksvoller Sicht auf Hohe Wand, Schneeberg und Rax. Ernst wiederum hält inne, wenn er vom

Bener kommt und sich der Blick auf Klingfurth öffnet: „Da steht ein kleines Bankerl, da bleib’ ich jedes Mal sitzen, wenn ich vorbeikomme, und genieße die Ruhe.“ Also: losgehen und genießen. Der Weg bringt die Vision. |

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Mariellas erste Freudensprünge

Fotos: Stefan Knittel

K ARIN WASNER

Haflingerhof Luef Leitenviertel 8, 2853 Bad Schönau T 0664 533 10 89 www.haflingerhof-luef.at

Maria und Gerhard Luef verbindet die Liebe zu ihren prächtigen Haflingern aus ihrer Zucht

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PFERDEZUCHT

FRÜHLING / SOMMER 2022

Fotos: Stefan Knittel

„Ein Pferd ist kein Moped“, sagt Gerhard Luef. Er muss es wissen, züchtet er doch auf seinem Hof in der Nähe von Bad Schönau preisgekrönte Haflinger. Mariella ist sein jüngster Zuwachs

Sanftes Schnauben. Hie und da ein Hufscharren. Sonst hallt von den Mauern des alten Pferdestalls auf dem Haflingerhof der Familie Luef an diesem Abend nichts wider – außer Staunen und Rührung. „Das ist schon unser neunzigstes Fohlen. Und jedes Mal etwas ganz Besonderes, wenn ein neues Leben plötzlich da ist.“ Gemeinsam mit seiner Frau Maria züchtet Gerhard Luef nahe Bad Schönau preisgekrönte Haflinger. Auf wackeligen Beinen steht jetzt die kleine Mariella auf dem Stroh, ihr Fell ist noch feucht. In einer Ecke der Box kniet Maria. Die Mutterstute MonaLisa ist ihr Pferd, sie war bei all ihren Geburten dabei. „Das ist ein magischer Moment, wenn das Fohlen zum ersten Mal wiehert und der ganze Stall antwortet.“ „Der Haflinger ist ein ehrliches Pferd mit viel Charakter, unkompliziert in der Haltung“, sagt Gerhard. „Er passt perfekt in diese Gegend.“ Die Alpinrasse fühlt sich auf den grünen Hängen der berühmten Buckel sichtlich wohl. Mit wehender blonder Mähne tollen die Tiere auf den steilen Weiden rund um das Hofgebäude und kommen neugierig zum Zaun, wenn man sich nähert. Als Gerhard 1998 den Hof nach dem plötzlichen Tod seines Vaters übernahm, konnte er mit den Kühen des elterlichen Milchviehbetriebs wenig anfangen. „Mein Großvater hat die Arbeit auf den Feldern und im Wald mit Pferden gemacht.“ Er war der Pferdemensch in der Familie. „Damals gab es noch keine Maschinen für die steilen Lagen hier, nur Haflinger.“ Die Pferdezucht hat sich aus Gerhards Liebe zu den Tieren entwickelt. „Ein Pferd ist ein Lebewesen, kein Moped.“ Das Beste aus den Tieren herauszuholen, ihre guten Eigenschaften zu fördern und sie auf die besten Plätze zu vergeben, treibt ihn an. „Ein Pferd sagt nicht vielleicht. Es mag dich – oder eben nicht.“ Und Gerhard mögen sie alle. Betritt er den Stall, drehen sich zwanzig Ohrenpaare aufmerksam in seine Richtung. Gelernt hat er Installateur, mit dem Leben in der Stadt wurde er jedoch nie warm. „Immer drinnen sein halte ich nicht aus, ich will hinaus in die Natur.“ In der Natur ist er jetzt jeden Tag. Halb fünf zeigt der Wecker, wenn er morgens die Arbeitsstiefel anzieht. Etwa 250 Pferde sind in über zwanzig Jahren durch seine Pflege gegangen, erfolgreiche Zuchttiere ebenso wie von ihren Besitzern heißgeliebte Freizeitpferde. Die Jungpferde werden auf dem Hof zu Reit-und Fahrpferden ausgebildet. Schon die neunjährige Tochter Stephanie probiert sich mit ihren pferdebegeisterten Freundinnen als Reitlehrerin. Das duftende Heu, mit

dem Seniorbäuerin Anni im geflochtenen Weidenkorb von Box zu Box zieht, wächst auf den eigenen Wiesen. Interessierte nehmen die Luefs gern mit auf Ausritte oder mehrstündige Kutschenfahrten durch die landschaftliche Schönheit ihrer Heimat. Zum Schloss Krumbach, zum Hutwisch oder ins Dreiländereck trabt dann das Gespann – bis zu acht Personen können sich in der hübschen Kutsche ziehen lassen. „Da kannst du gar nichts tun außer schauen und genießen,“ schätzt Maria die Kutschenfahrten als willkommene Auszeit. „Wir kennen ganz besondere Platzerl mit einer Aussicht bis zur Rax oder zum Schneeberg.“ „Mit Pferden hatte ich nichts am Hut.“ Maria war nicht immer eine Pferdenärrin. „Ich war gern unter Menschen und wollte als Kind Zimmermädchen werden.“ Diesen Traum hat sich die sympathische Steirerin jetzt erfüllt. Liebevoll haben die Luefs vor Kurzem das alte Hofgebäude renoviert und drei schmucke Unterkünfte gestaltet. „Mitten in der Natur und fernab vom Stress können unsere Gäste das Treiben am Hof miterleben.“ Während sich morgens vor dem Fenster ein paar Stuten zufrieden in Sägespänen wälzen, serviert Maria ihren Gästen das Frühstück aufs Zimmer. Helle Farben und viel Holz machen das Apartment und die beiden Zimmer gemütlich. Da verschiebt man die geplante Wanderung oder den Ausritt gern noch ein wenig. Und erst die Aussicht: Im Schein der aufgehenden Sonne, versprengt über die Weiden ringsum, grasen die Haflinger. Auf nicht mehr ganz so wackligen Beinen macht Mariella in ihrer Mitte ihre ersten Freudensprünge. |

Bei Familie Luef schlagen die Herzen von drei Generationen für Pferde

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Treten, rollen und genießen CORNELIA REHBERGER

„Auf zwei Rädern zu den Ausflugszielen der Region.“ Unter diesem Motto begann sie vor zwei Jahren: die Radl-Roas der Gemeinde Hollenthon und der Region Bucklige Welt

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RADREISE

FRÜHLING / SOMMER 2022

Foto: Martin Fülöp

Die Schnidahahn-Roas in der Buckligen Welt ist Genussmenschen ein Begriff. Das soll auch die Radl-Roas werden: gemeinsames Genussradeln zu einigen der schönsten Ausflugsziele

„Auf zwei Rädern zu den Ausflugszielen der Region.“ Unter diesem Motto begann sie vor zwei Jahren: die Radl-Roas der Gemeinde Hollenthon und der Region Bucklige Welt. Seither bildet die Radl-Roas einen Fixpunkt im sommerlichen Veranstaltungskalender. Genussradeln und Zwischenstopps bei einigen der schönsten Ausflugsziele der Region – das ist ihr Geheimnis. Auf einem der umfangreichsten E-Bike-Streckennetze Österreichs: asphaltiert, verkehrsarm, auf Nebenstraßen oder Radwegen. Nähere Informationen unter www.buckligewelt.info Heuer fällt die Roas auf Samstag, den 16. Juli. Bei Schlechtwetter wird der Termin um eine Woche verschoben. Um 8.30 Uhr bringen am Gemeindeplatz von Hollenthon Musik und ein kostenloses Frühstück vom Gasthof Posch die Reisenden in Stimmung. Hollenthons Bürgermeister Manfred Grundtner hat versprochen, die Riesen-Eierspeis-Pfanne wieder glühen zu lassen. Derart gestärkt geht es dann in Gruppen oder allein entlang der Radl-Roas-Route mit dem E-Bike durch die Region. Bike-Tourenkarten werden vor Ort ausgegeben. Besonders Sportliche können die Runde auch mit dem „normalen“ Rad absolvieren. Ihnen sei allerdings gesagt: Die Bucklige Welt trägt ihren Namen zu Recht, die Höhenmeter können einen ganz schön ins Schwitzen bringen. Gemütlicher geht es mit „eingebautem Rückenwind“ auf einer der Radl-Roas-Routen durch das Land der 1.000 Hügel. Insgesamt acht Rundfahrten zu den unterschiedlichsten Ausflugszielen können an diesem Tag voller besonderer Angebote „erradelt“ und nach Belieben kombiniert werden. 27

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Radl-Roas Informationen zur Veranstaltung: www.buckligewelt.info/radl-roas

Heuer fällt die Roas auf Samstag, den 16. Juli. Bei Schlechtwetter wird der Termin um eine Woche verschoben. Um 8.30 Uhr bringen am Gemeindeplatz von Hollenthon Musik und ein kostenloses Frühstück vom Gasthof Posch die Reisenden in Stimmung

Neun Uhr gilt als offizielle Startzeit. Man kann die Touren und Etappen aber auch ganz individuell gestalten. Wer einen einzigartigen Ausblick auf die Region genießen will, ist auf der Windrad-Route richtig. Zunächst geht es nach Lichtenegg. Aufstieg auf das Windrad inklusive Führung (erst ab zwölf Jahren) ist an diesem Tag kostenlos. Auf der Mandl’s-Ziegenhof-Route bleibt man in Lichtenegg, fährt aber noch ein Stück weiter, um bei Familie Mandl köstliche Ziegenkäseprodukte zu kosten und gratis durch das Ziegenpanorama zu schlendern. Bad Schönau bietet eine neue Attraktion, auf die der Ort sehr stolz ist: das Sconarium im Ortszentrum. Ein Veranstaltungshaus und zugleich Museum der Geschichte des Kurorts sowie des Kohlensäuregases – der Eintritt ist am Radl-Roas-Tag frei. Im Nachbarort Krumbach finden Genussbiker an diesem Tag lohnende Einkehrmöglichkeiten. Und nach einer kostenlosen Besichtigung des dortigen Museumsdorfs radelt man zum Eis-Greissler, wo zwei Kugeln Gratis-Eis die Radl-Roas-Teilnehmer erfrischen.

Ein paar Hügel weiter taucht die Welt der Kelten auf. Dies ist die Route „Archäologisches Freilichtmuseum Schwarzenbach“. Von hier aus weiter nach Hochwolkersdorf mit einem Gedenkraum 1945 – spannende Einblicke in die jüngere Vergangenheit Österreichs, für Radl-Roasende kostenlos. Vom Geburtsort der Zweiten Republik Österreichs führt die letzte Route zur Annakirche nach Wiesmath. Hier finden an diesem Tag mehrmals kostenlose Kirchenführungen statt. Zum gemeinsamen gemütlichen Ausklang der Radl-Roas trifft man sich um 15 Uhr am Gemeindeplatz von Hollenthon. Nun wird man sich ordentlich stärken müssen, schließlich hat man viel „derradelt“. |

Fotos: Wiener Alpen/Martin Fülöp, Paul Jokinen

Zum gemeinsamen gemütlichen Ausklang der Radl-Roas trifft man sich um 15 Uhr am Gemeindeplatz von Hollenthon. Nun wird man sich ordentlich stärken müssen, schließlich hat man viel „derradelt“

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RADREISE

FRÜHLING / SOMMER 2022

Wetterfrosch in Grün ALOIS M. HOLZER

Alois M. Holzer, Meteorologe beim ORF, über das Wetter in der Buckligen Welt

Fotos: Wiener Alpen/Martin Fülöp, Paul Jokinen

Neun Uhr gilt als offizielle Startzeit. Man kann die Touren und Etappen aber auch individuell gestalten

Was war das? Hast du das gehört? War das nicht nach Jahren wieder einmal ein …? Qaqaqaqaqaqaqaqa … zugegeben, mit Buchstaben kann man den Sound nur schwer wiedergeben. Qaqaqaqaqaqaqaqa … tatsächlich, nach mehreren Jahren Pause quakt da unter meinem Schlafzimmerfenster beim Teich im Garten wieder ein Laubfrosch. Ein echter Wetterfrosch also. Die mittelalten Semester erinnern sich vielleicht noch an den knallgrünen Quaxi als Maskottchen für die „Mini-ZiB“ im Kinderfernsehen. Vielleicht schreibt man dem Frosch deshalb Wettervorhersagequalitäten zu, weil er nur bei bestimmten Temperaturniveaus seine Partnerfindungsaktion startet, lautstark. Bei mir im Garten waren es bisher immer die ersten richtig lauen Frühsommerabende, an denen der Laubfrosch sich um Zweisamkeit bemüht hat. Soweit ganz logisch und vernünftig. Komisch allerdings, warum dieses überdrübergrasgrüne Fröschlein – es gehört ja eher zu den kleinen – nun nicht Grasfrosch heißen darf, sondern Laubfrosch genannt wird. Dabei ist Laub am Boden doch meist braun und nicht knallgrün. Der sogenannte Grasfrosch würde da farblich schon besser dazupassen. Eine Erklärung wäre, dass der Laubfrosch sich gern in Büschen aufhält, also irgendwo im Geäst zwischen Zweigen und Blättern auch in meinem Garten und keineswegs nur am Boden. Mit dieser Eselsbrücke können wir uns wohl vorerst einmal zufriedengeben und gespannt warten, ob uns die Laubfrösche heuer für die Bucklige Welt einen heißen oder gemäßigten Sommer verkünden werden. 29

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Ein schöner Garten mit Aussicht

Thernberg hat Österreichs beliebtestem Habsburger, dem Erzherzog Johann, oft als Rückzugsort gedient. Von diesem Ort aus führt eine kurvige Straße durch einen dichten Wald hinauf ins kleine Dorf Eichberg. Hier eröffnet sich ein fabelhafter Blick auf sanfte Buckel und die Burgruine Thernberg. Malerisch an einem sanft abfallenden Hang links der Straße liegt der Bauernhof der Familie Lechner. Gleich am Eingangstor sticht ein Schild ins Auge. „Friede dem, der kommt, Freude dem, der hier verweilt, Segen dem, der weiterzieht“ steht da in schön geschwungenen Lettern. Am Hof wohnen Hermann, Andrea und ihre Tochter Lena Marie Lechner. Nicht am Türschild stehen die Namen von Hofhund Bruno, Gans Martha und ihrem Freund Pepi, dem Hahn, sowie der von Eselhengst Karl Friedrich. Er wird von einem Zaun daran gehindert, mit den anderen Tieren zur Begrüßung herbeizueilen. Laut hörbar erklingt sein Protest. Die Hofkatzen zeigen sich an den Besuchern natürlich nicht interessiert. Ganz anders die beiden Ziegen, die wir später im Garten

treffen werden. Dreißig Hühner verschiedenster Rassen gackern aufgeregt in ihrem Gehege. „Darunter sind auch steirische Steinpiperl“, erklärt Andrea Lechner. So gibt es Eier in allen Größen und Farben. Auf der Weide grasen zwölf Mutterkühe mit ihren Kälbern, das i-Tüpfelchen in der bäuerlichen Idylle. Es gäbe Tiergeschichten vom Hof zu erzählen, doch sind wir wegen Andrea Lechners Garten gekommen. 2007 kam die geborene Oberösterreicherin nach Eichberg. Damals begann sie mit einem kleinen Gemüsegarten hinter dem Haus. „Es wurde dann von Jahr zu Jahr mehr“, erzählt sie. Heute wächst und gedeiht auf 3.000 Quadratmetern eine Vielfalt an Blumen, Sträuchern, Gemüse, Beeren und Obstbäumen. Die Runde durch ihr Refugium beginnt an einem eingezäunten Gärtchen. In der Mitte steht ein Schatten spendender Nussbaum mit einer Hängematte neben einem Tisch. Blickfang ist eine prächtige Magnolie. „Das ist Lenas Garten“, erklärt

Fotos: Stefan Knittel

NINI T SCHAVOLL

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L ANDWIRTSCHAFT

FRÜHLING / SOMMER 2022

Familie Lechner wirtschaftet nach bäuerlicher Tradition mit Rücksicht auf die Natur. Dazu gedeiht ein großer Garten mit vielen Pflanzen sowie alten und neuen Obstsorten

Bauerngarten (Besuche nur nach Anmeldung) Familie Lechner Eichberg 89, 2832 Thernberg T 02629 430 22 E andrea1925lechner@gmail.com

Fotos: Stefan Knittel

„Ich will möglichst unterschiedliche Pflanzen in meinem Garten. Deswegen habe ich nicht nur Ribisel und Himbeeren, sondern auch die japanische Weinbeere, Aroniasträucher und Mini-Kiwis.“ Andrea Lechner

Andrea Lechner. „Als sie noch klein war, haben wir ihn für sie eingezäunt.“ Weiter geht es Richtung Hochbeete, in denen Gemüsesorten, Salate und Kräuter wachsen. Eine besondere Liebe hegt die Gärtnerin für Hortensien und Rosen. RamblerRosen mag sie ebenso gern wie die Wildsträucher – sie dürfen auch in ihrem Garten stehen. Kornellkirsche und Schlehdorn liefern Früchte für Marmeladen und Liköre, ein Maulbeerbaum und eine Quitte gedeihen prächtig. „Apfel- und Birnenquitten hat man früher wegen des guten Duftes in die Wäschekästen gelegt“, schildert Andrea einen alten Brauch. Von den Apfel- und Birnbäumen auf der Streuobstwiese kommt Obst, das Hermann im Herbst in der hofeigenen Presse mostet. Im kühlen Mostkeller liegen schöne alte Holzfässer, Regale sind mit Eingelegtem und Eingekochtem gefüllt. „Wir erzeugen keine großen Mengen, nur für den Eigenbedarf“, sagt Andrea. Sie konserviert mit Leidenschaft die Früchte des Sommers. „Wir haben viele alte Obstsorten“, sagt Hermann. „Besonders die Strudeläpfel, bei uns ,Haseläpfel‘ genannt, halten bei guter Lagerung über den ganzen Winter.“ Vielfalt ist Andrea wichtig. „Ich will möglichst unterschiedliche Pflanzen in meinem Garten. Deswegen habe ich nicht nur Ribisel und Himbeeren, sondern auch die japanische Weinbeere, Aroniasträucher und Mini-Kiwis.“ Letztere ranken sich mit ihren kleinen, süßen Früchten überall hinauf. Setzlinge für ihre teils alten Gemüsesorten bekommt sie von ihrer Freundin in der Gärtnerei Stadler in Scheiblingkirchen. „Wir wollen auch der wilden Natur ihren Raum lassen“, erklärt Andrea Lechner mit Blick auf eine Naturwiese und hohle Bäume auf dem Grundstück. „Da drinnen nisten Blaumeisen oder Stare. Die Wiese ist für die Insekten.“ Der Garten bedeutet viel Arbeit, sagt Andrea Lechner, dient ihr aber auch zum Ausgleich. Deko-Elemente wie altes Emailgeschirr, Tafeln oder Gießkannen sind eine weitere Leidenschaft von ihr. „So viel Kunst!“, brummt Hermann. Kunst? „Ja, meine Frau sagt gern: Kunnst des no machen und des a noch“, lacht er schelmisch. Ihr Garten ist ein kreativer Ort, an dem beide sich wohlfühlen, genauso Tochter Lena Marie, Besitzerin der Hängematte. Das Gras mäht Hermann mit der Sense. „Wenn du fertig bist, drehst du dich um und denkst: Schön, so a g’mahte Wiesn“, schwärmt der Bauer. Im Einklang mit der Natur zu wirtschaften, war ihm immer schon wichtig. Das ersetzt große Urlaube. Und ein paar Stunden mit Hund Bruno im Wald verschaffen ihm die beste Erholung. Währenddessen verwirklicht sich Andrea im Garten, von dem es im Sprichwort heißt: Wer einen besitzt, hat alles, was er braucht. | 31

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Sich einbringen ist Kultur CORNELIA REHBERGER

Das Hacker Haus in Bad Erlach ist Erinnerungsort des jüdischen Lebens in der Region und Zentrum für Kunst und Kultur. Brigitte Tauchner, künstlerische Leiterin, hat 1.000 Ideen dazu

Das Hacker Haus ist ein Haus der Zeitgeschichte. Brigitte Tauchner sieht hier einen Ort, in dem es aber nicht nur um das Gedenken gehen soll, sondern auch um das Heute und Konzepte für die Zukunft. Seit Anfang dieses Jahres ist sie die künstlerische Leiterin des Kulturzentrums Hacker Haus. Hier befindet sich die Dauerausstellung zum Thema „Das jüdische Leben in der Buckligen Welt“, außerdem gibt es laufend Sonderschauen und Veranstaltungen. Tauchner ist wichtig, dass sich vieles von Kunst- und Kulturschaffenden der Region mit dem, wofür das Hacker Haus steht, verbindet. So auch bei der aktuellen Sonderausstellung: „Mein Kleiderkasten – weibliche Lebensfreude bis ins hohe Alter“ (noch bis Ende August). Die Ausstellung und das gleichnamige Buch basieren auf der Studie „Mode und Identität“ der Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Baum-Breuer, Großnichte des jüdischen Unternehmers Stefan Mautner. Sie widmet sich den Biografien von 25 Frauen zwischen 63 und 103 Jahren.

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Fotos: Stefan Knittel

Brigitte Tauchner ist die neue künstlerische Leiterin des Hacker Hauses in Bad Erlach


K U LT U R

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Kulturzentrum Hacker Haus Hauptstraße 10, 2822 Bad Erlach T 02627 465 30 www.hacker-haus.at

Fotos: Stefan Knittel

Die Ausstellung „Mein Kleiderkasten – weibliche Lebensfreude bis ins hohe Alter“ ist bis Ende August im Hacker Haus zu sehen

Anhand von sieben Stationen werden im Kulturzentrum von Bad Erlach die Lebensgeschichten dieser Frauen präsent. „Es gibt nicht nur Einblicke in das Thema Mode im Laufe der Zeit und Passagen aus den Gesprächen, sondern auch die Möglichkeit, sich interaktiv einzubringen“, verspricht Brigitte Tauchner ein besonderes Museumserlebnis. Sich einbringen ist auch eine der Stärken der neuen Leiterin des Hacker Hauses. Eigentlich hat sie eine Ausbildung zur Tourismuskauffrau absolviert. „Allerdings habe ich niemals in diesem Bereich gearbeitet, sondern bin quer abgebogen auf der Suche nach immer neuen Herausforderungen und zusätzlichen Ausbildungen.“ So ist sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Theaterpädagogin schließlich zum Theater gekommen. Als im Jahr 1993 im Bezirk Wiener Neustadt eine Unterkunft für geflüchtete Menschen attackiert wurde, fand sich eine Gruppe, die gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auftrat und eine Bühne für ein friedvolles Miteinander, für Respekt und Würde schuf.

Brigitte Tauchner war von Anfang an dabei und tourte mit der Theatergruppe „Vagabunt“ durch die Region. 1999 entstand aus dieser Gruppe der Verein SOG Theater. Er entwickelt Theaterkreationen, die Konflikte und Unrecht aufzeigen und neue Perspektiven vermitteln. Seit 2018 ist Brigitte Tauchner Gesamtleiterin des Vereins, der im letzten Jahr im Rahmen der NÖ Kulturpreise den „Sonderpreis für künstlerische und kulturelle Auseinandersetzungen mit der Menschenwürde“ erhielt. Im Hacker Haus sah sie immer schon Anknüpfungspunkte zur Arbeit ihres Vereins. So stellte sie beim Museumsfrühling 2021 mit ihrem Team ein Programm zusammen und trat damit im Hacker Haus vors Publikum. Das Besondere an diesem Kulturzentrum hat sie seither nicht losgelassen: „Ich habe 1.000 Ideen, wie man aktuelle Themen mit dem, wofür das Hacker Haus steht, in Verbindung bringen kann, auf 1.000 verschiedene Arten und unter starker Einbindung der regionalen Kunst- und Kulturszene. Dieses Haus hat eine solche Kraft, alles, was ich seit Jahrzehnten mache, findet hier eine optimale Ergänzung und Verbindung.“ Wie vielfältig ein Museum zu sein vermag, drückt auch das Motto des heurigen Museumsfrühlings am 21. und 22. Mai aus: „The Power of Museum“. | 33

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Aquaplaning im Mund J O S E F K L E I N R AT H

Buschenschank Fingerlos Amselgasse 4, 2821 Frohsdorf T 02627 450 45 www.buschenschank-fingerlos.com Für den knusprigen Schweinsbraten ist die Buschenschank Fingerlos weithin bekannt

Ausg’steckt is’ vom 24. 6. bis 7. 7. 2022, vom 12. 8. bis 25. 8. 2022, vom 21. 10. bis 3. 1 1. 2022 Während der Aussteckzeiten ab 10 Uhr ganztägig geöffnet!

Eigentlich war es eine Tragödie. Franz Handler geriet im Zweiten Weltkrieg in Frankreich in Gefangenschaft und musste für französische Weinbauern arbeiten. Das wurde ihm zur Leidenschaft. Zurück aus dem Krieg, setzte er im Prest in Eichbüchl Weinstöcke aus. Dieses Erbe halten Enkel- und Urenkelkinder mit der Buschenschank Fingerlos in Frohsdorf hoch. Wurde in den 1950er-Jahren noch ein Zimmer im Bauernhaus ausgeräumt, um auf ein paar Tischen einige Gäste bewirten zu können, steht jetzt in Frohsdorf eine authentische Stube zur Verfügung. Samt perfekt gepflegtem Garten, vor allem im Sommer beliebt. Seniorchef Johannes Fingerlos ist „Schankbursche und englischer Gärtner“, beschreibt Sohn Christoph die Vielseitigkeit seines Vaters, der auch die insgesamt dreißig Hektar große Land- und Forstwirtschaft betreut.

Fünfmal im Jahr wird „ausg’steckt“. Ende Jänner, Ende April, Ende Juni, Ende August und Ende Oktober. Dann haben die auf Stroh lebenden und mit dem Futter vom eigenen Betrieb versorgten Schweine genug Fleisch angesetzt. Geschlachtet wird stressfrei am eigenen Hof. Beim Heurigen werden alle Teile des Tieres kredenzt, zubereitet nach Rezepten von Küchenchefin Sabine Fingerlos. „Wir haben viele Einheimische als Gäste, aber auch Wiener Neustädter und Wiener kommen immer häufiger“, freut sich Christoph Fingerlos. Er weiß, was die Gäste schätzen: „Bodenständigkeit und Authentizität.“ Genau das bekommen sie hier. Im lauschigen Garten wie im Lokal gibt es nur große Tische, die Gäste setzen sich zueinander, kommen ins Gespräch und lernen einander kennen. Dazu essen sie traditionelle Gerichte aus der Küche des

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Fotos: Steffan Knittel

„Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens.“ Euripides (480–406 v. Chr.), griechischer Tragödiendichter


KULINARIK

FRÜHLING / SOMMER 2022

So beschreibt die Weinbauerfamilie Fingerlos ihren „Primus“ vom vorigen Jahr. Zum Glück gibt es bei ihnen wieder Heurige, bei denen man Wein und Schmankerl kosten kann

Hauses: Kümmelbraten mit Erdäpfelschmarren, Blunz’n, Presswurst, Grammeln, Surbraten und Schmerstrudl. Dazu natürlich ein gutes Glaserl Wein. Nein, ein paar dürfen es schon sein. Eine Spezialität des Hauses ist „Rosi“, Gegenstück zum Hugo, ein Rosé-Spritzer aus dem Hause Fingerlos mit Grapefruit und Holundersaft. „Wir trinken alle gern einen guten Wein“, bekennt Christoph Fingerlos. Das ist wohl die beste Basis, um guten Wein zu schaffen. Er hat die Weinbauschule absolviert, ebenso sein Bruder Andreas, der Nachzügler. Schwester Christina bringt Know-how von der Tourismusschule Semmering in den Familienbetrieb. Auf zwei Hektar wird Wein angebaut, immer noch im Urweingarten im Prest am Fuße der Rosalia. Christoph Fingerlos schätzt aber auch die Ried Breiteichen: „Der Eichenwald neben den Weinstöcken gibt den Reben die nötige Kühle.“ Vom Primus, er kommt immer beim Oktober-Heurigen auf den Tisch, des Vorjahres schwärmen die Weinbauern mit der französischen Ursprungsgeschichte noch heute: „Aquaplaning im Mund, mit einer schönen Säure.“ Es ist Gelber Muskateller mit MüllerThurgau – nicht überall zu bekommen. Gekeltert werden auch Grüner Veltliner, Zweigelt und Blaufränkisch, daraus entstehen richtig schöne Weine. Was die Weinbaufamilie Fingerlos in Eichbüchl macht, ist keine griechische Tragödie, sondern ein lukullisches Lustspiel in fünf Akten, für den Gaumen und alle Sinne. Frei nach Euripides: Der Reiz des Lebens, in vollen Zügen zu genießen. |

Fotos: Steffan Knittel

„Wir trinken alle gern einen guten Wein.“ Von links nach rechts: Andreas Fingerlos, Katharina Benesch, Christoph Fingerlos, Sabine Fingerlos, Johannes Fingerlos, Christina Fingerlos

Rezept: Kümmelbraten Zutaten 1 Schweinebauch, 2 g Pökelsalz pro kg, schwarzer Pfeffer, 2 Stk. Knoblauch, frische Kräuter nach Belieben (z. B. Thymian, Rosmarin, …), Kümmel ganz Zubereitung Das Pökelsalz, den Pfeffer, Kräuter und den Knoblauch (gepresst) vermengen und den Schweinebauch (am besten kauft man ihn bei einem Ab-Hof-Laden des Vertrauens) in dieser Gewürzmischung gut wälzen, alles gut einmassieren und dann mit kaltem Wasser zugedeckt mindestens 3 Tage im Kühlschrank ziehen lassen. In eine backrohrgeeignete Pfanne einen Suppenlöffel Schmalz und ca. 1/8 l Wasser geben und den Bauch mit der Schwarte nach unten hineingeben und bei ca. 200 Grad ins Backrohr schieben (nicht zudecken!). Einmal sollte man das Wasser komplett verdunsten und das Fleisch ein bisschen anbraten lassen (zwecks schöner Farbe des Saftes), danach immer ein bisschen Wasser aufgießen. Nach einer Stunde den Bauch umdrehen, die Schwarte mit einem scharfen Messer einschneiden und etwas ganzen Kümmel darüberstreuen. Danach immer nur etwas Wasser nachgießen, aber nie über die Schwarte gießen, da sie sonst nicht knusprig wird. Nach einer weiteren Stunde müsste das herrliche Fleisch knusprig und fertig sein. Dazu passen zum Beispiel Sauerkraut und Erdäpfelschmarren.

Erdäpfelschmarren Zutaten ca. 1 kg Erdäpfel mehlig, 2 Zwiebeln, Schmalz Zubereitung Die Erdäpfel mit der Schale weichkochen. Inzwischen die Zwiebeln klein schneiden und in genügend Schmalz braun anrösten. Die fertigen Kartoffeln schälen und blättrig in die gerösteten Zwiebeln schneiden und nach Geschmack salzen. Am besten begleiten Sie den Kümmelbraten mit Erdäpfelschmarren mit einem Glas würzig-frischem Grünem Veltliner. 35

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Ihre 2-K-Regel: Kommen und kaufen!

„Einen Regionalladen zu eröffnen war eine G’schicht’, wo wir beide fanden, das macht Sinn.“ Felix Picher und Harald Vollnhofer sind stolz auf die Region und ihre Produzenten

Foto: Stefan Knittel

NINI T SCHAVOLL

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N A C H H A LT I G K E I T

FRÜHLING / SOMMER 2022

Felix Picher und Harald Vollnhofer machen mit ihrer Bucklgreisslerei in Grimmenstein, was Vorbild für jede Region sein sollte: Sie schaffen lokalen Produzenten Absatz und lokalen Konsumenten sowie Gästen Nahversorgung. Nachhaltiges Wirtschaften, wie es besser nicht sein könnte

Bucklgreissler

Foto: Stefan Knittel

Wechselbundesstraße 46 2840 Grimmenstein T 02644 29 60 12 E team@bucklgreissler.at www.bucklgreissler.at

Grimmenstein ist für die weithin sichtbare gleichnamige Burg am Südosthang des Kulmriegels bekannt. Die massiven Gemäuer wurden einst vom Geschlecht der Grimmensteiner bewohnt. Albero II. von Grimmenstein war u. a. Mundschenk des Babenberger-Herzogs Leopold IV. und kannte sich wohl mit der Versorgung von guten Lebensmitteln aus. Denn das Amt des Mundschenks war eine Vertrauensstellung und ging mit hoher Verantwortung einher. Amt und Herrscher gibt es heute nicht mehr. Doch Gutes wird nach wie vor geschätzt. Umso mehr, wenn es aus der Region kommt. Das erkannten auch Felix Picher (48) und Harald Vollnhofer (36), die schon längere Zeit über der Idee eines Regionalversorgers brüteten. „Einen Regionalladen zu eröffnen war eine G’schicht’, wo wir beide fanden, das macht Sinn“, erinnert sich Felix Picher an die Anfänge des Projekts und erzählt weiter: „Im Oktober 2020, während des zweiten Lockdowns, hatten große Handelsketten teils Lieferschwierigkeiten. Da war man am Land froh, dass man um Milch und Eier zum Bauern gehen konnte.“ In der Region sind viele kleine bäuerliche Betriebe angesiedelt, doch liegen sie verstreut zwischen den Buckeln. „Man ist immer auf das Auto angewiesen, daher wollten wir einen Ort schaffen, an dem alle Produzenten aus einem Umkreis von dreißig Kilometern ihre Waren anbieten können“, sagt Felix Picher. Als in Grimmenstein an der B54 ein Geschäftslokal frei wurde, war die Stunde für einen lokalen Nahversorger gekommen. Die Reginno GmbH, deren Gesellschafter Picher und Vollnhofer zu gleichen Teilen sind, nutzte die Gunst der Stunde, baute den einstigen Friseursalon zu einem geschmackvollen Verkaufsraum um und eröffnete im Juni 2021.

Das Eröffnungsfest musste pandemiebedingt ausfallen. Trotzdem erregte die Greißlerei in der Region rasch beachtliche Aufmerksamkeit. Das mag einerseits an der verkehrstechnisch guten Lage liegen, denn die Bundesstraße 54 nützen neben Einheimischen auch Ausflügler und Wochenendhausbesitzer. Andererseits ist den Betreibern auch der Social-Media-Auftritt der Bucklgreisslerei wichtig – und das trägt Früchte. „Auf unserem Facebook-Kanal werden Neuigkeiten regelmäßig gepostet, unsere Community ist schon auf weit über 1.000 Follower gewachsen“, erzählt Harald Vollnhofer. Felix Picher darf immer wieder für allerhand launige Kurzvideos zur Verfügung stehen, die sein Geschäftspartner aufnimmt und ins Netz stellt. „Wir legen großen Wert auf Kommunikation und produzieren gern lustige und informative Videos mit Pfiff. Das kommt bei unseren Kunden und Kundinnen sehr gut an“, sagt Picher und empfiehlt lachend, auf Facebook dem Kanal @bucklgreissler zu folgen. Auch zu gewinnen gibt es hier immer wieder etwas, was die Kundschaft besonders freut. Das Sortiment im Laden umfasst etwa 800 Artikel, die von rund hundert Lieferanten bereitgestellt werden. Geboten wird, was die Region hergibt. Dazu gehören Käse, Speck, Aufstriche, Brote, Mehlspeisen und viele weitere köstliche Produkte. „Das Bauernbrot kommt bei uns wirklich direkt von den Bäuerinnen“, erklärt Felix Picher. Jeden Tag der Woche bäckt ein anderer bäuerlicher Betrieb. Etwa siebzig Prozent sind Stammkunden, sie kommen daher bevorzugt an den Tagen, an denen sie ihr Lieblingsbrot frisch bekommen. „Und wenn von der Bäckerei Fischböck in Warth zum Geschäftsschluss einmal eine Buchtel liegen bleibt, freue ich mich und verschlinge sie selbst mit Genuss“, lacht Picher. Oft komme das freilich nicht vor. Stellvertretend für ihre zahlreichen engagierten Lieferanten zählen Picher und Vollnhofer einige auf: „Die Familie Igel aus Scheiblingkirchen liefert frische Erd- und andere Beeren. Rindfleisch bekommen wir unter anderem von der Familie Hafenscher in Eichberg. Von Stefan Weninger und Josef Heißenberger beziehen wir saisonales Gemüse. Hochwertigen Honig produziert Thomas Senft in Bromberg. Wer keine Lust zum Kochen hat, greift ins Kühlregal zu einem fertig gekochten Gericht aus 37

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der Küche des Krumbacherhofs. Andreas Ottner bereitet Linsengerichte, Schinkenfleckerl, Gulaschsuppe und mehr zu – ein Traum“, schwärmt Vollnhofer. Von Irene Schrammel aus Bad Erlach stammen die Bio-Nudeln in allen Variationen. Fruchtsäfte produziert die Obstverarbeitung Winkler in Ungerbach. „Sogar den Kaffee beziehen wir aus der Gegend“, zählt Picher weiter auf. Der wächst zwar in Südamerika und nicht in der Buckligen Welt, wird aber in Bad Schönau von Hofmeister Kaffee geröstet und vertrieben. „Wir haben im Geschäft eine kleine Sitzecke, wo man gemütlich auf Kaffee und Kuchen vorbeischauen kann, das wird gern genutzt.“ Reger Austausch und gute Kontakte zu ihrer Kundschaft sind beiden wichtig. Auch soll das Verkaufspersonal die Geschichten zu den Produkten erzählen können, was ein bedeutender Teil ihrer Philosophie ist. „Unsere Anbieter können sich über die komplette Dienstleistung freuen, das geht von Storytelling über Regalbetreuung bis hin zu Marketing und Verkauf.“

Es gibt nicht nur Produkte für das leibliche Wohl in der Bucklgreisslerei. Auch dem lokalen Handwerk wird ausreichend Platz eingeräumt. So liefert etwa Martina Hendling schöne Keramik, Andreas Kneis fertigt mit seinem Label Baumkraft und Lichtermeer speziellen Holzschmuck an. Die Wolle der Königsberger Alpakas der Familie Turner ist Grundlage für fesche Hauben und Schals, warme Schuheinlagen und andere Wollprodukte. Die Upcyclerin NINAlicious verwandelt alte Kleidungsstücke in modische Kreationen und rundet so das Sortiment der Greißlerei mit feinen Einzelstücken ab. Auch an Geschenkideen mangelt es in der Bucklgreisslerei nicht. Das Bucklgreissler-Kistl wird in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Inhalten angeboten, ein Blick auf die Homepage lohnt sich, denn Bestellungen können auch online getätigt werden. Wer sich ob des großen Angebots nicht entscheiden kann, kauft am besten Geschenkgutscheine. Ein Beitrag auf Facebook weist die beiden sympathischen

Fotos: Stefan Knittel

Es gibt nicht nur Produkte für das leibliche Wohl in der Bucklgreisslerei. Auch dem lokalen Handwerk wird ausreichend Platz eingeräumt. So liefert etwa Martina Hendling schöne Keramik

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N A C H H A LT I G K E I T

FRÜHLING / SOMMER 2022

Weltgeschmack ROLAND GRAF

Roland Graf stammt aus der Buckligen Welt und schreibt Gastround Bar-Geschichten für den deutschen Sprachraum. www.trinkprotokoll.at

Durstige Demoskopen Alle Produkte beim Bucklgreissler werden in einem Radius von maximal 30 Kilometern hergestellt

Geschäftsmänner als Verfechter von nachhaltig produzierter Energie aus: Harald Vollnhofer erklärt dort, dass der Strom für die Greißlerei aus hundert Prozent erneuerbarer Energie stammt. Dazu passend rückt Felix Picher auch gleich eine Mehlspeise ins Bild: Die Bäckerei Bernhard aus Bromberg bäckt für die Greisslerei Windräder aus Germteig. Anders als im klassischen Lebensmittelhandel wollen die beiden ermöglichen, ohne Preisdruck faire Preise für gute Produkte zu erzielen und gleichzeitig ein faires Preisniveau für Konsumenten anzubieten. Die Region ist den beiden Machern wichtig, das ist spürbar in ihrer Begeisterung. Daher haben sie noch viel vor, wie sie verraten. Wir sind gespannt und wünschen viel Erfolg. |

Fotos: Stefan Knittel

Andreas Kneis fertigt mit seinem Label Baumkraft und Lichtermeer speziellen Holzschmuck an

Nachdem wir uns hier schon seit Jahren lesen, kann ich Ihnen auch ein Geheimnis anvertrauen: Wann immer ein neuer Gastro-Trend ausgerufen wird (wir GenussJournalisten lieben das nicht, leben aber davon), gehe ich ins Wirtshaus. Besteht die Idee am Stammtisch – eigentlich: „StammSchankstehern“ –, kann was daraus werden. Sonst nicht. Das Argument gegen alkoholfreie Destillate habe ich etwa wörtlich aus der Thernberg: „Wennst nix trinken wü’st, daun trinkst nix.“ Der „Thurl“, Waldarbeiter mit großem Durst, war da recht deutlich. Gin ohne Promille? Erledigt! Letztens beforschte ich die Frage, ob die digitale Speisekarte, die viele Wirte im Lockdown anboten, bleiben soll. Exklusiv können wir vermelden: Nicht in der Buckligen Welt! Servierroboter erübrigen sich auch. Beide scheitern am Extra-Grießnockerl, wenn man dem „Thurl“ trauen darf. Das bekommt er nur von „seiner“ Kellnerin, und das mit ExtraLächeln und dem immergleichen Spruch („De Fichtn tuan ma jetzt scho lad“). Wenn schon Digitales ins Wirtshaus kommt, dann muss es die Gäste erfreuen. Die Wiener Wochenend-Konstante – der Mann heißt für die Schank-Runde „Peter“, solange er anwesend ist, „Mundl“, wenn nicht – zum Beispiel. Der Banker sitzt auch am Samstag am Laptop, während er drei Halbe trinkt und zwölf ausgibt. Er hat nun eine – diskret mit Lärchenholz verkleidete – Steckdose für das „Kastl“ an seinem Lieblingsplatz. Als er diesen Wirten-Liebesbeweis präsentiert bekam, blieb der Rechner zugeklappt. Und der Zapfhahn offen. 39

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Zwei neue Radtouren zu regionalem Genuss CORNELIA REHBERGER

Er liebt seine Küche. Und sein Radl. Andreas Ottner vom Krumbacherhof in Krumbach ist begeisterter Küchenchef und leidenschaftlicher Biker

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RADREISEN

FRÜHLING / SOMMER 2022

Andreas Ottner vom Krumbacherhof bietet eine begleitete Genussrad-Tour, außerdem gibt es zwei neuen Touren. So erfährt man am Rad die Schönheit der Landschaft und die Schmankerl von regionalen Produzenten

Er liebt seine Küche. Und sein Radl. Andreas Ottner vom Krumbacherhof in Krumbach ist begeisterter Küchenchef und leidenschaftlicher Biker. Für seine Gäste hat er als erster zertifizierter Premium-Radgastgeber in der Region ein entsprechendes Angebot geschaffen. Als geschulter Bike-Guide begleitet er bei regionalen Radtouren. Auf Wunsch können (E-)Bikes in seinem Wirtshaus ausgeborgt werden. Er bietet ein ganz besonderes Tour-Package an: unter dem Motto „Genussbiken Specialized“ eine kleine Radreise auf den schönsten Strecken der Region rund um Krumbach samt Einkehr bei regionalen GenussProduzenten. Die Tour beginnt im Krumbacherhof mit einem regionalen Power-Frühstück und einer kleinen E-Bike-Einschulung. Ein erfahrener Bike-Guide lotst die Radler sicher über die Hügel und zu vier bis fünf kulinarischen Zwischenstopps. Hier erfährt man mehr über lokale Produzenten und Produkte, die auch Andreas Ottner für seine regionale Wirtshausküche verwendet. Das Ende der Tour bildet ein viergängiges Überraschungsmenü im Krumbacherhof. Wer hier auch übernachten möchte, lässt den Abend gemütlich im „Hügelzimmer“ ausklingen, um nach einer erholsamen Nacht und einem Bucklige-Welt-Frühstück die Heimreise oder die nächste Tour anzutreten.

Nachdem er Radbegeisterte durch die Region geführt hat, kocht Andreas Ottner auch noch für sie

Die geführten Radtouren von Andreas Ottner sind ebenso wie das „Genussbiken Specialized“ direkt über den Krumbacherhof als zertifizierten Premium-Radgastgeber buchbar: krumbacherhof.at/biken/ mountainbike-region-bucklige-welt/ genussbiken-specialized/

Fotos:Stefan Knittel

Infos und Buchung: www.wieneralpen.at

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Wer Genussradeln durch die Bucklige Welt lieber selbst planen möchte, kann aus zwei neuen Tourenangeboten wählen. Die erste Tour garantiert manchen genussvollen Einkehrschwung sowie bemerkenswerte Ausblicke auf das Land der 1.000 Hügel. Erster Tourstopp ist beim Hochegghof in Bromberg, wo die Familie Eisinger neben einer Schnapsverkostung auch Einblicke in ihren Milchviehbetrieb bietet. Weiter führt die Tour ins landschaftlich besonders reizvolle Reitersberg. Hier zeigt die Familie Igel, wo Erdbeeren, Heidelbeeren und Spargel in der Buckligen Welt besonders gut gedeihen. Den letzten GenussStopp legt man bei Spitzer Agrar in Hollenthon ein. Christbaumkultur und Schafzucht bilden hier die Sehenswürdigkeiten.

Im landschaftlich besonders reizvollen Reitersberg zeigt die Familie Igel, wo Erdbeeren, Heidelbeeren und Spargel in der Buckligen Welt gut gedeihen

Fotos: Stefan Knittel, Alexander Ungersböck

Bei einem Zwischenstopp in Zöbern beim Alpakahof Capella gibt es eine Führung mit den kuscheligen Tieren

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RADREISEN

FRÜHLING / SOMMER 2022

Zum Abschluss der Tour bereitet Andreas Ottner ein feines Essen zu Erdbeeren der Familie Igel in Reitersberg

Auch die zweite Genussradl-Tour führt zu landwirtschaftlichen Betrieben. Der erste Stopp erfolgt in Pichl bei Zöbern beim Gärtnerhof „Bucklkistl“, in dem nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft SOLAWI gearbeitet wird. Welche Vorzüge sie für Produzenten und Konsumenten bringt und was hier bestellt werden kann, erfährt man bei einer Führung durch den Gemüsegarten und einer Verkostung. In Zöbern kann man den Alpakahof Capella bei einer Führung zu den kuscheligen Tieren kennenlernen. Den letzten Zwischenstopp der Tour bildet der Spanblocherhof der Familie Brandstetter. Auf dem Erlebnisbauernhof bekommt man bei einer Führung einen Einblick in die Milch-

produktion, mit einer Verkostung zum Abschluss. Beide Touren können im Büro der Tourismusdestination Wiener Alpen gebucht werden, auf Wunsch auch inklusive Nächtigungspackage bei einem der zertifizierten Radgastgeber der Region: im Hotel Post/Hönigwirt in Kirchschlag, im VitalZeit Hotel Weber in Bad Schönau, im Gasthof Pichler in Petersbaumgarten oder im Grandhotel Niederösterreichischer Hof in Lanzenkirchen. Sie alle haben sich auf die Bedürfnisse der Radfahrenden spezialisiert und nehmen deren Wünsche gern an. Premium-Radgastgeber ist der Krumbacherhof. |

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Musik am Dach einer Welt J O S E F K L E I N R AT H

Am Dach der Buckligen Welt steht eine alte Wehrkirche. In ihrem Obergeschoß trifft man auf Musiker aus aller Welt, die zum Aufspielen hierherkommen

Schon die Fahrt hinauf ist eine Offenbarung, weitet den Blick. Hochneukirchen am Hutwisch, dem Dach der Buckligen Welt, mit seiner mächtigen Wehrkirche im Zentrum ist ein Garant für Musik von Welt. Einst prägte „Mumyhua – Musik und Mystik rund um den Huatwisch“, ein legendäres Musikfestival, die Region und klang weit über ihre Grenzen hinaus. Der Geist dieses Festivals, Musik auf einer höheren Ebene, lebt noch immer. Dies ist einer glücklichen, wenn nicht gar göttlichen Fügung zu verdanken, einer Dreifaltigkeit: dem kleinen, bäuerlich-ländlichen Ort mit einer Gemeindeleitung, die sich offen für die Kunst zeigt und dafür sogar mit ihrem Gemeindesäckel einsteht; dem Pfarrer, der diesen kraftvollen Platz im Obergeschoß der historischen Wehrkirche kostenlos der Kultur zur Verfügung stellt; und dem Hauptschullehrer und Musiker, der mit seiner Leidenschaft und seinen Kontakten in der Welt der Musik Jahr für Jahr einen besonderen Zyklus zur Aufführung bringt. Zur 700-Jahr-Feier Hochneukirchens war der Raum für Kunst und Kultur geöffnet

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Fotos: Stefan Knittel, Nini Tschavoll

„Jedes Konzert ist nach der Pause ganz anders als vorher“, erzählt Figlmüller


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FRÜHLING / SOMMER 2022

Das Programm 2022 Samstag, 11. Juni 2022, 19.30 Uhr Rita Payés Quartet Rita Payes – trb, voc / Elisabeth Roma – git / Horatio Fumero – bass / Juan R. Berbin – dr, perc Freitag, 8. Juli 2022, 19.30 Uhr JBBG small – Gran Riserva H. M. Schaffer – tr, voc / H.V. Kalnein – sax, fl / Karen Asatrian – keyb. / Thomas Wilding – bass / Tom Stabler – drums Freitag, 16. September, 19.30 Uhr Duo Aliada „east-west“ Musik von Grieg, Strawinsky, Lutoslawski, Gershwin, Corea, Skweres Bogdan Laketic – Acc / Michael Knot – sax Tickets: 25 Euro pro Veranstaltung (13 Euro für Jugendliche und Studenten) VVK: 23 Euro (12 Euro für Jugendliche und Studenten) Jahres-Abo: 60 Euro (30 Euro für Jugendliche und Studenten)

Herbert Figlmüller, ein Musiker durch und durch und immer auf der Suche nach neuen, interessanten, überraschenden und vor allem besonderen Interpreten für Konzerte im Wehrobergeschoß

Fotos: Stefan Knittel, Nini Tschavoll

Info und Vorverkauf: Marktgemeinde Hochneukirchen-Gschaidt T 02648 202 06 E marktgemeinde@ hochneukirchen-gschaidt.at

worden, heuer wird er zum 27. Mal bespielt. Der mittlerweile pensionierte Lehrer Herbert Figlmüller spielt Bass-Ukulele, Kontrabass und Gitarre, ein Musiker durch und durch. Immer auf der Suche nach neuen, interessanten, überraschenden und vor allem besonderen Interpreten. Mit dem absoluten Gespür, die richtigen für das Wehrobergeschoß zu finden. Im Internet, auf Festivals, bei Konzerten. Jazz, Klassik (gern Barock) oder World Music. Das Wehrobergeschoß ist ein einzigartiger Klangraum: nackte Steinmauern aus dem 16. Jahrhundert, heute romantisch anmutende Nischen, rohes Gebälk. Die Bühne liegt in der Mitte des Dachbodens, die Besucher sitzen auf verschiedenen Ebenen, den Musikern nah. Das macht etwas mit allen Anwesenden. „Jedes Konzert ist nach der Pause ganz anders als vorher“, erzählt Figlmüller. Und oft vorher schon besonders: So kamen Rebekka Bakken und Wolfgang Muthspiel 2005 hier nach ihrer Trennung noch einmal zu einem gemeinsamen Konzert

zusammen. Midori Seiler gab 2018 nicht nur ein Konzert, sie war eine Erscheinung. Der norwegische Pianist Ketil Bjoernstad ließ seine Improvisationen am eigens ins Wehrobergeschoß getragenen Bösendorfer-Flügel auch dem Klang der Kirchenglocken folgen. Den Abschluss findet jedes Konzert im Wehrobergeschoß bei Brot und Wein, gemeinsam mit den Musikern klingt dann der Abend aus. Heuer tritt hier am 11. Juni Rita Payés, eine junge Spanierin mit unglaublich ausdrucksstarker Stimme, samt ihrem Quartett auf. JBBG small – Gran Riserva aus Graz spielen am 8. Juli im Wehrobergeschoß. „Die kleine Formation der Grazer Bigband ist eine Verdichtung auf das Wesentliche, sogar der Bigband-Sound ist herauszuhören“, verspricht Figlmüller für diesen Abend. Klassisch und international endet der Zyklus: Der polnische Saxophonist Michael Knot und der serbische Akkordeonspieler Bogdan Laketic fanden am Kreuzungspunkt zwischen Ost und West, in der Welt-Musik-Hauptstadt Wien, als Duo Aliada zueinander. „east – west“ ist am 16. September am Dach der Buckligen Welt zu hören. | 45

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Zwei Wege zu innerer Stärke K ARIN WASNER

Bruder Sonne, Schwester Mond. Beide kennt meine fünfjährige Tochter Lisa aus einem Kinderyogalied, sie nennt es „Indianertanz“. Uns begegnen Bruder Sonne und Schwester Mond in der Thermengemeinde Pitten im südlichen Niederösterreich. Mit ihnen beginnt der Schöpfungsweg, das Herzstück des „Franziskuswegs“, eines Franz von Assisi gewidmeten Pilgerwegs. Eine golden leuchtende Sonne inmitten grünrankender Wildnis markiert den Anfang des Schöpfungswegs. Als ich meiner Tochter die erste Strophe des Sonnengesangs von Assisi vorlese, beginnt sie, ihr Lied zu singen. Dabei stemmt sie ihre Beinchen energisch in die gänseblümchenbewachsene Erde und wirft die Arme hoch zur Sonne. Auch in ihrem Lied geht es um die Verbindung zur Natur und die Kraft, die Kinder aus den vielen Wundern unserer Welt schöpfen können. Wenn indische Yogis, indigene Schamanen und Franz von Assisi einander auch so fern sein mögen wie Schwester Mond ihrem Bruder Sonne, eint sie doch ihre Naturverbundenheit und Spiritualität. An den katholischen Heiligen Franziskus erinnere ich mich als denjenigen im Religionsbuch, der mit den Tieren sprechen kann. „Heute würde man sagen, Franz von Assisi war ein Naturschützer.“ Johann Weik, der Obmann des Vereins „Für Unsere Welt“, kennt den Franziskusweg wie kein anderer. Von Pitten wandert man 37,5 Kilometer durch eine abwechslungsreiche Landschaft bis zur Kapuzinerkirche nach Wiener Neustadt und über Schwarzau am Steinfeld wieder zurück. Eine kürzere Strecke führt über 12,3 Kilometer nach Bad Erlach zur Antoniuskirche mit ihrem markanten Rundturm und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Der Schöpfungsweg in Pitten wurde vor zehn Jahren auf Initiative von Zisterzienser-Pater Franz Edlinger in Zusammenarbeit mit dem Verein „Für Unsere Welt“, der Pittener Künstlerin Christine Buchner, Kindern und Jugendlichen aus der Region und vielen helfenden Händen verwirklicht. Vom Fuß des Schlossbergs führt der üppig bewachsene Naturpfad entlang der Desbordesstiege hinauf zu Berg- und Felsenkirche und weiter zum Turmmuseum. Farbenfrohe Blüten leuchten neben bunten Skulpturen, Bildern und Mosaiken. Die Kunstwerke symbolisieren Strophen des Sonnengesangs und Stationen auf Franz von Assisis Lebensweg. „Das Tau trägt der Pilger als Zeichen, dass er in Assisi war,“ erklärt Johann Weik, der selbst schon mehrmals nach Assisi gepilgert ist. Franz von Assisi setzte das Tau als Segenszeichen wie

Farbenfrohe Blüten leuchten neben bunten Skulpturen, Bildern und Mosaiken. Die Kunstwerke symbolisieren Strophen des Sonnengesangs und Stationen auf Assisis Lebensweg. „Das Tau trägt der Pilger als Zeichen, dass er in Assisi war,“ erklärt Johann Weik, der selbst schon mehrmals nach Assisi gepilgert ist

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PILGERN

FRÜHLING / SOMMER 2022

Johann Weik, Obmann des Vereins „Für Unsere Welt“ und begeisterter Pilger, hat den Franziskusweg bei Pitten initiiert, Roman Lechner vier Bücher über seine Heimat und ihre Geheimnisse geschrieben. Auch er lässt sich vom Pilgern inspirieren

Fotos:Stefan Knittel

Auf leicht begehbaren Wegen führt der Rundwanderweg auf Spuren des heiligen Franziskus durch die Bucklige Welt

ein Siegel unter seine Briefe, segnete damit Mensch und Tier, ritzte es in Baumrinden und malte es an Wände – Street-Art im Jahr 1200. In Fonte Colombo, einer Einsiedelei in der Schweiz, kann man bis heute das rote Tau bewundern, das Franziskus selbst in einer Nische im Altarraum gemalt hat. Im Tau im niederösterreichischen Pitten strahlen an sonnigen Tagen alle Elemente des hinter uns liegenden Weges noch einmal in den buntesten Farben: Sonne, Mond, Wind, Wasser, Feuer, Erde. Besonders begeistert zeigt sich meine Tochter vom Mosaik der „Vogelpredigt“, dessen Vorlage in der Basilika San Francesco in Assisi zu bestaunen ist. Den Rest des Weges sammelt sie Steinchen, um sie später zu Storch, Kakadu und Möwe zu kleben. Schließlich stehen wir in der Felsenkirche. „Die Wandmalerei stellt die Geburt Jesu dar“, weiß Johann Weik. Einst feierte Franz von Assisi in den umbrischen Bergen mit seinen Gefährten in einem Stall mit Ochs und Esel. „Auf dieses Ereignis, so berichtet die Legende, geht die Krippe unter unseren Christbäumen zurück.“ 47

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„Wenn ich hier in diese Weite schaue, lasse ich alle Sorgen los und vom Wind wegblasen“ ROMAN LECHNER

Seine Begeisterung fürs Pilgern wollte Johann Weik aus Santiago de Compostela und Rom in seine Heimat tragen. So setzte er sich für die Gestaltung eines Pilgerwegs in Gedenken an den heiligen Franziskus in seiner Heimatregion ein. Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen vier Jahre, in denen er mit Förstern, Pfarren und Gemeinden im Gespräch war. So kann man heute in Gedanken an Franz von Assisi und seine Liebe zur Natur zu spirituell und kulturell interessanten Wegpunkten wandern, die alle mit ihm verbunden sind: zum ehemaligen Franziskanerkloster in Katzelsdorf oder der Kapuzinerkirche in Wr. Neustadt. Der Weg zurück führt über den mystischen Waldfriedhof bei Bad Erlach und den gläsernen Kreuzweg von Linsberg wieder nach Pitten. „Pilgern bedeutet für mich Aufbrechen, Loslassen von alten Gewohnheiten, in Stille die Natur zu genießen.“ Mit Freunden pilgert Johann Weik alljährlich 300 Kilometer und lernt auf seinen Reisen, mit wenig auszukommen und Kleinigkeiten zu schätzen. „Unterwegs zu erfahren, dass man über seine Grenzen gehen und etwas schaffen kann, das man nicht für möglich gehalten hätte, gibt einem Kraft.“

„Wir Einheimischen sagen Kaltenberg“, erklärt Roman Lechner zur Wallfahrtskirche Maria Schnee auf 850 Metern Seehöhe bei Lichtenegg

„Zwölf Gruppen Fußwallfahrer kommen bis heute verteilt übers Jahr zu uns nach Kaltenberg.“ Roman Lechner ist ein Geschichtsbuch auf zwei Beinen Fotos:Stefan Knittel

Kraft aus der Natur schöpft auch Roman Lechner bei seinen Wanderungen durch die Bucklige Welt. Vier Bücher hat er über seine Heimat und ihre kleinen und großen Geheimnisse bereits geschrieben. Mit seiner Frau kümmerte er sich jahrelang um die Markierung der Wanderwege in der Gegend. Er begegnet uns im Park des Genesungs-, Wohn- und Pflegeheims Mater Salvatoris auf einem luftigen Höhenzug zwischen Pitten und Schwarzau am Steinfeld. Längst sind Franz und die Vogerl vergessen, Lisa versucht jetzt auf Zehenspitzen durch ein riesiges Schlüsselloch zu spähen. „Eine Ordensschwester der Salvatorianerinnen hat einst durch ein Schlüsselloch in Maria Maggiore auf eine ganz besondere Schutzmantelmadonna blicken dürfen. Aus Dankbarkeit hat sie das steinerne Schlüsselloch als Andenken errichten lassen.“ Roman Lechner ist ein Geschichtsbuch auf zwei Beinen. Durch die Skulptur blickt man auf die weißen Türme der Wallfahrtskirche Schwarzau am Steinfeld. Die soll Napoleons Schwester Caroline Bonaparte, bekannt als Gräfin Lipona, ein Anagramm von Napoli, über der alten romanischen Kirche gebaut haben. Ganz im Sinne des heutigen Recycling- bzw. Upcycling-Gedankens aus deren alter Bausubstanz. Eine andere seiner Geschichten dreht sich um die Wallfahrtskirche Maria Schnee, die nur von Wallfahrern so genannt wird. „Wir Einheimische sagen Kaltenberg.“ Die pittoreske Kirche thront, umgeben von Schatten spendenden Wäldern 48

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Fotos:Stefan Knittel

PILGERN

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und wogenden Kornfeldern, geradezu kitschig auf der sanften Hügellandschaft. Einst sei eine bäuerliche Wallfahrt nach langer Trockenheit zum „Regenbitten“ unterwegs nach Kaltenberg gewesen. Nach dem steilen Aufstieg wehten beim Heraustreten aus dem Wald am Platz vor der Kirche dem Vorbeter Schneeflocken um die Nase. Daraufhin dichtete er: „Oh Maria, uns versteh‘, wir bitten um Regen und nicht um Schnee.“ Eine andere Geschichte erzählt von Schnee auf einem der sieben Hügel Roms am Tag des Heiligen Oswalds, des früheren Kirchenpatrons. Wieder eine andere von einer ärmlichen Bauerstochter, die in Wien zu Geld kam und die Kirche stiftete, aus Dankbarkeit dafür, beim großen Börsenkrach von 1872 verschont worden zu sein. „Zwölf Gruppen Fußwallfahrer kommen bis heute verteilt übers Jahr zu uns nach Kaltenberg“, erzählt Roman Lechner, der hier jedes Wochenende über die Hügel spaziert. Zusätzlich zu den Busreisenden aus Wien, der Steiermark und dem Bur-

genland. „Und das seit über 1.000 Jahren ganz ohne Spektakel, ohne Andenkenbuden oder Heiligendevotionalien.“ Hier sind die Wallfahrten von tiefer Gläubigkeit geprägt. Im Gedenkbuch kann man die Wünsche der Pilger und Wallfahrer nachlesen. Mit ihrer krakeligen Schrift, die von hohem Alter erzählt, rühren einige davon zu Tränen. Woran auch immer man glaubt, was hier wahrscheinlich selbst den Leibhaftigen ein Kreuzzeichen schlagen lässt, ist die Aussicht. Von der Kaltenberger Höhe schweift der Blick über die Bucklige Welt bis zu Geschriebenstein, Hochwechsel, Rax und Schneeberg, übers Steinfeld und nach Wien. An klaren Tagen sieht man bis nach Ungarn und ins steirische Pöllau. Klein fühlt man sich hier und als Teil eines großen Ganzen. Jetzt wäre eine Yogamatte auszurollen, um ein paar Sonnengrüße zu machen. Roman Lechner kommt hierher, um sich „auszulüften“. „Wenn ich hier in diese Weite schaue, lasse ich alle Sorgen los und sie vom Wind wegblasen.“ | 49

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Der Zauber musikalischer Gemeinschaft WERNER STURMBERGER

Schlosskonzert der Blasmusik Katzelsdorf 14. und 15. Mai 2022 im Hof von Schloss Katzelsdorf. Karten erhältlich unter www.katzelsdorf-tickets.at Info: www.blamuka.at

„Eigentlich hat alles mit dem Besuch eines Konzerts der Blasmusik begonnen. Das ist aber schon eine Ewigkeit her“, erzählt Stefan Thurner. „Da hat ein Musiker, der auch heute noch Teil unseres Vereins ist, ein Solostück auf der Tuba gespielt: die Bayrische Polka. Ich war so fasziniert, dass ich das auch machen wollte. Kurz darauf habe ich angefangen, Tenorhorn zu spielen. Nun bin ich seit bald dreißig Jahren bei der Blasmusik.“ Mittlerweile als Obmann der Blasmusik Katzelsdorf. In dieser Zeit wuchs im Ort die Begeisterung für die Musik stetig. Bei ihrer Gründung im Jahr 1990 zählte die „Jugendblasmusik“ neun Mitglieder. Gegenwärtig sind es 75. „Den Reiz macht die Lust am gemeinsamen Musizieren aus. Es geht um Begeisterung für die Musik im Rahmen einer Gemeinschaft. Das verschwindet auch nicht so schnell wieder.“ Wie auch die Geschichte von Stefan Thurner zeigt, will, wer einmal dabei ist, nicht einfach wieder aufhören. So erklärt sich der enorme Zuwachs der Kapelle. Um dem Umstand Rechnung

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Fotos: Wolfgang Kühtäubl, beigestellt

Bei ihrer Gründung im Jahr 1990 zählte die „Jugendblasmusik“ neun Mitglieder. Gegenwärtig sind es 75. „Den Reiz macht die Lust am gemeinsamen Musizieren aus. Es geht um Begeisterung für die Musik im Rahmen einer Gemeinschaft. Das verschwindet auch nicht so schnell wieder.“ Stefan Thurner, Obmann der Blasmusik Katzelsdorf


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FRÜHLING / SOMMER 2022

Österreichs Blasmusikorchester sind zumeist schon Musikensembles hörenswerter Virtuosen. Und beim Gemeinschaftssinn erfolgreich wie etwa die Blasmusik Katzelsdorf

Fotos: Wolfgang Kühtäubl, beigestellt

Bei der Blasmusik Katzelsdorf sprühen die eigenen Veranstaltungsformate vor Spielfreude, etwa anlässlich der beiden Picknickkonzerte „Paradies der Blicke“

zu tragen, hat man die „Jugend“ aus dem Namen, nicht aber aus der Vereinsphilosophie gestrichen: „Wir pflegen eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Musikschule im Ort. Das funktioniert so gut, dass wir nun zwei Jugendorchester betreiben: Das „Red Eagles“ der Jüngsten und „The Wildcats“ der schon etwas Älteren.“ Das musikalische Niveau vieler Blaskapellen ist mittlerweile enorm hoch, nur ausgezeichnete Musiker können dort bestehen. Sie zeigen sich offen für unterschiedliche Musikrichtungen, was dafür sorgt, dass es für Musikanten wie Publikum immer Neues zu entdecken gibt. Bei der Blasmusik Katzelsdorf sprühen die eigenen Veranstaltungsformate vor Spielfreude und Kreativität: Davon konnten sich selbst unter den schwierigen Bedingungen der letzten beiden Jahre über 1.000 Gäste anlässlich der beiden Picknickkonzerte „Paradies der Blicke“ überzeugen. Eine Wiese oberhalb von Katzelsdorf wurde, mit Picknickdecken belegt, zur Konzertarena

mit dem Panorama der Buckligen Welt als Kulisse und einem Programm zwischen Filmmusik, Operette und Musical. „Die Freude, jetzt endlich wieder auftreten zu können, ist riesengroß. Natürlich macht auch das gemeinsame Proben Spaß, aber noch schöner ist es, unsere Musik mit einem Publikum teilen zu können“, freut sich der Kapellmeister auf eine volle Veranstaltungssaison. Den Auftakt 2022 machte das „Blas-Musik-Kino“ Anfang April. Dafür vertonte man in den Kasematten in Wiener Neustadt den Film „Die Jungen von der Paulstraße“. Mitte Mai folgt das „Schlosskonzert“ – zum ersten Mal im Hof von Schloss Katzelsdorf. |

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Vom Buckl zum Berg von der Buckligen Welt ins Schneebergland radeln

© Nieder österr eich Werbung / Stefan Mayerhofer

W I E N E R A L P E N . AT/ B U C K L - Z U M - B E R G


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