anzeiger 2/23

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Social Media und Bücher

Social Media als neue Vermittlungsinstanz: Momentaufnahme einer Szene in ständigem Wandel

„Ich bin ein emsiger Typ“

In seinen Büchern geht es dem Autor Dietmar Grieser um Menschen, die im Hintergrund stehen, und Schauplätze großer Geschichten

ÖSTERREICHISCHE POST AG FIRMENZEITUNG / GZ 02Z030877 M / 158. JAHRGANG anzeiger
Magazin für die österreichische Buchbranche 2 2023
4
Höllinger
gewinnen! Wien · Bozen | www.folioverlag.com Widerstand, Liebe und Zivilcourage in Venedig 1943
WIR den Mut, das Richtige zu tun?
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Die Insolvenz der MELO, Medienlogistik Pichler-ÖBZ, ist ein schwerer Schlag für die gesamte Buchbranche. Wir gehen in diesem Heft auf Seite 7 darauf ein, bilden die Fakten ab und lassen Betroffene zu Wort kommen. Genauso wichtig wie die Betrachtung der unmittelbaren Folgen dieser Insolvenz ist aber auch der Blick auf die Gesamtsituation. Denn: Die MELO ist für die österreichische Buchbranche systemrelevant!

Viele österreichische Verlage haben im vergangenen Weihnachtsgeschäft, in der Zeit der wichtigsten und größten Umsätze des Jahres, über MELO an den Buchhandel ausgeliefert. Es ist aktuell nicht gesichert, inwieweit ihre Forderungen erfüllt werden können. Das aktuelle Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung, das am 25. 1. 2023 eröffnet wurde, beabsichtigt eine Quote von 20 %, das ist nur ein geringer Teil der offenen Forderungen. Der Hauptverband geht von einer Schadenssumme von 1,5 bis 2 Mio. Euro allein für die österreichischen Publikumsverlage aus, die Schulbuchverlage sind hier noch nicht mitgerechnet. Sehr bekannte Verlage wie Amalthea, Brandstätter, Kremayr & Scheriau und Styria sind mit Verlusten von Hunderttausenden Euro von dieser Insolvenz betroffen, aber auch bei vielen anderen Verleger:innen übersteigt der Schaden einige Zehntausend Euro.

Auch für die MELO selbst, den Eigentümer und alle Mitarbeiter:innen, ist diese Insolvenz eine außergewöhnliche Belastung und wird, unabhängig vom Ausgang der Sanierung, eine schmerzhafte Zäsur darstellen. Die aktuelle Zahlungsunfähigkeit der MELO ist nach den Insolvenzen der Buchauslieferungen Hain im Jahr 2018 und KNV im Jahr 2019 der dritte systemrelevante Ausfall einer Buchgroßhandlung. Es ist ein neuerlicher Wendepunkt für die gesamte Branche in Österreich, denn auch im Buchhandel wird es Auswirkungen geben: Jedes zweite Schulbuch, jedes dritte Sachbuch und jedes vierte Kinder- und Jugendbuch wurde von MELO ausgeliefert.

Wir hoffen, dass die Sanierung der MELO gelingt und dass die finanziellen Auswirkungen dieser Insolvenz durch die vereinten Anstrengungen der Menschen in der österreichischen Buchbranche gemeistert werden können.

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Herausgeber: Hauptverband des Österreichischen Buchhandels/ISSN 0003-6277, Grünangergasse 4, 1010 Wien, T: +43 1/512 15 35, www.buecher.at Geschäftsführung: Gustav Soucek Projektleitung: Julia Stumvoll, DW 29, stumvoll@hvb.at Aboverwaltung : Manon Rieser, DW 12, rieser@hvb.at Medieninhaber, Konzept, Redaktion und Produktion: Falter Verlagsgesellschaft m. b. H. Bereich Corporate Publishing, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, T: +43 1/536 60-0, E: magazine@falter.at, www.falter.at Chefredaktion: Christian Zillner, DW 926, Linn Ritsch, DW 991 Geschäftsführung: Siegmar Schlager Anzeigenleitung: Ramona Metzler, DW 952, metzler@falter.at Die Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter-verlag ständig abrufbar Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH., Druckhausstraße 1, 2540 Bad Vöslau

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„Die MELO ist für die österreichische Buchbranche systemrelevant!“
Gustav Soucek
Gustav Soucek HVB-Geschäftsführer

Aufruhr und Ruhe

Was uns beschäftigt: Insolvenz, Verluste, Unsicherheiten. Zum Glück beschäftigen uns aber auch schöne Kinderbücher

DieInsolvenz der MELO schlägt hohe Wellen: Im gesamten DACHRaum, vor allem aber in Österreich. Das Insolvenzverfahren läuft, gleichzeitig finden Gespräche zwischen betroffenen Verlagen und der MELO statt. Die Lage ändert sich also so gut wie täglich. Auf Seite 7 geben wir Ihnen einen Überblick über den Stand der Dinge und zeigen mögliche längerfristig Auswirkungen auf die österreichische Buchbranche auf.

Medienauslieferung ist überhaupt ein großes Thema in dieser Ausgabe: Iris Blatterer, die Geschäftsführerin der Westermann Gruppe, spricht über Details zur eigenen Auslieferung des Unternehmens (S. 10), und wir porträtieren Rainer Fritthum von Mohr Morawa (S. 27).

Wir haben aber auch einen Kinderund Jugendliteratur-Schwerpunkt, der ebenso viel Aufmerksamkeit verdient. In unserer Titelgeschichte geht es um die Generation Z und ihren Zugang zu Büchern: Den findet sie immer häufiger über Instagram und TikTok. Ganz so fruchtbar, wie es manchmal dargestellt wird, läuft die Zusammenarbeit zwischen Influencer:innen und Buchbranche aber nicht immer (S. 14).

Sehr fruchtbar soll hingegen die Children’s Book Fair in Bologna werden. Auch wenn es jetzt erstmals eine Messe wird, die nicht mehr ausschließlich für Kinder- und Jugendbücher offen ist (S. 18). Auf Seite 20 und 21 stelle ich Ihnen Geschichten vor, in denen es um Märchen, Träume und Musik geht. Das tut uns gerade jetzt allen gut. Ich kann nur hoffen, dass diese Bücher auch weiterhin ausgeliefert werden.

5 GASTLAND ÖSTERREICH

Leipzig 2023: „meaoiswiamia“ JETZT & ALLES. Österreichische Literatur. Die letzten 50 Jahre

6 WISSENSWERT

Österreichischer Staatspreis Preisverleihung an Anna Baar MELO-Insolvenz

Wie es für österreichische Verlage jetzt weitergeht

Westermann Gruppe: Eigene Auslieferung in Österreich

Iris Blatterer im Gespräch

14 ESSENZIELL

Das Buch im Zeitalter der sozialen Medien

18

INTERNATIONAL

Bologna Children’s Book Fair

Eine Messe von großer Bedeutung

19 GEWINNSPIEL

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20 SCHWERPUNKT

Kinder- und Jugendliteratur

26 HVB-PORTRÄTS

Robert Schoisengeier, Antiquariat Burgverlag Rainer Fritthum, Mohr Morawa

28 BESTSELLER

Topseller im Jänner 2023

30 SELBSTREDEND

Dietmar Grieser

14

Über 50 Bücher hat der Journalist und Schriftsteller veröffentlicht. „Geliebte Ukraine“ ist das neuste

36 KLASSIKER

Dylan Thomas

Der Autor des berühmtesten Hörpiels der Welt

37 GASTKOMMENTAR

Denise Quistorp, Leiterin des Österreichischen Kulturforums in Berlin, erzählt vom „Jahr der österreichischen Literatur“

38 TERMINE

Buchveranstaltungen im März

anzeiger / 4 FOTO: NINI TSCHAVOLL
– Inhalt –
Linn Ritsch Chefredakteurin Nach Bookstagram ist BookTok der neue Hype. Wir haben recherchiert, woher der Trend kommt und wie es um #BookTok in Österreich steht

Schuhe zwischen jetzt und allem

„JETZT & ALLES“ heißt die Ausstellung des Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek im Rahmen des Gastlandauftritts. Es geht um Entstehungsgeschichten und die Materialität von Texten

Was haben ein Wanderschuh, eine übermalte Partitur und die Zeichnung eines Raben gemeinsam? Sie alle können die Materialität von Literatur widerspiegeln und den Entstehungsprozess literarischer Texte veranschaulichen. Darum geht es in der Ausstellung „JETZT & ALLES. Österreichische Literatur. Die letzten 50 Jahre“. Sie stellt die wichtigsten österreichischen Autor:innen der letzten Jahrzehnte vor, von Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek bis zu Friederike Mayröcker und Marlene Streeruwitz. Zahlreiche zeitgenössische Autor:innen haben außerdem speziell für die Schau Leihobjekte zur Verfügung gestellt, Texte eingelesen und Videos produziert.

„Im Buch- und Schriftmuseum in Leipzig, wo die Ausstellung zu sehen sein wird, war man von unseren ersten Konzepten gleich sehr angetan“, sagt Bernhard Fetz, der Leiter des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek. Gemeinsam mit seiner Kollegin Kerstin Putz hat er die Ausstellung kuratiert. „Was die Ausstellungsstücke betrifft, können wir aus dem Vollen schöpfen: Wir zeigen nicht nur Manuskripte und Bücher. Unter den Künstler:innen gibt es zum Beispiel viele Doppelbegabungen.“ Zu sehen sind also etwa Zeichnungen von Friederike Mayröcker und Ernst Jandl oder übermalte Partituren von Gert Jonke. Sie zeigen die Intermedialität von Literatur, Musik und bildender Kunst.

Viele der Ausstellungsstücke sind keine Kunstobjekte. Neben verschiedenen Schreibgeräten der Literat:innen kann man etwa den literarischen Spuren einer Weinkiste mit fotografischen Zufallsfunden aus dem Besitz Arno Geigers folgen oder Peter Handkes Wanderschuhe bewundern. Es gehe dabei nicht darum, Texte zu illustrieren, sagt Fetz: „Obwohl diese Wanderschuhe in Handkes Werken vorkommen. Im besten Falle zeigen die Objekte einfach, wie Literatur entsteht und woran sie sich entzündet: Das Gehen und das Notieren im Unterwegssein gehören ganz essenziell zur Poetik Handkes.“

Aber was ist das eigentlich: „österreichische Literatur“? Auch mit dieser Frage beschäftigt sich die Ausstellung. Vielseitig und selbstironisch: Zum Beispiel mit einer polemischen Collage zum Thema Österreich von Marlene Streeruwitz oder Gedichten im Dialekt. „Viele Klischees, mit denen wir selbst distanziert und ironisch umgehen, sind in Deutschland ungebrochen vorhanden“, meint Fetz. Aber klare Zuschreibungen sind im Feld der Literatur selten zielführend. „JETZT & ALLES“ lässt viel Platz für verschiedene Spielarten und Interpretationen.

Die Ausstellung ist vom 26. April 2023 bis 7. Jänner 2024 im Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig zu sehen. www.dnb.de/jetztundalles. Im Residenz Verlag ist ein aufwendig gestalteter Ausstellungskatalog erschienen.

Österreichische Literatur? Österreichische Literatur!

Was ist österreichiche Literatur, was macht die österreichische Buchproduktion aus?

Darauf gibt es nicht eine Antwort, sondern unendlich viele. Einige davon wird der Gastlandauftritt in Leipzig geben

„Die Frage, ob es eine österreichische Literatur gebe, ist schon in die Jahre gekommen und daher verdientermaßen auch schäbig geworden“, schrieb einst Wendelin SchmidtDengler in den „Bruchlinien“. Sie wird in folgender Spielart immer häufiger gestellt, je näher die Leipziger Buchmesse rückt: Was die Literatur und das Verlagswesen Österreichs von anderen Literatur- und Buchlandschaften unterscheide.

Die hochkarätige Schau der Österreichischen Nationalbibliothek in Leipzig wird auf diese Frage viele an-

schauliche Antworten liefern. Auch das restliche Programm des Gastlandes zielt nicht zuletzt darauf ab, die Literatur und Buchproduktion jenseits eines naiven Patriotismus und im Wissen um das Defizitäre jeder national definierten Literatur sichtbar zu machen: in ihrem formalen, sprachlichen und inhaltlichen Reichtum.

Was in jedem Fall deutlich werden wird, mit und in Leipzig, ist: dass die österreichische Literaturszene von gewitzter Experimentierfreude getragen ist und von hohem politischen Bewusstsein, das einer

Vivisektion unserer Zeit ähnelt. Hervorgehoben gehört aber auch die ungeheure Vielfalt, die das Land auf dem Gebiet des Verlegerischen wie Literarischen hervorbringt. Sie ist auch Ausdruck eines politischen Willens: Österreichs Literaturförderung gehört zu den herausragendsten in ganz Europa. Das heißt nicht, dass mit dieser Feststellung eine Indienstnahme der Kunst einhergeht. Die Freiheit und Unabhängigkeit der Kunst wird der Gastlandauftritt mit schrillen wie stillen Tönen feiern.

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– Gastland in Leipzig –FOTO: INGO PERTRAMER
Katja Gasser, künstlerische Leiterin des österreichischen Gastland-Auftritts in Leipzig

Ö1 Buch des Monats

„Die geheimste Erinnerung der Menschen“ ist das Buch des Monats im Februar. Der Kritiker in Le Monde spricht von einem „idealen Roman“. In Frankreich erhielt es den wichtigsten Literaturpreis, den Prix Goncourt. Damit ist Mohamed Mbougar Sarr der erste subsaharische Autor überhaupt, dem dieser Preis zuerkannt wurde, und mit 31 Jahren noch dazu einer der jüngsten Preisträger:innen.

Das Verhältnis von Wirklichkeit, also Oberfläche, und Wahrheit, also den tiefsten Zusammenhängen des Lebens, ist in diesem Roman die alles bestimmende Ebene. Es geht um Literatur, die aus Literatur entsteht, um Original und Kopie, aber auch um kriminelle Machenschaften, um Recht oder Unrecht, um Magie und Vernunft.

„In diesem Roman, der über ein ganzes Jahrhundert und drei Kontinente reicht, findet Mohamed Mbougar Sarr einen sanft schwebenden Ton, dem man sich nicht entziehen kann“, schreibt die Jury. Und was hat es mit der titelgebenden „geheimsten Erinnerung der Menschen“ auf sich? Vielleicht ist es die, die der Roman weckt. Die Erinnerung daran, dass Bücher es vermögen, uns auf die Spur des Mysteriums unserer Existenz zu setzen.

Flaschengeist aus dem Flakon

Am 25. Jänner wurde der Große Österreichische Staatspreis an Anna Baar überreicht. Sie freut sich sehr darüber – auf ihre stille Weise

Die höchste Kulturauszeichnung der Republik zu erhalten, könnte Freudentaumel auslösen, ekstatische Partynächte nach sich ziehen oder ein bisschen selbstherrlich werden lassen. Nicht bei Anna Baar. Stille spielt in ihren Werken eine wichtige Rolle. Still ist auch die Freude: „Ich schätze mich sehr glücklich. Aber es ist nicht so, wie sich das jene vorstellen, die mir dazu raten, den Zustand zu genießen und ‚ordentlich‘ zu feiern. Es ist eine ruhige Freude über die Würdigung. Ich will auf dem Boden bleiben und weitermachen. Wer taumelt, fällt schnell zurück in einen traumlosen Zustand.“

Anna Baar, 1973 in Zagreb im damaligen Jugoslawien geboren, wuchs zweisprachig in Wien und Klagenfurt auf. Sie schrieb bereits als Studentin literarische Texte – und verbrannte alle. „Die Schriftstellerei als Beruf – dass sie keiner ist, habe ich spät begriffen – kam ja nicht in Frage. Sie war in der Heimlichkeit zu einer Art Laster geworden. Das Tun war schon das Versagen, ganz egal, wie es ausging.“

Farbe des Granatapfels“ beim IngeborgBachmann-Preis, 2017 erhielt sie für ihren zweiten Roman „Als ob sie träumend gingen“ den Theodor-Körner-Preis. Der Roman „Nil“ wurde 2021 für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Zuletzt erschien der Erzählband „Divân mit Schonbezug“.

Mit der Verleihung des Staatspreises wird die Autorin in die Reihen der „Großen“ der österreichischen Kunstgeschichte aufgenommen. Unter den bisherigen Preisträger:innen sind Friedensreich Hundertwasser, Maria Lassnig, Ingeborg Bachmann, Friederike Mayröcker und Ernst Jandl. Entsprechend wurde ihr Werk bei der Preisverleihung gewürdigt: „Anna Baar ist eine Autorin, die uns mit den Zumutungen der Wahrheit konfrontiert, und die es versteht, denen, die nicht gehört werden, eine Stimme zu geben“, sagte Staatssekretärin Andrea Mayer in ihrer Laudatio. Sie sei eine unverwechselbare Stimme auf der Bühne der Gegenwartsliteratur.

Mohamed Mbougar Sarr:

„Die geheimste Erinnerung der Menschen“. Roman. Aus dem Französischen von Holger Fock, Sabine Müller. Hanser Verlag, 448 Seiten

Das Ö1 Buch des Monats ist eine Kooperation des HVB mit Ö1, die exklusiv in den Mitgliedsbuchhandlungen beworben werden kann.

Rückblickend tut es ihr leid um die Manuskripte. Aber es war auch richtig, sie nicht preiszugeben: „Ich hätte als ängstlicher junger Mensch in diesem Zirkus nicht mitspielen können. Heute nimmt die Angst zu meinen Füßen Platz, wenn ich sie darum bitte. Nicht immer, aber meistens.“

Inzwischen gehört Anna Baar zu den bekannten Stimmen der österreichischen Literaturszene. 2015 las sie Auszüge aus ihrem später veröffentlichten Debütroman „Die

Wie schätzt die Preisträgerin selbst ihr Werk ein? Sie tue nur ihre Arbeit, erklärt sie. Die Einschätzung bleibe den Lesern vorbehalten. Sie selbst messe ihre Arbeit jedenfalls nicht an Umfang, Umsatz oder Plots, höchstens an der Wirkung: „Flaschengeister wohnen ja nicht nur in großen Flaschen, ein Flakon kann reichen. Es kommt auf die Substanz an, ob sie gleich verduften, sobald man sie herauslässt, oder ein bisschen wüten, die Leute aufwühlen, trösten, meinetwegen auch ärgern oder zu Tode langweilen. Solange sie streitbar sind, sind die Bücher richtig.“

anzeiger / 6 – Wissenswert –
FOTO: ORF/URSULA HUMMEL-BERGER, BMKÖS/HBF/DANIEL TRIPPOLT
Die Preisträgerin Anna Baar (rechts) mit der Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer

Ein Schlag für die gesamte Branche

Die Insolvenz der Medienlogistik Pichler-ÖBZ trifft in erster Linie die Verlagskunden des Auslieferungsunternehmens. Die Folgen sind aber in der ganzen Buchbranche zu spüren. Eine Bestandsaufnahme

Am 25. Jänner 2023 wurde die Insolvenz des zweitgrößten österreichischen Buchlogistik-Unternehmens öffentlich. MELO-Geschäftsführer Franz Lintner gab bekannt, dass ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eingeleitet wird. Dass die Folgen für die Buchbranche weitreichend sind, war sofort klar, wie weit genau sie reichen werden, bleibt abzuwarten.

Zur aktuellen Vermögenslage: Die Passiva belaufen sich auf rund 12,3 Millionen Euro, die Aktiva (der mögliche Liquidationserlös) auf ca. 2,9 Millionen Euro. Betroffen sind 80 Gläubiger. Darunter einige der größten österreichischen Publikumsverlage: Amalthea, Brandstätter, Kremayr & Scheriau und Styria.

Erste Hinweise auf Schwierigkeiten bei der MELO gab es laut Styria-Geschäftsführer Matthias Opis bereits vor etwa einem halben Jahr: „Aufgrund der Personalsituation haben sich bei der MELO im Sommer schon Probleme ergeben.“ Das Schulbuchgeschäft geriet ins Stocken, die Bestellungen für die Publikumsverlage wurden nachgereiht.

Bis Winter 2022 schien sich die Lage gebessert zu haben, die Ankündigung des Sanierungsverfahrens kam für die Verlage überraschend. „Kommen gesehen haben wir das nicht“, sagt Nikolaus Brandstätter, Geschäftsführer des Brandstätter Verlags. „Es hat uns wie ein Blitz getroffen.“

Ein Blitz mit großer Nachwirkung: Bei den Styria Buchverlagen spricht man von Umsatzverlusten im sechsstelligen Bereich, bei Brandstätter sogar von einer hohen sechsstelligen Zahl. Die Verluste für die Verlage entstehen zum einen aus den verlorenen Umsätzen von Oktober bis Dezember –Monate, die wegen des Weihnachtsgeschäfts traditionell die umsatzstärksten sind. Hinzu kommt, dass seit Eröffnung des Sanierungsverfahrens etliche Verlage nicht weiter über die MELO ausgeliefert haben, das finanzielle Risiko war ihnen zu hoch. Eine sich kurzfristig bietende Alternative war in diesem Zeitraum die Auslieferung über große Zwischenhändler in Deutschland, zu deutlich höheren P reisen. Ein Weg, den etwa der Amalthea Verlag ging.

Nach intensiven Gesprächen zwischen der Melo und den betroffenen Verlagen wurde am 9. Februar schließlich der Lieferstopp

beendet; es wird wieder über die MELO ausgeliefert.

Ob man auch langfristig weiter mit der MELO zusammenarbeitet, wurde in vielen Verlagen noch nicht entschieden. Wichtige Details des Sanierungsverfahrens sind noch ungeklärt oder liegen den Verleger:innen nicht vor. Sicher ist aber, dass die finanziellen Einbußen deutlich zu spüren sein werden. „Man kann davon ausgehen, dass es bei allen größeren Verlagen ein drastisches Einsparungsprogramm geben wird“, erklärt Brandstätter.

Die Verluste und die Instabilität, die sich aus der aktuellen Situation ergeben, sind auch in ihrer politischen Dimension von Bedeutung. „Die Lage für die gesamte österreichische Buchbranche ist dramatisch“, so Brandstätter. Ein wichtiger Grund: Wenn Verlage nicht mehr in der Lage sind, hohe Vorschüsse für erfolgreiche Autor:innen zu zahlen, droht eine Abwanderung zu großen Konzernverlagen in Deutschland.

Besonders im Sachbuchbereich könnte das spürbar werden: „Es gibt zahlreiche Sachbuchautor:innen, die man in Deutschland mit Handkuss nehmen würde“, sagt Brandstätter. Für Österreich als Verlagsstandort könnten die aktuellen Schwierigkeiten folgenschwere Auswirkungen haben, die in weiterer Folge auch für alle anderen Branchenteilnehmer:innen spürbar wären.

Der Buchhandel war bereits stark betroffen: Die Anzahl der Buchverkäufe ging zurück, nachdem zahlreiche Titel kurz nach der Ankündigung des Insolvenzverfahrens nicht weiter ausgeliefert werden konnten. Außerdem konnten nicht verkaufte Titel nicht wie üblich an die Verlage zurückgeschickt werden.

Positiv zu sehen, das wird von vielen Verleger:innen betont, seien die konstruktiven Gespräche zwischen den einzelnen Verlagen und die Einigkeit der gesamten Buchbranche. „Ich empfinde den Austausch unter Kolleg:innen zu diesem Thema als sehr hilfreich“, sagt JungbrunnenGeschäftsführerin Anna Stacher-Gfall. Zusammenhalt in der Branche sei jetzt wichtiger denn je, betont auch Opis: „Diese akute Krisensituation zeigt wie unter einem Brennglas, was ich grundsätzlich sehe: Die Zeit für Einzellösungen ist vorbei. Es gibt heute so vielfältige Herausforderungen, die man als einzelner Verlag nicht mehr lösen kann. Das geht nur über Kooperationen.“

Was jetzt nötig ist, sind neben gegenseitiger Unterstützung auch finanzielle Hilfen seitens der Politik und Durchhaltevermögen. Letzteres zeigt sich in Gesprächen mit Verleger:innen deutlich. „Wir werden diese Krise bewältigen und weiter mit Leidenschaft und Mut zum Risiko Bücher machen“, so Matthias Opis. „Das sage ich mit voller Überzeugung.“

anzeiger / 7 – Wissenswert –
FOTO: I-STOCK
Text: Linn Ritsch
„Es gibt heute vielfältige Herausforderungen, die nur über Kooperationen gelöst werden können“
Matthias Opis, Geschäftsführer der Styria Buchverlage

Ehrung für Maximilian Droschl

AmDienstag, 7. Februar 2023, wurde Verleger Maximilian Droschl in Graz mit der Verdienstmedaille des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels (HVB) ausgezeichnet. Die Verdienstmedaille ist die höchste Ehrung, die der HVB vergibt, als Würdigung für vielfache herausragende und gemeinnützige Leistungen für die österreichische Buchbranche. Die Ehrung nahm Benedikt Föger, P räsident des Hauptverbandes, in den Räumlichkeiten des Literaturverlags Droschl im Beisein von Weggefährten und Familie vor.

Maximilian Droschl, der vor Kurzem seinen 85. Geburtstag feierte, gründete 1978 den gleichnamigen Literaturverlag. Der Verlag, dessen Programm sich zunächst aus dem Umfeld des Forum Stadtpark rund um Autoren wie Gerhard

Roth, Reinhard P. Gruber, Klaus Hoffer und Wolfgang Bauer entwickelte, wurde bald zu einer im gesamten deutschen Sprachraum beachteten Adresse, ohne seinen Charakter einzubüßen. 2003 übergab Maximilian Droschl die Leitung des Verlags an seine Tochter Annette Knoch.

In seiner Laudatio ging Alexander Potyka, Vorsitzender des Österreichischen Verlegerverbands, auf die Persönlichkeit Droschls ein, er strich ganz dessen uneitle und unbeirrbare Haltung und sein großes Engagement gegenüber Autorinnen und Autoren und für die österreichische Literatur heraus.

Brückenbauer in Kairo

Der ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary erhielt am 18. Jänner das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich. Die Preisübergabe fand in der Österreichischen Botschaft in Kairo statt. In seiner Dankesrede sagte er, dass die Verleihung an ihn auch die Anerkennung sei, dass Migrationshintergrund und der Dienst an der Republik Österreich kein unvereinbarer Gegensatz seien.

Er sieht sich als Brückenbauer: „Eigentlich ist das Brückenbauen gar nicht so schwer. Man gibt den anderen Namen und Gesichter. Man erzählt ihre Geschichten oder, noch besser, redet mit ihnen und nicht über sie oder, am allerbesten, lässt sie selbst ihre eigenen Geschichten erzählen.“

Für seine journalistische Tätigkeit wurde El-Gawhary bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem ConcordiaPresse-Preis. Er ist außerdem Autor zahlreicher Bücher, die alle Bestseller waren. Zuletzt ist „Repression und Rebellion. Arabische Revolution – was nun?“ bei Kremayr und Scheriau erschienen.

Vorlesen für Nichtleser:innen

Lesen ist wunderbar, bereichernd und wichtig. Das wissen alle, die sich in der Literaturund Buchbranche bewegen und sich täglich mit guten (und manchmal schlechten) Texten befassen. Was aber nicht vergessen werden darf: Viele Menschen in Österreich können nicht oder nur unzureichend lesen, darunter auch viele Arbeitskräfte. Das bedeutet für die österreichische Volkswirtschaft einen Verlust von jährlich Millionen Euro.

Der Österreichische Vorlesetag, eine bundesweite Initiative, soll deshalb die Lesekompetenz stärken und dem Analphabetis-

mus entgegenwirken. Er findet am 23. März 2023 zum sechsten Mal statt und wird vom echo medienhaus organisiert.

Alle Österreicher:innen sind an diesem Tag dazu aufgerufen, als gutes Beispiel voranzugehen und anderen Menschen vorzulesen: egal wo, egal wann, egal was. Vorlesende sollten ihre Vorleseabsicht vorab online anmelden, um ein Gratis-Vorlesebuch zugeschickt zu bekommen. Es besteht aus kurzen Geschichten für alle Altersstufen und kann (auch) als Anregung dienen.

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.vorlesetag.eu

anzeiger / 8 – Wissenswert –
Maximilian Droschl (rechts) und HVB-Präsident Benedikt Föger mit der Ehrenurkunde
FOTOS: LOLA KNOCH, MANFRED WEIS
Karim El-Gawhary arbeitet als Korrespondent in Kairo

Der hundertjährige Jungbrunnen

Der Verlag Jungbrunnen feiert heuer seinen hundertsten Geburtstag. Zeit zum Feiern, sagt Verlagsleiterin Anna Stacher-Gfall – mit Büchern und Buchfesten

Frau Stacher-Gfall, Jungbrunnen gibt es seit hundert Jahren: erfolgreich und vielfach preisgekrönt. Was macht den Verlag aus?

Anna Stacher-Gfall – Wichtig ist, dass wir immer noch keinem Konzern gehören und seit hundert Jahren denselben Eigentümer haben. Das ist in der heutigen Zeit etwas Besonderes. Unserem Verlag geht es auch deshalb gut, weil wir einen hohen Qualitätsanspruch haben, bei den Texten und bei den Illustrationen. Wir trauen Kindern außerdem viel zu: Schon mit unseren Bilderbüchern erzählen wir Geschichten, die nicht nur unterhalten, sondern einen Mehrwert haben. Bei den Jugendbüchern geht es erst recht um zeitgeschichtliche Themen, die den Horizont erweitern, Lösungsansätze bieten, zum Nachdenken anregen. Dafür sind wir seit Generationen bekannt.

Was bedeuteten Coronapandemie, Energiekrise und die hohen Rohstoffpreise für Sie?

St acher-Gfall – Die Pandemie war gar nicht das Schlimmste. Die geschlossenen Buchhandlungen waren natürlich eine Herausforderung, aber die Buchhändler:innen waren sehr engagiert und haben viele Ideen entwickelt. Auch als Team haben wir zusammengehalten. Jede Krise ist ja auch eine Chance. Das mag abgedroschen klingen, aber es war tatsächlich so. Uns ist zugutegekommen, dass Eltern gerade in dieser Zeit für ihre Kinder hochwertige Bücher kaufen wollten. Wir haben viele Titel zum Thema Resilienz, psychische und physische

Anna Stacher-Gfall leitet den Verlag Jungbrunnen seit 2022

Gesundheit. Jetzt, da wirtschaftliche Ängste dazukommen, ist das schwieriger. Die Inflation und hohen Kosten machen uns Sorgen, aber man passt sich an, so gut es geht.

Engagement für sozial Schwächere zieht sich wie ein roter Faden durch die Verlagsgeschichte. Was bedeutet das heute? Stacher-Gfall – Der Verlag wurde 1923 von den Österreichischen Kinderfreunden gegründet, um Kindern zu Weihnachten und zum Geburtstag ein Buch schenken zu können. Im ersten Jahr waren das gleich 100.000 Bücher für Kinder, die sonst kaum Zugang zu Literatur hatten. Solche Aktionen gibt es auch jetzt noch:

Letztes Jahr etwa haben wir in Zusammenarbeit mit den Kinderfreunden eine ukr ainische Über setzung von unserem „Kleinen Ich bin ich“ fertiggestellt. Das Buch hat letztes Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Wir konnten bereits im Mai eine ukrainisch-deutsche Ausgabe auf den Markt bringen, und die Kinderfreunde haben Tausende Exemplare an ukrainische Flüchtlingskinder in Österreich verschenkt.

Worauf sind Sie als Verlagsleiterin besonders stolz?

St acher-Gfall – Mehr als stolz bin ich ehrfürchtig. Ich bin mit dem Verlag aufgewachsen, Jungbrunnen-Bücher haben mich in meiner Wertehaltung geprägt. Dass ich den Verlag im hundertsten Jubiläumsjahr leiten darf, ist schon ehrfurchtgebietend. Es macht auch wahnsinnig viel Freude. Es freut mich besonders, dass wir im Jubiläumsjahr vier tolle Neuerscheinungen haben.

Was ist für das Jubiläumsjahr geplant? Stacher-Gfall – Es gibt für Buchhändler:innen einen Wettbewerb für schön gestaltete Schaufenster mit unseren Büchern. Wir haben dafür verschiedene Buchpakete mit vielen bunten Werbemitteln geschnürt, und man kann ein Genusspaket von Jungbrunnen gewinnen. Gemeinsam mit den Kinderfreunden sind viele Aktivitäten für Kinder geplant. Und natürlich werden wir ein großes Fest machen. Es lohnt sich, regelmäßig unsere Ankündigungen in Social Media zu lesen!

Ingo und Drago

ISBN:

978-3-7026-5976-9

Monstergeburtstag

ISBN: 978-3-7026-5974-5

ISBN: 978-3-7026-5977-6

ISBN: 978-3-7026-5975-2

anzeiger / 9 – Wissenswert –
Jungbrunnen Neuerscheinungen im Jubiläumsjahr Einfach mehr Luft
Kunst! Forschen
FOTO: IMMANUEL GFALL

Eigene Auslieferung bei Westermann

Ab 1. April wird die Westermann Gruppe ihre Lehr- und Lernmedien selbst ausliefern. Die Vorbereitungen dafür laufen gut, sagt Geschäftsführerin Iris Blatterer

Der heimische Buchmarkt ist in Aufruhr, viele Fragen zur Auslieferung in Österreich sind derzeit ungeklärt. Klar und unverändert sind allerdings die Pläne für eine eigene Auslieferung der Westermann Gruppe.

Frau Blatterer, Ihre Entscheidung für eine eigene Auslieferung ist auch aufgrund von entsprechenden Wünschen aus dem Handel gefallen. Welche waren das?

Iris Blatterer – Der Buchhandel wünscht sich eine verlässliche Abwicklung seiner Bestellungen. Damit wir das so gut wie möglich gewährleisten können, haben wir uns entschieden, die Ansprechpersonen für den Buchhandel und Auftragsbearbeitung zu uns in den Verlag zu holen. Damit können wir selbst die Aufträge bearbeiten und steuern.

Was wird sich für Buchhändler:innen konkret ändern?

Blatterer – Indem wir künftig selbst Ansprechpartner für den Buchhandel sind, lernen wir seine Bedürfnisse besser kennen und können besser auf seine Wünsche eingehen. Um reibungslose Abläufe zu gewährleisten, haben wir außerdem einen

hoch professionellen Logistiker als Partner an Bord geholt. Die Vorteile sind also mehr Kundennähe im Service und bestmögliche Professionalität in der Abwicklung.

Welche Veränderungen sind dafür nötig? Blatterer – Wir haben unseren Kund:innenservice erheblich aufgestockt.

Ausschreibung zum Leo-Perutz-Preis

Wien, so sagt man, hat ein besonderes Verhältnis zum Tod: Um ihn werden viele Worte gemacht, oft mit Witz, manchmal mit lyrischer Qualität. Davon zeugen Gstanzln (allen voran Georg Kreislers „Der Tod, das muss ein Wiener sein“) und natürlich auch die Literatur: Daher vergeben der HVB und die Stadt Wien Kultur heuer zum vierzehnten Mal den Leo-Perutz-Preis für Wiener Kriminalliteratur.

Ausgezeichnet werden Kriminalromane, deren Qualität und literarischer Anspruch an den namensgebenden Literaten erinnern und einen Wien-Bezug haben. Der Preis wird mit freundlicher Unterstützung der

Das Team besteht aus erfahrenen und hoch motivierten Kolleg:innen. Sie kommen aus dem Buchhandel oder der Auslieferung, sind verlagserfahren bzw. aus dem Kundenservice. Natürlich ist die Umstellung auch eine große Umstellung der Abläufe und Anforderungen an die IT. Wir sind auch hier ein größeres Team aus etlichen Abteilungen von Westermann. IT-Dienstleister mit Branchenerfahrung sind ebenfalls eng eingebunden.

Wird alles wie ursprünglich geplant verlaufen, oder werden Sie manche Umstellungen vorziehen oder nach hinten verschieben? Blatterer – Es erreichen uns derzeit etliche Anfragen, ob wir nicht jetzt schon mit der eigenen Auslieferung beginnen können, wiewohl wir bereits ein kleines Sortiment direkt ausliefern. Wir ersuchen die Buchhändler:innen zu berücksichtigen, dass sie ihre Bestellungen erst ab der zweiten Märzhälfte direkt bei uns platzieren können. Ab diesem Zeitpunkt stehen wir direkt mit den Buchhändler:innen, unseren unmittelbaren Kund:innen, in Kontakt. Wir haben einen Vertrag mit der Medienlogistik, den beide Seiten erfüllen wollen und müssen.

Bestattung Himmelblau vergeben. Die Stadt Wien Kultur stiftet dabei das Preisgeld in der Höhe von 5.000 Euro.

Die Einreichfrist endet am 31. März. Die Preisverleihung findet am 10. 10. im Rahmen der „Kriminacht im Wiener Kaffeehaus“ in Wien statt.

Details zur Ausschreibung finden Sie unter: www.buecher.at/ leo-perutz-preis/

anzeiger / 10 – Wissenswert –
FOTOS: FOTOGRAFIE FETZ, HVB
Iris Blatterer, Geschäftsführerin der Westermann Gruppe HVB-Geschäftsführer Gustav Soucek (links) und Georg Haas, Geschäftsführer der Bestattung Himmelblau

AB DEM 23. FEBRUAR AUCH IN IHRER BUCHHANDLUNG!

Zwei Menschen verschwinden unter einer Lawine, von einem fehlt jede Spur. Auch Xaver macht sich auf die Suche, auf eigene Faust. Doch wem will er sich beweisen? Mit stiller Wucht erzählt dieses Buch von der Suche nach dem richtigen Platz in der Gesellschaft, der richtigen Rolle, dem richtigen Abstand zu den Menschen und zur eigenen Vergangenheit. Und nicht zuletzt von der Sehnsucht nach Versöhnung und Erlösung.

Robert Prosser

VERSCHWINDEN IN LAWINEN

€ 22,– | 192 S. | 978-3-99027-273-2

Wien 1945: Drei Frauen wagen einen Neuanfang, inmitten von Trümmern und ohne Männer. Das einfühlsame Porträt einer lebenslangen Freundschaft, eine Geschichte über Solidarität und Zusammenhalt, ein Plädoyer für das Beharren auf weibliche Selbstbestimmung!

€ 24,– | 448 S. | 978-3-99027-274-9

Gerne wäre Johann Trost nützlicher, für die anderen wie für sich. Früher hat ihm dabei sein Beruf geholfen. Und jetzt? Wie wird er vom Piloten zum Passagier seines Lebens? Und was kann ihn vor dem Absturz ins Bodenlose retten? Tine Melzer erzählt in ihrem Debütroman mit hinreißender Komik von einem Menschen, der uns in seiner zuverlässigen Durchschnittlichkeit sofort ans Herz wächst.

Tine Melzer

ALPHA BRAVO CHARLIE

€ 21,– ı 128 S. I 978-3-99027-275-6

BEREITS ERSCHIENEN

Wo wenig Regen fällt, 1903 erschienen, ist ein Klassiker des Nature Writing, eine Liebeserklärung an eine vermeintlich öde Landschaft, engagiert, eigensinnig, voller Witz und Empathie, geschrieben von einer Frau, die zu den frühen Umweltaktivistinnen und Frauenrechtlerinnen Amerikas zählt. The Land of Little Rain – hier erstmals auf Deutsch.

WO

€ 24,– | 224 S. | 978-3-99027-277-0

Gudrun Seidenauer LIBELLEN IM WINTER Mary Hunter Austin WENIG REGEN FÄLLT

Mediakolleg: InDesign, Lektorat und Social Media

Die Seminare des mediakolleg im Frühjahr und Sommer

■ Crashkurs Lektorat (Ort: mediacampus frankfurt und online)

■ Adobe InDesign. Grundlagen (Onlineseminar)

2. 3.—16. 3. 2023, 18:30–20:30 Uhr

In dieser Webinarreihe werden Ihnen an drei Abenden die Grundlagen und die Arbeitsumgebung des Programms gezeigt. Sie lernen Funktionen und Werkzeuge des Programms kennen und wissen, wie Sie Ihre Inhalte setzen und für den Druck vorbereiten.

Kosten:

€ 270 für HVB-Mitglieder, € 300 für Nichtmitglieder

29. 3.—30. 3. 2023, 10:00–17:00 Uhr Texte entdecken, Manuskripte redigieren, mit Autor:innen zusammenarbeiten, abteilungsübergreifend planen und agieren: Das Lektorat ist die zentrale Abteilung im Verlag und für viele der Traumarbeitsplatz. Doch wie sieht die tägliche Arbeit aus und worauf kommt es im Lektorat an? In diesem Seminar erhalten Sie einen Überblick und erfahren, was gute Lektor:innen mitbringen sollten.

Kosten:

€ 470 für HVB-Mitglieder, € 500 für Nichtmitglieder (zzgl. 20 % Ust.)

■ Social-Media-Crashkurs für die Buchbranche (Ort: HVB Wien)

17. 5. 2023, 10:00–17:00 Uhr Die Digitalisierung schreitet voran, wodurch sich das alltägliche Leben mehr und mehr in den virtuellen Raum verlagert. Auch aus

Titelschutzmeldungen

Mit einer Titelschutzmeldung im anzeiger ist Ihr Buchtitel für sechs Monate bis zum Erscheinungsdatum geschützt. Ihre Titelschutzmeldung ist mit Ihrer Nennung nach kurzer Überprüfung über www.buecher.at abrufbar und erscheint in der darauffolgenden Ausgabe des anzeigers. Titel melden können Sie auf www.buecher.at/titelschutz oder per E-Mail an Isabel Huber unter huber@hvb.at

Die gleichzeitige Schaltung von mehreren Titelschutzmeldungen ist besonders günstig: Bis zu drei Titel pro Ausgabe gibt es exklusiv für HVB-Mitglieder* um nur € 80,–/sechs Titel € 110,– und bis zu zwölf Titel um nur € 210,–.

Isabel Huber berät Sie gern unter huber@hvb.at Tel. 01/512 15 35 DW 14.

(*Nichtmitglieder zahlen das Doppelte, alle Preise zzgl. 5 % Werbeabgabe und 20 % MwSt.)

Bezahlte Anzeigen. Der Verlag übernimmt keine Haftung dafür, dass die Titel bereits geschützt sind oder durch die Inserate Rechte Dritter verletzt werden.

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: Em und wie sie den schönsten Ort fand in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.

Tanja Knabl Copacabana, 8401 Kalsdorf bei Graz, Österreich

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für die zwei Einzeltitel: Tierisches Wien Wien der Tiere in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.

Falter Verlag

Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, Österreich

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für drei Einzeltitel: Zwei Wochen in Toronto Patricias Erbe Mörderische Ballnacht in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien. Brinkley Verlag e.U Herrengasse 44, 7471 Rechnitz, Österreich

dem Verlagswesen sind die Vernetzungsmöglichkeiten durch das Internet nicht mehr wegzudenken. Vor allem soziale Medien generieren laufend Daten, anhand derer die Bewerbung von Autor:innen, Büchern sowie Lesungen zielgerichtet stattfinden kann. Im Seminar werden Möglichkeiten von Social Media für Verlage beleuchtet.

Kosten: € 270 für HVB-Mitglieder, € 300 für Nichtmitglieder (zzgl. 20 % Ust.)

Das komplette Seminarprogramm finden Sie unter: www.buecher.at => Seminare.

Kontakt: Julia Stumvoll, 01/512 15 35 29, mediakolleg@hvb.at

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: Leidenschaft Garten – Gärten mit Charakter in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien. Edition Begründer 3033 Hochstrass, Österreich

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für zwei Einzeltitel: Wiener Villen und ihre Geheimnisse 5 gewinnt in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien. Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG Lobkowitzplatz 1, 1010 Wien, Österreich

Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: Die Entstehung der Urbarialgemeinden im Burgenland am Beispiel der Urbarialgemeinde Forchtenau in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.

Hubert Wutzlhofer

Hochbergstraße, 7212 Forchtenstein, Österreich

anzeiger / 12 – Wissenswert –
FOTO:SHUTTERSTOCK

Neue Mitarbeiterinnen im Braumüller Verlag

Mit 1. März wird Maren Popovič (32), gelernte Buchhändlerin und seit Sommer 2022 im Verlag für Projektmanagement und Veranstaltungen zuständig, zusätzlich die P resse- und Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Sie folgt damit Ingrid Führer nach, die sich nach zehn Jahren als freie Mitarbeiterin in die Pension verabschiedet.

Nikoletta Kiss (44) verstärkt seit 1. 1. 2023 das Team im Bereich Lektorat. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt Universität zu Berlin und war als Unternehmensberaterin in Deutschland, den USA und in Australien tätig. Seit 2016 ist sie als Autorin und Lektorin in Wien tätig.

Wissenschaftsbuch des Jahres – die Sieger

Die Wahl zum besten Wissenschaftsbuch 2023 wurde vom Magazin Buchkultur wieder durch einen mehrstufigen Prozess geleitet. Fachjury und Publikum wählten in den vier Kategorien folgende Titel aus:

Medizin/Biologie: Fritz Breithaupt, „Das narrative Gehirn“ (Suhrkamp), ISBN: 978-3-518-58778-2

Naturwissenschaft und Technik: Thomas Bugnyar, „Raben“ (Brandstätter Verlag), ISBN 978-3-7106-0637-3

Es wimmelt quer durch Osterreich!

Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaft: Judith Kohlenberger, „Das Fluchtparadox“ (Kremayr & Scheriau), ISBN 978-3-218-01345-1

Junior-Wissensbücher: Elisabeth Etz, Nini Spagl, „Ein Baum kommt selten allein“ (Leykam), ISBN: 978-3-7011-8234-3

In diesem fröhlichen Wimmelbuch finden kleine und große Leser*innen erstaunlich viel davon, was Österreich so besonders und schön macht.

Ulrike Halvax Wimmelbuch Österreich 16 Seiten

Pappe, 23 x 30 cm € 14,95

ISBN 978-3-7074-2552-9

– Wissenswert –
FOTOS: BRAUMÜLLER VERLAG BEIGESTELLT
G & G www.ggverlag.at
Nikoletta Kiss Maren Popovič

Unter dem Hashtag

#bookstagram sind

über 85 Millionen Beiträge zu finden

Bücher in sozialen Netzwerken

Das Buch im Zeitalter der

sozialen Medien

DIE BOOK-COMMUNITIES IN SOCIAL MEDIA BILDEN EINE NEUE VERMITTLUNGSINSTANZ.

MOMENTAUFNAHME EINER SZENE IN STÄNDIGEM WANDEL

Text: Aleksandar Basic

Illustrationen: Georg Feierfeil

We need to make books cool again“, forderte der bibliophile Filmemacher John Waters in seinem wohl bekanntesten Zitat. Die gegenwärtige Präsenz von Büchern und Literatur in den sozialen Medien scheint seiner Forderung zu entsprechen: Hashtag #bookstagram: 85,9 Millionen Beiträge, Hashtag #bookworm: 27,4 Millionen, Hashtag #bibliophile: 14,9 Millionen. Das sind beträchtlich höhere Zahlen als etwa #lipstick, #handbag oder #iphone.

Wer 2023 bei Hashtags nur an die USPlattform Instagram denkt, hat das Next Big Thing aus dem Fernen Osten verpasst: die chinesische App TikTok. Deren BookTokSparte erweist sich als aufregendste neue Buch­Community mit Millionen von GenZ­Benutzer:innen. Sie hat einer Reihe von Büchern zu bisher ungesehenen Verkaufszahlen verholfen. Nun möchte der deutsche Buchmarkt an diese Erfolge anknüpfen.

WIE ALLES BEGANN:

BUCH TRIFFT SOCIAL MEDIA

Am Anfang waren der Blog, die Rezension und „Goodreads“. Die ersten Augenblicke

der visuell dominierten, emotionalen und massentauglichen Book­Community beginnen um 2010 auf YouTube. Dort werden von begeisterten Lesern und (hauptsächlich) Leserinnen der Booktube­Community Rezensionen und Buchempfehlungen hochgeladen. Es entstehen viele jener Trends, die auch für die aktuellen Plattformen relevant sind.

Auf Booktube sieht man erstmals nach Farben sortierte Bücherregale. Buch­Challenges und Lesemonate haben hier ihren Ursprung. Auch genretechnisch werden Weichen gestellt: in Richtung Fantasy, Young Adult und Romance.

Es entstehen erste emotionale Bindungen mit den Content Creators und ein reger Austausch in den Kommentarspalten. Eine prosperierende Lese­Community bildet sich jenseits von Gatekeeping und professioneller Buchkritik.

BOOKSTAGRAM-COMMUNITY –DIE NEUE VERMITTLUNGSINSTANZ

Zu einer noch stärkeren Vernetzung der einzelnen Teilnehmer:innen kommt es beim Aufstieg der App Instagram, die Facebook 2013 übernimmt. Anfangs ist das Medium

stärker auf Fotos und die sozialen Beziehungen zwischen den Nutzer:innen fokussiert. Dabei entwickelt sich eine eigene Ästhetik, die mit dem Adjektiv „instagrammable“ Einzug in die Alltagssprache gefunden hat. Lange Zeit hat diese Ästhetik einen starken Einfluss auf die App­interne und App­übergreifende Inszenierung von Büchern und Lektüreerlebnissen. Die Fokussierung auf den Look trägt der Bookstagram­Community bald Vorwürfe ein: Sie sei eine Bewegung narzisstischer Millennials, die ihr Stück vom Kuchen in einer Ökonomie der Aufmerksamkeit sucht – und das Buch zu einem ästhetischen Requisit in ihren inhaltsleeren Postings degradiert.

In dieser Phase kristallisieren sich zentrale Gegensätze heraus: Zugangsdemokratisierung vs. Quality Control, Schnelligkeit des sozialen Mediums vs. Ruhe der Lektüre, öffentliche vs. private Person, radikale Individualität vs. Trendabhängigkeit. Im Spannungsverhältnis solcher Dualismen hat die Book­Community ihren eigenen Standpunkt immer wieder aufs Neue verhandelt und tut es weiterhin.

Die Bewegung prosperiert in der von Gegensätzen geprägten Umgebung.

anzeiger / 15 »
– Essenziell –

» Sie bringt dabei eine neue Vermittlungsinstanz hervor, die ein zentraler Andockpunkt für die Buchbranche wird.

USA, DIE WIEGE DER BOOKFLUENCER:INNEN

Im Zentrum von Bookstagram stehen Buchblogger:innen oder Bookfluencer:innen. Sie sind meist weiblich, arbeiten nicht selten im Buchhandel, haben manchmal literaturwissenschaftlichen Hintergrund und verwenden ihre Plattformen, um ihre Leidenschaft für Bücher zu teilen. Großen Bookstagram­Accounts in Nordamerika gelingt es mittlerweile, eine Followerzahl im sechsstelligen Bereich um sich zu versammeln. Das weckt das Interesse der Big Five, der fünf umsatzstärksten US­amerikanischen Verlage.

Die Buchbranche wird auf die Vermittlungsinstanz der Bookfluencer:innen aufmerksam. Sie erkennt darin eine effektive Möglichkeit, eigenen Produkte zielgerecht zu bewerben – und bietet im Gegenzug Kooperationen und Vergütung an.

Bücher in sozialen Netzwerken

BOOKSTAGRAM NUN AUCH IN DEUTSCHLAND

2021 kommt der Trend in Deutschland an. Auch im deutschsprachigen Markt gibt es heute Kooperationen zwischen den Influencer:innen und der Buchbranche. Sie besteht in vielen Fällen aus der Bereitstellung von Rezensionsexemplaren. Bei den größten deutschen Verlagen und etwa bei Diogenes beschäftigt sich die Abteilung „Blogger­Relations“ mit der Zusammenstellung von Bücherpaketen für die größeren Influencer:innen.

Seit Beginn der Coronapandemie wird verstärkt auf Influencer:innen­Marketing gesetzt. Eine Praxis, die nicht ganz unkritisch gesehen wird.

Den Vorwurf, dass gute Rezensionen über Freiexemplare „gekauft“ werden könnten, hält Florian Valerius allerdings für absurd. Er ist einer der größten deutschsprachigen Bookstagrammer:innen (Intagram­Name: „literarischernerd“, 27.500 Follower:innen). Sein Ruf und die Glaubwürdigkeit innerhalb der Branche seien weitaus bedeutender als ein schneller „cash grab“: „Ich gehe bezahlte Kooperationen nur auf langfristiger Basis ein – und ausschließlich, wenn ich zur Gänze hinter dem beworbenen Buch stehe.“

Außerdem ermutigt er auch kleinere Blogger:innen dazu, offen zu ihren Meinungen zu den zugeschickten Büchern zu stehen und wenn notwendig auch Kritik zu äußern: „Die Angst, damit die Beziehung zu den Verlagen zu schädigen, ist aus meiner Erfahrung gänzlich unbegründet.“

JEDE FÜR SICH UND

DER ALGORITHMUS GEGEN ALLE

Tino Schlench, Instagrammer aus Österreich

Die in Österreich ansässige Szene ist um einiges kleiner als die deutsche. Zu den größten Bookfluencer:innen zählt die Bloggerin Mareike Fallwickl, die auch als Autorin erfolgreich ist. Tino Schlench (auf Instagram: „literaturpalast“, 11.300 Follower:innen) schreibt selbst nicht, er hat seine Nische in Übersetzungen osteuropäischer Literatur gefunden. Schlench steht der direkten Monetarisierung seines Blogs kritisch gegenüber. Es helfe ihm dabei, sein professionelles Netzwerk auszuweiten und Kontakte mit der Branche zu knüpfen. Eine erfolgreiche Strategie: Er moderierte bereits zahlreiche Literaturveranstaltungen und betreibt einen eigenen Audiospur­Podcast in Zusammenarbeit mit dem Traduki­Netzwerk und der Leipziger Buchmesse.

anzeiger / 16 – Essenziell –
ILLUSTRATIONEN: GEORG FEIERFEIL
„In Österreichs Buchbranche werden Social Media in der Bedeutung für eine langfristige Markt- und Markenbildung sträflich unterschätzt“

– Essenziell –

Bücher in sozialen Netzwerken

Um so erfolgreich zu sein wie Valerius oder Schlench, muss man sich als Bookstagrammer:in gegen zwei Arten von Konkurrenz durchsetzen: gegen die anderen Blogger:innen und gegen den berüchtigten Algorithmus. Letzterer wird von Instagram häufig geändert, was zu wachsender Frustration der professionellen Nutzer:innen führt. Um sie dazu zu bewegen, bezahlte Beiträge zu schalten, schränkt das Medium außerdem bewusst die Reichweite mancher Instagrammer:innen ein. Unbeliebte Praktiken, die vor allem der Konkurrenz in die Hände spielen: dem Videoportal TikTok.

BOOKTOK – DIE SCHÖNHEIT DER

GROSSEN ZAHL: 100 MILLIARDEN

Eine deutlich jüngere Zielgruppe, kürzere Videos, verstärkter Fokus auf LGBTQ­Themen und noch mehr Emotionen – das unterscheidet TikTok von Instagram. Doch der wahre Paradigmenwechsel liegt im Switch vom Social Graph (Instagram) zum Interest Graph (TikTok), also in der Fokusverschiebung von der Vernetzung von Nutzer:innen hin zur Vernetzung der Inhalte.

100 Milliarden Aufrufe kann #BookTok verzeichnen. Reichweite bedeutet Einfluss, Einfluss bedeutet Geld. Mittlerweile ist aus #BookTok eine Buch­Community gewachsen: Ihretwegen haben sich die Bücher der US­amerikanischen Autorin Colleen Hoover 2022 häufiger verkauft als die Bibel, ihretwegen erlebte „The Song of Achilles“ (Madeline Miller, 2011) eine sagenhafte Wiederauferstehung.

Bekannte Autor:innen im BookTok­Universum sind etwa Taylor Jenkins Reid, Madeline Miller und Tessa Bailey: Sie sind auch den hiesigen Buchhändler:innen bekannt. Englische Namen – denn bisher gab es noch keinen deutschsprachigen BookTok­Megaerfolg. Auch im DACH­Raum werden von BookTokUser:innen meist dieselbe Handvoll Autorinnen verlangt. Manchmal in Übersetzung – meistens aber im englischen Original.

DER WUNSCH IST

DER VATER DES HYPES

Erfahrene Influencer:innen sind über die vermehrte Berichterstattung über BookTok und den Hype in den deutschsprachigen Medien verwundert. Dieser geht zu einem großen Teil auf die Streitbarkeit der Plattform selbst zurück: Die chinesische App wurde von rechter Seite der Spionage und der

kulturellen Kriegsführung gegen den Westen verdächtigt, von linker Seite der politischen Zensur seitens der Kommunistischen Partei Chinas.

Die deutschsprachige BookTok­Community erfährt aber nicht nur mediale Unterstützung: Der TikTok­Deutschland­Chef Tobias Henning äußert sich euphorisch über die Community, organisiert einen eigenen #BookClub und eine Zusammenarbeit mit der Frankfurter Buchmesse. Viele Akteure in der deutschen Buchbranche betreiben auch bereits eigene TikTok­Kanäle. Erfolgreich sind etwa der Loewe Verlag oder die Hugendubel­Buchhandlungen mit über 66.000 Followern, knapp drei Millionen Likes und dem TikTok­Literaturfestival Bookstock.

BOOKTOK IN ÖSTERREICH: GROSSE SKEPSIS UND ZARTE HOFFNUNG

Bei solchen internationalen Entwicklungen könnte man in der österreichischen Szene eine ähnliche Euphorie vermuten. Gespräche mit hiesigen Buchhändler:innen und Verleger:innen zeigen allerdings nüchterne Stimmung: „Der Großteil der Bücher in Österreich wird immer noch im Sortimentsbuchhandel verkauft“, erklärt der Verleger Albert C. Eibl. Nordamerikanische oder asiatische Trends wie zuletzt das E­Book

würden sich hier nur langsam oder bedingt durchsetzen. Ähnlich äußert sich Bernhard Bastien von der Buchhandlung Lerchenfeld. Der österreichische Markt sei klein, der urbane Raum gut von kleinen Buchhandlungen mit persönlichem Kontakt zum oder zur Buchhändler:in abgedeckt.

Auch die wenigen in Österreich aktiven TikToker:innen bestätigen diesen Status quo. Sie sprechen der österreichischen Community jedoch große Wachstumschancen zu und hoffen auf mehr Unterstützung von der lokalen Buchbranche.

Ein großer Buchhändler ist bereit, diese Leerstelle zu füllen: Bei Thalia Österreich glaubt man an BookTok, besonders an die Kraft der Community, auch literaturfremde Nutzer:innen zum Lesen zu bekehren. Man sei bereit, die notwendigen ökonomischen Ressourcen zu investieren, sagt Marketingleiterin Kerstin König: „Um möglichst nah an der Zielgruppe zu arbeiten, wird eine Stelle speziell für Social Media geschaffen und verstärkt auf content creation gesetzt.“

Bereits jetzt trifft man in den Buchhandlungen und auf der Website auf spezielle BookTok­Bereiche und auf kreative Mitarbeiter:innen, die auf dem Thalia­TikTok­Account die Zuseher:innen in die Buchhandlung locken.

WAS IN ÖSTERREICH NOTWENDIG WÄRE

Dass ein eigener TikTok­Account in den nächsten Jahren für alle Akteure der österreichischen Buchbranche notwendig wird, scheint unwahrscheinlich. „Social Media werden in der Buchbranche gleichermaßen unterschätzt wie überschätzt“, erklärt Tino Schlench: Überschätzt in der Eigenschaft, einen schnellen Hype oder eine plötzlichen Steigerung im Verkauf zu generieren. Gleichzeitig sträflich unterschätzt in der Bedeutung für eine langfristige Markenbildung sowie beim dahinterstehenden Arbeitsaufwand. Er wünscht sich für die Buchbranche mehr Investition in die notwendigen Ressourcen und die Entwicklung einer eigenen digitalen Handschrift, die zur CI passt.

Ob sich BookTok weltweit langfristig durchsetzt und ob das Modell auch in Österreich Fuß fassen wird, wird die Zeit zeigen. Der Rückblick auf die wechselhafte Entwicklung in sozialen Medien hat aber bereits gezeigt: Zwischen rasch aufstrebenden und verschwindenden Trends bleibt ein Medium beständig – das Buch.

anzeiger / 17
„Um möglichst nah an der Zielgruppe zu arbeiten, wird eine Stelle speziell für Social Media geschaffen“
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Kerstin König, Marketingleiterin bei Thalia Österreich

Mit sechzig erwachsen

Die Bologna Children’s Book Fair findet heuer zum sechzigsten Mal statt. Die Vorfreude ist groß, der Nutzen für die Verlage auch. Dass der Rechtehandel für alle Genres geöffnet wird, wird allerdings kritisch gesehen

Kaum eine Buchmesse wird so ausnehmend positiv beurteilt wie die Kinderbuchmesse in Bologna. Von internationalen Medien ebenso wie von der Branche. Es sei „die schönste und lebendigste Messe“, meint die Leiterin von Leykam Kinderbuch, Tanja Raich. „Bologna ist für uns extrem wichtig, weil wir dort sehr viele Lizenzen verkaufen“, erklärt auch JungbrunnenVerlagsleiterin Anna Stacher-Gfall. Bereichernd seien die persönlichen Begegnungen innerhalb der Branche. „Wir als Verlage bekommen viele Illustrator:innen vorgestellt, die uns ihr Portfolio präsentieren.“

Heuer findet die Messe vom 6. bis 9. März statt, zum sechzigsten Mal. Zeit für Veränderung und ambitionierte Pläne, heißt es aus Italien. Die weltweit wichtigste Kinder- und Jugendbuchmesse soll 2023 größer werden als letztes Jahr. 2022 wurden 21.000 Messebesucher:innen registriert, für dieses Jahr werden etwa 30.000 erwartet. Auch die Zahl der Aussteller:innen soll um etwa ein Drittel steigen, von knapp 1.000 auf rund 1.500.

Die größte Veränderung betrifft den Inhalt: Im September 2022 kündigte die Messedirektorin Elena Pasoli an, dass die Messe ihr Angebot für die Verlagsrechtsexpert:innen der internationalen Branche ausweitet. Dieses Jahr wird nicht mehr ausschließlich mit Rechten für Kinder- und Jugendliteratur gehandelt, auch Transaktionen im Bereich der Verlage für Erwachsene sind ab jetzt möglich. „Unser Bologna Agent’s Center hat sich über viele Jahre hinweg als sehr erfolgreich erwiesen. Es scheint ein logischer nächster Schritt in seiner Entwicklung, dass wir ein breiteres Publikum aus den Rechtshandelsgemeinschaften begrüßen“, sagte Pasoli.

Dieser Schritt stößt nicht überall auf Begeisterung. „Das Besondere an der Messe war immer, dass es nur um Kinder- und

Jugendbücher ging“, sagt Anna StacherGfall. „Das zu gefährden, finde ist sehr schade“. Auch bei Leykam wurde die bisherige Einschränkung auf den Bereich Kinder- und Jugendbuch als positiv wahrgenommen. „Die Kinderbuchmenschen sind noch kreativer, vernetzter und damit auch kooperativer“, meint Tanja Raich. „Der Fokus ist enger und die Messe damit überschaubarer.“

Die Vorfreude der österreichischen Messeteilnehmer:innen wird trotzdem nicht getrübt. Für sie bleibt vieles beim Alten: Auch heuer stellen die meisten am österreichischen Gemeinschaftsstand aus. Er wird von der Außenwirtschaft Austria organisiert, die zur WKO gehört. Mit elf Verlagen ist die Beteiligung am Gruppenstand größer als im Vorjahr.

Die gemeinsame Ausstellung sei aus mehreren Gründen von Vorteil, erklärt Marion Tschernutter von der Außenwirtschaft Austria: „Die Teilnahme wird durch die Offensive ‚go-international‘ finanziell gefördert. Auch werden Standplanung und Organisation von uns übernommen. Die Verlage bekommen einen ‚schlüsselfertigen‘ Stand inklusive Betreuung vor Ort.“

Was es dieses Jahr sonst noch geben wird: „BolognaBookPlus“, eine Markenerweiterung für das allgemeine Verlagswesen, einen besonderen Fokus auf das afrikanische Verlagswesen und zahlreiche Sonderausstellungen. Grund genug, sich auf Anfang März zu freuen.

In Österreich richtet man den Blick außerdem bereits etwas weiter: Im Rahmen des österreichischen Gastlandauftritts in Leipzig seien einige Ideen entstanden, die vor allem für Bologna 2024 umgesetzt werden sollen, sagt Tanja Raich. „Der Gastlandauftritt hat die Vernetzung unter den Verlagen gestärkt und ist mit Sicherheit als langfristiges Projekt zu sehen.“

anzeiger / 18
– International –FOTO: LEYKAM
Text: Linn Ritsch
„Es scheint ein logischer nächster Schritt in seiner Entwicklung, dass wir ein breiteres Publikum aus den Rechtshandelsgemeinschaften begrüßen“
Elena Pasoli, Direktorin der Bologna Children’s Book Fair Tanja Raich mit Leykam-Geschäftsführer Stefan Gartler bei der Messe in Bologna 2022

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Teilnahmeschluss: 15. März 2023

Teilnahmebedingungen: Teilnahmeberechtigt sind Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Schriftverkehr, Rechtsweg und Barablöse sind ausgeschlossen. Der Gewinn ist nicht übertragbar oder auszahlbar. Die Gewinner:innen werden schriftlich verständigt. Teilnahmeschluss: 15. 3. 2023. Datenschutz: Für die Teilnahme am Gewinnspiel ist eine Angabe von personenbezogenen Daten erforderlich. Die Teilnehmer erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die von ihnen übermittelten Daten von der Falter Verlagsgesellschaft m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, für die Durchführung und Abwicklung des Gewinnspiels erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach vollständiger Durchführung des Gewinnspiels umgehend und unwiederbringlich gelöscht.

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anzeigerDas Magazin für die österreichische Buchbranche FOTO: HÖLLINGER
– Gewinnspiel –

– Schwerpunkt: Editor’s Choice –Kinder- und Jugendliteratur

Natürlich können Felsen fliegen

Fantasie ist beim Lesen von Kinderbüchern eine wichtige Sache. Um Kinderliteratur zu verstehen und zu lieben, muss man der eigenen Vorstellungskraft Raum geben

Kinderbücher können aus vielen Gründen fantastisch sein. Manche erzählen Geschichten über Problemthemen, mit denen man sich herumschlagen muss, bis man endlich erwachsen ist. Sie helfen dabei, mit diesen Themen besser umgehen zu können. Manche klären über Armut, Sexismus oder Behinderungen auf. Mit manchen lernt man Fremdsprachen. Und manche haben magische Fähigkeiten. Einige von diesen magischen Büchern möchte ich Ihnen vorstellen.

Vielleicht war Erwin Moser ein Zauberer. Nur wenigen Künstler:innen ist es gelungen, so fröhliche Würmer zu zeichnen, so liebevolle Bären zu erfinden und so einfache und zugleich einfallsreiche Texte zu dichten. In „Das Haus auf dem fliegenden Felsen“ (Beltz und Gelberg) erzählt er 40 Geschichten, in denen es um die Kraft der Fantasie geht. Der Träumer wird in Geschichte eins vorgestellt: Er sitzt täglich an einem ruhigen Plätzchen und träumt von unglaublichen, komischen, schönen und seltsamen Bildern. Und diese Bilder beginnen zu leben …

Auf den nächsten Seiten werden kurze Geschichten erzählt: Leser:innen werden in die Erzählungen eingeführt und zum Weiterträumen eingeladen. Man erfährt, was passiert, wenn jemand eine Leiter an eine verlassene Insel im Moor stellt – dann kann es nämlich sein, dass die kleine Hütte und die Pappel, die auf der Insel stehen, den ganzen Tag streiten. Moser erzählt auch von der Gehmaschine des Emanuel Orthopädius (deren Kniegelenke manchmal quietschen) und der Scheune mit dem lachenden Gesicht. Bilder und Texte gehören – wie immer bei Erwin Moser – unbedingt zusammen. Seine Illustrationen sind poetisch, seine Texte vielfarbig.

Eine fantastisch geschickte Konstruktion: Erwin Mosers Flaschenunterseeboot

Realität, schrieb Erwin Moser, sei für Kinder noch nichts Festes, Unveränderliches und Eingeschränktes. „Die Umgebung ganz zu vergessen und richtig im Bild spazieren zu gehen. Was für ein Genuss! Erwachsene können das auch. Aber ich glaube, Kinder können es am besten.“

Warum soll es also keine Kater geben, die singen und mit dem Segelboot fahren? Oder Katzen, die Motorrad fahren? Im NordSüd Verlag erscheint Erwin Mosers „Boris der Kater“ erstmals in Buchform, auch „Kleine Katze Nina“ wird dort veröffentlicht. Beide

Geschichten sind klug und witzig. Und wenn man als erwachsene:r Leser:in nicht von ihnen verzaubert wird, sollte man sich an die Kinder halten und von ihnen lernen.

„Der erste Schnee“ (Bohem Verlag) ist so fantastisch schön, dass man in das Buch hineinsteigen und dort wohnen möchte. Wegen des berührenden Märchens, das Elham Asadi darin erzählt. Wegen der Illustrationen, mit denen es Sylvie Bello gelungen ist, die Geschichte unbekümmert und farbenroh und gleichzeitig ruhig und bisweilen melancholisch zu gestalten. Und

anzeiger / 20
FOTO: BELTZ VERLAG (AUS: “ZAUBERHAFTE GUTE NACHT GESCHICHTEN”)
Text: Linn Ritsch

jeder Frage

auch ein wenig wegen des großen Formates. Wenn man das Buch nah genug vor die Nase hält, fühlt man sich von der Erzählung buchstäblich umgeben.

Sie handelt von Naneh Sarma und Nouruz, die beide im alten Persien lebten. Und sie handelt auch von der jungen Ich­Erzählerin, deren Großmutter ihr von den beiden mythischen Gestalten berichtet: an dem Tag, an dem die Kleine zum allerersten Mal Schnee sieht. Die weißen Flocken, erzählt die Großmutter, sind nämlich aufwirbelnde Staubflocken. Sie entstehen, weil Naneh Sarma jeden Winter von oben bis unten ihr Haus putzt. Sie möchte alles vorbereiten, weil sie die Ankunft von Nouruz erwartet. Er bringt Blumen zum Blühen und gefrorene Gewässer zum Fließen. Aber jedes Jahr, wenn er kommt, ist Naneh Sarma schon in Schlaf gesunken. Sie wacht erst auf, wenn die Blätter von den Bäumen zu fallen beginnen. Dann beginnt sie wieder mit dem Hausputz, denn im nächsten Jahr möchte sie Nouruz sehen …

„Der erste Schnee“ ist eine Geschichte über Geduld und Hoffnung, erzählt mit Liebe und Fantasie.

Wie fantastisch die großen Klassiker der Musikgeschichte sein können, zeigt die im Amor Verlag erschienene Serie „Große Klassik kinderleicht“. Die Bücher sind bunt und divers: illustriert von verschiedenen internationalen Künstler:innen und zugeschnitten auf verschiedene Altersgruppen. Vielfältig sind aber vor allem die Geschichten selbst: Sie führen uns durch die Abenteuer, die Tamino und Papageno erleben, durch das Europa des 19. Jahrhunderts und mitten in eine Gruppe flötender und Geige spielender Tiere.

Das Haus auf dem fliegenden Felsen

ISBN 978-3-407-75498-1

Boris der Kater

ISBN 978-3-314-10197-7

Der erste Schnee

ISBN 978-3-95939-211-2

Große Klassik kinderleicht

Dazu gibt es jeweils ein Hörbuch mit Musik. Beim Lesen, Zuhören und Mitträumen entsteht das Gefühl, in die Musikstücke hineinzuschlüpfen und mit den Charakteren durch ihre Welt der Komposition und des Gesangs zu gehen. Zauberhaft und völlig überzeugend. Schließlich kann die Wirklichkeit auch aus der eigenen Fantasie entstehen. Oder aus einem Buch.

ISBN 978-3-98587-301-2

© Shutterstock: Farn/Dewin ID; Raupe/BushAlex; Faultier/Lukas Kovarik; Fingerabdruck/Andrey Burmakin | Artikelnr. 533/89701
eineAntwort Das große WAS IST WAS Antwortbuch Ab 8 Jahren, HC, 192 Seiten, 23 x 27,8 cm · € (A) 22,70 ISBN: 978-3-7886-2118-6 März ab undklare An Mehr e Fragen Tolles Für jeden A Weitere Infos und verkaufsstarke POS Aktionen über unseren Außendienst Buchservice Schlieber Vorderwinkler Tel.: 0664 220 69 20 · Fax: 01 370 76 83 · buchservice-sv@gmx.at Erde,Tiere,Welt BunterThem Techni
Zu(fast)

Wilde Tiere und raufende Prinzessinnen

Gleich

neben der Dreifaltigkeitskirche unweit des Mozart-Wohnhauses in der Salzburger Innenstadt ist seit mittlerweile 28 Jahren die Rupertus Buchhandlung zu finden. Die Geschichte des Traditionsbetriebs reicht jedoch bis in die späten 1930er-Jahre zurück.

Seit dieser Zeit ist das Geschäft in Salzburg wichtige Anlaufstelle für Buchliebhaber. Die Buchhandlung erstreckt sich über drei Räume, die Kinderbuchabteilung ist der hinterste: Ein kleines und gemütliches Zimmer und das Reich von Andrea Fink, die für den Kinder- und Jugendbuchbereich verantwortlich zeichnet und seit 18 Jahren im Geschäft berät.

Nach ihren persönlichen Empfehlungen für Vorschulkinder gefragt, antwortet sie: „Auf alle Fälle Oliver Scherz mit dem Buch ,Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika‘.“ In diesem im Thienemann Verlag erschienenen Buch wartet ein Geschwisterpaar, die fünfjährige Marie und ihr zwei Jahre älterer Bruder Joscha, in einer stürmischen Nacht im Bett auf seine Eltern. Plötzlich klopft ein Elefant ans Fenster, er ist auf der Flucht aus dem Zoo und möchte zurück nach Afrika. Die Geschwister begleiten ihn, erleben Dschungel, Wüste, sogar eine Fata Morgana und verschiedenste Tiere hautnah. „Oliver Scherz beherrscht die Kunst, eine abenteuerliche Geschichte zu erzählen, bei der man immer weiß, dass den Kindern kein Leid geschieht. Absolut großartig!“, resümiert Fink.

Auch Annette Roeders „Rosa Räuberprinzessin“ (cbj) legt sie jungen Leser:innen ans Herz. Eine turbulente Geschichte über ein Mädchen, das mit vier Brüdern auf

ISBN: 978-3-522-18575-2

ISBN: 978-3-570-17088-5

ISBN: 978-3-8339-0750-0

einem Bauernhof lebt und sowohl Prinzessin als auch Wildfang sein mag. „Auch für die vorlesende Person ein Vergnügen.“

Apropos vorlesen: Den Eltern, meint Fink, komme eine besondere Rolle bei der Leseförderung ihrer Sprösslinge zu: „Ich empfehle den Eltern immer, Rücksicht auf die Interessen und Möglichkeiten ihrer Kinder zu nehmen.“ Es gebe kein Buch oder Genre, das für alle passt. Zu beobachten sei, dass eher „lesefaule“ Kinder gut mit Comics oder comicartigen Büchern zurechtkämen, zum Beispiel „Gregs Tagebuch“ von Jeff Kinney (Baumhaus Verlag).

Oder die im cbj-Verlag erscheinende „Julius Zebra“-Reihe von Gary Northfield für Kinder ab zehn Jahren: Der Protagonist Julius Zebra lebt in Afrika, wird von Römern gefangen und soll in Rom als Gladiator ausgebildet werden, zusammen mit seinen Leidensgenossen: einem Löwen, einem Warzenschwein und einer Giraffe. „Neben der sehr witzigen Handlung lernt man auch einiges über die alten Römer“, meint Fink. In den Folgebänden besucht Julius Zebra auch die alten Griechen, die Briten und die Ägypter. Abschließend empfiehlt Fink ein Buch für Teenager: die Geschichte von Lotte – sie ist neu in Berlin, tollpatschig, selbstironisch und tatkräftig. Als sie sich aus der Wohnung aussperrt, landet sie im Späti gegenüber und übernimmt kurzerhand den Laden. Lena Hachs „Grüne Gurken“ (Mixtvision) sei eine „flotte Geschichte“ zu den Themen erster Kuss, erste Liebe, Hormone im Pubertätschaos – und das alles mit Augenzwinkern und viel Humor. „Ein toller Roman übers Erwachsenwerden.“

ISBN: 978-3-570-31309-1

ISBN: 978-3-95854-108-5

anzeiger / 22 – Schwerpunkt –
Kinder- und Jugendliteratur
FOTO:
Text: Elisabeth Krenn-Stuppnig
RUPERTUS BUCHHANDLUNG
„Ich empfehle den Eltern immer, Rücksicht auf die Interessen und Möglichkeiten ihrer Kinder zu nehmen“
Andrea Fink

Wir feiern 20 Jahre

Jahreszeiten - Wimmelbücher von Rotraut Susanne Berner

Neu im Frühjahr:

Geburtstag in Wimmlingen

14 S., durchgehend farbig, 19,0 x 19,0 cm, Pappbilderbuch mit Hardcovereinband

ISBN 978-3-8369-6215-5

€ (A) 13,40

Linus wird heute fünf Jahre alt und freut sich sehr auf die Geburtstagsfeier mit seinen fünf Freunden. Im Garten ist der Tisch gedeckt, die Kinder bringen tolle Geschenke mit, alle sind vergnügt und feiern … bis die Sonne hinter dicken grauen Wolken verschwindet. Aber zum Glück hat Linus' Papa Oliver am Vorabend ein Zelt aufgebaut, und darin lässt es sich prima weiterfeiern. Wer genau hinguckt, wird entdecken, dass nicht nur die Kinder, sondern auch so manches Tier dieses Fest genießen.

Ein ideales Geburtstagsgeschenk – gemalt und in lustigen Reimen erzählt von Rotraut Susanne Berner.

– Schwerpunkt –Kinder- und Jugendliteratur

Von Büchern verzaubert

Hartliebs Bücher, Währinger Straße Wien

Text: Elisabeth Krenn-Stuppnig

Die Abteilung für Kinder- und Jugendliteratur bei „Hartliebs Bücher“ in der Währinger Straße bemerkt man gleich beim Eintreten: Beim Eingang rechts finden sich Aussteller mit bunten Bilderbüchern, eine Holztreppe führt zu einer gemütlichen Sitzmöglichkeit für ältere Kinder, die durch dicke Romane schmökern wollen. Eva-Maria Niegel ist im Geschäft für die Kinder- und Jugendbuchabteilung verantwortlich und seit der Geburtsstunde der Buchhandlung im November 2004 Teil des Teams um Petra Hartlieb.

Ihr selbst sei als Kind viel vorgelesen worden, umso lieber gebe sie nun ihre persönlichen Erfahrungen an Vorlesende weiter: etwa die im Arena Verlag erschienenen Bücher von Andreas H. Schmacht: für die Kleineren ab drei Jahren die „Tilda Apfelkern“-Bücher, für die Größeren die Reihe „Snöfrid aus dem Wiesental“. „Schmachts Bücher verzaubern auf ganzer Linie“, meint die Kinder- und Jugendbuchexpertin. Und zwar nicht nur die Kleinen, sondern auch die Erwachsenen.

Leseratten im Volksschulalter empfiehlt Niegel „Der kleine Vampir“ (Rowohlt) von Angela Sommer-Bodenburg. „Die Reihe ist der perfekte Mix zwischen Abenteuer, ein bisschen Grusel und der schönen Message: Trotz vieler Unterschiede ist das Wichtigste die Freundschaft.“

Was hingegen empfiehlt sie der vermeintlich schwieriger zu erreichenden Schicht, den Teenagern, die sich vermehrt lieber auf TikTok und YouTube als in

Eva-Maria Niegel

Bücherwelten flüchten? Niegel antwortet: „Zwar sind sie wohlbekannt, aber ich möchte sie trotzdem erwähnen: alle im Carlsen Verlag erschienenen Harry-PotterBücher von Joanne K. Rowling.“ Sie habe viele Nichtleser:innen erlebt, die plötzlich dank Harry Potter „die dicksten Wälzer verschlungen haben“, sagt sie.

Jugendlichen empfiehlt sie außerdem die Romane von Ursula Poznanski (Loewe Verlag). „Ihre Bücher sind sehr spannend, voller überraschender Wendungen und es geht immer um kritische Themen am Puls der Zeit, ganz nah am Alltag von Jugendlichen“, meint Niegel, die Poznanskis „Saeculum“ zu ihrem Lieblingstitel zählt.

anzeiger / 24 FOTO: HELMUT WIMMER
„Elias Schmachts Bücher verzaubern auf ganzer Linie“
LESEPROBE ISBN: 978-3-401-71572-8 ISBN: 978-3-401-71845-3 ISBN: 978-3-499-21725-8 ISBN 978-3-7855-7783-7

Frühling in Sicht!

Unser neues Programm steckt voller Überraschungen

ISBN

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ISBN : 978-3-314-10650-7

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Geniale

ISBN : 978-3-314-10633-0

ISBN : 978-3-314-10639-2

ISBN : 978-3-314-10629-3

www.nord-sued.com © 2023 NordSüd Verlag, Illustration von Mariachiara Di Giorgio
Daniel Fehr / Mariachiara Di Giorgio Wir bauen einen Damm! : 978-3-314-10628-6 Jonathan Stutzman / Isabelle Arsenault Maus mit Haus : 978-3-314-10632-3 Kazuo Iwamura / Rose Pflock Familie Maus zieht um Lena Anlauf / Vitali Konstantinov Nasen Mac Barnett / Jon Klassen Drei Ziegenböcke namens Zack Noemi Schneider / GOLDEN COSMOS Ludwig und das Nashorn : 978-3-314-10631-6 Taltal Levi Bravo, Avocado! Kai Lüftner / Wiebke Rauers Walter Falter

Wundervolle Welt von morgen

Wie sähe unsere Welt aus, nachdem wir die Klimakrise in den Griff bekommen haben? Die anerkannte Umweltschützerin Cindy Forde lässt die Kinder einer zukünftigen Welt von ihrem nachhaltigen Leben erzählen und erklärt in „Rückblicken“, was wir heute dafür tun müssen, damit diese wundervolle Welt von morgen Wirklichkeit werden kann.

gleichberechtigte Gesellschaft mit gleichen Bildungschancen

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Wundervolle Welt von morgen

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Ernährung, Industrie, Städte oder Reisen funktionieren im Einklang mit unserer Erde

Telefon: 0 21 52-20 98-59 Telefax: 0 21 52-20 98-60 kundenservice@moses-verlag.de
Verlag GmbH Arnoldstraße 13d 47906 Kempen
moses.

Die Adresse am Burgring 1 ist prominent, das Antiquariat Burgverlag, eines der wenigen noch existierenden Ladengeschäfte, ein kleiner Star in Wien, der bereits als Filmkulisse gedient hat. Wer das seit 1920 bestehende Antiquariat betritt, wähnt sich in eben jener Zeit: hölzerne Wendeltreppen, ein prunkvoller Kronleuchter –und natürlich Bücher. Sie füllen die Regale bis unter die Decke – gemeinsam mit botanischen Darstellungen, Stichen, Ephemera, Autografen, Lithografien, Reiseberichten, Militaria oder Kinderbüchern.

Seit 1996 gehört das Geschäft Robert Schoisengeier. Das Geschäft, damals noch als Buchhandlung, fiel ihm bei einer Fahrradfahrt ins Auge. Er sah, dass es sich in Auflösung befand, fragte, ob es zu übernehmen sei, und übernahm.

Feuer für das Metier hatte Schoisengeier gefangen, als er bei Löcker und Wögenstein anheuerte, einem Antiquariat in der Innenstadt. „Die beiden Inhaber haben mir einiges ermöglicht.“ In den 1980er-Jahren galt es, angekaufte Bibliotheken akribisch aufzuarbeiten. Nebenbei arbeitete er als Berater für Auktionshäuser und als Auktionator, heute auch als Verleger und Kunsthändler. Fragt man Schoisengeier nach Begegnungen, die ihm in Erinnerung blieben, so zeigt er sich diskret. „Als Antiquar schütze ich meine Quellen.“ Zumindest jene der Gegenwart.

– HVB -Mitglieder im Porträt –Antiquariat Burgverlag

Robert Schoisengeier

Ihm über Umwege bekannt sei Arthur Schnitzler, schmunzelt er. Schnitzler lebte direkt über dem Antiquariat, um die Ecke wohnten Franz und Alma Werfel. „In den 1980er-Jahren habe ich Menschen getroffen, die sie persönlich gekannt hatten.“

Es würde naheliegen, vermeintlich schöne alte Zeiten zu betrauern, doch den Pessimismus mancher Branchenkollegen teilt Schoisengeier nicht: „Ich sehe alles sehr positiv. Der Handel mit Antikem blüht nach wie vor, wenn auch auf anderen Kanälen als früher.“ Mehrere Lager hat Schoisengeier über Wien verteilt, er nimmt an internationalen Messen teil, kauft bei weltweit stattfindenden Auktionen. Die vielleicht größte Veränderung in den Anforderungen an den Beruf des Antiquars ist der Handel im Internet: „Ich bin stark im Onlinehandel tätig und nicht nur Ladenbetreiber.“ Achtzig Prozent seines Umsatzes generiert er online, „ohne geht es heute nicht mehr“.

Er bemerkt vor allem seit Corona einen verstärkten Zulauf an Tourist:innen, die gar nicht wüssten, was sie mit dem Geschäft

anfangen sollen, schmunzelt der Antiquar: „Manche glauben, es handelt sich um ein Kuriositätenkabinett, andere kommen mit Laptop und Kaffeebecher und wollen hier arbeiten. Wenn sie erfahren, dass all die schönen, seltenen Werke zu kaufen sind, sind sie fasziniert.“ Das Ladengeschäft diene als Ort der Kulturvermittlung und der Begegnung. „Wir sind eine Anlaufstation, sowohl für Sammler:innen, die einander hier treffen, als auch für Menschen, die Bücher am Dachboden finden.“ Und für junge Menschen, denen Schoisengeier die Bedeutung des antiquarischen Buches näherbringt. „Ich kann Junge nur dann anregen zu sammeln, wenn ich ihnen Verschiedenes zeige.“ Interessiere sich ein Kind etwa für Mathematik, könne ein alter Stich aus der Astronomie es faszinieren. Selber würde er bis auf Kochbücher und Pop-up-Bücher wenig sammeln, erzählt Schoisengeier. „Entweder man ist Sammler oder Händler. Ich bekomme jeden Tag schöne Stücke in die Hände, die würde ich alle gern besitzen. Aber man muss bereit sein, die Dinge weiterzugeben.“

anzeiger / 26
„Manche glauben, es handele sich bei dem Antiquariat um ein Kuriositätenkabinett“
Text: Elisabeth Krenn-Stuppnig
FOTO: FARID SABHA

Rainer Fritthum

Herr Fritthum, die Situation der Buchund Medienauslieferung in Österreich ist angespannt. Wo sehen Sie die Probleme in der Branche?

Rainer Fritthum – Nachdem innerhalb der letzten vier, fünf Jahre mehrere Auslieferungen wie Hain, KNV, SOVA und MELO Insolvenz anmelden mussten, scheint es tatsächlich ein strukturelles Problem zu sein. Durch ständig steigende Kosten im Logistikbereich wie beim Transport, bei Energie, Treibstoff, Verpackung, Personal etc. und die wachsende Kleinteiligkeit der Bestellungen bei immer kürzeren Lieferzeiten wird wirtschaftliches Handeln deutlich schwieriger. Da die gesamte Wertschöpfungskette auf den Ladenverkaufspreisen basiert, muss auch die kritische Frage erlaubt sein, ob hier in den letzten Jahren nicht bei der Preisgestaltung der Bücher zu wenig Mut bewiesen wurde. Wobei das Problem deutlich komplexer ist und nicht durch das „einfache“ Anheben der Preise verschwindet. Für Mohr Morawa ist es wichtig, rechtzeitig all diese Herausforderungen zu erkennen und zu analysieren, um dann die möglichst richtigen Schritte zu setzen.

Sie sind seit 1997 innerhalb der Morawa Gruppe in unterschiedlichen Bereichen tätig und seit bald vier Jahren Geschäftsführer bei Mohr Morawa. Eine Zeit voller Herausforderungen … Fritthum – Herausforderungen gab es in den letzten Jahren tatsächlich mehr als genug. Abgesehen von den globalen Problemen, die Corona, der Ukraine-Krieg und seine direkten und indirekten Folgen wie die allgemeine Teuerungswelle in den Bereichen Energie, Transport und Personal mit sich gebracht haben, sind wir seit einiger Zeit mit der Modernisierung von Mohr Morawa beschäftigt. Ein komplett neues ERP-System, eine neue Fördertechnik, eine neue Druckerlandschaft, die Installation einer PV-Anlage sowie die Erweiterung unserer Lagerkapazitäten sind hier nur die wichtigsten Änderungen und Erneuerungen, mit denen wir beschäftigt sind.

Sind weitere Veränderungen und Innovationen geplant?

Fritthum – Unsere Gesellschaft und somit auch unsere Arbeitswelt drehen sich immer

schneller. Zyklen werden immer kürzer –langfristige Planungen immer schwieriger. Innovativ und flexibel zu sein und auch zu bleiben sind die besten Maßnahmen, auch zukünftig Dienstleistungen anbieten zu können, die unsere Kund:innen verlangen. Sich immer wieder neu zu erfinden und neugierig gegenüber Innovationen zu bleiben, wird der Schlüssel zum Erfolg sein.

Kürzlich feierte Mohr Morawa das 30-JahrFirmenjubiläum. Was hat sich in den drei Jahrzehnten getan?

Fritthum – Natürlich kann man Mohr Morawa aus dem Jahr 1992 nicht mehr mit dem heutigen Unternehmen vergleichen. Die Anforderungen und technischen Möglichkeiten haben sich vor allem in den letzten Jahren enorm verändert – die Grundidee ist aber die gleiche geblieben. Wir sind ein verlässlicher Partner mit Handschlagqualität für Verlage und den Bucheinzelhandel. Diese

Unternehmensphilosophie wird auch zukünftig unser Handeln bestimmen.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Was reizt Sie an Ihrem Beruf?

Fritthum Gestalten zu können und vor allem die Vielfältigkeit des Aufgabenbereiches – von der Budgeterstellung über das Gespräch mit den Kund:innen bis hin zu Messeveranstaltungen und dem Austausch mit meinen Mitarbeiter:innen. Und immer steht dabei das wunderbare Produkt Buch im Mittelpunkt.

anzeiger / 27
anzeiger / 27 – HVB -Mitglieder im Porträt –
Mohr Morawa
„Sich immer wieder neu zu erfinden, wird der Schlüssel zum Erfolg sein“
FOTO: STEFAN KNITTEL

– Die aktuellen Bestseller –

Empfehlungen

Zauberhaftes fürs ganze Jahr

Baumhäuser bauen im Sommer, Bootsfahrten im Herbst, Schlittschuhlaufen im Winter … hier gibt es wunderbare Abendlektüre für jeden Tag des Jahres.

„Zauberhafte GuteNacht-Geschichten“

– Erwin Moser.

Julius Beltz

ISBN: 978-3-407-75720-3

Abenteuer im Dunkeln

Was macht die Katze in der Nacht? Sie sitzt auf dem Dach und wacht. Und was macht die Eule in der Nacht? Und das Schiff, das im Hafen liegt? Es gibt so vieles zu entdecken. Man könnte fast das Zubettgehen vergessen!

„In der Nacht“

– Daniela Kulot.

Gerstenberg, ISBN: 978-3-8369-6199-8

Wimmelei im ganzen Land

Es wimmelt quer durch Österreich! In diesem fröhlichen Wimmelbuch finden kleine und große Leser:innen erstaunlich viel davon, was Österreich so besonders und besonders schön macht.

„Wimmelbuch Österreich“ – Ulrike Halvax. G&G Verlag, ISBN: 9783-7074-2552-9

Woraus ist die Erde gemacht?

Die Entstehung des Universums, die chemischen Elemente, die Kräfte der Physik das Sonnensystem und vieles mehr: Hier lernen Kinder naturwissenschaftliche Phänomene kennen, die unsere Welt ausmachen.

„Atlas der Wissenschaften“ – Loris Stella. Midas Verlag, ISBN: 9783-03876-256-0

Bestseller Jänner 2023

Belletristik

Belletristik Taschenbuch

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COLLEEN HOOVER Nur noch ein einziges Mal DTV Verlagsgesellschaft € 13,40

JEFF KINNEY Gregs Tagebuch 17 Baumhaus Verlag € 15,50

KATJA BRANDIS Woodwalkers – Die Rückkehr (Staffel 2, Band 2). Herr der Gestalten Arena € 16,50

DUSTIN THAO Bleib bei mir, Sam cbj € 16,50

MAGNUS MYST Das kleine Böse Buch (Bd. 1) Ueberreuter Verlag, Kinderund Jugendbuch € 13,40

KATHLEEN GLASGOW Girl in Pieces Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch € 11,30

MARGIT AUER Die Schule der magischen Tiere 13: Bravo, bravissimo! Carlsen € 14,40

KAI HERMANN, HORST RIECK, CHRISTIANE F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo Carlsen € 10,30

HOLLY JACKSON

A Good Girl’s Guide to Murder Farshore € 10,30

J. K. ROWLING

Harry Potter und der Stein der Weisen (Harry Potter 1) Carlsen € 18,50

DELIA OWENS Der Gesang der Flusskrebse Heyne € 12,40

MARIANA LEKY

Was man von hier aus sehen kann Dumont Buchverlag € 12,40

HERA LIND Das letzte Versprechen Knaur Taschenbuch € 12,40

JULI ZEH Über Menschen btb € 12,40

KARSTEN DUSSE Achtsam morden

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ANDREAS GRUBER Todesrache Goldmann € 12,40

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COLLEEN HOOVER Zurück ins Leben geliebt DTV Verlagsgesellschaft € 11,30

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MICHAEL ROBOTHAM Der Erstgeborene Goldmann € 13,99

KATIE MCLANE Fateful Night with my Boss Via Tolino Media € 4,99

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CAMILLA LÄCKBERG

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Nur noch ein einziges Mal DTV Verlagsgesellschaft € 9,99

Im Auftrag des HVB ermittelt das Marktforschungsinstitut media control das gesamte Bestseller-Portfolio. Mit den Bestsellerlisten werden
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1 SEBASTIAN FITZEK
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Seine geliebte Olympia-Schreibmaschine ist nicht von Dietmar Griesers Schreibtisch wegzudenken. Ebensowenig wie die Tukan-Lampe vom Flohmarkt

Ich bin ein

emsiger Typ

Dietmar Grieser hat in seinem Leben mehr als fünfzig Bücher geschrieben. Aber keine Autobiografie und keinen Roman. Ihm geht es um Menschen, die im Hintergrund stehen, und ihre Schauplätze. Das muss reichen, sagt er

Interview: Erich Klein

Fotos : Nini Tschavoll

Der Autor Dietmar Grieser wurde 1934 in Hannover geboren, in Münster studierte er Publizistik und Sozialwissenschaft, seit 1957 lebt er in Wien. Seine Karriere als Verfasser von Bestellern und Longsellern begann 1973 mit Nachforschungen an Schauplätzen der Weltliteratur zwischen Schloss Gripsholm und River Kwai. Es folgten Porträts von Schriftstellerund Künstlerwitwen sowie zahlreiche Reisen in fast alle Kontinente.

Grieser schrieb über heimliche Genies des einstigen Kakanien und große Liebschaften. Das Leben meist unbekannter Diener großer Persönlichkeiten brachte er ebenso zum Leuchten wie den Tiergarten der Weltliteratur. Für eine eigene Autobiografie fehlten dem meisterhaften Stilisten und Autor von über fünfzig Büchern „Geduld und der lange Atem“, wie er selbst sagt. „Geliebte Ukraine“, Griesers kürzlich veröffentlichte literarische Spurensuche zwischen Donezk und Anatevka, erschien wie der Großteil seiner Bücher im Amalthea Verlag. Zum Gespräch kam der heute neunundachtzigjährige Schriftsteller ins Wiener Café Zartl.

Herr Grieser, Sie haben über fünfzig Bücher geschrieben. Das aktuelle ist das wievielte?

Dietmar Grieser – Ich weiß es gar nicht. (lacht) Aber wir könnten jetzt mein FünfzigJahr-Jubiläum als Buchautor feiern. „Von Schloss Gripsholm zum River Kwai“ ist 1973 als Fischer Taschenbuch erschienen. Das Buch sollte eigentlich „An Ort und Stelle“ heißen, aber die Buchhandelsvertreter, die immer das letzte Wort haben, meinten: „Schöner Titel, ‚An Ort und Stelle‘– aber bitte was an Ort und Stelle?“ Es wurden 20.000 Stück gedruckt und alle verkauft. Ich war von meinem ersten Erfolg selber überrascht

und habe gedacht: Ja, das musst du vielleicht fortsetzen …

Beginnen wir trotzdem am Anfang Ihres Lebens: Die ersten Bücher? Grieser – Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, was man mir vorgelesen hat. Beim Einschlafen versuche ich gelegentlich, mich an den ersten Anzug, den ersten Kuss oder das erste Buch zu erinnern. Ich weiß nur, welche ersten Bücher ich selbst aus der Leihbücherei geholt habe Das war natürlich Karl May. Es gab auch eine kurze Phase mit Piraten-Büchern – da konnte man sich so richtig fürchten. Und dann gab es einen Autor, den heute kein Mensch mehr kennt, einen Isländer namens Jón Svensson. Er stammte aus einer armen, großen Familie im Norden Islands und schrieb Abenteuerromane für die Jugend, die mit seiner eigenen Entwicklung zu tun hatten. Er wurde mit zwölf Jahren mutterseelenallein aufs Festland geschickt, man versprach ihm einen Studienaufenthalt in Amerika, er blieb dann aber in Europa. Er wurde katholischer Geist-

licher, kränklich und später von der Gicht so geplagt, dass er nicht einmal mehr die Messe lesen konnte. Aber er konnte schreiben, und seine wunderbaren Geschichten hatten ungeheuren Erfolg. Ich habe sie verschlungen!

Sie waren bei Kriegsende elf, müssen sich also auch noch an einiges aus der Nazizeit erinnern … Grieser – Ich wurde in Hannover geboren, als ich ungefähr drei war, übersiedelte die Familie nach Oberschlesien, wo ich bei der Großmutter aufwuchs. Für meine Mutter waren wir drei Buben zu viel, und meine Großmutter war gerade Witwe geworden. Sie war froh, dass sie jemand um sich hatte. Ich kam 1944 zu den „Pimpfen“ (10- bis 14-jährige Mitglieder des nationalsozialistischen Deutschen Jungvolks, Anm.) und bekam auch die entsprechende Uniform, die ich höchst ungern getragen habe. Nicht aus Widerstandsgeist, sondern weil ich unsportlich bis zum Exzess war. Die Aufmärsche, die wir mitmachen mussten, waren für mich etwas Entsetzliches. Darüber wurde in der Familie nicht gesprochen – im Gegenteil. Wir wurden zur Ordnung gerufen. Als einer meiner Brüder später die SA-Uniform meines Vaters entdeckte, habe ich mir dazu eine Geschichte zurechtgelegt. Mein Vater war Lehrer, er starb sehr früh. In der Familie hieß es immer, der Krieg habe seine Nerven ruiniert. Ich glaube eher, dass er mit der Mitgliedschaft in der SA eine Vorkehrung treffen wollte. Er war geisteskrank, kam auch immer wieder in eine Anstalt – vielleicht hätte er unter den Nazis gar keine Kinder zeugen dürfen. Meine Mutter hat dieses Thema immer weggeschoben und sagte nur: „Ich will darüber nicht sprechen.“ Leider konnte ich mit dem Vater auch nicht mehr über seine

anzeiger / 31 »
– Selbstredend –
„Wir Flüchtlinge waren in Bayern verhasst. Die Bayern saßen in ihrem Fett und hatten noch nie Fremde gesehen“

extra anrief: „Also, den Brecht morgen, den machen wir schon“, hieß es da vom Südwestfunk, und ich habe nicht einmal gewusst, welcher Brecht gerade in Wien gespielt wurde. (lacht)

» „Hermann Hesse für Alte“. Ich habe ihn nach Jahrzehnten wiedergelesen, und er gefiel mir wieder, auch wenn einiges recht betulich ist.

„Reiseberichte“ reden, die er über den Ersten Weltkrieg geschrieben hatte. Als ich seine Berichte über Ostpreußen fand, war ich wie elektrisiert! Die Reiselust habe ich offenbar von ihm.

Ihre Lektüren in der Schulzeit?

Grieser – Da begann ich schon mit Hermann Hesse. In Schneckenhausen bei Kaiserslautern, wo wir bei Verwandten untergekommen waren, hatte man mir im Sommer eine Kuh und eine Ziege zum Hüten anvertraut. Ich zog immer am Nachmittag los. Die Kuh ging brav hinter mir her, aber die Ziege lief in alle Höfe, und die Kinder lachten mich Stadtkind aus. Da hatte ich jedenfalls immer meinen Hermann Hesse bei mir. Ich bereitete mir auf der Wiese eine Ruhestatt, las Hesse und war in einer anderen Welt! Hesse war für mich eine wichtige Figur. Und wenn ich mich an einem Autor festbeiße, will ich alles haben. Später, als ich Geld hatte, habe ich sogar Aquarelle von Hesse gekauft. Das konnte man damals noch. Als ich für das Buch „Glückliche Erben“ den Sohn Heiner Hesse aufsuchte, zeigte mir dieser ganze Kisten mit Blättern seines Vaters. Ich habe mich nicht getraut, ihn auch nur um ein winziges Stück davon zu bitten. (lacht) Als es mir vor einiger Zeit nicht gut ging, bekam ich als Geschenk ein Buch mit dem ungefähren Titel

Wie kamen Sie 1957 nach Österreich? Grieser – Ich war reif für das Weggehen aus dem elterlichen Reich, ich wollte weg aus der Provinz. Auch München hat mir nicht gefallen. Ich habe in Münster studiert, und ein Professor riet mir: „Grieser, Sie müssen nach Wien!“ Das habe ich brav ausgeführt, und dann bin ich hier picken geblieben.

Damals war Wien noch ziemlich grau … Grieser – Das habe ich nicht so empfunden. Ich kam ja aus Deutschland, wo alles viel ärger zerstört war. Ich ließ das Gepäck am Westbahnhof, ging die Mariahilfer Straße hinunter bis zu meinem Hotel am Hafnersteig und dachte – das ist doch eine tolle Stadt! Alles war intakt, es gab keine Ruinen – die autochthonen Wiener sind ja verwöhnt. (lacht)

Sie haben dann als Journalist gearbeitet. Grieser – Ich war Kulturkorrespondent für Deutschland – vor allem für den Rundfunk, aber auch für eine Reihe von Zeitungen, wie die Frankfurter Rundschau oder die Badische Zeitung. Später, als die Bücher kamen, habe ich das reduziert, und zuletzt war ich ein so schlechter Korrespondent, dass man mich

Wie wurden Sie zum Buchautor? Grieser – Ein Redakteur vom Südwestfunk sagte: „Hören Sie mal, wenn Sie ihre Geschichten noch ein bisschen ausbauen, dann könnte das doch ein Buch ergeben.“ Ich stimmte freudig zu, war aber voller Zweifel – mein Selbstwertgefühl ist nicht sehr hoch entwickelt. Vor allem wusste ich nicht, an wen ich mich wenden sollte. Ich habe auch den schweren Fehler gemacht, den junge Autoren oft begehen: Ich dachte, als total unbekannter Autor müsste ich mich wohl an einen ganz kleinen Verlag halten. Natürlich bekam ich keine Antwort! Auf der Frankfurter Buchmesse, zu der ich schon seit meiner Schulzeit immer fuhr, bekam ich dann den Tipp, zu einem großen Verlag zu gehen. Ich habe zuerst gedacht, ich höre nicht recht – von Peter Härtling, dem damaligen Verlagsleiter bei S. Fischer bekam ich dann sehr rasch die Antwort: „Wir machen das.“ Selbst wenn das Buch auf Klopapier gedruckt worden wäre – ich war über Wochen in einem Ausnahmezustand! In ausgewählten Buchhandlungen, in denen ich mich getraut habe, habe ich gefragt, ob man das Buch nicht vielleicht ans Fenster stellen könnte. Das schmale Taschenbuch stand dann wirklich in einer Auslage, und ich weiß nicht, wie oft ich das fotografiert habe. Noch etwas passierte: Als gerade die T-Shirt-Mode aufkam, produzierte der Fischer Verlag ein eigenes T-Shirt mit einem riesigen Logo des Verlages – den drei Fischen. Ich habe das pausenlos und natürlich mit der Absicht getragen, darauf angesprochen zu werden und erklären zu können, dass es um mein erstes Buch ging. (lacht)

Sie haben mit den Büchern gut verdient?

Grieser – Gut – in den 1980er/90er-Jahren war meine große Zeit. Die Vorabnutzung der Texte in deutschen Rundfunksendern war dabei auch wichtig – meine sonntäglichen Sendungen zwischen halb elf und elf wurden auch in der DDR empfangen. Bei manchen Büchern habe ich mit den Radiosendungen mehr verdient als mit den Büchern selbst. Mein Spitzentitel „Eine Liebe in Wien“ erlebte viele Auflagen, auch viele Taschenbuchausgaben. Als das Buch innerhalb weniger Wochen vergriffen war, habe ich mich einmal in einer befreundeten Buchhandlung genauer erkundigt. „Ja, Herr Grieser“, sagte man mir, „das ist doch ganz klar: Das Buch ist vor dem

anzeiger / 32 – Selbstredend –
„Ein Professor riet mir: Grieser, Sie müssen nach Wien! Das habe ich brav ausgeführt, und dann bin ich hier picken geblieben“
Dietmar Grieser

Muttertag erschienen!“ Damals kamen die lieben Kleinen noch in die Buchhandlung, wenn sie etwas für den Muttertag brauchten. Das Buch gelangte so auch in Kreise, die nicht meine Stammkundschaft waren.

Sie haben viele Bücher, aber keine Autobiografie und keinen Roman geschrieben … Gr ieser – Autobiografisches ist über viele Bücher verstreut, und für ein ganzes Buch fehlt mir der lange Atem. Dafür braucht man drei Jahre, und da bin ich zu ungeduldig. Ich mag eher die kurze Distanz. Was den Roman betrifft – das kann ich nicht. Ich kann Ihnen aber eine Anekdote dazu erzählen. Nach einer Lesung in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur wollte der damalige Leiter Kurt Klinger, der mir sehr zugetan war, ein besonders schönes Schlusswort halten. Er sprach sehr melodramatisch und sagte dann: „Und wann, Herr Grieser, schreiben Sie Ihr erstes richtiges Buch?“ Sofort erhob sich Protest aus dem Publikum, ich musste mich dann selbst gar nicht aufregen. (lacht) Die Frage wurde später nicht mehr gestellt, aber es gab natürlich diese Art von Purismus. Später ließ man mich machen, was ich kann.

Umgekehrt gefragt – welches Projekt ist Ihnen nicht gelungen?

Grieser – Wenn es Schwierigkeiten gab, hat mich das nicht gehindert. Ich war immer fest entschlossen, eine Sache durchzuboxen. Es gab natürlich auch Kapitel einzelner Bücher, die nicht zustande gekommen sind. Zum Beispiel bei Leonhard Frank, der heute wahrscheinlich vergessen ist, und dessen Buch „Links wo das Herz ist“. Dessen Frau Charlotte Frank hatte ich für ein Kapitel in „Musen leben länger. Begegnungen mit Dichterwitwen“ vorgesehen. Ich fuhr zu ihr nach München, und wir unterhielten uns wunderbar. Es war aber immer ein Aufpasser dabei, ihr Lebensgefährte, einer, der mit dem Millimetermaßband alles abmaß, was ich sagte. Er wollte dann auch, was ja grundsätzlich legitim ist, den Text gegenlesen. Mein Text kam dann wie eine Schularbeit mit Noten rechts am Rand zurück. Mir war die Witwe Frank doch nicht so viel wert, und ich habe das schließlich gelassen.

Das war die schwierigste Witwe?

Grieser – Die schwierigste war Gertrud Wagner. Die gehörte nicht zu den Dichterwitwen, sondern zu den Witwen aller Art wie Olga Kokoschka oder Frau Furtwängler. Gertrud Wagner war die Witwe von Wieland

Wagner, dem Enkel und Erneuerer von Bayreuth, eine bayerische Tänzerin. Diese Frau wurde als Künstlerin zu Unrecht ins Eck gedrängt, später kam noch eine persönliche Katastrophe hinzu. Wieland Wagner verließ sie und wandte sich der Sängerin Anja Silja zu, die die rechtmäßige Frau Wagner aus ihrer Villa auf Sylt rausgeschmissen hat. Diese Frau wollte ich unbedingt kennenlernen. Ich bekam ihre Nummer und fuhr nach vielen Telefonaten nach Sylt, wo es wahnsinnig kalt war. Da stand ein wunderbares Haus, ganz modern, viel Glas, aber es rührte sich nichts. Ich ging um das Haus und sah dann einen vollkommen erstarrten Menschen in einem Fauteuil sitzen. Das war sie. Ich klopfte. Sie reagierte nicht. Irgendwann wachte sie auf und schaute. Sie ließ mich rein, zuerst nur ins Vorzimmer, wo ich einer Prüfung unterzogen wurde, ob ich überhaupt tauge. Als sie merkte, dass ich Wagner intus hatte und weil sie mich vermutlich vertrauenerweckend fand, kippte das Ganze ins andere Extrem. Sie legte dann los, sodass ich mit meinen Notizen gar nicht mehr nachkam. Kaum war ich wieder in Wien, erhielt ich schon ein Telegramm, das mit den Buchstaben „SOS“ begann …

Sie hat alles abgestritten und widerrufen? Grieser – Mehr oder minder. Nach Beratung mit meinem Anwalt habe ich das trotzdem im Verlag in Druck gegeben. Ich habe natürlich gezittert, aber es ist nichts passiert. (lacht)

Sie haben in Ihrem Leben interessante Menschen gesammelt. Haben Sie einen Unterschied zwischen berühmten und normalen Menschen gemacht? Grieser – Das kann man so sagen. Deshalb wollte die Nationalbibliothek auch die Korrespondenz aus meinem Vorlass haben. Was die Unterschiede betrifft – für mich haben natürlich immer die Namen gezählt. Das muss jetzt nicht für alle Leser:innen passen, und bei zwanzig Kapiteln kann man ja auch sagen, das interessiert mich nicht. Für mich selbst waren alle interessant. Die Ergiebigkeit war unterschiedlich – manche haben nicht richtig den Mund aufgemacht, und manchmal musste ich auch ein bisschen Gewalt ausüben, aber keine körperliche, wie Sie sich vorstellen können. Zu Frau Tucholsky fuhr ich an den Tegernsee, klopfte einfach am Gartentor und sagte, ich möchte nur einen Blick ins Haus werfen. Ich wurde eingelassen und bekam später ein Telegramm von ihr, in dem sie mich dafür bewunderte, dass ich es geschafft hatte, sie so einfach reinzulegen. (lacht)

Kontinent Kinderbuch

Geschäftsführerin des Instituts für Jugendliteratur, www.jugendliteratur.at

Anti-Aging für Profis

Ab welchem Alter man sich mit Anti-Aging beschäftigt, ist eine individuelle Entscheidung. In der Jugendliteratur ist es ja nicht so Thema. Die meisten Teenager wollen nicht jünger, sondern möglichst bald erwachsen werden, um das oft nicht so traute Heim verlassen und selbstbestimmt leben zu können. (Familie ist in der Literatur meistens nicht schützendes Nest, sondern Konfliktzone, wenn nicht Kriegsgebiet. Lesen Sie mal in Tamara Bachs aktuellen Jugendroman „Honig mit Salz“ bei Carlsen rein.) Wenn man dann erwachsen ist, empfiehlt sich mit zunehmendem Verlust der körperlichen Spannkraft ein möglichst entspannter Umgang mit dem Altern. Hierzu erhoffe ich mir Trost und Rat von Michael Stavarič und Michèle Ganser und ihrem neuen Buch „Faszination Qualle“ (Leykam), dem Nachfolger der vielfach preisgekrönten Kraken. Quallen sind wahre Überlebenskünstler. Wenn sie in die Jahre kommen und die Zellen ihre Aufgaben nicht mehr optimal erfüllen, führen sie eine Verjüngungskur durch. Dafür sinken sie zu Boden und regenerieren sich. Ich bin mir nicht sicher, ob es denselben Effekt hat, wenn ich mich auf den Teppich lege, aber ich arbeite daran.

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Kommen wir zu Ihrem Buch „Geliebte Ukraine“. War es Ende der 1970erJahre, zur Hochzeit des Kalten Krieges, nicht schwierig, in die Sowjetunion zu reisen? Grieser – Als ich zum ersten Mal für die Geschichte über Georg Trakl nach Lemberg fahren wollte, der in dieser Gegend sein berühmtes Gedicht „Grodek“ schrieb, gab es ein Missverständnis. Ich war zu blöd, einfach zu sagen „nach Lwow oder Lviv“, wie die Stadt heute heißt. Ich habe mich im Reisebüro darauf verlassen, dass man Lemberg kennt – es gab aber nur ein Lemberg bei Bremen. (lacht) Man durfte bei diesen Reisen in den Osten nicht auffallen, hatte als Tourist einen kleinen Spielraum, und ich war ein Tourist mit besonderen Interessen. Am wenigsten waren das politische Interessen – vielmehr war ich davon besessen, die jeweiligen Schauplätze zu finden. Alles andere war Beiwerk. Es mag zynisch klingen, aber die Schwierigkeiten, die einem im Ostblock gemacht wurden, waren den Geschichten zuträglich, die ich schrieb. In Amerika war das Gegenteil der Fall: Du willst dich an John Steinbeck oder Thomas Wolfe heranarbeiten, und es wird dir alles serviert. Für dich als Autor bleibt nicht viel übrig. Insofern war der Ostblock viel interessanter. Du wurdest verdächtigt, Spionage oder sonst etwas zu treiben –

wofür ich ohnedies zu dumm gewesen wäre. Es ist mir nie wirklich etwas passiert. Nur einmal wurde ich auf Zypern für ein paar Stunden verhaftet, weil ich mich an einer Mole herumtrieb. Zum Ukraine-Buch muss ich noch sagen – es war nicht geplant, es entstand aufgrund der aktuellen Umstände. Als der Krieg in der Ukraine begann, fiel mir ein, da warst du doch schon. Was die Unterstützung der Ukraine betrifft – da steht Österreich in der gesamten EU ziemlich weit hinten, an vorletzter Stelle vor Bulgarien. Da sind wir nicht gut. Bei einer Lesung sprach mich eine Leserin an, eine Bildungsbürgerin wie ich selbst. Sie sagte: „Herr Grieser, gibt’s wieder was Neues? Ja, was denn?“ Als ich das Thema nannte, meinte sie nur: „Na, Jessas –das ist aber kein Reiseland!“ Man kann doch nicht die ganze Welt und schon gar nicht dieses geschundene Land als Badestrand sehen!

Wie viele Bücher haben Sie in Ihrem Leben gelesen?

Gr ieser – Ich habe immer gelesen und lese noch immer. Ich kann gar nicht einschlafen, ohne zu lesen. Es waren unendlich viele Bücher, eine Zahl kann ich aber nicht sagen. Was die Sache heikel macht, denn ich kaufe die Bücher auch und habe eine Unmenge zuhause. Ich lasse viel Geld in Buchhandlungen

und brauche die Buchhandlungen auch. Was ich nicht mache – ich lese die Bücher nicht öfter – rerum novarum cupidus.

Wenn Sie immer etwas Neues brauchen – wie verhält es sich mit Klassikern?

Grieser – Ich traue mir nicht zu sagen, dass ich Stifter wirklich lese, aber ich habe eine große Zuneigung zu Stifter. Was ich verschlinge, ist Sachliteratur, weil ich Wissen für meine Geschichten ansammle. Joseph Roth ist einer meiner großen Lieblinge, ich schmücke mich auch gerne mit Marcel Proust. Aber das läuft dann schon unter der Bezeichnung „Biografisches“ – bei Proust gibt es ja laufend Neues. Was immer schwieriger wird, das sind die Briefe. Ich habe ganze Briefsammlungen angekauft. Für künftige Generationen wird das schwierig sein, weil es keine Briefe mehr gibt.

Sie haben einmal gesagt, Sie können nicht nichts tun …

Gr ieser – Das lässt nach. Ich bin ein emsiger Typ, der heute schon eine ungefähre Vorstellung haben muss, was morgen am Programm ist. Das war früher von sieben bis zehn Uhr, jetzt von zehn bis zwölf. Ich muss wissen, was unterzubringen ist. Dann kommt das Mittagessen bei meinem Partner und begnadeten Koch Schi. Ich trinke ein Achtel Weißwein, abends in großen Zügen Roten. Dann bin ich müde, und man kann von mir nichts mehr haben, nur noch lesen.

Woran schreiben Sie?

Grieser – Es kommt nichts mehr. Ich schreibe nicht mehr. Man macht mir das sogar zum Vorwurf, weil ich doch versprochen hätte, dies und jenes noch zu machen. Dass manche Leute darin einen Treuebruch sehen, ist schon recht gewöhnungsbedürftig. Ich korrespondiere. Die meiste Post, die ich bekomme, sind Spendenaufrufe und Bankauszüge. Heute ist der Großteil der Korrespondenz ins Internet verlagert. Ich mache das anders –ich schreibe mit der Hand einen Brief, scanne ihn und schicke ihn dann per E-Mail.

Haben Sie in Ihrem Schreiberleben etwas versäumt?

Grieser – Durch mein biografisches Schreiben ist viel ins Hintertreffen geraten, was auch Folgen hat. Im Gegensatz zu meinem Freund Norbert Leser, der sich mit den letzten Dingen wirklich beschäftigt hat und mir auch vorhielt, dass ich diesbezüglich säumig bin – bei mir ist das in der vielen Arbeit untergegangen. Die letzten Dinge haben mich bis jetzt noch nicht erreicht.

anzeiger / 34 « – Selbstredend –
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„Ein Redakteur vom Südwestfunk sagte: Hören Sie mal, wenn Sie Ihre Geschichten noch ein bisschen ausbauen, dann könnte das doch ein Buch ergeben“
Dietmar Grieser

Das neueste Buch von Dietmar Grieser

Dietmar Grieser: Geliebte Ukraine. Auf literarischer Spurensuche zwischen Donezk und Anatevka

Amalthea Verlag, Wien 2022

ISBN: 978-3-99050-238-9

Was haben der Stoßarbeiter Alexej Stachanow, der Revolutionär Leo Trotzki, Leopold von Sacher-Masoch, die Pädagogin und Frauenrechtlerin Eugenie Schwarzwald, der Startenor Joseph Schmidt und der Dichter Georg Trakl gemein? Sie stammen alle aus der Ukraine.

Ende der 1970e-Jahre am Höhepunkt des Kalten Krieges reiste Dietmar Grieser erstmals in das damals vergessene „Land an der Grenze“.

Die Ukraine galt noch als „Russland“, der westliche, einst zum Habsburgerreich gehörige Landesteil hatte bestenfalls in verklärenden

Monarchie-Reminiszenzen überlebt. Selbst hinzufahren, um den Schauplatz von Georg Trakls letztem Gedicht „Grodek“ oder den Geburtsort des Namensgebers des „Masochismus“ in Augenschein zu nehmen, erwies sich als Problem: Wo liegt Lemberg? Und wie hieß dieser Ort in Ostgalizien neuerdings? Lwow? Lviv?

Als Grenzregion der UdSSR war die Stadt besonders rigorosen Reisebeschränkungen unterworfen. Es waren zahlreiche Zufälle und eine gehörige Portion Chuzpe, die Dietmar Grieser ans gewünschte Ziel führten. Im südukrainischen Wossnessensk entdeckt er die hochdramatische Lebensgeschichte des sogenannten

Rumpfmenschen Nikolai Kobelkoff, der in den 1920er-Jahren zum legendären Schausteller im Wiener Prater avancierte. In der Nähe von

Kiew identifiziert er die durch das Musical „Anatevka“ weltberühmt gewordene ScholemAljechem-Figur Tewje. Jahre später parliert er in der New Yorker Park Avenue mit der Enkelin des Ahnherren der jiddischen Literatur Bel Kaufman. In Paris kontaktiert er die Witwe des aus Czernowitz stammenden Dichters Paul Celan und erlebt einen kühlen Empfang.

Und vierzig Jahre bevor die ostukrainische Industriemetropole Donezk aufgrund des russischen Angriffskrieges auf grausame Weise in Erinnerung gerufen wird, findet er dort Spuren des Bergmanns und einstigen „Helden der Arbeit“ Alexej Stachanow.

Resümee des Autors: „Den Titel des vorliegenden Buches verstehe ich nicht zuletzt als Aufforderung an uns alle, dieses geschundene Land und seine Menschen besser kennenzulernen, sie mit allen unseren Kräften zu unterstützen, sie zu lieben.“

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anzeiger / 35
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Auf nach Gomorrha!

DYLAN THOMAS: UNDER MILK WOOD

Eigentlich ist „Unterm Milchwald“, das berühmteste Hörspiel aller Zeiten, ein Gedicht. Sein Verfasser, der Dichter Dylan Thomas (1914–1953), trug es während einer Amerikareise im November 1953 erstmals vor. Als richtiges Hörspiel wurde „Under Milk Wood“ von der BBC erst einige Monate nach dem frühen Tod des da mals neununddreißigjährigen Walisers gesendet.

Eine Stadt am Meer erwacht an einem Frühlingsmorgen:

„Du kannst den Tau fallen hören und den Atem der schweigenden Stadt … Und du allein kannst den unsichtbaren Sternenfall hören, jede genaue, vorm-Dämmern-noch-dunklere, taubetupfte Regung des schwarzen, schollenvollen Meeres. … Horch!“ Was so hym nisch beginnt und sich über achtzig Seiten nicht weniger ekstatisch erstreckt, ist ein tobender, tosender Strom von Wörtern, verteilt auf siebzig Stimmen, die sich aus der amorphen Welt des Schlafes erheben, um als Traumrede zuletzt wieder in die Nacht zu versinken. Gesprochen wird über Einsamkeit und Leidenschaften, über Liebe, Tod und Sex. Bisweilen abstrus, manchmal voller Witz und Groteske. „Meine Metapher ist der Mensch“, sagte Dylan Thomas einmal. Seine Geschäftsleute und Handwerker, Fischer, Rentner, Hausfrauen, der Briefträger, der Pfarrer, der Organist und der Totengräber nehmen geradezu mythische Größe an. Schauplatz ist der erfundene Ort Llaregubb – ein Name, so der Autor, der von hinten zu lesen sei: „bugger all“.

Lebende und Tote treten auf: Kapitän Cat träumt von seinem gesunkenen Schiff, die Besitzerin des Süßwarenladens von ihrem Liebsten, dem Tuchhändler. Die Witwe Misses Ogmore-Pritchard piesackt selbst im Traum ihre beiden verstorbenen Ehemänner, und die Lehrerin Gossamer Beynon träumt den ganzen Tag von Sindbad dem Seefahrer. Mit dem Krähen des Hahnes erwacht der 500-Seelen-Ort und ein „lerchenfröhlicher, glockenklingender Frühlingsmorgen“ beginnt. Hochwürden Jenkins begrüßt die walisische Kleinstadt am Meer singend. Welt- und Lebenszeit werden auf einen Tag zusammengepresst. In dessen Verlauf breitet sich nach anfänglicher Geschäftigkeit allmählich apokalyptische Schlaffheit voll surrealer Bilder aus. Allein die junge Mae Rose hängt zuletzt noch voller Unschuld ihren Träumen nach. Freimütig bekennt sie: „Ich bin ein Luder. Gott wird mich totschlagen. Ich komme in die Hölle. Ich werde sündigen bis es mich zerreißt.“ Jack Black, der Schuster, erkennt in der Dämmerung den Satan und setzt einen abrupten Schlussakkord: „Auf nach Gomorrha!“ Die „P rosa mit Blutdruck“, wie der Dichter Dylan Thomas sein Satyrspiel charakterisierte, klingt mit einem obszönen Liebeslied und einem sarkastischen „Fahr doch zur Hölle!“ aus. „Die lichte Nacht wird dunkler“, heißt es dann noch und eine Brise zieht durch den Milchwald, in dem geseufzt, gesündigt und weitergeträumt wird. Der Wald erwacht magisch zum zweiten, dunklen Mal an diesem Frühlingstag. „Unterm Milchwald“ von Dylan Thomas ist ein Stück für die Ewigkeit, zu Recht ein Klassiker!

Dylan Thomas: Unterm Milchwald. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Jan Wagner. Hanser 2022

ISBN 978-3-446-27415-0

anzeiger / 36 – Klassiker –neu entdeckt
Text: Erich Klein Illustration: Katharina Klein
„Dylan Thomas ist für das englische Volk heute Bild und Inbegriff des Dichters“
Erich Fried

– Kurz vor Schluss –Gastkommentar

Österreichische Literatur für die Welt

Vielstimmig, divers und lesenswert: Mit dem „Jahr der österreichischen Literatur“ wird die heimische Literatur in die ganze Welt getragen

Text: Denise Quistorp

Das Außenministerium hat den Gastland-Auftritt Österreichs bei der Leipziger Buchmesse im April 2023 zum Anlass genommen, in einem Jahr der Literatur über Botschaften, Kulturforen, Generalkonsulate und Österreich-Bibliotheken weltweit die vielfältige, traditionsreiche und experimentierfreudige österreichische Literatur und Verlagslandschaft in den Fokus zu rücken. Das Motto des Gastlandauftritts, meaoiswiamia, beschreibt auch das Anliegen unserer Arbeit: nämlich Österreich über seine Literatur als ein offenes, vielsprachiges und innovatives Land zu zeigen, das zum Gespräch einlädt.

Das Jahr der Literatur begann 2022 zu einer Zeit, als wegen Corona die Leipziger Buchmesse abgesagt werden musste und wir unter dem Schock des Angriffskriegs auf die Ukraine standen. Wie können wir da Kultur denken und Bücher lesen, was ist relevant in so einer Zeit? Genau das! Denn gerade die

Literatur kann helfen zu verstehen – die Welt, die Vielfalt und die Nuancen des Menschlichen. Als Kulturforum wollen wir daher viele Begegnungen mit Literatur ermöglichen. Die großartige Zusammenarbeit mit Katja Gasser und dem Gastlandprojekt Österreich in Leipzig bescherte uns Highlights mit Dzevad Karahasan, Karl Markus Gauss, Michael Köhlmeier und Eva Menasse. Darüber hinaus unterstützten wir Lesungen in ganz Deutschland: Bis dato sind wir an 25 Veranstaltungen mit 31 Autor:innen und sieben Verlagen an 13 Locations mit 24 Kooperationen aktiv beteiligt. Und wir haben etwa 250 Veranstaltungen österreichischer Autor:innen beworben, was sich auch merkbar in den Medien niederschlägt. Auch anderswo gab es Interessantes: in Tokio eine Ausstellung zu Ilse Aichinger, „Der Mann ohne Eigenschaften“ auf Albanisch in Tirana, Franzobel in New York mit „Einsteins Hirn“ und Stefan Kutzenberger im Silicon

Valley, wo er mit der KI DALL-E Schieles Gedichte in Bildwelten verwandelte.

Im Rahmen des „schreibART AUSTRIA“Programmes des Außenministeriums konnten 56 österreichische Autor:innen in den letzten Jahren ihre Bücher in der ganzen Welt präsentieren. Ein wichtiger Partner ist dabei das Übersetzungsnetzwerk Traduki. In mehr als 600 Literaturveranstaltungen pro Jahr kommen heimische Autor:innen weltweit mit Kolleg:innen ins Gespräch. In den Internationalen Literaturdialogen mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur haben wir diesen Dialogansatz weiterentwickelt. Mit der Anthologie „Wot da Future! Literarische Dialoge“ werden sie in Leipzig zu Gast sein Literatur ermöglicht Dialoge über Grenzen. Und Dialoge geben kreative Impulse, schaffen aber auch Verständnis füreinander und damit Vertrauen. Das ist die Basis für Zusammenarbeit in allen Bereichen, auch weit über die Kultur hinaus.

Kulturdiplomatie, wie wir sie verstehen, ist damit immer auch ein Stück Arbeit für den Frieden.

ILLUSTRATION: GEORG FEIERFEIL, FOTO: DENISE QUISTORP
Denise Quistorp, Direktorin des Österreichischen Kulturforums Berlin
„Dialoge geben kreative Impulse, schaffen aber auch Verständnis füreinander und damit Vertrauen“
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Veranstaltungen März 2023

MITTWOCH, 1. 3.

Herbert Dutzler: „Letzter Tropfen“ (Kunsthaus Weiz, Rathausgasse Eingang Elingasse, 8160 Weiz, 19:00)

DONNERSTAG, 2. 3.

Arno Geiger: „Das glückliche Geheimnis“ (Stifter Haus Linz, Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz, 19:30)

Macaulay & Stieblich lesen Briefe von Astrid Lindgren (Cinema Paradiso St. Pölten, Rathausplatz 14, 3100 St. Pölten, 20:00)

FREITAG, 3. 3.

Lena-Marie Biertimpel: „Luftpolster“ (OKH –Offenes Kulturhaus Vöcklabruck, Hans HatschekStraße 24, 4840 Vöcklabruck, 19:00)

Jojo Moyes: „Mein Leben in deinem“ (Village Cinemas Wien Mitte, Landstraßer Hauptstraße 2a, 1030 Wien, 20:00)

SAMSTAG, 4. 3.

Guido Tonelli: „Chronos. Eine physikalische Reise zu den Ursprüngen der Zeit“ (Odeon, Taborstraße 10, 1020 Wien, 11:00)

Chiara Gamberale: „Im Vaterleib“. Moderation:

Tania Spagnoli, Lesung: Lorena Pircher: (Odeon, Taborstraße 10, 1020 Wien, 20:00)

SONNTAG, 5. 3.

Paolo Di Paolo: „100 Jahre Italo Calvino“ (Odeon, Taborstraße 10, 1020 Wien, 17:00)

Michael Schottenberg: „Von Hanoi nach Mödling“ (Bühne Mayer Mödling, Kaiserin ElisabethStraße 22, 2340 Mödling, 18:00)

MONTAG, 6. 3.

Sinthujan Varatharajah: „An alle orte, die hinter uns liegen“. Lesung & Gespräch (Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg, 19:30)

DIENSTAG, 7. 3.

Shelly Kupferberg: „Isidor. Ein jüdisches Leben“ (Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg, 19:30)

MITTWOCH, 8. 3.

Mieze Medusa: „Was über Frauen geredet wird“ (Frauenmuseum Hittisau, Platz 501, 6952 Hittisau, 19:00)

Antonio Fian, Verena Roßbacher: Literatur – Landschaft – Identität. Autor*innen-Begegnungen in Oberösterreich, Kärnten und Vorarlberg (Felder-Archiv, Kirchstraße 28, 6900 Bregenz, 19:30)

DONNERSTAG, 9. 3.

Konrad Paul Liessmann: „Lauter Lügen“ (Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30, 8010 Graz, 19:00)

Lena Marie Biertimpel ist am 3. März in Vöcklabruck

FREITAG, 17. 3.

Stefan Slupetzky: „Lemmings Blues“. Lesung mit musikal. Begleitung Trio Lepschi: (Buchhandlung Orlando, Liechtensteinstraße 17, 1090 Wien, 19:00)

SAMSTAG, 18. 3.

Mareike Fallwickl: „Die Wut, die bleibt“ (Kulturhaus Emailwerk, Anton-Windhager-Straße 7, 5201 Seekirchen am Wallersee, 20:00)

MONTAG, 20. 3.

Literatur im Café: Silvia Pistotnig, Ursula Wiegele (Café Central, Herrengasse 17, 1010 Wien, 19:00)

DIENSTAG, 21. 3.

Robert Prosser: „Verschwinden in Lawinen“ (Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30, 8010 Graz, 19:00)

MITTWOCH, 22. 3.

Franz Küberl: „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ (Buchhandlung Herder, Wollzeile 33, 1010 Wien, 19:00)

„Meaoiswiamia“ bei Hartliebs: Sofia Andruchowytsch liest am 28. 3. aus ihrem neuen Roman

FREITAG, 10. 3.

Thomas Bugnyar: „Raben“ (Musette Shop, Westbahnstraße 50, 1070 Wien, 18:00)

SONNTAG, 12. 3.

Bernadine Evaristo: „Mr. Loverman“ (Rabenhof, Rabengasse 3, 1030 Wien, 20:00)

MONTAG, 13. 3.

13. 3.–17. 3.: Heinz Janisch und Michael Ro her: „Seid zart und aufsässig!“ (Junges Literaturhaus Rostock, Doberaner Straße 21, 18057 Rostock)

Clemens J. Setz „Monde vor der Landung“ (Stifter Haus Linz, Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz, 19:30)

MITTWOCH, 15. 3.

Irene Diwiak: „Sag Alex, er soll nicht auf mich warten“/ Ana Marwan: „Verpuppt“ (Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30, 8010 Graz, 19:00)

DONNERSTAG, 16. 3.

16. 3.–30. 4.: Ma rko Zink, Elfriede Jelinek: „Sie sehen aber jetzt schon ganz anders aus“ (Galerie KUB, Kantstraße 18, 04275 Leipzig)

Literarisch Österreicher*in? Kaśka Bryla, Sepp Mall sowie Anna und Wolfgang Herzig (Literaturhaus am Inn, Josef-Hirn-Straße 5/ 10. Stock, 6020 Innsbruck, 19:00)

DONNERSTAG, 23. 3.

Lost & Found in Motion. GrenzverkehrKummerkästen (Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg, 19:30)

FREITAG, 24. 3.

Anita Augustin: „Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußert hässliche Tier“ (Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg, 19:30)

MONTAG, 27. 3.

Daniela Brodesser: „Über Armut wisst ihr nichts“ (Hauptbücherei/Büchereien Wien, Urban-LoritzPlatz 2a, 1070 Wien, 19:00)

Markus Meyer liest Stanislaw Lem: „Der Schnupfen“ (Musikverein, Bösendorferstraße 12, 1010 Wien, 20:00)

DIENSTAG, 28. 3.

Verlagsporträt Leykam Verlag (Österr. Gesellschaft für Literatur, Herrengasse 5, 1010 Wien, 19:00)

Sofia Andruchowytsch: „Die Geschichte von Romana“: Gespräch mit der Autorin und Tanja Maljartschuk (Hartliebs Bücher, Porzellangasse 36, 1090 Wien, 19:30)

DONNERSTAG, 30. 3.

30. & 31.3.: Internationales Festival junger Literatur (Facultas Dombuchhandlung, Stephansplatz 5, 1010 Wien 19:00)

anzeiger / 38 – Buchtermine –
FOTOS: CHRISTOPH WELKOVITS, VALENTYN KUZAN zu Gast

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