DSO Nachrichten 03/04 2013

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März | April 2013

dSO -nAcH R IcHtE n Chefdirigent und Künstlerischer Leiter T UG AN SOKHIE V

ein Ensemble der

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Eine Publikation des deutschen Symphonie-Orchesters berlin

Purer nervenkitzel Stephen Hough im Gespräch —–– S. 3 zurück in die zukunft Tugan Sokhiev und Emanuel Ax —–– S. 5 Von licht übergossen Julian Kuerti —–– S. 6 Im bann der zeitgenossen Christian Zacharias —–– S. 7


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Editorial und Kurzmeldungen

Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Liebe Leserinnen und Leser der DSO-Nachrichten,

Inhalt

das Konzert vom 23. März 1960, das im Rahmen der Reihe ›Musik der Gegenwart‹ im Großen Sendesaal des SFB stattfand, habe ich noch in guter Erinnerung: Auf dem Programm stand die Uraufführung meiner ›Lieder auf der Flucht‹, nach Gedichten von Ingeborg Bachmann. Ich war damals 24, Student bei Boris Blacher, und ich profitierte enorm von der Erfahrung, zum ersten Mal eine meiner Kompositionen, von einem großen Orchester aufgeführt, im Konzertsaal hören zu können. Es spielte damals: Das Radio-Symphonie-Orchester Berlin, das heute Deutsches Symphonie-Orchester Berlin heißt.

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2 Willkommen

Editorial und Kurzmeldungen

3 Stephen Hough

Der britische Pianist im Gespräch

4 Weltraumtod und Heldenleben

Pablo Heras-Casado und Patricia Kopatchinskaja

Seit jenem ersten Abend haben das DSO und ich bei zahlreichen Konzertprojekten intensiv zusammengearbeitet — u.a. 1969 bei der Uraufführung von ›Inane‹ (mit der unvergesslichen Sopranistin Joan Carroll) oder von ›Ein apokalyptisches Fragment‹ 1987. Bei letzterem saß ich neben der Sängerin Doris Soffel, für die ich das Stück geschrieben hatte, unter dem Dirigat Gerd Albrechts auch selbst als Solist am Klavier. In diesen mehr als 50 Jahren ist mir das DSO sehr ans Herz gewachsen. Das Orchester zeigte immer ein beachtliches Verständnis für meine Musik, und ich habe sie vom DSO immer so gehört, wie ich sie mir vorgestellt hatte — das ist ein großes Geschenk.

Ein Lügner auf Abenteuerreise Kulturradio-Kinderkonzert

5 Zurück in die Zukunft

Tugan Sokhiev und Emanuel Ax

6 Vom Licht übergossen

Julian Kuerti und Christine Brewer

Lyrisches Getöse

Tugan Sokhiev und Antoine Tamestit

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Am 2. und 3. März leitet der neue Chefdirigent Tugan Sokhiev eine Aufführung meiner Komposition ›Nahe Ferne‹ —–– S. 5. Ich freue mich sehr, dass auch er diese gemeinsame Tradition fortsetzen wird.

Im Bann der Zeitgenossen

Christian Zacharias und Thomas Hecker

Pultnotiz

Thomas Hecker, Solo-Oboist des DSO

Herzlichst, Ihr

Brückenschlag aus England Sir Mark Elder und Imogen Cooper

8 Konzertkalender

Aribert Reimann Komponist

Alle Konzerte im März und April

Kammermusik in der Villa Elisabeth

10 Jahre Abonnentenorchester des DSO

›Musik nach Bildern‹ im Radialsystem am 13.04.

Die beliebte Reihe der Kammerkonzerte mit Musikern des DSO in der Villa Elisabeth findet mit zwei Konzerten im März und April ihre Fortsetzung. Als ›Symphonic Percussion Berlin‹ haben sich zwei Schlagzeuger des DSO (Jens Hilse, Henrik Magnus Schmidt) und zwei der Deutschen Oper Berlin (Rüdiger Ruppert, Björn Matthiessen) zusammengefunden. Gemeinsam mit dem Pianisten Dirk Mommertz gestalten Sie am 17. März einen Nachmittag mit Werken für Marimbaphone, Schlagzeug und Klavier u.a. von Iannis Xenakis, John Cage und Tōru Takemitsu. Das Adamello Quartett — bestehend aus Clemens Linder und Nikolaus Kneser (Violine), Susanne Linder (Viola) und Adele Bitter (Violoncello) — widmet sich am 19. April dem einzigen Streichquartett Giuseppe Verdis und stellt diesem Giacinto Scelsis Drittes Streichquartett aus dem Jahr 1963 gegenüber. Die vollständigen Programme finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik.

Seit nunmehr zehn Jahren existiert diese in Berlin einzigartige Institution. Heinz Radzischewski, der Stellvertretende Solo-Trompeter des DSO, hat sie 2003 ins Leben gerufen. Unter seiner Leitung spielen gestandene Laienmusiker, Abonnenten und Freunde des DSO, neben ehemaligen Profis. Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin kommen gerne als Solisten dazu oder arbeiten mit einzelnen Stimmgruppen, und auch Chefdirigent Tugan Sokhiev leitet in guter Tradition eine der Proben. Diese finden Montags von 19.30 bis 22 Uhr im Ferenc-Fricsay-Saal statt, neue Mitglieder sind jederzeit willkommen. Am 9. März feiert das Abonnentenorchester sein zehnjähriges Bestehen mit einem Jubiläumskonzert zu Gunsten der Stiftung Lebenshilfe Berlin im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks. Auf dem Programm stehen Beethovens Violinkonzert (mit Isabel Grünkorn als Solistin) und die Fünfte Symphonie von Tschaikowsky. Weitere Informationen: dso-berlin.de/aboorchester

Bildende Kunst gehört zu den wichtigsten Inspirationsquellen des Komponisten Walter Steffens. Seit 1961 hat er mehr als 100 Werke nach Gemälden von Künstlern wie Hieronymus Bosch, Paul Klee oder Pablo Picasso komponiert. Sein Violinkonzert ›555‹, eine musikalische Bildreflexion zu ›Abstract Painting (555)‹ von Gerhard Richter, entstand als Auftragskomposition für Bayer Kultur. Die Uraufführung findet am 12. April im Forum Leverkusen statt, am Tag darauf ist das Konzert im Berliner Radialsystem V zu erleben, zusammen mit Edward Elgars ›Enigma-Variationen‹. Den Solopart übernimmt die Geigerin Alina Pogostkina, die sich — wie der Dirigent Martyn Brabbins — auch als Interpretin zeitgenössischer Musik einen Namen gemacht hat. Richters Gemälde aus dem Jahr 1984 steht im Zentrum einer Ausstellung der Sammlung Bayer, die vom 21. März bis 9. Juni 2013 im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen ist.

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Sa 13. April 20 Uhr Radialsystem V

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So 17. März 17 Uhr Villa Elisabeth

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Fr 19. April 20.30 Uhr Villa Elisabeth

Karten zu 15 € AboPlus-Preis, Schüler und Studenten 10€

Sa 9. März 20 Uhr Haus des Rundfunks Karten zu 10 €

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Karten zu 25 € und 30 €

In Zusammenarbeit mit


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Stephen Hough im Gespräch

P urer Nerve n k i t z e l Der Pianist Stephen Hough über Johann Nepomuk Hummel und sein Konzert am 06.04.

Stephen Hough gehört zu den wichtigsten britischen Musikern der Gegenwart. Der Gewinn des New Yorker Naumburg-Wettbewerbs 1983 eröffnete dem damals 21-jährigen Pianisten die internationale Karriere. Seitdem ist er ein regelmäßiger Gast der großen Orchester, Kammermusikpartner von Musikern wie Steven Isserlis, Tabea Zimmermann oder dem Emerson Quartet und hat sich auch als Komponist einen Namen gemacht. Das künstlerische Schaffen Stephen Houghs ist mittlerweile auf mehr als 50 CDs dokumentiert. 1995 gab er sein DSODebüt mit Bartóks Drittem Klavierkonzert, 2009 interpretierte er Mendelssohns Erstes Concerto unter der Leitung Andrew Manzes. Am 6. April kehrt er mit dem a-Moll-Konzert von Johann Nepomuk Hummel zum DSO zurück.

brenne. Würde ich nicht mehr komponieren, hätte ich trotzdem kein schlechtes Gefühl dabei, nur noch Werke anderer zu spielen. Dennoch bin ich der Meinung, dass alle Musikstudenten auch einmal komponieren sollten. Es ist eine Kulturtechnik, wie das Schreiben auch. Sie sind Komponist und Pianist, Autor und Blogger, hatten kürzlich eine erste Einzelausstellung Ihrer Gemälde. Man hat Sie aufgrund Ihrer vielen Begabungen bisweilen als »Universalgelehrten« oder »Renaissancemenschen« bezeichnet. Folgen Sie der Idee eines »vollständigen Künstlers«? Nicht bewusst, hoffe ich … Ich bremse mich aber einfach nicht mehr dabei, das auszudrücken, was ich empfinde — so wie ich das früher getan habe. Klavierspielen ist für mich kein Selbstzweck. Musik spielen, Musik hören, Musik schreiben — das ist für mich eins. Das Visuelle und das Verbale gehören für mich ebenfalls dazu. Am 6. April sind Sie mit Johann Nepomuk Hummels a-MollKonzert beim DSO zu hören. Zu Lebzeiten war Hummel einer der bekanntesten Virtuosen und Komponisten, heute wird er kaum noch gespielt. Woran liegt das? Alle großen Pianisten und Komponisten des 19. Jahrhunderts spielten Hummel — Franz Liszt, Robert und Clara Schumann, Johannes Brahms —, und ohne Hummel wären die beiden Konzerte von Chopin undenkbar. Er war das entscheidende Bindeglied zwischen dem Klassizismus Mozarts und dem, was später kam, als die Flügel größer wurden und mehr Möglichkeiten für virtuoses Spiel boten. Dass uns seine Musik heute vielleicht etwas unscheinbar vorkommen mag, liegt vermutlich daran, dass wir uns so sehr an harmonisch gehaltvolle Kost gewöhnt haben. Zudem sind Hummels Klavierparts unglaublich anspruchsvoll, voll heikler Doppelgriffe und schneller Passagen. Die lernt man nicht einfach so nebenbei, sie brauchen Stunden sorgfältiger Vorbereitung. Und es ist Musik, die nur dann gut klingt, wenn sie gut gespielt wird — darin ähnelt sie Meyerbeer oder Weber. Man muss den puren Nervenkitzel dieser schlichten, diatonischen Harmonien und der stürmischen rhythmischen Energie, der ihr innewohnt, erst entdecken.

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Edvard Grieg Auszüge aus den ›Peer Gynt‹-Suiten Johann Nepomuk Hummel Klavierkonzert Nr. 2 a-Moll Jean Sibelius Symphonie Nr. 5 Es-Dur Osmo Vänskä Stephen Hough Klavier Sa 6. April 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 59 € AboPlus-Preis ab 17 €

Stephen Hough, in Ihrem Repertoire, besonders unter Ihren Aufnahmen, finden sich — neben hochgelobten Klavierkonzerten von Tschaikowsky, Rachmaninoff oder Saint-Saëns — etliche ungewöhnliche, selten gespielte und unbekannte Werke. Ist Neugierde Ihre künstlerische Antriebskraft? Die Meisterwerke des Mainstream liebe ich schon am meisten; nicht ohne Grund werden sie so oft gespielt. Das sollte einen aber nicht davon abhalten, neugierig auf weniger beachtete Werke zu sein, denn einige — wie das Hummel-Konzert — sind von wesentlicher historischer Bedeutung. In einem Buchladen beschränke ich mich ja auch nicht auf die Bestseller, die an der Kasse ausliegen, sondern stöbere gerne in den staubigen Ecken hinten im Laden.

Wie haben Sie Hummel und seine Musik kennengelernt? Durch einen befreundeten Komponisten, Lowell Liebermann. 1986 bot mir das Label Chandos eine CD-Aufnahme mit dem English Chamber Orchestra an, aber es sollte nichts von Mozart, Mendelssohn, Beethoven o. ä. sein. Man schlug mir John Field vor, aber dessen Konzerte gefielen mir nicht. Lowell zog eines Tages Hummels Konzerte aus dem Regal und fragte: »Wie wär’s hiermit?« Ich mochte sie auf Anhieb.

Zahlreiche Werke aus Ihrer Feder sind im Druck erschienen, werden gespielt und aufgenommen, vor allem Vokal- und Kammermusik. Die gerade erschienene CD ›In the Shadow of War‹ des Cellisten Steven Isserlis, auf der er mit dem DSO zu hören ist, enthält ›The Loneliest Wilderness‹, eine Elegie für Cello und Orchester, die Sie 2005 komponierten. Für das Klavier allein haben Sie nur wenig geschrieben. Warum? Ich glaube, dass es für einen Pianisten gefährlich sein kann, für das Klavier zu komponieren. Denn die Versuchung ist groß, nicht sein Innerstes zum Ausdruck zu bringen, sondern einfach so zu schreiben, wie es gut in den Fingern liegt. Ich habe aber mittlerweile zwei Klaviersonaten veröffentlicht, die erste spielte ich im vergangenen Jahr auch in Berlin.

Was gefiel Ihnen daran? Sie haben neben zwei Konzerten später auch noch drei seiner Klaviersonaten eingespielt … Ihre Frische und Direktheit finde ich sehr reizvoll. Hummel war zudem ein guter Komponist, der sein Handwerk ausgezeichnet beherrschte. Und sein Einfluss auf Komponisten nach ihm ist faszinierend. Ich glaube, wir können Chopins Klavierkonzerte besser verstehen, wenn wir die von Hummel kennen. Chopins Tempi, die schnellen zweiten Sätze und der klassische Geist — all das ist bereits bei Hummel vorhanden.

Die Trennung zwischen Komponisten und Interpreten ist ein Konzept, das erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Sehen Sie sich in der Tradition der komponierenden Pianisten? Vor dem 20. Jahrhundert hätte ein Pianist, der ohne eigene Kompositionen in einer Stadt eintraf, für große Verwunderung gesorgt — wie ein Koch ohne Rezepte. Öffentlich aufzutreten hieß, seine eigenen Werke zu spielen. Ich selbst sehe mich aber nicht in dieser Tradition. Ich komponiere, weil ich dafür

»Hummels Klavierparts sind unglaublich anspruchsvoll, die lernt man nicht einfach so nebenbei.«

Wie spiegelt sich Hummel, der Virtuose, in seinem Concerto? Man hört dem Konzert an, was für ein erstaunlicher Pianist Hummel gewesen sein muss — und er hat wohl ganz gerne angegeben … Lohnt es sich, mehr von Hummel zu entdecken? Auf jeden Fall! Die Fragen stellte MA XIMILIAN RAUSCHER.


Pablo Heras-Casado | Kinderkonzert

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

WEltRAUMtOd Und HEldEnlEbEn Pablo Heras-Casado und Patricia Kopatchinskaja am 21. + 22.03.

pen aufgeteilt, neben der Sologeige gibt es 6 weitere Violinen, die im Saal verteilt sind. Sie sind wie sieben Satelliten oder Seelen, die klingend im Raum schweben. […] ›Seven‹ ist ein sehr persönlicher Monolog und der musikalische Ausdruck meines Mitgefühls für die sieben Astronauten, die ihr Leben für die Erforschung des Alls und damit für die Erfüllung eines Menschheitstraums ließen.« Den Violinpart hat mit Patricia Kopatchinskaja eine der interessantesten Geigerinnen der jüngeren Generation übernommen, die nicht nur als Konzertsolistin, sondern auch als Kammermusikerin und Interpretin zeitgenössischer Musik reüssiert und mit ihrem unkonventionellen und eruptiven Spiel die Bühnen der Welt erobert hat.

Die klassischen Heroen hätten es heute nicht leicht: Gäbe es noch Drachen, stünden sie unter Artenschutz, und blutrünstige Schlachtenschläger genießen einen eher schlechten Ruf. Helden sind heute andere: Aktivisten gegen Unterdrückung und Unrecht, Wissenschaftler, die Krankheit und Hunger bekämpfen. Oder aber die Weltraumfahrer — weil sie mit Raketenschub die Schwerkraft hinter sich lassen, weil sie sich in Gefahr begeben und auf der Suche nach den Sternen Dinge sehen und erleben, von denen Menschen träumen. Menschheitstraum … Der ungarische Komponist Peter Eötvös hat den Astronauten in seinem Violinkonzert ›Seven‹ ein musikalisches Denkmal gesetzt. Es entstand nach der Columbia-Katastrophe, die 2003 eine siebenköpfige Space-ShuttleBesatzung das Leben kostete. »Die Zahl 7 bestimmt die musikalische und rhythmische Gestaltung des Werkes«, schreibt der Komponist. »49 Musiker sind in 7 Grup-

… und Heldenleben Für höchste Aufgaben wird derzeit auch Pablo HerasCasado gehandelt, seit 2011 Chefdirigent des Orchestra of St. Luke’s in New York. Der Spanier gab 2010 beim DSO sein gefeiertes Berliner Debüt mit einem sommerleichten Programm, im März kehrt er mit Richard Strauss’ ›Ein Heldenleben‹ ans Pult des Orchesters zurück. Farbenprächtig und monumental zeichnet die Tondichtung einen Helden nach altem Schlage — vielleicht aber auch, so munkelten die Zeitgenossen, das eitle Selbstporträt eines Komponisten samt dissonant mäkelnder Kritiker.

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›Ein Heldenleben‹ steht auch auf dem Programm des dritten Casual Concerts der Saison. Pablo Heras-Casado wird es unterhaltsam moderieren und Strauss’ Tondichtung kenntnisreich dem Publikum näherbringen. Nach dem Konzert kann man Musikern und Dirigenten in der Casual Concert Lounge im Foyer der Philharmonie begegnen und den Abend gemeinsam fortsetzen. Der britische Sänger, Songwriter, Produzent do 21.03.

und studierte Cellist Ben Westbeech wuchs zunächst mit klassischer Musik auf, bevor er sich mit Rock'n Roll, Hip Hop, Jazz und Jungle auseinandersetzte. Zusammen mit einem DJ aus den Berliner Clubs wird er das musikalische Spektrum der Nacht auf seine ganz eigene Art zu erweitern wissen. MA XIMILIAN R AUSCHER

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Casual Concert Richard Strauss ›Ein Heldenleben‹ PAblO HERAS-cASAdO do 21. März 20.30 Uhr Philharmonie Im Anschluss Casual Concert Lounge mit ben Westbeech (Live Act) und Jason (DJ) Karten zu 15 € | 10 € für Schüler, Studenten und im Abonnement Freie Platzwahl

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dmitri Schostakowitsch Kammersymphonie c-Moll Peter Eötvös Violinkonzert ›Seven‹ Richard Strauss ›Ein Heldenleben‹ PAblO HERAS-cASAdO Patricia kopatchinskaja Violine Fr 22. März 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 15 € bis 45 € | AboPlus-Preis ab 13 €

EIn lüGnER AUF AbEntEUERREISE Kulturradio-Kinderkonzert am 21.04. Es geht nach Norwegen im 46. Kulturradio-Kinderkonzert, ins Land der Trolle und der Fjorde, aber auch nach Afrika in die Wüste. Denn wir erleben die Abenteuer von Peer Gynt, die ihn vom kalten Norden bis in den heißen Süden und zurück gebracht haben. Schon als Kind hat Peer mit seiner Mutter Åse fantastische Reisen unternommen. Gemeinsam haben sich die beiden zu einem fernen, schönen Schloss geträumt. Aber sie waren dabei natürlich nie aus ihrer ärmlichen Hütte im Gudbrandstal im norwegischen Gebirge herausgekommen. Wenn Peer von seinem Zuhause erzählt, denn wird aus der Waldhütte ein prächtiger Palast. Dort ist Peer aufgewachsen. Sein Vater war ein Taugenichts, hatte einen großen Hof besessen und ihn dann verlorenen. Die Mutter liebt ihren Peer, für sie ist er immer ein Held. Immer öfter wandert Peer allein durch die Wälder. Und wenn er nach Hause kommt, erzählt er seiner Mutter Åse, welche unglaublichen Dinge er wieder erlebt hat: wie er Trollen begegnet ist oder wie er halsbrecherisch auf einem Rentier geritten ist. »Peer, du schwindelst«, sagt die Mutter dann immer. Im Konzert am 21. April erleben wir einige von Peers Abenteuern in der Musik von Norwegens bedeutendstem Komponisten Edvard Grieg. Wir sind dabei, wenn Peer sich als stämmiger junger Mann von 20 Jahren im Trollreich in die Tochter des Bergkönigs verliebt, sie aber nicht heiraten möchte. Aus Rache wollen die Trolle Peer schlachten. Wie wird sich Peer aus der Halle des Berg-

königs retten? Später treffen wir Peer in Afrika wieder, wo die Leute in dem Fremden aus dem Norden einen Propheten sehen. Die Wüstenbewohner huldigen ihm und führen schöne Tänze für ihn auf. Wir sind auch dabei, wenn Peer auf die schöne Wüstenprinzessin Anitra hereinfällt, und wir erleben seine stürmische Seereise zurück nach Norwegen. Dort wartet noch immer Solveig auf ihn, eine Freundin aus Jugendtagen. Edvard Grieg hat seine Musik zu ›Peer Gynt‹ für ein Theaterstück seines norwegischen Landmanns Henrik Ibsen geschrieben. Griegs Schauspielmusik enthält einige der meistgespielten Stücke klassischer Musik und ist voller spannender Momente und großartiger Orchesterfarben. Gespielt wird sie vom DSO unter Leitung von Lancelot Fuhry, mit dem wir in der letzten Spielzeit bereits über die ›Moldau‹ geschippert sind. Mit auf der Bühne sind die Kinder der Klasse 4b der Rosa-ParksGrundschule aus Berlin-Kreuzberg: Gemeinsam mit der Choreografin Sarah del Lago tanzen sie als Trolle und arabische Schönheiten. Und Kulturradio-Moderator Marek Kalina (bekannt aus ›Klassik für Kinder‹) ist als Peer Gynt mit dabei. Vor dem Konzert lädt wie immer das Open House dazu ein, verschiedene Orchesterinstrumente gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern des DSO auszuprobieren. CHRIST IAN SCHRUFF

Gewinnspiel: Peer Gynt trifft in der Halle des Bergkönigs auf Trolle, Gnome und Kobolde. Wie mag es dort wohl ausgesehen haben? Mal ein Bild dazu und schick’ es uns. Mit etwas Glück gibt es einmal vier Eintrittskarten für das KulturradioKinderkonzert am 2. Juni zu gewinnen. Die schönsten Bilder findest Du ab April unter: dso-berlin.de/kinderkonzerte Einsendungen bis zum 18. März bitte an: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin im rbb-Fernsehzentrum Stichwort: Kinderkonzert-Gewinnspiel Masurenallee 16–20 | 14057 Berlin

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›Es war einmal … ein Lügner auf Abenteuerreise‹ Edvard Grieg Auszüge aus den ›Peer Gynt‹-Suiten lAncElOt FUHRy | christian Schruff Moderation Marek kalina Sprecher (Peer Gynt) So 21. April 12 Uhr konzert | 10.30 Uhr Open House Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal Für Kinder ab 6 Jahren. Karten zu 4 € | Erwachsene 10 €


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Tugan Sokhiev

zURück In dIE zUkUnFt Tugan Sokhiev wendet sich am 02. + 03.03. mitteleuropäischen Traditionen zu —––

Aribert Reimann ›Nahe Ferne‹ Joseph Haydn Klavierkonzert D-Dur Igor Strawinsky Capriccio für Klavier und Orchester Johannes brahms Symphonie Nr. 4 e-Moll tUGAn SOkHIEV Emanuel Ax Klavier Sa 2. + So 3. März 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie

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Karten von 20 € bis 59 € | AboPlus-Preis ab 17 €

scher Leite r eri Die Idee kam vom Solisten. Als Chefdirigent und Orchesterdirektor des DSO mit Emanuel Ax über das gemeinsame Programm Anfang März sprachen, wünschte sich der Pianist, einem klassischen ein neoklassizistisches Werk gegenüberzustellen. Was das Stück aus der ferneren Vergangenheit betrifft, plädierte er für Joseph Haydns Klavierkonzert D-Dur. Es wird nicht oft gespielt. Haydn tat sich als Komponist im Genre der Solokonzerte kaum hervor. Anders als Mozart und Beethoven musste und wollte sich der langjährige Hofkapellmeister und -komponist der Fürsten Esterházy nicht als Virtuose profilieren, nicht auf der Geige, nicht auf dem Klavier, obwohl er beide Instrumente gut beherrschte. Zudem rechnete ihn die Nachwelt lange der musikalischen Vorgeschichte zu, er galt als Vorläufer Mozarts und Beethovens, seine Orchesterwerke als leichte Einspielstücke vor den großen romantischen Ernstfällen. Für die Symphonien ist dieses Vorurteil überwunden, die historisch informierte Aufführungspraxis hat an der Korrektur entscheidenden Anteil. Für das Klavierkonzert hielt sich jedoch noch geraume Zeit der Nimbus vom »reizvollen, für Unterrichtszwecke so ganz besonders geeigneten Klavierkonzert«, wie ein Herausgeber noch 1930 formulierte. Große Virtuosen wie Martha Argerich und Emanuel Ax haben inzwischen den Mythos der Niedlichkeit zerstreut und dem Werk dort einen Platz geschaffen, wohin es dem Charakter, der Form und der Qualität nach gehört: in der Gruppe der maßgeblichen klassischen Konzertwerke. Spiel und Härte: Strawinsky Als Gegenüber aus dem 20. Jahrhundert einigten sich die Künstler auf das Capriccio, das Igor Strawinsky 1928 | 29 schrieb und mit dem er danach oft als Solist auf Europatournee ging. In diesem Werk blickt der Komponist, der Frankreich zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, auf die klassische Ära zurück — als Künstler des 20. Jahrhunderts, nicht als Stilimitator. Die Epochengrenze zog er in seinen schöpferischen Reflexionen bewusst nicht scharf. Die Streicher des Orchesters teilte er der barocken Praxis des Concerto grosso entsprechend in ein »Concertino«, ein Soloquartett aus Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass, und in ein chorisch besetztes »Ripieno« auf. Die Virtuosität des Klaviers, die Motorik, die Ornamentik und der bisweilen improvisatorische Zug aber gleichen eher der Klassik nach Mozart, der Art von Webers Konzerten etwa — allerdings sachlich und bisweilen fast perkussiv gehärtet, man könnte von einem Klassizismus der scharfen Linien sprechen. Das tradierte Solokonzert und seine Reflexion im Spiegel der 1920er-Jahre — das wird eine aufschlussreiche Konfrontation ergeben. Was gewann die Musik in 150 Jahren ihrer Geschichte dazu, und was ließ sie auf der historischen Strecke? Durchsicht auf die Geschichte Der Blick in die Geschichte, die Vergegenwärtigung, Aufbereitung und Auslegung des Materials, das sie bietet, zieht sich als Leitidee durch das Programm, das Tugan Sokhiev am 2. und 3. März in der Philharmonie dirigiert. Nach dem gewaltigen Erfolg

mit dem Oratorium ›Iwan der Schreckliche‹ nach Sergej Prokofjews gleichnamiger Filmmusik wendet sich der Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin nunmehr der mitteleuropäischen Musik und den Reflexionsformen des klassischen Zeitalters zu. Aribert Reimann, der Berliner Komponist, der am 4. März seinen 77. Geburtstag feiern kann, brachte die innere Dialektik des Programms mit dem Titel seines Orchesterwerks auf den Begriff: ›Nahe Ferne‹. Er schrieb dazu: »Auf der Suche nach einer Auseinandersetzung mit Ludwig van Beethoven stieß ich auf das kurze Klavierstück B-Dur von 1818, das mit seiner Konzentration auf sparsamstes Tonmaterial in kurzen Phrasen, klarer Form und unvermuteten Modulationen meinen Intentionen entgegenkam: ein Stück zu komponieren, bestehend aus neun kurzen Sätzen, in denen Fragmente des Beethoven-Stückes durchscheinen, zitiert werden und durch Überlagerungen wieder verschwinden.« Die sensiblen Klangfiguren der Jetztzeit öffnen sich ihrer Vergangenheit, das Verhältnis von Material und Gestalt wird mit heutigen Mitteln neu durchgespielt. Dies geschieht in Etappen.

»Ich wollte gerne Musik eines Komponisten aus Berlin dirigieren, der international hoch angesehen ist und mit seinem Werk und Wirken die Kunst dieser Stadt repräsentiert.« Tugan Sokhiev Reimann nähert sich Beethovens Stück aus der Ferne, kommt ihm nahe und rückt wieder von ihm ab. Jeder Schritt in dieser Entwicklung ist mit mehr Erfahrung aufgeladen. Beethoven gibt im Übrigen selbst ein Bild des offenen musikalischen Denkens. Die Haupttonart umkreist er weit, streift sie unmerklich, erst zum Ende hin wird die rätselhafte tonale Bewegung gelöst. Tugan Sokhiev beschließt sein Programm mit dem Werk, das wie kein anderes für das Komponieren aus der Geschichte steht: mit Brahms’ Vierter Symphonie. Themen, die Bach inspirierte, ein derbes Scherzo, das von einem imaginären Tanzboden zu kommen scheint, eine Durchgestaltung, die Beethoven weiterdenkt und eine Poetisierung, die an Schumann erinnert: In seiner letzten Symphonie versammelte Brahms alles, was ihm Wert und Vorbild war. Am Rande, ganz leise findet er dabei zu Klangfiguren, die erstaunlich modern anmuten. Das war vielleicht sein Ideal: Dass sich aus der genauen Reflexion der Geschichte die Zukunft öffne. HABAKUK T R ABER

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Julian Kuerti | Tugan Sokhiev

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Von Licht übergossen Julian Kuerti und Christine Brewer am 30.03. mit Strauss und Beethoven lyrische Emphase, hervorragende Textverständlichkeit und eine Technik, die es ihr erlaubt, die weit ausschwingenden Melodiebögen auf einem Atem zu singen.

Musik an den Rand des Verstummens gedrängt wird; das strahlende C-Dur des Schlusssatzes erweist sich als mühsam erreichtes Ziel eines beschwerlichen Weges.

Die ›Vier letzten Lieder‹ von 1948 sind das musikalische Vermächtnis von Strauss, auch wenn der Titel nicht von ihm selbst stammt. Nach dem Krieg war der Komponist mit seiner Familie in die Schweiz gezogen; dort widmete er sich noch einmal der so geliebten hohen Sopranstimme. Die Lieder nach Gedichten von Hesse und Eichendorff sind das Dokument einer gelassenen Meisterschaft, der Orchesterklang ist prächtig und doch immer transparent, alles scheint hier »von Licht übergossen«, wie es im ersten Lied heißt — von einem abendlichen, herbstlichen Licht allerdings. Durch ein Zitat im letzten Lied ›Im Abendrot‹ spannt Strauss einen mächtigen Bogen zur fast 60 Jahre zuvor komponierten Symphonischen Dichtung ›Tod und Verklärung‹. Doch der heroische Kampf, der sich in den frühen Orchesterwerken des überzeugten Nietzscheaners abgezeichnet hatte, ist hier ganz einer nach innen gewendeten, allenfalls etwas wehmütigen Stimmung gewichen.

Der junge Dirigent des Abends, Julian Kuerti, kennt Berlin schon seit seiner Studienzeit an der Universität der Künste. Von 2006 bis 2008 hat er als Dirigent das von ihm mitgegründete Solistenensemble ›Kaleidoskop‹ geleitet; es gehört bis heute zu den innovativsten Klassikformationen der Hauptstadt. Kuerti entstammt einer kanadischen Musikerfamilie, sein Vater Anton ist ein bedeutender Pianist. Sein Handwerk vervollkommnete er als Assistent von James Levine beim Boston Symphony Orchestra, zudem hat er bei den meisten großen nordamerikanischen Orchestern gastiert. Seit dieser Saison firmiert er als Erster Dirigent des Orquesta Sinfónica de Concepción in Chile. Beim DSO debütierte Julian Kuerti vor zwei Jahren in den Silvesterkonzerten und hinterließ einen hervorragenden Eindruck. Die Zusammenarbeit mit einem der begabtesten jüngeren Dirigenten verheißt einen spannenden Konzertabend! Benedikt von Bernstorff

Schicksalsmotiv Von heroischem Kampf erzählt dagegen das zweite Hauptwerk des Konzerts, Beethovens Fünfte Symphonie, die nicht nur in dieser Hinsicht einen starken Kontrast zu Strauss´ Liedern darstellt. Ihr einleitendes Motiv steht wie ein Motto über dem gesamten Kanon der klassischen Musik. Dabei ist es für sich genommen wenig spektakulär: Der großen Terz der Töne g-es folgt, einen Ton tiefer, die kleine f-d. Seine Prägnanz erhält das »Schicksalsmotiv« eher durch seine rhythmische Energie, die den gesamten Satz beherrscht. Scherzo und Finale hat Beethoven, formal sehr ungewöhnlich, durch eine Überleitung miteinander verbunden, in der die

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Franz Schubert Ouvertüre zu ›Rosamunde‹ Richard Strauss ›Vier letzte Lieder‹ Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 5 c-Moll Julian Kuerti Christine Brewer Sopran Sa 30. März 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 15 € bis 45 € | AboPlus-Preis ab 13 €

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Die Amerikanerin Christine Brewer gehört zu den erfolgreichsten Sopranistinnen ihrer Generation. Sie hat die ›Fidelio‹-Leonore unter Bernhard Haitink, die Isolde unter Salonen gesungen und 2003 als Ariadne an der Metropolitan Opera debütiert. Sie ist mit den bedeutendsten Orchestern Europas und Nordamerikas aufgetreten und hat dabei unter anderem mit Sir Simon Rattle, Mariss Jansons und Donald Runnicles musiziert. Wer Brewers Aufnahme der ›Vier letzten Lieder‹ von Richard Strauss kennt, ahnt, wie sehr man sich auf ihre Interpretation dieses Werks mit dem DSO freuen darf — bringt die Sängerin doch für Strauss´ Abschiedskomposition die idealen Voraussetzungen mit: Durchschlagskraft und

Lyrisches Getöse

Tugan Sokhiev und Antoine Tamestit am 28.04. mit Prokofjew, Schnittke und Ravel

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Seine Karriere war prachtvoll, beispiellos — und fand ein tragisches Ende. Leutnant Kische stand im Dienste des russischen Zaren Paul I., fiel in Ungnade, wurde nach Sibirien verbannt, dann überraschend begnadigt und sogleich in den Rang eines Generals befördert. Doch als ihn sein launischer Dienstherr endlich zu sich befahl, um einen seiner besten Männer kennenzulernen, blieb ihm nur noch der Tod, um die allerpeinlichste aller Wahrheiten zu verschleiern: Es gab ihn überhaupt nicht. Kische verdankte seine Existenz einem Schreibfehler. Als Mann »ohne Gestalt« trieb er ein lebhaftes Unwesen in den Papieren der Militärverwaltung, befeuert durch einen Beamtenapparat, der lieber Helden erfand und fallen ließ, als Irrtümer zuzugeben. Der Regisseur Aleksander Fainzimmer machte aus dem Stoff 1934 eine Satire auf das Eigenleben der Bürokratie; der Film ist lang vergessen. Die Musik aus der Feder Sergej Prokofjews hat jedoch überlebt — in Form einer Suite, die später auch als Ballettmusik Anwendung fand. Unbekannte Musikwelten Tugan Sokhiev stellt sie an den Anfang des Konzerts vom 28. April. Für seine erste Saison hat sich der neue Chefdirigent und Künstlerische Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin vorgenommen, dem Publikum unbekannte russische Musikwelten aufzuschließen. Wie Leuchtfeuer führen seine Programme durch die Saison und schlagen eine Brücke von Russland nach Europa, unter anderem zu den Ballettmusiken Maurice Ravels.

Lyrik und Groteske Eine Brückenfigur zwischen Ost und West ist auch der Komponist Alfred Schnittke. Ein Mann zwischen allen Stühlen, als Russe, als Jude, als Sohn deutscher Eltern. Geboren in der Wolgadeutschen Sowjetrepublik, studierte er in Wien und Moskau, wo er vierzig Jahre seines Lebens verbrachte, lehrte und komponierte, bis er 1990 nach Hamburg übersiedelte. Fünf Jahre zuvor, kurz vor dem ersten von vier Schlaganfällen, die die Produktivität seiner letzten Lebensjahre nicht zu hemmen vermochten, entstand Schnittkes Konzert für Viola und Orchester — am Ende eines ersten »Lebenskreises«, wie er sich später erinnerte: »Wie in einer Vorahnung des Kommenden entstand eine Musik mit hastigem Durchs-Leben-Jagen im 2. Satz und langsamer und trauriger Lebensüberschau an der Todesschwelle im 3. Satz.« Dem Streichersatz ohne Geigen verdankt es seinen gedämpften, dunklen Ton. Doch aus ihm erwächst ein Universum von Gefühlen und Klangfarben, das meisterhaft changiert zwischen lyrisch-romantischer Innerlichkeit und groteskem Weltuntergangsgetöse. Antoine Tamestit, der französische Ausnahmebratschist, wird ihm seine künstlerische Stimme leihen. Maximilian R auscher

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Sergej Prokofjew Suite ›Leutnant Kische‹ Alfred Schnittke Violakonzert Maurice Ravel ›Ma mère l‘oye‹ (vollständige Ballettmusik) Maurice Ravel ›Daphnis et Chloé‹ Suite Nr. 2 Tugan Sokhiev Antoine Tamestit Viola So 28. April 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 59 € | AboPlus-Preis ab 17 €


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Christian Zacharias | Sir Mark Elder

Pultnotiz

Thomas Hecker, Solo-Oboist des DSO

Im Bann der Zeitgenossen Christian Zacharias und Thomas Hecker am 17.04. Humor und Gespür für seelische Abgründe — das ist eine scheinbar widersprüchliche Verbindung, der Christian Zacharias gemeinsam mit dem DSO und seinem Solo-Oboisten Thomas Hecker nachspürt. Beides gleichermaßen findet sich im Schaffen von Joseph Martin Kraus, des »Odenwälder Mozarts«, der zeitlebens im Schatten seines übermächtigen klassischen Wiener Zeit- und Altersgenossen stand. Zeitlose Modernität 1756 in Miltenberg am Main geboren, begann man Kraus’ in Vergessenheit geratenes kompositorisches Œuvre, das über 160 Werke aller musikalischen Stile und Gattungen seiner Zeit umfasst, anlässlich seines 250. Todestages allmählich neu zu entdecken. Bemerkenswert ist dabei, dass Komponisten wie Gluck oder Haydn seine musikalischen Qualitäten bereits damals erkannten und bewunderten: »Ich besitze von ihm eine seiner Sinfonien, die ich zur Erinnerung an eines der größten Genies, die ich gekannt habe, aufbewahre. Ich habe von ihm nur dieses einzige Werk, weiß aber, dass er noch anderes Vortreffliches geschrieben hat«, urteilte Haydn über die ›Symphonie funèbre‹, die Kraus 1792 (in seinem eigenen Todesjahr) zur Aufbahrung des ermordeten Königs Gustav III. von Schweden schrieb, an dessen Hof er mit Unterbrechungen seit 1781 als Kapellmeister gewirkt hatte.

»Eines der größten Genies, die ich gekannt habe« Joseph Haydn über Joseph Martin Kraus Mit Haydns Symphonie Nr. 80 d-Moll von 1784, die ihrem Schöpfer als Teil eines Dreierzyklus zahlreiche Erfolge unter anderem in England, Frankreich und sogar über den Atlantik hinweg bescherte, verbindet die ›Symphonie funèbre‹ nicht nur das Spiel mit klassischen symphonischen Formen und raffinierter motivisch-thematischer Arbeit. Es ist ihnen auch der Sinn für das Sonderbare und Exzentrische gemeinsam, die beiden Werken eine eigenartige zeitlose Modernität verleihen. Zeitloser Mozart Sein Programm beschließt Christian Zacharias, der erstmals beim DSO als Pianist und Dirigent in Personalunion zu erleben ist, mit Mozarts Konzert für Oboe und Orchester C-Dur sowie dem Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur (1784), für dessen Einspielung er Auszeichnungen wie den ›Echo Klassik‹, den ›Diapason d´Or‹ und den ›Choc du Monde de la Musique‹ erhielt. Den Solo-Part im Oboenkonzert übernimmt Thomas Hecker (siehe auch Pultnotiz rechts). Der gebürtige Zwickauer ist Preisträger renommierter Wettbewerbe und gastiert regelmäßig bei verschiedenen Festivals wie dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Festival Mitte Europa und den Ludwigsburger Schlossfestspielen. Solistisch war Thomas Hecker mit dem Beethoven Orchester Bonn und dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie in Koblenz zu hören. Seit August 2009 ist er Solo-Oboist beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. TOBIA S LIND

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Joseph Martin Kraus ›Symphonie funèbre‹ c-Moll Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur Wolfgang Amadeus Mozart Oboenkonzert C-Dur Joseph Haydn Symphonie Nr. 80 d-Moll

Ich bin Oboist geworden, weil … ich auf der Querflöte keinen Ton herausbekommen habe. Dass ich ein Instrument lernen würde, war für mich selbstverständlich — bei drei älteren musizierenden Geschwistern. Wäre ich nicht Oboist geworden, wäre ich heute Barista. Meine drei Lieblingswerke der Orchesterliteratur: 1. Schumanns Vierte Symphonie, stellvertretend für fast alles von meinem Lieblingskomponisten. In Zwickau geboren, das Clara-Wieck-Gymnasium besucht, am Robert-Schumann-Konservatorium Oboe gelernt — ich bin mit seiner Musik aufgewachsen. Was seine Vierte so besonders macht, ist natürlich die Melodie von Oboe und Cello im langsamen Satz. 2. Strauss’ ›Ariadne auf Naxos‹, mein erstes Stück in einem Profiorchester an der Solo-Oboe — es macht einfach unheimlich Spaß! 3. Kann mich nicht entscheiden zwischen Mahlers ›Lied von der Erde‹ und Schuberts Großer C-Dur-Symphonie ... Das höre ich momentan privat am liebsten: Helge Schneider Welche Tempobezeichnung entspricht am ehesten meinem Temperament? Comodo.

Christian Zacharias Leitung und Klavier Thomas Hecker Oboe Mi 17. April 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie

Brückenschlag aus England: Sir Mark Elder am 14.03.

Karten von 15 € bis 45 € AboPlus-Preis ab 13 €

Musiker und Musik aus Großbritannien bilden eine eigene kleine thematische Insel in den Konzertprogrammen der laufenden Saison (siehe auch —–– S. 7). Nach Sir Roger Norrington und dessen Auftakt zur Vaughan Williams-Reihe setzt am 14. März Sir Mark Elder einen weiteren Schwerpunkt. Der Musikdirektor des Hallé-Orchesters in Manchester hat dem traditionsreichen Klangkörper zu neuer Blüte verholfen und macht sich seit Jahren weltweit um die Aufführung britischer Musik verdient. Er ist einer der profiliertesten Elgar-Spezialisten, und so wundert es nicht, dass er sein spätes Debüt beim DSO auch mit dessen Zweiter Symphonie gibt, einem wichtigen Werk der englischen Musikgeschichte und – für Mark Elder — einer der »großartigsten Symphonien aller Zeiten«. Mit der Ouvertüre zu Hector Berlioz’ Oper ›Béatrice et Bénédict‹, deren Libretto auf Shakespeares Komödie ›Much Ado About Nothing‹ beruht, schlägt er einen musikalischen Bogen nach Frankreich. Als Solistin in Mozarts Klavierkonzert Nr. 22 ist Imogen Cooper zu erleben. Die englische Pianistin gilt als eine der besten Interpretinnen des klassischen Repertoires und hat zudem mit ihren Schubert- und Schumann-Einspielungen auf sich aufmerksam gemacht.

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Hector Berlioz Ouvertüre zu ›Béatrice et Bénédict‹ W. A. Mozart Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur Edward Elgar Symphonie Nr. 2 Es-Dur Sir Mark Elder | Imogen Cooper Klavier Do 14. März 20 Uhr Philharmonie Karten von 15 € bis 45 € | AboPlus-Preis ab 13 €


Konzertvorschau | Impressum

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Konzerte März Sa 02.03. So 03.03. 20 Uhr Philharmonie

Do 14.03. 20 Uhr Philharmonie

So 17.03. 17 Uhr Villa Elisabeth

April

Reimann ›Nahe Ferne‹ Haydn Klavierkonzert D-Dur Strawinsky Capriccio für Klavier und Orchester Brahms Symphonie Nr. 4 e-Moll Tugan Sokhiev Emanuel Ax Klavier Berlioz Ouvertüre zu ›Béatrice et Bénédict‹ Mozart Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur Elgar Symphonie Nr. 2 Es-Dur Sir Mark Elder Imogen Cooper Klavier

Grieg Auszüge aus den ›Peer Gynt‹-Suiten Hummel Klavierkonzert Nr. 2 a-Moll Sibelius Symphonie Nr. 5 Es-Dur Osmo Vänskä Stephen Hough Klavier

Sa 13.04. 20 Uhr Radialsystem

Steffens Violinkonzert ›555‹ Elgar ›Enigma-Variationen‹ Martyn Brabbins Alina Pogostkina Violine

Mi 17.04. 20 Uhr Philharmonie

Kraus ›Symphonie funèbre‹ c-Moll Mozart Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur Mozart Oboenkonzert C-Dur Haydn Symphonie Nr. 80 d-Moll Christian Zacharias Leitung + Klavier Thomas Hecker Oboe

Kammerkonzert Cage, Miki, Takemitsu, Westlake, Xenakis Ensemble des DSO Fr 19.04. 20.30 Uhr Villa Elisabeth

Do 21.03. 20.30 Uhr Philharmonie

Casual Concert Strauss ›Ein Heldenleben‹ Pablo Heras-Casado

Fr 22.03. 20 Uhr Philharmonie

Schostakowitsch Kammersymphonie c-Moll Eötvös Violinkonzert ›Seven‹ Strauss ›Ein Heldenleben‹ Pablo Heras-Casado Patricia Kopatchinskaja Violine

Sa 30.03. 20 Uhr Philharmonie

Schubert Ouvertüre zu ›Rosamunde‹ Strauss ›Vier letzte Lieder‹ Beethoven Symphonie Nr. 5 c-Moll Julian Kuerti Christine Brewer Sopran

So 21.04. 12 Uhr Haus des Rundfunks

So 28.04. 20 Uhr Philharmonie

Kammerkonzerte Die ausführlichen Programme und Besetzungen finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik

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Sa 06.04. 20 Uhr Philharmonie

Kammerkonzert Scelsi, Verdi Ensemble des DSO Kulturradio-Kinderkonzert Grieg Auszüge aus den ›Peer Gynt‹-Suiten Lancelot Fuhry Christian Schruff Moderation Marek Kalina Sprecher (Peer Gynt) Prokofjew Suite ›Leutnant Kische‹ Schnittke Violakonzert Ravel ›Ma mère l‘oye‹ Ravel ›Daphnis et Chloé‹ Suite Nr. 2 Tugan Sokhiev Antoine Tamestit Viola

Konzerteinführungen Zu allen Symphoniekonzerten in der Philharmonie — mit Ausnahme der Casual Concerts — findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Habakuk Traber statt.

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K arten, Abos und Beratung Besucherservice des DSO Charlottenstraße 56 | 2. OG 10117 Berlin | Am Gendarmenmarkt Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 – 18 Uhr Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29 tickets@dso-berlin.de Impressum Deutsches Symphonie-Orchester Berlin in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin im rbb-Fernsehzentrum Masurenallee 16 – 20 | 14057 Berlin Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539 dso-berlin.de | info@dso-berlin.de Orchesterdirektor Alexander Steinbeis (V. i. S. d. P.) Orchestermanager Sebastian König Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Tobias Lind, Paolo Ollig Branding | Marketing Jutta Obrowski Abbildungen | Fotos Urban Zintel (S. 1), Thomas Meyer | Ostkreuz (S. 2 links), Martin Escher (S. 2 Mitte), Gerhard Richter (S. 2 rechts), Sim Canetty-Clarke (S. 3), Marco Borggreve (S. 4), Erik Weiss (S. 5), Christian Steiner (S. 6 oben), Eric Larrayadieu | naïve (S. 6 unten), Jo Titze (S. 7) Art- und Fotodirektion .HENKELHIEDL Redaktionsschluss 14.02.2013 Änderungen vorbehalten © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2013 Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre Gmbh Berlin. Geschäftsführer Thomas Kipp Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk BerlinBrandenburg

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