DSO-Nachrichten 11/12 2017

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Robin Ticciati Chefdirigent

DSO-Nachrichten 11 | 12 2017

Vom Singen geprägt Mirga Gražinytė-Tyla im Gespräch → S. 3 ›L’enfance du Christ‹ Robin Ticciati dirigiert Berlioz → S. 5 Reife der Jugend Jan Lisiecki spielt Grieg → S. 7

Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

DSO-Nachrichten 11 | 12 2017

Silvester und Neujahr mit den Artisten des Circus Roncalli → S. 4


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Welche Ideen und musikalischen Schwerpunkte setzen Sie in der ersten Saison? Ein Kaleidoskop aus strahlenden, kräftigen Farben, das durch sein Spektrum ein Fundament für das bilden kann, was sich in den späteren Jahren entwickeln oder auch nicht entwickeln soll. Der grundlegende Gedanke meiner SAISON 1 ist das »Kennenlernen …«:

wer-ist-robin-ticciati.de

Durch die Musik SIE, unser Publikum, kennen zu lernen, auch SIE, unser »potenzielles« Publikum. Die Repertoiregeschichte des DSO ist ungeheuer groß und unsere Beziehung steckt noch in den in Kinderschuhen: Was muss gegossen werden? Was soll aufgedeckt werden? Was kann entstaubt werden?

In seinen Konzerten lässt sich das musikalische Universum des neuen DSO-Chefdirigenten ganz unmittelbar erleben. Doch auch die Bildwelt der Saison 2017 | 2018 ist eine Einladung, den Menschen und Musiker Robin Ticciati kennen zu lernen. Sie stammt von dem Münchner Fotografen Fabian Frinzel und der Designerin Ayzit Bostan, die einen von Ticciati ausgefüllten Fragebogen auf ihre ganz eigene Weise in Form von Stillleben interpretiert haben. Alle Motive in Verbindung mit den Fragen und Antworten können auf der folgenden Website erkundet werden: wer-ist-robin-ticciati.de

Historische Aufnahmen des DSO bei audite

Kurzmeldungen

Kammerkonzerte im November und Dezember Mit einem Klassiker des 20. Jahrhunderts startet die Konzertreihe ›Notturno‹, die das DSO gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an Orten der Kunst und des Wissens veranstaltet, in ihre achte Saison. Im Neuen Museum, der Heimstatt Nofretetes, erklingt am 17. November mit Olivier Messiaens ›Quatour pour la fin du temps‹ eine musikalische Meditation über das Ende der Zeit, über Hoffnung und Heilserwartung, Menschlichkeit und ewiges Leben – gespielt von Olga Polonsky (Violine), Stephan Mörth (Klarinette), Sara Minemoto (Violoncello) und Jonathan Aner (Klavier). Dem Klaviertrio ist das Konzert am 3. Dezember in der Villa Elisabeth gewidmet. Der Geiger Michael Mücke, der Cellist Dávid Adorján und die Pianistin Annika Treutler nehmen dabei mit Schumanns Erstem und Brahms’ Zweitem Trio zwei zentrale Werke der Gattung in den Blick. Mehr unter dso-berlin.de/kammermusik

Fr 17. November 22 Uhr | Kurzführung 21 Uhr Neues Museum, Museumsinsel

So 3. Dezember 17 Uhr Villa Elisabeth

17.11.: Restkarten zu 22 € | 15 € ermäßigt | AboPlus-Preis 19 € 03.12.: Karten zu 18 € | 10 € ermäßigt | AboPlus-Preis 15 €

Ob Konzerte mit legendären Pultgrößen wie Ferenc Fricsay, Karl Böhm und Igor Markevitch oder Jahrhundertkünstlerinnen wie der Cellistin Jaqueline du Pré – neben seinen Neuproduktionen hat sich das Label audite der Hebung unveröffentlichter Schätze aus den Radioarchiven verschrieben. Zahlreiche historische Aufnahmen des RIAS, später Radio-Symphonie-Orchesters Berlin (RSO heute DSO) wurden dort in den letzten Jahren veröffentlicht – von den Originalbändern digitalisiert und sorgsam restauriert. Nun ist eine CD mit Aufnahmen des großen brasilianischen Pianisten Nelson Freire erschienen, die dieser für den RIAS in Berlin einspielte. Neben dem deutschen Radiodebüt des damals 22-Jährigen von 1966 – mit Solowerken von Grieg und Liszt – enthält sie auch einen Konzertmitschnitt, der zwanzig Jahre später im Großen Sendesaal entstand. Unter der Leitung von Ádám Fischer und begleitet vom RSO Berlin spielte Freire das Zweite Klavierkonzert von Saint-Saëns.

Die CD ist am 11. August bei audite in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur erschienen. Mehr unter dso-berlin.de/neuerscheinungen

Das perfekte Weihnachtsgeschenk: Konzerte des DSO Ob Symphoniekonzerte mit hochkarätigen Dirigenten und Solisten in der Philharmonie, Casual Concerts oder Kammerkonzerte mit spannenden Repertoire-Entdeckungen – großartige Musikerlebnisse sind ein wunderbares Geschenk, und das nicht nur zu Weihnachten: Wählen Sie dazu eines oder mehrere Konzerte aus unserem Angebot der Saison 2017 | 2018 und verschenken Sie diese an Ihre Liebsten. Bereits ab 68 € erhalten Sie ein Wahl-Abo, mit dem Sie vier oder acht Termine bestimmen und dabei alle Vorteile eines Abonnements genießen können. Vor Weihnachten bieten wir Ihnen zudem noch einen ganz besonderen Bonus: Wer sein Kartengeschenk (Mindestwert 50 €) zwischen dem 14. November und dem 14. Dezember bestellt, dem senden wir es festlich verpackt inklusive einer CD-Einspielung des DSO oder anregender Musiklektüre zu. Die Karten erhalten Sie bei unserem Besucherservice unter dem Stichwort ›Weihnachtsangebot‹. Zur Auswahl der CD oder des Buchtitels setzen wir uns im Anschluss an die Bestellung mit Ihnen in Verbindung. Mehr unter dso-berlin.de/verschenken Besucherservice des DSO: Charlottenstraße 56 | 2. OG, 10117 Berlin Tel 030. 20 29 87 11 (Mo bis Fr 9–18 Uhr) | tickets@dso-berlin.de


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Mein Weg zur Partitur ist vom Singen geprägt Mirga Gražinytė-Tyla im Gespräch über ihr Konzert am 07.12.

Binnen weniger Jahre hat Mirga Gražinytė-Tyla eine beeindruckende Karriere hingelegt. 2011 begann die litauische Dirigentin als Zweite Kapellmeisterin am Theater Heidelberg, gewann dann den renommierten ›Salzburg Festival Young Conductors Award‹, wechselte zunächst nach Bern und 2014 ans Salzburger Landestheater. Parallel wurde sie zum Assistant Conductor, 2016 zum Associate Conductor des Los Angeles Philharmonic ernannt. Im September 2016 trat sie, mit gerade einmal 29 Jahren, als Musikdirektorin des City of Birmingham Symphony Orchestra die Nachfolge von Dirigenten wie Sir Simon Rattle und Andris Nelsons an. Mit den DSO-Nachrichten sprach sie über ihren Werdegang und das Programm ihres Debüts in der Berliner Philharmonie am 7. Dezember.

Stille ist ja auch die Voraussetzung für Musik … Ja, Gott sei Dank [lacht]. Und sie ist nicht selbstverständlich. Als ich vor zehn Jahren nach einem sehr intensiven Auslandsstudienjahr den Sommer mit meiner Familie auf dem Land verbrachte, stand ich ganz allein an einem See und war komplett überwältigt von der Stille, die mich dort begrüßte. Mit der Stille verhält es sich wie mit völliger Dunkelheit – man wundert sich, dass es so etwas noch gibt, und auch, dass wir ohne solche Orte überleben können. Sie sind seit einem Jahr Music Director in Birmigham und dort mit einem sehr breiten Repertoire angetreten, das von Haydn bis zur Gegenwart reicht. Was möchten Sie in den nächsten Jahren für sich entdecken? Meine Aufgabe beim City of Birmingham Symphony Orchestra ist eine wunderschöne und große Herausforderung, für mich, aber auch für das ganze Orchester. Wir werden uns in der kommenden Spielzeit intensiv mit französischem Repertoire beschäftigen, ohne das klassische zu vernachlässigen. Die Musik des Baltikums ist für mich immer ein großes Thema, Werke aus den drei kleinen Ländern, die eine sehr kurze und sehr junge Musikgeschichte haben, aber viel Spannendes anbieten. So haben wir gerade unsere Gastspiele in Dublin und Luzern mit dem wunderbaren ›Cantabile‹ für Streicher von Pēteris Vasks eröffnet, das in seiner modernen Einfachheit ein kleines Juwel ist. Bei Ihrem DSO-Debüt am 7. Dezember werden Sie neben der monumentalen ›Lemminkäinen‹-Suite von Sibelius das Violinkonzert von Mieczysław Weinberg dirigieren. Was schätzen Sie an diesem immer noch wenig bekannten Komponisten? Dazu würde ich gerne Gidon Kremer zitieren, der den Solopart übernehmen wird. Seiner Meinung nach gibt es Musik, die dem Zeitgeist entspricht, und es gibt Musik für die Ewigkeit. Und von Weinbergs Werken zählen für ihn viele zur zweiten Kategorie. Daran ist, wie ich finde, etwas sehr Schönes und Wahres, denn Weinberg hat nie versucht, zwingend modern zu sein, oder etwas Neues zu sagen. Er hat sich auch nie politisch vereinnahmen lassen, damit seine Musik gespielt wird. Er war ein schüchterner Mensch, der wahnsinnig viel Leid erfahren, das aber nie an die große Glocke gehängt hat, noch nicht einmal, dass er im Gefängnis saß und erst nach Stalins Tod wieder entlassen wurde. Die Bescheidenheit, diese enorme Menschlichkeit und Wärme, die in seiner Musik klingt, ist etwas unglaublich Universelles.

Sie haben vor einigen Jahren Ihren Nachnamen durch das Wort »Tyla« ergänzt, das so viel wie »Schweigen« oder »Stille« bedeutet. Ist das nicht erstaunlich für eine Dirigentin? Es gab mehrere Gründe für diesen Künstlernamen; einer davon ist ein litauisches Sprichwort, es lautet »Mažiau kalbų, daugiau darbų« und bedeutet »Weniger Worte, mehr Taten«. Er sollte mich immer an diesen guten Vorsatz erinnern.

Das Gespräch führte MAXIMILIAN RAUSCHER. Mehr lesen Sie unter dso-berlin.de/interviews.

Mieczysław Weinberg Violinkonzert g-Moll Jean Sibelius ›Lemminkäinen‹-Suite MIRGA GRAŽINYTĖ-TYLA Gidon Kremer Violine Do 7. Dezember 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 15 € bis 49 € | AboPlus-Preis ab 13 €

Mirga Gražinytė-Tyla

Hat der Chor-Hintergrund, die Erfahrung des Singens und Atmens, ihre Art, mit dem Orchester umzugehen, beeinflusst? Zu Beginn waren das Chor- und das Orchesterdirigieren für mich noch sehr unterschiedliche Gebiete – was sie ja auch sind. Aber es gibt dieses Urgeschenk des Musikantischen, das jeder Mensch in sich trägt, ganz gleich, ob es sich instrumental oder vokal äußert – es ist das gleiche Musizieren. Insofern gibt es einen Unterschied, und auch wieder nicht. Mein Weg zu einer Partitur ist immer noch vom Singen geprägt. Wenn ich Werke vorbereite, singe oder spreche ich häufig Stimmen durch. Auch in den Proben, wenn ich den Musikern erklären oder vermitteln möchte, wie ich mir die eine oder andere Phrase wünsche, ist ein kurzes Vorsingen oft der klarste und direkteste Weg. Das ist schon eines meiner Hauptwerkzeuge.

Leider hat man Weinberg bisweilen als Schostakowitsch-Epigonen verunglimpft … Zu Unrecht. Die beiden haben sich gegenseitig beeinflusst. Sie waren eng miteinander befreundet, haben vierhändig Klavier gespielt und ihre neuen Kompositionen diskutiert. Jüdische Themen und Anklänge in Schostakowitschs Musik sind sicherlich auch durch Weinberg inspiriert. Leider ist er immer noch wenig bekannt. Es wird Zeit, mehr von seiner Musik zu hören. Da geht es mir wie mit den baltischen Komponisten, es gibt so viel Fantastisches zu entdecken!

Im Gespräch

Maestra Gražinytė-Tyla, Sie haben einen eher ungewöhnlichen Weg ans Orchesterpult genommen: Anders als die meisten Kollegen absolvierten Sie kein Instrumentalstudium, sondern kommen vom Chordirigieren. Was veranlasste Sie zum Fachwechsel? Der Zufall spielte dabei eine große Rolle. Ich habe schon früh mit Chören gearbeitet und bin nach meiner Schulzeit in Vilnius an die Kunstuniversität Graz gegangen, um dort Chordirigieren zu studieren. Es waren großartige Professoren, die mir bald das Orchesterdirigieren nahelegten. Der Gedanke war mir zuerst fremd bis erschreckend, aber dann habe ich nach und nach das Repertoire für mich entdeckt, das ich viel weniger kannte als die Vokalmusik. Aus purer Neugierde habe ich mich auf das Orchester- und Opernrepertoire konzentriert – und bin dabei geblieben.


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Rasanter Wechsel ins neue Jahr John Wilson, Kim Criswell und der Circus Roncalli am 31.12. + 01.01. Üben des ›Wohltemperierten Klaviers‹ erwischt wurde, meinte er nur: »Ich trainiere für das Komponieren von guter Schlagermusik.« Gershwin wurde einer der ganz Großen am Broadway.

Hereinspaziert, meine Damen und Herren! Erleben Sie fliegende Akrobaten, phänomenale Magier, komische Kauze, halsbrecherische Jongleure, Feuer, Licht und Turbulenzen! Der Circus ist in Ihrer Stadt. Und er hat die Musik Amerikas mitgebracht. So klingt das Jahr gar nicht leise aus – und das neue folgt rasant. Zu Silvester und Neujahr hat das DSO das Tempodrom gebucht. Auch der Circus Roncalli hat das Tempodrom gebucht. So wie vor 14 Jahren, als der eine von dem

anderen nichts wusste. Chaos? Mitnichten. Zusammen hat man mehr Spaß. Dem Tausendsassa George Gershwin hätte dieser irre Clash sicher Freude bereitet. Er war ein Meister der Improvisation. Als Kind der Straße und unerschrockener Raufbold kaperte er mit 12 Jahren das Klavier seines Bruders Ira und verschmolz alles, was er hörte, zu einer wilden, rhythmischen Sensation. Ragtime, Jazz, populäre Melodien und

Kontrapunkt: Nichts war vor ihm sicher. Die Hitschmiede New Yorks, die in der Tin Pan Alley zuhause war, erkannte sein Talent. Beim Musikverlag Jerome H. Remick fand Gershwin eine erste Anstellung und arbeitete für 15 Dollar pro Woche als »Staff pianist«: In einer kleinen Box spielte er den vorbeischauenden Theaterleitern, Produzenten und Orchesterchefs die neuesten Songs des Verlags vor. Nebenher studierte er die Klassiker der Alten Welt. Als er einmal beim

Diesem Repertoire hat sich der Dirigent John Wilson mit Leidenschaft verschrieben. Mit dem von ihm gegründeten John Wilson Orchestra widmet er sich seit 2009 auch der Goldenen Ära Hollywoods. In der Royal Albert Hall feierte der Brite das 75-jährige Jubiläum der MGM Film Musicals, sein Amerika-Debüt gab er 2013 in Los Angeles. Im vergangenen Jahr war er mit seinem Orchester erstmals beim Musikfest Berlin zu Gast. Traumwandlerisch wechselt er zwischen den Stilen, die in ihrer Vielseitigkeit und gegenseitiger Durchdringung die Musik Amerikas auszeichnen. »George Gershwin, Irving Berlin, Cole Porter oder Jerome Kern sind für uns die Schuberts des 20. Jahrhunderts«, sagt er. Ob für Bühne, Film oder Konzertsaal komponiert: Wilson ist wie Gershwin ein Tausendsassa, der eine Arena zu begeistern weiß. HELGE BIRKELBACH

Silvester- und Neujahrskonzerte ›Von Barber bis Broadway‹ Amerikanische Musik für Bühne, Film und Konzertsaal JOHN WILSON Kim Criswell Gesang Artisten des Circus Roncalli

Kinderkonzerte | Silvester und Neujahr

›Beim Jupiter!‹ und ›Rucke di guh!‹

So 31. Dezember | 15 + 19 Uhr Mo 1. Januar | 18 Uhr Tempodrom Karten von 20 € bis 85 € | AboPlus-Preis ab 17 €

Kulturradio-Kinderkonzerte am 12.11. + 10.12. »Rucke di guh, rucke di guh! Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim!« Das rufen die Tauben dem Prinzen zu, der überall nach der schönen Prinzessin sucht, mit der er auf dem großen Ball getanzt hat. Mitten im Walzer ist sie weggelaufen, genau um Mitternacht, und der Prinz weiß nicht wohin. Da sie aber einen Schuh verloren hat, sucht er nun überall nach dessen geheimnisvoller Besitzerin. Sie heißt Cinderella oder Aschenputtel, wie sie die Brüder Grimm im Märchen nannten. Sie hat zwei Stiefschwestern, die immer nur streiten, und eine böse Stiefmutter, die unbedingt möchte, dass eine ihrer Töchter den Prinzen heiratet. Cinderella hatte der Bettelfee etwas Brot gegeben, obwohl sie selbst so arm war. Die Bettelfee bedankte sich mit einem Zauber: Sie gab Cinderella ein wunderschönes Kleid und Schuhe, damit sie auf den Ball des Prinzen gehen könne. Auch Cinderellas Schwestern waren eingeladen, aber sie konnten nicht tanzen und waren sehr eifersüchtig, als Cinderella plötzlich auftauchte und den ganzen Ball über mit dem Prinzen tanzte. Doch um Mitternacht endete der Zauber der Bettelfee. Darum ist Cinderella Hals über Kopf weggelaufen. Das schöne Ballkleid hatte sich wieder in ihre grauen Arbeitskleider verwandelt. Und sie hatte einen Schuh verloren. Ob der Prinz seine richtige Braut wohl findet? Das werden wir am Zweiten Advent verraten. Da gibt es die Ballettmusik ›Cinderella‹ von Sergei Prokofjew im 74. Kulturradio-Kinderkonzert. Prokofjew kennt Ihr: Er ist der Komponist von ›Peter und der Wolf‹ und auch von ›Romeo und Julia‹, der

traurigen Liebesgeschichte, die wir letztes Jahr im Großen Sendesaal auf die Bühne gebracht haben. Damals haben zwei junge Schauspieler mitgemacht. Lasst Euch überraschen, was wir in diesem Jahr im Weihnachtskonzert vorhaben. Aurélien Bello dirigiert das DSO; er hat schon die Geschichte vom musikalischen Nashorn geleitet. Hier kommt der Chef Der neue Chefdirigent des Orchesters, Robin Ticciati, wird zum ersten Mal am 12. November ein Kinderkonzert dirigieren. Auf dem Programm steht die letzte Symphonie von Wolfgang Amadeus Mozart. Weil sie so vollkommen ist, die größte, die Mozart geschrieben hat – und das waren rund 50! –, nannte man sie schon bald in England ›Jupiter‹-Symphonie. Jupiter war bei den alten Römern der Chefgott. Außerdem ist Jupiter der größte Planet unseres Sonnensystems. Die ›Jupiter‹-Symphonie von Mozart muss also ein ganz besonderes Stück Musik sein. Lernt sie kennen, im 73. Kulturradio-Kinderkonzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und seinem englischen Chefdirigenten. CHRISTIAN SCHRUFF

Kinderkonzert ›Beim Jupiter!‹ Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie Nr. 41 C-Dur ›Jupiter‹ ROBIN TICCIATI Christian Schruff Moderation So 12. November 12 Uhr Konzert | ab 10.30 Uhr Open House Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal

Kinderkonzert ›Rucke di guh!‹ Sergei Prokofjew Auszüge aus der Ballettmusik ›Cinderella‹ AURÉLIEN BELLO Christian Schruff Moderation So 10. Dezember 12 Uhr Konzert | ab 10.30 Uhr Open House Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal Für Kinder ab 6 Jahren Karten zu 4 € | Erwachsene 12 €


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Die Körperlichkeit der Musik Robin Ticciati mit Berlioz’ ›L’enface du Christ‹ am 17.12.

Rückblick: Robin Ticciatis Amtsantritt am 26.09. Mit einem fulminanten Konzertabend in der Berliner Philharmonie hat Robin Ticciati am 26. September seinen Posten als achter Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des DSO angetreten. Das ambitionierte, intelligent abgestimmte und hochspannende Programm mit Werken von Rebel, Larcher und Strauss und die große Begeisterung des Publikums sind fraglos die besten Vorzeichen für eine wunderbare und langjährige Partnerschaft. Im Anschluss an das Konzert empfing Botschafter Sir Sebastian Wood Gäste aus Politik, Kultur und Wirtschaft in der Botschaft des Vereinigten Königreiches in der Wilhelmstraße, um den neuen Briten in Berlins Kulturlandschaft willkommen zu heißen. Weitere Bilder finden Sie unter dso-berlin.de/antrittskonzert

Robin Ticciati di

Hector Berlioz dachte anders. Er rückte dem Geschehen um die Christgeburt und ihre unmittelbaren Folgen mit der Fantasie des Künstlers und mit der nüchternen Vernunft des Realisten zu Leibe. Sein Oratorium ›L’enfance du Christ‹ entstand in mehreren Etappen. Es begann mit einer Mimikry. Eine historisierende Komposition über den ›Abschied der Hirten von der Heiligen Familie‹ schrieb Berlioz einem Meister des 17. Jahrhunderts zu. In einem zweiten Schritt umgab er dieses Stück mit einer Ouvertüre und einer Art vokalsymphonischen Rauminstallation über ›Die Ruhe der Heiligen Familie‹ – noch immer unter dem Pseudonym des Alten Meisters. Doch jeder kannte den Urheber. Das dritte Stadium, die Erweiterung um den ›Traum des Herodes‹ und die Ankunft der heiligen Drei im ägyptischen Saïs veröffentlichte der Komponist unter seinem Namen. Eine Inszenierung in den Raum ›L’enfance du Christ‹ ist ein künstlerisch vielschichtiges Werk. Es vereint epische Elemente des Oratoriums (etwa in der Rolle des Erzählers) mit dramatischen Momenten der Oper und Idealen der Symphonischen Dichtung, die ein Geschehen allein in Tönen auszudrücken beansprucht. Der spezifische Klang, der ein Werk und seine Teile auszeichnet, hing bei Berlioz eng mit der Vorstellung des Raumes und seiner Wirkung zusammen, und das nicht nur in seinen Opern, sondern auch in seinem Requiem und in ›L’enfance du Christ‹. Robin Ticciati, der sich mit Berlioz’ Schaffen eingehend auseinandersetzte (dies belegt u. a. seine Diskographie), zog daraus den Schluss, ›L’enfance du Christ‹ in den Raum der Philharmonie hinein zu inszenieren. Er versicherte sich dafür der Zusammenarbeit mit der irischen Schauspielerin und Regisseurin Fiona Shaw, die wie er in Glyndebourne bereits Opernprojekte verwirklichte. Was sie nun gemeinsam vorhaben, ist nicht mit einer schauspielerischen Bühnendarstellung zu verwechseln. Diese findet nicht statt. Aber die verschiedenen Funktionsträger und Handlungsschauplätze des Oratoriums erhalten ihren spezifischen Ort in der Philharmonie, etwa der Erzähler, der nicht Teil der Handlung ist, sondern sie wie-

ttskonzert

dergibt, oder das Trio von zwei Flöten und Harfe mit seiner Serenade, mit dem die Ismaeliten die flüchtenden Israeliten in Ägypten willkommen heißen.

»Das Publikum soll Berlioz‘ ›L’enfance du Christ‹ nicht nur als Gegenüber erleben, sondern sich mitten im Stück finden, von seinem musikalischen und inhaltlichen Geschehen umgeben sein.« Robin Ticciati

»Ich denke, der treffende Begriff für das, was Fiona Shaw und ich vorhaben, ist ›physicalisation‹«, so Robin Ticciati. »Damit ist kein Bühnenspiel gemeint, sondern die Verkörperlichung und Verortung der Musik in einer Weise, durch die das Publikum fühlen und sehen kann, was sie meint. Berlioz hat von seiner Musik eine körperliche, räumlich-körperliche Vorstellung. Ihr versuchen wir, gerecht zu werden. Die biblische Geschichte, die der Komponist selbst in einen dramatischen Text verwandelte, liegt weit weg von heute. Wovon sie spricht, liegt dagegen sehr nahe und ist hochaktuell: die Geschichte einer Verfolgung, einer Flucht, die Erfahrung mehrfach abgewiesen und dabei gedemütigt zu werden, um schließlich doch Zuflucht zu finden. Ich glaube, mit unserer szenischen Einrichtung entsprechen wir nicht nur einer Tendenz im Werk selbst, sondern holen das historisch Ferne auch näher an unser Erleben.«

Schlussapplaus

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Monika Grütte

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Hector Berlioz ›L’enfance du Christ‹ – Oratorium für Soli, Chor und Orchester (Szenische Einrichtung) ROBIN TICCIATI Sasha Cooke Mezzosopran (Maria) Allan Clayton Tenor (Erzähler) Jacques Imbrailo Bariton (Joseph) Christopher Purves Bassbariton (Herodes) RIAS Kammerchor Justin Doyle Fiona Shaw Regie So 17. Dezember 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 € In Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor

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Robin Ticciati | Rückblick Amtsantritt

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. Fantastische Erzählungen über die Wunder des Mittwinters füllen Bände. Sie rühren an emotionale Tiefenschichten. Kalte Herzen erwärmen sich, rohe Naturen entdecken die Zärtlichkeit, Armen winkt das kleine Glück, Verlorene werden gerettet, und wer der Härte des Schicksals nicht entrinnt, findet gleichwohl den Frieden mit sich, mit Gott und der Welt. Selbst die christliche Weihnachtsgeschichte, die der Evangelist Lukas am ausführlichsten überliefert, wird meistens wie ein Märchen wahrgenommen.

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Schumann in Reinform Antonello Manacorda und Piotr Anderszewski am 19.11.

Er war ein kühner Zweifler, der Geister in gotischen Galerien beschwor, seinen Weltschmerz auf Bergesklippen beklagte, die Götter für sich einnahm und noch im Sterben die Dämonen der Hölle zu bannen vermochte – Manfred, ein Held

Schumanns Vermächtnis Robin Ticciati und Isabelle Faust am 10. + 11.11. In seiner ersten Saison als Chefdirigent erarbeitet Robin Ticciati mit dem DSO ein weites Spektrum, das nicht nur durch zeitgenössische Kompositionen und ungewöhnliche Programmkonstellationen neue Querverbindungen zieht, sondern auch einen unverstellten Blick auf bereits Bekanntes ermöglicht.

Manacorda | Ticciati | Akademie

Besonders Robert Schumanns d-Moll-Violinkonzert, das sich viele Jahre gegen unlautere Vereinnahmung und unfaire Beurteilung wehren musste, hatte diese Rehabilitierung lange nötig. 1853, nur wenige Monate vor seiner psychischen Krise und der Einweisung in die Endenicher Heilanstalt entworfen, galt sein letztes Orchesterwerk Vielen als vom geistigen Verfall gekennzeichnet und zudem als allzu anspruchsvoll. Selbst

von wahrhaft romantischer Gestalt, ersonnen von Lord Byron, verehrt, bedichtet, gemalt und vertont von zahlreichen Künstlern. Auch Robert Schumanns Bewunderung fand ihren Ausdruck in seinem »dramatischen Gedicht mit Musik«, das er Franz Liszt als etwas »ganz Neues und Unerhörtes« empfahl. Die Ouvertüre eröffnet ein Programm, das ganz dem Komponisten Schumann und dem romantischen Gestus gewidmet ist: Mit dem symphonischen a-Moll-Klavierkonzert, dem immer noch der freiheitliche Charakter der Fantasie innewohnt, gespielt von Pjotr Anderszewski. Und mit der Zweiten Symphonie und ihrem meisterhaften, kontrapunktischen Gewebe, mit der Schumann gegen seine Depression ankomponierte.

Manacorda: Der Mitbegründer des Mahler Chamber Orchestra und einstige Schüler Jorma Panulas ist Künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam und Chefdirigent des niederländischen Het Gelders Orkest, zudem ein weltweit gefragter Operndirigent. Nun gibt er sein Debüt beim DSO.

Eigentlich hatte Jiří Bĕlohlávek, der große tschechische Dirigent, das Programm für sein Konzert am 19. November zusammengestellt – am 31. Mai 2017 ist er jedoch im Alter von 71 Jahren verstorben. Für ihn übernimmt Antonello

So 19. November 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie

der Geiger Joseph Joachim, der den Impuls zur Komposition gab, erarbeitete sich den virtuosen Solopart erst Jahre nach Schumanns Tod. Zur Premiere brachte er das Konzert dennoch nicht; seine Nachkommen untersagten sogar jegliche Aufführung für 100 Jahre. Dass das Werk dann doch bereits 1937 erklang, ist keiner glücklichen Fügung zu verdanken: Nachdem die Nationalsozialisten Mendelssohn Bartholdys beliebtes Violinkonzert aufgrund antisemitischer Ressentiments verboten hatten, suchten sie in dem vergessenen Werk des Zwickauer Komponisten einen »ehrenvollen« Ersatz. So kam es, dass das d-Moll-Konzert mit seiner düster-pompösen Eröffnung, den lyrischen wie träumerischen Themen und tänzerischem Charakter vor NSDAP-Funktionären in einer (anonymisierten) Bearbeitung von Paul Hindemith uraufgeführt wurde. Erst Monate später konnte Yehudi Menuhin, der zuvor vergeblich sein Interesse an dem Fundstück bekundet hatte, die erste Einspielung des Konzerts realisieren. Schumanns Vermächtnis nähert sich Robin Ticciati aus historischer Perspektive: Bachs Vierte Orchestersuite eröffnet den Abend mit barocker Pracht, stilisierten französischen Hoftänzen und feierlichem Glanz. Mozarts Symphonie Nr. 41, der sein Londoner Impresario Johann Peter Salomon später den Namen ›Jupiter‹ verlieh, verbindet in einzigartiger Meisterschaft hochvirtuose Kontrapunkttechnik mit musikalischer Heiterkeit und erhabenem Gestus. FELICITAS BÖHM

MAXIMILIAN RAUSCHER

Robert Schumann Ouvertüre zu ›Manfred‹ Robert Schumann Klavierkonzert a-Moll Robert Schumann Symphonie Nr. 2 C-Dur ANTONELLO MANACORDA Piotr Anderszewski Klavier

Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

Johann Sebastian Bach Orchestersuite Nr. 4 D-Dur Robert Schumann Violinkonzert d-Moll Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie Nr. 41 C-Dur ›Jupiter‹ ROBIN TICCIATI Isabelle Faust Violine Fr 10. + Sa 11. November 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

25 Jahre Ferenc-Fricsay-Akademie Jubiläumskonzert mit Robin Ticciati am 16.11. Seit 1992 engagiert sich die Orchesterakademie des DSO – benannt nach seinem ersten Chefdirigenten – für herausragende Talente. Der musikalische Nachwuchs ist zwar bestens ausgebildet, technisch brillant und künstlerisch neugierig, doch praktische Erfahrung im Orchesterspiel kann das Instrumentalstudium nur in sehr geringem Maße vermitteln. Damit die erste große Orchesterstelle nicht zur unfreiwilligen Überraschung wird, ergreifen immer mehr Klangkörper selbst die Initiative. Auch beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin können sich seit nunmehr 25 Jahren zehn Musikerinnen und Musiker jährlich in Probespielen für die Orchesterakademie qualifizieren und erhalten dann die Möglichkeit, die Arbeit eines professionellen Ensembles kennenzulernen und aktiv mitzugestalten. Dabei wirken die aufstrebenden Instrumentalisten an Symphonie- und Kammerkonzerten sowie bei Rundfunkoder CD-Aufnahmen mit, nehmen an Probespielworkshops teil und werden zusätzlich von den Stimmführern des DSO unterrichtet. Die Geigerinnen Kamila Glass und Elena Rindler,

selbst ehemalige Akademistinnen, sowie der Kontrabassist Matthias Hendel unterstützen die Akademie-Mitglieder dabei in allen Belangen. Auch Kammermusik ist Teil des Curriculums: Am 27. Mai 2018 präsentieren sich die Ferenc-Fricsay-Akademisten zusammen mit Mitgliedern des DSO in einem gemeinsamen Kammerkonzert in der Villa Elisabeth. Zuvor sind die jungen Musiker bereits am 16. November bei einem Jubiläumskonzert mit Werken für Kammerorchester zu erleben – und das erstmalig unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Robin Ticciati. Im Heimathafen Neukölln präsentieren sie mit DSO-Mitgliedern Elgars Streicherserenade sowie die Dritte Orchestersuite von Bach. Im Mittelpunkt des Abends steht ein Werk aus dem Jahr 1999 von Jörg Widmann, der mit seiner zehnstimmigen ›Ikarischen Klage‹ die tragische Figur der griechischen Mythologie auf seine eigene Weise interpretierte. LARISSA SCHARBERTH

Jubiläumskonzert ›25 Jahre Ferenc-Fricsay-Akademie‹ Edward Elgar Serenade e-Moll für Streichorchester Jörg Widmann ›Ikarische Klage‹ für zehn Streicher Johann Sebastian Bach Orchestersuite Nr. 3 D-Dur ROBIN TICCIATI Akademisten und Mitglieder des DSO Do 16. November 20.30 Uhr Heimathafen Neukölln Karten zu 25 € | 15 € ermäßigt | freie Platzwahl Mit freundlicher Unterstützung durch den


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Der Natur Gewalten Robin Ticciati und Karen Cargill am 24. + 25.11. Gustav Mahler war ein »Sommerkomponist«. Die Monate von Juli bis September zog sich der Direktor der Wiener Hofoper in die Berge zurück, um sich unbehelligt vom Spielplantrubel, gehässigen Kritikern und sozialen Verpflichtungen der Komposition seiner Symphonien widmen zu können. In den Sommern der Jahre 1895 und 1896 hielt sich Mahler in Steinbach am Attersee auf; in einem eigens errichteten »Komponierhäuschen« entstanden die größten Teile der längsten und vermutlich kontrastreichsten seiner Symphonien, der Dritten. Auch programmatisch ‒ die Dritte bildet nach den beiden vorherigen den vorläufigen Abschluss der sogenannten ›Wunderhorn‹-Symphonien ‒ scheint diese durch die alpine Flora und Fauna des Komponisten inspiriert: »Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein«, notierte Mahler ursprünglich über dem Eröffnungssatz. Allein aufgrund dessen Dimensionen schrieb er an seine Vertraute Natalie Bauer-Lechner: »Es ist kaum mehr Musik zu nennen, sondern nur ein ungeheurer, mystischer Naturlaut. Ich hätte den Satz auch nennen können: Was mir das Felsengebirge erzählt.« Nach den schroff-archaischen Klängen des Beginns erzählen die weiteren Sätze von dem durch Streicher- und Harfenpizzicati symbolisierten Wiegen und Wogen der Blumen im Wind, den

Tieren im Wald im grotesken Scherzo, den mit Einsatz des Alt-Solos eintretenden Menschen im vierten Satz, dem von Kirchenglocken, Kinder- und Frauenchor untermalten Reich der Engel, und schließlich von der Liebe. Die Texte der Gesangsstimmen entlehnte Mahler neben der Sammlung ›Des Knaben Wunderhorn‹ dabei außerdem Friedrich Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹. Robin Ticciati lässt der Mahler’schen Natur- und Klanggewalt das Orchesterstück ›Meditation‹ des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa vorausgehen. Sein eindrucksvolles Werk beschreibt nicht die Freuden und Erhabenheit der Natur, sondern entfaltet vielmehr deren vernichtende Gewalt: Hosokawas ›Meditation‹ gedenkt der etwa 16.000 Opfer des Tsunamis vom 11. März 2011 an der japanischen Küste nahe Fukushima und der sich daran anschließenden Atomkatastrophe. FELICITAS BÖHM

Toshio Hosokawa ›Meditation‹ für Orchester Gustav Mahler Symphonie Nr. 3 d-Moll ROBIN TICCIATI Karen Cargill Mezzosopran Damen des Rundfunkchors Berlin Staats- und Domchor Berlin Fr 24. + Sa 25. November 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 € In Zusammenarbeit mit dem Rundfunkchor Berlin

Die Reife der Jugend Was ist Reife? Schauen wir uns eine Frucht an, einen Apfel zum Beispiel. Ist er reif, wenn er rot ist? Bei einem Elstar mag das der Fall sein. Bei einem Granny Smith nicht: knallgrün leuchtet er, wenn er in voller Pracht die Äste schmückt. Er ist knackig, hat ganz festes Fleisch und schmeckt säuerlich. Es muss nicht immer süß sein, um gut zu sein. Aber ein gewisses Strahlen, aus der Ferne, das kann nicht schaden. Da schaut jeder zufällig Vorbeikommende gerne hin. Ein Strahlen, Licht der nordischen Natur, das fing Edvard Grieg mit seinem Klavierkonzert op. 16 so gekonnt wie überraschend ein. Er war gerade mal 25 Jahre alt, als er es schrieb. Die »Farben seines Heimatlandes« habe der norwegische Komponist gefunden, sagte der Dirigent Eivind Aadland einmal. Und die Form: perfekt aus der Entwicklung kleinster Einheiten modelliert. Das hatte sich Grieg bei Schumann abgeschaut, den er sehr verehrte. Nach der umjubelten Uraufführung in Kopenhagen – bei der Grieg wegen anderer Verpflichtungen nicht anwesend sein konnte – trat das Stück seinen Siegeszug durch die Konzertsäle der Welt an. Es sollte das einzige vollendete Konzert des Komponisten bleiben. Seine Reife hatte er früh erreicht. Jan Lisiecki ist 22 Jahre alt. Er steht gerne früh auf, um dem Licht des Tages als Erster zu begegnen. Das inspiriert ihn. »Die klassische Musik wird durch ihre verschiedenen Farben erst recht interessant. Bei einem Sonnenaufgang kann ich aus Millionen Farben auswählen. Und so nehme ich mir daraus auch eine Farbe, um in ihr zu spielen.« 2012 unterschrieb er einen Fünfjahresvertrag bei der Deutschen Grammophon. Seine erste CD widmete er Mozarts Klavierkonzerten Nr. 21 und 22. Warum Mozart? Dessen Musik sei so »sauber« und perfekt, dass sich an ihr der Charakter des Interpreten unweigerlich zeigen würde: »Ist man ein aufbrausender Künstler, der laut und schnell spielt, oder eher ein ruhigerer? Mozart lässt einem die Wahl.« Lisiecki wählte seine eigene Art, eine samtig-feine, erzählerische, dennoch äußerst souveräne Interpretation, die die Klassikwelt erstaunte. Schnell war die Rede von einem »Jahrhundertkünstler«, auch in den Reihen der Kollegen. Erstaunlicherweise war es kein Pianist, sondern ein Geiger (und Dirigent), der die wohl treffendste Einschätzung abgab: »Jan spielt mit der Frische eines Jugendlichen und mit der Tiefe eines alten Meisters«, sagte Pinchas Zukerman. »So einen Menschen gibt es vielleicht zwei Mal in 100 Jahren. Das Besondere ist, dass er bei all dem im Leben steht.« Der so Gelobte stimmt nur dem zu, was die Bodenhaftung betrifft: »Wenn ich gerade nicht spiele, dann mache

ich Verschiedenes. Ich bin darin ziemlich normal. Ich fahre Ski und Rad, ich lese Bücher und schaue fern. Auf meinen Reisen sehe ich mir immer auch die Städte an und erkunde ihre touristischen Attraktionen.« Der im kanadischen Calgary geborene Ausnahmekünstler, dessen Eltern 1988 Polen verließen, kommt tatsächlich viel herum. Denn er ist begehrt, konzertiert mit den besten Orchestern und begeistert sein Publikum weltweit. Der hochgewachsene junge Virtuose, der bereits im Juni 2015 mit dem DSO unter Tugan Sokhiev in der Philharmonie zu erleben war (damals spielte er Chopins Klavierkonzert Nr. 1), bleibt auch bei der Frage nach der Reife bedächtig: »Es ist nicht so, dass ich mich besonders darum bemühe, reif zu werden. Das ist man oder man ist das nicht. Vielleicht habe ich einfach nur Glück.« Glück hat auf jeden Fall der, der ihn hören kann. HELGE BIRKELBACH

Zoltán Kodály ›Tänze aus Galánta‹ Edvard Grieg Klavierkonzert a-Moll Antonín Dvořák Symphonie Nr. 7 d-Moll CRISTIAN MĂCELARU Jan Lisiecki Klavier Do 30. November 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

Robin Ticciati | Jan Lisiecki

Cristian Măcelaru und Jan Lisiecki am 30.11.


Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Letzte Meldung: Weihnachtskonzert des Abonnentenorchesters am 02.12.

Konzerte November Fr 10.11. Sa 11.11. 20 Uhr Philharmonie

So 12.11. 12 Uhr Haus des Rundfunks

Bach Orchestersuite Nr. 4 D-Dur Schumann Violinkonzert d-Moll Mozart Symphonie Nr. 41 C-Dur ›Jupiter‹ ROBIN TICCIATI Isabelle Faust Violine

Kulturradio-Kinderkonzert Mozart Symphonie Nr. 41 C-Dur ›Jupiter‹ ROBIN TICCIATI Christian Schruff Moderation

ab 10.30 Uhr

Open House

Do 16.11. 20.30 Uhr Heimathafen Neukölln

Jubiläumskonzert ›25 Jahre Ferenc-Fricsay-Akademie‹ Elgar Serenade e-Moll für Streichorchester Widmann ›Ikarische Klage‹ für zehn Streicher Bach Orchestersuite Nr. 3 D-Dur ROBIN TICCIATI Akademisten und Mitglieder des DSO

Fr 17.11. 22 Uhr Neues Museum

Dezember So 03.12. 17 Uhr Villa Elisabeth

Do 07.12. 20 Uhr Philharmonie

So 10.12. 12 Uhr Haus des Rundfunks

Fr 24.11. Sa 25.11. 20 Uhr Philharmonie

Hosokawa ›Meditation‹ für Orchester Mahler Symphonie Nr. 3 d-Moll ROBIN TICCIATI Karen Cargill Mezzosopran Damen des Rundfunkchors Berlin Benjamin Goodson Staats- und Domchor Berlin Kai-Uwe Jirka

Do 30.11. 20 Uhr Philharmonie

Kodály ›Tänze aus Galánta‹ Grieg Klavierkonzert a-Moll Dvořák Symphonie Nr. 7 d-Moll CRISTIAN MĂCELARU Jan Lisiecki Klavier

Kammerkonzerte Die ausführlichen Programme und Besetzungen finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik.

Kulturradio-Kinderkonzert Prokofjew Auszüge aus der Ballettmusik ›Cinderella‹ AURÉLIEN BELLO Christian Schruff Moderation Open House

So 17.12. 20 Uhr Philharmonie

Berlioz ›L’enfance du Christ‹ – Oratorium für Soli, Chor und Orchester (Szenische Einrichtung) ROBIN TICCIATI Sasha Cooke Mezzosopran (Maria) Allan Clayton Tenor (Erzähler) Jacques Imbrailo Bariton (Joseph) Christopher Purves Bassbariton (Herodes) RIAS Kammerchor Justin Doyle Fiona Shaw Regie

So 31.12. 15 + 19 Uhr Tempodrom

Silvesterkonzerte ›Von Barber bis Broadway‹ Amerikanische Musik für Bühne, Film und Konzertsaal JOHN WILSON Kim Criswell Gesang Artisten des Circus Roncalli

20.45 Uhr Einlass | 21 Uhr Kurzführung

Schumann Ouvertüre zu ›Manfred‹ Schumann Klavierkonzert a-Moll Schumann Symphonie Nr. 2 C-Dur ANTONELLO MANACORDA Piotr Anderszewski Klavier

Weinberg Violinkonzert g-Moll Sibelius ›Lemminkäinen‹-Suite MIRGA GRAŽINYTĖ-TYLA Gidon Kremer Violine

ab 10.30 Uhr

Kammerkonzert ›Notturno‹ Messiaen ENSEMBLE DES DSO

So 19.11. 20 Uhr Philharmonie

Kammerkonzert Brahms, Schumann ENSEMBLE DES DSO

Januar Mo 01.01. 18 Uhr Tempodrom

Neujahrskonzert ›Von Barber bis Broadway‹ Amerikanische Musik für Bühne, Film und Konzertsaal JOHN WILSON Kim Criswell Gesang Artisten des Circus Roncalli

Konzerteinführungen Zu allen Symphoniekonzerten in der Philharmonie – mit Ausnahme der Casual Concerts – findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Habakuk Traber statt.

Eigentlich sieht es aus wie immer, wenn im Ferenc-Fricsay-Saal des DSO eine Probe ansteht: Ankunft der Musiker, entspanntes Plaudern, man packt aus und stimmt, übt vielleicht noch eine heikle Stelle. Doch es sind keine Musikprofis, sondern Ärzte, Lehrer, Rundfunkmitarbeiter oder Studenten, die hier jeden Montagabend gemeinsam musizieren. Am Pult steht Heinz Radzischewski, im Hauptberuf stellvertretender Solo-Trompeter des DSO. Er hat 2004 das Abonnentenorchester gegründet, um mit musikalisch ambitionierten Laien anspruchsvolle Konzertliteratur einzustudieren. Auch etliche seiner DSO-Kollegen sind regelmäßig als Solisten oder Dozenten mit von der Partie. Mehrere Berliner Konzerte und Gastspiele im Jahr dokumentieren das hohe Niveau der gemeinsamen Arbeit – neue Mitglieder, vor allem Streicher, sind übrigens immer herzlich willkommen.

Geprobt wird derzeit für das Weihnachtskonzert in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche am 2. Dezember um 19 Uhr. Als Solisten sind der Trompeter Raphael Mentzen, die Sopranistin Birgit Pehnert und der Tenor Oliver Uden zu hören, zudem singt der Chor des Rheingau-Gymnasiums Schöneberg. Auf dem Programm stehen Otto Nicolais Weihnachtsouvertüre über den Choral ›Vom Himmel hoch‹, eine Trompetensonate von Pietro Baldassare, Auszüge aus den Oratorien ›Die Festzeiten‹ von Carl Loewe und ›Christus‹ von Mendelssohn, aus Humperdincks Oper ›Hänsel und Gretel‹ sowie Arien aus Bachs ›Weihnachtsoratorium‹. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen finden Sie unter dso-berlin.de/aboorchester.

92,4

KARTEN, ABOS UND BERATUNG Besucherservice des DSO in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Charlottenstraße 56 | 2. OG 10117 Berlin | Am Gendarmenmarkt Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 –18 Uhr Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29 tickets dso-berlin.de | dso-berlin.de

die kunst zu hören

IMPRESSUM Deutsches Symphonie-Orchester Berlin im rbb-Fernsehzentrum Masurenallee 16 –20 | 14057 Berlin Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539 info@dso-berlin.de | dso-berlin.de Orchesterdirektor Alexander Steinbeis (V. i. S. d. P.) Orchestermanager Sebastian König Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Larissa Scharberth Branding | Marketing Annelie Jenne Abbildungen | Fotos Fabian Frinzel und Ayzit Bostan (S. 1, S. 2 oben), Verena Eidel (S. 2 unten links), audite Musikproduktion (S. 2 unten Mitte), Maximilian Rauscher (S. 2 unten rechts), Frans Jansen (S. 3), Kai Bienert (S. 4 oben, S. 5 rechts), Dorothee Mahnkopf (Grafik S. 4 unten), Marco Borggreve (S. 5 links), Nikolaj Lund (S. 6 oben), Felix Broede (S. 6 Mitte), K. K. Dundas (S. 7 oben), Holger Hage (S. 7 unten), Ralf Heldenmaier (S. 8)

Der Perfekte Ein- oder Ausklang ist 3 Minuten von der Philharmonie entfernt.

QIU Lounge im the Mandala Hotel am Potsdamer Platz Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00 | www.qiu.de

Art- und Fotodirektion Preuss und Preuss Satz peick kommunikationsdesign Redaktionsschluss 27.09.2017, Änderungen vorbehalten © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2017 Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin. Geschäftsführer Thomas Kipp Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg


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