DSO-Nachrichten 01/02 2017

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DSO-NACHRICHTEN Januar | Februar 2017

ROMANTISCHE PERSPEKTIVEN Robin Ticciati im Gespräch Auf Leben und Tod Casual Concert mit Alexander Shelley Ein Botschafter Estlands Neeme Järvi dirigiert Rääts Ultraschall Berlin Das DSO beim Festival für Neue Musik

Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

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70 Jahre DSO | Kurzmeldungen

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Inhalt 2

Erinnerungen … Die Ära Chailly Während des Schlussapplauses meines letzten Konzerts unter Tugan Sokhiev sagte mein Pultnachbar Mathias Donderer: »Du hast es doch eigentlich sehr gut getroffen: Hast unter Lorin Maazel begonnen und beendest Dein Orchesterleben unter Tugan Sokhiev.« Das stimmt wohl, antwortete ich, aber dazwischen ist einiges passiert…!

Willkommen 70 Jahre DSO und Kurzmeldungen

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Romantische Perspektiven Robin Ticciati im Gespräch

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Ich wollte nach meinem Studium in Detmold unbedingt nach Berlin – zum einen, um dem Wehrdienst zu entgehen, vor allem aber, weil die Philharmoniker gerade die Karajan-Akademie gegründet hatten. Doch dann absolvierte ich ein Probespiel beim DSO (damals RSO) – und bekam die Stelle. Leider verließ Maazel kurz darauf das Orchester, und wir waren sieben Jahre lang auf der Suche nach einem Nachfolger. Hätte man auch nur eine der »wohlgemeinten« Empfehlungen umgesetzt, das Orchester stünde heute nicht so gut da. Als wir schließlich 1982 Riccardo Chailly fanden, herrschte Aufbruchsstimmung. Er hat das Orchester aus einer tiefen Depression herausgeholt und nicht zuletzt mit seinen Mahler- und Bruckner-Symphonien begeistert – ich erinnere mich hier vor allem an diese riesigen Bögen, die er zu schlagen vermochte. Dabei hat er viele der Stücke, die wir mit ihm spielten, zum ersten Mal dirigiert! Und auch mit der Wiederentdeckung der, wie ich finde, unglaublich aufregenden Musik von Zemlinsky haben wir damals Pionierarbeit geleistet.

Herzlichen Glückwunsch! Rückblick auf die Jubiläumskonzerte

Gutes tun und Gutes hören Neues vom Förderkreis des DSO

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Auf Leben und Tod Alexander Shelley und Lars Vogt

70 Jahre DSO Fundstücke aus sieben Jahrzehnten

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Von Anfang an habe ich mich deswegen mit dem DSO identifiziert. Besonders die Rolle des ständigen Herausforderers in Berlin hat mich gereizt. Die Neugierde hat mir Spaß gemacht, das Erproben neuer Spielweisen und immer wieder neuer Stücke – das erlebt man so in den wenigsten Orchestern. Als »Veteran« hat man ja oft die Tendenz, die Vergangenheit zu verklären, aber mein Blick ist da sehr differenziert. Eigentlich ist, trotz der vielen »ups and downs«, alles besser geworden. Die Probendisziplin, vor allem aber das Niveau der Musiker und des Zusammenspiels. Was die neuen Kollegen durch die Akademien und Jugendorchester für eine Erfahrung mitbringen, ist unglaublich. Die sind echt gut! Und auch die Dirigenten sind heute entschieden besser ausgebildet...

Ein Botschafter Estlands Neeme Järvi und Igor Levit

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Im besten Licht Santtu-Matias Rouvali und Baiba Skride

Ultraschall Berlin Das DSO beim Festival für Neue Musik

Andreas Lichtschlag war von 1975 bis 2015 Cellist des RSO | DSO, viele Jahre Betriebsrat, Orchestervorstand und Einteiler der Cellogruppe. Er übt heute täglich Klavier und Gitarre und ist als leidenschaftlicher Wassersportler auf den Gewässern nah und fern Berlins anzutreffen.

Pultnotiz Max Werner, Englischhornist des DSO

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Konzertkalender Alle Konzerte im Januar und Februar

Kammerkonzert im Heimathafen Neukölln am 27.01.

Kammerkonzert ›Notturno‹ mit dem Anamyktos Quartett am 10.02.

Neujahrskonzert mit den Artisten des Circus Roncalli am 01.01.

Seit über zehn Jahren begeistert das Ensemble Farou Berlin mit seiner besonderen Hingabe an das facettenreiche Repertoire von der Romantik bis zur klassischen Moderne. Am 27. Januar konzertieren die DSO-Mitglieder bei einem Kammermusikabend in den historischen Räumen des Heimathafens Neukölln mit Werken französischer Komponisten: Dem Quintett in g-Moll von Paul Taffanel stellen die Musikerinnen und Musiker hierbei eine beschwingte und raffinierte Bearbeitung für Bläserquintett von Claude Debussys ›Petite suite‹ gegenüber. Mit Maurice Ravels bewegendem ›Tombeau de Couperin‹ schafft das Ensemble den Übergang zum Septett von Charles Koechlin, bei dem die fünf Holzbläser mit Altsaxophon (Norbert Nagel) und Englischhorn (Max Werner, siehe S. 7) um zwei zusätzliche Stimmen erweitert Pultnotiz werden. Mehr unter dso-berlin.de/kammermusik

Die beliebte Kammermusikreihe ›Notturno‹, die das DSO seit 2010 in Kooperation mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz veranstaltet, findet am 10. Februar im Museum für Fotografie ihre Fortsetzung. Zu gewohnt später Stunde sind kulturbegeisterte Nachtschwärmer dazu eingeladen, eine einmalige Synthese aus klassischer Musik und faszinierender Kunst zu erleben. Ab 21 Uhr werden Kurzführungen durch die Sammlung angeboten, um 22 Uhr beginnt das nächtliche Konzertvergnügen mit dem Anamyktos Quartett des DSO. Das Programm ist ausschließlich britischen Komponisten gewidmet: Das Streichquartett Nr. 2 von Ralph Vaughan Williams bildet den Mittelpunkt des Abends, mit James MacMillans ›Why Is This Night Different?‹ und Colin Matthews’ Streichquartett Nr. 5 bringt das Ensemble außerdem zwei zeitgenössische Werke zur Aufführung. Mehr unter dso-berlin.de/notturno

Die Silvesterkonzerte des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin mit den Artisten des Circus Roncalli haben sich durch ihre mitreißende Kombination aus Orchestermusik und beeindruckender Zirkuskunst seit mehr als einem Jahrzehnt fest im Berliner Konzertleben etabliert. Aufgrund der großen Nachfrage wird es auch zum kommenden Jahreswechsel ein zusätzliches Konzert im Manegenrund des Tempodroms geben. Am 1. Januar um 18 Uhr lässt der britische Dirigent Martyn Brabbins zusammen mit dem deutsch-französischen Cellisten Nicolas Altstaedt und in Verbindung mit den atemberaubenden Glanzleistungen der Artisten klangmalerische und ästhetische Traumwelten entstehen. Das Aufeinandertreffen zweier höchst virtuoser Künste mündet in ein berauschendes Fest für die Sinne und begrüßt das neue Jahr auf gewohnt spektakuläre Weise.

Fr 27. Januar 20.30 Uhr Heimathafen Neukölln

Fr 10. Februar 22 Uhr Museum für Fotografie

So 1. Januar 18 Uhr Tempodrom

Karten zu 18 € | 10 € ermäßigt | AboPlus-Preis 15 €

Karten zu 22 € | 15 € ermäßigt | AboPlus-Preis 19 €

Karten von 20 € bis 65 € | AboPlus-Preis ab 17 €


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Robin Ticciati im Gespräch

Romantische Perspektiven Der zukünftige Chefdirigent Robin Ticciati über sein Konzert am 13.01.

Ab der kommenden Saison wird Robin Ticciati das DSO als achter Chefdirigent in das achte Jahrzehnt seines Bestehens führen. Der britische Musiker mit italienischen Vorfahren – sein Großvater lebte als angesehener Komponist und Arrangeur in Rom – hat dann das Alter erreicht, in dem drei seiner prägenden Vorgänger die künstlerische Verantwortung für das Orchester übernahmen: Ferenc Fricsay, Lorin Maazel und Tugan Sokhiev zählten 34 Jahre, als sie den Chefposten beim RIAS- | Radio- | Deutschen Symphonie-Orchester Berlin antraten. Mitte dreißig scheint für diese anspruchsvolle Aufgabe eine ideale Lebens- und Schaffensphase zu sein. Der Elan der jungen Jahre ist ungebrochen, aber durch mindestens ein Jahrzehnt praktischer Erfahrung hinterlegt und gestützt. Wer mit Robin Ticciati spricht, wird genau diesen Eindruck mitnehmen: Die detaillierte Kenntnis eines breiten Repertoires und der hervorstechenden Eigenschaften verschiedener Orchester verbindet sich bei ihm mit dem Willen, Neues zu gestalten und Vorhandenes neu zu verstehen. In der laufenden Jubiläumssaison gestaltet Robin Ticciati bereits zwei Programme und gibt damit eine Vorahnung seiner Arbeit der kommenden Jahre. Im vorletzten Konzert der Spielzeit, das er am 22. Juni dirigiert, schlägt er einen weiten Bogen über die Zeiten – von Giovanni Gabrieli und Henri Purcell hin zu Thomas Adès, einem der dynamischen britischen Komponisten, die längst ein internationales Renommee gewonnen haben; er beschließt das Programm mit Mahlers ›Symphonie classique‹, der Vierten, und ihren Paradiesvisionen. Im Gespräch erläuterte er seine Gedanken zum ersten Konzert am 13. Januar. Maestro, nach welchen Kriterien entstehen Ihre Programme? Wenn ich ein Programm entwerfe, stelle ich es mir immer als Ganzes vor. Als ich das DSO 2014 zum ersten Mal dirigierte, legte ich den Schwerpunkt auf eine Symphonie von Bruckner. Für unsere zweite gemeinsame Arbeit wollte ich französische Musik in den Mittelpunkt rücken. Ich dachte, nun könnte die Konzentration auf einen britischen Komponisten interessant sein, in diesem Fall Edward Elgar. Über nationale Musik zu sprechen, macht zwar letztlich wenig Sinn, denn Musik ist universal. Dennoch entsteht sie aus bestimmten Traditionen, bezieht sich auf bestimmte Stile, auf andere Künste, auf Architektur, Landschaft und vieles mehr. Elgar aufzuführen heißt, Werke zu präsentieren, die sehr stark durch eine deutsche Tradition – von Beethoven zu Brahms und Wagner – beeinflusst sind. Dies gilt für das strukturelle Denken ebenso wie für die Orchestrierung. Fritz Kreisler, auf dessen Bitten und Drängen Elgar sein Violinkonzert schrieb, stellte es in die Linie Beethoven–Brahms. Elgars Partituren verraten eine starke Orientierung am »deutschen Klang«. Deshalb fand ich es interessant,

dieses symphonische Konzert aus Großbritannien einem anderen Typus von Romantik aus deutscher Tradition gegenüberzustellen: Schumanns ›Rheinischer‹. Sie kann, finde ich, als Inbegriff romantischer Symphonik gelten. Zwischen diese beiden großen Werke romantischer Tradition stellen Sie das Stück einer jungen britischen Komponistin. Was bewog Sie zur Wahl von Helen Grimes ›Near Midnight‹? Ich suchte Distanz und Nähe in einem. Ich wollte zwischen Elgar und Schumann ein Werk setzen, das zu beiden einen Bezug hat, aber zugleich eine neue Stimme in das Programm bringt. Deshalb entschied ich mich für das Stück von Helen Grime.

»Es gibt für das romantische Denken und Fühlen nicht nur die Ausdrucksformen des 19. Jahrhunderts, sondern auch die heutigen.« Der Titel ›Near Midnight‹ erinnert an das romantische Genre der Nocturnes, der Nachtstücke … Nicht nur der Titel, sondern auch das Werk selbst. ›Near Midnight‹ ist nicht tonal geschrieben, seiner Idee nach aber sehr romantisch, es kommt sozusagen aus einer romantischen Seele. Es spricht selbstverständlich in der Tonsprache unseres Jahrhunderts. Helen Grime äußert sich zum Beispiel öfter über Melancholie – in ihren Werken und in ihren Kommentaren. Das hat besonders in England und in Schottland, wo sie aufgewachsen ist, eine lange und starke Tradition, denken Sie an Dichter wie Walter Scott, Robert Burns, Lord Byron, Thomas Moore oder D. H. Lawrence, auf den sie sich direkt bezieht. Die Atmosphäre dieser wundervollen Dichtungen überträgt sie in das Empfinden und in die Tonsprache unserer Zeit. Es gibt für das romantische Denken und Fühlen nicht nur die Ausdrucksformen des 19. Jahrhunderts, sondern auch die heutigen. Ich denke, wir haben mit ›Near Midnight‹ nicht nur eine Brücke zwischen Elgar und Schumann gefunden, sondern auch einen archimedischen Punkt, von dem aus beide Werke in einem besonderen Licht erscheinen. Helen Grime erreichte in Großbritannien zum Beispiel durch ihre Residenzen beim Hallé Orchestra ein starkes Echo, hier ist sie allerdings kaum bekannt. Werden Sie in Zukunft weitere ihrer Werke in Berlin vorstellen? Ja, ich möchte in der kommenden Saison ihr Orchesterstück ›Virga‹ dirigieren. Berlin hat ein so vielfältiges Musikleben, in dem

Komponisten der Gegenwart ihre Foren und ihr Publikum finden. Ich denke, wir können mit Helen Grime einen ganz besonderen Akzent setzen. Können Sie uns schon verraten, was wir in der nahen Zukunft an Programmen von Ihnen erwarten dürfen? Mit dem Konzert am 22. Juni möchte ich eine andere Seite meiner Programmkonzeptionen zeigen. Wir greifen zurück auf Musik des frühen und des späten 17. Jahrhunderts, stellen mit Thomas Adès’ Violinkonzert wiederum ein Werk des 21. Jahrhunderts ins Zentrum und schließen mit Mahlers Vierter Symphonie. Auch in diesem Programm ist die Frage des Klangs von wesentlicher Bedeutung. Das erste Stück spielen nur Bläser, das zweite nur Streicher, bei Adès sind dann alle vertreten, aber am Ideal eines Kammerorchesters orientiert. Der transparente Klang der Vierten ist bei Mahler wiederum etwas Außergewöhnliches. Die kommende Saison stellen wir am 25. April detailliert vor. Aber Sie können aus den bisherigen Programmen gewiss erkennen, dass wir nicht einem einzigen Leitgedanken durch die ganze Saison folgen werden. Wir wollen eher versuchen, das breite Feld der Orchesterkultur aus neuen Blickwinkeln erfahrbar zu machen. Dazu dienen uns einerseits Werke zeitgenössischer Komponisten, andererseits die Konstellationen von Werken in einem Konzert. In meinem ersten Jahr als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter werden wir, das DSO und ich, uns genauer kennen und aufeinander einstellen lernen. Der Horizont ist offen! Das Gespräch führte HABAKUK TRABER.

Edward Elgar Violinkonzert h-Moll Helen Grime ›Near Midnight‹ (Deutsche Erstaufführung) Robert Schumann Symphonie Nr. 3 Es-Dur ›Rheinische‹ ROBIN TICCIATI Renaud Capuçon Violine Fr 13. Januar 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €


70 Jahre DSO | Förderkreis

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Herzlichen Glückwunsch! Das DSO feierte seinen 70. Geburtstag

70 wird man nur einmal. Und so feierte das DSO den runden Geburtstag gleich doppelt: am 6. November mit einem Symphoniekonzert unter der Leitung seines Ehrendirigenten Kent Nagano in der Philharmonie und am 7. November auf Einladung des Bundespräsidenten mit einem Wandelkonzert im Schloss Bellevue. Ein Fest in der Philharmonie Neben zahlreichen Ehrengästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur waren zum Jubiläum des DSO im Scharoun-Bau auch alle Gesellschafter der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH, dem Träger des Orchesters, prominent vertreten – »ein schönes Zeichen der Wertschätzung«, wie es Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrer Rede vor Konzertbeginn ausdrückte. Zur tieferen Bedeutung des Anlasses führte sie aus: »Musik schafft Verbindung, wo unterschiedliche Begriffe Schweigen oder Missverstehen provozieren. Musik kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt. Musik öffnet Welten – und in diesem Sinne bleibt auch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin weiterhin ein Hoffnungsträger. Herzlichen Glückwunsch zum 70. Jubiläum!«

Zuvor hatte auf dem Podium bereits der Regierende Bürgermeister Michael Müller dem Orchester gratuliert: »Heute schauen wir zurück auf 70 Jahre dieses großartigen Klangkörpers. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist hervorragend aufgestellt und wirtschaftlich abgesichert. Es hat mit der Wahl des neuen Chefdirigenten Robin Ticciati, der 2017 sein Amt antritt, erneut einen der spannendsten Künstler seiner Generation gewinnen können. Wir freuen uns auf ihn!« Durch die Dramaturgie des Konzertprogramms, die eng auf die Orchestergeschichte abgestimmt war, konnte das DSO seine große Wandlungsfähigkeit beweisen: Ausgehend von Arnold Schönbergs Kammersymphonie für 15 Solo-Instrumente entwickelte Kent Nagano einen weiten Spannungsbogen über Joseph Haydns Sinfonia Concertante, in der ein blendend aufgelegtes Quartett aus Orchestersolisten auf ein klassisches Ensemble traf, und über Robert Schumanns Klavierkonzert mit dem legendären russischen Pianisten Mikhail Pletnev bis zum Grand Finale in Maurice Ravels ›La valse‹, dem musikalischen Tanz auf dem Vulkan in voller Orchesterstärke.

Wandelkonzert im Schloss Bellevue »Das Deutsche Symphonie-Orchester wird in diesen Tagen 70 Jahre alt. Das war für mich der Anlass, seine Musikerinnen und Musiker einzuladen, einmal die Räume von Schloss Bellevue mit ihrem Klang zu erfüllen«, begrüßte Bundespräsident Joachim Gauck am darauffolgenden Abend die Gäste zum Wandelkonzert in seinem Amtssitz. »Große Dirigenten legten das Fundament für den großartigen Klang und schließlich auch für den weltweiten Ruhm eines der ganz großen deutschen Orchester«, würdigte er das DSO. Drei Ensembles traten auf: Im Großen Saal war unter der Leitung von Kent Nagano das Siegfried-Idyll von Richard Wagner zu hören. Im Langhans-Saal präsentierte das Polyphonia Ensemble Berlin in Oktett- bzw. Nonett-Besetzung aus Holzbläsern und Streichern Werke von Mozart, Poulenc und Spohr. Schließlich verstand es das Blechbläserquintett des DSO in der Galerie, mit virtuosen Klängen vom Barock bis zum Spiritual mit Verve und Virtuosität die Gäste, allen voran das Staatsoberhaupt, zu begeistern. BENJAMIN DRIES

Gutes tun und Gutes hören Neues vom Förderkreis des DSO

Violoncello und Orchester, das zum Abschluss der Saison unter Tugan Sokhiev erstmals in der Philharmonie zu erleben sein wird – ermöglicht auch aus Mitteln des Förderkreises.

Sie sind kleiner und schlanker als ihre modernen Nachfolgerinnen, sie klingen heller und werden nicht mit Pedalen umgestimmt – die neuen, historischen Schraubenpauken des DSO. In Mozarts Achter Symphonie, die Ende November unter der Leitung von Sir Roger Norrington auf dem Programm stand, konnte man sie erstmalig hören. Ihren Ankauf verdankt das Orchester der großzügigen Unterstützung des Förderkreises, der dem DSO seit 16 Jahren mit Rat, Tat und auch Geld zur Seite steht. Instrumente und Auftragswerke Das Engagement zahlreicher begeisterter Musikfreunde macht die Bandbreite an Projekten erst möglich, die das DSO auszeichnet – das gilt übrigens für Spitzenorchester auf der ganzen Welt. Im Förderkreis versammelt sich ein lebendiges Netzwerk kulturinteressierter Bürgerinnen und Bürger, die durch Sponsorenakquise und eigenes finanzielles Engagement das künstlerische Portfolio des DSO erweitern helfen. Neben Instrumentenankäufen wird ab und an auch »Geburtshilfe« geleistet: Die Komponistin Jelena Firssowa arbeitet gerade an einem Doppelkonzert für Violine,

Kammermusik mit Kindern Ein großes Thema ist aber auch die Nachwuchsförderung, wie Hanne Eckrodt, die Vorsitzende des Vorstandes erzählt. Seit Jahren werden kleine »Probierinstrumente« für das Open House vor den Kinderkonzerten angeschafft, Workshops für Kinder und Jugendliche sowie Schulprojekte unterstützt. Diese liegen auch den Musikerinnen und Musikern des DSO besonders am Herzen. Sie sind Partnerschaften mit Berliner Schulen eingegangen und betreuen Kammermusikensembles aus Schülern aller Altersgruppen. »Mit den normalen Ressourcen einer Schule ist das selten möglich«, erzählt der Oboist Martin Kögel, der gemeinsam mit seiner Geigen-Kollegin Eva Schönweiß das Projekt ins Leben gerufen hat. »An dieser Stelle springen wir ein, bringen Zeit und Expertise mit. Das ist nicht Education mit Event-Charakter, sondern ein regelmäßiges Arbeiten, das fest ins Schulleben eingebunden ist. Die Schüler können ihre eigenen Fähigkeiten anwenden und erleben dabei, dass Musik gerade dann Spaß macht, wenn man sie gemeinsam mit anderen ausübt.«

Neukölln, das ein weiteres Mal durch die finanzielle Hilfe des Förderkreises realisiert werden kann. Exzellenzförderung ist keine Einbahnstraße Die Mitgliedschaft im Förderkreis bringt den Musikliebhabern aber auch mehr als nur das befriedigende Gefühl, etwas für die Kunst und ihre Zukunft zu tun. Sie erhalten Zugang zu Generalproben, exklusive Konzerteinführungen, treffen Dirigenten und Solisten. Geht das DSO auf Tour, können auch die Freunde dabei sein – mit erlesenem Programm, guten Hotels und ausgewählten Konzerten. Die ersten Reisen nach Japan und Monte Carlo wurden begeistert aufgenommen. Neue Freunde sind im Förderkreis übrigens immer willkommen. Denn ihr Einsatz trägt dazu bei, das DSO weiterzuentwickeln – als innovatives Orchester von Weltgeltung. CHRISTOPH EVERSMEYER Mehr unter www.dso-berlin.de/förderkreis

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Kontinuität ist den Mentoren wichtig. Im zweiten Jahr sind nicht nur neue Ensembles entstanden, auch bestehende werden weiter unterstützt, wie Eva Schönweiß berichtet. Ob Klarinettentrio, Streichquartett oder Bläserquintett – die Besetzungen sind so vielfältig wie die Beteiligten. Das gefällt nicht nur den Schülern: »Uns Musikern macht die Arbeit unglaublich viel Spaß«, erklärt Schönweiß die rege Beteiligung ihrer Orchesterkollegen, die auch mal selbst mitspielen, wenn ein Instrument fehlt. Die Ergebnisse der zweiten Projektrunde können sich hören lassen – bei einem gemeinsamen Abschlusskonzert mit Kammerensembles der beteiligten Schulen am 12. Februar um 11 Uhr im Heimathafen Probezusammenstellung

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Alexander Shelley | 70 Jahre DSO

Auf Leben und Tod Alexander Shelley und Lars Vogt am 09.02., Casual Concert am 08.02.

Eine Bilderreise durch die Orchestergeschichte (III) Sieben Jahre dauerte die Suche nach einem Nachfolger Lorin Maazels – erst 1982 wurde er mit dem jungen Italiener Riccardo Chailly gefunden. Bis 1989 prägte er den Klang des Orchesters und machte mit Mahler- und Bruckner-Interpretationen von sich reden. Gemeinsam mit dem Dirigenten Gerd Albrecht gehörte das damalige RSO zu den Protagonisten der Zemlinsky- und Schreker-Renaissance, die vergessene und als »entartet« gebrandmarkte Musik zurück ins Bewusstsein des Publikums holte. Etliche ausgezeichnete Schallplatten dokumentieren die Arbeit dieser Zeit.

Bei diesem Programm wird es ernst. Im Konzert mit Alexander Shelley am Pult des DSO und dem Pianisten Lars Vogt geht es um rastloses Leben und die Unabwendbarkeit des Todes. Im Februar des Jahres 1785 besucht Leopold Mozart seinen Sohn in Wien und schildert seiner Tochter Maria Anna in einem Brief die Situation: »Es ist ohnmöglich die schererey und Unruhe alles zu beschreiben: deines Bruders Fortepiano Flügel ist wenigst 12 mahl, seit dem [ich] hier bin, aus dem Hause ins Theater oder in ein andres Haus getragen worden.«

Todesszene des Titelhelden. Man ahnt schon, die manisch gehetzten, regelrecht zwanghaften Umtriebe des Verführers nehmen kein gutes Ende. Noch so ein Ausgebrannter. Richard Strauss beabsichtigte in ›Tod und Verklärung‹, wie er ausführte, »die Todesstunde eines Menschen, der nach den höchsten idealen Zielen gestrebt hatte, also wohl eines Künstlers, in einer Tondichtung darzustellen«. Fieberträume, Schmerzattacken und Erinnerungen an das Leben wechseln sich ab, ehe es zur Verklärung kommt: »Die Seele verlässt den Körper, um im ewigen Weltraum das vollendet in herrlichster Gestalt zu finden, was er hienieden nicht erfüllen konnte«, wie Strauss dies erläutert hat. Später erklärte der Komponist jedoch lakonisch, mit ›Tod und Verklärung‹ habe er einfach ein Stück schreiben wollen, das in Moll beginnt und in Dur aufhört.

1986 Riccardo Chailly probt m it dem RSO im Großen Sendes aal im Haus de s Rundfunks

Beim Casual Concert am Vorabend wird

Casual Concert Alexander Shelley – Chefdirigent der 08.02. Mi

Wolfgang Amadeus Mozart führte in seinen Wiener Jahren das aufreibende Leben eines freischaffenden Künstlers. Neben dem Komponieren und Unterrichten organisierte er eigene Konzerte. In die unruhigen Wochen des Februars 1785 fällt auch die Entstehung des Klavierkonzerts Nr. 20 d-Moll, das Mozart erst unmittelbar vor der Uraufführung fertigstellte. Den letzten Satz, das Rondo, schrieb er unter solchem Zeitdruck, dass er »noch nicht einmahl durchzuspielen Zeit hatte«, wie Vater Leopold berichtet. Dem Werk mit seiner gelungenen Balance kontrastierender Elemente merkt man diese Umstände allerdings nicht an.

Nürnberger Symphoniker und Musikalischer Leiter des kanadischen National Arts Centre Orchestra in Ottawa – unterhaltsam erläutern, was es mit diesem Werk von Strauss und zudem mit Mozarts ›Maurerischer Trauermusik‹ auf sich hat. Für die Begegnungen mit Musikern und eine lockere Fortsetzung des Abends bietet die Casual Concert Lounge im Foyer der Philharmonie den perfekten Rahmen. Im Anschluss an das Konzert schlägt sie den Bogen ins nächtliche Musikleben der Hauptstadt – grundiert von Johann Fanger am DJ-Pult und mit dem dänischen, in Berlin lebenden Singer-Songwriter Asbjørn als Live-Act mit anregendem Elektro-Pop.

ailly und it: Riccardo Ch Aufmerksamke ufnahme -A io 1989 Kritische n einer Stud O beim Abhöre Musiker des RS

ECKHARD WEBER

Casual Concert Wolfgang Amadeus Mozart ›Maurerische Trauermusik‹ Richard Strauss ›Tod und Verklärung‹

Mozart ist früh, im Alter von nur 35 Jahren, gestorben. Woran? Darüber wird gerätselt: Vergiftet von einem neidischen Kollegen, Hirnblutung, Fleckfieber, Leberversagen oder akutes rheumatisches Fieber infolge einer Streptokokken-Infektion, wie Pathologen 2000 auf einem Kongress in Baltimore diagnostizierten? Mozart, eine Kerze, die an beiden Ende brannte? Angesichts der biographischen Zeugnisse über ihn könnte man zu dem Schluss kommen. Oder wie Hans Werner Henze einmal in einem Brief an Ingeborg Bachmann geschrieben hat: »Mozart hat in seinem Leben nie mehr als 10 Minuten gehabt, um darüber nachzudenken, wie schlecht es ist […].«

ALEXANDER SHELLEY

In letzter Minute Ein ähnliches Szenarium wie bei der Komposition des Klavierkonzerts bietet sich auch im Fall von Mozarts ›Don Giovanni‹ 1787: Die Ouvertüre entsteht erst am Tag der Generalprobe in Prag, praktisch in letzter Minute. Im Vorspiel zur Oper ist das Ende des Protagonisten schon einkomponiert. Gleich zu Beginn erklingen die dissonanten Akkorde, das Ruf-Motiv des »Steinernen Gastes« und die bedrohlichen chromatischen Wellenbewegungen aus der

ALEXANDER SHELLEY Lars Vogt Klavier

Mi 8. Februar 20.30 Uhr Philharmonie

1986 Der Cellis tM

stislaw Rostrop owitsch probt m it Gerd Albrecht für das Jubiläu mskonzert ›40 Jahre RIAS‹

Im Anschluss Casual Concert Lounge mit Asbjørn (Live Act) und Johann Fanger (DJ) Karten 18 € | 10 € ermäßigt | AboPlus-Preis 15 € | Freie Platzwahl

Wolfgang Amadeus Mozart Ouvertüre zur Oper ›Don Giovanni‹ Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466 Wolfgang Amadeus Mozart ›Maurerische Trauermusik‹ Richard Strauss ›Tod und Verklärung‹

Do 9. Februar 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 € er tencover zu ein 1985 Schallplat a cc De r spielung fü Strawinsky-Ein


Neeme Järvi

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Ein Botschafter Estlands Neeme Järvi und Igor Levit am 24. + 25.02.

Wenn es jemanden gibt, der sich mit der Musik Estlands auskennt, dann ist es Neeme Järvi. Geboren 1937 in Tallinn, übernahm er nach dem Studium am Leningrader Konservatorium 1963 die musikalische Leitung des estnischen Radio-Symphonie-Orchesters (ab 1975: Staatliches Symphonieorchester Estland) und der estnischen Nationaloper. Er ist fleißig wie kein anderer Dirigent: Etwa 500 CDs hat er bis heute aufgenommen und dabei zahlreiche Werke wenig bekannter Komponisten in Ersteinspielungen vorgestellt, auch und vor allem die seines Heimatlandes. Mit missionarischem Eifer widmet er sich Namen, die selten auf den Spielplänen stehen: Artur Kapp, Rudolf Tobias, Eduard Tubin, Veljo Tormis, Erkki-Sven Tüür, aber auch Arvo Pärt, dem Bekanntesten, mit dem er seit vielen Jahren in regem Austausch steht.

»Für ein junges Publikum, das rhythmische Musik mag, ist das Konzert von Rääts ein aufregendes Stück.« Neeme Järvi Immer wieder betont Järvi, der seit 1987 US-amerikanischer Staatsbürger ist, wie schwierig es für Komponisten unter der Kulturdoktrin der Sowjetunion war, sich frei zu entwickeln. Vor 1917 stand sein Land unter der Zarenherrschaft Russlands, die Schweden waren da, noch früher brachten die Vasallen des Deutschen Ordens neben dem Schwert auch ihre Sprache mit (bis 1885 war Deutsch die Unterrichts- und Behördensprache). »Unsere Kultur hat über Jahrhunderte Einflüsse aus ganz verschiedenen Richtungen aufgenommen«, erklärt Järvi. »Und das ist wichtig: Estland ist kein slawisches Land. Die Nähe zu Russland bot uns jedoch die Möglichkeit, unseren Musikern eine hervorragende Ausbildung

zu gewährleisten. St. Petersburg ist nur 400 Kilometer entfernt, talentierte Musiker wurden auf das dortige Konservatorium geschickt. Zum Beispiel Rudolf Tobias, der ein riesig besetztes Oratorium geschrieben hat, das ich 100 Jahre nach seiner Entstehung in Leipzig wiederaufführen konnte. Tatsächlich haben wir einen großen Einfluss durch die russische Kultur.« Ein starker Rhythmus Das Konzert für Kammerorchester Nr. 1 von Jaan Rääts, 1961 komponiert, war eines der ersten Stücke überhaupt, die der Dirigent auf Schallplatte herausbrachte. Trotz seiner fünf Sätze ist es mit einer Länge von etwa 14 Minuten recht kurz. Einflüsse des Neoklassizismus sind unüberhörbar, aber auch die Kraft und Ironie eines Schostakowitsch klingen durch. »Aufgrund seiner Motorik und Kürze ist es hervorragend geeignet, am Anfang eines Programms zu stehen«, so Järvi. »Ein starker Rhythmus, wenig melodische Arbeit oder Entwicklung, aber strukturelle Feinheiten,

die von Rääts’ Erfahrung als Symphoniker herrühren – er hat eine ganz eigene musikalische Sprache gefunden.« Rääts war Toningenieur beim estnischen Rundfunk, in diese Zeit fällt auch die Entstehung des Konzerts für Kammerorchester. Von 1970 bis 1974 war er Musikdirektor des estnischen Fernsehens und schrieb zudem Partituren für insgesamt 14 Filme. Diese Tätigkeiten fern eines eremitischen Künstlerlebens mögen erklären, warum sich der Komponist so gern mit der Essenz einer Aufgabenstellung befasst, so ungezwungen zwischen Stilen wechseln kann und seit den 1980er-Jahren auch den Minimalismus eines Philip Glass aufnimmt. Neeme Järvi versucht sich dieser Eigenart zu nähern: »Diese Musik will nicht viel ausdrücken, sie ist kein kompliziert-philosophisches Ungetüm. Rääts spielt mit Elementen und ihren Details. Wie in vielen seiner Stücke entwickelt sich die Musik nicht wesentlich, sondern verbleibt in größtmöglich kleinen Momenten, in Elementen. Für ein junges Publikum, das rhythmische Musik mag, ist das ein aufregendes Stück« – das Järvi schon auch mal etwas fetter macht: »Es ist für ein kleines Kammerorchester geschrieben, aber ich spiele es gerne mit großer Streicherbesetzung – das klingt besser!« HELGE BIRKELBACH

Jaan Rääts Konzert für Kammerorchester Nr. 1 Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll Richard Strauss ›Symphonia domestica‹ NEEME JÄRVI Igor Levit Klavier Fr 24. + Sa 25. Februar 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten jeweils von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

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Freude am Fahren


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Baiba Skride | Ultraschall Berlin | Pultnotiz

Im besten Licht Santtu-Matias Rouvali und Baiba Skride am 29.01.

Dass er einmal der bedeutendste dänische Komponist des 20. Jahrhunderts werden sollte, hätte wohl niemand erwartet. Carl Nielsen entstammte ärmlichsten Verhältnissen – der Vater verdingte sich als Anstreicher und Tanzmusiker. Schon früh wurde der Sohn als Geiger gebraucht. In einem kleinen Orchester lernte er die Musik Haydns und Mozarts kennen, deren formale Klarheit ihn zeitlebens mehr prägen sollte als die Überschwänglichkeit und Klangschwelgerei von Wagner oder Strauss. Er ging zur Militärkapelle, dann ans Konservatorium in Kopenhagen. Als Zweiter Geiger der Hofkapelle hatte er ab 1889 ein Auskommen, während er sich als Komponist in der dänischen Musikwelt etablierte. Er blieb dem Theater als Zweiter Kapellmeister erhalten, erst 1914 verlegte er sich ausschließlich aufs Komponieren.

musik und zahllose Volkslieder entstammen seiner Feder. Sein erstes Konzert, das für Violine, schrieb er 1911 mit 46 Jahren. Es ist hochvirtuos und überaus originell, harmonisch wie formal eher ungewöhnlich – zweiteilig, mit mehreren Kadenzen, deren erste zugleich als Introduktion mit Bläserbegleitung fungiert. Nielsen empfand die Arbeit an dem Stück als »recht schwierig und deshalb befriedigend. Tatsache ist, dass es aus guter Musik bestehen und dennoch die Zurschaustellung des Soloinstruments im besten Licht berücksichtigen muss, das heißt: inhaltsreich, populär und brillant, ohne oberflächlich zu sein.« Dass ihm das gelungen ist, wird am 29. Januar die lettische Violinistin Baiba Skride beweisen, die als Kammermusikerin und Solistin zu den profiliertesten Geigerinnen unserer Zeit gehört und bereits 2003 ihren Einstand beim DSO im Rahmen der Reihe ›Debüt im Deutschlandradio Kultur‹ gab. Auch Santtu-Matias Rouvali konnte dort 2014 überzeugen – der finnische Shooting-Star ist Künstlerischer Leiter des Tampere Philharmonic Orchestra und als Nachfolger von Gustavo Dudamel ab Herbst 2017 Chef der Göteborger Symphoniker. Für das Nielsen-Konzert sind beide bestens präpariert, haben sie es doch unlängst gemeinsam für eine hochgelobte CD eingespielt. MAXIMILIAN RAUSCHER

Bedřich Smetana ›Die Moldau‹ aus ›Mein Vaterland‹ Carl Nielsen Violinkonzert Jean Sibelius Symphonie Nr. 1 e-Moll SANTTU-MATIAS ROUVALI Baiba Skride Violine

Auch wenn Nielsen in seiner Heimat ähnliche Verehrung genoss wie der gleichaltrige Sibelius in Finnland, wird seine Musik hierzulande immer noch erstaunlich wenig gespielt. Man kennt ihn vielleicht noch als Symphoniker, doch auch zwei Opern, Kammer-

So 29. Januar 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten jeweils von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

Ultraschall Berlin Das DSO beim Festival für Neue Musik am 18. + 22.01.

Seit 1999 beginnt die jährliche Serie von Festivals für Neue Musik in Deutschland mit ›Ultraschall Berlin‹, veranstaltet vom Kulturradio vom rbb und von Deutschlandradio Kultur. In gewohnter Weise präsentiert es Uraufführungen, Deutsche Erstaufführungen und Werke der jüngsten Vergangenheit ebenso wie Klassiker der Avantgarde. Schwerpunkt des Festivals ist diesmal die menschliche Stimme in ihren verschiedenen künstlerisch-gestalterischen Ausprägungen. Traditionell ist das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ein wichtiger Partner von ›Ultraschall Berlin‹. 2017 bestreitet es das Eröffnungs- und das Abschlusskonzert. Am 18. Januar dirigiert Johannes Kalitzke Werke von Erhard Grosskopf und Mauricio Kagel sowie die Uraufführung seines neuen Cellokonzerts ›story teller‹ als Auftragswerk des Rundfunks Berlin-Brandenburg mit Johannes Moser als Solist. Eine kritische Auseinandersetzung mit der journalistischen Form des Interviews ist Mauricio Kagels ›Interview avec D.‹. Dafür hat der Komponist Auszüge aus Claude Debussys Schriften ›Monsieur Croche antidilettante‹ montiert. Das Orchester übernimmt die Rolle des Interviewers, während die Stimme des Sprechers – hier der Schauspieler Udo Samel – Debussy verkörpert, der darauf skeptisch-ironische Antworten gibt. »Die Nähe zu den Werken der Vergangenheit passiert mir nicht, ich stelle sie bewusst her.« So hat sich der Komponist Heinz Winbeck bereits mehrmals mit bedeutenden Partituren der Musikgeschichte klingend auseinandergesetzt. Seine Fünfte Symphonie, die am 22. Januar unter der Leitung von Dennis Russell Davies aufgeführt wird, nimmt Bezug auf Anton Bruckners Neunte Symphonie, die dieser nicht mehr vollenden konnte. In seinem ›tríptico vertical‹ hat Philipp Maintz drei Orchesterlieder nach Gedichten des argentinischen Schriftstellers Roberto Juarroz geschrieben. »Ich lese in

den ersten beiden Gedichten so etwas wie Antithesen, das dritte bündelt sie, zieht Konsequenzen und weist über die ersten beiden hinaus«, so der Komponist. ANDREAS GÖBEL Andreas Göbel (rbb-Kulturradio) gestaltet seit 2013 zusammen mit Dr. Rainer Pöllmann (Deutschlandradio Kultur) das Programm des Festivals ›Ultraschall Berlin‹.

220. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Erhard Grosskopf ›KlangWerk 11‹ Mauricio Kagel ›Interview avec D.‹ für Sprecher und Orchester Johannes Kalitzke ›story teller‹ für Violoncello und Orchester (Uraufführung) JOHANNES KALITZKE Udo Samel Sprecher Johannes Moser Violoncello Mi 18. Januar 20 Uhr Haus des Rundfunks

221. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Heinz Winbeck Symphonie Nr. 5 ›Jetzt und in der Stunde des Todes‹ (Deutsche Erstaufführung) Philipp Maintz ›tríptico vertical‹ für Sopran und Orchester DENNIS RUSSELL DAVIES Marisol Montalvo Sopran So 22. Januar 20 Uhr Haus des Rundfunks Karten jeweils zu 18 € | 12 € ermäßigt Das vollständige Festivalprogramm finden Sie unter ultraschallberlin.de.

PULTNOTIZ Max Werner, Englischhorn

Max Werner studierte von 2007 bis 2012 in der Klasse von Jacques Tys am Conservatoire National Supérieur de Musique seiner Geburtsstadt Paris. Zudem absolvierte er ein Erasmus-Semester bei Klaus Becker an der HfM Hannover. Er wurde 2009 Mitglied des Gustav Mahler Jugendorchesters und hat als dessen Solo-Oboist an Tourneen teilgenommen. Im Herbst 2010 konnte er das Englischhorn-Probespiel an der Brüsseler Oper ›La Monnaie‹ für sich entscheiden, seit 2011 ist er Mitglied des DSO. Seit 2014 gehört er darüber hinaus dem Saito Kinen Festival-Orchester unter Seiji Ozawa an. Ich bin Oboist | Englischhornist geworden, weil … mein Vater, ein Historiker und Amateur-Klarinettist, immer davon geträumt hat, Oboe zu spielen und es irgendwie geschafft hat, das auf mich zu übertragen. Ich empfand die Oboe immer als etwas Besonderes, etwas ganz Eigenes. Am Ende meines Studiums habe ich mich auf das Englischhorn spezialisiert, weil ich finde, dass es das Orchesterinstrument mit dem schönsten Klang ist. Als ich zum ersten Mal auf einer Bühne stand, ... war das mit dem Gustav Mahler Jugendorchester. Einerseits steht man im Rampenlicht, wenn man als Bläser ein Solo spielt, andererseits ist man Teil eines Kollektivs, das als Gesamtheit den Raum füllt und mit dem Publikum kommuniziert. Diese Spannung finde ich nach wie vor besonders aufregend. Lampenfieber ist ... für mich nie ein Problem gewesen. Durch die Musikausbildung in Frankreich wird man schon früh daran gewöhnt, vor Publikum zu spielen. Technisches und musikalisches Können werden dauernd vorgeführt und bewertet. Man lernt, sich voll zu konzentrieren. Für Lampenfieber ist dann kaum noch Platz. Ein Leben ohne Musik … ist für mich nicht denkbar. Es ist ja nicht nur die Arbeit am Instrument und im Orchester, sondern auch die Musik, die man immer im Kopf hat, oft schon beim Aufwachen. Man hört oder erinnert sich ständig an etwas, summt etwas vor sich hin, manchmal eine einzige Stelle, manchmal längere Passagen. Das wirkt sich auf alle Empfindungen aus, mit denen man durch den Tag geht. Meine drei Lieblingswerke der Orchesterliteratur sind: 1. Prokofjews ›Romeo et Juliette‹ – es ist einfach wunderschöne Musik. 2. Mahlers Dritte Symphonie. Eine wahnsinnige Orchestrierung, sie macht unglaublichen Spaß! 3. Berlioz’ ›Symphonie fantastique‹ – mein erstes Konzert mit dem DSO. Das DSO ist für mich … ein Orchester, das auf der Bühne alles gibt und jedes Konzert zu einem besonderen Erlebnis macht. Irgendwie hat man das Gefühl, dass die Musiker es schaffen, zusammen ein Maximum von Emotionen auszudrücken und ’rüberzubringen.


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Konzerte Januar

So 01.01. 18 Uhr Tempodrom Fr 13.01. 20 Uhr Philharmonie

Mi 08.02. 20.30 Uhr Philharmonie

Casual Concert Mozart ›Maurerische Trauermusik‹ Strauss ›Tod und Verklärung‹ ALEXANDER SHELLEY

Im Anschluss

Casual Concert Lounge mit Asbjørn (Live Act) und Johann Fanger (DJ)

Elgar Violinkonzert h-Moll Grime ›Near Midnight‹ (Deutsche Erstaufführung) Schumann Symphonie Nr. 3 Es-Dur ›Rheinische‹ ROBIN TICCIATI Renaud Capuçon Violine

Mi 18.01. 20 Uhr Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal

›Ultraschall Berlin‹ – Festival für neue Musik 220. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Grosskopf ›KlangWerk 11‹ Kagel ›Interview avec D.‹ für Sprecher und Orchester Kalitzke ›story teller‹ für Violoncello und Orchester (Uraufführung) JOHANNES KALITZKE Udo Samel Sprecher Johannes Moser Violoncello

So 22.01. 20 Uhr Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal

›Ultraschall Berlin‹ – Festival für neue Musik 221. Konzert ›Musik der Gegenwart‹ Winbeck Symphonie Nr. 5 ›Jetzt und in der Stunde des Todes‹ (Deutsche Erstaufführung) Maintz ›tríptico vertical‹ für Sopran und Orchester DENNIS RUSSELL DAVIES Marisol Montalvo Sopran

Kammerkonzert Debussy, Koechlin, Ravel, Taffanel ENSEMBLE FAROU BERLIN

So 29.01. 20 Uhr Philharmonie

Smetana ›Die Moldau‹ aus ›Mein Vaterland‹ Nielsen Violinkonzert Sibelius Symphonie Nr. 1 e-Moll SANTTU-MATIAS ROUVALI Baiba Skride Violine

Kammerkonzerte Die ausführlichen Programme und Besetzungen finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik.

Do 09.02. 20 Uhr Philharmonie

Mozart Ouvertüre zur Oper ›Don Giovanni‹ Mozart Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466 Mozart ›Maurerische Trauermusik‹ Strauss ›Tod und Verklärung‹ ALEXANDER SHELLEY Lars Vogt Klavier

Fr 10.02. 22 Uhr Museum für Fotografie

Kammerkonzert ›Notturno‹ MacMillan, Matthews, Vaughan Williams ANAMYKTOS QUARTETT

Sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, sind tagsüber Ärzte, Rundfunkmitarbeiter oder Studenten, doch immer Montagabends versammeln Sie sich im Ferenc-Fricsay-Saal des DSO, um gemeinsam zu musizieren. Seit über dreizehn Jahren bietet das Abonnentenorchester des DSO den musikalisch ambitionierten Freunden des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin die Gelegenheit, unter professioneller Anleitung anspruchsvolle Konzertliteratur zu spielen. Initiator und Dirigent Heinz Radzischewski ist im Hauptberuf stellvertretender Solo-Trompeter des DSO, und auch etliche seiner Kollegen sind regelmäßig als Solisten oder Dozenten mit von der Partie. Mehrere Konzerte und Gastspiele im Jahr dokumentieren das hohe Niveau der gemeinsamen Arbeit – neue Mitglieder, vor allem Streicher, sind immer herzlich willkommen.

Fr 24.02. Sa 25.02. 20 Uhr Philharmonie

Rääts Konzert für Kammerorchester Nr. 1 Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll Strauss ›Symphonia domestica‹ NEEME JÄRVI Igor Levit Klavier

März (Auswahl)

Fr 03.03. 20 Uhr Philharmonie

Februar

Neujahrskonzert MARTYN BRABBINS Nicolas Altstaedt Violoncello Artisten des Circus Roncalli

Fr 27.01. 20.30 Uhr Heimathafen Neukölln

Letzte Meldung: Konzert des Abonnentenorchesters am 11.03.

Glinka Drei Tänze aus der Oper ›Ein Leben für den Zaren‹ Tschaikowsky Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester Balakirew Symphonie Nr. 1 C-Dur ALAN BURIBAYEV Daniel Müller-Schott Violoncello

Fr 24.03. 20 Uhr Philharmonie

Delius ›Sea Drift‹ für Bariton, Chor und Orchester Ravel Klavierkonzert G-Dur Rachmaninoff ›Symphonische Tänze‹ SIR MARK ELDER Roderick Williams Bariton Louis Lortie Klavier Rundfunkchor Berlin David Jones

Konzerteinführungen Zu allen Symphoniekonzerten in der Philharmonie – mit Ausnahme der Casual Concerts – findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Habakuk Traber statt.

Eine ganz eigene Tradition hat sich das Abonnentenorchester mit seinem alljährlichen Konzert im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks geschaffen. Es findet am 11. März zugunsten der Krebsstiftung Berlin statt. Als Solist ist diesmal Bernhard Nusser zu hören, Klarinettist im DSO und Gründungsmitglied des Polyphonia Ensembles Berlin. Er wird das frühromantische Erste Klarinettenkonzert von Carl Maria von Weber spielen. Auf dem Programm stehen außerdem Edvard Griegs Suite aus ›Peer Gynt‹ und die Vierte Symphonie von Robert Schumann. Karten zu 10 € sind beim Besucherservice erhältlich. Weitere Informationen finden Sie unter dso-berlin.de/aboorchester.

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92,4

KARTEN, ABOS UND BERATUNG Besucherservice des DSO in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Charlottenstraße 56 | 2. OG 10117 Berlin | Am Gendarmenmarkt Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 –18 Uhr Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29 tickets dso-berlin.de | dso-berlin.de IMPRESSUM Deutsches Symphonie-Orchester Berlin im rbb-Fernsehzentrum Masurenallee 16 –20 | 14057 Berlin Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539 info@dso-berlin.de | dso-berlin.de

Der Perfekte Ein- oder Ausklang ist 3 Minuten von der Philharmonie entfernt.

QIU Lounge im the Mandala Hotel am Potsdamer Platz Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00 | www.qiu.de

die kunst zu hören

Orchesterdirektor Alexander Steinbeis (V. i. S. d. P.) Orchestermanager Sebastian König Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Larissa Scharberth Branding | Marketing Jutta Obrowski Abbildungen | Fotos Sven Schrader (S. 1), Verena Eidel (S. 2 links), Stefan Müller (S. 2 Mitte), Roncalli (S. 2 rechts), Kai Bienert (S. 3, S. 4 oben links und rechts), Peter Adamik (S. 4 oben Mitte), DSO (S. 4 unten), Thorsten Hoenig (S. 5 oben), Giorgia Bertazzi (S. 5 unten), Wilhelm Fröling (S. 5 rechts, 1 und 2), RIAS | Bethsold (S. 5 rechts, 3), Simon van Boxtel (S. 6), Marco Borggreve (S. 7 links), privat (S. 7 rechts), Dietmar Herringer (S. 8) Art- und Fotodirektion Preuss und Preuss Satz peick kommunikationsdesign Redaktionsschluss 08.12.2016, Änderungen vorbehalten © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2016 Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin. Geschäftsführer Thomas Kipp Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg


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