DSO-Nachrichten 09/10 2013

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September | Oktober 2013

dSO -NAch r IchtE N Chefdirigent und Künstlerischer Leiter T UG AN SOKHIE V

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Eine Publikation des deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

Neues entdecken Tugan Sokhiev und die Saison 2013 | 2014 —–– S. 3 Auftakt mit mandarin beim Musikfest Berlin 2013 —–– S. 5 die kugelgestalt der Zeit Manfred Honeck und Leif Ove Andsnes —–– S. 6 Bartóks musikalische liebeserklärung Konzertmeister Bernhard Hartog —–– S. 7


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Editorial und Kurzmeldungen

Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Liebe Leserinnen und Leser der DSO-Nachrichten, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) steht seit langem für höchste musikalische Qualität, für die Pflege der zeitgenössischen Musik und spannende Programme jenseits des Gängigen. In der zurückliegenden ersten Saison mit dem Chefdirigenten Tugan Sokhiev hat es diesen Ruf eindrucksvoll bestätigt und ausgebaut, wie die überaus positiven Reaktionen von Publikum und Kritik belegen. Anlässlich des ganz den Klängen der Romantik und ihrem »Nachleben« gewidmeten Saisonabschlusskonzertes am 23. Juni mit dem gefeierten Violinisten Vadim Gluzman konnte ich mich selbst davon überzeugen, in welch herausragender Verfassung das DSO sich befindet. Auch das Programm der zweiten Spielzeit unter Tugan Sokhiev bietet wieder eine wohl abgewogene Vielfalt mit zahlreichen musikalischen Entdeckungen. Konzerte mit dem Ehrendirigenten Kent Nagano sowie mit weiteren prominenten Gastdirigenten und Solisten vervollständigen das Tableau. Mein Haus engagiert sich mit einem Anteil von 35 Prozent an der Finanzierung der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin, die das DSO neben drei weiteren Ensembles trägt. Ich stehe zu diesem Engagement des Bundes; es leistet einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben in der deutschen Hauptstadt. Zudem wirken Klangkörper wie das DSO durch ihre Gastspiele und Konzertübertragungen weit über Berlin hinaus. Sie sind damit im besten Sinne musikalische Botschafter unseres Landes. Ich wünsche dem DSO — seinem Chefdirigenten Tugan Sokhiev, Direktor Alexander Steinbeis sowie dem gesamten Orchester — eine erfolgreiche Spielzeit 2013 | 2014 und allen Zuhörern und Freunden dieses herausragenden Klangkörpers viele unvergessliche Musikerlebnisse.

Inhalt —––

2 Willkommen

Editorial und Kurzmeldungen

3 Neues entdecken

Tugan Sokhiev und seine zweite Saison

4 Skythen im Abseits

Tugan Sokhiev und Boris Berezovsky

Huckleberry Finn

Kulturradio-Kinderkonzert

5 Auftakt mit Mandarin

Tugan Sokhiev beim Musikfest Berlin

Pultnotiz

Tomer Maschkowski, Bass-Posaunist

6 Die Kugelgestalt der Zeit

Manfred Honeck und Leif Ove Andsnes

Maestro der Musikvermittlung Cornelius Meister im Casual Concert

7 Bartóks musikalische Liebeserklärung Kent Nagano und Bernhard Hartog

Herzlichst, Ihr

8 Konzertkalender

Alle Konzerte im September und Oktober

Bernd Neumann MdB Staatsminister bei der Bundeskanzlerin

Kammermusik in der Villa Elisabeth

›Notturno‹ in der Alten Nationalgalerie

Neue Hindemith-CD mit Tabea Zimmermann

Auch in der Saison 2013 | 2014 bietet das DSO Freunden der Kammermusik wieder ein breites Konzertangebot mit Orchestermusikern und ihren Gästen. Sechs Kammerkonzerte sind zudem als ›Kammermusikserie‹ im Abonnement buchbar. Am 27. September eröffnet das Polyphonia Ensemble Berlin die Reihe mit einer gemischten Bläser- und Streicher-Besetzung. In Anknüpfung an das Programm der Saisoneröffnung —–– S. 5 steht Bohuslav Martinůs Nonett im Zentrum des Abends. Das »kammermusikalische Vermächtnis« des Komponisten rahmen Nonettkompositionen von Francis Poulenc und Nino Rota. Am 20. Oktober gestalten Elsa Brown und Nikolaus Kneser (Violine), Eve Wickert (Viola), Leslie Riva-Ruppert (Violoncello) und SooJin Anjou (Klavier) einen Nachmittag mit Werken von Gubaidulina, Ligeti, Lutosławski und Schnittke. Die vollständigen Programme finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik

Mit der ungewöhnlichen, aber überaus reizvollen Kombination von Blechbläsern und Harfe findet die erfolgreiche Kammerkonzertreihe ›Notturno‹, die das DSO gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz veranstaltet, ihre Fortsetzung. Das erste von drei Konzerten der neuen Saison empfängt musikalische Nachtschwärmer in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel, die eine wunderbare Samlung von Gemälden und Skulpturen des 19. Jahrhunderts beherbergt. Unter dem Titel ›Wasserspiele‹ hat das Blechbläserquintett des DSO ein musikalisches Programm zusammengestellt, das den Wandlungen, Wirkungen und Erscheinungsformen des flüssigen Elements vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart folgt — mit Werken u. a. von Delalande und Händel. Als Gast gesellt sich Elsie Bedleem, die SoloHarfenistin des Orchesters, hinzu. Das ausführliche Programm finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik

Tabea Zimmermann gilt als eine der führenden Bratschistinnen weltweit. Als Residenzkünstlerin in Weimar, Luxemburg und Hamburg sowie als Gast der großen Festivals und Orchester machte sie sich international einen Namen. Beim DSO war sie zuletzt 2011 mit Wolfgang Rihms Zweitem Bratschenkonzert im Rahmen des Musikfests Berlin zu Gast. Ihr besonderes Interesse an der Musik des 20. Jahrhunderts manifestiert sich auch in ihrem neuesten Projekt: Sie erinnert mit der Aufnahme sämtlicher Werke für Viola von Paul Hindemith an den Todestag des Komponisten, der sich am 28. Dezember zum 50. Mal jährt. Die erste CD mit Werken für Viola und Orchester hat sie soeben gemeinsam mit dem DSO und dem Dirigenten Hans Graf für das Label myrios classics eingespielt. Sie enthält eines seiner bekanntesten Werke, das Bratschenkonzert ›Der Schwanendreher‹ aus dem Jahr 1935, die intime und berührende ›Trauermusik‹ von 1936, die konzerthafte ›Kammermusik Nr. 5‹ aus dem Jahr 1927 sowie eine frühe Fassung der ›Konzertmusik‹ op. 48 von 1929 in einer Welt-Ersteinspielung.

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Fr 27. September 20.30 Uhr Villa Elisabeth

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So 20. Oktober 17 Uhr Villa Elisabeth

Karten zu 15 € AboPlus-Preis, Schüler und Studenten 10 €

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Fr 25. Oktober 22 Uhr Alte Nationalgalerie Das Konzert ist bereits ausverkauft.

Die CD ist am 12. Juli 2013 bei myrios classics erschienen.


Tugan Sokhiev im Gespräch

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Neues En tde cken

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Chefdirigent Tugan Sokhiev über seine Konzerte der Saison 2013 | 2014

Mit dem Konzert am 11. September eröffnet Tugan Sokhiev seine zweite Saison als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Der 35-Jährige legte nach seinem Dirigierstudium beim legendären Ilja Musin in St. Petersburg den Grundstein zu einer bemerkenswerten Karriere und wurde innerhalb weniger Jahre zu einem weltweit gefragten Gastdirigenten führender Opernhäuser und Orchester. Seit 2008 ist er Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Orchestre National du Capitole de Toulouse; auch mit dem Mariinski-Theater in St. Petersburg und dem Londoner Philharmonia Orchestra verbindet ihn eine regelmäßige künstlerische Partnerschaft. Mit den DSO-Nachrichten sprach er über seine Vorhaben der kommenden Saison.

Sergei Prokofjew wird auch diesmal wieder eine große Rolle spielen. Was reizt Sie an seiner Musik? Prokofjew ist für mich einer der wichtigsten und einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, und er steht für die russische, oder besser: sowjetische Musik seiner Zeit. Strawinsky oder Schostakowitsch sind ebenso wichtig, aber für mich hat Prokofjew das interessanteste und vielseitigste Erbe hinterlassen, von seiner Klaviermusik bis zu seinen Opern. Wir werden phantastische Stücke spielen, wie etwa die ›Skythische Suite‹ oder das Erste Klavierkonzert —–– S. 4, das den jungen, energischen, provokanten Prokofjew repräsentiert. Es wird auch wieder musikalische Neuentdeckungen geben, so zum Beispiel den Komponisten Alexander Tanejew. Ich mag am Berliner Konzertpublikum und besonders am DSO-Publikum, dass es immer hungrig auf Anderes und Neues ist und sich nicht mit immer demselben Repertoire zufriedengibt — genau wie das Orchester. Insofern fallen die Neuentdeckungen auf fruchtbaren Boden. Tanejew kennt man in Russland recht gut, er hat sich sehr um die Komponierschule nach Tschaikowsky, seinem verehrten Lehrer, verdient gemacht. Es war damals unter russischen Komponisten weit verbreitet, sich mit religiösen Themen auseinanderzusetzen, und so werden wir Tanejews Kantate über den Kirchenvater ›Johannes Damascenus‹ aufführen, die eine besondere spirituelle Bedeutung für den Komponisten hatte — und gleichzeitig ganz wunderbare Musik ist. Bei der Gelegenheit kann ich auch erstmalig mit dem einzigartigen RIAS Kammerchor zusammenarbeiten, darauf bis ich sehr gespannt. Auch das Werk Mieczysław Weinbergs findet zunehmend Beachtung. Lohnt sich die Auseinandersetzung mit seiner Musik? Unbedingt. Er hat über 20 Symphonien geschrieben, und als Komponist ist er von ähnlicher Bedeutung für das 20. Jahrhundert wie sein Freund Schostakowitsch, in dessen Schatten er zu lange stand. Ich freue mich sehr, nach dem großen Erfolg seines Flötenkonzerts im letzten Jahr nun seine Vierte Symphonie aufführen zu können, denn sie steht geradezu idealtypisch für seine sehr persönliche Musiksprache.

Maestro, was war für Sie der Höhepunkt Ihrer ersten Saison als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des DSO? Das war ohne Zweifel das Oratorium ›Iwan der Schreckliche‹ von Sergei Prokofjew, das wir im Januar spielten — eine aufregende Erfahrung, denn die Partitur ist sehr komplex, das Orchester riesig besetzt. Mit dem Rundfunkchor Berlin, dem Staats- und Domchor und den Solisten hatten wir eine intensive Probenzeit, und in den Konzerten sind alle über sich hinausgewachsen. Ich bin glücklich und stolz, dass es uns geglückt ist, dem unbekannten, dem Dramatiker Sergei Prokofjew eine Lanze zu brechen. Wie hat sich Ihre Zusammenarbeit mit dem Orchester entwickelt? Die musikalische Vertrautheit zwischen dem Orchester und mir ist weiter gewachsen. Vieles ist uns selbstverständlich geworden, wir können bei den Proben rasch mit der Feinarbeit beginnen. Dadurch gewinnen wir eine große Freiheit und folgen im entscheidenden Moment der Inspiration des Augenblicks. Das Publikum unterstützt uns dabei in phänomenaler Weise. Man kann noch so gut spielen, ohne die Reaktionen des Publikums ist das nichts wert. Bei jedem unserer bisherigen Projekte hatten wir ein phantastisches Feedback. Ich spüre bei den Konzerten, wie der Funke unserer Begeisterung auch auf das Publikum überspringt, und das zeigt mir, dass wir das Richtige machen. Welche Gedanken stecken hinter Ihren Konzertprogrammen der kommenden Spielzeit? Wir wollen dem Weg weiter folgen, den wir im vergangenen Jahr eingeschlagen haben, mit einem sehr vielgestaltigen Programm, das wenig bekannte Werke slawischer, aber auch französischer Komponisten ins Zentrum stellt — und darüber hinaus weite Querverbindungen auf der musikalischen Landkarte zieht, zu der selbstverständlich auch Beethoven, Brahms und Mahler gehören. Französische, deutsche, russische, klassische, zeitgenössische Musik, all das hatte schon immer seinen Platz im Repertoire des DSO, und das wollen wir weiter ausbauen. Denn es gibt noch so viel großartige Musik zu entdecken, und das DSO ist immer offen für Neues und Unbekanntes.

Ist denn nicht auch das französische Repertoire in Berlin zu selten vertreten? Allerdings, nicht nur in Berlin. Denn abseits der Repertoireklassiker wie dem ›Boléro‹ oder Debussys ›Prélude à l’après-midi d’un faune‹ gibt es noch genug zu entdecken. Wir werden etwa die zweite ›Bacchus et Ariane‹-Suite von Albert Roussel spielen, oder Saint-Saëns’ wunderbares Erstes Cellokonzert. Aber natürlich werden wir auch die ›Symphonie fantastique‹ von Berlioz spielen, in einem Konzert mit Tanejews Kantate und der ›Valse-fantaisie‹ von Michail Glinka, dem Gründervater der klassischen russischen Musik. Er hat übrigens seine letzten Lebensmonate hier in Berlin verbracht. Im Januar werden Sie zum ersten Mal ein Werk Gustav Mahlers beim DSO dirigieren? Ja, seine Zweite Symphonie. Sie weist uns den musikalischen Weg, den Mahler später einschlagen sollte; hier zeigt er zum ersten Mal seine tiefgründigen philosophischen Ideen. Ich fühle eine starke persönliche Verbindung mit dieser Symphonie, ihre Struktur und Kraft überwältigen mich geradezu. Es ist momentan eines meiner Lieblingswerke. Und auch für den grandiosen Rundfunkchor Berlin ist das genau das Richtige, denn Mahler verlangt hier ein enormes Spektrum an Vokalfarben, vom feinsten Pianissimo am Anfang bis zu den abgründigsten Bassklängen, die man sich vorstellen kann. Wir haben außerdem zwei wunderbare junge Solistinnen engagiert: Anastasia Kalagina, mit der ich die Symphonie schon mehrfach aufgeführt habe, und Sasha Cooke, die im vergangenen Jahr bei der Saisoneröffnung kurzfristig einsprang und das Publikum mitgerissen hat. Mahlers Zweite wird eines der Highlights der Saison werden, denn diese Symphonie lässt niemanden kalt. Ich freue mich schon sehr darauf! Wie haben Sie in den letzten Monaten die Stadt Berlin erlebt? Viele interessante Orte in Berlin scheinen zunächst einmal verborgen, man muss sie sich erlaufen und bekommt sie nicht auf dem Tablett serviert. Um diese riesige Stadt mit ihrer Diversität — von der Architektur bis zur Mentalität — zu verstehen, ist das der beste Weg. Das mache ich überaus gern, und ich wünsche mir hierfür in den kommenden Jahren noch mehr Zeit als bislang. Die Fragen stellten Habakuk Traber und Oliver Becker.


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Tugan Sokhiev | Kinderkonzert

SkythEN Im ABSEItS

Tugan Sokhiev und Boris Berezovsky am 05. + 06.10.

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Fußballspieler sind auf dem Konzertpodium eher selten anzutreffen, und auch sonst gehört der Sport nicht unbedingt zu den gängigen Topoi europäischer Kunstmusik. Zu den wenigen Ausnahmen zählt ein recht absurdes Fußball-Ballett aus dem Jahr 1930, zu dem der damals 24-jährige Dmitri Schostakowitsch die Musik beisteuerte. Es erzählt die Geschichte einer sowjetischen Fußballmannschaft, die anlässlich der Industrieausstellung ›Das Goldene Zeitalter‹ in den Westen reist und heldenhaft den Verlockungen und Anfeindungen der dekadenten, korrupten und bourgeois-verschwörerischen Gastgeber widersteht. Doch musikalisch gibt es keinen Gewinner. Der Komponist nimmt in seiner überdrehten Partitur, die Banalitäten mit Witz, Parodie und Groteske begegnet, keine der beiden Parteien wirklich ernst. Die Suite, die er schon vor der Ballettpremiere zusammenstellte, bildet den unterhaltsamen Auftakt zu einem Konzertprogramm, das im thematischen Zentrum der Saison 2013 | 2014 steht — mit überaus spannenden Werken aus Russland, die man wenig, deren Schöpfer aber umso besser kennt. Skythische Klanglandschaften Dabei gibt es alles doppelt: Zwei Komponisten, zwei Suiten, zwei Klavierkonzerte. Jugendwerke sind sie fast alle, durchdrungen vom stürmerischen Geist des Aufbruchs und frecher Unbeschwertheit. Auch Sergei Prokofjew war 24 Jahre alt, als er die Ballettmusik zu ›Ala i Lolli‹ komponierte. Die Eckdaten der Geschichte — heidnische Vorzeit, Götzenanbetung und Menschenopfer — erinnern ein wenig an ›Le sacre du printemps‹, und der Einschlag, den Strawinskys Jahrhundertwerk zwei Jahre zuvor auf der musikalischen Weltkarte hinterlassen hatte, verfehlte seinen Einfluss auch auf Prokofjew nicht. Der Kampf zwischen Gut und Böse, Menschen und Göttern, Licht und Finsternis verschmilzt bei ihm zu einer farbenreichen Klanglandschaft, die vortrefflich zwischen überwältigender

und doch legt es Zeugnis ab von früher Meisterschaft — kompakt, kühn, ungestüm und hochvirtuos. Kein Frühwerk ist dagegen das klassizistische Zweite Klavierkonzert von Dmitri Schostakowitsch, das dieser 1957 zum 19. Geburtstag seines Sohnes komponierte. Diese Reife schätzt auch DSO-Chefdirigent Tugan Sokhiev: »Schostakowitschs Erstes Konzert wirkt bisweilen etwas angeberisch und krawallig. Das Zweite ist viel erwachsener, hier hat Schostakowitsch eine neue Sprache gefunden, vor allem im sehr poetischen zweiten Satz, den ich ganz besonders liebe.« Als Interpreten beider Werke konnte Sokhiev Boris Berezovsky gewinnen. Der gebürtige Moskauer, der heute in Belgien lebt, gewann im Jahr 1990 den internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb seiner Heimatstadt. Er zählt zu den gefragtesten Pianisten seiner Generation und ist als Kammermusiker und Solist auf den bedeutendsten Bünen der Welt zuhause. Mit Tugan Sokhiev hat er schon häufig zusammengearbeitet, im Oktober gibt er sein Debüt beim DSO. Die beiden Konzerte in Berlin bilden den Auftakt zu einer Gastspielreise nach Bratislava, Zagreb und Udine. Mehr unter: dso-berlin.de/gastspiele MA xIMILIAN RAUSCHER

—–– Orchesterpracht und stiller Zartheit zu changieren vermag. Als Prokofjews Auftraggeber Diaghilew, Impresario der epochemachenden ›Ballets russes‹, die Entwürfe jedoch ablehnte, entstand aus dem Material die ›Skythische Suite‹.

dmitri Schostakowitsch Suite ›Das goldene Zeitalter‹ Sergei Prokofjew Klavierkonzert Nr. 1 Des-Dur dmitri Schostakowitsch Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur Sergei Prokofjew ›Skythische Suite‹

Gemischtes Doppel Vier Jahre zuvor, noch während seines Studiums, schuf Prokofjew sein Erstes Klavierkonzert. Die romantischen Vorbilder des 19. Jahrhunderts kann es nicht verhehlen,

Sa 5. + So 6. Oktober 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie

tUgAN SOkhIEV Boris Berezovsky Klavier

Karten von 20 € bis 59 € | AboPlus-Preis ab 17 €

hUcklEBErry FINN Kulturradio-Kinderkonzert am 15.09. Mit amerikanischen Abenteuern beginnt die neue Spielzeit der Kulturradio-Kinderkonzerte, es geht ›Mit Huckleberry Finn durch die Südstaaten‹. Wie gewohnt erwarten Euch in der kommenden Saison sechs spannende Konzerte: Zweimal stehen Instrumente mit ihren Geschichten im Mittelpunkt — im Februar 2014 bläst die Horngruppe des DSO volles Rohr, im April heißt es dann ›Das Cello rockt‹ — und zweimal gibt es Ballettmusiken: Im November, zum 200. Geburtstag des berühmten italienischen Opernkomponisten Giuseppe Verdi, Tänze aus dreien seiner Opern, und kurz vor Weihnachten heißt es: ›Gute Schwäne, böse Schwäne‹, denn im 50. Kulturradio-Kinderkonzert spielt das DSO ›Schwanensee‹ von Peter Tschaikowsky. Im letzten Konzert schließt sich dann der Kreis, wieder mit einem amerikanischen Abenteuer: ›Appalachian Spring‹ von Aaron Copland. Darin geht’s um Siedler, die »in der neuen Welt«, den USA, ein Haus bauen und Hochzeit feiern. Amerika, dieses große, ferne Land, bedeutete für viele Menschen Freiheit und die Möglichkeit, ein ganz neues Leben anzufangen. In der großen Zeit der Entdeckungen und des Goldrausches besiedelten immer mehr Einwanderer den »Wilden Westen«. Weiter südlich, am großen Strom Mississippi, lebten aber auch diejenigen, die nicht freiwillig nach Amerika gekommen waren: Menschen aus Afrika wurden dort als Sklaven zum Arbeiten gezwungen. Sie wurden verkauft und schlecht behandelt.

Einen solchen Sklaven trifft der Junge Huckleberry Finn. Beide sind auf der Flucht: Huckleberry vor seinem Vater, der ihn prügelt, der Sklave Jim vor seinen Besitzern. Auf einem Floß wollen sie über den Mississippi fahren und erleben dabei viele Abenteuer.

Gewinnspiel: Wie stellst Du Dir eine Reise auf dem Mississippi vor? Mal ein Bild dazu und schick’ es uns. Mit etwas Glück gibt es einmal vier Eintrittskarten für das Kinderkonzert am 3. November zu gewinnen. Die schönsten Bilder findest Du ab Oktober unter: dso-berlin.de/kinderkonzerte

Wir werden durch das Land, in dem die beiden unterwegs sind, mit Musik des amerikanischen Komponisten Ferde Grofé reisen. Wir lernen den mutigen Huckleberry Finn kennen, wir erleben den Strom Mississippi und die Menschen an seinen Ufern beim Feiern, wir werden aber auch Zeuge eines Sonnenaufgangs über dem gewaltigen Grand Canyon. Durch diese tiefe Schlucht reiten wir sogar mit einem Esel. Der englische Dirigent Roderick Shaw kehrt für diese amerikanischen Abenteuer ans Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin zurück. Er hat schon das erste Kulturradio-Kinderkonzert geleitet und war wieder da, als wir die ›Feuerwerksmusik‹ von Georg Friedrich Händel gespielt haben. Gemeinsam freuen wir uns nun auf eine Expedition nach Amerika! Vor dem Konzert lädt wie immer das Open House dazu ein, verschiedene Instrumente gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern des DSO auszuprobieren. CHRIST IAN SCHRUFF

Einsendungen bis zum 30. September an: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin im rbb-Fernsehzentrum Stichwort: Kinderkonzert-Gewinnspiel Masurenallee 16–20 | 14057 Berlin

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›Mit Huckleberry Finn durch die Südstaaten‹ Ferde grofé Auszüge aus der ›Grand Canyon Suite‹ und der Suite ›Mississippi: A Journey in Tones‹ rOdErIck ShAw | christian Schruff Moderation So 15. September 12 Uhr konzert | 10.30 Uhr Open house haus des rundfunks, großer Sendesaal Für Kinder ab 6 Jahren. Karten zu 4 € | Erwachsene 10 €


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Tugan Sokhiev + Maxim Rysanov | Pultnotiz

PuLTNOTIZ

Tomer Maschkowski studierte Posaune am Konservatorium seiner Geburtsstadt Rotterdam und an der UdK Berlin. Er war Stipendiat der Orchesterakademie der Staatskapelle Berlin und ist noch heute Mitglied von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra. Der mehrfache Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs pflegt mit Sergei Nakariakov, Guy Braunstein und als Mitglied mehrerer Ensembles seine Leidenschaft für die Kammermusik. Seit März 2013 ist er Bassposaunist des DSO.

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Tomer Maschkowski, Bassposaunist des DSO

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AUFtAkt mIt mANdArIN Tugan Sokhiev und Maxim Rysanov am 11.09. beim Musikfest Berlin

Fanfaren eröffnen die neue Saison. Es macht Eindruck, wenn über zwanzig Blechbläser, davon neun Trompeten, hinter den Holzbläsern und Streichern des Orchesters Platz nehmen, und wenn ihre durchschlagskräftige Abteilung allein mit den Pauken die Sinfonietta von Leoš Janáček beginnt. Das Prachtstück schrieb der Brünner Komponist als Opening für ein sportliches Kräftemessen. Aber die Energie, die selbstgewisse Zuversicht und die entschlossene Feierlichkeit dieser Musik kann alles einleiten, Turn-, Musik- und andere Freudenfeste. Die Eigenwilligen Leoš Janáček ist einer der Komponisten, auf die das Musikfest Berlin in diesem Jahr seinen Fokus richtet. Als er die Sinfonietta, die er auch ein Konzert für Orchester hätte nennen können, mit 71 Jahren schrieb, hatte der lange Verkannte seinen Durchbruch endlich geschafft. Auf Ähnliches wartete sein 45 Jahre jüngerer Landsmann Bohuslav Martinů vergebens. Er war genauso eigensinnig wie sein älterer Kollege, allerdings auf feinere Art. Seine Biographie ist eine Geschichte von Fluchten — aus dem engen Aktionsradius in der Tschechoslowakei nach Paris, in die Hauptstadt urbaner Kultur, von dort wegen der deutschen Besetzung auf abenteuerlichen Wegen in die USA, nach dem Krieg dann eine vorsichtige Rückkehr mit Vorbehalt und Zweifeln — kurz, eine Karriere zwischen den Stühlen der großen Geschichte, aber mit höchst bemerkenswerten Ergebnissen. Die Erfahrung teils gewollter, teils erzwungener Migration wirkte auf sein Komponieren ein. Er beschränkte sich nicht auf die verbreitete Dialektik zwischen Gewalt und Klage, sondern fand, besonders in seinem Rhapsodie-Konzert für Viola und Orchester, lyrische Töne gegen den Trend der Zeit. Sie bewegen sich zwischen Orchester- und Kammerstil. Maxim Rysanov, der Virtuose aus der Ukraine, ist für den Solopart der ideale Interpret. Freunde der Kammermusik kennen ihn von Auftritten im Rahmen der Spectrum Concerts Berlin. Sein gelöstes, von Schaueffekten vollkommen freies Spiel strahlt Konzentration und ein Vergnügen an der musikalischen Kommunikation mit seinen Partnern aus. Er debütiert beim DSO. Fantastischer Expressionismus Die Blickrichtung des Musikfests Berlin nach Süden und Osten kommt Tugan Sokhiev entgegen, der mit diesem Konzert in seine zweite Chefdirigenten-Saison startet. Im slawischen Repertoire dem Berliner Publikum weniger Bekanntes zu erschließen, die Wahrnehmung der musikalischen Sprachbrücken zwischen Ost- und Westeuropa zu verfeinern, hat er sich zum Ziel gesetzt. Mit der Wahl Bohuslav Martinůs gibt er dafür ein Beispiel; Sokhiev schätzt die Musik des kosmopolitischen Tschechen. Aber auch von Béla Bartók liegt manches im musikbetrieblichen Abseits. ›Der wunderbare Mandarin‹, eine Ballettpantomime, die in eine großstädtische Sex-and-Crime-Story einen urtümlichen Märchenkerl aus Fernost wie einen Riesen aus dem Unbewussten einbrechen lässt, kommt selten auf die Bühne. Doch Bartóks kühne Partitur spricht deutlich genug, auch ohne Szene. Tugan Sokhievs Fähigkeit, dramatische Qualitäten eines Werkes ganz aus der Musik erfahrbar zu machen, wird Bartóks fantastischen Expressionismus dem Publikum ganz nahe bringen. HABAKUK T R ABER

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Musikfest Berlin 2013 leoš Janáček Sinfonietta Bohuslav martinů Rhapsodie-Konzert für Viola und Orchester Béla Bartók ›Der wunderbare Mandarin‹ (vollständige Ballettmusik) tUgAN SOkhIEV maxim rysanov Viola Ernst Senff chor Berlin Steffen Schubert mi 11. September 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 59 € AboPlus-Preis ab 17 €

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Das Konzert ist am 10. September auch in der Kölner Philharmonie zu erleben. Mehr unter: dso-berlin.de/gastspiele

Ich bin Posaunist geworden, weil … mein Großvater 34 Jahre lang Posaunist beim Israel Philharmonic Orchestra gewesen ist. Ich habe mich einfach in die Posaune verliebt! Wäre ich nicht Posaunist geworden, wäre ich heute … vielleicht Fußballspieler beim FC Barcelona :-) Meine drei Lieblingswerke der Orchesterliteratur: 1. Wagners ›Die Walküre‹: Ich konnte sie mit dem Orchester der Mailänder Scala unter Barenboim spielen. Das war ein Traum! 2. ›Die Zauberflöte‹ von Mozart: Ich habe sie schon oft gespielt, genieße die Musik aber jedes Mal so, als wäre es das erste Mal. 3. Brahms’ Zweite Symphonie: Ich bin mit Carlos Kleibers Aufnahme aufgewachsen, und sie war die erste Symphonie, die ich selbst gespielt habe. Das DSO ist für mich … genau das, was ich mir immer gewünscht und erträumt habe: Ein Top-Orchester mit einer Seele, Leidenschaft und Professionalität — und in der schönsten Stadt der Welt! Wenn ich eine Zeitreise unternehmen könnte, würde ich ... nach Israel vor die Zeit der Staatsgründung (1948) reisen, um zu sehen, wie Juden und Araber damals zusammengelebt haben. Welche Tempobezeichnung entspricht am ehesten meinem Temperament? Andante, manchmal auch Scherzo! Anzeige

Viele erreichen mehr. dso-berlin.de/foerderkreis


Manfred Honeck | Cornelius Meister

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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Die Kugelgestalt der Zeit Manfred Honeck und Leif Ove Andsnes am 31.10. mit Schnittke, Beethoven und Dvořák seiner Musik. Heute, nach seinem allzu frühem Tod 1998, gilt Schnittke als einer der interessantesten Komponisten des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

Das Einsortieren von Komponisten in stilistische Schubladen erzeugt oft mehr Fragen als Antworten. War Beethoven nun »Klassiker« oder »Romantiker«? Und kann man Antonín Dvořák so einfach zur »Romantik« zählen, oder geht dieser böhmische Instinktmusiker mit seinen »back to the roots« gefundenen Themen und ihrer zuweilen collageartigen Verarbeitung schon einen Weg, der bestimmte Stränge der Moderne vorwegnimmt? Oder eher der Postmoderne? Ihr Kennzeichen ist die Verfügbarkeit der Musik aller Epochen als Kompositionsmaterial, dem mit neuen Methoden neuartige Klänge abgewonnen werden. Alfred Schnittke liebt die Verwirrspiele mit alt und neu besonders. Als der 1934 geborene Wolgadeutsche 1990 von der Sowjetunion in den Westen übersiedelte, gab es manches Naserümpfen ob der vermeintlichen Rückwärtsgewandtheit

(K)ein musikalischer Spaß Der Begriff der »Kugelgestalt der Zeit« stammt von Bernd Alois Zimmermann aus den 1950er Jahren, als alle Welt noch auf das Dogma der Zwölftonmethode eingeschworen war. Auf dieser Kugel treffen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gehen immer neue Verbindungen ein. Hier setzt Schnittke mit seiner »Polystilistik« an. Wenn ›(K)ein Sommernachtstraum‹ anhebt, 1985 bewusst »nicht nach Shakespeare« geschrieben, wähnt man sich zur Tafelmusik im Speisesaal eines Rokoko-Schlosses zurückversetzt. Violine und Klavier, Flöte und Cembalo intonieren ein liebliches Thema nach Art des berühmten Boccherini-Menuetts. Cluster und Überschneidungen »verunreinigen« die Idylle. Doch es geht nicht um den Jux falscher Töne, wie in Mozarts ›Dorfmusikantensextett‹. Zwar beschwört Schnittke »den Mozart-Schubert-Ton« seiner Wiener Studienjahre von 1946 bis 1948. Doch unheimliche Akzente der tiefen Bläser und ängstlich zusammengeklumpte Geigen künden in dissonanter Verwirrung und gewaltsamen Klangeinbrüchen von Katastrophen wie bei Mahler oder Schostakowitsch — Musik aus dunkler Zeit, die offensichtlich nicht viel heller geworden ist. Überraschungen im Bekannten Was Schnittke zerstört und zertrümmert, erscheint bei Beethoven noch unbeschädigt — doch klassisch-harmlos geht es auch im Zweiten Klavierkonzert nicht zu. Dass

Beethoven es schätzte, zeigt die spätere Einfügung der gewichtigen Kadenz in den schon ausladenden Kopfsatz, die dem Marsch der späten Klaviersonate A-Dur op. 101 oder der Großen Fuge B-Dur für Streichquartett op. 133 auffallend ähnelt. Solist Leif Ove Andsnes, dem DSO-Publikum noch vom letzten November mit Beethovens Drittem in bester Erinnerung, rühmt die Individualität der einzelnen Klavierkonzerte, in denen er bei jedem Auftritt Neues entdeckt. Beliebt und bekannt ist Antonín Dvořáks Symphonie Nr. 9 e-Moll ›Aus der Neuen Welt‹, ein Repertoirerenner. Seien wir gespannt, welche Überraschungen Manfred Honeck, geschätzt für die Wiederentdeckung des Unbekannten, aus dieser Begegnung amerikanischer und tschechischer Folklore zutage fördern wird! Isabel Herzfeld

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Alfred Schnittke ›(K)ein Sommernachtstraum‹ Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur Antonín Dvořák Symphonie Nr. 9 e-Moll ›Aus der Neuen Welt‹ Manfred Honeck Leif Ove Andsnes Klavier Do 31. Oktober 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 59 € | AboPlus-Preis ab 17 €

maestro der Musikvermit tlung Cornelius Meister und Rafał Blechacz am 22.09., Casual Concert am 23.09. Innovativ, neugierig, offen, gesamtgesellschaftlich relevant soll ein Orchester sein — das fordert Cornelius Meister. Allesamt Attribute, die der junge Maestro selbst in seinem künstlerischen Wirken vorlebt. So hat er sich gerade im Bereich der Musikvermittlung einen Namen gemacht.

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Manchen Besuchern der Casual Concerts ist vielleicht noch sein Auftritt am Pult des DSO im Februar 2011 in lebhafter Erinnerung geblieben. Damals beeindruckte er das Publikum durch eine abwechslungsreiche und kurzweilige Einführung. Am 23. September kehrt Cornelius Meister als moderierender Dirigent in die Philharmonie zurück, diesmal mit Brahms’ Zweiter Symphonie. Wieder mit dem Anspruch, für ein unmittelbares und ganzheitliches Konzerterlebnis zu sorgen. Später, in der Casual Concert Lounge, übernimmt der isländische Singer-Songwriter Ásgeir Trausti als Live Act den musikalischen Part, bevor Jason aka Gentle People auflegen wird. Mo 23.09.

Tradition und Zukunft Neben seinen zahlreichen Education-Aktivitäten wird Cornelius Meister, seit 2010 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien, vor allem auch für seine Interpretationen des klassischen Konzertrepertoires gefeiert. Im Rahmen des Dvořák-Festivals führt ihn ein Gastspiel mit dem DSO am 20. September nach Prag. Und einen Tag vor dem Casual Concert leitet er in Berlin einen Konzertabend, der ausgehend von Brahms’ Zweiter Symphonie einen weiten Bogen durch die Musikgeschichte schlägt. Für Robert Schumanns Klavierkonzert weiß er mit Rafał Blechacz einen der führenden Pianisten seiner Generation an seiner Seite. Zu Anfang des Konzertabends dirigiert er ein zeitgenössisches Werk von David Philip Hefti: ›Changements‹ — Stimmungsbilder für Orchester. Der Komponist ist Träger des Ernst von Siemens Musikpreises 2013. Erst kürzlich erschien, unter Mitwirkung des DSO, eine CD mit ›Changements‹ und anderen Werken Heftis. PAOLO OLLIG

Am Puls der Zeit Während seiner Zeit in Heidelberg, als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands, wurde Cornelius Meisters genreübergreifende Bildungsarbeit mehrfach ausgezeichnet. 2007 erhielt er den Ersten Preis des Deutschen Musikrats für ein Projekt, das symphonische Werke mit anderen Musikstilen und weiteren Ausdrucksformen der Jugendkultur kombinierte. 2010 folgte der ›junge ohren‹-Preis für die vielbeachtete Initiative ›Das neue Wunderhorn‹. 200 Jahre nach Entstehen der Volksliedsammlung ›Des Knaben Wunderhorn‹ sammelten 400 Mitwirkende — Profis und Laien — aktuelle Lieder und Texte und brachten sie auf die Bühne.

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David Philip Hefti ›Changements‹ Robert Schumann Klavierkonzert a-Moll Johannes Brahms Symphonie Nr. 2 D-Dur Cornelius Meister Rafał Blechacz Klavier So 22. September 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 15 € bis 45 € | AboPlus-Preis ab 13 €

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Casual Concert Johannes Brahms Symphonie Nr. 2 D-Dur Cornelius Meister Mo 23. September 20.30 Uhr Philharmonie Im Anschluss Casual Concert Lounge mit Ásgeir Trausti (Live Act) und Jason aka Gentle People (DJ) Karten zu 15 € | 10 € für Schüler, Studenten und im Abonnement Freie Platzwahl


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Kent Nagano + Bernhard Hartog

Bartóks musikalische Liebeserkl ärung Kent Nagano und Bernhard Hartog am 22.10. mit Bartók, Strauss u. a.

Drei Jahre später kehrte Hartog an die Spree zurück — nun als Erster Konzertmeister des DSO, das damals noch Radio-SymphonieOrchester Berlin hieß. Fünf Chefdirigenten hat er seitdem erlebt, mit zahllosen Weltklassekünstlern zusammengearbeitet, auf Tourneen die Welt bereist und — von den Kollegen als Mensch und Künstler geschätzt — im Orchester auch eine musikalische Heimat gefunden. Kammermusik und Spielkultur Was, meint er, hat sich in all den Jahren am meisten verändert? »Die Disziplin in den Proben ist sehr viel besser geworden«, gesteht er unumwunden ein. Auch die Bereitschaft, aufeinander zu hören, habe sich eindrucksvoll entwickelt: »In der Saison 1979 | 1980 hatte der damalige Intendant Peter Ruzicka die bis heute existierende Kammermusikreihe ins Leben gerufen — die erste ihrer Art in Berlin —, und davon haben Spielkultur und Klangbalance des Orchesters enorm profitiert.« Die Begeisterung für Kammermusik lebt Hartog selbst aus — lange Zeit u. a. mit dem Hartog-Quartett, das sämtliche Streichquartette von Haydn und Schubert zyklisch zur Aufführung brachte. Auch heute noch pflegt er die Liebe zur intimen musikalischen Kommunikation, mit DSO-Kollegen und seiner Frau, der Pianistin Sevimbike Elibay, u. a. im Kammerkonzert am 15. November in der Villa Elisabeth.

» Das DSO hat sich eine Kultur der Mitarbeit, die ich sehr schätze, bis heute bewahrt.«

Sein Platz ist am ersten Pult — als Bindeglied zwischen dem Dirigenten und dem Orchester, als Mittler zwischen den Stimmgruppen. Er schätzt die Verantwortung, die diese Position mit sich bringt, die Chance, nah dran zu sein an der Entstehung einer Interpretation — aber auch das Vergnügen, die Solostellen spielen zu dürfen. Seit 33 Jahren ist Bernhard Hartog Erster Konzertmeister des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, im Juni 2014 wird er seinen Abschied nehmen. Mit überzeugend interpretierten Violinkonzerten von Komponisten wie Hartmann, Rolf Liebermann, Mozart oder Schostakowitsch stand er immer wieder selbst als Solist vor seinem Orchester. Am 22. Oktober, zu Beginn seiner letzten Saison, ist er unter der Leitung Kent Naganos mit dem Ersten Violinkonzert von Béla Bartók zu hören.

» Bartóks musikalische Liebeserklärung bewegt mich sehr, und das möchte ich gerne zum Ausdruck bringen.« »Ich finde Musik, die auf dieser Grenze steht, am Beginn des 20. Jahrhunderts, am Übergang zur Moderne, besonders reizvoll«, erklärt Hartog seine Wahl. »Das Konzert entstand 1908, der erste Satz ist von Strauss und Wagner beeinflusst, auch der zweite hat noch völlig tonale Bereiche. Und doch tritt hier schon die ganz eigene Musiksprache Bartóks hervor. Zudem hat er das Konzert einer Jugendliebe gewidmet; es wurde erst nach seinem Tod uraufgeführt. Die zarte musikalische Liebeserklärung, die dem Stück innewohnt, bewegt mich sehr, und das möchte ich gerne zum Ausdruck bringen.« Auf der Bühne, als Solist, wird Hartog das Konzert zum ersten Mal spielen, doch kennengelernt hat er es schon früh, unter berufener Anleitung seines Lehrers André Gertler. Der ungarisch-belgische Geiger war als Kammermusikpartner des Komponisten eng mit Bartóks Werk vertraut. Der Weg ans erste Pult »Der Wunsch, Geige zu spielen, entstand mit sechs Jahren«, erinnert sich Bernhard Hartog an seine Anfänge, »als ich Menuhin und Oistrach im Radio hörte«. Ein musikliebendes Elternhaus, Musiker in der nahen Verwandtschaft und die Förderung durch gute Lehrer taten ihr Übriges: Mit 16 Jahren war er Student an der Musikhochschule in Hannover. Das Jahr 1974 bestärkte ihn in seiner Berufswahl: Hartog war Teil der ›Bundesauswahl junger Künstler‹, gewann den Ersten Preis beim Violinwettbewerb ›Alberto Curci‹ in Neapel und erspielte sich seine erste Orchesterstelle — bei den Ersten Geigen der Berliner Philharmoniker. Dass er nach drei lehrreichen Spielzeiten unter Herbert von Karajan von der Berliner Tutti-Stelle an die Konzertmeisterposition am Staatstheater Hannover wechselte, fanden einige seiner Kollegen »unter Niveau«, wie er schmunzelnd erzählt.

Immer Fragen stellen Die Kommunikation ist es auch, die Hartog an seinem Orchester besonders mag: »Bei Karajan wurden aus dem Orchester kaum Fragen gestellt, er war ja selbst kein Mann großer Worte. Im DSO hingegen wurde eigentlich schon immer gefragt — manchem Dirigenten sogar zu viel. Bei einer Probe mit Karlheinz Stockhausen in den Achtzigerjahren fragte der Stimmführer der Zweiten Geigen den Komponisten mehrfach nach unklaren Details der Notation. Irgendwann wurde es diesem zu bunt: Er habe das Stück schon in Amsterdam, London und New York dirigiert, und da habe niemand solche Fragen gestellt. Doch sogleich merkte Stockhausen, dass er damit den anderen Orchestern kein Lob ausgesprochen hatte, dass es denen wohl einfach egal gewesen war. Von da an waren er und der Stimmführer beste Freunde. Diese Kultur der Mitarbeit, die ich sehr schätze, hat sich das DSO bis heute bewahrt, und sie wird von den älteren Musikern an die jüngeren weitergegeben.« Seinen Erfahrungsschatz gibt auch Bernhard Hartog seit Jahren weiter, als Honorarprofessor an der Universität der Künste, und er wird das Unterrichten auch im Ruhestand nicht aufgeben. Hat er, der neben seiner Arbeit beim DSO als Lehrer, Kammermusiker und Konzertmeister des Bayreuther Festspielorchesters Erfüllung fand, eigentlich schon Pläne für die kommenden Jahre? »Nein!« sagt er erwartungsfroh. »Ich habe die letzten 39 Jahre immer nach Plänen gelebt und freue mich darauf, erst einmal keine haben zu müssen«. Ma ximilian Rauscher

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Anton Plate ›At the River‹ Charles Ives Largo für Violine und Orchester, bearb. von Anton Plate Béla Bartók Violinkonzert Nr. 1 op. posth. Richard Strauss ›Eine Alpensymphonie‹ Kent Nagano Bernhard Hartog Violine Di 22. Oktober 20 Uhr | 18.55 Uhr Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 59 € AboPlus-Preis ab 17 €


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Konzertvorschau | Letzte Meldung | Impressum

Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Letzte Meldung: Brahms-Seminar mit Habakuk Traber

Konzerte SEPTEMBER Mi 11.09. 20 Uhr Philharmonie

So 15.09. 12 Uhr Haus des Rundfunks

So 22.09. 20 Uhr Philharmonie

Musikfest Berlin 2013 Janáček Sinfonietta Martinů Rhapsodie-Konzert für Viola und Orchester Bartók ›Der wunderbare Mandarin‹ (vollständige Ballettmusik) Tugan Sokhiev Maxim Rysanov Viola Ernst Senff Chor Berlin Kulturradio-Kinderkonzert Grofé Auszüge aus der ›Grand Canyon Suite‹ und der Suite ›Mississippi: A Journey in Tones‹ Roderick Shaw Christian Schruff Moderation Hefti ›Changements‹ Schumann Klavierkonzert a-Moll Brahms Symphonie Nr. 2 D-Dur Cornelius Meister Rafał Blechacz Klavier

Mo 23.09. 20.30 Uhr Philharmonie

Casual Concert Brahms Symphonie Nr. 2 D-Dur Cornelius Meister

Im Anschluss

Casual Concert Lounge mit Ásgeir Trausti (Live Act) und Jason aka Gentle People (DJ)

Fr 27.09. 20.30 Uhr Villa Elisabeth

Kammerkonzert Martinů, Poulenc, Rota Polyphonia Ensemble Berlin

Kammerkonzerte Die ausführlichen Programme und Besetzungen finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik

OKTOBER Sa 05.10. So 06.10. 20 Uhr Philharmonie

So 20.10. 17 Uhr Villa Elisabeth

Di 22.10. 20 Uhr Philharmonie

Fr 25.10. 22 Uhr Alte Nationalgalerie

Do 31.10 20 Uhr Philharmonie

Schostakowitsch Suite ›Das goldene Zeitalter‹ Prokofjew Klavierkonzert Nr. 1 Des-Dur Schostakowitsch Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur Prokofjew ›Skythische Suite‹ Tugan Sokhiev Boris Berezovsky Klavier Kammerkonzert Gubaidulina, Ligeti, Lutosławski, Schnittke Streichquartett des DSO mit SouJin Anjou Klavier Plate ›At the River‹ Ives Largo für Violine und Orchester, bearbeitet von Anton Plate Bartók Violinkonzert Nr. 1 op. posth. Strauss ›Eine Alpensymphonie‹ Kent Nagano Bernhard Hartog Violine

Im Rahmen der beliebten Reihe ›Musik für Laien und Liebhaber‹ an der Universität der Künste Berlin bietet Habakuk Traber im Wintersemester sieben Seminar-Veranstaltungen über Johannes Brahms an. Dem DSO-Publikum ist der Autor und Musikwissenschaftler nicht zuletzt durch seine fundierten Programmhefttexte und seine anschaulichen und kenntnisreichen Konzerteinführungen seit vielen Jahren ein Begriff. Ziel des Kurses ist es, die Hörerfahrung mit der Musik von Brahms zu vertiefen, u. a. durch Interpretationsvergleiche, durch Verbindungen zwischen Werken verschiedener Gattungen und durch Informationen zur Entstehungsund Wirkungsgeschichte. Zu den Themen gehören etwa: ›Der Weg zur Vierten Symphonie. Exemplarische Stationen außerhalb des symphonischen Schaffens‹ oder ›Das ›Deutsche Requiem‹ im Kontext mit anderen Werken‹. Termine: Freitag, jeweils 13 bis 17 Uhr: 25.10. | 01., 08., 22. und 29.11. 13.12.2013 | 17.01.2014 Universität der Künste, Gebäude Fasanenstraße, Raum 322

Kammerkonzert ›Notturno‹ Delalande, Händel, Koetsier, Ropartz, Schmidt, Siebert Blechbläserquintett des DSO mit Elsie Bedleem Harfe

Anmeldung: Universität der Künste Berlin Berlin Career College | Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW) Bundesallee 1–12 | 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel 030. 31 85 22 39 ziw@udk-berlin.de

Schnittke ›(K)ein Sommernachtstraum‹ Beethoven Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur Dvořák Symphonie Nr. 9 e-Moll ›Aus der Neuen Welt‹ Manfred Honeck Leif Ove Andsnes Klavier

Kursgebühr: 92 € (7 Veranstaltungen)

K arten, Abos und Beratung Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Besucherservice Charlottenstraße 56 | 2. OG 10117 Berlin | Am Gendarmenmarkt Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 – 18 Uhr Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29 tickets@dso-berlin.de

Konzerteinführungen Zu allen Symphoniekonzerten in der Philharmonie — mit Ausnahme der Casual Concerts — findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Habakuk Traber statt.

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Impressum Deutsches Symphonie-Orchester Berlin in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin im rbb-Fernsehzentrum Masurenallee 16 – 20 | 14057 Berlin Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539 dso-berlin.de | info@dso-berlin.de

DAS VOLLE PROGRAMM Szene

Der perfekte Ein- oder Ausklang ist 3 Minuten von der Philharmonie entfernt. QIU Lounge im The Mandala Hotel am Potsdamer Platz Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00

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7. + 8. September 2013 9 bis 18 Uhr www.berliner-staudenmarkt.de

Orchesterdirektor Alexander Steinbeis (V. i. S. d. P.) Orchestermanager Sebastian König Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Paolo Ollig Branding | Marketing Jutta Obrowski Abbildungen | Fotos Frank Eidel (S. 1 + 3), DSO (S. 2 links + 5 rechts + 7 oben), bpk | Reinhard Friedrich (S. 2 Mitte), Marco Borggreve (S. 2 rechts), David Crookes | Warner Classics (S. 4 oben), Dorothee Mahnkopf (Grafik S. 4 unten), Pavel Kozhevnikov | Irina Podushko (S. 5 links), Özgür Albayrak (S. 6 oben), Rosa Frank (S. 6 unten), Kai Bienert (S. 7 unten) Art- und Fotodirektion .HENKELHIEDL Redaktionsschluss 15.08.2013 Änderungen vorbehalten © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2013 Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre Gmbh Berlin. Geschäftsführer Thomas Kipp Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk BerlinBrandenburg


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