DSO-Nachrichten 09/10 2018

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RÄUME ERKUNDEN, PERSPEKTIVEN ÖFFNEN Robin Ticciati über seine zweite Saison → S. 3 Liebestod der besonderen Art Saisonauftakt beim Musikfest Berlin → S. 5

Robin Ticciati Chefdirigent

DSO-Nachrichten 09 | 10 2018

Musikalische Traumwelten Robin Ticciati und Leonidas Kavakos → S. 7

DSO-Nachrichten 09 | 10 2018

Symphonic Mob Berlins größtes Spontanorchester → S. 2


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

»Es gibt keine DebussySchule. Ich habe keine Schüler. Ich bin ich.« »Ich revolutioniere nichts, ich demoliere nichts. Ich gehe ruhig meinen Weg und mache, anders als die Revolutionäre, keinerlei Propaganda für meine Ideen. Ich bin auch kein Wagner-Gegner. Wagner ist ein Genie, doch auch ein Genie kann sich irren. Wagner verkündet das Gesetz der Harmonie, ich bin für die Freiheit. Die wahre Freiheit kommt von der Natur. Alle Geräusche, die Sie um sich herum hören, lassen sich in Töne fassen. Man kann musikalisch alles ausdrücken, was ein feines Ohr im Rhythmus der Welt wahrnimmt, die es umgibt. Gewisse Leute wollen sich zuallererst nach Regeln richten. Ich für meinen Teil will nur das wiedergeben, was ich höre. Es gibt keine Debussy-Schule. Ich habe keine Schüler. Ich bin ich. [...] Schauen Sie, wie man sich täuschen kann. Die einen sehen in mir den melancholischen Nordfranzosen. Andere den Repräsentanten des Midi, der Provence, Daudets, tirili, tirila! Dabei stamme ich ganz einfach aus St-Germain, eine halbe Stunde von Paris entfernt.«

Debussy

Claude Debussy in einem Interview, 1910 Bild: Der Komponist am Strand von Houlgate (Normandie), 1911 Der Musik Claude Debussys, dessen Todestag sich 2018 zum 100. Mal jährt, ist eine von mehreren Programmlinien der DSO-Saison 2018 | 2019 gewidmet. Mehr hierzu lesen Sie auf S. 3 + 5 + 7.

Kammerkonzerte im September und Oktober

Kurzmeldungen

»Ihr spielt die Musik« – ›Symphonic Mob‹ am 23.09. Das DSO lädt zum Musizieren, und alle dürfen mitmachen – egal ob sie in Laienorchestern oder Big Bands spielen, Blas- oder Kammermusik machen oder in Chören singen. Mit diesem einfachen, aber überzeugenden Rezept konnte der ›Symphonic Mob‹ in den letzten beiden Jahren jeweils gut 1000 Musikbegeisterte zum Mitmachen animieren. Zum nunmehr fünften Mal entsteht am 23. September Berlins größtes Spontanorchester aus Mitgliedern des DSO und Laien aller Altersstufen – erstmals auch gemeinsam mit dem Rundfunkchor Berlin. Auf der Piazza der Mall of Berlin dirigiert Chefdirigent Robin Ticciati Auszüge aus Griegs ›Peer Gynt‹-Suite Nr. 1, aus Elgars ›Enigma-Variationen‹ und Opernchöre von Verdi. Um die Mitmachhürden niedrig zu halten, gibt es wie gewohnt zusätzlich zu den Originalnoten auch vereinfachte Stimmen zum Download, und gemeinsame Proben im Vorfeld sorgen für den Feinschliff.

23. September 14 Uhr Probe | 15.30 Uhr Konzert Mall of Berlin am Leipziger Platz Eintritt und Mitwirkung frei, Downloads und Anmeldung unter symphonic-mob.de

Mit Raritäten zweier Opernkomponisten eröffnet das Ensemble ›16 Strings‹ – bestehend aus den Geigerinnen Ksenija Zečević und Marija Mücke, dem Bratscher Viktor Bátki und der Cellistin Claudia Benker-Schreiber – die Kammermusiksaison am 28. September in der Villa Elisabeth: Dem Streichquartett in A-Dur, mit dem der 17-jährige Richard Strauss erste Erfolge feierte, und dem Ersten Streichquartett Gottfried von Einems, der sich erst mit 58 Jahren der Gattung zuwandte. Zu einer ›Zeitreise Oper‹ laden die Trompeter Falk Maertens und Raphael Mentzen (siehe S. 7), der Hornist Antonio Adriani, der Posaunist Andreas Klein und der Tubist Johannes Lipp am 14. Oktober in den Heimathafen Neukölln ein. Als Blechbläserquintett des DSO werfen sie mit Orpheus-Musiken von Gluck und Monteverdi, Ouvertüren von Mozart und Rossini, Auszügen aus Weills ›Dreigroschenoper‹ und Bernsteins ›West Side Story‹ Schlaglichter auf 350 Jahre Musiktheatergeschichte. Mehr unter dso-berlin.de/kammermusik

Fr 28. September 20.30 Uhr Villa Elisabeth

So 14. Oktober 17 Uhr Heimathafen Neukölln

Karten zu 18 € | 10 € ermäßigt | AboPlus-Preis 15 €

Gastspiele in Hamburg und Antwerpen im September Nachdem sich Robin Ticciati als neuer Chefdirigent des DSO bestens in Berlin eingeführt hat, geht er im Herbst mit seinem Orchester nun erstmals auch auf Tournee. Konzerte in Lugano, Friedrichshafen, Köln, Eindhoven, Ludwigshafen und Lyon stehen im November auf dem Reiseprogramm. Einen Prolog gibt es aber schon zwei Wochen vor dem Berliner Saisonauftakt: Am 4. September sind das DSO und Ticciati – bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr – in der Hamburger Elbphilharmonie zu erleben, am 9. September dann im Koningin Elisabethzaal im belgischen Antwerpen. Mit im Gepäck haben sie zwei Werke, die zu den populärsten des Repertoires zählen und doch immer wieder zu neuen Entdeckungen einladen: Antonín Dvořáks Neunte Symphonie – entstanden während eines zweieinhalbjährigen Amerika-Aufenthaltes, als der Komponist dem »Geist« der Musik der Neuen Welt eine eigene, tönende Gestalt verlieh – und Beethovens Violinkonzert. Solistin ist die norwegische Ausnahmegeigerin Vilde Frang, die zuletzt im Februar 2016 das DSO-Publikum mit Korngolds spätromantischem Violinkonzert begeisterte. Beide Gastspielkonzerte sind bereits ausverkauft. Weitere Informationen unter dso-berlin.de/gastspiele


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Räume erkunden, Perspektiven öffnen Robin Ticciati zu seiner zweiten Saison an der Spitze des DSO

nunzios Sprechtexten enthält, besser geeignet als die »Symphonischen Fragmente«, die nur die orchestralen Abschnitte berücksichtigen; so treten die inhaltlichen Bezüge und Antriebskräfte der Musik deutlicher hervor. Mit dem zweiten Schwerpunkt begeben Sie sich auf vollkommen anderes Gebiet. Ist das Festival, das Sie im Februar 2019 Brahms und seinen vier Symphonien widmen, der Gegenpol zu Debussy? Ja und nein. Brahms vertrat ohne Frage eine ganz andere Ästhetik als Debussy. Aber wir gehen unseren Brahms-Schwerpunkt aus einer Perspektive an, für die vor allem Debussy die Sensibilität schärfte: aus der Perspektive des Klangs. Wir tun dies auf zweierlei Art – einmal im Bewusstsein, dass Brahms und seine ersten Interpreten die Symphonien mit unterschiedlich großen Orchestern aufführten. Was ist das also, der Brahms-Klang? Wir gehen dieser Frage unter anderem dadurch nach, dass wir die Erste Symphonie in der Besetzung der Meininger Hofkapelle aufführen, der Brahms über viele Jahre eng verbunden war, die Vierte dagegen in großer Besetzung, wie sie sich Hans von Bülow seinerzeit wünschte. Zum zweiten entwickeln wir drei der Programme aus einem homogenen, »puren« Klang heraus: das erste aus der Aura der menschlichen Stimme, dem Ideal des Gesanglichen; das zweite aus dem dunklen Klang des Violoncellos, den Brahms sehr schätzte; das vierte aus dem Klang des Klaviers, des Inbegriffs musikalischer Vergegenwärtigungs- und Suggestionskraft. Wir verbinden diesen Gesichtspunkt jeweils mit einer besonderen historischen Perspektive, die auf Brahms hinführt oder von ihm ausgeht.

In der Saison 2018 | 2019 fallen bei aller Vielfalt zwei konträre Zentren auf; sie verbinden sich mit den Namen Claude Debussy und Johannes Brahms. Mit Debussy eröffnen und beschließen Sie Ihre zweite DSO-Saison … ... mit Debussy und Wagner S. 5. Das spannungsvolle Verhältnis der beiden interessiert mich. Debussy war zunächst ein glühender Verehrer, dann ein ebenso erbitterter Gegner Wagners. Erst pilgerte er nach Bayreuth, sog die musikalischen Eindrücke in sich auf; wenig später polemisierte er heftig gegen den deutschen Musikdramatiker und dessen Anhänger. In ihrer Klangwelt, ihrem Klangsinn sind sich beide jedoch nahe. Mich reizt ihre Konfrontation am Beispiel von je zwei Meisterwerken, die Wesentliches über ihr musikdramatisches, symphonisch geschultes und Grenzen überschreitendes Denken verraten. ›Tristan‹ und ›Parsifal‹ gelten fraglos als Wagners zukunftsweisende Werke. Zu beiden schuf Debussy ein Pendant: ›Pelléas et Mélisande‹ als Entsprechung und Entgegnung auf ›Tristan‹, ›Le martyre de Saint Sébastian‹ als Antwort auf ›Parsifal‹. ›Pelléas‹ ist als Debussys Meisterstück auf dem Gebiet des Musiktheaters unumstritten, ›Le martyre‹ wird dagegen bis heute kontrovers beurteilt. Wie bewerten Sie das Stück? Ich will nicht vorab urteilen, sondern das wenig bekannte Werk und die Idee, die Debussy damit verband, zur Diskussion stellen. Dafür scheint mir eine Version, die auch die gesungenen Teile und Auszüge aus D’An-

Gedanken, die ihn im Umkreis des ›Parsifal‹ bewegten, fasste Wagner in seiner Schrift über ›Religion und Kunst‹ zusammen. Er setzte sich damals auch mit der Idee einer Symphonie neuen Typs auseinander. Beide Gedankenstränge finden sich in Ihrer Programmplanung wieder – etwa in der Aufführung von Berlioz’ Dramatischer Symphonie ›Roméo et Juliette‹ und in einer szenischen Einrichtung von Händels Oratorium ›Messias‹. Mit ›Roméo et Juliette‹ – zu hören am 9. November – antwortete Berlioz auf die Frage: Wie kann eine Symphonie nach Beethovens Neunter aussehen? Er folgt im großen Ganzen der symphonischen Form, entwickelt in Rezitativen, Soli und Chören das dramatische Element der Neunten weiter. Mit dem Schluss, der Grabszene, schuf er ein Gegenstück zu Beethovens Freudenfinale. Er brachte dazu eine spirituelle Dimension ein: Pater Laurentius wird zur Schlüsselfigur, indem er die verfeindeten Familien auf »das Buch der Vergebung« schwören lässt, ihre Fehde zu beenden. Hier wird die symphonische Idee zum Mittel, über die literarische Vorlage hinauszuweisen; hier kommen Dimensionen ins Spiel, die mit dem Religiösen zu tun haben – ganz unabhängig davon, ob man selbst einem Glauben anhängt oder nicht. Wenn Musik diese Dinge berührt, tut sie es so, dass jeder davon bewegt werden soll. So nähern wir uns am 15. Dezember auch Händels ›Messias‹. Ich will dieses Stück nicht einfach darbieten, ich will es erforschen. Händel komponierte keine lineare Erzählung, sondern eher eine Meditation über den Text, der aus den Evangelien inspiriert ist. Die Partitur enthält viel Tänzerisches, Dramatisches, sie ist von einer physisch-bildlichen Kraft, die ich mit dem von mir sehr geschätzten Regisseur Frederic Wake-Walker erfahrbar machen will. Wir werden die Philharmonie als Kathedrale der Möglichkeiten nutzen. Darauf freue ich mich in der zweiten Spielzeit mit meinem Orchester schon besonders. Die Fragen stellte HABAKUK TRABER. Alle Konzerte mit Robin Ticciati finden Sie unter dso-berlin.de/ticciati, Informationen zum Festival ›Brahms-Perspektiven‹ im Februar 2019 unter dso-berlin.de/brahms.

Robin Ticciati

»Zwei konträre Zentren …«

»… und die spirituelle Dimension der Musik«

Im Gespräch

Maestro, Sie gehen in Ihre zweite Saison als Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des DSO. Was wird neu, worauf bauen Sie auf? Ich bin glücklich über das, was wir in der vergangenen Saison bewegen konnten. Sie war als Kaleidoskop programmatischer Ideen und Farben konzipiert. Bewusst haben wir heterogene Programmakzente gesetzt, verschiedene Programmkonzeptionen erprobt und unterschiedliche Arten erkundet, Musik des 21. Jahrhunderts mit Werken aus einer 500-jährigen Tradition miteinander zu verzahnen; wir haben versucht, die besonderen Möglichkeiten der Berliner Philharmonie für räumlich-szenische Arrangements zu nutzen. In der kommenden Spielzeit möchte ich die gewonnenen Ansätze vertiefen und weitere Perspektiven für die nächsten Jahre eröffnen.


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Eine Welt aufbauen Kent Nagano mit Mahlers Neunter am 21.10. Gustav Mahlers großartige wie auch erschütternde Neunte Symphonie wird nur allzu gern als ein Werk des Abschieds gedeutet: als ein persönlicher im Angesicht des antizipierten Todes, und von einer Welt, die im Zerfall begriffen ist. Als sich Mahler im Dezember 1907 auf den Weg nach New York begab, verband sich mit diesem Abschied vor allem die Abkehr vom Wiener Ballast und die Hoffnung auf einen Neuanfang. Zwei Jahre später schrieb er seine Neunte und schien von Resignation und Lebensüberdruss wieder weit entfernt zu sein. Zwischen Alter und Neuer Welt Das Jahr 1907 ist als Mahlers Krisenjahr in die Musikhistorie eingegangen. Den Schicksalsschlägen vom Tod der Tochter Maria und der anschließenden Diagnose eines Herzklappenfehlers ging die Aufgabe des Direktionspostens der Wiener Hofoper voraus. In New York zeigte er sich nun nicht nur für das deutsche Repertoire an der Metropolitan Opera verantwortlich, sondern er übernahm auch die Leitung des New York Philharmonic. Sein Engagement war vorzüglich bezahlt und gewährleistete ihm vor allem mehr freie Zeit, um sich in den Sommermonaten dem Komponieren zu widmen. Und so entstand 1909 in der Abgeschiedenheit seines Komponierhäuschens bei Toblach in Südtirol in einem rauschhaften Schaffensprozess der Großteil seiner Neunten Symphonie. An der Schwelle zur Moderne Sie wurde ein Meisterwerk gewaltigen Ausmaßes. In der Ausreizung des tonalen Raums und der collagenhaften Disposition des Ma-

»Welt! Lebe wohl!« nur verstärkt wurde und im tatsächlichen Tod Mahlers am 18. Mai 1911 seine Bestätigung fand. Das Jahr 1907 hatte bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Und dennoch äußerten sich diese nicht in der Erwartung des Todes als vielmehr im existentiellen Bewusstsein: »Ich bin lebensdurstiger als je und finde die ›Gewohnheit des Daseins‹ süßer als je«, schrieb er 1909 an Bruno Walter. Im Angesicht der weltlichen Vergänglichkeit erhebt er jedoch nicht das »Individuum Mahler« zum Gegenstand seiner Symphonie, sondern das rein Menschliche in allgemeiner Gültigkeit. Sie befragt die Existenz und durchlebt sie von der Entstehung bis zum Zerfall. Im letzten vollendeten Werk erschloss Mahler für sich und die Zukunft neue Wege – »Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.« DANIEL KNAACK

terials steht die Symphonie an der Schwelle zur Moderne. Der anfängliche Schein traditioneller Werkgestalt wird mit Blick auf die verquere Satzfolge sogleich durchbrochen, indem die langsamen Ecksätze den Rahmen für zwei schnelle Binnensätze formen. Die Symphonie beginnt bruchstückhaft und nimmt nur zögerlich eine geordnete Gestalt an. Das Andante comodo lebt von seinem Dur-Moll-Dualismus. Beide Klangwelten durchlaufen einen mehrschichtigen Prozess von motivischer Durchdringung, der ständig eine Steigerung erfährt, um auf dem Höhepunkt wieder zu zerfallen. Instabilität und Zerrissenheit prägen die derben Mittelsätze,

in denen die traditionelle Satzgestalt von Tanz und Scherzo aufs Schärfste verfremdet wird. Im finalen Adagio verkehrt Mahler die symphonische Erwartung einer wirkungsvollen Apotheose ins Gegenteil: Das Werk verklingt in schier endloser Zeit bis zur vollständigen Auflösung der Musik.

Gustav Mahler Symphonie Nr. 9 KENT NAGANO So 21. Oktober 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

(K)ein Abschied Es fällt nicht schwer, diese Symphonie als Schwanengesang eines romanhaften Lebens zu deuten. Wirkung und Gestalt der Neunten verlockten schon Zeitgenossen zu einer autobiographischen Lesart – ein Eindruck, der durch Eintragungen im Partiturentwurf wie

West Side Story

Kinderkonzert | Nagano

Kulturradio-Kinderkonzert am 07.10. New York City! Dahin geht’s im ersten Kulturradio-Kinderkonzert der neuen Spielzeit. In die Stadt mit den vielen Wolkenkratzern, in der Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenleben, Menschen mit unterschiedlichen Gewohnheiten, Sprachen und Hautfarben. Die USA waren immer ein Land der Einwanderer. Kaum ein Amerikaner, dessen Familie nicht irgendwann aus Europa, Asien oder Afrika ins »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« gekommen ist, um dort, in der »Neuen Welt«, ihr Glück zu versuchen. »There’s a place for us« Im berühmten Musical ›West Side Story‹ des amerikanischen Komponisten Leonard Bernstein aus dem Jahr 1957 wird die Liebesgeschichte von Tony und Maria erzählt. Das Problem: Sie gehören zu zwei verfeindeten Jugendgangs – den ›Jets‹ und den ›Sharks‹. Die ›Jets‹ sind in New York geboren, auch wenn ihre Eltern oder Großeltern natürlich auch irgendwann mal eingewandert sind. Die Jugendlichen in dieser Gang halten sich für cool und modern. Die ›Sharks‹ sind ursprünglich aus Puerto Rico gekommen, aus der Karibik. Zwischen beiden Gruppen gibt es immer wieder Streit. Ob Maria und Tony mit ihrer Liebe diesen Streit überwinden können? »There’s a place for us, / Somewhere a place for us ...«, so singen sie voller Hoffnung. »Es gibt einen Ort, / Irgendwo einen Ort, / Frei von Kummer und von Gewalt / Zeigt er sich schon bald. / Es kommt eine Zeit, / Irgendwann eine Zeit, / In der niemand die Fäuste ballt.«

Leonard Bernstein wurde vor 100 Jahren in den USA geboren. Auch er stammt aus einer Familie von Einwanderern, die aus der Ukraine in die USA gezogen waren. Bernstein wurde einer der größten Musiker des 20. Jahrhunderts. Er komponierte, dirigierte, spielte fabelhaft Klavier, und 1958, also vor genau 60 Jahren, übernahm er die Reihe ›Young People’s Concerts‹ – Konzerte für junge Leute, die in den ganzen USA im Fernsehen gezeigt wurden. »Lenny«, wie Bernstein von seinen Freunden liebevoll genannt wurde, lag das am Herzen, was wir heute in den Kulturradio-Kinderkonzerten auch machen: Kinder für Klassik begeistern. Darum eröffnen wir die Saison 2018 | 2019 mit seiner Musik. Mitreißende Rhythmen Die Symphonischen Tänze aus der ›West Side Story‹ enthalten das Beste aus dem Musical. Leonard Bernstein erzählt uns von den Gefühlen und Unterschieden der beiden Gangs in seiner Musik. Coole, jazzige Klänge für die ›Jets‹, karibische Rhythmen für die ›Sharks‹. »Lennys« mitreißende Musik könnt ihr am 7. Oktober erleben, mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung des jungen tschechischen Dirigenten Jiří Rožeň. Natürlich gibt’s vor dem Konzert wieder das ›Open House‹, wo ihr alle Instrumente eines Orchesters ausprobieren könnt. CHRISTIAN SCHRUFF

Kinderkonzert ›West Side Story‹ Leonard Bernstein Symphonische Tänze aus dem Musical ›West Side Story‹ JIŘÍ ROŽEŇ Christian Schruff Moderation So 7. Oktober 12 Uhr Konzert | ab 10.30 Uhr Open House Haus des Rundfunks, Großer Sendesaal Für Kinder ab 6 Jahren Karten zu 4 € | Erwachsene 12 €


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Liebestod der besonderen Art Saisonauftakt beim Musikfest Berlin am 16.09.

PULTNOTIZ: Raphael Mentzen, Trompeter des DSO Raphael Mentzen begann als Neunjähriger mit dem Trompetenspiel. Nach Unterricht bei Hans Schlimgen und Adam Bauer studierte er ab 1990 bei Konradin Groth an der Hochschule der Künste in Berlin und bestand dort das Konzertexamen mit Auszeichnung. Er war Mitglied des Bundesjugendorchesters, des Schleswig-Holstein Festival Orchesters und des Gustav Mahler Jugendorchesters sowie Gründungsmitglied des Blechbläserensembles ›brass partout‹. Nach Engagements an der Deutschen Oper Berlin und im Münchner Rundfunkorchester ist er seit September 2000 Trompeter im DSO. Seit 2017 unterrichtet er an der UdK Berlin. Mit dem Blechbläserquintett kann man ihn im Kammerkonzert am 14. Oktober erleben S. 2.

Zwischen Kantate, Oper und Ballett Wenn Robin Ticciati mit dem DSO und dem Rundfunkchor Berlin Auszüge aus Wagners ›Parsifal‹, zur Suite zusammengestellt von Claudio Abbado, mit Debussys ›Le martyre de Saint Sébastien‹ konfrontiert, überraschen jedoch einige Parallelen. ›Parsifal‹ war die einzige Wagner-Oper, die Debussy noch gelten ließ, was aufgrund einer allgemeinen Kritik gerade an diesem Spätwerk als »weniger kühn« oder »altersmüde« erstaunen kann. An seinem ›Leiden des Heiligen Sebastian‹, 1911 entstanden, verwundert allein schon der Umfang – fünf Stunden hatte der Textdichter Gabriele D’Annunzio ursprünglich für sein »Mysterium in fünf Akten« vorgesehen. Die Rolle des Heiligen Sebastian sollte die Tänzerin Ida Rubinstein übernehmen, Star von Sergei Diaghilews ›Ballets Russes‹. Doch die Verkörperung des Märtyrers durch eine leichtbekleidete Frau – auch noch von jüdisch-russischer Herkunft – erzürnte den Erzbischof von Paris, der nach der skandalösen Premiere allen Katholiken den Besuch weiterer Aufführungen verbot. Seitdem wurde das Werk – problematisch auch durch seine Zwitterstellung zwischen Kantate, Oper und Ballett – höchst selten aufgeführt, meistens rein instrumental als »Symphonische Fragmente« in einer Fassung von Désiré-Émile Inghelbrecht. Wie im Drogenrausch Im DSO-Konzert anlässlich des Musikfests Berlin wird die gesamte, gut einstündige Bühnenmusik Debussys zu hören sein, die auch die Sprechrolle des Heiligen enthält. Dass sie – wie allgemein üblich – mit einer Frau besetzt wird, betont den androgynen Charakter der Hauptfigur und ist vielleicht ein letzter Tribut an die ursprüngliche Idee der Darstellung durch eine Tänzerin. Sebastian gehörte der Leibwache

des römischen Kaisers Diokletian an; sein Bekenntnis zum Christentum brachte ihm das Todesurteil ein, kurz bevor sein Glaube zur Staatsreligion erklärt wurde. Bildliche Darstellungen seit dem 5. Jahrhundert zeigen ihn als Kriegshelden mit Speer und Rüstung, später seinen von Wunden bedeckten Körper. Stets galt er auch als Abbild männlicher, adonisähnlicher Schönheit, etwa in einem Gemälde von Antonello da Messina um 1478, das den nur mit einem Lendenschurz bekleideten, von vier Pfeilen durchbohrten Jüngling mit meditativ entrücktem Gesichtsausdruck zeigt – Projektionsfläche auch für homoerotische Fantasien. Auch in D’Annunzios Text ist stets von der wahren Liebe im Tod die Rede, das Leiden gebiert unfassbare Erkenntnisse und strahlende Lichtvisionen, fast wie im Drogenrausch, und das unablässige »encore«, wenn zum Schluss die Pfeile schwirren, lässt eher an einen Liebesakt als an eine Hinrichtung denken. Debussy, der sich als Pantheisten, als Anbeter der »geheimnisvollen Natur« empfand, reizte das »Ketzerische« seiner Textvorlage. In der Figur des Sebastian schwebte ihm eine Verbindung von Jesus- und Adonis-Kult vor. Christusähnliche Züge trägt auch Amfortas im ›Parsifal‹; auch hier geht es um »reine«, körperlose Liebe. Beide Werke verbindet ferner die Einbeziehung älterer Formen, etwa in den Schlusschören im strengen Palestrina-Stil – »Erlösung dem Erlöser« singend. Während dies den Zeitgenossen als »nicht progressiv« galt, schätzt man heute gerade die Entwicklung des Neuen aus der Reflexion der Vergangenheit. ISABEL HERZFELD

Musikfest Berlin 2018 Richard Wagner Suite aus der Oper ›Parsifal‹ für Chor und Orchester, zusammengestellt von Claudio Abbado Claude Debussy ›Le martyre de Saint Sébastien‹ – Bühnenmusik zum Mysterium von Gabriele D’Annunzio für Soli, Sprecherin, Chor und Orchester ROBIN TICCIATI Erin Morley Sopran Anna Stéphany Mezzosopran Katharina Magiera Alt Dame Felicity Lott Sprecherin Rundfunkchor Berlin Michael Alber So 16. September 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

In Kooperation mit In Zusammenarbeit mit dem Rundfunkchor Berlin

Ich bin Trompeter geworden, weil … mein Vater meinte, eine Tuba wäre zu groß! Wäre ich nicht Trompeter geworden, wäre ich heute … vielleicht Physiker, Tonmeister oder Grundschullehrer. Als ich zum ersten Mal auf einer Bühne stand, … habe ich, soweit ich mich erinnere, ›Amazing Grace‹ im Kirmeszelt gespielt. Lampenfieber ist … im Übermaß höchst unangenehm, aber in der richtigen Dosierung für ein tolles Konzerterlebnis unabdingbar. Ein Leben ohne Musik … wäre wie ein Haus, in dem eine Zimmertür verschlossen bleibt. Das DSO ist für mich … eine angenehme, inspirierende Gemeinschaft, in der ich mich respektiert fühle. Wenn ich eine Zeitreise unternehmen könnte, würde ich ... gerne an einer Uraufführung eines Werks von Bach, Strauss oder Ravel teilnehmen. Wenn ich nicht Trompete spiele, ... hätte ich gerne noch mehr Zeit für meine Familie und für Reisen. Welche Tempobezeichnung entspricht am ehesten meinem Temperament? Mit Ruhe und Kraft – jedenfalls meistens ...

Pultnotiz | Robin Ticciati

Begegnet sind sie sich nie, der große Opernmeister Richard Wagner und sein 21 Jahre jüngerer Kollege aus Frankreich, dem als vollgültiges Bühnenwerk nur ›Pelléas et Mélisande‹ zugestanden wird. Fünf Jahre nach Wagners Tod fuhr Claude Debussy zum ersten Mal nach Bayreuth, zeigte sich begeistert von der Harmonik des ›Tristan‹. Später spottete er über »diese Leute mit ihren Helmen und Tierfellen«, die »niemals ohne ihr verdammtes Leitmotiv auftreten«, nicht ohne inmitten der Langeweile »Stellen von glühender Schönheit« aufzufinden. Da hatte er durch die Erfahrung mit der javanischen Gamelanmusik auf der Pariser Weltausstellung 1889 bereits seinen Weg jenseits der akademischen europäischen Kunstmusik gefunden. Statt drängender, nach Auflösung strebender Chromatik gab es nun mehrdeutig schwebende Harmonien, in sich kreisende, die Terz als Kennzeichen für Dur und Moll vermeidende Melodik und jene »clarté«, welche den antiromantischen Kurs kennzeichnete: Klarheit, Durchsichtigkeit, Leichtigkeit.


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Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Die Stars der Zukunft Debüt im Deutschlandfunk Kultur am 10.10.

Seit 1959 sind die Macher der Reihe ›Debüt im Deutschlandfunk Kultur‹ als musikalische »Trüffelschweine« unterwegs und durchpflügen die klassische Musikwelt nach jungen, aufregenden und vielversprechenden Talenten. Mit Erfolg – nicht wenige dieser Debütanten gehören heute zu den ganz Großen. Auch in der Saison 2018 | 2019 gibt es wieder zwei Mal die Gelegenheit, die spannendsten Newcomer der internationalen Musikszene an der Seite des DSO zu erleben.

Luisi und Zubin Mehta, und erwarb sich erste Meriten, etwa als Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper München. Mit dem Stadttheater folgte der nächste Schritt der klassischen Laufbahn – hier lernt man Flexibilität, Stressresistenz, vor allem aber das Repertoire in seiner ganzen Breite kennen. Seit September 2016 ist Marie Jacquot Erste Kapellmeisterin und stellvertretende Generalmusikdirektorin am Mainfranken Theater Würzburg und konnte mit der Einstudierung zahlreicher Opern, Operetten und Musicals ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Zudem macht sich die Stipendiatin des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates auch als Gastdirigentin einen Namen, kehrte etwa an die Münchner Staatsoper zurück. Für ihr Debüt beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin am 10. Oktober wählte sie französische Werke: Messiaens ›Les offrandes oubliées‹, die »Symphonische Meditation«, mit der der 22-Jährige erstmals als Orchesterkomponist reüssierte, und das kindlich-zauberhafte Klangmärchen von Ravels Suite ›Ma mère l’oye‹.

Marie Jacquot – Dirigentin Die ersten Schritte ans Pult unternahm die französische Dirigentin Marie Jacquot bereits mit vierzehn Jahren. Nach einem Posaunenstudium in Paris wandte sie sich endgültig dem Dirigieren zu, studierte in Wien und Weimar, absolvierte Meisterkurse, unter anderem bei Sir Simon Rattle, Fabio

Andrea Obiso – Violine Mit Prokofjews Erstem Violinkonzert präsentiert sich der italienische Geiger Andrea Obiso erstmalig dem Berliner Publikum. 1994 geboren, gab er sein Bühnendebüt bereits mit 13 Jahren und studierte dann bei Boris Belkin in Siena und Maastricht. Derzeit wird er von Aaron Rosand am Curtis

Institute of Music in Philadelphia unterrichtet. Im vergangenen Jahr gewann er den Ersten Preis beim Prix Ravel und den Zweiten Preis bei der renommierten Aram Khachaturian International Violin Competition, vor allem aber einen Zweiten Preis (ohne Vergabe des Ersten) und den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Auftragswerkes beim 66. ARD-Musikwettbewerb in München. Jay Campbell – Violoncello Der 1989 geborene US-Amerikaner Jay Campbell studierte bei Fred Sherry an der Juilliard School in New York. Der mit dem Avery Fisher Career Grant 2016 ausgezeichnete Musiker pflegt ein reiches Repertoire als Solist und Kammermusiker. Als engagierter Verfechter zeitgenössischer Musik hat er mit Künstlern wie Elliott Carter und Pierre Boulez ebenso zusammengearbeitet wie mit Mitgliedern der Bands ›Radiohead‹ und ›Einstürzende Neubauten‹ oder dem Komponisten und Saxophonisten John Zorn, der fast ein Dutzend Werke für ihn schrieb. Sein DSO-Debüt gibt er mit dem Cellokonzert von Witold Lutosławski. CHRISTOPH EVERSMEYER

Debüt im Deutschlandfunk Kultur Olivier Messiaen ›Les offrandes oubliées‹ Sergei Prokofjew Violinkonzert Nr. 1 D-Dur Witold Lutosławski Violoncellokonzert Maurice Ravel Suite ›Ma mère l’oye‹ MARIE JACQUOT Andrea Obiso Violine Jay Campbell Violoncello Mi 10. Oktober 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 12 € bis 32 € | AboPlus-Preis ab 10 €

Der Barockmagier

Koopman | Jacquot

Ton Koopman und Jean-Guihen Queyras am 03.10. Dieser Mann ist ein Phänomen: Als Cembalist, Organist, Ensembleleiter, Dirigent, aber auch als Musikforscher und Hochschullehrer zählt Ton Koopman seit einem halben Jahrhundert zu den Protagonisten der Alten Musik. Bereits im Alter von 25 Jahren gründete der Niederländer 1969 sein erstes Ensemble, das er ›Musica Antiqua Amsterdam‹ nannte. Als Schüler von Gustav Leonhardt legte er von Beginn an großen Wert auf historische Aufführungspraxis und gehörte – gemeinsam mit Jos van Immerseel, Philippe Herreweghe und den Kuijken-Brüdern – zu einer überaus kreativen Musikergeneration aus den Beneluxstaaten, die in den Siebzigerjahren für eine wegweisende Wiederbelebung der Alten Musik sorgte. Diese Erfolgsgeschichte setzte sich für Ton Koopman mit der Gründung des Amsterdam Baroque Orchestra & Choir fort. Mit diesen Ensembles ging er weltweit auf Tour und spielte unter anderem sämtliche Kantaten von Bach und Buxtehude ein. Aber auch als Tastenvirtuose ist Koopman rastlos unterwegs, vor allem wenn es darum geht, historische Instrumente neu zu entdecken. Trotz dieser Fokussierung auf die Alte Musik und seine Spezialensembles leitet Ton Koopman gern und häufig auch »moderne« Symphonieorchester. So verbindet ihn seit nun-

mehr 18 Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem DSO. In dieser Zeit wurden gemeinsam zahlreiche Kompositionen des 17. und 18. Jahrhunderts einstudiert. Ton Koopman hat damit ganz wesentlich zur Vertrautheit des Orchesters mit der historisch informierten Aufführungspraxis beigetragen. Von Bach zu Haydn Einen Tag nach seinem 74. Geburtstag präsentiert Ton Koopman mit dem DSO ein Konzertprogramm, das den direkten Weg von Bach zu Haydn aufzeigt. Am Beginn steht Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 1 C-Dur, die vermutlich in Köthen entstanden ist und später in Leipzig zum Standardrepertoire des Collegium musicum gehörte. Eine Generation später schuf Bachs zweitältester Sohn Carl Philipp Emanuel als preußischer Hofcembalist sein Cellokonzert A-Dur. Er wählte bereits einen wesentlich galanteren Ton als sein Vater und schlug somit eine neue musikalische Richtung ein. Zu ihrer ersten Aufführung kam die Komposi-

tion übrigens vermutlich gar nicht am Hof Friedrichs II., sondern in einem Konzert der »Musikübenden Gesellschaft«, einer bürgerlichen Vereinigung, die sich in Berlin zum regelmäßigen Musizieren traf. Nur wenig

Zeitreise durch drei Generationen Für den Solopart des Bach-Konzertes konnte mit Jean-Guihen Queyras ein außerordentlich vielseitiger Cellist gewonnen werden. Der Franzose spielt als Solist und in verschiedenen Kammermusikformationen ein weit gefächertes Repertoire und öffnet sich auch neuen Konzertformaten. Großen Wert legt Queyras auf authentische Aufführungspraxis, nicht nur bei Barockwerken, sondern auch bei Cellokonzerten aus Klassik und Romantik. Die Zusammenarbeit von Ton Koopman, Jean-Guihen Queyras und dem DSO verspricht somit eine ebenso spannende wie lebendige Zeitreise durch drei Musikergenerationen des 18. Jahrhunderts zu werden. BERNHARD SCHRAMMEK

später stieß der junge Joseph Haydn in Wien auf Kompositionen des »Berliner Bachs«, die ihn in ihrer Expressivität und Modernität sehr beeindruckten. Später schrieb er darüber: »Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke.« Haydns Symphonie Nr. 98 B-Dur entstand 1792 während seines ersten London-Aufenthaltes.

Johann Sebastian Bach Orchestersuite Nr. 1 C-Dur Carl Philipp Emanuel Bach Konzert für Violoncello, Streichorchester und Basso continuo A-Dur Joseph Haydn Symphonie Nr. 98 B-Dur TON KOOPMAN Jean-Guihen Queyras Violoncello Mi 3. Oktober 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 15 € bis 49 € | AboPlus-Preis ab 13 €


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Musikalische Traumwelten Robin Ticciati und Leonidas Kavakos am 24.09., Casual Concert am 25.09. Die Mythologie der Antike kennt den Faun als wüsten Gesellen mit einer Vorliebe für Rausch, Tanz und Flötenspiel. Gehörnt und bocksfüßig durchschweift er Wälder und Wiesen, hegt das Korn und hütet das Vieh, erschreckt die Menschen und stellt in lüsterner Absicht den Nymphen nach. Zudem hält er ausgiebig Mittagsschlaf. Und wehe, man stört ihn dabei; dann kann er sehr ungemütlich werden. Der Dichter Stéphane Mallarmé hat dem Nachmittag eines Fauns und jenem süßen Dämmerzustand zwischen träger Ermattung und bukolisch-erotischer Fantasie 1876 ein literarisches Denkmal gesetzt – und seinen Freund Claude Debussy zu einem Meisterwerk der Musikgeschichte inspiriert.

… und eine Nacht in 13 Träumen Auch für Lera Auerbach war der Traum Inspiration und Ausdrucksmittel bei der Entstehung ihres Vierten Violinkonzerts ›NYx: Fractured Dreams‹. Doch bei ihr regiert Nyx, die Göttin der Nacht, Mutter von Hypnos und Thanatos, von Schlaf und Tod, die den 13 musikalischen Traumfragmenten ihren Namen gab – und auch ein wenig New York, als »Stadt der Träumer, die allen ihre verletzlichsten Sehnsüchte und ihr ungeschütztes Selbst vorhält, ein schwarzer Spiegel, in dem alles möglich, aber doch um Haaresbreite unerreichbar ist«, wie die Komponistin schreibt. Für Lera Auerbach wurde die Stadt zur neuen Heimat, als sie Anfang der Neunzigerjahre als Jugendliche Sibirien verließ. Und auch sie kann der Nacht viel abgewinnen: »Ich bin am kreativsten in den dunklen Stunden, wenn die Welt verstummt. Bin ich nicht auf Reisen, sind meine Tage und Nächte umgekehrt; die Realität verschwimmt und die Stillen pulsieren, befeuern die Fantasie.« Für den Geiger Leonidas Kavakos hat sie das Konzert 2017 geschrieben, er wird am 24. September die Deutsche Erstaufführung spielen.

Kontrastfolie Bruckner Mit dem Schwerpunkt Debussy und der musikalischen Gegenwart in Gestalt Lera Auerbachs nimmt Robin Ticciati ganz bewusst zwei thematische Fäden auf, die sich durch seine zweite DSO-Saison ziehen. Der dritte ist die Symphonik Anton Bruckners, die ihn bereits seit seinem DSO-Debüt 2014 begleitet. Die Siebte, mit der der sechzigjährige Komponist 1884 seinen ersten wirklichen Erfolg verzeichnen konnte, setzt Ticciati als ästhetische Kontrastfolie gegen Debussys »Prélude«, das nur wenige Jahre später entstand. Am Abend darauf ist Bruckners

Casual Concert Siebte ein weiteres Mal zu erleben – 25.09. Di

nun im ersten Casual Concert der Saison. Robin Ticciati schlüpft hier erneut in die Rolle des moderierenden Musikvermittlers und erläutert das Werk aufschlussreich anhand von Klangbeispielen, bevor es in Gänze erklingt. Im Anschluss bietet die Casual Concert Lounge im Foyer der Philharmonie den perfekten Rahmen für einen entspannten Ausklang des Abends – begleitet von Johann Fanger am DJ-Pult und der Songwriterin J.Lamotta すずめ mit Band als Live Act, in deren Musik Jazz, Soul und Hip-Hop zu einem einzigartigen Sound verschmelzen.

Claude Debussy ›Prélude à l’après-midi d’une faune‹ Lera Auerbach Violinkonzert Nr. 4 ›NYx: Fractured Dreams‹ (Deutsche Erstaufführung) Anton Bruckner Symphonie Nr. 7 E-Dur ROBIN TICCIATI Leonidas Kavakos Violine Mo 24. September 20 Uhr | 18.55 Einführung Philharmonie Karten von 20 € bis 63 € | AboPlus-Preis ab 17 €

Casual Concert Anton Bruckner Symphonie Nr. 7 E-Dur ROBIN TICCIATI Di 25. September 20.30 Uhr Philharmonie Im Anschluss Casual Concert Lounge mit der J.Lamotta すずめ Group (Live Act) und Johann Fanger (DJ) Karten zu 20 € | 10 € ermäßigt AboPlus-Preis 17 € | freie Platzwahl

MAXIMILIAN RAUSCHER

Aimer et Mourir Die zweite CD des DSO mit Robin Ticciati erscheint am 07.09. Nach ihrem hochgelobten CD-Debüt vom vergangenen September, bei dem die Komponisten Debussy und Fauré im Fokus standen, widmen sich Robin Ticciati und das DSO auch auf ihrer zweiten gemeinsamen Einspielung dem Esprit der französischen Musik – mit Werken von Maurice Ravel und Henri Duparc, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden. Noch bevor er in ›La valse‹ die musikalische Auseinandersetzung mit dem Tanz ins Extrem trieb, erwies Ravel dem Wiener Walzer und Franz Schubert in seinen ›Valses nobles et sentimentales‹ von 1912 eine geistreiche, harmonisch vielschichtige Reverenz. Zur selben Zeit erlebte auch das Ballett ›Daphnis et Chloé‹ seine Premiere, ein farbenprächtiges Schäferspiel und »großes musikalisches Freskogemälde« (Ravel), das vor allem in Gestalt der zweiten Suite die Konzertsäle eroberte. Überbordendes Talent und menschliche Tragik verbinden sich in der Person von Henri Duparc. Mit ersten Liedern sorgte

der hochbegabte 20-Jährige in den 1870er-Jahren für Furore, doch nur wenige Werke hielten seiner Selbstkritik stand. Ein seelisches Leiden hemmte seine Schaffenskraft so sehr, dass er das Komponieren für ein Vierteljahrhundert aufgab. Erst spät, in den 1910er-Jahren, orchestrierte er einige seiner wunderbaren »Mélodies«, von denen vier – ›L’invitation au voyage‹, ›Chanson triste‹, ›Au pays où se fait la guerre‹ und ›Phidylé‹ – in der Interpretation der gefeierten tschechischen Mezzosopranistin Magdalena Kožená auf dieser CD zu hören sind. Auch das anmutige, ebenfalls in Jugendtagen entstandene Orchesternocturne ›Aux étoiles‹, das damals eine Überarbeitung erfuhr, ist auf der CD zu finden – und bietet die hervorragende Gelegenheit, diesen so wenig bekannten Komponisten neu zu entdecken. Die CD erscheint am 7. September bei Linn Records. Mehr unter dso-berlin.de/neuerscheinungen

Neuerscheinung | Robin Ticciati

Bukolischer Tagtraum … Von ursprünglich drei geplanten Teilen erblickte nur das gerade einmal zehn Minuten lange ›Prélude á l’après-midi d’un faune‹ das Licht der musikalischen Welt. Doch was für eine Musik! Das berühmte Flötenmotiv des Anfangs geht auf in einem Rausch aus Farben, einem hitzigen Flirren, sinnlichen Begehren, dem Klang gewordenen, impressionistischen Sommertraum. Zeigte sich bei der Uraufführung am 22. Dezember 1894 die Kritik noch skeptisch – das Publikum umso begeisterter –, so gilt das Stück heute als Schlüsselwerk der musikalischen Moderne. Und auch der Dichter schrieb nach der Uraufführung beglückt an Debussy: »Wunderbar! ist Ihre Illustration des ›Après-Midi d’un Faune‹, die keine Unstimmigkeit zu meinem Text zeigt, außer dass sie wahrhaftig in der Sehnsucht und im Leuchten noch weiter geht, mit Finesse, mit List und mit Pracht.«


Eine Publikation des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin | dso-berlin.de

Letzte Meldung: Neue Cello-CDs mit Daniel Müller-Schott und Maximilian Hornung

Konzerte September So 16.09. 20 Uhr Philharmonie

So 23.09. 15.30 Uhr Probe 14 Uhr Mall of Berlin

Mo 24.09. 20 Uhr Philharmonie

Musikfest Berlin 2018 Wagner Suite aus der Oper ›Parsifal‹ für Chor und Orchester, zusammengestellt von Claudio Abbado Debussy ›Le martyre de Saint Sébastien‹ – Bühnenmusik für Soli, Sprecherin, Chor und Orchester ROBIN TICCIATI Erin Morley Sopran Anna Stéphany Mezzosopran Katharina Magiera Alt Dame Felicity Lott Sprecherin Rundfunkchor Berlin

›Symphonic Mob‹ – Berlins größtes Spontanorchester mit Werken von Elgar, Grieg und Verdi ROBIN TICCIATI mit Musikenthusiasten jeden Alters, den Mitgliedern des DSO und des Rundfunkchors Berlin Mehr unter symphonic-mob.de

Debussy ›Prélude à l’après-midi d’une faune‹ Auerbach Violinkonzert Nr. 4 ›NYx: Fractured Dreams‹ (Deutsche Erstaufführung) Bruckner Symphonie Nr. 7 E-Dur ROBIN TICCIATI Leonidas Kavakos Violine

So 07.10. 12 Uhr Haus des Rundfunks

Kulturradio-Kinderkonzert Bernstein Symphonische Tänze aus ›West Side Story‹ JIŘÍ ROŽEŇ Christian Schruff Moderation

ab 10.30 Uhr

Open House

Mi 10.10. 20 Uhr Philharmonie

›Debüt im Deutschlandfunk Kultur‹ Messiaen ›Les offrandes oubliées‹ Prokofjew Violinkonzert Nr. 1 D-Dur Lutosławski Violoncellokonzert Ravel Suite ›Ma mère l’oye‹ MARIE JACQUOT Andrea Obiso Violine Jay Campbell Violoncello

So 14.10. 17 Uhr Heimathafen Neukölln

Kammerkonzert ›Zeitreise Oper‹ Bernstein, Monteverdi, Mozart u. a. ENSEMBLE DES DSO

So 21.10. 20 Uhr Philharmonie

Mahler Symphonie Nr. 9 KENT NAGANO

Mit Tschaikowskys ›Rokoko-Variationen‹ begeisterte der Cellist Daniel Müller-Schott im März 2017 das Berliner Publikum. Auf seiner neuesten CD, die er gemeinsam mit dem DSO und dem Dirigenten Aziz Shokhakimov einspielte, stehen sie am Anfang einer Reise durch das russische Repertoire für Violoncello und Orchester des 19. Jahrhunderts. Sie führt von Tschaikowskys Nocturne op. 19 und dem Pezzo capriccioso op. 62 über Glasunows Zwei Stücke op. 20 und das ›Chant du ménéstrel‹ op. 71 bis zur Serenade op. 37 von Rimsky-Korsakow. Erscheint am 12. Oktober bei ORFEO in Koproduktion mit Deutschlandfunk Kultur T R I P

T O

R U S S I A

TCHAIKOVSKY | GLASUNOV | RIMSKY-KORSAKOV

DANIEL MÜLLER-SCHOTT DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN

AZIZ SHOKHAKIMOV

Di 25.09. 20.30 Uhr Philharmonie

Casual Concert Bruckner Symphonie Nr. 7 E-Dur ROBIN TICCIATI

Im Anschluss

Casual Concert Lounge mit der J.Lamotta すずめ Group (Live Act) und Johann Fanger (DJ)

Fr 28.09 20.30 Uhr Villa Elisabeth

Kammerkonzert von Einem, Strauss ENSEMBLE DES DSO

Oktober Mi 03.10. 20 Uhr Philharmonie

J. S. Bach Orchestersuite Nr. 1 C-Dur C. Ph. E. Bach Konzert für Violoncello, Streichorchester und Basso continuo A-Dur Haydn Symphonie Nr. 98 B-Dur TON KOOPMAN Jean-Guihen Queyras Violoncello

November (Vorschau) Sa 03.11. So 04.11. 20 Uhr Philharmonie

Connesson ›Flammenschrift‹ (Deutsche Erstaufführung) Sibelius Violinkonzert d-Moll Strauss ›Eine Alpensymphonie‹ STÉPHANE DENÈVE Nikolaj Znaider Violine

Fr 09.11. 20 Uhr Philharmonie

Berlioz ›Roméo et Juliette‹ – Symphonie dramatique für Soli, Chor und Orchester ROBIN TICCIATI Julie Boulianne Mezzosopran Paul Appleby Tenor Alastair Miles Bass Rundfunkchor Berlin

Eine zweite Cello-CD präsentiert unter der Leitung von Andris Poga den Cellisten Maximilian Hornung und ist dem sowjetischen Repertoire gewidmet. Sie versammelt zwei hochexpressive Meisterwerke, die beide Mitte der 1960er-Jahre entstanden – das Zweite Cellokonzert von Schostakowitsch und das Zweite Cellokonzert des georgischen Komponisten Sulchan Zinzadse. Erscheint am 12. Oktober bei myrios classics

Kammerkonzerte Die ausführlichen Programme und Besetzungen finden Sie unter dso-berlin.de/kammermusik. Konzerteinführungen Zu allen Symphoniekonzerten in der Philharmonie – mit Ausnahme der Casual Concerts – findet jeweils 65 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Habakuk Traber statt. Die Einführung am 10.10. (Debüt) hält Dr. Albrecht Dümling.

Mehr unter dso-berlin.de/neuerscheinungen

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1. - 2. SEPT 2018 9 bis 18 Uhr

www.berliner-staudenmarkt.de

Der Perfekte Ein- oder Ausklang ist 3 Minuten von der Philharmonie entfernt.

QIU Lounge im the Mandala Hotel am Potsdamer Platz Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00 | www.qiu.de

KARTEN, ABOS UND BERATUNG Besucherservice des DSO in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Charlottenstraße 56 | 2. OG 10117 Berlin | Am Gendarmenmarkt Öffnungszeiten Mo bis Fr 9 –18 Uhr Tel 030. 20 29 87 11 | Fax 030. 20 29 87 29 tickets dso-berlin.de | dso-berlin.de IMPRESSUM Deutsches Symphonie-Orchester Berlin im rbb-Fernsehzentrum Masurenallee 16 –20 | 14057 Berlin Tel 030. 20 29 87 530 | Fax 030. 20 29 87 539 info@dso-berlin.de | dso-berlin.de Orchesterdirektor Alexander Steinbeis (V. i. S. d. P.) Orchestermanager Sebastian König Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Benjamin Dries Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries Redaktionelle Mitarbeit Pia Starke Marketing Tim Bartholomäus Abbildungen | Fotos Monica Menez (Titel, S. 5 links), Bibliothèque nationale de France (S. 2 oben), Kai Bienert (S. 2 links, S. 3), Susann Ziegler (S. 2 Mitte), Thies Raetzke (S. 2 rechts), Felix Broede (S. 4 oben), Dorothee Mahnkopf (Grafik S. 4 unten), Peter Adamik (S. 5 rechts), Oliver Topf (S. 6 oben), amcmusic (S. 6 unten), Marco Borggreve (S. 7 oben), Linn Records (S. 7 unten), ORFEO und myrios classics (S. 8) Art- und Fotodirektion Preuss und Preuss Satz peick kommunikationsdesign Redaktionsschluss 16.08.2018, Änderungen vorbehalten © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2018 Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin ist ein Ensemble der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin. Geschäftsführer Anselm Rose Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg


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