Dolomitenstadt - 03/2015 Leseprobe

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Fotos: Zlöbl

Adventmarkt in Lienz Lienzer Krampustage 3. Austria Skitourenfestival FIS Skiweltcup Damen Slalom und Riesenslalom Laserzlauf Kalser Skitourenwoche „Erste Spur in die Natur“ 42. Dolomitenlauf Sillianer Faschingsumzug 34. Deferegger Schwarzachlauf Kalser Skitourenwoche „Ruhige Spur in die Natur“

Osttirol Information, Tel. +43 (0)50 212 212, info@osttirol.com, www.osttirol.com

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VERANSTALTUNGSTIPPS 27.11.- 24.12.2015 3./5./6.12.2015 12./13.12.2015 28./29.12.2015 6.1.2016 6.-10.1.2016 22.-24.1.2016 9.2.2016 21.2.2016 12.-19.3.2016

heimweh

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TIEFSCHNEETAUCHEN IN OSTTIROL

Foto: Marmot

02 | 2015 DOLOMITENSTADT 03

Das Magazin für Lienz und die Region 03 | 2015

neuland schwerpunkt: menschen, die neue wege gehen

hart und weich

kühl im schrank

licht im labor

workout mit steffi

fesch im schloss

flusskrebse

liebherr

hella

crossfit

trachten


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eDITORIAL von gerhard pirkner

Liebe Leserin, geschätzter Leser, „Neuland“ steht auf unserer Titelseite und solches wollen wir gemeinsam mit Ihnen auch betreten. Die Guides, die uns durch dieses Neuland führen, stammen alle aus Osttirol. Etwa Harald Rätzsch, erfolgreicher Firmengründer und Technologieberater großer Konzerne, oder Markus Webhofer, dessen „Institute of Brand Logic“ einige der führenden europäischen Produkt- und Tourismusmarken mitgeprägt hat. Mit Innovatoren zu sprechen ist gut, die Zukunft mit eigenen Augen zu sehen ist noch besser. DOLOMITENSTADT traf im „Tageslicht-Labor“ von HELLA den Mann, der das Licht lenkt, bei Durst erfuhren wir, welches Zukunftspotenzial buchstäblich in der Tinte steckt und der größte Arbeitgeber des Bezirks, LiebherrHausgeräte Lienz, gewährte uns exklusive Einblicke in die Entwicklung von Kühlsystemen der Zukunft. Beim Marmeladen-Hersteller Unterweger gibt eine junge Frau den Weg in die Zukunft vor. Michaela Hysek-Unterweger tritt nicht einfach in die Fußstapfen ihres Vaters, sondern geht eigene Wege in einem hart umkämpften Markt.

Genau das versucht auch Stefanie Ortner. Das ehemalige „Weltcup-Girl“ und Dolomitenstadt-Model hat in Graz ein ungewöhnliches Fitnessstudio eröffnet. Sportredakteurin Klara Fuchs hat mit Steffi trainiert. Ob sich die beiden nach dem Workout eine Bohnensuppe gegönnt haben, bezweifle ich. Dabei kann man mit alten Bohnensorten agrarisches Neuland beackern. Beim Bühnholgungl in Bobojach sind wir auf den Geschmack

gekommen. Sie merken schon, es liegt wieder ein DOLOMITENSTADT-Magazin vor Ihnen, das nicht von journalistischen Wiederkäuern gemacht wurde, sondern von der neugierigsten Redaktion des Bezirks. Falls Sie das nicht glauben, lesen Sie den Beitrag über Geocaching. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen von DOLOMITENSTADT und – bleiben Sie neugierig! Es gibt so vieles zu entdecken.

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inhalt

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schlank Stefanie Ortner startet mit dem trendigen Crossfit-Training durch. Seite 76

LEBEN

wirtschaft

006 Hilfe für nepal

042 früchte im glas

Schüler finanzieren eine Schule

Generationswechsel bei Unterweger

008 eine frau packt zu

046 markenlogik

Maria Oberhauser

Markus Webhofer im Interview

012 harte schale, weicher kern

048 es werde tageslicht

Flusskrebse

Das HELLA-Labor

020 grenzenloser geschmack

052 das spezialitätenwerk

Culinaria Tirolensis

Besuch bei Liebherr Lienz

026 das fest der bohne

058 innovation braucht mobilität

Bühnholgungl in Bobojach

Harald Rätzsch im Interview

034 neue heimat bolivien

064 oberflächlich betrachtet

Sarah Kollnig berichtet

Durst betritt Neuland

036 schatzsuche 2.0

070 leben im fluss

Geocaching

Hans Mayer paddelt zu neuen Ufern


Sport 076 workout mit steffi Klara Fuchs beim Crossfit-Training

schlemmen

082 Pink Boogie für Mari Eine Studentin über den Wolken

Was passiert, wenn Spitzenköche aus Ost- und Südtirol miteinander kochen? Seite 20

kultur

sZENE/LIfestyle

084 das bedrohte paradies

108 anna zeichnet dialekt

Der Fotograf Heinrich Kühn

Neue Dolomitenstadt-Serie

092 fabelhafte welt

110 heimweh-party

Clemens Erlsbacher

Die Bilder vom Fest bei Durst

098 leichenschau ...

116 fesch im schloss

... mit Bernhard Aichner

Trachtenmode für den Herbst

104 trauermärsche

122 die besten tipps ...

„Nachklänge“ aus Innervillgraten

... aus dem cityguide-lienz.at

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text: gerhard pirkner /// fot0s: Expa/Hans Groder & geocaching.com

2015 /// leben /// geocaching


geocaching:

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schatzsuche 2.0 ob sie es glauben oder nicht – ganz osttirol ist voll von versteckten schätzen und wer sie finden will, braucht dazu nur viel neugier und ein smartphone.

Dolomitenstadt-Mitarbeiterin Evelin Gander ist auch Stadtführerin in Lienz und betreut den Cityguide-Lienz.at, ein digitales Branchenverzeichnis der Dolomitenstadt. Manchmal veranstaltet Evelin Führungen für Kinder und damit die Knirpse die Stadt als spannendes Abenteuer erleben und dabei auch noch allerhand lernen, baut sie diese Kinderführungen wie eine Schatzsuche auf. Evelin versteckt kurz vorher kleine „Schätze“, einen geheimnisvollen Brief, einen Schlüssel mit einer Botschaft und „stolpert zufällig“ mit ihren Schützlingen über diese Botschaften. So beginnt dann eine

Entdeckungsreise durch die Geschichte und Geografie von Lienz. Doch wie der Zufall so spielt, wurde die ortskundige Stadtführerin plötzlich selbst in eine Schatzsuche verwickelt. „Vor einiger Zeit rief der TVB Lienzer Dolomiten an, weil im Büro Leute nach einem Bild mit einer steinernen Schnecke auf dem Hauptplatz fragten. Ob ich wisse, wo diese Schnecke sei?“ Es stellte sich heraus, dass es „Geocacher“ waren. Gander holte Infos ein. „Es schien mir spannend, aber auch kompliziert.“ Die Zeit verging und heuer im Sommer stieß die Reiseleiterin neuerlich auf das Thema und zwar an völlig unerwarteter


2015 /// leben /// geocaching

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Den „Schneck“ findet man als Geocache auf dem Lienzer Hauptplatz. Mit Evelin Gander kann man auch auf klassische Schatzsuche gehen.

Stelle. Sie nahm an einem Anfängerkurs für Paddler mit Hans Mayer (Reportage auf Seite 70) teil. Im Team war auch eine deutsche Geocacherin. „Die hat mir unter einer Lienzer Brücke eine Dose gezeigt, die mit einem Magneten befestigt war! Ich fand das unglaublich spannend, weil ich ja selbst auch Schatzsuchen veranstalte.“ Das Thema ließ Evelin nicht mehr los. Sie googelte, entdeckte im Internet eine Welt von mehr oder weniger gut versteckten Schätzen und bekam Einblick in ein Hobby, dem rund um den Globus zigtausende Menschen verfallen sind. Geocaching lässt sich vereinfacht als eine Art moderne Schatzsuche mit GPS-Geräten beschreiben. Es gibt Leute (Geocacher), die irgendwo eine Dose mit


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Notizbuch (Logbuch) verstecken und die Koordinaten dieses Verstecks im Internet veröffentlichen. Andere Geocacher machen sich mit Hilfe dieser Koordinaten und einem GPS-Gerät bzw. einem GPS-fähigen Smartphone auf die Suche nach diesem Versteck und tragen sich vor Ort in das Logbuch mit Nickname und Funddatum ein. Danach wird der Cache bzw. die Dose wieder exakt an die gleiche Stelle zurückgelegt – für den nächsten Geocacher. Zu Hause wird der Fund im Internet mit Kommentar „geloggt“. Bei der Besprechung der Themen für dieses Magazin steckte Evelins Begeisterung die Dolomitenstadt-Redaktion an. Wir fragten uns, ob es noch mehr versteckte Schätze in unserer näheren Umgebung

gibt, loggten uns auf der Plattform www.geocaching.com ein und suchten nach „9900 Lienz“. Bumm. Das Ergebnis war auf den ersten Blick erstaunlich. 251 Treffer allein in der Dolomitenstadt. Es gibt in Osttirol unzählige versteckte Caches, zum Beispiel einen „Skiing Multicache“ auf dem Zettersfeld: Um Fragen zu beantworten, muss man quer durch das Schigebiet fahren. Es gibt einen „Schatz am Tristacher See“, einige Caches entlang des Zabarotsteiges zur Karlsbader Hütte und zum Hochstadelhaus. Die Lienzer Dolomiten und auch die „Sonnenwege“ am Fuß des Zettersfeldes sind voller Schätze mit Positionsangabe. Man kann sich aber auch zwischen Ainet und St. Johann auf die Suche nach einem Krokodil begeben.

Benni (rechts) ist Geocacher und hat seinen Freund Pascal schon überzeugt: Schatzsuche ist superspannend!


2015 /// leben /// geocaching

Ein Multicache (bestehend aus einer ganzen Reihe von Schätzen) führt lehrreich quer durch Obertilliach. Im Villgratental, in Kals, im hinteren Iseltal, bei den Jagdhausalmen, selbst am Prijakt und auf vielen anderen Gipfeln gibt es Dinge zu entdecken, die kein Wanderer oder Bergsteiger bewusst wahrnimmt, es sei denn, er oder sie ist Geocacher! Nun hatten wir zwar massenhaft – vorerst nur auf der Internet-Landkarte und nicht im richtigen Gelände – Schätze gefunden, aber wo waren deren teils geheimnisvolle „Verstecker“? Geocacher scheinen grundsätzlich einen Hang zum Geheimnisvollen zu haben oder jedenfalls einen ausgeprägten Spieltrieb, gepaart mit einer Menge kreativer Energie und Fantasie. Deshalb treten viele von ihnen mit Fantasienamen auf und lüften ihre Identität nur ungern. „Schistl“ zum Beispiel. Hinter diesem Pseudonym versteckt sich eine ganze Cacher-Familie mit „Osttiroler-Wurzeln“, wie wir erfahren. Tausende Schätze haben sie bereits gehoben und einige Dutzend platziert, darunter auch den mysteriösen „Schneck“ auf dem Lienzer Hauptplatz, der Evelin Gander und das Tourismusbüro beschäftigte.

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Oben ein professioneller „Riesencache“, unten Benni und Pascal bei ihrem Schatzversteck, das natürlich geheim ist.

Ein junger Schatzsucher traute sich dann doch vor die Kamera von Expa-Fotograf Hans Groder. Benni aus Kals, elf Jahre alt und Geocacher, seit vor einem Jahr ein Beitrag in der TV-Sendung Löwenzahn seine Neugier geweckt hat. Benni fand seinen ersten Cache bei der Kirche in Kals, gemeinsam mit seinem Cousin. Manchmal geht er allein auf die Suche, meistens aber mit seinem Papa, weil Caches oft an gefährlichen Stellen versteckt sind: „Einmal mussten wir sogar unter einen Wasserfall hinein und sind beide richtig nass geworden“, erzählt er. Ab und zu nimmt Benni Freunde mit, zum „Schmiere stehen“. Man sollte nämlich ganz unaufällig nach dem Cache suchen, damit die „Muggles“, die Unwissenden, es nicht bemerken und das Versteck sicher


Raffiniert! Ein Schraubencache mit Magnet. Perfektes Versteck für eine kleine Schatzkarte!

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bleibt. Bei Harry Potter sind Muggles Leute ohne magische Fähigkeiten, beim Geocaching sind es schlichtweg Ahnungslose. Findet Benni einen Cache, wird er geloggt, zuerst im Buch vor Ort und dann auf der Website, mit einer Anmerkung. Mindestens „TFTC“ (thanks for the cache) sollte man schreiben, aber jeder Cachebesitzer freut sich über mehr.

spannend. Die kann man um ein paar Euro erwerben und mit einem Auftrag auf die Reise schicken! Einen dieser „Geocoins“ fand er bereits in seinem Cache und hat sich besonders darüber gefreut. Der Coin hatte den Auftrag „travelling around the world“, war vor der Ankunft in Osttirol schon in Helsinki und ist schon wieder on Tour.

Inzwischen hat Benni einen eigenen Cache gelegt, in Kals, in einer Mauer zwischen zwei Häusern. „Mehr wird nicht verraten“, meint er, „die GPS-Koordinaten findet man ja auf der App.“ Benni hat extra eine größere Dose gewählt, damit ein Tauschgegenstand darin Platz hat.

Nun ist das Team von DOLOMITENSTADT schon von Berufs wegen neugierig und so beschloss die Redaktion spontan, diesem Thema auch in Zukunft nachzugehen. Im nächsten Heft bringen wir ein Interview mit dem Cachekollektiv „Schistl“. Wir möchten auch einen eigenen Schatz verstecken und unsere Leserinnen und Leser dazu einladen, ihn zu suchen!

Ein Spielzeugauto wartet auf den Finder, der einen gleichwertigen Gegenstand wieder hinein legen sollte. Ungefähr jede Woche schaut Benni bei seinem Cache nach dem Rechten und im Internet sieht er, ob jemand dort war. „Trackables“ findet der junge Kalser Schatzsucher besonders

Nachdem das DOLOMITENSTADT-Wintermagazin vor Weihnachten erscheint, wird dieser Schatz wohl ein weihnachtliches Überraschungspaket für Menschen sein, die neugierig sind, sich das Staunen

bewahrt haben und nicht aufhören, nach verborgenen Schätzen zu suchen! Leserinnen und Leser, die selbst Geocaches legen und suchen, laden wir ein, uns ihre Erfahrungen zu schildern. Wer weiß, vielleicht entdecken wir Osttirol gemeinsam von seiner bislang verborgensten Seite!

Was braucht man zum Geocaching? In jedem Fall ein GPS-Gerät oder ein GPSfähiges Smartphone. Alle Details, unzählige Tipps und das nötige Zubehör findet man unter: www.geocaching.com


text: gerhard pirkner /// fot0s: Miriam raneburger

2015 /// wirtschaft /// unterweger

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FRISCHE FRÜCHTE IM GLAS DER MARMELADENHERSTELLER UNTERWEGER IST EINE TRADITIONSFIRMA, DIE SICH SICHTBAR WANDELT. MICHAELA HYSEK-UNTERWEGER ERKLÄRT, WARUM.

Michaela Unterweger ist zierlich und quirlig. Und sie redet gern, eine Eigenschaft, die sie vermutlich von ihrem Vater geerbt hat. Paul Unterweger ist eine Ikone der Osttiroler Unternehmerlandschaft, ein geborener Verkäufer, wenn es um süße Früchte geht und ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Belange seiner Branche, der Lebensmittelindustrie. Die wird gerade in den letzten Jahren gebeutelt von Regulativen und Richtlinien, die aus einem simplen Glas Marillenmarmelade schon fast ein Apothekenprodukt machen, zumindest wenn man sich das Etikett ansieht. Das kann zur Herausforderung werden, wenn man, wie Unterweger, 90 verschiedene Marillenrezepturen verwendet. Der Familienbetrieb im Osttiroler Assling strahlt nach außen jene solide Tradition aus, die nur über Generationen wachsen kann. Wenn man den Berg hochfährt, wo die Produktionshallen schon etwas wenig Platz haben und die Firmenleitung in einem Gebäude sitzt, das äußerlich mehr Wohn- als Bürohaus ist, dann spürt man, hier werden schon lange Früchte gekocht. Seit 1931, um genau zu sein. Und hier wird diese Tradition gelebt, mit allen Sinnen, wenn man so will. Doch wenn man genauer hinsieht, dann regt sich im Traditionsbetrieb allerhand

Neues und das hat damit zu tun, dass Unterweger geschafft hat, woran viele vergleichbare Familienbetriebe schwer zu kauen haben: eine Übergabe in die dritte Generation und in eine neue Zeit, in der zwar die Marmelade noch immer süß, sonst aber fast nichts mehr so wie früher ist. Die Märkte sind rauer geworden, der Kampf der Marken um die guten Plätze im Regal der Handelsriesen und auf den Frühstücksbuffets der Hotellerie spitzt sich auf eine Frage zu: „Bin ich eine Marke?“ Für Unterweger lautet die Antwort ganz eindeutig ja und das hat auch mit Michaela Hysek-Unterweger zu tun, die das Unternehmen seit 2010 leitet. „Es war eigentlich nie geplant, dass ich einsteige“, erzählt die 35-jährige Unternehmerin. Nach der HAK-Matura ging sie ein Jahr nach Italien, arbeitete bei einem MedizintechnikKonzern, studierte in Wien Wirtschaft mit Schwerpunkt Außenhandel und Tourismus, landete schließlich in der Tourismusberatung, erst bei Edinger, später bei Conos, bekannten Namen in der Branche. „Da habe ich das Marketingbusiness gelernt und plötzlich hat sich herauskristallisiert, es könnte ein Thema sein, dass ich daheim einsteige.“ Doch in traditionellen Familienbetrieben wird nicht gehudelt. Es dauerte vier Jahre, bis der Übergang

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Oben die Tradition, links die Zukunft: Michaela Hysek-Unterweger mit ihren Söhnen Moritz und Nikolaus.

von einer zur nächsten Generation eingetütet war. Während dieser Zeit hatte die agile Beraterin allerhand Herausforderungen zu bewältigen: „Meine Chefs haben mich getrieben und gefordert. Ich musste schnell raus zum Kunden. Sie haben gesehen, ich gehe nicht unter“, erzählt die Mutter von zwei kleinen Jungs. „Du bist keine Angestellte, du denkst anders und funktionierst anders. Das kann man nicht lernen“, erklärte ihr ein Kollege und vielleicht gab das den Ausschlag. Trotz attraktiver Angebote in der Tourismuswirtschaft entschied sich die junge Frau für das Familienunternehmen und die Marmelade.


2015 /// wirtschaft /// unterweger

Nicht ohne klare Bedingungen zu stellen: „Das Unternehmen gehörte meinem Vater und seinem Cousin Christoph zu je 50 Prozent. Ich habe gesagt, ich will von dieser 50:50 Geschichte weg und eine klare Regelung.“ Also kaufte Hysek-Unterweger die Firmenhälfte von Christoph Unterweger und ihr Vater gab ihr ein Prozent dazu. Arithmetisch kann sie allein entscheiden, aber faktisch? Da kann es schon einmal knistern. „Wenn wir diskutieren, dann ist es gut, wenn man etwas mit Zahlen belegen kann. Dann ist schnell ausdiskutiert. Emotional wird es bei Geschmacksfragen, auch im Sinne von Marketing. Ist das Etikett schön oder nicht? Da wird auch gestritten.“ Hysek-Unterweger erinnert sich noch gut an den Tisch voller Gläser, als 2011 das Markendesign geändert werden sollte. Mehrere Designagenturen hatten präsentiert, die Entscheidung war nach langem Hin und Her gefallen, für ein beiges Etikett. „Eine Kollegin und ich wollten eigentlich die anderen Gläser schon wegräumen. Und plötzlich war uns klar: Das schaut aus drei Metern Entfernung alles gleich aus! Und es gibt genau ein Glas, das nicht so ausschaut, das mit dem transparenten Etikett. Ich bin zu meinem Vater gegangen und habe ihm das gesagt. Und er hat geantwortet: Du hast einen Vollvogel!“

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Oben die Produkte der „Tiroler Früchteküche“, darunter der Klassiker: UWE-Preiselbeeren.

Wer sich durchgesetzt hat, sieht man heute in den Regalen. „Damals hab ich intuitiv den richtigen Schritt gemacht, bin von der großen Linie weggegangen und ich habe vorgeschlagen, wir probieren es bei den Spezialitäten wie Hollersulze. Das tut niemandem weh. Das haben wir ein paar Großkunden gezeigt, zum Beispiel Rewe, und die haben gesagt : Wow! Das ist es, das ist was für die Jungen, das probieren wir aus. 2011 im Herbst haben wir die ersten Gläser präsentiert.“ Da war es nur konsequent, auch gleich über neue Produktschienen nachzudenken, moderne Lifestyle-Marmeladen, die sich Mostardas nennen und nicht einfach

mit der Buttersemmel liiert sind, sondern edle Käsekreationen begleiten, also etwas Pikantes an sich haben, das durch die poetischen Rezepturen noch verstärkt wird. Da gibt es zum Beispiel „PreiselbeerFeigen mit Gin“. Oder wie wäre es mit „Birnen-Quitten mit Trüffel“? So ein Glas steht nicht lange ungeöffnet auf der Frühstückstheke, zu verführerisch ist die Aussicht auf etwas, das die Zungenspitze so noch nie geschmeckt hat. Michaela Hysek-Unterweger entlockt das ein Schmunzeln. Marmelade ist nämlich prinzipiell eine einfache Sache. „Ein simpleres Produkt gibt es fast nicht.“ Umso wichtiger ist das Marketing, wobei nicht alles über Bord geworfen wurde, was Unterweger groß gemacht hat. Nicht nur auf dem Firmengebäude steht noch immer in Riesenlettern „UWE“. Die Urmarke existiert friedlich neben der jüngeren „Tiroler Früchteküche“ und hat ihre Heroes, wie die UWE-Preiselbeerdose mit 55 Prozent Frucht! „Die UWE Preiselbeerdose ist ein Verkaufsschlager, genauso das Apfelmus und der Zwetschkenröster. Das sind die UWEProdukte schlechthin“, lacht die Tochter des Hauses. Zum Glück, möchte man sagen. Mögen die „Mostardas“ noch so exotisch daherkommen – was wäre ein kulinarisches Leben ohne die vertrauten Zutaten süßer Glückseligkeit, Apfelmus und Zwetschkenröster, Powidl und Preiselbeeren? Egal ob „UWE“ oder „Tiroler Früchteküche“, eines ist unabdingbar – die kompromisslose Qualität bei der Auswahl der Zutaten. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Im Unterweger-Zweigwerk im burgenländischen Kittsee werden frische Früchte geerntet und verarbeitet, zum Beispiel Marillen, die sofort vom Baum in die Verarbeitung gehen. Von Mai bis Ende Oktober ist Erntesaison, 15 bis 20 Helfer werden dann eigens eingestellt, sonst arbeiten drei Leute in Kittsee. In Osttirol sind es rund 50. Ein Drittel der Produktion


Marketingexpertin Hysek-Unterweger weiß: „Am Ende zählt die Qualität der Zutaten.“

liefert Unterweger an Bäckereien und Industrie, ein Drittel geht an Gastronomie und Hotellerie und ein Drittel kommt in die Regale des Handels. Hier sieht Marketingexpertin Michaela Hysek-Unterweger noch einiges an Spielraum, vor allem überregional. Seniorchef Paul Unterweger gibt sich inzwischen den Titel „Pensionist“ und hat sich selbst eine besondere Rolle zugeteilt: Die des alten Haudegens, der auf einem Schlachtfeld kämpft, das er seiner Tochter lieber nicht zumutet, jenem der Lebensmittel-Bürokratie. Tochter Michaela freut das. „Wenn ein Brief von der Bezirkshauptmannschaft Lienz kommt, dann ist es mir sehr recht, dass der Papa runterfährt.“

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