Das Goetheanum 26 · 2013

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Die Zukunft des Glücks

Das Goetheanum

Wochenschrift für anthroposophie Ausgabe Nr. 26 · 29. Juni 2013


takte  ›››  Sonnenaufgang – Japan – das Land der aufgehenden Sonne›, wie es in der Landessprache heißt, ist auf dem Weg, zu einem der größten Märkte für Solarenergie zu werden. Für 2013 werden in der Branche Umsätze von 20 Milliarden US-Dollar erwartet. Bis zum Jahresende würden sich die Solarstromkapazitäten Japans dadurch, im Vergleich zum Vorjahr, verdoppeln. Englischer Artikel im Guardian: www.goo.gl/EKjjM  ›››  Neue Kunstschule gerettet – Durch viele kleine und wenige große Spenden ist das Defizit der Schule nun fast gedeckt. Viele Zukunftsfragen bleiben offen, doch gibt es in jedem Fall auch diesen Herbst eine neue Klasse: www.neuekunstschule.ch  ›››  Ende der Blutsbande? – Im Jahr 2011 lebte knapp die Hälfte (49 Prozent) der Bevölkerung in Deutschland in Familien. Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Internationalen Familientages weiter mitteilte, war dieser Anteil vor 15 Jahren noch deutlich höher. Damals lag er bei 57 Prozent. Artikel: www.goo.gl/sPvbh  ›››  Bewusstseinskultur – Auf dem Kongress der ‹Akademie Heiligenfeld› vom 6. bis 9. Juni wurde aus der akademischen Bewusstseins- und Meditationsforschung berichtet. Überlegungen zu den Bedingungen eines vertieften Bewusstseins wurden angestellt und konkret mit verschiedenen Bewusstseinsebenen gearbeitet. Dazwischen gab es Phasen der Besinnung, Übungen, Musik und Lyrik. Rund tausend Menschen nahmen teil, viele mit dem Schwerpunkt Medizin und Therapie. Der Newsletter des ‹Instituts für Anthroposophische Meditation› berichtet: www.goo.gl/crJw5 ›››  Brücken aus Plastik – In Ohio wurde diesen Juni Amerikas zweitgrößte Brücke aus recyceltem Plastik gebaut. Das Baumaterial besteht größtenteils aus gewöhnlichem Haushaltsabfall wie Flaschen und Tetrapacks. Die längste Plastikbrücke der Welt befindet sich in Schottland. Sie misst 30 Meter und kann bis zu 44 Tonnen Gewicht tragen. Gegenüber Stahl und Beton hat Plastik den Vorteil, das es weder verrottet, noch verrostet. Englischer Bericht: www.goo.gl/IgBPK  ›››  Erika Beltle verstorben – Geboren 1921 in Stuttgart, ist die bekannte Lyrikerin am 21. Juni durch die Pforte des Todes gegangen. Sie veröffentlichte Zeit ihres Lebens 13 Gedichtbände, zwei Romane, Erzählungen und etliche Rätselbücher. Werke im Urachhausverlag: www.goo.gl/NRYSB  ›››

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Wie wird der Geist wirksam?

Steiner steigt im Wert

Die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland wagt diesen Sommer einen weiteren Schritt der Verwandlung. Nach dem Hereinholen der ‹Ätherforscher› in München, dem öffentlichen Kongress zum ‹Karma des Berufes› im Ruhrgebiet und der großen Tagung in Weimar zu Steiners 150. Geburtstag und dem nach innen Lauschen in Dornach geht es nun in die Hauptstadt, nach Berlin. Der Titel ‹Mittendrin› ist dabei Programm: Sowohl die zentrale

Im ersten Jahresdrittel 2013 verkaufte das ‹Zentralverzeichnis Antiquarischer Bücher› eine Vielfalt seltener Stücke vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Wertvollster Titel war mit 15 000 Euro ein Buch, in dem sich Zeilen Rudolf Steiners befinden. Im Gästebuch der Familie Gehring-Christ verewigten sich von 1906 bis 1939 diverse Persönlichkeiten. Auf der ersten Seite der Eintrag Rudolf Steiners, vom 12. Januar 1906: «Die Freuden erkennen wir als Gnadesgaben in der Gegenwart | Die Leiden enthüllen aber ihren Wert erst, wenn sie vergangen | Die ersten bringen das Glück | Die zweiten erzeugen die Weisheit» · jg

Warum ich nicht schreiben kann Wenn die Spitze meines Kugelschreibers das Papier berührt, höre ich Musik. Ist der erste Buchstabe gemalt, höre ich nur noch das Schlagzeug. Steht das erste Wort auf dem Papier, packen die Musiker die Instrumente ein. Ist der erste Satz geschrieben, höre ich bereits die Schritte des Nachtwächters, das Hüsteln durch den leeren Konzertsaal. Wilfrid Jaensch www.enzyklika.blogspot.ch

Lage des Ortes als auch der Saal der kleinen Philharmonie ‹betonen› die Mitte. – Vom 27. bis 30. Juni tagen auf den Gebieten der Medizin, des geistigen Lebens und der Zivilgesellschaft offene Foren. Themen sind beispielsweise: ‹Die Grenze von Leben und Tod›, ‹Perspektiven der Organtransplantation› oder ‹die Meditationspraxis verschiedener Schulungswege›. Ein besonderes Augenmerk kommt auch der Kunst zu: Jobst Langhans (Tschechow-Studio Berlin) inszeniert Szenen aus Goethes Faust, Berliner Eurythmie wird durch verschiedene Ensembles sichtbar, musikalisch trägt der Kontrabass der Berliner Philharmoniker und das Stiania Trompeten-Trio etwas bei. Außerdem wird es Ausstellungen zur organischen Architektur wie von bildenden Künstlern geben. Am Samstag, 29. Juni findet auf dem Kulturforum neben der Philharmonie unter dem Motto ›Mittendrin› ein Aktionstag statt, der ein breites Spektrum anthroposophischer Initiativen an zahlreichen Ständen zeigen wird. Für alle spontan Entschlossenen gibt es also viele Möglichkeiten, dem Ereignis beizuwohnen. Programm: www.goo.gl/eoKMG · JG

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Erleuchtungsingenieure Meditation ist der neue Trend in Silicon Valley. Dabei geht es nicht nur um inneren Frieden – es geht um Vorwärtskommen. Ob Google, Facebook oder Twitter, alle setzen auf innere Schulung. Dabei werden buddhistische Praktiken mit Erkenntnissen der Neurologie verbunden. Viele Gründer der Computerkultur sind der Hippiebewegung entwachsen. Steve Jobs, Gründer von Apple, verbrachte Monate mit der Suche nach einem Guru in Indien und ließ sich von einem Zenpriester trauen. – Studien zeigen, dass regelmäßiges Meditieren das Gehirn neu vernetzt, emotionale Selbstbeherrschung und das Gedächtnis verbessert. Die ‹Wisdom 2.0 Konferenz – Weise leben im digitalen Zeitalter› in San Francisco versammelte dieses Jahr über 2000 Menschen, darunter auch die CEOs vieler führender Unternehmen. Vor drei Jahren waren es noch ein paar Hundert. Englische Reportage: www.goo.gl/peUDY · CC

Grundsteinlegung Unter den Hundertjahrfeiern, die in der Anthroposophischen Bewegung stattfinden, nimmt die Gedenkfeier für die Grundsteinlegung des Ersten Goetheanum eine herausragende Stellung ein. Es ist anzunehmen, dass vielerorts Initiativen stattfinden, welche sich dem Ereignis widmen. Es wäre ein Signal gegenseitiger Wahrnehmung, wenn unsere Zeitschriften die verschiedenen Initiativen sichtbar machten. Vom 15. bis 19. Juli findet im Saarland die Arbeitswoche ‹Von Marskultur zu Merkurimpuls› statt. Der Modellbau von Malsch steht im Zentrum künstlerischer Untersuchungen. Auskunft: +49 (0)681 9822660 oder per eMail: gakon_praxisgaspard@gmx.de · Alfred Kon


Kleinkindkongress am Goetheanum Ergänzend zum Elternhaus gewinnt die ins­titutionelle Begleitung von Kleinkindern an Bedeutung – eine eigene (Waldorf-) Pädagogik für Kinder bis drei Jahre wird entwickelt. Beim vierten Kleinkindkongress von 20. bis 23. Juni am Goetheanum standen die gesunde Entwicklung und Prävention im Mittelpunkt. Falls der Mensch vorgeburtlich bei seinem Weg durch die Planetensphären etwas ‹verschlafen› hat oder er ungünstige Umstände auf der Erde vorfindet, sucht die Kleinkindpädagogik nach Möglichkeiten des ‹Nachreifens›. Hier kommt den Erzieherinnen als ‹geistigen Eltern› eine wichtige Aufgabe zu. Auch bei vorliegenden Schwächen oder Störungen gilt es immer, das wahrzunehmen, was die Fähigkeiten und die momentanen Bedürfnisse des Kindes sind. Die Erzieherin wirkt vor allem durch ihr eigenes Menschsein, die Haltung ‹Ich bin für dich da› und ‹Du darfst dich hier entfalten› sowie durch das Schaffen eines ‹professionellen Zuhauses›. Die Selbst­ erziehung ist auch deshalb so bedeutend, weil das Kleinkind die Bezugsperson auf allen Ebenen ihres Verhaltens nachahmt. Spürt das Kind, dass es wahrgenommen wird, erwirbt es Selbstbestimmung und Beziehungsfähigkeit – anderenfalls wird es in seiner Entwicklung gehemmt. Jeder Gedanke wirkt unmittelbar, im Guten wie im Schlechten. Bei all dem gilt es, auf sich selbst zu achten, braucht doch der Umgang mit Kleinkind und Eltern Kraft. Ergebnisse der drei vorherigen Tagungen wurden dokumentiert in der Schrift ‹Die Würde des kleinen Kindes›, herausgegeben von Michaela Glöckler und Claudia Grah-Wittich (Bezug: Vereinigung der Waldorfkindergärten in Deutschland: info@ waldorfkindergarten.de). · Gabriela Jüngel

Wertebasiertes Finanzwesen Das Alanus Werkhaus bietet in Kooperation mit dem Institut for Social Banking sowie der Alanus Hochschule den Zertifikatskurs ‹Socially Responsible Finance› an. Die berufsbegleitende Fortbildung richtet sich an Fach- und Führungskräfte aus dem Bank-, Versicherungs- und Stiftungswesen, die sich eingehend mit Fragen nachhaltiger und sozial verantwortlicher Gestaltung ihrer beruflichen Praxis beschäftigen wollen. Der Kurs startet am 25. September 2013. Weitere Informationen auf englisch sowie Anmeldemöglichkeit unter: www.goo.gl/edmWxs · cc

Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch Vermehrt fallen Jugendliche in Krisen – nicht selten mit dramtischem Verlauf. Die Gründe: persönliche Veranlagung, soziales Umfeld, aber auch das Zerbrechen an festgefahrenen Gesellschaftsformen. Wohin sollen sich kommende Seelen wenden, wenn das ‹Normale› vielfach als krank erlebt wird? Georg war mein Patenkind und ein lebensfreudiger junger Mann, interessiert an Politik, Geschichte und Schauspiel. Er war gesellig, aber auch für tiefgründige Gespräche zu haben. Mit 23 Jahren nahm er sich das Leben, nachdem er fünf harte Jahre mit einer Psychose gekämpft hat. Ein Ort, an dem er zu sich hätte kommen können, tauchte nicht auf. Er blieb nicht der Einzige, der das Schicksal der Jugendpsychose in mein Leben brachte. Über sieben Jahre durfte ich eine junge Frau während tiefer Krisen künstlerisch begleiten. Stift und Farbe gehörten in diesen Zeiten untrennbar zu ihrer Hand und tasteten das Gesehene wie von Innen ab. Dies half ihr, den bedrohenden Vorstellungen in ihrem Inneren standzuhalten. Obwohl mein Beruf als Malerin mich erfüllte, vernahm ich innerlich einen Ruf. Es kam zur Gründung des Vereines ‹Unime Netzwerk für anthroposophisch erweiterte Jugendpsychiatrie›, der bis heute zu Kolloquien für Fachpersonen, Betroffene und Angehörige einlädt. Ein tragender Kreis von Menschen brachte den Impuls dieses Netzwerkes ins Leben. Aus diesem Kreis heraus formulierten der Getreidezüchter Peter Kunz eine gedankliche Richtung: «Im Krankheitsbild des Einzelnen sehen wir Entsprechungen unserer gegenwärtigen sozialen Strukturen. In persönlichen Erkrankungen drücken sich dieselben lockernden und verfestigenden Kräfte aus, die auch in den gesellschaftlichen Strukturen wirken. Der Einzelne wird so Träger der in der gesamten Gesellschaft verankerten Erkrankung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zusätzlich zu therapeutischen Konzepten gesundende Rechts- und Wirtschaftsbedingungen für solche Initiativen anzustreben.»

Dieses Ideal fand in der Gründung der Jugendhof-Stiftung – sechs Jahre nach Georgs Tod – einen Körper. Heute stehen wir vor dem Kauf eines biodynamischen Hofes im Zürcher Oberland, um dort Menschen mit psychischen Problemen zwischen 18 und 28 Jahren zu begleiten. Ein Aufenthalt könnte nach klinischen Akutphasen oder präventiv stattfinden. Landwirtschaft, Kunst und Freundschaft bilden die therapeutischen Säulen der Lebensgemeinschaft. Ausserdem soll das Projekt – auf die obengenannte Gesundung setzend – wirtschaftlich nachhaltig gebaut sein: Gemeinnützige Trägerschaft, spekulationsfreier Boden, Vertragslandwirtschaft, Bedarfslohn sowie Kostengutsprache für nicht zahlungsfähige Patienten. Ein interdisziplinäres Team aus jungen und ehrfahrenen Menschen (Gärtner, Landwirtin, Sozialbegleiterin, Erzieherin, Erlebnispädagoge, Krankenpfleger, Masseurin, Schauspieler und Künstlerin) bildet sich gerade zum Samen dieser werdenden therapeutischen Gemeinschaft. Bis September entscheidet sich, ob der Hofkauf gelingen und 2014 mit der Begleitung von anfangs vier, später bis zu zehn jungen Menschen begonnen werden kann. Von nötigen vier Millionen Schweizer Franken fehlt noch eine Million Schenkgeld, um den Hofbetrieb weiterzuführen. Denn wie immer in den Geburtswehen neuer Orte steht und fällt alles mit dem wohlwollenden Zuspruch aus dem Umkreis. Rahel Wepfer Projektmappe unter: www.goo.gl/P4gA8 Kontakt über: sekretariat@jugendhof.ch oder Telefon: 0041 (0) 55 264 17 85 Bild: ‹Berlin› von Rahel Wepfer

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CH.Berlin

Hilma af Klint in Berlin ‹Hilma af Klint. Eine Pionierin der Abstraktion›, ist bis zum 6. Oktober im Hamburger Bahnhof zu sehen.

Constanza Kaliks · Fabiana Leibl

Es geht nicht um 20 Cent In Brasilien gehen Hunderttausende auf die Straße und verlangen bessere Lebensbedingungen. Beginnend bei bezahlbaren öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen die Proteste, dass viele Entbehrungen nicht weiter geduldet werden. Die mächtigen Märsche durch viele Städte des Landes drücken die Hoffnung nach einer gerechteren Gesellschaft aus. Unzählige junge Menschen auf den Straßen bezeugen darin ihre innerste Gewissheit, dass Neuanfang jederzeit möglich ist. Inwiefern dieser Anfang eine Kontinuität entwickeln wird, inwiefern er den Erwartungen so vieler entbehrender Menschen entsprechen wird, ist noch offen. Wie bei allem Anfang ist Kraft und Gefährdung gleichzeitig vorhanden; aber er ist getan, und das beinhaltet Zukunf. Die Brasilianerin Fabiana Leibl – eine ehemalige Waldorfschülerin, die sich als Juristin für Menschenrechte einsetzt – berichtet direkt von Erlebnissen auf den Straßen São Paulos: «Man kann diesen Volksaufstand gegen die Erhöhung der Transportkosten nicht verstehen, ohne ein größeres Szenario vor Augen zu haben: Wir leben in einem Land, das von sozialen Unterschieden, von Unterdrückung und von fehlender Sicherung der Menschenrechte gezeichnet ist. Im Namen des vermeinten ‹Fortschritts› werden Unmengen öffentlicher Gelder in gigantische Sportveranstaltungen und Infrastrukturen investiert, ohne dass man Auskunft erhält, welche realen Vorteile dies für die Bevölkerung bedeutet. Wie bei anderen ‹Frühlingen›, die weltweit blühen, ist die Preiserhöhung der Verkehrsmittel nur ein Auslöser, der

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die Artikulierung der unzufriedenen Menschen ermöglichte. Schon nach den ersten Tagen lautete das Motto der Proteste ‹Es geht nicht nur um 20 Cent›. Die ersten Protestaktionen, an denen ich teilnahm, waren durch Gewalttätigkeit der Polizei gekennzeichnet, um die Proteste im Keim zu ersticken. Doch trotz Angst hinderte es die Menschen nicht, auf die Straßen zu gehen – im Gegenteil, gerade das Recht zur Demonstration wurde zur Motivation. São Paulo wurde zu einem ‹kochenden Kessel›, in dem Hunderttausende Menschen mit verschiedenen Fahnen durch die Straßen marschierten. Ich bin 27 Jahre alt und hatte so etwas noch nie erlebt. Zwei Wochen später erhielten wir mit Begeisterung die Meldung , dass der öffentliche Verkehr in São Paulo eine Preisreduktion erfahren wird; in anderen Städten beginnen die Gouverneure dem Druck der Bevölkerung ebenfalls nachzugeben. In Brasilien leben wir in einer sich noch entwickelnden Demokratie und es gibt vieles, für das es sich zu protestieren lohnt. Die Gründe, warum Menschen auf die Straße gehen, sind sehr verschieden. Daher wird es große Herausforderungen zu überwinden geben, aber wir pflastern einen Weg für eine gerechtere Gesellschaft, die aufmerksamer sein wird auf die Stimmen ihrer Bevölkerung.» Fotografie von Peu Robles

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Persönlicher Empfang – Hilma af Klint (1862-1944) sitzt überlebensgroß und ruhigen Blickes in einem geordneten Atelierhaushalt des ausklingenden 19. Jahrhunderts an einem Tisch gegenüber dem Eingang, als hätte sie einen erwartet. Auf der Tischkante ist das niedergesunkene Haupt einer wohl roten, auf der Ablichtung schwarzen Tulpe zum Erliegen gekommen. In diesem Raum nichts als ‹Urchaos› auf 23 Papieren. Nebenan jedoch schauen aus zwei Glaskästen viele Stunden früher intensiver Betrachtung auf – ausgebreitete botanische Studien im einen und im andern Überlegungen in einer klaren, sorgfältig formulierten Handschrift, in welcher sich mehr als 125 Notizbücher füllten. Die Pflanzen, unter ihnen prächtig roter Mohn, leuchten durch die Glasdecke wie frisch gepflückt, die aufgeschlagenen Bücher ähneln Alben. 1880, als ihre Schwester Hermina starb, wandte sich Hilma af Klint verstärkt geistigen Fragen zu. Eine Frauenstimme betont durchdringend, wie weit voraus die schwedische Malerin mancher Entwicklung gewesen sei, es fallen Namen wie Mondrian oder Kandinsky. Ich mache mich auf den Weg in die erste Etage, wo ‹Die zehn Größten› das Hauptschiff bestücken. Auf jeweils gut 2x3 Metern spielen sich freudig die Lebensalter des Menschen ihre Bälle zu. ‹Barnåaldern›, zu Deutsch ‹Kindheit›, erweist sich als besonders resistent gegen treffliche verbale Fassungsversuche. Wenn Sie davorstehen, achten Sie darauf, wie Sie von einer Binnenform zur andern gelangen, nicht unbedingt reihum, und wenn Sie daran müde zu werden beginnen, ruhen Sie sich ein Weilchen im Indigo aus, dann gehts wieder. Bitte auch sehen, dass der Hintergrund nicht einfach hellblau ist. In teilweise sehr umfangreichen Serien tauchen Motive wie ‹Der Baum der Erkenntnis› oder ‹Parzifal› auf, nicht selten finden gedankliche und bildliche Formulierung aufs selbe Papier wie etwa in ‹Das Atom›. Nr. 5. In graublauem Quadrat schwebt, zentral gehalten durch die Diagonalen, eine zu drei Vierteln schwarze, im vierten Quadranten weiße Kreisfläche, dezent akzentuiert durch lineares Smaragdgrün: «Der Körper ist in der Lage, sich über seine Erdgebundenheit zu erheben, indem er übersinnlicher Kraft Gehör schenkt», natürlich auf Schwedisch. Räumlich zuletzt liegt in Anschluss an das Hauptschiff ein Altarraum. Wandgrau der Zugang, drinnen Ultramarin, das sich in violette Tiefen wandelt, und drei goldhelle ‹Altarbilder›, von denen Nr. 1 davon erzählt, wie sich die Farben dem Licht verdanken. Zeitlich zuletzt liegen merkwürdige, wunderliche Aquarelle, o.T. – plötzlich darf sich nach den Formen die Farbe bewegen, wie sie will, mit viel Wasser. Hilma af Klint war bereits 1908 Rudolf Steiner begegnet. Nach ihrem ersten Besuch in Dornach 1920 malte sie ein Jahr lang überhaupt nicht, verabschiedete danach die geometrische Abstraktion und begann, überwiegend zu aquarellieren, um aus und mit der Farbe das Motiv zur Erscheinung zu bringen – und war durch die Absage an ihre alten Blicke erneut weit voraus.


Walter Kugler

Rudolf Steiner in Venedig Die 55. Biennale in Venedig zeigt 54 Wandtafelzeichnungen von Rudolf Steiner. Ein Bericht vom Verstummen mit dem Kurator Massimiliano Gioni. Kunst ist längst nicht mehr, was sie einmal war. Aber wer weiß schon, was sie war, was sie ist und was sie einmal sein wird? Eines ist wohl sicher: ihr Erregungspotenzial ist unermesslich und darum substanziell menschlich. Die Kunst bespielt nach einem ihr eigenen imaginären Code jene große Bühne, die man wohl auch zu Recht die Weltenbühne nennen kann, auf der das Erhabene und das Profane, das Verbindende und Trennende, das Schöne und Hässliche, Gewissheiten und Abgründe, Form und Leben eine Verbindung auf Zeit eingehen oder aber ihr Sosein als singulären Zustand zu behaupten vorgeben. In dieses Universum von komplexen Ereignisfeldern hinein und aus ihnen heraus schuf für die diesjährige Kunst-Biennale in Venedig deren künstlerischer Leiter Massimiliano Gioni einen ‹Palazzo Enciclopedico›, der behaust wird von Insidern der aktuellen Kunstszene und ebenso von dort bislang Unbekannten. Aber auch Künstler und Nicht-Künstler längst vergangener Tage bekamen ihren Platz und irgendwo, ganz zentral, ist der Ort, an dem Rudolf Steiner zu Wort kommt. Wer den Raum im Palazzo Centrale mit den 54 großformatigen Tafelbildern betritt und es bislang noch nicht bemerkt hat, ist nun an der Quelle und bemerkt nach wenigen Augenblicken: Das Logo der Biennale ist den Steiner-Kreidezeichen nachempfunden. Der Umriss eines Kopfes umschließt sieben konzentrische Kreise in Rot und Weiß. Aus dem Inneren des Kopfes richten sich gelbe Pfeile nach Außen und aus der Dunkelheit von Außen nach Innen blaue

Pfeile. Das alles auf schwarzem Grund. Folgt man dem entsprechenden Vortrag von Rudolf Steiner, dann kann das Logo als ein Abbild für die Wirksamkeit von Kräften gelesen werden, die Mensch und Kosmos verbinden, oder auch, je nachdem, ob der Mensch seine Erfahrungswelt aus Erinnerungserlebnissen oder Denkerlebnissen heraus schöpft, wie diese Kräfte unterschiedliche Qualitäten repräsentieren. Die Wirkungen sind ablesbar bis in die physische Gestalt des menschlichen Hauptes. So sind dessen untere Partien vorwiegend aus dem «Räumlich-Inneren, aus dem Körperhaft-Inneren des Menschen» gestaltet und die oberen aus den Weiten des Kosmos. (Vortag vom 23.11.1923) Vor gut einem Jahr besuchte Massimiliano Gioni das Goetheanum und unsere Gespräche drehten sich eben um dieses: das Verhältnis von Innen und Außen, Mensch und Kosmos, Geist und Materie, aber auch die Trends der Zeit, die Gefahren des Überflusses an Bildern oder die innere Beziehung einzelner Künstler zu dem Gedankenkosmos, den Rudolf Steiner, abseits vom großen Getriebe der Zeit, in Wort und Bild entfaltet hat. Und immer wieder wandten wir uns den Original-Tafelzeichnungen zu. Dann verstummten für eine Weile die Gespräche, denn jetzt war nichts als Staunen angesagt. Wenige Tage später kam ein Brief aus New York, wo Gioni als Vizedirektor des New Museum hauptamtlich tätig ist: «Es ist mir eine große Ehre, Rudolf Steiners Wandtafelzeichnungen im Rahmen der nächsten Biennale in Venedig zu zeigen.»

Es ist wieder einmal etwas in Bewegung geraten, was nichts, aber auch gar nichts damit zu tun hat, Rudolf Steiners Werk zu veräußerlichen, wie manche kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen verkünden, oder dass es gar darum geht, sich dem Zeitgeist anzudienen und um Anerkennung zu buhlen. Es ist immer die Aufmerksamkeit Einzelner für substanzielle geistige Zusammenhänge, die etwas in Bewegung bringt, und es ist bisweilen ein langer und beschwerlicher Weg, eine anfängliche Idee in die Sichtbarkeit zu bringen – gegen den Mainstream, Grenzen überschreitend und im Bewusstsein, an einer Schwelle zu stehen. Die Farben und Formen, die Dynamik der Linien auf Rudolf Steiners Diagrammen wirken aus sich selbst heraus. Bislang Erstarrtes wird in Bewegungen übergeführt, und die sind die Voraussetzung dafür, dass sich Sinn artikulieren und im Betrachter bilden kann. Die Biennale dauert noch bis zum 24. November 2013 und ist täglich geöffnet – außer Montag – von 10 bis 18 Uhr. Es gibt viele Gründe, nach Venedig zu fahren, nun gibt es noch einen mehr. Im Zusammenhang mit der Biennale wird vom 18. bis 20. Oktober in Oriago da Mira, nahe Venedig, eine Konferenz mit der Malerin Doris Harpers und Walter Kugler stattfinden, Besuch der Biennale inklusive. Anmeldungen via Doris Harpers: 0039 335 817 60 88 · doris-harpers@iol.it Fotografie von Johannes Nilo. Siehe auch ‹Die Welt ist Bild geworden› ab Seite 16

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Tho ha Vinh

Die Zukunft des Glücks Seit 2008 ist das Bruttonationalglück (BNG) als Staatsziel in der bhutanischen Verfassung verankert. Es ist ein Messinstrument, eine Philosophie und ein Gestaltungswerkzeug des menschlichen Miteinananders. Die Idee des Glücks von Bhutan und der Weg Tho Ha Vinhs zum Forschungsinstitut über das Glück.

Ich war ‹in the

Dieses Jahr werde ich 62 Jahre alt und gehöre damit zur Generation, die den middle of nowhere› Vietnamkrieg als Heranwachsende erlebt haben. Mein Vater war Vietnaund erlebte dort einen mese und so habe ich diesen Krieg inneren Durchbruch noch intensiver erlebt. Glücklicherweise war ich nicht im Land, denn als als Beginn meines Diplomat war mein Vater im Ausland. spiri­tuellen Lebens. Trotzdem hat dieser Krieg einen starken Eindruck auf mich gemacht. 1968 war ich in Paris Schüler. Ich teilte die Hoffnung vieler junger Menschen, dass wir die Welt durch politisches Engagement verändern können, und teilte mit vielen die Enttäuschung, dass es nicht so einfach möglich ist. Zwar stamme ich väterlicherseits aus einer buddhistischen Familie – meine französische Mutter hatte keine besondere Beziehung zum Religiösen – dennoch stand ich der Religion recht fern. Ich dachte, das politische Engagement sei wichtiger als religiöse Werte. Dann hatte ich in Indien eine Wiederbegegnung mit östlicher Spiritualität. Ich machte eine Wanderung in dem HimalajaGebirge und verirrte mich. Heute gibt es geführte Trekkings, damals war es eine unendlich einsame Gegend. So dachte ich tatsächlich, ich müsse allein in der Bergwelt sterben. Dann kam ein unerwartetes inneres Erlebnis. Ich hatte eine Erfahrung, dass es eine andere Dimension gibt. Das war ein großes, tiefes Erstaunen. Ich war ‹in the middle of nowhere›. Die Nacht brach herein, ich dachte es sei vorbei. Da erlebte ich diesen inneren Durchbruch, und wie es so ist, kam kurz darauf plötzlich jemand vorbei. Er führte mich zum nächsten Dorf, das zwei Stunden Fußweg entfernt war. Das war der Beginn einer inneren Suche. Soll ich Mönch werden? Aber die Erfahrungen, die ich zuvor gemacht habe, dass man die Welt verändern sollte, ließen mir keine Ruhe. Diese Frage war es, die mich als 18-Jährigen bewegte und heute über 40 Jahre später noch bewegt: Wie verbindet man innere Wandlung und soziale Wandlung? Mit ihr kam ich nach Europa zurück, denn meine zukünftige Frau wartete in Wien.

Anthroposophie auf der Strecke Ich ging nach Wien und überlegte, Medizin zu studieren, weil man dort vermutlich Äußeres und Inneres zusammenbringen kann. Weil ich in der französischen Schule in Wien mein Abitur absolviert hatte, wurde ich der Universität von Straßburg zugeordnet. Kurz vor der Abreise nach Straßburg besuchte ich

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einen Freund, den ich in Indien kennengelernt hatte. Er wurde von einer Frau wegen psychischer Probleme behandelt. Sie war Heileurythmistin. Ich kannte weder Rudolf Steiner noch Eurythmie, aber nun sah ich Heileurythmieübungen. Es beeindruckte mich und als ich ihr von meiner Reise nach Straßburg erzählte, da sagte sie: «Auf der Strecke liegt Basel und Dornach, da können Sie das Goetheanum besuchen.» So kam ich im Sommer 1970 ans Goetheanum. Ich las in einem Prospekt zur Ausbildung ein Zitat Rudolf Steiners, sinngemäß: «Gott eurythmisiert und schafft die menschliche Gestalt.» Das klingt gut! Außer Heileurythmie im Wohnzimmer in Wien hatte ich nie Eurythmie gesehen, doch am gleichen Tag saß ich mit Elena Zuccoli, der Leiterin einer der beiden Eurythmieschulen, zusammen. Wir unterhielten uns über Stunden. Eine wunderbare Begegnung, aus der ein Eurythmie- und Heileurythmiestudium wurden. Ich hatte kein Eurythmiekleid, aber von einer Reise aus Ägypten eine schwarze Galabija. Die trug ich zum allgemeinen Erstaunen am ersten Studientag – Bild meiner Ahnungslosigkeit damals. Die Frage, wie kann man innere und soziale Erneuerung verbinden, blieb erhalten. Pädagogik ist eine gute Lösung, dachte ich, denn wenn man die nächste Generation erzieht, tut man etwas für die Zukunft. Ich wurde Waldorflehrer. Dann hörte ich von Camphill und dessen Gemeinschaftsleben und ging mit meiner Familie, wir hatten zwei Kinder, in eine Camphillgemeinschaft und habe Heilpädagogik kennen und lieben gelernt. Als der ursprüngliche Gemeinschaftsethos schwand, man begann Stunden zu zählen, ein eigenes Einkommen zu erhalten, wurde es mir zu ‹bürgerlich›. Ich hörte vom Roten Kreuz und dessen internationalem Engagement an Krisen- und Kriegsorten. Merkwürdige Umstände führten dazu, dass ich Direktor der Ausbildungssektion des IKRK wurde. Das Internationale Komitee, organisiert in 182 Ländern, hat überall in der Welt Ausbildungszentren. Meine Aufgabe war es, diese Ausbildungen zu gestalten.

Ehe es zu spät ist Wie kann man Menschen vorbereiten, dass sie an diesen gefährlichen Orten voll Gewalt bestehen können? Wieder eine Frage des Inneren und Äußeren. Vieles, was ich in Heilpädagogik und auch Eurythmie gelernt hatte, konnte ich in anderem Licht aufgreifen. Zugleich fühlte ich mich am Puls der Welt. Afghanistan, Darfur, Pakistan, diese Orte habe ich sieben Jahre besucht. So begeistert


Gebetsfahnen wehen im Wind am Taktsang Kloster · Fotografie von Cameron Brown

ich von der Arbeit war, das Gefühl ließ mich nicht los, immer zu spät zu kommen. Das IKRK kommt, wenn der Krieg ausgebrochen ist, vergleichbar einer Feuerwehr. Ich erlebte viele Gesichter physischer Gewalt. Aber hinter ihr steht immer strukturelle Gewalt, eine Gewalt, die tiefer liegt. Die Art, wie unsere Welt organisiert ist, trägt die physische Gewalt in sich. Was bedeutet, hier vorzubeugen? Diese Frage ließ mich in den letzten Jahren nicht mehr los. Was sind die Ideen, alternativen Modelle, die Tragkraft haben, das Gemeinschaftsleben anders zu organisieren, sodass man die Gewalt an ihrer Wurzel fassen kann. Dann wurde ich aufmerksam auf das Land Bhutan und dessen Idee des Bruttonationalglücks. Die Regierung wollte im Land ein Institut für diese Idee begründen und mir wurde vorgeschlagen, dessen Vorsitz zu übernehmen. Das mache ich nun seit einem Jahr und wieder steht die Grundfrage in der Mitte: «Wie kann man Bewusstseinsbildung und soziale Transformation zusammenführen?»

Das tägliche Unrecht Seit den Siebzigerjahren verbrauchen wir mehr an Ressourcen, als die Erde zur Verfügung stellen kann, wir leben über den Verhältnissen. Mittlerweile verbrauchen wir das 1,6-Fache dessen, was die Erde hervorbringt. Diese ökologische Krise ist zugleich eine wirtschaftlich-moralische Krise, denn es ist eine Krise der Verteilung. 3 Milliarden Menschen leben von weniger als 2,5 Dollar pro Tag. 40% der Weltbevölkerung verbrauchen 5% des Reichtums und die wohlhabendsten 20% verbrauchen 75% der Ressourcen. 22 000 Kinder sterben täglich an Armut und Hunger. Wir waren als Menschheit noch nie so reich und zugleich ist die Verteilung unglaublich ungerecht. Als Bewohner in Europa gehören wir selbstverständlich zu den privilegierten 20%. Das sind Zahlen der durchaus konservativ rechnenden Weltbank von 2005. Zahlen, hinter denen unermessliches menschliches Leid steht. – Jedes Jahr nehmen sich weltweit eine Million Menschen

das Leben. Dabei gibt es keinen Zusammenhang von Armut und Selbstmordrate. Im Gegenteil, reiche Länder haben eine höhere Suizidrate als arme. So ist nach der WHO die Suizidrate in der Schweiz beispielsweise zehnmal so hoch wie in Armenien. Bedenkt man, dass auf jeden Suizid acht bis zehn Versuche kommen, steigt die Zahl beängstigend. Mit Ausnahme der Weltkriege sterben damit viel mehr Menschen durch eigene Hand als durch Gewalt und es sind zum großen Teil junge Menschen. Was sagt es aus über uns als Menschen, die diese Welt mit geschaffen haben. Welcher eigenen Unfähigkeit müssen wir ins Auge schauen, wenn so viele junge Menschen das Gefühl haben, es lohnt sich nicht, dieses Leben zu leben. Das ist erschütternd.

Dogma Wirtschaftswachstum Den Kern der Probleme finden wir im Wirtschaftssystem, einem System, das sich mit Bretton Woods und anderen nach dem Zweiten Weltkrieg gebildet hat. Dabei bildete sich das Credo, dass ein Mehr an Einkommen prinzipiell gut ist. Aus der Not des Krieges lässt sich das verstehen. Wachstum als Allheilmittel ist aber kaum infrage gestellt worden. Die Parteien aller Richtungen und politischen Überzeugungen, egal ob schwarzer oder weißer Präsident, einig sind sie sich darin, dass Wachstum die Lösung ist. Dabei ist Wachstum das Problem und es ist eine Illusion, dass ein Mehr an Einkommen auch ein Mehr an Glück bedeutet. Wenn man Mangel leidet, wächst mit einem höheren Einkommen natürlich die Zufriedenheit, aber bereits bei einem mittleren Niveau hat eine Zunahme an materiellem Wohlstand keinen Einfluss auf das Glücksgefühl. Rechnet man die Lebenszufriedenheit mit dem Verbrauch an Ressourcen, dem Footprint eines Landes, zeigt sich beispielsweise, dass die Menschen in den USA kaum glücklicher sind als auf Kuba, obgleich die Menschen auf Kuba nur einen Bruchteil der Ressourcen verbrauchen. Wenn man dem Dogma weiterhin

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Tho Ha Vinh an dem Studienwochenende ‹Zivlisation und Spiritualität› in der Schreinerei des Goetheanum

folgt, dass alle Länder diesen hohen Wohlstand mit dem hohen Verbrauch an Naturgütern erreichen sollen, verbrauchen wir jährlich nicht das 1,6-Fache der Erde, sondern das Vierfache. In Indien, Brasilien und China bildet sich eine neue breite Mittelschicht und sie findet nichts anderes erstrebenswert als den American Way of Life. Was wäre, wenn über eine Milliarde Inder wie in Europa 0,6 Autos pro Kopf hätten? Es wäre wohl nicht schlimm, weil diese Autos nur noch stehen könnten.

ja ein Produkt unserer Gedanken, Gefühle und Taten. Sie sind somit auch nichts anderes als unser nach außen gewendetes Inneres. Es sind materialisierte Bewusstseinszustände. Wenn wir deshalb am System etwas ändern wollen, ohne die Quellen zu ändern, aus denen sie geboren wurden, bleibt die Änderung oberflächlich und von kurzem Leben. Eine neue soziale Ordnung kann nur entstehen, wenn die Prozesse, aus denen das Soziale wächst, bewusst werden.

Zahlen zählen

Das Glück von Bhutan

Wir rechnen Entwicklung und Wohlstand mit Indikatoren, die nichts darüber aussagen, was ein Leben lebenswert macht. Wenn man alle Bäume der Schweiz fällen würde, so würde das Bruttoinlandsprodukt zweifellos enorm steigen. Keine Zahl in den Statistiken würde zu erkennen geben, dass die Schweiz verloren ist. So überrascht es nicht, dass im Krieg das Bruttoinlandsprodukt ebenfalls steigt. Man produziert Waffen, viele teure Güter. Was dem Leben Sinn und Glück und Zufriedenheit verleiht, findet sich in den Zahlen gerade nicht. Weil wir uns aber in unseren Entscheidungen und Meinungsbildungen auf Zahlen stützen, ist es wichtig, die richtigen Zahlen, die richtige Art des Messens zu finden. «What we count counts», sagt man im Englischen. Hier liegt der Grund, warum ich mich entschlossen hatte, nach Bhutan zu gehen. Denn Bhutan ist das erste Land, das sein nationales Messsystem vom Bruttosozialprodukt auf das Bruttonationalglück (Gross National Happiness) umstellt. – Im Deutschen heißt es «Aufmerksamkeit schenken», im Französischen sagt man «prêter attention», Aufmerksamkeit leihen, und im Englischen schließlich «to pay attention». ‹Schenken, leihen, zahlen›, immer ist von Wert die Rede. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf dasjenige, dem wir einen Wert zusprechen. Das gilt mehr denn je, denn Internetwirtschaft bedeutet Aufmerksamkeitswirtschaft. Es ist mittlerweile ein größeres Gebiet als die Wirtschaft der Dinge. Wie wichtig ist die Aufmerksamkeit der Investoren. Wir bemerken eine Entmaterialisierung der Wirtschaft. Weil es um die Aufmerksamkeit geht, droht sie immer mehr von außen bestimmt zu werden. Der Inhalt der Aufmerksamkeit saugt die Aufmerksamkeit gewissermaßen auf. Sie selbst geht dabei verloren. Es gilt deshalb, diese so zentrale Macht unserer Aufmerksamkeit zurückzufordern, Herr zu werden im eigenen Haus. Allgemein lohnt es sich, in Erinnerung zu rufen, dass sozialer Wandel nicht möglich ist ohne inneren Wandel. Die Systeme, in denen wir leben, sind

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Es gibt überall auf der Welt Initiativen, in diesem Sinne ein neues soziales Leben zu entfalten. Aber Bhutan ist der einzige Ort, wo das landesweit geschieht, wo Fortschritt und Wohlstand anders gedacht wird. Bhutan hat nur 700 000 Einwohner, aber es ist doch ein Land. Das ist ein Wunder, denn alle anderen Fürsten- und Königreiche am Fuß des Himalajas sind durch Indien oder China geschluckt worden. Ich habe das Gefühl, als ob die geistige Welt ihre schützende Hand über dieses winzige Land halten würde, damit dort etwas entstehen kann, wie in einem sozialen Labor. Begonnen hat es mit der Vision des jungen vierten Königs von Bhutan, der mit 17 auf den Thron kam. Auf einer Reise durch Indien fragte ihn ein Journalist etwas herablassend, wie klein denn das Bruttosozialprodukt von Bhutan sei. Da antwortete der König, dass das Bruttonationalglück wichtiger sei. Nicht einmal der König selbst konnte erklären, woher ihm dieser Gedanke zugeflogen kam. Das war der Beginn dieser wunderbaren Entwicklung. 2006 trat er mit 52 Jahren zurück, um eine Demokratie im Land zu ermöglichen. Im Frühjahr fanden nun bereits die zweiten Wahlen statt. Der Ministerpräsident von Bhutan nennt es nun die Philosophie, die Bhutan seit 40 Jahren leitet und die auf der Überzeugung gründet, dass Entwicklung einem Ziel dienen muss. Sie soll nicht unbegrenztes Wachstum verfolgen. Entwicklung findet in Grenzen statt, natürlichen und sozialen. Bruttonationalglück ist auf der Überzeugung gegründet, dass Entwicklung menschenzentriert sein soll und dem Individuum die Möglichkeit geben soll, das, was ihm am wichtigsten ist, zu erreichen, und das ist Glück. Wir glauben, dass Glück erreicht werden kann, wenn das, was der Körper und der Geist brauchen, im Gleichgewicht steht. – Eine Frage, die auftaucht, ist: Warum ‹happiness›? Das scheint ein oberflächlicher Begriff zu sein. Wobei schon Aristoteles als Ziel des Lebens das Glück nennt. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Begriff ‹happiness› im buddhistischen Raum entstanden ist.


Altes Paradigma

Der Mensch ist anderen Lebewesen

überlegen und kann sie (miss)brauchen

Individualismus und Entfremdung

Überleben des Stärkeren

Kapitalanhäufung

BSP (Bruttosozialprodukt) ist Maß des Fortschritts

Alle Lebewesen sind voneinander abhängig Mitgefühl

Fragen in Bhutan an jeden Bewohner im

Zusammenarbeit

Mein Glück hängt am Besitz

Wie viel Glück ist in einer Gesellschaft?

Neues Paradigma

Mein Glück hängt am Glück aller Gerechte Verteilung

Sinne des Bruttonationalglücks:

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Seelische Gesundheit – Wie empfindet man das Leben, wie zufrieden ist man

BNG (Bruttonationalglück) ist Maß des Fortschritts

mit seiner physischen, seelischen und geis-

tigen Lebenslage? Wie oft meditieren Sie?

Dort spielen zwei Begriffe eine wichtige Rolle: ‹Dukkha› bedeutet Leid, der fundamentale Schmerz des Seins. Dem steht ‹Sukha›, die Fähigkeit, Leid in Glück zu verwandeln, gegenüber. Es ist keine oberflächliche Zufriedenheit und kein Wohlergehen gemeint, sondern eine Verwandlungskraft, die im menschlichen Geist beheimatet ist und Schmerz transformieren kann. Deshalb war ‹happiness› für die Menschen in Bhutan sofort verständlich. «Was ist Glück?», wurde der Ministerpräsident von Bhutan oft gefragt. «Wir haben klar den Begriff des ‹Glücks› im Sinne des Bruttonationalglücks von dem oberflächlichen, angenehmen ‹feel good›-Gefühl, das zu oft damit identifiziert wird, unterschieden. Wir wissen, dass dauerhaftes echtes Glück nicht bestehen kann, wenn andere leiden. Es kann nur dadurch entstehen, wenn wir anderen dienen und in Harmonie mit der Natur leben. Es kann sich nur dann entfalten, wenn wir die uns zutiefst eigene Weisheit und unser wahres Wesen verwirklichen.» ‹Gross National Happiness› bedeutet, ein soziales Feld zu schaffen, das die Selbstverwirklichung unterstützt. Es hat eine innere, eine soziale und eine ökologische Dimension. Von dem indischen Philosophen Shantideva stammt der Satz: «Alles Leid dieser Welt kommt vom Streben nach eigenem Glück, alles Glück dieser Welt kommt vom Streben, anderen zum Glück zu verhelfen.» Beim Bruttonationalglück geht es nicht um ein egoistisches Streben. So gehört es zu Bhutan, dass sich bei den Umfragen herausstellt, dass über 90% der Bhutaner über 10% ihres Einkommens spenden. Das ist viel! Die Industrienationen spenden weniger als 0,5% ihres Haushaltes für Entwicklungsländer. Wir hatten kürzlich einen intensiven Workshop zum Bruttonationalglück in Thimbhu. Der Gouverneur von Oregon nahm daran teil und versprach, in seinem Bundesstaat die Messung zukünftig ähnlich wie mittels Bruttonationalglück zu führen. Er möchte fünf weitere Gouverneure miteinbeziehen. Es waren Firmenchefs dabei wie der Leiter der brasilianischen Naturkosmetikfirma ‹Natura›, die ihr Geschäftsmodell auf den Glücksindex ausrichten will. Ich habe das Gefühl, die Zeit ist reif. Die beängstigenden Symptome unserer Gegenwart sind zugleich eine Chance. Viele Menschen wachen auf. Sie verstehen, dass es um eine Revolution des Bewusstseins geht. Wir sind an einem Punkt der Entwicklung, wo ein Quantensprung vor uns steht. Änderungen wird es auf jeden Fall geben, weil es so nicht weitergehen kann. Wir können durch Leid oder durch Bewusstsein voranschreiten. Es ist deshalb nicht die Frage, ob sich etwas ändert, sondern ob es gelingt, etwas aus Bewusstsein zu ändern.

Tho Ha Vinh leitet das Institut für Gross National Happiness in Bhutan. Es ist ein Ort, wo man den Umgang mit dem Bruttonationalglück lernen kann, wo man dessen Wirklichkeit erleben kann und wo man Projekte für dessen Entwicklung planen kann.

2

Lebensstandard – Können Sie Ihre Wünsche und Ziele erfüllen? Haben

Sie finanzielle Sorgen? Ist das Einkommen gerecht verteilt? (Je ungleicher das Vermögen verteilt ist, desto unglücklicher sind die Menschen, auch die Reichen.)

3

Gute Regierung – Engagiert sich die Bevölkerung politisch? Herrscht Frei-

heit? Ist die Regierung frei von Korruption?

4

Gesundheit – Wie viel Tage war man im vergangenen Jahr krank, wie fühlt

man sich körperlich? (Das Gesundheitswe-

sen in Bhutan ist kostenfrei.)

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Bildung – Wie viel hat man gelernt, wie viele Schüler bestehen die Tests,

beenden ihr Studium? Wie viele Menschen

sind Analphabeten? (Unter 5% in Bhutan!)

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Intensität des gemeinschaftlichen Lebens – Wie viel Zeit verbringt man

in der Familie? Gibt es Vereinsleben und kulturelle Treffen?

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Kulturelle Vielfalt – Hat sich die kulturelle Identität weiterentwickelt?

Kennt und beherrscht man die traditionellen Praktiken? Engagiert man sich an kulturellen Veranstaltungen?

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Zeitnutzung – Wie steht es mit der ‹work-life-balance›, wie viel Zeit

verbringt man im Haushalt, in der Familie, für Hobbys? Wie viel Zeit verschenken Sie an andere (freiwillige Dienste)?

9

Ökologische Vielfalt – Wie steht es mit der Artenvielfalt? Übernehmen

die Menschen Verantwortung für ihre Umwelt? (Bhutan hat sich verpflichtet, bis

2020 auf 100% biologische Landwirtschaft umgestellt zu sein.)

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‹Muschelgarten› von Tessa Brands, Öl auf Leinwand 110 × 90 cm · Aus der Abschlussausstellung Neue Kunstschule Basel 2013


zvi szir

Für eine Politik der Freundschaft Könnte Freundschaft das Prinzip einer Gesellschaft sein, in der die Verwandlung des Einzelnen höher steht als allgemeine Regeln? – Zvi Szir stellte diese Frage 2012 in einem Vortrag an das Goetheanum.

Orte haben ein Problem In einer neuen Stadt erscheint alles ungeordnet. Erst langsam entdeckt man, dass da ein guter Ort ist und dort nicht. Man beginnt zu unterscheiden, liebt dieses Café und meidet jenes Viertel. Orte entstehen durch Unterschiede, sind immer spezifisch. Nun gibt es jene Orte, die besonders sind, weil dort in der Vergangenheit etwas stattgefunden hat. Zum Beispiel ein Berg, der vor Millionen Jahren in einer flachen Gegend entstand. Oder das zweite Goetheanum, das über dem ersten Goetheanum gebaut wurde. Oder im Persönlichen: Ich hatte einen Autounfall, und immer, wenn ich wieder durch diese Kurve fahre, ist sie etwas Besonderes. Für jeden anderen ist es kein Ort, sondern einfach eine Kurve. Diese Orte werden zu Orten, weil sie eine Geschichte haben; geologisch, historisch oder persönlich. Ob auf subtile oder grobe Weise, besuchen wir sie wie Touristen. Ich fahre nach Venedig, weil ich Renaissance sehen will. Ich gehe an einen besonderen Strand. Und selbst wenn es dort keine Touristen gibt, bin ich der Tourist – gekommen, um zu konsumieren. Die andere Art von Orten sind jene, wo ein Ereignis stattfindet. Sie bestehen nur so lange, wie sich Menschen investieren. Hört das Ereignis auf, werden sie geschichtliche Orte. Es gab Musikclubs, in denen musikalische Entwicklung stattfand. Im Starclub in Hamburg haben die Beatles zum ersten Mal gespielt. Später wurde der Club musikalisch irrelevant, die Beatles spielte man jedoch weiterhin. Das Ereignis ist vorbei, aber die Geschichte bleibt. – Zu den geschichtlichen Orten haben wir eine pflegende Beziehung. Wenn jemand den Petersdom abreißen wollte, wäre ich dagegen. Wir wollen diese Orte so erhalten, wie sie sind. Wir wollen nichts ändern, höchstens restaurieren, sodass andere sich erinnern und die Früchte der Vergangenheit aufnehmen können. Im Gegensatz dazu streben wir an einem Ort, der ein Ereignis sein soll, unaufhörlich danach, Unterschied zu produzieren. Solch ein Ort muss sich immer wieder von sich selbst unterscheiden. Ein Konzertsaal mit dem besten Orchester wird langweilig, wenn täglich das gleiche Konzert gespielt wird. Ein Ereignis lebt davon, das es ein immer neu werdender Prozess ist.

Beide Arten von Orten bringen Probleme mit sich. Ein werdender Ort muss sich fragen, wie er seine Identität behält, wenn er gleichzeitig im Wandel sein soll? Ein Café, in dem einmal Rock, einmal Klassik, dann Jazz und zwischendurch Techno gespielt wird, wird schwerlich zu einem attraktiven Ort. Der Ausdruck des Werdenden darf nicht willkürlich sein, der Ort muss einen bestimmten Charakter durchtragen. Es muss spürbar bleiben, das, ‹etwas› im Begriff ist zu werden, und dieses ‹etwas› kann nur menschlich getragen sein. In den Protestlagern der letzten Monate lebt etwas davon. Doch diese Orte sind sehr flüchtig, es gibt nichts, was ihnen geschichtliches Fundament gibt. Eine Gruppe von Menschen muss den Ort im Griff haben, sodass er im ‹Werden› bleibt. Das schafft solch einer Gemeinschaft ein permanentes Identitätsproblem. – Die geschichtlichen Orte haben das Problem, dass sie ihre Identität auf Gewesenes bauen. Je weiter sie sich von ihrer historischen Berechtigung entfernen, desto mehr verlieren sie das, was sie zu einem Ort macht. Mit der Zeit fransen sie aus, werden ausgenutzt und verlieren ihren Sinn. Man kann hingehen, sich fotografieren und das wars. – Am Goetheanum wollen wir beide Ortsqualitäten und kämpfen deshalb auch mit beiden Problemen. Im Umgang mit dem Goetheanum-Bau tendieren wir eher zum historischen Erhalten. Anthroposophie als Bewegung trägt eher den Vorsatz, ein Ort zu sein, der dem Werdenden – das ja das Geistig-Menschliche an sich ist – ein Zuhause gibt.

Wie bleibt ein Ort ein Ereignis ? Orte, an denen Menschen ganz bestimmte Verhaltensformen pflegen, werden zu Wesen. Es gibt die Vorstellung, das gewisse Gebäude oder Gemeinschaften eine Art Topf für Wesen sein können, die sich dann von oben hineinsenken. Aber Orte haben kein Wesen, sie sind selbst Wesen. Dort, wo sich etwas auf bestimmte Weise verhält und daher von anderem unterscheidet, dort ist dieses oder jenes Wesen anwesend oder eben nicht. Ob und wie das geschieht, hängt an der Art und Weise, wie wir

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zwischenmenschlich zusammenarbeiten. Ursprünglich nannte man dieses miteinander Handeln und Verhandeln Politik. Dass Politik heute zu etwas Verrücktem geworden ist, hat damit wenig zu tun. Eigentlich ist Politik die Form, wie sich eine Gruppe zueinander verhält, oder die Formen des Bestimmens dieser Beziehung. – Was sind nun die richtigen politischen Verhältnisse, die herrschen sollten, um einen Ort zu schaffen, an dem das Werdende Hauptmotiv ist? – An diesem Punkt stellt sich die Frage nach der Freundschaft. Denn Freundschaft ist vielleicht die tiefste, höchste und menschlichste Form von Beziehung. Im Religiösen oder im partnerschaftlichen Sinn nennt man sie auch Liebe. Ein arabisches Märchen schildert uns jedoch auch ein zentrales Problem der Freundschaft:

E

in junger Mann kommt zu seinem Vater: «Schau, ich habe tausend Freunde!» «Hast du tausend Freunde», entgegnet der Vater, «hast du keinen! Ich habe nur einen, aber er ist ein wahrer Freund.» Daraufhin der Junge: «Die tausend sind auch meine wahren Freunde», und er beharrt so lange, bis der Vater eine Probe vorschlägt: «Wir schlachten ein Schaf und stecken es in einen Sack. Damit gehst du zu jedem deiner tausend Freunde und sagst, du hast jemanden umgebracht und brauchst Hilfe, um aus der Stadt zu fliehen. Schauen wir, was geschieht!» Der Junge klopft an die Türen seiner Freunde, mit dem ‹Leichnam› im Sack über der Schulter und bittet um Hilfe. Nach langer Zeit kommt er zurück zu seinem Vater: «Keiner hat mich eingelassen, einige haben vorgeschlagen, dass ich mich bei der Polizei melde, manche haben mich verjagt und gedroht, die Polizei zu holen, wenn ich nicht verschwinde.» Der Vater nickt mit dem Kopf und sagt: «Gehe nun zu meinem Freund. Er kennt dich nicht, aber sag ihm, dass du mein Sohn bist, dass du einen Mann erschlagen hast und Hilfe brauchst – nur das!» Der Sohn geht hin und klopft an. Als des Vaters Freund öffnet, sagt er: «Ich bin der Sohn deines Freundes. Ich habe einen Menschen umgebracht und brauche Hilfe.» Der Mann nimmt ihn ins Haus, füllt ein Bad, wäscht ihn, bringt ihm saubere Kleider und vergräbt den Sack in seinem Garten. Dann gibt er ihm alles Geld, das er im Haus hat, und schlägt ihm vor, für einige Zeit zu verreisen, bis sich alles beruhigt hat. Verschämt und zu Tränen gerührt, bringt der Junge das Geld zu seinem Vater. Nun gehen beide zurück zu des Vaters Freund und erzählen ihm von der Probe. Sie graben das Schaf aus, richten es an und feiern ein Fest auf die Freundschaft.

Freundschaft sprengt das Gesetz Das Wunderbarste an der Freundschaft – dass ich alles für meinen Freund tun würde – ist zugleich das Problem. Durch Freundschaft stelle ich einen Menschen über alle anderen. Absolute Freundschaft ist gerade, dass ich einen Menschen nicht als ‹Glei-

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chen unter Gleichen› betrachte, sondern als einen Besonderen. So besonders, dass ich ihn über das Gesetz stelle: «Seine Tat ist schrecklich, aber da ich ihn liebe, werde ich ihm beistehen.» Weitergedacht heißt das, dass unsere Gesellschaft auf Prinzipien baut, die gerade gegen diese höchste Form menschlicher Beziehung stehen: Vor dem Gesetz sollen alle gleich sein. Für das Prinzip der Freundschaft ist jeder Freund ganz besonders. Es mag sein, dass ich für das Wohl meines Freundes entscheide, ihn dem Gesetz auszuliefern, aber es kann auch umgekehrt sein. Freundschaft schafft singuläre Beziehungen, Beziehungen, die ich mit keinem anderen habe. Das bedeutet nicht, dass ich nicht tausend Freunde haben kann, aber ich würde mit jedem eine einmalige Beziehung pflegen müssen. Prinzipiell kann Freundschaft also keinem Gesetz unterstehen, weil Gesetze allgemeinen Charakter haben und Freundschaft einen spezifischen Charakter hat. Man kann zwei Freunde haben, aber kein Freund ist durch einem anderen ersetzbar. Freundschaft und Gleichheit sind vor dem Gesetz widersprüchlich. Bevor wir weitergehen, sollen drei Unterscheidungen festgehalten werden.

Keine Freunde 1. Freundschaft und Freundlichkeit haben nichts miteinander zu tun, sie sind gerade das Umgekehrte. Freundlichkeit versucht zu allen Menschen gleich freundlich zu sein. Freundlichkeit ist eine nette Sache, sie sollte nur nicht mit Freundschaft verwechselt werden. Bei einem Fest merkt man: Wenn ich alle einlade, ist es, als ob ich keinen eingeladen hätte. 2. Freundschaft baut auf die Einmaligkeit eines Menschen und verwechselt diese nicht mit seinem Subjekt. Das Subjekt ist eine Collage von Meinungen und hat mit dem, was uns einmalig macht, nichts zu tun. Es ist immer wieder enttäuschend, wenn man merkt, das unsere Meinungen – die uns am nächsten scheinen – sehr unpersönlich sind. – Singularität ist darin zu finden, ‹wie› man sein Subjekt aufbaut, nicht in dem Subjekt, das man aufgebaut hat. Deswegen kann man einem Fünfzehnjährigen gegenüber das Gefühl haben: «Momentan ist er unerträglich, aber er wird ein toller Mensch werden. Seine Meinungen, seine Musik – alles, was er sagt, ist unerträglich, aber ‹wie› er das macht, darin liegt etwas Besonderes.» 3. Freundschaft muss asymmetrisch, also einseitig angelegt sein. Ich kann nicht erwarten, das meine Liebe auf Gegenliebe stößt. Wenn er mein Freund sein soll, weil ich sein Freund bin, ist die Beziehung nicht mehr singulär. Dann ist es Business. Oder Brüderlichkeit im ökonomischen Sinne. Dann wird es zum allgemeinen Austausch. Das heißt, die Moral der Freundschaft funktioniert ganz einseitig.

Liebe Freunde, was würde es bedeuten, Freundschaft zum ordnenden Prinzip einer Gesellschaft zu machen? – Ich denke, das Bedürfnis ist klar; es ist die einzige Gesellschaftsform, die das Werdende,


Perle Was wir tun oder getan haben, gehört der objektiven Welt an, ist ins Werk gesetztes Karma; was wir als Persönlichkeit sind, ist in fortwährendem Werden. Und das Urteil, das wir fällen über irgendetwas, was ein Mensch getan hat, muss im Grunde genommen auf einem ganz anderen Blatt stehen als das Urteil, das wir fällen über den Wert oder Unwert einer menschlichen Persönlichkeit. Wir müssen, wenn wir uns den höheren Welten nähern wollen, lernen, der menschlichen Persönlichkeit so objektiv gegenüberstehen zu können, wie wir einer Pflanze oder einem Stein objektiv gegenüberstehen. Wir müssen lernen, Anteil haben zu können auch an der Persönlichkeit derjenigen Menschen, die Taten verrichtet haben, die wir vielleicht im eminentesten Sinne verurteilen müssen. Gerade diese Trennung des Menschen von seinen Taten, die Trennung des Menschen auch von seinem Karma, die muss man vollziehen können, wenn man imstande sein will, ein richtiges Verhältnis zu den höheren Welten zu gewinnen.

das heißt das unaufhörliche Produzieren von Unterschied, von Singularität, von Einmaligkeit zu ihrem Grundprinzip macht. Nur wenn ich den anderen nie als Allgemeinen, das heißt als schon Gewordenen betrachte, kann sich das Zusammenleben ständig erfrischen. Es kann natürlich nicht darum gehen, Gesetze oder Formen zu finden, um solch ein Ideal zu verwirklichen. Formen und Gesetze folgen, wenn Menschen anders zu denken anfangen. Nicht umgekehrt. Singularität kann man nicht fordern als Gesetz. Es geht also nicht um Gesetzesveränderungen, sondern um ein Verändern der Haltung. Dabei würde sich das idealistische Denken über Gesellschaft umstülpen. Der alte Satz lautet: «Frag nicht, was die Gesellschaft für dich macht, sondern was du für die Gesellschaft machen kannst.» Hier ist man ein Teil von etwas Größerem, die Singularität ist nicht so wichtig. Ein anderer Blick wäre: «Was kann ich für jeden einzelnen Menschen der Gesellschaft machen?» Jetzt wird der Einzelne wichtig, nicht die Gesellschaft als Allgemeine. Es geht also darum, dass er oder sie, dass konkrete Menschen in ihrer Entwicklung weiterkommen und es geht darum, wie meine immer wechselnde Unterstützung dazu aussieht. Das Ur-Prinzip ‹einer für alle› würde umgestülpt in eine Gesellschaft, in der sich einzelne Menschen in den Dienst einzelner Menschen stellen. Darin liegt ein zukünftiges Prinzip, in dem das Werden zum Motor der Gesellschaft wird, da es alle Handlungen an konkrete menschliche Beziehungen anpasst. Wenn das Werden des Einzelnen im Mittelpunkt steht, dann werden Unterschiede und nicht Allgemeinheiten gepflegt. Physische wie geistige Orte könnten entstehen, die nicht einer festgeschriebenen Geschichte untergeordnet sind, sondern aus der permanenten Produktion unterschiedlicher Einzigartigkeit bestehen.

Regeln, um sie zu brechen Dieses Bild eines auf Freundschaft basierenden Ortes ist ein Leuchtturm, in dessen Richtung eine Gemeinschaft arbeiten kann. Gleichzeitig wirft es natürlich viele Fragen und Ängste auf. Solch ein Ort würde beispielsweise bestrebt sein, so wenig Regeln wie möglich zu haben, weil er unaufhörlich die Ausnahme gegenüber den Regeln bevorzugt. Denn die Beziehung zum Freund ist immer eine Beziehung zur Ausnahme. Das heißt, jede Regel würde nur dazu da sein, um situativ übertreten zu werden. In der gewaltigen Erzählung ‹Der Großinquisitor› von Dostojewski finden sich einige der großen Vorbehalte und Ängste, die mit solch einer Gesellschaft von freien Menschen zusammenhängen. Dazu und zu einer möglichen Lösung dieser Probleme in einem weiteren Beitrag. Dieser Text beruht auf einem Vortrag, der im Kontext des Ausstellungsprojektes ‹Goetheanum Einszueins› im Winter 2011/12 im Goetheanum stattfand.

Rudolf Steiner, GA 164

Zvi Szir malt, schreibt und denkt, gründete und leitet mit Julitta Krebs die Neue Kunstschule in Basel: www.neuekunstschule.ch

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richtet sich der Ätherleib so ein, dass er im Nachschaffen der Linien Gedankenformen erzeugt, die imstande sind, «mit der einen oder anderen Art von Wesenheiten sich in eine Verbindung zu setzen».4 So kann durch ein bewusstes Üben der Schüler die höheren Formen des Denkens erlangt, die der abendländische Okkultismus als Imagination, Inspiration und Intuition beschreibt. – Es ist der rosenkreuzerische Schulungsweg, bei dem es vor allem auf das Anfängliche, die Absicht ankommt, die in der Kunst weitere Ausführungen und Bearbeitungen finden soll.5 Dabei ist es müßig, sich die Frage zu stellen, wer das erste abstrakte Bild der Kunstgeschichte gemalt hat. Entscheidend ist, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein künstlerischer Erneuerungswille sich bemerkbar macht, dessen Gesinnung auf das Spirituelle zielt.6

Karl-Heinz Tritschler

Ein geheimnisvoller Strang

Hilma af Klint (1862-1944)

Sie zählt zu den ersten abstrakten Künstlern. Rudolf Steiner und Christian Rosenkreutz waren für sie wegweisend. «Der Weg, auf welchem wir uns heute schon befinden und welcher das größte Glück unserer Zeit ist, ist der Weg, auf welchem wir uns des Äußeren entledigen werden, um statt dieser Hauptbasis eine ihr entgegengesetzte zu stellen: die Hauptbasis der inneren Notwendigkeit. Aber wie der Körper durch Übung gestärkt und entwickelt wird, so auch der Geist.»1 – So steht es in der 1911 von W. Kandinsky verfassten Schrift ‹Über das Geistige in der Kunst›, der vielleicht bedeutendsten Lehrschrift eines Künstlers im 20. Jahrhundert. Angeregt wurde er zu seinen Gedanken durch die seit 1905 in der Zeitschrift «Luzifer-Gnosis» publizierten Aufsätze von Rudolf Steiner,

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die 1908 unter dem Titel «Die Stufen der höheren Erkenntnis» erschienen sind.2 Eine weitere Veröffentlichung, die Kandinsky auf seinem Weg zur abstrakten Malerei inspirierte, ist das Buch «Gedankenformen» von C. W. Leadbeater und A. Besant, welches ebenfalls 1908 auf Deutsch erschienen ist.3 Nach Auffassung der Autoren konstelliert sich die höhere Materie, wie der Sand auf der Chladnischen Palette, zu bestimmten Figuren, wenn sich die Aura des Menschen durch Gefühle und Gedanken in Schwingung versetzt. Auch Steiner spricht von Gedankenformen. Er beschreibt sie in ihrem okkulten Aspekt als Wesenheiten. Betrachten wir solche Formen, dann

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Dabei besteht für das Verhältnis von Wollen und Denken die folgende Gefahr: Sieht man den Formen, «die geschaffen werden, irgendetwas von dem an, was als Idee gegeben werden muss in der Geisteswissenschaft, so ist das künstlerischer Unfug, ist das nicht wirklich Kunst». Um dem Irrtum zu entgehen, bedarf es einer Methode, durch die der Mensch in seinem Seelenleben ein anderer wird, «der in Bezug auf alles, was an ihm ist, anders empfinden lernt, als man irgendwo heute lernen kann». Dann überlässt er sich auf dem betreffenden Gebiete, auf dem er sich zu betätigen hat, dem, was als Impuls in ihn gelegt ist.7 Eine solche Interpretation von Kunst lässt den Willen frei. Lediglich die Erkenntnis stellt hier ihren Anspruch, der sich aus der selbstlosen Hingabe an die Sache begründet. Für Hilma af Klint, deren Retrospektive neben der Dauerausstellung von Joseph Beuys vom 15. Juni bis 6. Oktober 2013 im ‹Hamburger Bahnhof› in Berlin zu sehen ist, war das Studium der Geisteswissenschaft eine für die Kunst richtunggebende Kraft, um ein tieferes Verständnis der Welt und der menschlichen Existenz zu erlangen. Ihr Bemühen zielte auf das Bewusstsein der imaginativen Welt, in die der Christus eingezogen ist.8 Darüber hat Rudolf Steiner zum ersten Mal am 12. Januar 1910 in Stockholm gesprochen. – Die Kunstgeschichte des 20.Jahrhunderts muss in einem Zusammenhang mit diesem Ereignis gesehen werden, mit allen Konsequenzen, die sich daraus für das Schicksal des Einzelnen wie auch für die Gesellschaft als Ganzes ergeben. In der Ausrichtung auf das spirituelle Zentrum in der an die Erde angrenzenden ätherischen Welt formt


sich für die Kunst ein neues Motiv, für das die Darstellung der Parallelwelten eine wichtige Rolle spielt. Ein grundlegendes Prinzip, um die gestaltenden Bildekräfte nachvollziehbar zu machen, ist die polare Beziehung verschiedener Elemente aufeinander, wodurch sie, zusammen angeordnet, im Betrachter eine seelisch-geistige Stimmung anregen, die das einzelne Bild für sich nicht bewirken kann. Darauf hat Rudolf Steiner hingewiesen, dass durch einen solchen Paralellprozess durch bestimmte Formierungen im Astralleib – und deren Nachschaffen durch den Ätherleib – Gedankenformen entstehen, die im «Evolutionsgedächtnis» eingeschrieben sind.9 – Das bleibt jedoch «im Unterbewusstsein und ist, indem es in die Idee und Bilder hineingelegt ist, nur in abstrakter Weise durch Begriffe wiederzugeben».10 – Damit stellt sich die Frage, inwieweit – ähnlich wie bei Joseph Beuys – das Rosenkreutzer-Motiv im Leben der Malerin Hilma af Klint eine für die Kunst wegweisende Rolle spielt?11 Denkt man an die abstrakte Malerei, dann kommen einem Künstler wie Kandinsky, Mondrian, Kupka und andere in den Sinn. Sie gelten als Mitbegründer eines neuen Stils, den sie aus der Begegnung mit der Theosophie entwickelt haben. Doch wer kennt Hilma af Klint, die 1862 auf Schloss Karlsberg in Solna geborene Malerin? In der Kunstgeschichte war sie lange Zeit unbekannt, bis eine Auswahl ihrer Bilder 1986 auf der Ausstellung ‹The Spiritual in Art: Abstrakt Painting 1890–1985› zu sehen war.12 Die Künstlerin entstammt einer wohlhabenden schwedischen Familie und war eine der ersten Frauen an der Königlichen Akademie der freien Künste in Stockholm (1882–1888). Nach einer spiritistisch–orientierten Frühphase trat sie 1888 in die von H. P. Blavatsky und H. S. Alcott 1875 in New York gegründete Theosophische Gesellschaft ein. Nachdem sie Rudolf Steiner 1908 in Stockholm begegnet war, wo er vor den Mitgliedern der Theosophischen Gesellschaft eine Ansprache über das «wahre Rosenkreuzertum» hielt, schloss sie sich nach dem Tod ihrer pflegebedürftigen Mutter (1920) der Anthroposophischen Gesellschaft an.13 In den folgenden Jahren verbrachte sie mehrere längere Aufenthalte in Dornach, um sich dort in die malerischen Schulungsskizzen von Rudolf Steiner zu vertiefen. Was sich äußerlich gesehen wenig spektakulär erweist, lässt bei näherer Betrachtung ein verborgenes Motiv ihrer Biografie erkennen. Ähnlich wie in ihren Bildern,

die sie mit strengen Auflagen nach ihrem Tod der «Stiftelsen Hilma af Klint Verk» vermachte, verbindet sich auch mit ihrem Leben ein geheimnisvoller Strang. Ihre Begegnung mit Rudolf Steiner fällt inmitten der Auseinandersetzung innerhalb der Theosophischen Gesellschaft. C. W. Leadbeater hatte 1909 die Behauptung aufgestellt, das sich in dem 16-jährigen Knaben Jiddu Krishnamurti aus Adyar der künftige Weltenlehrer, Lord Maitreya verkörpern würde, wodurch er ein Gefäß für die Reinkarnation Christi sein würde. Am 11.Januar 1911 wurde zur Vorbereitung auf das Ereignis der Orden des Sterns im Osten gegründet, worauf der in Schweden geborene Anthroposoph und Vortragsredner C. A. Walelen Brosamen (1863-1941) während der Generalversammlung der Deutschen Sektion am 14. und 15. Dezem-

Bei allem, was wir bis heute über das Leben der Hilma af Klint wissen, ist sie dem Ruf des «Stifters» treu gefolgt.16 In ihrem Testament hat sie verfügt, dass ihre Bilder erst 20 Jahre nach ihrem Tod ausgestellt werden. Sie erwartete, dass es dann möglich sein würde, ihre Bilder einer empfänglicheren Öffentlichkeit zu zeigen. Auch hat sie noch zu Lebzeiten Maßnahmen ergriffen, um ihr Werk vor ökonomischen Interessen des Kunstmarktes zu schützen. – Hilma af Klint hat durch die Kunst ihrem Willen eine lebendige Gedankenform eingeprägt, deren Zusammenklang mit dem Rosenkreuzer-Impuls es für die Kunstgeschichte zu entdecken gilt. Bild links: Hilma af Klint ‹Der Schwan, Nr. 17› Gruppe IX, Serie SUW, 1914-15. Öl auf Leinwand,155 x 152 cm © Stiftelsen Hilma af Klints Verk. Foto: Moderna Museet / Albin Dahlström

Im Testament verfügt sie, dass ihre Bilder erst 20 Jahre nach ihrem Tod ausgestellt werden. Sie erwartete eine empfänglichere Öffentlichkeit für diese Zeit. Jetzt sind sie in Venedig auf der Biennale und in Berlin im Hamburger Bahnhof zu sehen.

ber zwei Ansprachen hielt, in denen er den Willen der nicht in Deutschland lebenden Mitglieder betont, «eine Form zu finden, durch die es möglich ist, ungehindert von allen entgegenstehenden Einflüssen geistige Arbeit im Sinne rosenkreuzerischer Geisteswissenschaft zu pflegen».14 Daraufhin wurde am 15. Dezember durch Rudolf Steiner der Versuch unternommen, den Inhalt der «Stiftung für theosophische Art und Kunst» in das Bewusstsein der Anwesenden zu rufen, während der von Baron Walelen angeregte «Bund» für rosenkreuzerische Geisteswissenschaft am darauffolgenden Tag seiner Form nach bestätigt wurde.15 Es ist unwahrscheinlich, dass Hilma af Klint den Baron nicht gekannt hat. Walelen war in Skandinavien als Vortragsredner bekannt. Zudem hat er für mehrere Jahre den Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft in Stockholm geführt. Es kann die Empfindung reifen, die schwedische Malerin sei durch die ihrer Kunst zugrunde-liegende Idee gemäß der von Steiner beschriebenen Arbeitsmethode mit dem «Stiftungs-Impuls» vertraut: dass sie eine echte Schülerin des Christian Rosenkreuz war. – Darauf lässt das Stiftungsziel schließen: Die Anerkennung der geistigen Welt als der Grundwirklichkeit, bei Hochachtung jedes Einzelnen in seinem geistigen Streben und bei Ausschließung alles Persönlichen.

|1 Wassily Kandinsky ‹Über das Geistige in der Kunst› Bern 1952, S. 85 f.  |2 Rudolf Steiner ‹Die Stufen der höheren Erkenntnis› GA 12, Dornach 1993, S. 42  |3 Charles W. Leadbeater, Annie Besant, ‹Gedankenformen›, Freiburg i. Brg. 1993 |4 Rudolf Steiner, GA 284, Dornach 1977, S. 151  |5 Rudolf Steiner ‹Aufbaugedanken und Gesinnungsbildung, gesprochen zu den Generalversammlungen des Vereins des Goetheanums› Dornach 1942, S. 49 ff.  |6 ‹Das Geistige in der Kunst – Abstrakte Malerei 1890–1985›, Stuttgart 1988. Übersetzung des Ausstellungskatalogs ‹The Spiritual In Art› Los Angelos County Museum of Art, 1986  |7 Wie 5, S. 54  |8 Rudolf Steiner ‹Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit› GA 15  |9 Rudolf Steiner, GA 233a, Dornach 1980, S. 92f. und GA 130, Dornach 1977, S. 66ff.  |10 Martin Barkhoff ‹Anthroposophie in BeuysWerken› in ‹Das Goetheanum› Nr. 27/1994. Zitat in: wie 4. Vergl. dazu: Rudolf Steiner ‹Von Jesus zu Christus› Karlsruhe 5. Oktober 1911  |11 K.-H. Tritschler ‹Joseph Beuys und die Rosenkreuzer› in ‹Goetheanum› Nr. 33–34/08  |12 Wie 6, Åke Fant ‹Das Beispiel der Malerin Hilma af Klint› S. 155ff.  |13 Günther Wachsmuth ‹Rudolf Steiners Erdenleben und Wirken› Dornach 1964, S.122  |14 Virginia Sease ‹Rudolf Steiners Versuch einer Stiftung für theosophische Art und Kunst› Dornach 2012, S. 38  |15 Robin Schmidt (Hg.) ‹Gesellschaft für theosophische Art und Kunst – 1911› Dornach 2012, S. 35ff.  |16 Rudolf Steiner, GA 264, Dornach 1984, S. 421 ff.

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Johannes Nilo

Wie aus der Nacht stumm gesprochen Die Biennale 2013 in Venedig regt an, über den Unterschied von Abbild und Vorbild, artifizielles Bild und Wirklichkeit nachzudenken, und versucht, so einen Zipfel des Universums zu erhaschen.

In den letzten 20 Jahren haben sich immer neue Kunstbiennalen gebildet. Heute gibt es weltweit über 200 von São Paulo über Istanbul bis Schanghai. Diese Entwicklung spiegelt die globalisierte Gesellschaft. Kunst wird längst nicht mehr in einigen wenigen Städten verhandelt und definiert, wie es der Fall war, als Paris vor dem Zweiten Weltkrieg das Zentrum bildete und New York nach dem Krieg zur maßgebenden Kunststadt der Welt avancierte. Kunst bildet sich heute aus einem vielstimmigen, nicht mehr überschaubaren weltweiten Gespräch. Das Ausstellungsformat der Biennale ist für den Dialog besonders fördernd, kommt hier doch viel Welt, viel verstreutes Wissen für einen Moment in einer ungewöhnlichen Dichte zusammen. Die einflussreichste und zugleich älteste Kunstbiennale der Welt, ‹La Biennale di Venezia›, ist diesbezüglich ein besonders gutes Beispiel. Seit 1895 findet sie zweijährlich, wie das italienische Wort ‹biennale› besagt, statt. Die Biennalen sind auch deshalb an Anzahl und Ausmaß gewachsen, weil das öffentliche Interesse für Gegenwartskunst in den letzten 20 Jahren stark zugenommen hat. Die Antwort auf die Frage, warum es so gekommen ist, ist vielschichtig. Sicher spielen Marktinteressen eine erhebliche Rolle. Gegenwartskunst ist ein ernst zu nehmendes Investitionsobjekt geworden. Damit verbunden, und letztendlich wichtiger, ist der Status, der mit dem Besitz eines Kunstobjekts einhergeht. Werke bestimmter Künstler signalisieren genauso wie die Bekleidung, der Titel oder der Beruf den gesellschaftlichen Stand eines Menschen. Ein Werk von Jeff Koons kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern setzt auch die richtige Verbindung zu einer Galerie voraus. Letztendlich drückt das Werk nicht nur Reichtum, sondern auch den Einfluss des Besitzers aus.

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Der Kurator, Massimiliano Gioni, kennt die Gefahr dieser Kunstevents und das Pro­ blem, wenn Kunst zum Identitätsstifter für Ansehen und Einfluss degradiert. Er glaubt, dass die Kunst ein Gegenmittel sein kann, um die geisttötende Dominanz des Markts zu durchbrechen. Das Format der Biennale ist für ihn weniger ein Spektakel als ein Instrument für Forschung und Erziehung geworden.1 Sein angeborenes Misstrauen gegenüber dem Glauben an das singuläre Meisterwerk führt zu einer Erweiterung der Kunst. Sie sollte ermöglichen, kompliziertere und vielsagendere Objekte zu umfassen, Träger von Geschichten und existenziellen Lebenswegen zu sein, verschiedenste Lebensstile sprechen zu lassen. Der Titel der Ausstellung ‹Der enzyklopädische Palast› ist von Marino Auriti übernommen. Auriti plante ein Museum, in dem das gesamte Wissen der Menschheit aufgehoben werden sollte. Es sollte 136 Stockwerke enthalten und 700 Meter hoch sein. Das fünf Meter hohe Modell ist in der Ausstellung zu sehen. Künstler, Wissenschaftler, selbsternannte Propheten, die wie Auriti von einem Bild träumten, das die Fülle und Vielfalt der Welt umfasst, habe es immer gegeben. Durch die konstante Überflutung mit Informationen und Bildern, scheinen solche Versuche, so Gioni, noch dringender zu werden. Die Ausstellung untersucht die Wege, wie Bilder benutzt wurden und werden, um Wissen zu organisieren und um unsere Erfahrung zu formen. Als methodischer Griff weicht sie die Grenzen zwischen professionellen Künstlern und Amateuren, Insidern und Outsidern auf. Gioni fragt sich, welcher Raum noch frei ist für innere Bilder, für Imaginationen, in einer Ära, die von äußeren Bildern belagert ist. Überhaupt, warum sollten wir uns ein Bild von der Welt machen, wenn die Welt selbst zusehends Bildcharakter angenommen hat?2 Ist die

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Kunst in der Lage, Bilder hervorzubringen, die der äußeren Bilderflut standhalten können und sie gar zu überwinden vermögen? Die Diagnose, dass wir in der heutigen Mediengesellschaft belagert sind von Bildern, mobilisiert die Suche nach möglichen Auswegen. Gionis Einfall, bei den Unangepassten und Visionären zu suchen, ist, wenn man es einmal gesehen hat, recht offensichtlich. Sie sind einerseits weniger manipuliert von den äußeren Bildern und andererseits haben sie innere Kraftquellen gefunden, Bilder hervorzubringen, die nicht abgeleitet, also keine Abbilder sind, sondern Bilder, von denen eine Erlösung eher zu erwarten ist. So werden die Outsider die eigentlichen Insider. Unter den 155 ausgewählten Künstlern, wovon 40 nicht mehr leben, finden sich viele für eine Kunstausstellung durchaus ungewohnte Namen. C. G. Jung, zum Beispiel, oder ein japanischer Autist, Shihichi Sawada, der fantastische Tierwesen aus Ton baut, oder ein österreichischer Versicherungsbeamter, Peter Fritz, der zahllose Modelle von Häusern angefertigt hat, und sicher nicht mit der Absicht, sie bei einer Kunstbiennale auszustellen. In der Ausstellung finden sich auch bekannte Namen aus dem professionellen Kunstbetrieb wie Richard Serra oder Steve McQueen. Die Mischung ist anregend. – Vier Arbeiten möchte ich vorstellen.

Camille Henrot und Yuri Ancarani Camille Henrot, eine junge französische Künstlerin, hat ein Video für die Biennale geschaffen zum Thema Schöpfungsmythen. In der ersten Einstellung von ‹Grosse Fatigue› sehen wir einen Computer Bildschirm mit einer Galaxie als Bildschirmschoner. Durch den gut zwölf Minuten langen Film ist es dieser Bildschirm, auf dem Henrot wechselweise bewegte Bilder und Standfotos zeigt. Diese überlappen sich, bilden Muster, wiederholen sich rhythmisch, werden gelöscht,


Wandtafeln von Rudolf Steiner im zentralen Pavillon der Giardini · Siehe auch Artikel von Walter Kugler auf Seite 5

um anderen Bildern Platz zu machen. Es gibt Sequenzen, wo bis zu 20 Filme parallel überlappend laufen. Dann wiederum nur ein Bild. Wir sehen die Hände der Künstlerin, wie sie spielerisch und einfühlend in das Geschehen eingreifend die Bilder berührt, eine Orange über einen Tisch hin- und herrollt, wie sie nach Wikipedia-Artikeln sucht. Eine Stimme begleitet das Geschehen, erzählend, singend, flehend. Dazu kommen einfache Rhythmen, die das Gefühl eines Bildertanzes verstärken. – Die Arbeit ist entstanden während eines Fellowships am Smithsonian Institut in Washington, D. C.3 Dort hat sie Studien über säkulare sowie spirituelle Wissensansätze in diversen Nationalarchiven betrieben. Die Mitarbeiter dieses Instituts tauchen immer wieder in den Filmausschnitten auf. Sie zeigen Welterklärungsmodelle und exotische Vögel, die, sorgfältig nach Farben, in riesigen Kompaktusanlagen abgelegt sind. – Die intelligente Art, wie Henrot Bilder kombiniert, nach Mustern und Farben, nach inhaltlichen Referenzen, nach Proportion und Bewegung erzeugen zusammen mit dem Erzähler und den Rhythmen einen anmutenden Kosmos und ein stimmiges Gegenwartsbild. Dieses zeigt uns im gewissen Sinne einen Endpunkt der Evolution, einen Punkt, wo wir Menschen in einer müde gewordenen Schöpfung wie Götter in die Weltenordnung einzugreifen begonnen haben. Buchstäblich eingreifen tun die Ärzte in einem Videowerk von Yuri Ancarani. Der Film zeigt eine Operation, die mit einem Telemanipulator mit dem Namen Da Vinci durchgeführt wird, ein Operationsroboter, der mit Zangen und Scheren über multiple Gelenke, die in der Beweglichkeit exakt den Händen und Handgelenken des Operateurs entsprechen, dient. Der Operateur schaut in die künstlichen Augen von ‹Da Vinci›, in dem die inneren Organe sichtbar gemacht werden, und führt die Operation

durch. Hier wird das Bild zum Medium für den Eingriff in die Wirklichkeit. Eine Gruppe von Ärzten assistiert ruhig und aufmerksam das Geschehen. Niemals wird gesprochen.

Rudolf Steiner und Tino Sehgal Wie ein Hüter ist die Totenmaske von André Breton an der Schwelle zum größten Raum im zentralen Pavillon der Giardini platziert. Die Augen des Theoretikers des Surrealismus sind geschlossen. Mit geschlossenen Augen öffnen wir uns für den Raum der Imagination, wenden wir uns der emanzipierenden inneren Kraft, der politischen Kraft zu – so der Gedanke Gionis. Wenn wir eintreten, sehen wir 54 Wandtafelzeichnungen von Rudolf Steiner, exakt verteilt auf drei Wände, angeordnet in jeweils drei Reihen überei­ nander. Es ist keine Einladung zum Detailstudium der einzelnen Tafeln, dafür hängen sie zum Teil zu weit oben. Wir bekommen auch nichts an die Hand, was die einzelnen Bilder erklärt. Die schwarzen Tafeln mit ihren Linien und Pfeilern, durchlässigen Gestalten, durchzogen von Farbschichten, Zusammenballungen und Innenraumbildungen, Ausdehnungen und Auflösungen, aber auch mathematischen Berechnungen, und auf einer Tafel zwei sich kreuzende Sehnerven, sprechen ihre eigene Sprache. Auf dem Boden kniend sind drei Personen zu sehen. Sie führen langsame Bewegungen aus und erzeugen dabei Töne und Geräusche. Jedes Mal, wenn ich vorbeikomme, sehe ich eine neue Konstellation von sehr unterschiedlichen Menschen, die sich scheinbar erlauben, einfach sie selbst zu sein. Oft sehe ich, wie einer der drei aufmerksam und mit Fürsorge den anderen begleitet. Es handelt sich um eine Performance von Tino Sehgal. Kleiner, subtiler und etwas hermetischer im Vergleich zu seinen letzten großen Auftritten in der Tate Modern und auf der Documenta. Der 1976 geborene Deutsch-Brite ist ur-

sprünglich Tänzer. Seine interaktiven Performances, die oft auch von Laien durchgeführt werden, zeigt er nur in Museen und er verzichtet auf jegliche Dokumentation. Sogar Verträge mit den Auftraggebern oder die Verkäufe von Werken werden mündlich vereinbart. – Für die Erweiterung der künstlerischen Möglichkeiten wurde Sehgal mit dem Goldenen Löwen geehrt. In der Ansprache bei der Preisverleihung sprach er vom Individualismus des 20. Jahrhunderts, in dem sich die Menschen als Meister der Welt erleben. Das Selbstbewusstsein, alles tun zu können, was man will, und die Welt zu formen und zu kontrollieren, drückt sich in der Haltung aus, dass wir nicht mehr die Bescheidenheit haben, auf die Knie zu gehen. «Wenn du kniest, dann erlebst du dich anders, du fühlst dich nicht mehr wie ein Meister, du erlebst Dankbarkeit», sagt Sehgal. Dies trifft sich mit dem Programm der Inklusion von Gioni. Er will Kunst nicht als ein Symbol für Exzellenz, sondern als ein Instrument für Erzählungen verstehen. – Ein Bezug zu Steiners Wandtafeln wird von Sehgal nicht ausdrücklich hergestellt. In der Sache kann jedoch ein Zusammenhang empfunden werden. Wie die Totenmaske Bretons sind die Augenlieder der Tänzer meistens geschlossen. Die Blicke sind nach innen gewendet. Die Tafeln dagegen bilden eine wache Peripherie, eine kosmische Umgebung, von wo aus wie aus der Nacht stumm gesprochen wird. |1 Siehe Interview in Kaleidoskop, issue 18, S. 81  |2 Vgl. Presseerklärung von Massimiliano Gioni  |3 Auf ihrer Webseite präsentieren sie sich als das weltweit größte Museum und Forschungskomplex mit: 19 Museen, 9 Forschungszentren, 177 angeschlossenen Museen, 30,3 Millionen Besuchern 2012, 102,6 Millionen Besuchern der Webseite 2012, 137 Millionen Sammlungsobjekten, 8,1 Millionen digitalisierten und online zugänglichen Objekten.

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bücher Meine Seele könnt ihr nicht haben Hans Peter Riegel ‹Beuys – Die Biographie› Aufbau Verlag 2013. 607 Seiten, € 28 · Fr. 40 Beuys liebte die Musik von Erik Satie, insbesondere das Klavierstück ‹Sonneries de la Rose + Croix›. Verschiedentlich hat er an Aktionen einige Passagen aus diesem Werk vorgetragen. Satie, wie auch Claude Debussy, waren Mitglieder des französischen Rosenkreuzerordens, dessen Großmeister damals der Schriftsteller Joséphin Péladan (1858–1918) war. Beuys liebte auch Rosen und hat bisweilen in seinen Aktionen rote Rosen gleichsam wie sein Alter Ego präsentiert, denn, so hat er es auch auf ein Poster, das ihn mit einer Rose zeigt, geschrieben: «Ohne Rose tun wir’s nicht.» Ob ihn all dies gleich zu einem Rosenkreuzer macht, wäre Kennern seines Werkes nicht so leicht über die Lippen gegangen. Der Autor Hans Peter Riegel, der vorgibt «Die Biographie» von Joseph Beuys geschrieben zu haben, hat damit keine Probleme, denn Beuys folgte – so Riegel – in allem, ohne Wenn und Aber, der ‹Lehre› von Rudolf Steiner und der stand schließlich «in der Nachfolge von Rosenkreuz als Verkörperung des ‹Christus-Impulses›»(S. 195). Ob Dschingis Khan, Eurasia, Grauballemann, das Projekt Westmensch oder 7000 Eichen, nichts aber auch gar nichts, will uns Riegel sagen, geht bei Beuys ohne Steiner. So abwegig ist dieser Gedanke nicht, jedoch in der Ausführung reichlich kurzatmig, so zum Beispiel, wenn er Beuys unterstellt, dass seine Verwendung des Begriffs ‹anthropologisch› nichts als ein ‹sprachliches Ausweichmanöver zur Vermeidung von ‹anthroposophisch› ist. Ganz falsch ist auch das nicht, jedoch muss man da schon genauer hinsehen und auch dem Zeitgeist Rechnung tragen, der unter dem Diktat links-intellektueller Gedankenakrobatik stand, und da hatten Worte wie ‹Anthroposophie› oder ‹Geist› schlicht keinen Platz. Wenn Beuys in seinen Vorträgen das Wort ‹Geistesleben› nur andachte, verließ sogleich ein Drittel der Zuhörerschaft unter Protest den Saal. Das nächste Drittel verabschiedete sich, wenn er vom ‹Christusimpuls› sprach. Es war nicht recht, wenn Beuys die Dinge beim Namen nannte,

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von Walter Kugler

und es war nicht recht, wenn er sie auf seine Art umschrieb, nachzulesen bei Riegel (S. 217), der ihm vorwirft, dass er «die esoterischen Inhalte seiner Arbeit bald in konkrete, zeitgemäße Rhetorik ummünzen» musste. Im Übrigen ein Problem, mit dem sich auch viele Anthroposophen konfrontiert sehen. Riegel liegt durchaus richtig, wenn er sagt: «Mit seiner diffusen Innerlichkeit wirkte Beuys am Beginn der Sechziger-jahre wie aus der Zeit gefallen.» Die Gründe hierfür wurden schon genannt. Riegel aber will Beuys immer in einer irgendwie diffusmystischen Ecke positionieren, was dann so klingt: «Seine Mission verlangte nach Verkündigung, nach der damit verbundenen Exposition des Missionierenden» (S. 161). Der Autor hat emsig gearbeitet, hat unzählige Quellen im Werk Rudolf Steiners aufgespürt wie kein anderer vor ihm. Doch so, wie das Aufspüren von Quellen ein hohes Maß an Sorgfalt braucht, so auch der Umgang mit ihnen. Die Partituren der Kompositionen von Erik Satie zu sammeln, ist das eine, sie zu lesen und am Klavier zu interpretieren das andere. Hier ist höchstes Einfühlungsvermögen, hier ist das Einswerden mit dem Geist der Komposition, mit ihrer Substanz gefragt. Aus Steiners Vorträgen über die Volksseelenverbindungen zu völkischem Gedankengut abzuleiten, wird dem Thema nicht gerecht. Dafür ist es zu komplex und setzt ein Mindestmaß an Kenntnis geisteswissenschaftlichen Gedankengutes voraus. Für einen Nichtphysiker klingen Termini wie ‹Quarks› und ‹Antiquarks› nicht weniger obskur wie für einen Naturwissenschaftler ‹Lemurien› oder ‹Astralplan›. Es musste Riegel klar sein, dass die Medien noch gehetzter, noch kurzatmiger denken als er, was dann auch zu bizarren Schlagzeilen im ‹Spiegel› und anderen Printmedien führte und dem Interesse an seiner Arbeit eher schadet denn förderlich ist. Angesichts der Fülle von lesenswerten Zitaten aus Steiners Werk, die Riegel anführt, ist es absolut unverständlich, dass er nicht die gleiche Sorgfalt auf Steiners Biografie verwendet hat. Da begnügte er sich ganz offensichtlich mit den kurzsichtigen und kruden Schlussfolgerungen aus der Biografie von Heiner Ullrich, die Steiner ein Scheitern auf allen Ebenen unterstellen, so zum Beipsiel auf dem Gebiet seiner philo-

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logischen und philosophischen Arbeiten über Goethe und Nietzsche. Auch Riegels Behauptung, dass Steiner seine Lehre aus ‹Versatzstücken› von Schriften anderer Denker entwickelt hat, kennt man schon aus anderen oberflächlichen Arbeiten und gerät Riegel nicht gerade zur Ehre. Völlig wirr wird es, wenn er über die Achberger Dreigliederer (S. 398–405) räsoniert und die Schnittmengen zwischen Anthroposophie und APO (Außerparlamentarischer Opposition) auszuloten versucht und sich dabei im Sumpf von SS-Mitgliedschaften einiger Leute, die irgendwie in Berührung mit dem Achberger Kreis kamen, verliert. Die Gedanken von Wilhelm Schmundt über Wirtschaftskreisläufe in einem Atemzug mit der von Nationalsozialisten propagierten ‹Brechung der Zinsknechtschaft› zu behandeln, ist nicht nur ein Ausrutscher. All dies legt vor allem offen, dass Riegel eher ein Statiker bereits bestehender und bisweilen längst überholter Gedankenkonstrukte ist, aber weit davon entfernt ist, das Kreativitätspotenzial zu erkennen oder gar auszuschöpfen und vor allem: in sich selbst in Fluss zu bringen. Dann wären ihm Behauptungen, dass Beuys sogar die altertümliche Frakturschrift von Steiner übernahm und vor allem für «dessen Lehre missionierte» (S. 131), gar nicht erst in den Sinn gekommen. Auffallend ist, dass Riegel gewisse Widersprüche in seinem Text nicht bemerkt hat. So wirft er Beuys und Steiner ein gewisses Mass an völkischem Denken vor, reflektiert aber nicht, dass dies gar nicht kompatibel ist mit dem Freiheitsbegriff beider, den Riegel aber durchaus zur Kenntnis genommen hat, insbesondere im Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit von Beuys (S. 240). So bleibt nach der Lektüre trotz mancher eindrücklicher Schilderungen über Beuys' Akademiezeit, über seine Familie und über einzelne Aktionen ein eher fader Nachgeschmack. Wenn man immer wieder auf Stellen stößt, in denen der Autor die Selbstinszenierung, die Selbstmystifizierung und Verklärung des Joseph Beuys unbedingt zur Sprache bringen will, dann wird das, was er sagen will, um keinen Deut wahrer – im Gegenteil. Die Dinge kehren sich um und richten sich auf einen selbst. Mit seinen bisweilen hart vorgetragenen Anklagen kann Riegel vielleicht ein wenig der zugegebenermaßen real existie-


Radikale ethische Praxis rende Beuys-Verklärung einen Dämpfer geben, aber Beuys selbst, tut das keinen Abbruch, denn letztlich ist er vor allem seinen eigenen Weg gegangen. Er hat vielen vieles gegeben und so manch einer hat versucht, ihm das, was ihm wichtig war, zu nehmen. Aber eines, das wusste er wohl genau, bleibt bei ihm, denn, wie er einmal sagte: «Meine Seele könnt ihr nicht haben.» Die innere Verbindung zwischen Beuys und Steiner hat bislang Wolfgang Zumdick in seinem Buch ‹Der Tod hält mich wach – Joseph Beuys – Rudolf Steiner. Grundzüge ihres Denkens› wohl am eindrücklichsten dargestellt. Aber auch diverse Publikationen von Volker Harlan und Dieter Koepplin, einem der sensibelsten Kenner des Beuys’schen Œuvres, enthalten viele wertvolle Hinweise. Lohnenswert ist aber auch, sich in ältere Jahrgänge der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› zu vertiefen so zum Beispiel in die Ausgaben vom 13. Mai 2001 und 3. Juli 1994. In letztgenannter schrieb in einem lesenswerten Artikel unter dem Titel ‹Anthroposophisches in Beuys-Werken› der damalige Redakteur Martin Barkhoff: «Manche grundlegenden Kunstimpulse und -motive Rudolf Steiners hat niemand unter seinen Schülern so radikal Ernst genommen und realisiert wie Joseph Beuys». Das hat natürlich so manchem nicht gefallen. Aber Barkhoff wäre nicht Barkhoff, wenn er nicht auch sogleich diesen Satz infrage gestellt hätte, aber nicht, um ihn zu Fall zu bringen, sondern den Leser freundlich aufzufordern, doch ein bisschen Ernst zu machen mit der Kultur der eigenen Urteilsbildung. Der Artikel endet mit einem Hinweis auf das Jahresthema der Anthroposophischen Gesellschaft 1994/95 ‹Die christliche Kunst – Das Geheimnis der Schwelle›, wobei es sich Barkhoff nicht nehmen ließ, zugleich dazu anzuregen, dass sich «die Anthroposophische Gesellschaft mit dieser Lebensleistung und ihrem geistigen Weiterwirken auseinanderzusetzen» haben wird. Noch ist es ja nicht zu spät.

Johannes Hohlenberg ‹Søren Kierkegaard Eine Biographie› Schwabe 2011, 465 Seiten, € 20 Oskar Borgman-Hansen hat dankenswerter Weise im Heft 18/19 dieser Wochenschrift an den zweihundertsten Geburtstag des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard erinnert. Dazu sei hier auf ein Meisterwerk biografischer Erzählkunst aufmerksam gemacht, das vor zwei Jahren im Basler Schwabe-Verlag neu aufgelegt worden ist. Johannes Hohlenberg, der Verfasser, war einer der engagiertesten Schüler Rudolf Steiners, erster Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Dänemark seit 1923, ein hoch gebildeter Weltmann, vielseitiger Künstler, erfolgreicher Journalist.1 Er schildert den großen Philosophen im Milieu des alten Kopenhagen der ausgehenden Goethe-Zeit: seine Geselligkeit, sein liebevolles Interesse für die Mitmenschen jeden Standes, sein hintergründig tragisches Schicksal, seine unerhört reiche literarische Produktion samt der zugrunde liegenden Strategie, die sich in der Zusammenschau als ebenso unvermeidliches wie konsequentes Manöver ethischer Überzeugungsarbeit enthüllt: unmittelbar vor dem frühen Tod kulminierend in einer literarischen Schlusskundgebung, die Freunde, Gegner und das Publikum der Stadt, in der noch jeder jeden kannte, tief erschütterte, lange bevor Generationen später die Breitenwirkung einsetzte, durch die Kierkegaard als Wegbereiter der Existenzphilosophie bekannt wurde. Nach Hohlenberg war die bekannte Polemik Kierkegaards gegen die dänische Staatskirche nur eine Art Vorspiel, ein Probelauf für die Bewältigung eines Problems, das zu seiner Zeit noch gar nicht voll in Erscheinung getreten war. Nur widerwillig und mit stillem Bedauern griff der Philosoph die Bediensteten dieser Kirche an, brave Dorfpfarrer oder den von ihm persönlich sehr geschätzten Bischof Mynster, die es sich – nach seinem Urteil – in den traditionellen Lebensformen eines missverstandenen Christentums bequem gemacht hatten. Für ihn waren sie Vertreter des Hegel'schen ‹Systems›, das den freien Menschen im Dienst eines abstrakten Weltgeistes zum Staatsdiener gemacht und damit entmündigt hatte. Die

von Johannes Kiersch

Pointe in Hohlenbergs Argumentation (im Kapitel ‹Søren Kierkegaard und unsere Zeit›) besteht darin, dass die abstrakte Philosophie Hegels nach Kierkegaards Tod als die marxistische Soziallehre und als die materialistische Naturwissenschaft im Sinne Ernst Haeckels in pervertierter, geistentleerter Form sehr viel wirksamer aufgetreten ist als in der harmlosen dänischen Staatskirche und dass sie dann in den Herrschaftssystemen Hitlers und Stalins fürchterliche Realität geworden ist. Die dänische Erstfassung des Buches erschien im Jahre 1940, als Dänemark von der deutschen Wehrmacht besetzt wurde. Hohlenberg begab sich mit seiner Interpretation in Lebensgefahr. (Wie er trotz seiner rückhaltlosen Polemik gegen die Nazis durchhalten konnte, wäre eine eigene Untersuchung wert.) Er zeigte, dass die unermüdliche, dramatische Erkenntnisarbeit Kierkegaards keineswegs nur ein Präludium für weltferne Daseinsanalysen problematischer Theoretiker war, dass sie vielmehr eine soziale und politische Dimension von höchster Aktualität besaß. Das gilt bis heute, und womöglich in gesteigertem Ausmaß. Das abstrakte Systemdenken, in welches der deutsche Idealismus mit Hegels Staatsphilosophie tragisch eingemündet ist, bedroht gegenwärtig – nicht nur philosophisch, sondern höchst praktisch in allen Bereichen des Lebens – das freie Ich. Hohlenberg hat gezeigt, ohne darauf in seinem Buch explizit einzugehen, dass die radikale IchPhilosophie Rudolf Steiners, die im Frühwerk beginnt und gegen das Jahrhundertende im Bunde mit Stirner und Nietzsche ihre äußerste Zuspitzung erreicht2, Jahrzehnte vorher schon von Kierkegaard visionär vorausgeahnt und vorbereitet worden ist. Wir wissen nicht, ob Steiner die Schriften seines dänischen Vorläufers gekannt hat. Nach dessen radikaler ethischer Praxis gelebt hat er auf jeden Fall. |1 Siehe den Beitrag über Hohlenberg von Terje Christensen in: Bodo von Plato (Hg.), ‹Anthroposophie im 20. Jahrhundert – Ein Kulturimpuls in biografischen Porträts› Goetheanum 2003, S. 316–319  |2 Rudolf Steiner, ‹Das integrale Ich – Der Egoismus in der Philosophie› herausgegeben und eingeleitet von Daniel Baumgartner, Rudolf Steiner Verlag 2009

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Smartphone und Bhagavad Gita

Andreas Neider ‹Michael und die Apokalypse des 20. Jahrhunderts› Geistesleben 2013, 224 S., € 17 Das Friedensforschungsinstitut SIPRI hat gerade wieder darauf aufmerksam gemacht, dass in der Welt 4400 betriebsbereite Atombomben lagern mit gegenwärtig rund 2000 unmittelbar einsatzbereiten Atomsprengköpfen. – Wenn man sich den Inhalt dieser Nachricht bewusst macht und sich vergegenwärtigt, dass ein einziger Knopfdruck nötig wäre, um einen solchen Atomsprengkopf zu zünden – schaut man da nicht unmittelbar dem Drachen ins Auge? Wir haben uns aber daran gewöhnt, solche Nachrichten zu bekommen und sie uns eben nicht wirklich voll zu Bewusstsein zu bringen. Wir hören sie so nebenbei, neben dem Abendbrot, oder lesen sie als eine von vielen in der Zeitung, blättern um und lesen die nächste Nachricht. Und es ist genau dies der Charakter unserer Zeit, den Rudolf Steiner kennzeichnet mit dem Auseinanderfallen von Denken, Fühlen und Wollen. Was bedeutet es aber nun, dem Drachen ins Auge zu schauen? Können – wollen – wir alle Atombomben abschaffen? Wäre es für einen Einzelnen sinnvoll, sich diesem Ziel zu verschreiben? Bewirkt die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens, dass wir solch ein Ziel erst gar nicht denken und weiterverfolgen?

Manichäisches Prinzip Schauen wir auf das Bild des Michael mit dem Drachen, wie es Rudolf Steiner zeichnet, so sehen wir, dass St. Georg, der Drachentöter, sich wandelt in den Michael, der die Hand drohend nach dem Drachen streckt. Und noch deutlicher wird diese Verwandlung an den verschiedenen Modellen für die Plastik des Menschheitsrepräsentanten. Rudolf Steiner hat sie zusammen mit Edith Maryon so lange variiert und weiterentwickelt, bis kein aggressiver Drachentöter, sondern ein Christus dargestellt erscheint, der gleichzeitig den Feind bannt und ihn zulässt, dort, wo er berechtigt ist und auf Erlösung durch den Menschen hofft. Das

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von Elisabeth Winterer

ist eine unglaubliche, erschütternde Verwandlung durch das manichäische Prinzip des ‹liebt das Böse gut›. In diesen geistigen Strom eingebettet sehe ich das Buch von Andreas Neider. Wir schauen mit ihm dem Drachen ins Auge und bekommen durch den Blick Rudolf Steiners auf ihn eine Antwort, die unserer Zeit gemäß ist und Verständnis weckt. So ist die Frage, die Andreas Neider zu Beginn seines Buches stellt, also die Frage, weshalb Rudolf Steiner 1913 die Bhagavad-Gita-Vorträge hält, der Schlüssel zu dem großen Bogen, den der Autor spannt, innerhalb dessen er auf Michael und den Drachen des 20. Jahrhunderts bzw. – wie es in seinem Buchtitel heißt – die Apokalypse des 20. Jahrhunderts hinblickt.

Aktualität Nun ist es erstaunlicherweise nicht der Drachen des Holocaust, der hier gemeint ist. Es könnte so angenehm sein, den Drachen hinter sich zu wissen, vorbei, ein Thema der Geschichte. Aber die Themen, die das Buch behandelt, sind Themen, in denen wir mittendrin sind: Wie geht unsere Welt mit Fragen der Medizin um, wie mit Fragen der Sexualität, wie mit Fragen der Technik? Es ist das besondere Verständnis von Andreas Neider, das diesem Themenkomplex eine außerordentliche Aktualität verleiht. Sie lädt ein, Rudolf Steiners ‹Was tut der Engel in unserem Astralleib› nachzulesen, wo das alles schon vor 100 Jahren beschrieben ist.Und doch berührt es uns noch mehr durch dieses wir-sind-da-mitten-drin und den Zusammenhang, den wir in den Phänomenen unserer Zeit mit dem von Rudolf Steiner beschriebenen geistigen Hintergrund zu sehen bekommen. Nun ist aber genau in unserer Zeit auch ein anderes Phänomen weit verbreitet, das sich der Angst vor dem Drachen entledigt durch ‹das glaube ich nicht›, ‹das will ich gar nicht wissen› einerseits und ein gutoder schönreden andrerseits. Wie nähert sich nun Andreas Neider dem Drachen bzw. wie halten wir Leser ihm stand? Dazu beleuchtet das Buch den Entwicklungsgang von Adam Kadmon – Krishna – Apollon – Michael. Und dem dienen auch Rudolf Steiners

Das Goetheanum Nr. 26 · 29. Juni 2013 · Gespräch

Bhagavad-Gita-Vorträge. Mir wäre nicht in den Sinn gekommen, dass ein Smartphone und die Bhagavad Gita etwas miteinander zu tun haben könnten.

Bewusstseinstod und Auferstehung Aber diese ganze Entwicklungsreihe bringt den Zusammenhang in die Sichtbarkeit. So fängt das Buch mit dem Prolog und dem Wagenlenker Arjuna damit an, zu zeigen, welche geistige Kraft schon in dieser frühen Zeit den Entwicklungsimpuls der Menschheit getragen hat. In dieser Kraft lernen wir Michael kennen, der das Antlitz Christi ist, und erleben, wie der Christus, der durch den Tod auf Golgatha gegangen ist, in der Neuzeit, der gegenwärtigen Epoche der Bewusstseinsseele, durch einen zweiten Tod gegangen ist, nämlich einen Bewusstseinstod durch den Materialismus, eine Art Wiederholung des Mysteriums von Golgatha. Die Folgen dieser wiederholten Kreuzigung sind vor allem von Rudolf Steiner selbst aufgefangen worden. Er ist derjenige, der mit seiner Geistesforschung den Bewusstseinstod in eine Auferstehung überführt, in ein Wiedererwachen des Bewusstseins für den Christus, ein Erkennen seiner Göttlichkeit gegenüber dem historizierenden Bewusstseinsverlust nicht nur durch den Materialismus, sondern auch durch die herrschende Theologie. Dies zu sehen bzw. zu lesen, mag einen wachrütteln für die Bedeutung der Anthroposophie – sofern man dessen noch bedarf – oder neu begeistern für ihre Bedeutung und den Wert des Studiums der Werke Steiners, wozu das Buch von Andreas Neider ja erklärtermaßen beitragen möchte. Und nicht zuletzt sind wir durch die Lektüre gestärkt dank dem Ausblick, der uns im letzten Kapitel gegeben wird. In dieser Zeit, in der des hundertjährigen Jubiläums (1913– 2013) gedacht wird und solche Jubiläen sich Jahr für Jahr wiederholen werden bis zum hundertjährigen Todestag, wird uns durch Paulus auf wunderbar warmherzige Weise gezeigt, wie wir uns als Gemeinschaft von geistig Strebenden, als Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft verstehen und uns mit all unseren individuellen Ausprägungen bejahen können – als Glieder eines Leibes: des Christus.


leserbriefe redaktion@dasgoetheanum.ch

Ganz herzlichen Dank für diese Erinnerung an die Entstehung von Elementar­ wesenheiten durch unser Denken und Fühlen. […] Einen wunderbaren Einblick in dieses Schaffen geben die Wasserkristall­bilder von Masaru Emoto. Er hat als Kinderbuch veröffentlicht ‹Die geheimnisvolle Sprache des Wassers›. […] er zeigt auf, wie Gedanken sichtbar werden. Positive Gedanken wie ‹Du bist schön› und ‹Danke› werden zu strahlenden Kristallen. Und negative Gedanken wie ‹Du Schmutzfink› oder ‹Du Idiot› werden zu einer beschämenden Struktur. […] Rudolf Steiner hat uns die Übung zur Gedankenkontrolle gegeben – doch was hilft es mir, mich auf einen Bleistift zu konzen­trieren, wenn ich mich danach wieder über meine Kollegin ärgere und Hetzschriften schreibe. […] In dem wunderbaren Buch ‹Anastasia – die Energie des Lebens› (Band 7) von Wladimir Megre schildert Anastasia im Kapitel ‹Die Ehefrau – eine Göttin›, wie das geht. Die Stimmung im Haus ist nicht gut, der Ehemann verzweifelt, da hört er eine innere Stimme, und Gott verspricht ihm, dass sich seine Frau langsam in eine Göttin verwandelt. Von diesem Blickwechsel ist der Ehemann so angeregt, dass er seine Frau mit neuen Augen betrachtet und dadurch sozusagen ihre Verwandlung mitkreiert; sie spürt seinen Blick, plötzlich ist da wieder Nähe, sie deckt den Tisch mit Kerzen, er kauft Blumen und lang gehegte Träume und Sehnsüchte werden wahr. Das ist des Rätsels Lösung: Blickwechsel.[…] Durch Nichthinschauen entsteht Krankheit, und ich muss enorm viel Energie aufwenden, um diese Dämonen in meiner Seele zu verbergen. […] unsere einzige Rettung wird sein, unseren Verstand so ruhig zu machen und uns auf das Höchste zu konzentrieren, auf das Vollkommene, auf Gott, damit diese Schöpfung wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren kann auf einer neuen Stufe.

[…] Insbesondere ist es wichtig, was Steiner über die ‹Grundrente› geschrieben hat, die ja dem Grundeinkommen nahekommt. Rudolf Steiner hat meines Erachtens nie den persönlichen Egoismus erwähnt, der in individuellen Fällen eine große Rolle spielen kann und in den Beiträgen zum Grundeinkommen – soweit ich sie kenne – nie besprochen worden ist. Der Egoismus ist ja ein Grundelement für Lebenszufriedenheit und damit auch ein Maßstab für die Beurteilung eines Grundeinkommens: Warum hat mein Bruder in Deutschland ein höheres Grundeinkommen als ich in den Niederlanden? […] Warum kann mein Nachbar einen Rollstuhl bekommen und ich nicht? […] und so weiter. In einem ‹wirtschaftlichen› Beitrag sollte dieser Egoismus nicht übergangen werden, weil umso mehr […] die lokalen wirtschaftlichen Umstände eine große Rolle spielen können wie die Fruchtbarkeit des Bodens, die Lage des Landes/der Region am See/Meer, die Beschaffenheit des Bodens (reich an Mineralien?), unterschiedliche Mentalitäten von beispielsweise Deutschen, Italienern oder Griechen, was auch zum Ausdruck kommt in Struktur und/oder Qua­lität der Produkte […], die unterschiedlichen wirtschaftlichen Umstände […] und an­deres mehr. Damit wird die Grundrente, das Grundeinkommen, […] für jedes Land, jede Region auch tatsächlich grundverschieden, so, wie es allein die Sozialnebenkosten jetzt schon zeigen. […] Eine weltwirtschaftlich oder kontinental-wirtschaftlich einheitliche Dimension ist (für die heutigen Verhältnisse) praktisch nicht möglich; Rudolf Steiner hat sich nicht umsonst auf die National­ ökonomie beschränkt (GA 340, Vortrag vom 6. August 1922). Mit einer ‹Belastung› oder Steuer lässt sich das auch nicht ausgleichen […] Vielleicht ist das – wenn auch unbewusst – mit ein Grund dafür, warum man von Anfang an in jedem Land eine andere Währung hatte […]

Sabine Lupus, Orsingen-Nenzingen (DE)

Leonardus van Egeraat, Bosch en Duin (NL)

Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben

Juli/August 2013

Juli / August 2013

Zum Beitrag ‹Grundeinkommen – wirtschaftlich betrachtet› von Paul Mackay im ‹Goetheanum› Nr. 23/2013

Einzelheft 12 €, Abonnement 60 € (Inland) D 2656

Zum Leserbrief ‹Zum Umgang mit Meinungen› von Rudolf Gunst im ‹Goetheanum› Nr. 24/2013

Ohne Zweifel? Von der Schwierigkeit, im Sinn zu leben

Die anthroposophische Kulturzeitschrift

Ohne Zweifel? Von der Schwierigkeit, im Sinn zu leben Lydia Fechner > Du bist, weil Du bist. Gedanken über die Zwecklosigkeit des Lebens Wolf-Ulrich Klünker > »Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft …« Andreas Laudert > Kleist, Kafka und das Lazarus-Motiv der Anthroposophie Enno Schmidt, Robin Schmidt, Gottfried Stockmar im Gespräch > Die Frage nach dem Sinn ist eine Initiationsfrage Beiträge von Uwe Battenberg (Bilder), Elizabeth Wirsching, Johannes Nilo, Rudy Vandercruysse, Ute Hallaschka, Salvatore Lavecchia u.a. Interessiert? Jahresabonnement für 60 € (Ausland 75 €). Ermäßigt 48 (63) €. Diese Ausgabe als Einzelheft (156 S.): 12 € Bestellung an: mercurial Publikationsgesellschaft mbH, Alt-Niederursel 45, 60439 Frankfurt am Main, Tel. 069-95 77 61 22, Fax 58 23 58, E-Mail: leserservice@dieDrei.org Günstige Einstiegs-Abos und zusätzliche Infos: www.dieDrei.org

Das Goetheanum Nr. 26 · 29. Juni 2013 · Gespräch

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Unsere Auftraggeberin ist die Stiftung Edith Maryon in Basel (www.maryon.ch). Sie engagiert sich in der Förderung sozialer Wohn- und Arbeitsstätten und konzentriert ihre Tätigkeit darauf, Liegenschaften zu erwerben, zu halten und an Nutzer langfristig und sozial verträglich abzugeben. Dabei werden sowohl gesellschaftliche und gemeinnützige Aspekte als auch die individuellen Gesichtspunkte einzelner Nutzer berücksichtigt. werden weitere Stiftungen im Bereich der Kulturförderung geführt betreut. santésuisseZusätzlich (www.santesuisse.ch) vertritt die gemeinsamen Interessen der und schweiWir suchen eine/n versierte/n zerischen Krankenversicherer gegenüber Behörden, Verhandlungspartnern und der Öffentlichkeit. Als Branchenverband erarbeitet und formuliert sie die Positionen der Mitglieder zu sozial- und gesundheitspolitischen Fragen in Politik und Öffentlichkeit. Eine der Kernaufgaben ist die Grundlagenarbeit für politisch-strategische Projekte und für die Verhandlungsführung im Rahmen der Festlegung von Tarifen und Medikamentenpreisen. Als

Herausforderung im Gesundheitswesen

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Direkt der Geschäftsleitung unterstellt, führen Sie die Finanzbuchhaltung inkl. Nebenbücher und erstellen die Abschlüsse. Dazu übernehmen Sie eine Reihe weiterer anspruchsvoller Aufgaben: • Liquiditätsplanung /Cash Management in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsleiter übernehmen Sie im Rahmen von interdisziplinären Teams die Grundlagenarbeit der Tarifstruktur in denund Bereichen Medikamente und • für die Weiterentwicklung Zahlungsverkehr, Sollstellungen der Mieteinnahmen Mahnwesen Laboranalysen. Sie führen die Auslandpreisvergleiche durch, leiten selbständig • verschiedene Überwachung und Anpassung Mieten, Baurechte und für Renten Projektgruppen unddersind verantwortlich die Wahrnehmung der Interessen der Krankenversicherer gegenüber der betroffenen Industrie und ver• schiedenen Darlehensverwaltung Bundesstellen in Arbeitsgruppen, Verhandlungsdelegationen und Kommissionen. Mit Ihrem fundiertenProjekte Fachwissen und Ihrem Verhandlungsgeschick • Übernahme fremdverwalteter in die Hauptbuchhaltung tragen Sie dazu bei, die definierten strategischen Zielsetzungen in Bezug auf die zu erreichen. • Kostendämpfung Bearbeitungim vonGesundheitswesen Spezialfällen und sehr vielseitige Aufgabe am Hauptsitz in Solothurn • Diese verantwortungsvolle Abrechnungen von Projekten bietet Ihnen Gestaltungsmöglichkeiten in einem dynamischen Umfeld. Wir setzen voraus, dassder Sie über einen in Hochschulabschluss • deshalbUnterstützung Mitarbeitenden allen Fragen des Finanz-als und Rechnungswesens

Betriebswirtschafter/in oder Apotheker/in mit betriebswirtschaftlicher Weiterbildung Erfahrung Voraussetzung für diese herausfordernde und vielseitigeund Tätigkeit sind nebenim einerschweizerischen fundierten kaufmänGesundheitswesen verfügen. Sie sind es gewohnt, komplexe Sachverhalte analynischen Ausbildung der Eidg. Fachausweis im Finanz- und Rechnungswesen sowie eine mehrjährige tisch und strukturiert zu bearbeiten und die Ergebnisse übersichtlich und auch vor Berufserfahrung. Sie sindzuabsolut bilanzsicher undguten verfügen über Kenntnisse der LiegenschaftsbuchhalGremien souverän präsentieren. Ihre Kommunikationsfähigkeiten und Ihr tung, idealerweise auch des Programms ImmoTop. Sie habe eine exakte, gestellt lösungsorientierte Verhandlungsgeschick haben SieW&W ebenso bereits unter Beweis wie Ihreund selbständige Arbeitsweise, sindSie loyalsind und ausgesprochen teamorientiert und sich mit dergute ZielsetDurchsetzungsfähigkeit. deutscher Muttersprache undkönnen verfügen über Französischkenntnisse. zung der Stiftung identifizieren. Lassen Sie sich von näher über weitere Einzelheiten Herrder Gerne informieren wir Sie überuns weitere Einzelheiten. Herr R. Klauser freut sich informieren. auf Ihre Bewerbung, R. Klauser freut sich auf Ihre Bewerbung, der Sie bitte einige handschriftliche Sie bitte einige handschriftliche beilegen.istAbsolute Diskretion ist zugesichert. Zeilen beilegen. AbsoluteZeilen Diskretion zugesichert. seit 1967

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Veranstaltungen am Goetheanum 28. Juni bis 28. Juli 2013 Ticket-Schalter: Di–So, 8–18.30 Uhr; Fr–Sa, 8–20 Uhr | Telefonisch: Di–Sa, 14–18 Uhr | Tel. +41 61 706 44 44 | Fax +41 61 706 44 46 | tickets@goetheanum.ch | Änderungen vorbehalten

14.6.–9.7.2013 Täglich von 8 bis 22 Uhr Leben im Reigen der Künste Malerei von Elisabeth Wagner-Koch und Gerard Wagner Vorstandsetage, Nordgalerie, Terrassensaal Freitag 28.06.2013 28.–30.6.2013 Das Wesen des Rhythmus in den Eurythmie­ formen von Rudolf Steiner Eurythmiekurs mit Lili Reinitzer. Anmeldung über Studium Euchore bei Lili Reinitzer: lili@reinitzer.ch 9 Uhr Arbeitstag der EurythmieAusbilder Auf Einladung Rudolf Steiner Halde Saal Samstag 29.06.2013 9 Uhr Impuls Bienenvolk Hintergründe und Praxis einer wesensgemässen Bienenpflege Fortlaufender Kurs mit Martin Dettli und Johannes Wirz Glashaus Westkuppel 9 Uhr Verantwortungskreis der Eurythmie-Ausbilder Auf Einladung Rudolf Steiner Halde Atelier 14 Uhr Goetheanum Führung Treffpunkt am Empfang 14 Uhr Goetheanum Guided Tour In English Meeting point at the reception 18 Uhr Vernissage Leben im Reigen der Künste Malerei von Elisabeth WagnerKoch und Gerard Wagner Terrassensaal Donnerstag 04.07.2013 4.–6.7.2013 Heileurythmie-Fortbildung ‹Die Offenbarung der menschlichen Seele› – Das O und sein Umkreis Für diplomierte Heileurythmisten und Ärzte 4.–7.7.2013 Ärzteschulung IFEMA Auf Einladung 4.–7.7.2013 Goetheanum Meditation Worldwide Initiative Network-Conference. On invitation 16:15 Uhr Raum und Zeit Von der Biologie und Struktur der Bäume zur sakralen Geometrie des Ersten Goetheanum. Öffentliches Kolloquium von Ernst Zürcher, Berner Fachhochschule, Biel Glashaus Mittlerer Raum 20 Uhr Parzival von Jakob Streit. Musik von Marcel Rousseau Dirk Heinrich, Rezitation; Marie-Odilie Heinrich, Musik Rudolf Steiner Halde Saal Samstag 06.07.2013 14 Uhr Goetheanum Führung Treffpunkt am Empfang 14 Uhr Goetheanum Guided Tour In English Meeting point at the reception

Sonntag 07.07.2013 20 Uhr Fourth Class Lesson English Language. Held by Joan Sleigh Rudolf Steiner Halde Saal

tages von Albert Steffen. Tragödie in neun Bildern von Albert Steffen. Freies Ensemble; Peter Engels, künstlerische Leitung Schreinereisaal

Freitag 12.07.2013 12.–14.7.2013 Kulturtagung II Metamorphose des tragischen Bewusstseins. Entwicklungsbedingungen der Bewusstseinsseele Tagung anlässlich des 50. Todestags Albert Steffens. Mit Christiane Haid, Michael Kurtz, Heinz Matile, Bodo von Plato und Christof Wiechert 19 Uhr Zur Aktualität des ‹Sturz des Antichrist› Einführung von Heinz Matile zur Aufführung. Eintritt nur mit Tagungskarte ‹Metamorphose des tragischen Bewußtseins› oder Ticket zur Aufführung ‹Der Sturz des Antichrist› Englischer Saal 20 Uhr Der Sturz des Antichrist Aufführung anlässlich des 50. Todestages von Albert Steffen. Dramatische Skizze in drei Akten von Albert Steffen. Thomas Autenrieth, Silvio Bruder, Hans-Peter Egloff, Johannes Händler und Johann Sommer, Schauspiel; Michele Polito, Eurythmie; Nathalie Kux, Regie; Pedro Guiraud, Musik; Ilja van der Linden, Licht. Grundsteinsaal

Sonntag 14.07.2013 9 Uhr Der Künstler als Kulturtherapeut Zur westlich-östlichen Weltgegensätzlichkeit in Albert Steffens Dramen „Friedenstragödie“ und „Lin“. Vortrag von Michael Kurtz Schreinereisaal 11 Uhr La Chute de l’Antéchrist Aufführung anlässlich des 50. Todestages von Albert Steffen. Esquisse dramatique en trois actes. Nach dem Werk von Albert Steffen „Der Sturz des Antichrist“. Aufgeführt von dem Aufführungsprojekt „le Labotheatre03“ aus Frankreich. Louis Marie Defèche, Regie (französisch) Grundsteinsaal

Samstag 13.07.2013 9 Uhr Die Metamorphose des tragischen Bewusstseins als Voraussetzung für die Integration des oberen in den unteren/des unteren in den oberen Menschen Vortrag von Christof Wiechert Schreinereisaal 11 Uhr Von unbekanntem Glück und überraschendem Leid in einem neuen Seelenraum Vortrag von Bodo von Plato Schreinereisaal 14 Uhr Goetheanum Führung Treffpunkt am Empfang 14 Uhr Goetheanum Guided Tour In English Meeting point at the reception 15 Uhr Natur- und Schicksalsmythen Liederkonzert zur Dichtung Albert Steffens. Neue Vertonung zweier Gedichtzyklen durch Raimund Schwedeler und Torben Maiwald. Steffen Hartmann und Marret Winger, Gesang Schreinereisaal 17 Uhr Zum Tempelbau und seinen Bedingungen heute Zu Albert Steffens Tragödie ‹Hieram und Salomo›. Vortrag von Christiane Haid Schreinereisaal 20 Uhr Hieram und Salomo Aufführung anlässlich des 50. Todes-

Samstag 20.07.2013 14 Uhr Goetheanum Führung Treffpunkt am Empfang 14 Uhr Goetheanum Guided Tour In English Meeting point at the reception Montag 22.07.2013 22.–28.7.2013 Mysteriendramen Sommertagung Rudolf Steiners Mysteriendramen und die Erneuerung des Rosenkreuzertums aus dem Geiste Michaels 20 Uhr Rosenkreuzerweisheit in Goethes Märchen und Steiners Mysteriendramen. Die Gestalt der Maria Vortrag von Michaela Glöckler. Eröffnung der Mysteriendramen Sommertagung Grosser Saal

Donnerstag 25.07.2013 9 Uhr Felsen-, Sonnen- und Rosenkreuzertempel Vortrag von Christiane Haid Grosser Saal 14:30 Uhr Führung I Im Rahmen der Mysteriendramen Grosser Saal 16:30 Uhr ‹Sie werden Neues zu dem Alten bringen …› Impulsbeiträge und Gespräch. Constanza Kaliks und JeanMichel Florin, Moderation Grosser Saal 20 Uhr Zeitenschritte Johann Sebastian Bach: Doppelkonzert d-Moll; Edvard Grieg: Holberg Suite u.a. Dichtungen von Rudolf Steiner. Goetheanum Eurythmie-Bühne; Margrethe Solstad, künstlerische Leitung Grosser Saal Freitag 26.07.2013 9 Uhr Strader – Schwellenerlebnisse mit Naturwissenschaft und Technik Vortrag von Johannes Kühl Grosser Saal 14 Uhr III. Der Hüter der Schwelle Ein Rosenkreuzermysterium. 3. Mysteriendrama von Rudolf Steiner. Gioia Falk und Christian Peter, Regie; Roy Spahn, Bühnenbild und Kostüme; Elmar Lampson, Musik Grosser Saal

Dienstag 23.07.2013 9 Uhr Johannes Thomasius – Künstlerschicksal an der Schwelle Vortrag von Michael Debus Grosser Saal 14 Uhr I. Die Pforte der Einweihung Ein Rosenkreuzermysterium. 1. Mysteriendrama durch Rudolf Steiner. Gioia Falk und Christian Peter, Regie; Roy Spahn, Bühnenbild und Kostüme; Elmar Lampson, Musik Grosser Saal

Samstag 27.07.2013 9 Uhr Weltenmitternacht und die Spiegelung der ägyptischen Mysterien Vortrag von Oliver Conradt Grosser Saal 14 Uhr Goetheanum Führung Treffpunkt am Empfang 14 Uhr Goetheanum Guided Tour In English Meeting at the reception 14:30 Uhr Führung II Im Rahmen der Mysteriendramen Grosser Saal 16:30 Uhr Erschaffung der Lebensfelder durch das Michaelisch-Neue Impulsbeiträge und Gespräch. Seija Zimmermann und Florian Osswald, Moderation Grosser Saal 20 Uhr Elmar Lampson. Altes im Neuen – Neues im Alten Musik zu den Mysteriendramen. Vortrag und Aufführung ausgewählter Szenen aus den Mysteriendramen mit Musik, Eurythmie und Sprache Grosser Saal

Mittwoch 24.07.2013 9 Uhr Capesius – Morgenröte, Tragik und Wandlung des Denkens Vortrag von Bodo von Plato Grosser Saal 14 Uhr II. Die Prüfung der Seele Ein Rosenkreuzermysterium. 2. Mysteriendrama durch Rudolf Steiner. Gioia Falk und Christian Peter, Regie; Roy Spahn, Bühnenbild und Kostüme; Elmar Lampson, Musik Grosser Saal

Sonntag 28.07.2013 9 Uhr Der Seelen Erwachen als modernes Einweihungsprinzip Vortrag von Paul Mackay Grosser Saal 14 Uhr IV. Der Seelen Erwachen Ein Rosenkreuzermysterium. 4. Mysteriendrama von Rudolf Steiner. Gioia Falk und Christian Peter, Regie; Roy Spahn, Bühnenbild und Kostüme; Elmar Lampson, Musik Grosser Saal

IMPRESSUM Das Goetheanum, Wochenschrift für Anthroposophie, 1921 von Rudolf Steiner mit Albert Steffen begründet  Herausgeber Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, vertreten durch Justus Wittich  Redaktion Cornelia Friedrich (CF), Wolfgang Held (WH), Sebastian Jüngel (SJ), Philipp Tok (FT), Jonas von der Gathen (JG)  Korrespondenten Curro Cachinero (CC), János Darvas, Christine Gruwez, Achim Hellmich, Bernhard Steiner, Zvi Szir Geschäftsführung Christian Peter Abonnement Jahresabo: CHF 130 (€ 108), Schweiz: CHF 160 (inkl. Schweizer Mitteilungen). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht vor Ablauf der Rechnungsperiode schriftlich gekündigt wird. Studentenermäßigung 50% (Nachweis einer ganztägigen Berufsausbildung). Maya Meier abo@dasgoetheanum.ch Anzeigen Anzeigenschluss: Mittwoch der Vorwoche 12 Uhr. Mediadaten 2013/1. Verena Sutter anzeigen@dasgoetheanum.ch Telefon-Service Mo-Do 9-12 Uhr  Rechtliches Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Mit der Einsendung stimmt der Autor und Inhaber des Urheberrechts der vollständigen oder teilweisen Veröffentlichung in ‹Das Goetheanum› zu. Für die korrekte Bezeichnung geschützter Namen wird keine Haftung übernommen. Ungekennzeichnete Abbildungen sind zur Verfügung gestellt. Nachdruck und Übersetzung bedürfen der Erlaubnis von Autor und Redaktion  Druck Birkhäuser+GBC AG, CH–4153 Reinach Titelzeichnung Rudolf Steiner Gestaltungsanlage Philipp Tok Adresse Wochenschrift ‹Das Goetheanum›, Postfach, 4143 Dornach, Schweiz, Tel. +41 61 706 44 64 · Fax 65 · www.dasgoetheanum.ch © 2013 Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, Dornach, Schweiz. ISSN 1422-7622


Das Goetheanum Nr. 26 · 29. Juni 2013 Einzelheft € 3.50 · CHF 4.50 Im Abo € 2.40/1.20 · CHF 3.80/1.90 www.dasgoetheanum.ch

Vom Glück gesegnet Seite 6

Buthan ist ein Labor des gemeinschaftlichen Glücks. Schilderung des Weges in das Königreich und dessen staatlicher Glücksphilosophie. Von Tho Ha Vin

Wolfgang Held

Eine glückliche Stunde

Politik der Freundschaft Seite 10

Schlussplenum der Kleinkindertagung am Goetheanum: Was hier die Podiumsgäste auf Publikumsfragen antworten, gilt nicht nur für die Begleitung der ersten Schritte ins Leben. Was für die Kleinsten der Kleinen gut ist, sind scheinbar Formeln, wie das Leben im Ganzen glücklich wird.

Beuys hinter Riegel Seite 14

Wie streng soll man es mit den Regeln halten, fragt eine Erzieherin und Claudia Grah-Wittich vom Podium fragt zurück: Wie viel Sinn hat die Regel? Je kindgerechter wir die Umgebung bauen, desto weniger Regeln brauchen die Kinder, denn intuitiv verstehen und handeln sie dann aus dem Ganzen. Nichts anderes sagen Städteplaner, die anstelle der Verkehrszeichen auf die gegenseitige Empathie von Autofahrer und Fußgänger setzen. ‹Shared zones› nennen sie diesen glücklich fließenden Verkehr. Das Glück zu finden, heißt, anders und neu schauen zu lernen. Dazu riet auch Michaela Glöckler, als es um Therapie und Frühförderung ging: Schauen wir weniger auf das Defizit, sondern suchen wir die Stärke, die trotz allem hervorleuchtet. Dann wird der Rucksack der Kinder leicht. Eine kindgerechte Welt bedeutet, so zeigte das Schlussgespräch, am Umgang mit Kindern zu erkennen, was das Leben glücklich macht und aus diesem Wissen eine Welt zu bauen. Diese Welt ist dann auch eine von Kindern geschaffene Welt.

Kann Freundschaft das Prinzip einer Gesellschaft oder eines Ortes wie dem Goetheanum werden? Von Zvi Szir

Mit harten Anklagen kann Riegel der Beuys-Verklärung einen Dämpfer geben. Beuys selbst, tut es keinen Abbruch. Von Walter Kugler

Blicke Ölmalerei auf Titel und Rückseite von Hilma af Klint. Datiert auf das Jahr 1915. Siehe ab Seite 14. Einige Takte und Meldungen Gabriela Jüngel Kleinkindkongress Rahel Wepfer Jugendhof Ch.Berlin  Hilma af Klint in Berlin Constanza Kaliks · Fabiana Leibl Brasilien Walter Kugler  Rudolf Steiner in Venedig Zusammenhänge Tho Ha Vinh  Die Zukunft des Glücks Zvi Szir   Für eine Politik der Freundschaft Karl-Heinz Tritschler  Ein geheimnisvoller Strang Johannes Nilo  Wie aus der Nacht stumm gesprochen Gespräch Walter Kugler Meine Seele könnt ihr nicht haben Johannes Kiersch  Radikale ethische Praxis Elisabeth Winterer  Smartphone und Bhagavad Gita Leserbriefe


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