BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 9

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BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 9 – JULI/AUGUST 2022 WWW.BIORAMA.EU

DI NIED E ÖSTE E RR AU S G R E I C H ABE # 9

ALLES GUTE!

Wir wünschen Nachhaltigkeit für viele Jahre. Zurück in die Zukunft: Johannes Gutmann denkt im Kreislauf. Now open: Der internationale Klimaschutzwettbewerb hat längst begonnen. Ewige Jagdgründe: Wo liegen die Hürden im Wappentierschutz?

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POLITIK IST KEINE ONE-MAN SHOW


B IO R A M A N Ö

E D I T O R IA L , IM P R E SSU M

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GESTERN – HEUTE – MORGEN:

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as schönste Bundesland rund um Wien feiert dieser Tage 100 Jahre Unabhängigkeit von der Bundeshauptstadt, die es umgibt. Wir haben es uns für unsere Regionalausgabe zur schönen Gewohnheit gemacht, uns zusammenzudenken, was zusammengehört: Niederösterreich und Wien. Weil man die Feste aber bekanntlich feiern soll, wie sie fallen, lassen wir uns gerne mitreißen. Auf den folgenden Seiten blicken wir deshalb zurück auf 100 Jahre blau-gelber Geschichte: in Versatzstücken und teilweise willkürlich ausgewählt, dann aber doch auch ihrer Symbolkraft wegen. Genauso, wie Landesgrenzen mitunter gezogen werden halt. Was all unsere Versatzstücke gemeinsam haben: Es handelt sich um »Geschichten des Gelingens«, um Geschichten, die Mut machen sollen – zum eigenen Engagement. Oft genug wurde dabei erfolgreich gegen den übereifrigen »Fortschritt« gekämpft. Oder dagegen, was zum damaligen Zeitpunkt als solcher galt. Fürs Titelblatt haben wir die in der Landesverfassung vorgesehenen drei Zinnen Niederösterreichs allerdings gegen drei Windräder getauscht. Als klares Statement pro Windkraft und andere Erneuerbare. Weil wir der vollen Überzeugung sind, dass Niederösterreich sein diesbezügliches Standortpotenzial nutzen muss: um das Ende des fossilen Zeitalters zu beschleunigen und demokratische Werte hochhalten zu können.

BILD CO MMO NS .WIKI ME DIA. ORG / GE ME INFRE I

So lasset uns also feiern, tanzen, Windräder bauen!

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORiNNEN Eva Baumgardinger, Samantha Breitler, Florian Jauk, Martin Mühl, Selina Schobel, Thomas Weber, Martin Zellhofer GESTALTUNG Selina Schobel, Stefan Staller Lektorat Mattias Feldner COVER­BILD Selina Schobel ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9 / 14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.


AU F TAKT

B IO R A M A N Ö

1948 Editorial Bild der Ausgabe 08 Street Talk 03

06 10 20

100 Jahre in 10 Jahrzehnten Weinviertel Was bleibt nach 100 Jahren und der Pandemie von den Kinokulturen.

1978

1994

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»In Niederösterreich ist die Welt noch in Ordnung« Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann über die Biobewegung.

28

Umweltökonomie Gernot Wagner über die Vorteile für die, die sich früher verändern.

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Raubvogelschutz Wie steht es um unser Wappentier?

36 38

Buchrezensionen Die Letzte ihrer Art? Wer weiß, welche Brennnesseln es in Niederösterreich noch gibt?

10 100 JAHRE IN 10 DEKADEN Seit 1. 1. 1922 ist Niederösterreich ein Bundesland – zehn Beispiele dafür, was bisher geschah.

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Apfelküche Ein ganzes Kochbuch dem Ganzjahresobst.

MARKTPLATZ 46

Marktplatz Kosmetik Cremige Redaktion

KOLUMNEN 48 50

Aus dem Verlag Hintaus

BILDER ÖSTERREI CHISCHE NATIO NA LBIBLIO THE K, W IKIME DIA COMMONS / MUSSKLPROZZ (CC BY-SA 3 .0), MICHA PAWLITZKI, GOLEBIOWISKI/NAVARA, EVN, MARTIN ZELLHOFER, ISTOCK.COM/SASA KOM LEN

INHALT


20 LOST & FOUND

BILDER ZELLHO FE R, JO RDAN GRAHAM, WI KIME DIA COMMONS / AKUREY KI, LISA LUGERBAUER

Nachdem Martin Zellhofer ein Buch über verlorene Kinos im Weinviertel geschrieben hat, ruft er zum Besuch der verbleibenden auf.

31 VOGELPERSPEKTIVE

Der Windkraftausbau ist nicht das größte Problem der niederösterreichischen Adler.

28 UM DIE WETTE SCHÜTZEN

Der Umweltökonom Gernot Wagner im Gespräch über die Vorteile für die, die sich früher verändern.

38 BEDROHTE BRENNNESSEL

Eine Brennnessel gilt in Österreich als gefährdet. Woher weiß man, welche Pflanzen ausgestorben sind?


B IO R A M A N Ö

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BI L D D E R AU SGA B E


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NICHT VOGELFREI

BILD: JUSTINE PICKETT/PAPILIOPHOTOS.COM

Der Seeadler war in Österreich jahrzehntelang ausgestorben – dafür verantwortlich waren vor allem der Einsatz des inzwischen verbotenen Insektizids DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) und gezielte Verfolgung durch den Menschen. 2001 haben erstmals wieder Seeadler in Österreich gebrütet. Ihre »selbständige Rückkehr« und ihr Überleben waren und sind dem Seeadlerexperten des WWF Österreich, Christian Pichler, zufolge vor allem durch Maßnahmen gegen Vergiftungen und illegale Abschüsse möglich. Doch auch die Pflege verletzter Adler, die Ausweisung von Schutzzonen, erfolgreiche Entstörung von Horstumgebungen durch Aufklärungsarbeit und große Renaturierungsmaßnahmen an Donau und March bilden Pichler zufolge das entscheidende Maßnahmenpaket – flankiert von einem Zonierungsplan für Windkraftanlagen und der Markierung von Stromleitungen in sensiblen Gebieten. Woher ExpertInnen das wissen? Einerseits durch die Untersuchung von in Österreich tot aufgefundenen Adlern, andererseits durch Besenderung – »sie gibt sehr viel Aufschluss über das Verhalten der Seeadler, über ihre größten Gefährdungsfaktoren und darüber, wie man diese am besten eindämmt«, sagt Pichler. Zu den wichtigsten Brutgebieten des Seeadlers in Österreich zählen das Waldviertel, der Nationalpark Donau-Auen, die Tullnerfelder Donau-Auen, die March-Thaya-Auen sowie das Nordburgenland. IRINA ZELEWITZ


B IO R A M A N Ö

ST R E E T TA L K

8 STREET TALK WIR FRAGEN, 8 ZUKUNFTSFÄHIGE ANTWORTEN.

» VON WELCHER VERÄNDERUNG FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT IN NIEDERÖSTERREICH WÜRDEN WIR NOCH IN 100 JAHREN SPRECHEN?«

HELMUT

79, Pensionist Von vielfältigerer Landwirtschaft. Viele LandwirtInnen müssen derzeit große Mengen von wenigen Gemüsesorten anbauen. Für sie und auch für die Natur wäre mehr Natürlichkeit, eine Landwirtschaft, wie es sie früher gab, sicher gut.

INTERVIEW UND BILD FLORIAN JAUK

TANJA DAVID

28, Radiologietechnologe Von einer U-Bahn-Linie von Wien bis in die angrenzenden niederösterreichischen Gemeinden. Die Ortschaften südlich von Wien sind ja schon fast mit Wien zusammengewachsen, andere Gemeinden sind schlechter öffentlich erreichbar. Eine U-BahnLinie wäre hilfreich, auch um schnell zwischen Wien und Niederösterreich pendeln zu können.

43, Friseurin Öffentlicher Verkehr muss billiger werden. Natürlich müssen die Strecken ausgebaut werden, aber damit diese auch genutzt werden, brauchen wir auch leistbare Züge und Busse. Ich versuche außerdem, in meinem Friseursalon nachhaltiger zu arbeiten, und verwende nur noch Produkte, deren Verpackung aus recycelten Materialien besteht. Generell wäre es wichtig, dass alle in Niederösterreich versuchen, in ihrem Umfeld umweltfreundlicher zu handeln.


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MONIKA,

CHARMAINE

20, Verkäuferin Bessere Öffi-Anbindungen am Land wären wichtig. In Niederösterreich ist das teilweise eine Katastrophe, die Menschen sind angewiesen auf ihre Autos. Mehr Busverbindungen wären sicher gut.

51, AHS-Lehrerin Von einer Entsiegelung von Flächen und davon, sie anderweitig nutzbar gemacht zu haben. Flächen, die entsiegelt werden sollten, gibt es nämlich in Niederösterreich genug. Vielleicht kann man einen Teil davon begrünen, das wäre mal ein guter erster Schritt. Insgesamt wäre es wichtig, die Biodiversität nicht noch mehr zu verringern, als es derzeit sowieso schon der Fall ist.

HUSEYIN MANUELA

38, Polizistin In meinem Ort gibt es keine S-Bahn-Station und keine Öffi-Verbindungen. Einzig der Schulbus fährt vier Mal am Tag, ich kann also kaum klimafreundlich reisen. So wird man die Menschen nicht von den Autos wegbewegen können.

28, Elektriker Wir brauchen pünktliche Züge. Das Netz muss meiner Meinung nach gar nicht unbedingt ausgebaut werden, aber die Züge kommen fast immer zu früh oder zu spät. Wenn man sich besser auf sie verlassen könnte, würden bestimmt auch mehr Menschen mit den Zügen in Niederösterreich fahren.

HEINZ,

58, Angestellter Von guten, sicheren Fahrradwegen. Die Radwege sind touristisch gesehen recht gut ausgebaut, die Alltagswege, die ich mit dem Rad zurücklege, allerdings leider nicht. Das hat Verbesserungspotenzial, aus meiner Sicht ist auch die Anbindung an Wien sehr mangelhaft.


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10 0 JAH R E N IEDER Ö STER R E ICH

1920

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10 Jahrzehnte Niederösterreich

Ein kleiner Teil der Weikendorfer Remise wird von Rindern des Biohofs Harbich vor der Verbuschung bewahrt. Seit 1927 geschützt, gehört die Heidelandschaft mittlerweile zum Europaschutzgebiet »Pannonische Sanddünen«

1927

Seit 1927 als erstes österreichisches Naturschutzgebiet bewahrt, aber immer noch weitgehend unbekannt: die Weikendorfer Remise.

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irklich bekannt ist die Weikendorfer Remise nicht. In der Region ist die Gegend – wenn überhaupt – eher als Siebenbrunner Heide bekannt. Dabei ist die 192 Hektar große Heide bereits seit 1927 geschützt – als erstes österreichisches Naturschutzgebiet überhaupt. Tatsächlich hat es früher in der Gegend überall so ausgesehen wie hier. Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierten unfruchtbare sandige Hügel und steppenartige Weiden. Die dem Marchfeld gewidmete heurige Landesausstellung (»Marchfeld Geheimnisse«) berichtet von Sandstürmen, in denen Menschen die Orientierung verloren. Kaiserin Maria Theresia sah durch Wanderdünen die Lebensmittelversorgung der Hauptstadt bedroht und ließ Föhren und Windschutzgürtel pflanzen. Heute gilt das Marchfeld (auch dank intensiver Düngung) als Kornkammer Wiens. Ein Gutteil der 1927 noch offenen Fläche ist allerdings zugewachsen. Ein LIFE-Projekt ermöglicht immerhin die extensive Beweidung von 12 Hektar. Vom Dung der Wiederkäuer profitieren nicht nur Insekten, sondern auch Vögel wie der Ziegenmelker, der Wiedehopf oder die Heidelerche. »Verwaldung ist heute das primäre Bedrohungsszenario«, sagt Schutzgebietsbetreuer Tobias Schernhammer. Seine Vision: »Eine Beweidung der Waldbereiche wäre spannend, denn die Trennung von Wald, Wiese und Feld ist künstlich und gehört überwunden.« THOMAS WEBER

BILD WI KIPE DI A / MUS SKLPROZZ

D

er 1. Jänner 1922 war ein trauriger Tag, da wurden Niederösterreich und Wien getrennt. Zuerst etwas zögerlich, denn die Hauptstadt Niederösterreichs blieb beispielsweise bis 1986 trotzdem in Wien angesiedelt. Doch auch wenn diese mittlerweile St. Pölten heißt, ist die Entflechtung der Organisation der beiden Bundesländer – natürlich – eine halbherzige. Ob das einer nachhaltigen Entwicklung mehr zuträglich war, als es geschadet hat? Es ist jedenfalls viel passiert, das die Bedingungen für Mensch und Natur in Niederösterreich grundlegend verändert hat.


Eine Postkarte für Grüße aus Marienthal – gezeichnet am 31. Dezember 1898.

1933

Was Arbeitslosigkeit bedeutet und wo sie hinführt. 1933 erscheint »Die Arbeitslosen von Marienthal«.

B ILD ROS ENBE RGE R

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820 noch als Flachsspinnerei errichtet, wurde das Fabriksgelände, das über ein Jahrhundert später international als Marienthal bekannt wurde – es liegt an der Grenze der Gemeinden Gramatneusiedl und Reisenberg –, nach Kurzem wieder geschlossen. Der Baumwolle gehörte weltweit die textile Zukunft und im Zuge einer Neuübernahme 1830 wurde die Spinnerei umgestellt, es folgten Jahre der Expansion. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Arbeiterbaracken auf Werksgelände gebaut, da die benötigte Arbeitskraft nicht mehr von der ortsansässigen Bevölkerung erfüllt werden konnte, und aus Böhmen und Mähren ArbeiterInnen zugezogen. Erst das Ende und die Folgen des Ersten Weltkriegs brachten durch die Verkleinerung des Marktes, wie sich Tibor Schwab, Obmann des Museums Marienthal, Anfang des Jahres in einem ORF-Interview erinnert, Schwierigkeiten und eine Kündigungswelle. Nach einer letzten Neuübernahme und Modernisierungsinvestitionen Mitte der 1920er-Jahre waren 1929 1300 Menschen in der Textilfabrik beschäftigt und Marienthal hatte 1500 BewohnerInnen. Im Laufe eines Jahres wurde das Werk bis Februar 1930 geschlossen, Arbeitsplätze waren zur Zeit der Weltwirtschaftskrise auch andernorts rar – so erreichte die Arbeitslosigkeit im Ort 50 Prozent. Im Herbst 1931 begannen die Un-

1930

tersuchungen zu den sozialen und psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit durch die »Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle«. Es folgte in methodischer, aber auch inhaltlicher Hinsicht Pionierarbeit der empirischen Sozialforschung von WissenschafterInnen um die StudienleiterInnen Marie Jahoda, Hans Zeisel und Paul Lazarsfeld. Unter den erschwerten Bedingungen des Ständestaats durchgeführt und publiziert, wurde die »Marienthal-Studie« der vor dem NS-Regime geflohenen WissenschafterInnen erst in der Übersetzung in den 1960er-Jahren international bekannt. Derzeit setzt das AMS wohl nicht ganz zufällig auf dem historischen Arbeitsboden Marienthals ein Jobgarantieprojekt für Langzeitarbeitslose um: »MAGMA – Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal«. Hintergrund des Projekts mit Laufzeit von 2020– 2023 ist laut dem Leiter des AMS Niederösterreich, Sven Hergovich, »seriöse und evidenzbasierte Arbeitsmarktpolitik« und daher werde vor Projektabschluss auch wenig zur Übertragbarkeit des Versuchs zu sagen sein. Das Projekt wird von einer Forschungskooperation der Universitäten Wien und Oxford begleitet. Immerhin 30 der 100 TeilnehmerInnen seien aus dem Projekt seit dem Start in Arbeitsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt gewechselt. IRINA ZELEWITZ

1940

Marie Jahodas »Ich habe die Welt nicht verändert. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung« ist 1997 als Übersetzung aus dem Englischen erschienen.

1950


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10 0 JAH R E N IEDER Ö STER R E ICH

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Seit 1959 ist das Wasserkraftwerk YbbsPersenbeug in Betrieb. Es war Symbol des Wiederaufbaus – und ist heute Grundpfeiler der Stromerzeugung.

D 1948 Frau am Steuer: Kreszenzia Hölzl wird in Gloggnitz zur ersten Bürgermeisterin Österreichs gewählt.

D Umfassende Ressourcen für politische Bildung und österreichische Zeitgeschichte auf demokratiezentrum.org

ie 1893 geborene Sozialdemokratin Kreszenzia Hölzl wurde 1923 in den Gemeinderat von Gloggnitz gewählt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie die Trafik ihres an einer Kriegsverletzung verstorbenen Mannes übernommen und – so weiß es das Wiener Demokratiezentrum – während der Zeit des Austrofaschismus und der NS-Diktatur als heimlichen Treffpunkt für SozialdemokratInnen der Region angeboten. 1948 zur ersten Bürgermeisterin Österreichs gewählt, blieb Zenzi Hölzl das bis zu ihrem Tod zehn Jahre später. In dieser Zeit wurde zum Beispiel ein öffentliches Bad errichtet, Mütterberatungsstellen eingerichtet und das kommunale Wasserversorgungsnetz erneuert. Von 573 Gemeinden in Niederösterreich werden 75 von Frauen regiert. Damit hat Niederösterreich – derzeit wie auch in den vergangenen Jahrzehnten – den höchsten Anteil an Bürgermeisterinnen in diesem Amt. Und zwar mit 13 Prozent. IRINA ZELEWITZ

1930

as Laufkraftwerk Ybbs-Persenbeug war mit seinen sechs Turbinen, die in den 90er-Jahren um eine siebente Turbine erweitert wurden, lange Zeit das leistungsstärkste Wasserkraftwerk Österreichs. Es war außerdem einer der ersten Schritte der österreichischen Energieeigenproduktion nach dem zweiten Weltkrieg. »Österreich hatte keine eigenen Energievorkommen, die meiste Energie kam aus Kohle. Beim Wiederaufbau griff man auf eine Idee, die schon in den 20er-Jahren ihren Ursprung hatte, zurück und erzeugte Strom aus Wasserkraft«, erklärt Manfred Lang, langjähriger Tourguide im Wasserkraftwerk Ybbs-Persenbeug. Aber nicht nur für die Energieproduktion war das Wasserkraftwerk ein Meilenstein: »Mit dem ersten Donaukraftwerk auf österreichischem Boden schuf man erstmals zwischen Krems und Mauthausen einen fixen Donauübergang in Form einer Brücke, womit das Waldviertel besser mit dem Mostviertel verbunden werden konnte«, sagt Lang.

VERLÄSSLICHE ENERGIEQUELLE Laufkraftwerke nutzen das natürliche Gefälle und die Geschwindigkeit eines Fließgewässers zur Energiegewinnung. Um diese noch weiter zu steigern, wird das Wasser aber nicht nur gezielt auf die Turbinen gelenkt, sondern vorher gestaut, womit der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser vergrößert wird. Über das Gefälle stürzt das Wasser dann noch schneller auf die Turbine, die einen Generator antreibt, wodurch Strom erzeugt wird. Seit 2014 wird das Kraftwerk in Ybbs-Persenbeug im Zuge des Projekts »Ybbs 2020« erneuert und pro Jahr ein Maschinensatz, bestehend aus einer Turbine und einem Generator, ausgetauscht, 2022 wurde die Letzte der historischen Turbinen aus den 1950ern erneuert. Laut Ver-

1940

1950


BILD ÖSTE RREICHIS CHE NATIO NA LBI BLIOTHE K, WI KI PED IA/ MUSSKLPROZ Z (CC BY- SA 3.0)

1959

bund, der das Kraftwerk betreibt, kann durch die Mehrerzeugung von 77 Millionen Kilowattstunden pro Jahr der jährliche Stromverbrauch von 22.000 Haushalten gedeckt werden. Damit kommt das Kraftwerk laut Manfred Lang insgesamt auf eine Leistung von 254,5 Megawatt und ist das viertstärkste Laufkraftwerk Österreichs und ein Grundpfeiler der österreichischen Stromversorgung, denn ein Laukraftwerk liefert den Strom für die Grundlast, also für jenen Verbrauch, der im Netz immer vorhanden ist. Laufkraftwerke wie jene in Ybbs-Persenbeug können zwar keine Spitzenlasten – kurzzeitig auftretende hohe Leistungsnachfrage im Stromnetz – ausgleichen, produzieren aber ständig Strom. »Es sei denn, es gibt ein massives Hochwasser. Dann muss das Kraftwerk für einige Tage abgeschaltet werden.« Doch auch solche Hochwasser sind inzwischen mit ausreichendem Vorlauf vorhersehbar und die Abschaltung von Kraftwerken daher auf eine Weise planbar, dass wenn eines vom Netzt genommen werden muss, ein anderes meist schon wieder in Betrieb genommen werden kann, und das Gesamtaus-

fallsrisiko daher Lang zufolge ein sehr kleines bleibt.

DER PREIS FÜR DIE NATUR Durch den Bau eines Wasserkraftwerks wird die ein Fluss von der Flussaue entkoppelt und abgedämmt, damit der Aubereich nicht überschwemmt wird. Ein Grundwasser- und Nährstoffaustausch ist dann nicht mehr auf eine natürliche Weise möglich, wodurch Tier- und Pflanzenarten verdrängt werden. »Heute würden Wasserkraftwerke in der Form, wie sie damals in Ybbs-Persenbeug gebaut wurden, nicht mehr genehmigt werden. Die Umweltauflagen sind mittlerweile viel höher«, sagt Gewässerökologe Severin Hohensinner von der Wiener Boku. Das erste Donaukraftwerk wurde damals ohne Fischaufstiegshilfen gebaut und muss nun nachgerüstet werden, damit trotz Kraftwerk wieder Fischwanderungen möglich werden. Der Ortswechsel ist für Fische überlebenswichtig, denn für ihre Fortpflanzung sind beispielsweise andere Strömungen und Temperaturen notwendig als sie im Lebensraum, der ihnen Nahrung bietet, vorfinden. FLORIAN JAUK

1960

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1970

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Die Errichtung des Auenreservats Marchegg 1970 gilt als einer der größten Erfolge im österreichischen Naturschutz.

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as 1120 Hektar große Auenreservat, das im Überschwemmungsgebiet der March liegt, wurde 1970 vom WWF und der Gemeinde Marchegg erworben und 1978 als Naturschutzgebiet erklärt. Ein geschichtsträchtiges Datum, sagt Gertrud Haidvogl, Lehrbeauftragte an der BOKU und Umwelthistorikerin: »Das Auenreservat Marchegg war gleichzeitig mit Teilen der Lobau das erste Auenreservat Österreichs, das als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.« Nach der Ausweisung als Naturschutzgebiet wurden einige ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen wieder der Natur überlassen, Teile wurden jedoch vom WWF bewirtschaftet. »Man muss die natürliche Dynamik einer Naturlandschaft wiederherstellen, sonst funktioniert die Erhaltung eines Naturschutzgebiets nicht«, erklärt Haidvogl.

NATUR BAHNT SICH IHREN WEG ZURÜCK Heute sind die Auwälder, -wiesen und -gewässer des Auenreservats dank vieler Naturschutzprojekte Heimat zahlreicher Tier- und Pflanzenarten, darunter mehr als 500 gefährdeter Arten. Die Randzonen des Reservats werden vom WWF bewirtschaftet, die Horstschutzzonen, die die Nester der vielen Vögel vor Ort schützen sollen, und die Naturwaldreservate bleiben jedoch unberührt. Das Gebiet ist ein Vogelparadies, unter anderem für Weißstörche, nahe dem Schloss Marchegg trifft man auf deren größte Baumkolonie Europas. FLORIAN JAUK

1970

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1978 1978 besiegelte eine Volksabstimmung den Anfang vom Ende der österreichischen Atomkraft.

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969 wurde die Errichtung des ersten österreichischen Kernkraftwerks in Zwentendorf an der Donau beschlossen, der Bau begann 1972 und dauerte rund vier Jahre lang. Mitte der 70er bildete sich in Österreich eine breite Anti-Atomkraft-Bewegung, die vor allem in Konflikt mit der damaligen SPÖ-Alleinregierung stand. Wie sehr die Debatte (und damit mutmaßlich nicht notwendigerweise verknüpfte weitere politische Richtungsentscheidungen) das Land spaltete, zeigte die erste bundesweite Volksabstimmung der Zweiten Republik. Von den 5.083.779 bundesweit Stimmberechtigten stimmten 50,5 Prozent gegen und 49,5 Prozent für die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten Kernkraftwerks in Zwentendorf, die Wahlbeteiligung lag bei 64,1 Prozent. Das Ergebnis der Volksabstimmung führte zum am 5. Dezember 1978 im Nationalrat einstimmig beschlossenen Atomsperrgesetz, durch das in Österreich der Bau sowie die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf, das bis zu seiner Liquidierung 1985 rund eine Milliarde Euro kostete, verboten wurden. Seit 2009 produziert das AKW Zwentendorf dennoch Strom – mithilfe von 1000 Solarpaneelen werden pro Jahr durchschnittlich 180.000 Kilowattstunden an grüner Energie erzeugt. Außerdem dient es als Forschungsstätte, aber noch wichtiger: als Mahnmal. IRINA ZELEWITZ

1990

B ILD MICHA PAWLITZ KI, SO NJA LI NDBE RG

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1980

1990

1984 Die Besetzung der Hainburger Au 1984 änderte die politische Landschaft und brachte den Ausbau von Umweltgesetzen. Die gerettete Au ist seit 1996 Teil des Nationalparks Donau-Auen.

»Es war ein Wunder«, erinnert sich Carl Man-

zano, »aber keines, das einfach vom Himmel gefallen ist, sondern eines, das erkämpft wurde.« Manzano war 1984 einer der BesetzerInnen der Hainburger Au, die – so der damalige Plan – einem Wasserkraftwerk weichen sollte. Aus dem Bau wurde nichts. Und Carl Manzano wurde der erste Direktor des 1996 gegründeten Nationalparks Donau-Auen. Er selbst habe »eigentlich nicht unbedingt an die Besetzung geglaubt«, gesteht der 2019 pensionierte Manzano. »Der Auwald galt den meisten als wertloses Dickicht.« Bewusstseinsbildung wurde von außen angeregt: Roland Wiederkehr, damals Geschäftsführer des Schweizer wwf bedauerte, dass in seiner Heimat alle Flüsse verbaut waren, regte den Erhalt der letzten intakten Aulandschaft Mitteleuropas an und unterstützte die Gründung des WWF-Büros »Rettet die Auen«. Medien wie die »Kronen Zeitung« unterstützten dessen Kampagne. Bald hatten die Au-BesetzerInnen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Nobelpreisträger Konrad Lorenz unterstützte ein Volksbegehren, das neben dem Erhalt der Au die Gründung eines Nationalparks forderte. Als es 1985 von 353.906 Personen unterzeichnet wurde, war die Besetzung bereits seit Monaten beendet. Im Jahr darauf wurden die in der Au formierten Grünen erstmals ins Parlament gewählt. Auch der Ausbau der Umweltgesetze ist eine direkte Folge des Wunders von Hainburg. THOMAS WEBER

2000

Durch Wind wird in NÖ Energie für ein Viertel der Haushalte gewonnen. Begonnen hat alles 1994.

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indkraft spielt in Niederösterreich eine große Rolle und Niederösterreich in der Windkraft: Aktuell sind allein in dem Bundesland 735 Windkraftwerke in Betrieb – mehr als die Hälfte der 1307 Anlagen in ganz Österreich. Zahlen, die sich auch bei der Leistung zeigen: Rund 1759 der 3300 in Österreich jährlich mit Windkraft erzeugten Megawatt kommen aus Niederösterreich. Damit lassen sich mehr als eine Million und damit ein Viertel aller Haushalte in Österreich versorgen. Dieser Status hat einen historischen Ursprung: 1994 wurde in Wagram an der Donau das erste Windrad in Österreich installiert. Dieses konnte mit einer Leistung von 0,15 Megawatt gerade einmal 85 Haushalte mit Energie versorgen. Anlass des Baus war damals eine Förderregelung für Windkraft im Jahr 1994 – die erste in Österreich. Es folgten weitere Anlagen und mit dem Ökostromgesetz 2012 wurde die Grundlage für den seitdem vorangetriebenen Ausbau gelegt. MARTIN MÜHL

1994

B ILD GO LEBIOWS KI, NAVARA, EVN

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100 Jahre Niederösterreich Wir feiern mit!

BEZIRKSFESTE 25. & 26. Juni 2022 IN 22 STÄDTEN NIEDERÖSTERREICHS Livemusik | Chöre | Frühschoppen | regionale Schmankerl | Leistungsschau der Einsatzorganisationen | Infostände | Vereine und ihre Aktivitäten | Gewinnspiele und vieles mehr!

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2012 Bis 1989 war eine Überquerung der March lebensgefährlich, seit 2012 verbindet die »Fahrradbrücke der Freiheit« die beiden Nachbarländer.

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chon 1771 gab es zwischen dem niederösterreichischen Schloßhof in der Marktgemeinde Engelhartstetten und den slowakischen Ort Devínska Nová Veseine norwestlich von Bratislava einen Flussübergang über die March. Die damalige Holzkonstruktion wurde allerdings durch einen Eisstoß, bei dem sich Eisplatten in der March anstauten und der Wasserdruck so hoch wurde, dass die March die Brücke mitriss, zerstört. In weiterer Folge wurden erneut aufgebaute Marchquerungen durch Kriege und einen weiteren Eisstoß dem Erdboden gleichgemacht und jahrzehntelang nicht mehr aufgebaut. Seit 2012 gibt es mit der »Fahrradbrücke der Freiheit« wieder einen Übergang. Die Stahlkonstruktion ist 550 Meter lang, vier Meter breit und kann sowohl von FahrradfahrerInnen, auch von FußgängerInnen als Übergang über die March benutzt werden.

CHUCK NORRIS BRÜCKE 2010 wurde das Projekt mit dem Namen Cyclomost, was auf Deutsch Fahrradbrücke bedeutet, beschlossen. Aus Niederösterreich kam die Idee, das von Milan Beláček geplante Stahlbauwerk »Maria-Theresien-Brücke« zu nennen, der Vorschlag wurde jedoch von den slowakischen Verantwortlichen abgelehnt. Stattdessen wurde in der Slowakei, während einer Zeit, zu der Chuck-Norris-Witze bei manchen noch

1990

2000

las lustig galten, ein Namensvotum im Internet gestartet, aus dem »Chuck-Norris-Brücke« als Sieger hervorging. Es wurde allerdings von der slowakischen Politik nicht aufgegriffen. Am 22. September 2012 wurde die Brücke als »Fahrradbrücke der Freiheit« eröffnet. Sie bietet die Möglichkeit, das Grenzgebiet zu entdecken, ihr Name soll an jene Menschen erinnern, die während des Eisernen Vorhangs beim Versuch über die March zu flüchten, starben.

DIE »FAHRRADBRÜCKE DER FREIHEIT« bringt viele slowakische BesucherInnen in den Ort Schloßhof und in das dortige Schloss, sagt der Bürgermeister der zugehörigen Marktgemeinde Engelhartstetten, Josef Reiter: »Auch viele ÖsterreicherInnen nutzen die Brücke für einen Tagesausflug mit dem Fahrrad nach Bratislava, dessen Zentrum auch schnell und gut zu erreichen ist.« Anfängliche Bedenken der Bevölkerung, die Brücke würde den niederösterreichischen Grenzort unsicherer machen, hätten sich nicht bestätigt. »Wir wären mittlerweile unglücklich, wenn es die Fahrradbrücke nicht geben würde«, sagt Reiter. Die bestehende Infrastruktur um die Brücke konnte genutzt werden, der 4,6 Millionen teure Bau der Brücke wurde zum größten Teil aus Fördermitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert, Österreich und die Slowakei mussten nur einen geringen finanziellen Beitrag leisten. FLORIAN JAUK

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2018

Einfach ein gutes Leben € 5,-

Rabatt aufs BioKistl

V wie vorstellbar: Der Inhalt dieser Vurst ist besonders unspektakulär.

B ILD MARTIN ZEL LHOFER, BIOR AMA

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as die Dormayers in Langenzersdorf, genauer: was Junior Markus Dormayer alles an internationalen Preisen rund ums Thema Blutwurst gewonnen hat, mag VeganerInnen nicht unbedingt leicht von der Zunge gehen. Er darf sich jedenfalls »österreichischer Meister der Blutwursterzeugung« nennen und doch oder gerade deswegen hat er sich 2018 was getraut: Die erste vegane Blunzen aus roten Rüben ist wahrhaftig eine Innovation. Erstens schmeckt sie richtig gut, zweitens schaut sie deutlich appetitlicher aus als ihr tierisches Vorbild (von Assoziationen, die den zarter Besaiteten hier erspart bleiben, natürlich ganz zu schweigen), drittens passt sie hervorragend zu Erdäpfeln, Kren und reduziertem CO2-Abdruck. Und sie hat das Zeug dazu, als Blunzengröstl das pflanzliche Angebot auf genau jenen Speisekarten dieses Landes zu werden, die ansonsten womöglich eher spät veganisiert werden – und dort für deftige Abwechslung zu sorgen, wo vegane Produkte schon angekommen sind. BIORAMA berichtet trotz fehlender Biozertifizierung voller Begeisterung von Idee wie Umsetzung der veganen Blunzen. Ein komischer Beigeschmack bleibt bei aller Fortschrittlichkeit der Vlunzn: Denn verstehe eineR, warum bei verarbeiteten Fleischprodukten von KonsumentInnen weniger Wert auf Bio gelegt wird als bei frischen. IRINA ZELEWITZ

Mit dem ADAMAH BioKistl ist der Wocheneinkauf in 100% Bio-Qualität im Handumdrehen erledigt. Ab € 21,- Bestellwert kommt die bunte Bio-Vielfalt von Apfelsaft bis Zahnpasta ohne Liefergebühr und CO2-neutral zu dir nach Hause. Jetzt entdecken und € 5,- auf dein erstes BioKistl sparen. Gutscheincode: biokistl1406 www.adamah.at | 02248 2224

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© Netzwerk Kulinarik


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DARLING, ICH WAR IM KINO TEXT Martin Zellhofer

Nachdem Martin Zellhofer ein Buch über Lost Kinos geschrieben hat, ruft er zum Besuch der überlebenden und geretteten Kinos auf.


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BILD MARTIN ZEL LHOFER

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rüher, ja früher. Da bestand die dörfliche Infrastruktur im Weinviertel aus der Dreifaltigkeit Kirche, Wirtshaus und Volksschule. Oft gab es auch noch einen Bahnanschluss – und ein Kino. Die Kirchen stehen noch überall, aber viele Wirte, kleine Dorfvolksschulen, rund 300 Kilometer Eisenbahn und fast alle Kinos, immerhin einst rund 100 (!), sind aus dem Weinviertel verschwunden. Ein kurzer Blick zurück: 1896 fand in Wien erstmals eine Filmvorführung statt, Jahrmärkte, Varietés, Zirkusse und Wanderkinos entwickelten sich in den Folgejahren zu den ersten Kino-Hotspots. Erste ortsfeste Kinos entstanden in Wien 1903 bis 1905. In der Provinz lief diese Entwicklung zeitverzögert ab: Zwar zog schon vor 1900 ein gewisser Anselm Hirsch mit einem Wanderkino durch das Gebiet des heutigen Niederösterreichs. Das erste stationäre Kino des Bundeslandes, es befand sich im Weinviertel, eröffnete vermutlich aber erst 1910 in Deutsch-Wagram. 1911 ging je eines in Retz und Herzogenburg in Betrieb. 1932 gab es in Österreich 909 Kinos. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg galt es noch als wichtigstes Massenmedium, die BesucherInnenzahl erreichte 1958 mit 122 Millionen Eintritten österreichweit den Nachkriegshöchststand. Von da an ging es bergab – bis heute. Schuld daran war vor allem das Fernsehen, dessen Verbreitung ab Beginn der 1960er-Jahre ordentlich an Schwung gewann. Mit dem steigenden Wohlstand der Wirtschaftswunderjahre nahmen außerdem Motorisierung und Mobilität zu – was sich besonders auf die BesucherInnenzahlen von Dorfkinos negativ auswirkte. Hermine Holzer, Mitbesitzerin der ehemaligen Groß-Kadolzer Lichtspiele in Seefeld-Kadolz, dazu: »Wir sind ein Dorf und daher bei den Filmen nicht zuerst drangekommen.« Das Publikum fuhr dorthin, wo Neuerscheinungen gespielt wurden. In ihrem Fall saß die Konkurrenz in Laa an der Thaya. Das Kinosterben begann … 2019 besuchten noch rund 14,53 Millionen Menschen eine Vorstellung (Corona brachte anschließend einen beispiellosen Einbruch).

SUPPORT YOUR LOCAL SCENE 2020 gab es in Österreich noch 140 Kinos, da-

Im Tonkino Seefeld-Kadolz, im westlichen Weinviertel, lief 1977 die letzte Vorstellung.

von 26 in Niederösterreich. Sechs davon sind auch heute noch im Weinviertel in Betrieb: in Stockerau, Retz, Mistelbach, Laa an der Thaya, Groß-Enzersdorf und Deutsch-Wagram. Und das ist eigentlich ein kleines Wunder: Denn das 1967 eröffnete Autokino Groß-Enzersdorf ging 2015 in Konkurs. Ab 2018 gab es im Rahmen der Veranstaltungsreihe Motorkino ein paar Mal jährlich Events mit Oldtimer-Fahrzeugen, Musik und einer Filmvorführung. Seit 2020 hat das Autokino regulär wiedereröffnet – um aktuell jeden Samstag zu spielen. Ein zweites Wunder ist die Übernahme des seit 1929 spielenden Mistelbacher Kronen Kinos. Als der Besitzer Ende 2020 in Pension ging, sprang der Verein »Film.kunst. kino« in die Bresche und hielt es als gelegentlich spielendes Programmkino am Leben – bis es Ende 2021 vom Betreiber des Citycine-Kinos in Deutsch-Wagram übernommen wurde. Wer will, dass das so bleibt, muss sein Kino auch besuchen – am besten regelmäßig.

Der Autor hat 2020 das Buch »Verschwundene Kinos im Weinviertel« ­geschrieben – mit Daten und Fakten, Erinnerungen der BesucherInnen und der im Kino arbeitenden Menschen, historischen Fotos und viel Lost-Places-Romantik. Erschienen in der Edition Winkler-Hermaden. Seither sind wieder welche verloren gegangen.


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INTERVIEW Irina Zelewitz

»IN NIEDERÖSTERREICH IST DIE WELT NOCH IN ORDNUNG«

Johannes Gutmann im Jahr 1986.

Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann erinnert sich an die oft zögerlichen Fortschritte in der Nachhaltigkeitsentwicklung im Waldviertel und in Niederösterreich – und sieht darin auch Vorteile. Ein Gespräch über die Biobewegung mit einem Insider.


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BIORAMA: Was war Ihr »Vorher«? Wie haben Sie Niederösterreich als Umfeld erlebt, als junger Bürger? JOHANNES GUTMANN: Ich bin auf einem kleinen Bauernhof im Waldviertel aufgewachsen. Die Gegend war kleinsträumig strukturiert und wir waren weit weg von großen Städten, es gab weder im Dorf asphaltierten Straßen noch in der größten Stadt der Umgebung: Das war Zwettl, dort war ich zum ersten Mal im Alter von vier Jahren. Unsere Landschaft war von birnbaumgesäumten Landstraßen geprägt, das war eigentlich ganz schön. 1965, als mein Bruder vier war und ich geboren wurde, hat mein Vater den ersten Traktor angeschafft, vorher wurde alles mit dem Pferd erledigt auf dem Bauernhof. So hat das Landleben ausgesehen, wir kannten aber nichts anderes und insofern war das ein sehr gutes Leben. Wenn mehr Dinge so geblieben wären, wären wir heute noch weiter vorne. Ich sag immer: Im Waldviertel sind wir nicht so weit vorn, deswegen haben wir nicht so weit zurück.

Hatten Natur und Nachhaltigkeit einen großen Stellenwert? War es woanders anders als in Niederösterreich? Niederösterreich hatte und hat durch die Kleinräumigkeit gute Grundbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften. Natürlich auch mit Wien im Herzen. Wir haben hier Wasser und 60 Prozent des Gebietes sind noch bewaldet, davon leider einiges in Monokultur, aber auch einiges an ursprünglichem Wald. Wir haben zwar einmal versucht, viel Auwald für eine Elektrifizierung umzuhacken (in der Hainburger Au 1984, Anm.), die wir so nicht gebraucht haben. In Niederösterreich steht auch das einzige Atomkraftwerk, das glücklicherweise nie in Betrieb genommen wurde. Bei uns hat sich vieles abgespielt, das die WienerInnen ausgebrütet haben, die gemeint haben: Das brauchen wir jetzt, aber in der Stadt wollen wir es nicht. Weil da leben dann doch viele Leute, und wenn da was ist … Aber egal: Die Landeshauptstadt Niederösterreichs ist ja erst in den 80er-Jahren von der Wiener Herrengasse nach St. Pölten gewandert. Auch in der Versorgung stehen wir gut da. Wir haben in NÖ viel Landwirtschaft, nicht nur im Tullnerfeld, sondern auch im Marchfeld mit seinem intensivsten Gemüseanbau bis hin zu naturnahen voralpinen Weiden. In Niederöster-

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reich, denk ich, ist die Welt noch in Ordnung. Na ja, beim Wein muss man noch reden, da wird zu viel gespritzt. Da gibt es aber Fortschritte, die besten WinzerInnen sind inzwischen BiowinzerInnen geworden und tragen sehr stark hinaus, dass Bio die Zukunft ist, und prägen das Bundesland entsprechend. Bedeutet ein Zurück in die 60er-Jahre wirklich den Weg zu mehr Nachhaltigkeit? Das ist zu romantisch. Was grundsätzlich daran stimmt, ist, dass es sich früher ausgegangen ist mit der Bodenfruchtbarkeit. Der Betrieb meiner Eltern war kein Biobetrieb, aber mein Vater hat immer nur ein Fünftel der empfohlenen Dosis von der giftigen Chemie (meint chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger, Anm.) genommen, einfach weil er das Gefühl hatte, das muss reichen. Niederösterreich bietet ein gutes Umfeld, um so aufzuwachsen, dass man lernt, was man braucht und was nicht. Aber der Einsatz von Pferden statt Maschinen würde sich einfach nicht mehr ausgehen. Weil Arbeitskräfte teuer sind – und die EU und die österreichische Politik haben auch dafür gesorgt, dass durch die Flächenprämien nicht die eingesetzte Arbeitskraft und auch nicht mehr unbedingt der Output belohnt wird, sondern in erster Linie die Fläche. Da fallen halt jene, die viel Fläche besitzen, eher auf die Butterseite. Wir wissen, dass die LandwirtInnen teilweise mit ihren Produkten draufzahlen und sie nur machen, weil sie eh die Flächenprämie kriegen. Das heißt, die Politik zur Förderung von Landwirtschaft hat dazu geführt, dass sich landwirtschaftliche Arbeit nicht mehr lohnt? Heute werden etwa 10 Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben, in den 70er-Jahren waren es rund 30 Prozent. Solange man es sich leisten kann, mit öffentlichem Geld so umzugehen, braucht man sich nicht wundern, wenn Lebensmittel weggeworfen werden. Wenn ein Schweinebauer schlechter aussteigt, wenn er ein Schwein mästet, als wenn er gar nichts macht, fördert man das Falsche. Das steht den vertretenen Interessen der niederösterreichischen Landwirtschaft entgegen? Das steht der Nachhaltigkeit entgegen. Die niederösterreichische Landwirtschaft wird

Johannes Gutmann hat 1988 Sonnentor als Ein-Mann-Kräuterhandel gegründet. Im Geschäftsjahr 2020/21 hat Sonnentor 60 Millionen Euro umgesetzt und 360 MitarbeiterInnen beschäftigt.


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ja maßgeblich von der Agrarpolitik geformt – durch eine starke Vertretung der Landwirtschaft in der Landespolitik. Wir leben hier im »Schwarzen Meer« und da wird Hergebrachtes, der agrarpolitische Mainstream, umgesetzt. Punkt. Nicht nur in Niederösterreich. Bio ist, ja … manchmal nett, wenn man sich das Fähnchen eines verhältnismäßig hohen Bioanteils an den Hut stecken kann. Wirklicher politischer Glauben wird dem nicht geschenkt. Die Biobauern

»Bei uns hat sich vieles abgespielt, das die WienerInnen ausgebrütet haben.« — Johannes Gutmann und -bäuerinnen sind die UnruhestifterInnen mit lästigen Ideen und damit werden sie – auch wir als Sonnentor – in ein unbequemes Eck gestellt. Wir sind immer die BesserwisserInnen. Aber immer, wenn eine Krise kommt – egal ob das nun die explodierenden Energie- oder Kunstdüngerpreise sind –, zeigt sie, wie angreifbar das heutige Agrarsystem ist und wie resilient die Biolandwirtschaft ist, die gute Böden aufgebaut hat. Wir sind jetzt unabhängig. Bei den anderen fallen wieder ein paar zam wie die leeren Kartoffelsäcke. Waren Sie als Erwachsener immer schon umwelt- und klimabewegt oder erinnern Sie sich an eine Initialzündung? Es gab zwei Initialzündungen. Meiner Mutter war wichtig, dass ich zu Mittag und am Abend z’haus bin, aber sie hat mich nicht aufs Feld geschickt, ich konnte mich ansonsten meiner Freiheit widmen, war viel im Wald und mit dem Rad in der Natur unterwegs, habe gezeichnet. Ich hab auch als Kind schon ein bissl anders gedacht, war eigenständig unterwegs und als dann der Präsenzdienst nahte, habe ich einen Antrag abgegeben, dass ich Zivildienst leisten möchte und keinen Dienst an der Waffe. Ein Bekannter aus Allentsteig hatte mir erzählt: Die Zeit beim Bundesheer verbringt man nicht sinnvoll. Ich wollte die Zeit aber sinnvoll verbringen. Daraufhin war ich einer der Letzten, die noch bei der Stellungskommission – das war eine peinliche Art von Befragung durch eine Kommission des Bundesheeres – vorsprechen mussten.

Die hat mich wirklich tiefgründig befragt – und meine Beweggründe nicht anerkannt, mich daraufhin im Gegensatz zu meinen Freunden nicht nach Allentsteig, sondern in die Kaserne nach Groß-Enzersdorf geschickt. Weil ich einen Servierkurs absolviert hatte, durfte ich als Kellner in der Offizierskantine die Offiziere und Gäste bedienen. Das war im Winter 1984, als die Besetzung der Hainburger Au begonnen hatte, da waren viele Polizeioffiziere und leitendes Personal des in Hainburg eingesetzten Bundesheeres zur Verpflegung untergebracht. Und weil ich die bedienen durfte, hab ich auch mitbekommen, was dort gesprochen wurde – von »Owaschneiden von de Bam!« und »Des Gsindl, de verjog ma olle!«. Da war ich 19 und dachte mir: Das ist eigentlich schon schlimm. Unter ihnen gab’s natürlich noch viele, die den letzten Weltkrieg miterlebt haben. Aber wie da über die Umweltbewegung gesprochen wurde, über diese armen Hunde, die sich für die Umwelt einsetzten, war letztklassig. Mein zweites zentrales Erlebnis war ein Jahr später meine erste Begegnung mit einem Biobauern, als es die ersten im Waldviertel gab. Aus Neugier hab ich den auf einem Bauernmarkt angesprochen. Die haben schon noch anders ausgeschaut, manche sind wirklich mit dreckigen Füßen dahergekommen. Und die haben halt erzählt, wie sie merken, ob ein Boden gesund ist. Wie sie bodenchromatisch aufarbeiten, ob in einer Bodenprobe überhaupt noch was lebt: Dazu hat man ganz einfach eine mit Wasser verdünnte Bodenprobe auf einem Blatt Löschpapier verteilt. Unserer war verdichtet und nicht mehr sehr lebendig. Die haben mir aber genauso einfach erklärt, was man tun muss, um einen Boden wieder in den Kreislauf zu bringen – über Fruchtfolge und Humusaufbau. Und: Man kann den Boden nur dann langfristig verwenden, wenn man ihn auch füttert. Er gibt uns was und wir müssen ihm irgendwas zurückgeben. Hat sich das persönliche Erleben widergespiegelt in einer breiteren gesellschaftlichen Veränderung? Ja! Mitte der 80er-Jahre gab’s rund 150 Biobauern in Niederösterreich. Das hat mich überrascht, denn als das bestimmende Agrarland Österreichs zeigt Niederösterreich schon auch, wohin es geht. Und da sind die ersten Betriebe auf Bio umgestiegen, die Landwirtschaftskammer hat das auch unterstützt, und 1989 gab’s dann


im Lebensmittelkodex in Österreich die erste Verankerung von Bio – weltweit eigentlich. Als ich mich selbstständig gemacht habe, war ich von Bio begeistert und es war klar, dass ich nur mit Biobäuerinnen und Biobauern zusammenarbeite. Hat dieser Anschein von Bewegung zum Teil getäuscht? Welche Momente haben Sie in dieser Hinsicht als Rückschläge erlebt? Jeder hat gesagt, dort wirst du dir den Kopf anstoßen. Aber diese Hindernisse zeigen ja auch, ob ich reif bin für die nächste Gabelung. Wege müssen mit Rückschlägen gepflastert sein. Wert hat das, wo man kreativ sein muss. Sind wir als Gesellschaft so kreativ? Nein. Die Gesellschaft ist verwöhnt und fett. Ich sollte schauen, dass das, was mich fett gemacht hat, zumindest bestehen bleibt. Dazu gibt’s halt auch mal karge Tage, analog zur Fastenzeit. Wir müssen nach den fetten Jahren wieder auf einen gesunden Weg kommen. Das heißt nicht Verzicht, sondern Konzentration aufs Wesentliche. Dazu muss man halt Veränderungen zulassen. Wo steht man derzeit zu sehr auf der Bremse? Wir in Niederösterreich versuchen oft, uns politisch besser darzustellen, als wir sind. Es gibt die großen Donaukraftwerke, viel erneuerbare Energie. Aber wir haben so viele Dächer, die nach Photovoltaikanlagen schreien. Jetzt wird darüber nachgedacht, sie auf Feldern zu installieren. Aber mit der ungenutzten Dachfläche würden wir mehr als auskommen. Wie stehen wir denn da? Nicht nur bei Erdgas und Erdöl sind wir zu abhängig, das können wir ändern. Im Biobereich hat man 15–20 Prozent weniger Ertrag – nicht bei allen Kulturen, aber bei den meisten. Jetzt wird schon geschrien: Wir können uns nicht mehr ernähren! Das wird von Spritzmittelkonzernen und der Agrarpolitik behauptet. Das ist kompletter Blödsinn! Da frag ich mich schon, wie lang es noch dauert, bis es auch diese Leute verstehen. Die Veränderung muss offensichtlich – und wird auch – aus der Gesellschaft kommen. In Niederösterreich sind wir da eh schlagkräftig. Manchmal steht das BeamtInnentum hier auch der schöpferischen Freiheit entgegen und versucht, zu begrenzen. Da muss man dann auf einen anderen Weg ausweichen, oder drüberhüpfen. Hat sich die Umweltbewegung in NÖ und darüber hinaus in den 80ern und 90ern für das engagiert, was heute unter Nachhaltigkeit verstanden wird? Sicher! Das waren die ersten WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen, die sich dafür eingesetzt ha-

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ben. Die hatten dabei persönlich nichts zu gewinnen oder zu verlieren. Es gibt immer solche Freigeister, die sich das erlauben können. Das waren InitiatorInnen, denen wir heute dankbar sein müssen und ihr Erbe lebt weiter. Auch wenn immer wieder wer kommt, der meint, das muss weg. Aber die anderen werden mehr, nicht zuletzt, weil sie von den großen Krisen getrieben werden. Wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen werden, wird der Huat brennat werden. Das wird schnell teuer und tut dann doppelt weh.

Gutmann will Kreislaufdenken und Wertschätzung gegenüber Mensch und Natur an seine Kinder weitergeben. Im Bild mit Tochter Lea, 2018

Sonnentor betont das Arbeiten mit Freude. Wird alles, was wir zur Klimawende beitragen, Freude bereiten? Nein, ganz bestimmt nicht. Aber wenn wir’s geschafft haben, werden wir sehen, dass es uns Freude bereitet. Jede Veränderung, jedes Tun, das wir nicht gewohnt sind, tut im ersten Moment ein bisschen weh. Aber wenn man sich auf was Neues einlässt – das checken leider nicht so viele – und der Turnaround geschafft ist, sind wir wieder auf dem Weg der Freude. Jetzt wird schon drüber nachgedacht, ob nicht Hinten das neue Vorne ist. Ich hab’s ja mit meiner altbackenen Herangehensweise versucht, Kredit nicht ohne 50 Prozent Eigenka-

Traut sich noch wer, Sie zu fragen, wozu es ein Biozertifikat braucht? Hat sich Ihre Antwort über die Jahre verändert? Aber natürlich. Es gibt noch viele Ewiggestrige, die glauben, dass die Biobäuerinnen und -bauern in der Nacht spritzen. Das ist eingeprägt und die dazu passenden Phrasen werden auch politisch weiter gedroschen. Deswegen freu ich mich über die Fragen und antworte: Bio ist real und hat heute Gesetzesstatus, dem man sich beugen muss. Bis wir Teil der EU waren, gab es diese strenge Biozertifizierung bei uns nicht, sondern nur Stichproben. Als ich vor dem EU-Beitritt die erste Biokontrolle zur Vorbereitung auf den Beitritt hatte, habe ich gestaunt, was da alles kontrolliert wird. Da haben auch einige den Weg verlassen, die’s nicht so genau nehmen. Und das ist auch gut so. Die von Sonnentor mitangestoßene Allianz zum Engagement für enkeltaugliches Österreich wird breiter. Gehört das inzwischen zum guten Ton? Weltverbesserung gehört im Moment zum guten Ton, das kann sich morgen schon ändern. Aber wer es so meint, bleibt dabei. Wie erkennen wir, wer es ernst meint – und ob wir selbst zu wenig tun? Im Prinzip weiß man das sehr schnell. Indem ich so wenig wie möglich wegschmeiße. Wenn ich im Kreislauf denke und auch handle. Wenn ich wenig Fleisch esse und nicht irgendeines. Wenn ich nicht alle paar Wochen wieder neue Jeans oder T-Shirts brauche, sondern einen Kleiderkasten habe, der so groß ist wie der, der davorsteht. Wenn ich ein Klimaticket in der Hand hab und mir dann überlege, ob ich unbedingt ein neues Auto brauche. Indem ich schaue, dass das, was ich brauche, verträglich besorgt wird. Wenn ich auch mit meinen Kindern so umgehe, wie ich selbst gerne behandelt worden wäre. Und denen nicht einfach nur ein Handy in die Hand drücke und sage: Spü di! Habe ich was Wichtiges vergessen? Wenn Sie glücklich sind, bin ich auch ­glücklich, weil ich bin sowieso glücklich!

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»Wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen werden, wird der Huat brennat werden. Das wird schnell teuer und tut dann doppelt weh.« — Johannes Gutmann

pital aufzunehmen, und mich auch unternehmerisch nie abhängig gemacht.


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INTERVIEW Eva Baumgardinger

KLIMASCHUTZ = WETTBEWERBSVORTEIL Der Amstettner Gernot Wagner lebt in den USA und forscht im Bereich Umweltökonomie. Ein Gespräch über die Vorteile für die, die sich früher verändern.

Gernot Wagner, geboren 1980 in Amstetten, ist u. a. Autor von »Klimaschock«, dem Wissenschaftsbuch des Jahres 2017, »Stadt, Land, Klima« (2021) und »Geoengineering: The Gamble (2021)«.

Österreich sieht sich als Green-Tech-Vorreiter. Welche Projekte werden aus Ihrer Perspektive weltweit wahrgenommen? Auch wenn man das vielleicht nicht gern hört: Das österreichische Unternehmen, von dem man aus internationaler Sicht gerade am meisten mitbekommt, ist nicht das Start-up, das hocheffiziente Batterien für die neuen EVs liefern wird, sondern die OMV, die Putins Lieblingsfußballteam sponsert. Die innovativen, grünen Start-ups, die alles richtig machen und

LUKAS ILGNE R/PRO FIL , ROSE LINCOL N/HARVARD

BIORAMA: Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Stimme als Umweltökonom in letzter Zeit mehr gehört wird? GERNOT WAGNER: Als ich vor 20 Jahren studiert habe, war Klimaökonomie noch so etwas wie ein Oxymoron, ein Widerspruch. Da hieß es, man ist entweder für Klimaschutz oder für die Wirtschaft. In den letzten zehn Jahren hat sich das sehr stark geändert. Es hinterfragt niemand mehr, warum es wichtig ist, Klimaökonomie ernst zu nehmen. Rich Lesser, der Chef des Milliarden-Dollar-Beratungsunternehmens Boston Consulting Group, sagt, dass er 60 bis 70 Prozent seiner Zeit mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit verbringt. Wenn er seine fünfminütigen Präsentationen gibt, steht auf seinen Slides: Klimaschutz = Wettbewerbsvorteil. Und unten in den Notes, wo offengelegt wird, wie die Berechnungen angestellt wurden, der Hinweis: »Eine unserer Annahmen ist ein globaler CO2Preis von 75 Euro pro Tonne bis 2030.« Früher ging es um die Frage, ob Klimawandel wirklich so schlimm ist. Jetzt geht es darum: Wie schnell können wir uns umstellen?

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BE SC H LE U N IG TE R WE TTB EWE R B


von der CO2-freien Wirtschaft profitieren werden, gibt es in Österreich natürlich auch. Diese Art von Unternehmertum hat mittlerweile jedes Land. Es ist ein Wettlauf geworden, den jene Unternehmen gewinnen werden, die sich jetzt rasch umstellen können und wollen, die für eine neue Politik lobbyieren und sagen: Weil der ungebremste Klimawandel noch viel schlimmer ist, wollen wir diese Veränderungen und jetzt Teil der Lösung sein. Die kann sehr profitabel sein – und sie ist es meist auch. Zum Beispiel? CO2-freier Stahl. Das, wie so vieles in Sachen Klimaschutz, ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Man kann sich als Unternehmen fragen: Peilen wir 2050 an und machen die Umstellung damit zum Problem der zukünftigen Generationen? Oder wir stellen 2030 um, was sofortiges Handeln aller Beteiligten bedeuten müsste. Die Voestalpine steht hier zum Beispiel im Wettbewerb mit der Salzgitter AG in Deutschland, die bis 2033 CO2-frei werden will. Oder auch mit Schweden, wo SSAB diesbezüglich überhaupt sehr weit vorne ist. Es geht um die Frage: Wie schnell kann sich die Voestalpine umstellen und was bedeutet das für die österreichische Elektrizitätsnachfrage und grünen Wasserstoff? Wie kann man die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft beziffern? Es gibt auf der einen Seite die Risiken und enormen Kosten des ungebremsten Klimawandels und seine Auswirkungen, auf der anderen Seite die Kosten der Umstellung. Wenn ein Unternehmen nur Ölkessel einbaut und sich nicht umstellen kann oder will, sind diese Kosten hoch. Aber dem gegenüber stehen die Chancen, die Klimapolitik bringt: Jedes Unternehmen, das derzeit nur Kühlanlagen installiert, müsste längst umgestellt haben und sagen: »Eigentlich ist eine Wärmepumpe eine Kühlanlage, die man – vereinfacht ausgedrückt – rückwärts laufen lässt und die mithilft, aus Gas auszusteigen.« Im Endeffekt sind die Mehrkosten, die mit der Umstellung auf ein entkarbonisiertes, hocheffizientes Leben einhergehen, oft viel geringer als zuvor angenommen. Schließlich geht technologischer Fortschritt nur in eine Richtung: billiger durch bessere Technologien.

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»Wir wollen diese Veränderungen, weil der ungebremste Klimawandel noch viel schlimmer ist, wir wollen jetzt Teil der Lösung sein. Die kann sehr profitabel sein, und sie ist es meist auch.« — Gernot Wagner

Photovoltaik ist nicht von ungefähr die billigste Form der Elektrizitätsgewinnung. Das bringt Wettbewerbsvorteile. Dass das auch gut für die Wirtschaft im Allgemeinen ist, ist klar; dass es nicht ohne Klimapolitik geht, auch. In Ihrem neuen Buch beschäftigen Sie sich mit Technologien, die aus heutiger Sicht wahnwitzig klingen, zum Beispiel solares Geoengineering. Worum geht es da? Beim solaren Geoengineering geht es im Prinzip darum, Teile des ungebremsten Klimawandels mit globalen technologischen Eingriffen anzugehen. Die radikalste Version wäre, die Effekte eines großen Vulkanausbruchs künstlich herbeizuführen. Material, das in die Stratosphäre geschleudert wird, könnte die Sonne etwas dimmen und in Folge den Planeten kühlen. Wir sind in Sachen Klimawende schon so spät dran, darum befassen sich manche ForscherInnen mittlerweile mit solchen Technologien, die etwas nach Frankenstein klingen. Wie weit sind solche Technologien gediehen? Sie befinden sich in den allerersten Forschungsstufen. Wenn Sie mich fragen, ob wir solares Geoengineering in dieser oder der nächsten Dekade umsetzen sollen, würde ich dezidiert sagen: nein. Es geht darum, Forschungsprogramme aufzubauen, um herauszufinden, wie groß die Risiken sind. Der wichtigste Punkt: Solares Geoengineering darf nicht von der Reduktion der CO2-Emissionen ablenken. Ganz im Gegenteil: Die Diskussion über diese Technologien sollte uns dazu motivieren, viel mehr in Sachen Klimaschutz zu tun.

Gernot Wagner forscht und lehrt seit mehr als 20 Jahren – unter anderem an den Universitäten Harvard und Stanford. Er lehrt an der Columbia Business School in New York mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung, Klimapolitik und Klimawende. Mehr zu seiner Arbeit auf gwagner.com

Rich Lessers (CEO Boston Consulting Group) Vortrag im Rahmen des World Economic Forum 2022 zum Titel »Winning the Race to Net Zero« in englischer Sprache ist auf Youtube auf dem Kanal »TheBostonConsultingGroup« verfügbar.


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DIE UNSTETEN JAGDGRÜNDE DES LANDESADLERS. Die Mühen der Tiefebene: Mit Argusaugen wachen NaturschützerInnen über die Bestände von Seeadler und Kaiseradler.

BILD M. S CHMIDT/BI RDLIFE

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ie Diskussion darüber, welches Tier das mitunter auch Lerchenwappen genannte Landeswappen Niederösterreichs ziert oder die Wappen, aus denen es sich entwickelt hat, bereits geziert hat, ist eher alt: Schon 1804 wurde allerdings im Rahmen der Krönung von Franz II. zum Kaiser von Österreich bei der Klärung des Wappens des »Allerdurchlauchtigsten Hauses Österreich« auch mitgeregelt, wie das für das Erzherzogtum unter der Enns auszusehen hat: »Fünf güldene Adler, im blauen Feld, zu zwei und zwei zusammensehend, der unterste Adler ist rechtsgekehrt«, heraldisch rechts ist damit gemeint. Um welche Adler es sich handelt, ist nicht klar – die Darstellungen des österreichischen Bundesadlers zumindest sollen ExpertInnen zufolge auf einen Seeadler hindeuten. Die veränderten Umweltbedingungen und der Abschuss der als Nahrungskonkurrenz wahrgenommenen Raubvögel führten dazu, dass die beiden in der Tiefebene angesiedelten Adler – Seeadler und Kaiseradler – in Österreich im 20. Jahrhundert jahrzehntelang ausgestorben waren. Lange Zeit war unter den Adlern daher nur mehr der im Gebirge angesiedelte Steinadler in Österreich übrig. Die großen Greifvögel sind als Aasfresser und als Spitze der Nahrungskette allerdings wichtig, um die Bestände ihrer Beute zu regulieren und um die Ausbreitung von Tierkrankheiten zu begrenzen. Andererseits sind sie nicht von ungefähr die weltweit beliebtesten Wappentiere nach den Löwen: Die Faszination, die Adler auf Menschen ausüben, macht sie auch zu mächtigen Symbolen des Vogel- und Naturschutzes. Trotzdem hat das Bewusstsein für ihre Schutzbedürftigkeit in Österreich eigentlich zu

Der größte Greifvogel Europas, der Seeadler, erreicht eine Körperlänge bis 90 Zentimeter und eine Flügelspannweite bis 250 Zentimeter.

spät eingesetzt – hätten Kaiseradler und Seeadler nicht im umliegenden Europa noch vereinzelt Rückzugsgebiete gefunden, gäbe es sie heute hierzulande nicht. Doch sie sind von dort in den 90er-Jahren von sich aus nach Österreich zurückgekehrt – und nicht wie oft fälschlich angenommen durch menschliche Wiederansiedelung, wie Matthias Schmidt von der Vogelschutzorganisation Birdlife betont. Aus den europaweit nur mehr 20 Brutpaaren der Kaiseradler in den 1980ern wurden inzwischen wieder rund 350, weiß Matthias Schmidt. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt in der Pannonischen Tiefebene, in Ungarn und der Slowakei. Von den 45 österreichischen Kaiseradlerpaaren leben 30 in Niederösterreich: Und mit 35 haben sich auch gut drei Viertel der österreichischen Seeadlerpaare in Niederösterreich niedergelassen, die ansonsten vor allem im Nordosten Europas beheimatet sind. Österreich liegt am Rande der Hauptverbreitungsgebiete dieser beiden großen Adler – und »für beide Arten ist Niederösterreich besonders wichtig, weil sie dort ihr Hauptverbreitungsgebiet in Österreich haben«, sagt Matthias Schmidt.

TEXT Irina Zelewitz

ADLERZENSUS Diese Schätzungen der Adlerbestände sind äußerst fundiert, denn aufgrund der Seltenheit der Tiere wird ihre Rückkehr penibel dokumentiert und – auch hier spielen Größe und Beliebtheit der Tiere eine Rolle – Meldungen aus der Bevölkerung unterstützen das Monitoring. »Wir kennen unsere Adler«, betont Schmidt entsprechend – »vielleicht wissen wir nicht zu jedem Zeitpunkt von jedem Brutpaar, aber es wird mit

Die fünf Adler haben seit 1979 wie auch ihre Blickrichtung in Niederösterreich Verfassungsrang.


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WAPP E N TIER SCH U TZ

Matthias Schmidt hält den im Juni abgeschossenen Kaiseradler Artemisia.

viel Aufwand Monitoring betrieben. Die kleinen Bestände könnten jederzeit wieder in eine andere Richtung laufen und dann müssen wir schnell gegensteuern.« Birdlife führt gemeinsam mit anderen Naturschutzorganisationen wie dem WWF ein Mal jährlich auch den Eagle Census durch, um zusätzlich zu den Brutpaaren festzustellen, wie viele Vögel sich im Winter in Österreich niederlassen. Die Bedrohungen, von denen Schmidt spricht, sind vor allem jene durch den Menschen. Die Todesursache Nummer 1 bei Adlern ist deren illegale Verfolgung – durch Abschuss, Vergiftung und Fang. »Auch um hier gegenzusteuern, braucht es Zahlen«, betont Schmidt. Denn es sei wichtig, dass unbestreitbar klar ist: »Nach der illegalen Verfolgung kommt die Windkraft erst als Todesursache Nummer 2« – knapp gefolgt von und der Kollision mit Fahrzeugen, vor allem Zügen. Aber auch der Verlust von Lebensraum durch Verbauung oder Degradierung setzt Adler unter Druck. Schutzbemühungen müssten natürlich dort liegen, wo Verluste am einfachsten vermeidbar sind, spricht Schmidt große Worte gelassen aus. Anders gesagt: Auch die NGO Birdlife ist klar für einen weiteren Ausbau der Windkraft in Niederösterreich. Da wir parallel zur Klimakrise in einer Biodiversitätskrise stecken, sollte der Ausbau der Windkraft rücksichtsvoll passieren, fordert Birdlife mit dem Hinweis: »Die Bestände vieler Greifvögel entwickeln sich gut trotz wachsender Windkraft – das liegt auch daran, dass man in der Vergangenheit Schutzzonen weitgehend respektiert hat. Da haben sowohl Ämter als auch Betreiber Rücksicht genommen.« Langsam werden mit dem Ausbau der Windkraft aber die unproblematischen Standorte knapper und der Druck auf jene Zonen, die als sensibel, weil für (Greif-) Vögel relevant, eingestuft sind, wächst. »Gebiete mit hoher Greifvogeldichte oder Zugintensität decken sich oft mit günstigen Stand-

orten für Windkraft – ein banaler Grund ist, dass Windkraft nicht in der Nähe von Siedlungen gebaut wird – das versteht auch jedeR. Und offene große Flächen sind super für Windkraft, aber auch gute Nahrungsquellen«, so Schmidt – es führe daher kein Weg am Schutz der »Top-Greifvogelgebiete« vorbei, »die Zonierungen sind auf Basis von Forschungsergebnissen erarbeitet worden und sollten jetzt nicht in Hauruckaktionen umgeworfen werden«. Bezugnehmend auf die regelmäßigen Rufe nach schnelleren Umweltverträglichkeitsprüfungen weist der Vogelschützer auf das sich im Lauf der Jahreszeiten verändernde Verhalten der Tiere hin: »Die Prüfung eines Standorts dauert ja nicht aus Schikane länger als drei Monate.« Einsprüche gegen Gutachten für Windkraftanlagen gibt es von Naturschutzorganisationen in ganz Europa, auch von Birdlife. Schmidt zufolge vor allem, wenn die Untersuchungen für die Gutachten nicht »ordentlich« durchgeführt wurden und somit die Grundlage für eine Beurteilung fehle. Sein Vorschlag, um die Sache abzukürzen: Die Gutachten sollten nicht von den Windkraftbetreibern direkt in Auftrag gegeben, sondern unabhängig durchgeführt und den Betreibern in Rechnung gestellt werden. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Begutachtungsunternehmen und Windparkbetreibern sei der Qualität der Gutachten nicht zuträglich. Zurück zu den einfachsten Schutzmaßnahmen, und hier einer, die inzwischen auch von der EU-Kommission empfohlen wird: dem Verbot von Bleimunition. Greifvögel nehmen sie über ihre Nahrung auf und sterben an den Vergiftungsfolgen. Schmidt berichtet vom Verdacht, dass Bleivergiftungen in geringerer Dosis auch häufig für Kollisionen verantwortlich sein könnten, weil der Navigationssinn der Tiere beeinträchtigt wird. »Ich kenne keine haltbaren Gründe, warum Bleimunition noch erlaubt sein sollte – auch zum Schutz der menschlichen Gesundheit braucht es ein Verbot. Blei findet sich ja auch in Wildbret«, betont Schmidt. Auch der Seeadlerexperte des WWF, Christian Pichler, berichtet vom jahrelangen und bisher vergeblichen Einsatz der Naturschutzorganisationen für ein solches Verbot und wird noch deutlicher: »Der Grund, warum es bisher noch nicht umgesetzt ist: Innerhalb der JägerInnenschaft gibt es nach wie vor Bedenken bei der Anwendung alternativer Munition – es bedarf weiterer Überzeugungsarbeit.«

BILD BIRDLIFE ÖSTE RRE ICH

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In Maßen, nicht in Massen BILD NATU RPARK S IERNINGTAL FLATZ ER WA ND, GE MEI NDE LACKENHOF-GA MI NG

Echtes Naturerlebnis und Massentourismus stellen einen Widerspruch dar. Verfasstheit. »Wir bieten Ruhe, Wasserfälle, den Ötscher »Wir positionieren uns als Alternative zu Halligalli und Masund die Ötschergräben, Wanderrouten für jeden Anspruch, sentourismus«, sagt Renate Rakwetz. Sie ist Bürgermeisteaber auch Skipisten und Wege für alle, die einfach nur gerin von Lackenhof-Gaming. Overtourism und einen Ansturm mütlich spazieren gehen wollen.« Verteilen sich die Besuder Massen gibt es hier mitten im Naturpark Ötscher-TorcherInnen stärker über den Jahresmäuer nicht. Vor der Pandemie zählte verlauf, erhöht das die Lebensqualität. ihre Gemeinde an die 90.000 NächtiDas ist der Bürgermeisterin ein besongungen, fünfzehn Jahre davor waren deres Anliegen, denn »auch Einheimies noch 140.000 gewesen. »Schuld am sche brauchen einmal Ruhe und ihre Einbruch«, meint Rakwetz, die vor 13 Rückzugsräume«. Jahren erstmals zur Bürgermeisterin Werner Krammer, Bürgermeister in gewählt wurde, sei vor allem, dass es Waidhofen an der Ybbs und Obmann mehr und mehr Gäste an die Hotspots der Naturparke Niederösterreich, zieht. Also: in die großen Skigebiete. sieht im Naturerlebnis und dem UmHauptsächlich hat man es in Lackenstand, mit »seiner« Stadt Teil eines hof-Gaming mit Wintergästen zu tun. Naturparks zu sein, nicht nur eine Seit langem schon setzt man in der Retouristische Bedeutung, sondern sogion aber auch auf Alternativen zum klassischen Skizirkus. Dabei von Vor- »Auch Einheimische brauchen einmal Ruhe gar »einen ganz wesentlichen Standteil: Naturerlebnisse gibt es zu jeder und ihre Rückzugsräume.« Renate Rakwetz, ortfaktor«. Die Pandemie habe eine lange wahrnehmbare Entwicklung Jahreszeit, für jederlei Vorlieben und Bürgermeisterin von Lackenhof-Gaming.

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

Intensives Naturerlebnis am Fels: Im Naturpark Sierningtal-Flatzer Wand gibt es ganze 300 Kletterrouten.


beschleunigt und gezeigt, welch wesentlicher Faktor für Lebensqualität ein intakter Naturraum ist. Er engagiert sich bewusst über die Grenzen seiner Stadt hinaus und hat mehrere Naturparke in der Naturpark-Region Ybbstal vernetzt: »Diese führt vom Wildnisgebiet Dürrnstein über die NÖ Eisenwurzen bis Waidhofen – und in einer Zukunftsvision vielleicht sogar bis zum Naturpark Ötscher-Tormäuer hin«, sagt Krammer. Vieles sei erst im Aufbau. Ein Fokus liege aber klar auf der Naturvermittlung in der Region. (»Unterricht in der Natur gefällt uns als Thema sehr gut.«)

DER FLUSS ALS VERBINDENDES BAND »Neu ist auch, dass wir die Ybbs als Fluss, als ganzheitlicher Lebensraum und als verbindendes Band für die Region bis hinein nach Lunz in alle Naturpark-Aktivitäten mit aufgenommen haben«, so Krammer. Sichtbare Botschafter der Ybbs sind der in ihren Zubringern lebende Steinkrebs, der Eisvogel, der Biber, der Fischotter und die auch direkt in Waidhofen lebenden Wildgänse. Wenn er selbst auf Urlaub ist, zieht es Krammer oft in National- und Naturparks. Begeistert hat ihn zuletzt die regionale Identität des apulischen Nationalparks Gargano. Auch die oberösterreichische Initiative »Naturschauspiel« erachtet er als vorbildlich – vor allem auch was die Ansprache der lokalen Bevölkerung angeht.

Viel Erfahrung mit der behutsamen Inszenierung von Naturerlebnissen hat man auch in Kärnten. Am Weissensee setzt man seit den 1970er Jahren auf den »Naturgast«, wie ihn Robert Heuberger nennt, der im Amt der Kärntner Landesregierung für die Geschäftsführung der beiden Naturparke Weissensee und Dobratsch verantwortlich ist. Am Weissensee zahlen Tourismusbetriebe seit mehr als einem Vierteljahrhundert pro Nächtigung einen Schilling an die Landwirtschaft – sofern sie biologisch wirtschaftet und die Seewiesen mäht. Aus dem »Nächtigungsschilling« wurden mittlerweile 50.000 Euro im Jahr, die dafür sorgen, dass Biolandwirtschaft und Biodiversität rund um den Weissensee blühen. Im Naturpark Dobratsch musste man vor ein paar Jahren nach einem harten Schnitt – das Skigebiet sperrte über Nacht zu – ein komplett neues Winterkonzept erarbeiten. Heute ist die Gegend bei SkitourengeherInnen beliebt, es gibt präparierte Winterwanderwege, ausgewiesene Schneeschuhrouten, Rodelbahnen. »Vor allem die vielen renovierten Hütten florieren und sind zu lokalen Attraktionen geworden«, sagt Robert Heuberger. Das Tourismuskonzept zeige, dass man in einer Naturlandschaft nötigenfalls auch ohne Lifte gut über den Winter komme. naturparke-niederoesterreich.at

AUSGEWÄHLTE ABENTEUER IN NATURPARKEN »GeBIERgsdorf« Gaming Auf zwei Genuss-Wanderrunden – einer Seidl- und einer Krügerl-Runde – wandern wir an einem Hopfengerüst, an Braugerstefeldern und einem Bierbrunnen vorbei. Dabei erfahren wir viel über die Kulturgeschichte des Brauens. Spätestens bei der Brauerei Erzbräu kommt die Lust auf, eine ihrer regionalen Biobiere zu verkosten. bierweg-gaming.at

Die Ybbs vereint mehrere Naturparke.

Kletterparadies Flatzer Wand Im Naturpark Sierningtal-Flatzer Wand erwarten uns 300 Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden (1–10). Außerdem: Klettersteige für AnfängerInnen oder Anspruchsvolle. Für Familien mit Kindern geeignet sind besonders der Gottwaldsteig und der Flatzer Wandsteig. naturpark-sierningtal-flatzerwand.at

B ILD STADT WAIDHOFEN AN DE R YBBS

Ybbstal Radweg Der Ybbstal Radweg beginnt am Bahnhof in Waidhofen und führt – vorbei an vielen abgelegenen Naturbadeplätzen – bis Lunz am See. Sowohl in Waidhofen, als auch in Opponitz erwarten uns besonders radfreundliche Unterkünfte. naturpark-ybbstal.at


»Kuhfladen sind Paradiese für Insekten«

BILD C HRIS LAISTLE R / BRA NDINGBROTHERS

Agnes Penner, sorgt mit ihren japanischen Wagyu-Rindern dafür, dass artenreiche Wachauer Wiesen nicht verbuschen. Ein Großteil Ihrer Wiesen wird dreimal im Jahr beweidet, ein Teil nur zweimal. Unterscheidet sich die Artenvielfalt auf diesen Flächen? Agnes Penner: Unsere Rinder ziehen während der Vegetationsperiode von Weide zu Weide. Die saftigeren Wiesen sind zuerst dran, trockenere später. Wenn es im Frühjahr viel geregnet hat, wird ein Teil der Wiesen auch gemäht. Die Tiere können ja nicht überall gleichzeitig sein. Es ist ein Unterschied erkennbar, je nachdem, wie oft eine Wiese gemäht oder beweidet wird. Ich konnte feststellen, dass seit zwei Jahren durch Beweidung der Pflanzenbestand dichter wird, einige Arten zurückgehen, andere – wie zum Beispiel der Weißklee – durch Beweidung gefördert werden. Wenn wo oft gemäht wird, reduziert das dort die Artenvielfalt. Beweidung fördert die Biodiversität und ist auch besser als verwildern lassen. Eine unserer Weiden lag davor brach. Durch die Rinder kamen bereits verschwundene, seltene Pflanzen wieder zurück. Bei den Heuschrecken haben wir mittlerweile zwei bedrohte Rote-Listen-Arten auf unseren Wiesen. Darauf sind wir stolz. Und auch die Kuhfladen sind ein Paradies für Insekten. Wagyu Rinder sind erst mit zwei Jahren ausgewachsen. Erst dann beginnt die Fetteinlagerung im Muskel, die zum besonders aromatischen

Fleisch führt. Wagyu-Kalbfleisch gibt es gar keines? Die Tiere werden frühestens mit 36 Monaten geschlachtet. Verglichen mit einem Maststier, der normal 18 Monate alt wird, haben sie ein wirklich langes Leben. Sie bekommen auch erst gegen Ende der Mast ein wenig Kraftfutter. In ihrer Heimat Japan sind die Tiere als Kobe-Rinder bekannt und werden fast ausschließlich mit Kraftfutter gefüttert. Das ist nicht wirklich artgerecht und auch das Fleisch ist für unseren Geschmack viel zu fett. Bei uns am Hof dominieren Gras in Form von Weide und Silage, die Kälber bekommen auch Heu. Das kommt alles vom Grünland wie es bei uns die Landschaft bereit hält und das wir mit unseren Rindern pflegen. Wir versuchen unsere Wiederkäuer tier- und artgerecht zu füttern. Die Marmorierung des Fleischs ist ausreichend: zart, saftig, aber nicht übertrieben fett – also auch gut angepasst an die europäische Küche. Wo bekommt man denn ihr Biowagyufleisch? Zum Beispiel im »Weißen Rössl« in Mühldorf (als Lokal nicht biozertifiziert, Anm.). Dort gibt es ein ganzes Menü mit dem Fleisch unserer Wagyu-Rinder und Turopolje-Schweine. Das meiste aber vermarkten wir direkt. Uns ist wichtig, nicht extrem hochpreisig zu sein. Tolle Qualität soll leistbar bleiben. Direktvermarktung ermöglicht für alle bessere Preise. povat.at , naturpark-jauerling.at

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

Rinderzüchterin und Biobäuerin Agnes Penner in ihrer Wagyu-Mutterkuhherde.


B IO R A M A N Ö

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R E ZE NSIO N EN

NEU ODER NOCH GUT Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns Weghören und -sehen vergeht.

MELANIE LAIBL & CORINNA JEGELKA / »WERDE WIEDER WUNDERBAR« / EDITION NILPFERD, 2022.

ALEKSANDRA & ALEKSANDER / »MEIN GROSSES NIEDERÖSTERREICH-WIMMELBUCH« / BREITSCHOPF VERLAG, 2022.

Vorgelesen für alle, die Kindern mit einem Buch Begeisterung für das Leben auf der »blauen Murmel« schenken wollen.

Vorgelesen für alle, die alles suchen, aber sich auch freuen, wenn sie vieles finden.

»WErde wieder wunderbar« versteht sich nicht nur als »MutMach-Buch«, es wird diesem Anspruch auch gerecht. Im Plauderton, in wiederkehrenden Comics, aber auch in längeren Textblöcken und mit liebevollen, oft detailverliebten Illustrationen werden komplexe Zusammenhänge erklärt und stets konkrete Anregungen gegeben: »Was kann ich tun?« – gegen Klimakrise und Artensterben, für die nötige Energieund Ernährungswende. Erzählerische Klammer ist der Besuch des außerirdischen Austauschschülers Marty (Marty kommt »aus dem Überall, mit Überschall«) in der Klasse 3b. Ganz nebenbei werden »9 Wünsche fürs Anthropozän« formuliert, das als »Zeitalter des Menschen« vorgestellt wird, der heute in der Beton- und Plastikzeit lebt – analog zur Stein- oder Eisenzeit. Spielerisch erfahren wir etwa, was einen geschlossenen von einem unterbrochenen Kreislauf unterscheidet – und warum der maschinenbegeisterte Schulwart »Techno-Eugen« manche Probleme falsch anpackt. Ein pralles, gut recherchiertes, gelungenes Buch. Verschmerzbar: das Auftauchen des inhaltlich falschen und auch nicht wirklich vom Nobelpreisträger stammenden Einstein-Bienensterben-Zitats. THOMAS WEBER

Wimmelbücher sind wunderbar und wollen immer wieder in die Hand genommen werden. Das gilt auch für das neue Niederösterreich-Wimmelbuch. »In diesem Bilderbuch soll den Kindern ein Gefühl für die Vielfalt Niederösterreichs vermittelt werden«, heißt es im Kleingedruckten auf der Rückseite. Das gelingt, wenn es um Landschaftstypen und Sehenswürdigkeiten geht, aber nicht punkto Lebensentwürfen oder religiöser Symbolik. Da wäre mehr gesellschaftliche Diversität möglich gewesen. Nichts gegen Brettljausn, historische Zugbrücken und Aborterker. Aber Niederösterreich bliebe auch dann noch katholisches Kernland, würde irgendwo ein Kebabladen auftauchen oder eine Radfahrerin Hidschab tragen. Die Doppelseiten sind thematisch klug gewählt und bereiten Spaß: Ötschergebiet und Mariazellerbahn, Nationalpark Thayatal, Landwirtschaft und Urlaub am Bauernhof (realistisch: Rinder sind enthornt), Weihnachtsmarkt in Grafenegg, Sommer in Schloss Hof. Auch dem Kraftwerk Ybbs-Persenbeug, dem Landhaus St. Pölten, dem Flughafen Wien-Schwechat und der Region Wiener Neustadt ist je eine Doppelseite samt hervorgehobenen Details gewidmet. Insgesamt zeigt das Buch trotzdem vor allem das ländliche Niederösterreich und fällt durch seine Technikverliebtheit auf. Vom


Regierungsviertel in St. Pölten abgesehen fehlen die Städte. Stadtleben gibt es im Niederösterreich-Wimmelbuch höchstens als Rummel (wie am Klosterneuburger Leopoldimarkt auf der Buchrückseite). Auch sonst fällt auf, was fehlt: das Einfamilienhaus, die Reihenhaussiedlung, der Wohnblock (als würde man in Niederösterreich nur in Vierkanthöfen, Schlössern und Burgen leben), die Autobahn, der Kreisverkehr, der Weinberg oder Themen wie Imkerei oder Jagd. Dafür gibt es eine Stretchlimousine (am Flughafen), einen Defibrillator, in der Wachau statt einer Marille eine Motoryacht oder in Schloss Hof eine Livree. Da werden wohl nicht wenige Eltern ergoogeln müssen, dass es sich dabei um eine »mit Litzen o. Ä. besetzte uniformartige Kleidung für Diener, Bedienstete« handelt. Man lernt halt nie aus. Ein wenig scheitert das Wimmelbuch auch am Anspruch, alles sein zu wollen: nicht nur Wimmelbuch, sondern auch hintergründiges »Wieso? Weshalb? Warum?«-Erklärbuch. Das gelingt nur bedingt: Die Einblicke in Landhausbüros oder Kraftwerksskizzen sind nicht wirklich selbsterklärend. Die Freude beim gemeinsamen Blättern, Suchen und Fragenstellen macht all das aber wohl trotzdem nicht kleiner. THOMAS WEBER

B ILD EDITIO N NI LPFE RD, BRE ITS CHOPF VE RLAG, VE RNUNFT STATT O STU MFAHRU NGMA RIA F EI RER, A MA LTH EA

JOHANNA & ERWIN UHRMANN / »WANDERLUST WELTERBESTEIG. AUSZEIT IN DER WACHAU« / AMALTHEA, 2022.

Gelesen für Zu-Fuß-Gehende, die sich das UnescoWelterbe Wachau richtig erschließen wollen. 180 Kilometer verteilt auf 14 Etappen, macht durchschnittlich 13 Kilometer am Tag. Der Welterbesteig durch die uralte Kulturlandschaft Wachau ist selbst mit begeisterungsfähigen Kindern bewältigbar. Und auch ohne zwei Wochen Auszeit laden die Einzeletappen zum Erkunden ein. Gut ins öffentliche Verkehrsnetz eingebunden sind allerdings nur Krems und Melk, die beiden »Tore zur Wachau«. Johanna und Erwin Uhrmann zeigen nicht nur Offensichtliches: Zwischendurch liefert ihr Wanderführer Natur- und Kulturgeschichten – etwa über die Wachau-Filme (»das Hollywood Österreichs«), die Sagen des Dunkelsteinerwaldes, das im-

materielle Unesco-Weltkulturerbe der landschaftsprägenden Trockensteinmauern, den Lebensraum von Wildkatze und Smaragdeidechse. Auch in Freibädern und an Donaustränden machen sie halt. Nett: das Interview mit »Mariandl« Waltraut Haas anstelle eines Vorworts. THOMAS WEBER

»POLDI ZIESEL UND LEA LIBELLE – RETTEN WIR DIE NATUR!« / »VERNUNFT STATT OST›UMFAHRUNG‹« (HRSG.), 2021.

Nachgelesen für größere ZieselschützerInnen. Ein Crowdfunding via Respekt.net ermöglichte im vergangenen Herbst die Produktion dieses Kinderbuchs für die Sache der Ziesel und die von mindestens 5000 Wiener NeustädterInnen, die die Petition gegen den Bau der lang umkämpften Ostumfahrung bereits unterzeichneten. Im April dieses Jahres wurde nun der Antrag auf Revision der Umweltverträglichkeitsprüfung zurückgewiesen, die GegnerInnen des Projekts prüfen den Gang zum EuGH und setzen auf den Rückenwind von LandwirtInnen, durch deren Grundstücke Straßenabschnitte verlaufen würden. »Der Widerstand in der Bevölkerung ist mittlerweile riesig und die Fakten sprechen eindeutig gegen dieses Monster-Betonprojekt«, sagt Georg Panovsky von der Plattform »Vernunft statt Ost›Umfahrung‹« in einer Aussendung. Wer mehr zu Gefährdung und Rettung der Natur um Wiener Neustadt wissen will, findet bei Poldi Ziesel und Lea Libelle unerwartet viel konkrete Information. Beide sind im Natura-2000-Gebiet »Feuchte Ebenen Leithaauen« daheim, just durch dieses soll an zwei Stellen die Ostumfahrung um Wiener Neustadt führen, dafür Auwald gerodet, tierischer Lebensraum und menschlicher Erholungsraum durchschnitten werden. Die Autorin Martina Feirer erklärt faktenreich und fundiert, illustriert und skizziert (das ist wörtlich zu verstehen, Feirer ist Architektin), was zur Diskussion steht. Ob der appellativische Charakter (»Naherholung – Wie lange noch?«) in dieser Form der auf der Website angekündigten »kindgerechten Aufbereitung« entspricht, mag Geschmackssache sein. Noch überzeugender wäre das Büchlein daher, wenn es sich mit dem Anspruch begnügte, gut dosierte Information zu dem und Argumentarium für den Neustädter Naturschutz und Verkehrslösungen für Erwachsene und Jugendliche zu liefern. Das Buch ist kostenlos erhältlich auf vernunft-statt-ostumfahrung.at IRINA ZELEWITZ

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AR T E NSTE R B EN

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DIE LETZTE IHRER ART? Die March-Thaya-Auen sind möglicherweise das einzige Gebiet in Österreich, in dem Röhricht-Brennnesseln zu finden sind.

Brennnesseln gelten häufig als schwer zu bändigendes Unkraut, eine Art gilt in Österreich allerdings als gefährdet. Woher weiß man, welche Pflanzen ausgestorben sind? TEXT Florian Jauk

Gerhard Egger ist Gewässerschutzexperte beim WWF und setzt sich für die ­Renaturierung von Flüssen ein.

B

rennnesseln kommen zwischen Mai und November praktisch überall vor, wo es Stickstoff im Boden gibt, als Zeigerpflanze gelten sie als Indikator für einen nährstoffreichen Boden. Am häufigsten kommt die sogenannte Urtica dioica, die Große Brennnessel, vor, ab und zu findet man auch ihre kleine Schwester, die Kleine Brennnessel. Noch viel seltener sieht man die Röhricht-Brennnessel – wissenschaftlich unter dem Namen Urtica kioviensis bekannt. Direkt übersetzt bedeutet dieser Name »Kiewer Brennnessel«, ein Hinweis auf ihr Habitat in Osteuropa, in dem die Pflanze am häufigsten vorkommt. Allerdings nur punktuell, wie die Verbreitungskarte der iucn zeigt, in der auch Vorkommen in Dänemark markiert sind. Ein Grund für ihr isoliertes Aufkommen sind die speziellen Lebensräume, die die Pflanze besetzt.

EISZEITRELIKT Während die gemeine Brennnessel ein breites Spektrum hat, in dem sie sich wohlfühlt,

kommt die Röhricht-Brennnessel nahezu ausschließlich in Feuchthabitaten wie Auengebieten oder Röhrichten – Pflanzengesellschaften im Flachwasser- und Uferrandbereich von fließenden oder stehenden Gewässern – vor. In Auenlandschaften sucht sie besonders naturnahe, feuchte Areale wie Altarme – also vom Fließwasser abgetrennte Flussschlingen, die zum stehenden Gewässer wurden – auf. »Das sind heute Lebensräume, die selten sind und weiter abnehmen«, erklärt Gerhard Egger, Leiter des Flüsseteams bei wwf Österreich, der noch eine zweite Erklärung für das seltene Vorkommen der Urtica kioviensis liefert: die Eiszeit. Manche ForscherInnen würden vermuten, dass die Urtica kioviensis schon früh in der Entwicklung der europäischen Fauna und Flora eisfreie Habitate eingenommen hat, in denen sie nach der Eiszeit auch verharrt ist, so Egger. Sieht man sich die derzeitigen Vorkommen in Deutschland an, findet man die Röhricht-Brennnessel vereinzelt in Gebieten rund um die Havel, in Österreich kommt


die Pflanze, die auch als Sumpf-Brennnessel bezeichnet wird, nur im Osten des Landes – und auch dort nur selten – vor. Die wenigen Vorkommen sollen sich dabei auf die March-Thaya-Auen konzentrieren, doch auch der Nationalpark Donau-Auen gibt auf seiner Website an, dass die Pflanze sehr selten im Ostteil des Areals heimisch ist.

BILD W WF, G. EGG ER

ALLES HAT SEINEN PLATZ Während die gemeine Brennnessel recht anspruchslos ist und auf nährstoffreichen Böden praktisch überall in Österreich wächst, kommt die Röhricht-Brennnessel ausschließlich in Ostösterreich vor. Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Arten bestehe zwar, wenn man sie nebeneinander sehen würde, die Röhricht-Brennnessel kommt allerdings in Österreich auf so wenigen Flächen vor vor, dass eine Verwechslung der beiden Pflanzen nur in den March-Thaya-Auen relevant ist, sagt Aaron Griesbacher, Leiter des Projekts Artenschutz und Gebietserweiterung im Nationalpark Donau-Auen. Genau dieser Nationalpark galt als einer der wenigen Rückzugsräume der Urtica kioviensis in Österreich, zumindest wurde es auf der Website des Nationalparks Donau-Auen so beschrieben, wo die seltene Brennnessel auch als gefährdet eingestuft wurde. Eine Nachfrage beim Nationalpark dazu hat leider nicht zur Röhricht-Brennnessel geführt, sondern zur Überarbeitung des Textes der Website: Information über ihr Vorkommen gibt es derzeit keine mehr. Ein kleines Vorkommen der Pflanze an der Ostgrenze des Nationalparks, das noch nicht entdeckt wurde, sei allerdings möglich, ergänzt Aaron Griesbacher. Doch nur weil eine Pflanze selten gesehen wird, heißt das noch nicht, dass sie bereits ausgestorben ist. Von der Sumpf-Brennnessel sind in Österreich nur wenige Standorte bekannt, was heißen könnte, dass sie bereits stark unter Druck gekommen ist. Ihre Bedeutung sei für das Ökosystem jedenfalls nicht zu vernachlässigen, sagt Griesbacher. »Jede Art, die es geschafft hat, sich zu etablieren, erfüllt eine wichtige Funktion im Ökosystem und besetzt eine ökologische Nische.« Griesbacher stützt sich dabei auf die Theorie der ökologischen Nischen, die unter anderem davon ausgeht, dass zwei Pflanzenarten mit denselben Lebensraumansprüchen nicht miteinander existieren können, ohne dass eine der Arten verdrängt wird. Obwohl sich die gemeine und die Sumpf-Brennnessel in ihrem Habitus ähneln und in manchen Bereichen gemeinsam vorkommen, würden sie unterschiedliche ökologische Nischen besetzen, denn jede vorhandene Art, ob Pflanze oder Tier, trage als wichtiger Baustein der Biodiversität dazu bei, dass das Ökosystem resili-

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enter gegen Störungen wird, so der Mitarbeiter des Nationalparks.

PFLANZE VERLIERT IHREN LEBENSRAUM »Schuld« am geringen Vorkommen der Urtica kioviensis in Österreich sind nicht die Ansprüche der Pflanze, die im Gegensatz zu anderen Pflanzen mit Überstauung, also mit ansteigendem Grundwasser oder mit sich oberflächennah sammelndem Niederschlagswasser, gut zurechtkommt, sondern eine Kombination aus Seltenheit und Verlust von Lebensraum. Die Seltenheit der Kiew-Brennnessel in Österreich, wo sie die Westgrenze ihres Areals erreicht, besteht schon seit jeher, aber durch den Verlust des Lebensraums in Auengebieten, der vor allem durch Trockenheit zusätzlich befeuert wird, gerät die seltene Brennnesselart weiter unter Druck. Deswegen steht die Urtica kioviensis auf der österreichischen Roten Liste für gefährdete Pflanzenarten und wurde bei der letzten Auflage 2015 als »gefährdet« eingestuft. Doch nicht nur in Österreich, sondern auch international nimmt die Population der Urtica ­kioviensis ab, weswegen sie auch auf der Roten Liste der iucn steht, ihre Population wird als »abnehmend«, allerdings nicht als »gefährdet« bezeichnet, da laut iucn nicht genug Informationen vorliegen, um eine Einschätzung zum Aussterberisiko der Pflanze abzugeben.

TOTGEGLAUBTE LEBEN LÄNGER Nachdem die seltene Brennnessel in den Donau-Auen nicht – oder nur sehr selten an

Der einzige Standort in Österreich, wo die Urtica kioviensis noch vermehrt vorkommt: die Marchauen.

der Ostgrenze zur Slowakei – vorzukommen scheint, geht die Reise weiter in den Norden. Zumindest ein bisschen weiter, nämlich in das Marchtal, das einzige Gebiet Österreichs, in dem man die Urtica kioviensis noch sicher finden kann. Wenn auch nur an wenigen Stellen, wie die Botanikerin Luise Schratt-Ehrendorfer erklärt. Das erste Mal hat sie die Pflanze Anfang der 1980er-Jahre gesichtet, davor vergingen drei bis vier Jahre, in denen sie nur die Große Brennnessel fand. Unter BiologInnen vermutete man schon, die Sumpf-Brennnessel sei in Österreich möglicherweise ausgestorben, erinnert sich Schratt- Ehrendorfer. Just als sie bemerkte, dass sie die nicht auffindbare Nessel an anderen Standorten als die gemeine Brennnessel suchen muss, entdeckte sie das erste Mal ein Exemplar an einer Altwasserstelle – ein typischer Standort für die Urtica kioviensis, die feuchtere Bedingungen benötigt als die Urtica dioica und eine der zehn Pflanzenarten ist, die österreichweit nur im Marchtal vorkommen. Dort besiedelt sie seichte Altwässer und auch tiefe Mulden im Wald, in denen sich Wasser ansammelt. Wegen ihrer Seltenheit und der zunehmenden Trockenheit ist sie im Marchtal aktuell gefährdet, vor allem das Ausbleiben der Frühjahrshochwässer in den Auen, die im Jahresverlauf von wechselndem Hochund Niedrigwasser geprägt waren, bedroht die Pflanze und ihre Standorte. »Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn Biodiversität abnimmt, weil dann Ökosysteme aus dem Gleichgewicht kommen können. Bis ein Ökosystem total kippt,

BILD NATIO NALPARK DO NAU -AU EN,WIKIMEDIA COMMONS/ A KU REYKI, STE FAN.LEFN AER, UN I WI EN

Aaron Griesbacher leitet seit 2019 das Projekt Artenschutz und Gebietserweiterung sowie seit 2022 das neue Projekt »Ökologie und Artenschutz im Nationalpark Donau-Auen«.


kann es aber lange dauern. Das Ausbleiben bestimmter Arten ist immer ein erstes Anzeichen dafür, dass sich Standorte verändern«, beschreibt Schratt-Ehrendorfer den Rückgang der Urtica kioviensis. Dagegen helfen können Renaturierungsmaßnahmen und ein besserer Anschluss der Seitenarme an die March, was zu einer besseren Wasserversorgung in den Marchauen führen und der Art mehr Lebensraum geben würde, sagt Schratt-Ehrendorfer. Das Vermehren und Ausbringen der Pflanze in anderen Gebieten hält sie für Florenverfälschung. »Wir wollen ja, dass sich unsere Wildpflanzen in ihren angestammten Lebensräumen erhalten können.«

DER NATUR EINEN PLATZ ZURÜCKGEBEN Ähnlich denkt man im Nationalpark Donau-Auen, in dem die Urtica kioviensis wohl nur ganz selten an der Außengrenze des Areals anzutreffen ist, in weiten Teilen der Donau-Auen derzeit allerdings nicht zu sehen ist. Die letzte Flussauenlandschaft Mitteleuropas erstreckt sich auf einer Fläche von mehr als 9600 Hektar und ist Heimat von mehr als 800 Arten höherer Pflanzen, über 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten, 60 Fischarten, 13 Amphibienarten und 8 Reptilienarten, darunter auch die Europäische Sumpfschildkröte, die in Mitteleuropa als stark bedroht gilt. Im Nationalpark versucht man über Renaturierungsmaßnahmen bedroh-

Die Sumpf-Brennnessel ähnelt der Großen Brennnessel, braucht aber deutlich mehr Wasser.

»Das Ausbleiben bestimmter Arten ist immer ein erstes Anzeichen dafür, dass sich Standorte verändern. « —  Luise Schratt-Ehrendorfer, Botanikerin ten Arten ihren natürlichen Lebensraum zurückzugeben. Dazu gehört auch die Wiederanbindung von Seitenarmen an die Donau durch den Rückbau von Bauwerken. Der Rückgang der Urtica kioviensis steht sinnbildlich für den zunehmenden Lebensraumverlust von Pflanzen und Tieren und die daraus resultierenden Umbrüche im Ökosystem. Die seltene Brennnesselart ist ständig Veränderungen in ihrem Lebensraum wie Regulierungen von Flüssen und Entwässerungen ausgesetzt. Kommt sie in einem Gebiet in größeren Mengen vor, macht sie das zu einem Indikator für naturnahe Areale. Umso wichtiger ist es, Renaturierungsmaßnahmen zu treffen, die Pflanzen wie der Sumpf-Brennnessel ihren natürlichen Lebensraum zurückgeben. Ob die Urtica kioviensis dann auch häufiger in Österreich, insbesondere den Donau-Auen, zu sehen sein wird, wird die Zukunft zeigen.

Luise Schratt-Ehrendorfer ist Botanikerin, Autorin der österreichischen Roten Liste für gefährdete Pflanzen und auf die Flora und Vegetation Mitteleuropas spezialisiert.

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B IO R A M A N Ö

KO C H BU CH EM P F E H L U N G

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APFEL MIT SCHUSS Ein ganzes Kochbuch dem Ganzjahresobst.

TEXT Irina Zelewitz

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icht nur wer einen Apfelbaum im Garten hat, fragt sich öfter, was man denn mit Äpfeln zur Abwechslung mal machen könnte, als mit Tonkabohnen und Granatäpfeln. Also Kochbücher, die hauptsächlich mit dem arbeiten, was meistens ohnehin da ist, kriegen nicht nur einen Sympathiebonus, sondern sie verfügen auch über die besten Chancen, regelmäßig zur Hand genommen zu werden und somit dem Schicksal von 90% ihrer Artgenossen zu entrinnen: Ein Mal als Bilderbuch begutachtet für Jahre im Regal zu landen, bis sie bei einem großen Ausmisten zum Opfer fallen. Wobei sich Barbara Haidens und Ulrike Korbs »Apfelgarten« durchaus als Bilderbuch eignet, Gestaltung, Haptik und Warenkun-

de in Prisen – alles, was ein gutes Apfelkochbuch braucht. Neben Der Prosecco-Apfelsuppe mit Quark, die wir hier vorstellen, befindet ich im Buch etwa auch auch ein Rezept für Apfelringe (im Backteig), aber am Rezept erkennt man, es handelt sich um echte, großartige Apfelradeln, die gebürtigen Mostviertlerin Barbara Haiden hat die Rezepte wohl für den ganzen deutschsprachigen markt zugänglich gemacht. Wer Apfelringe kennt, braucht dafür kein Rezept, wer sie nicht kennt, hat damit einen Grund mehr, sich dieses Buch zu besorgen. Hier gibts statt dessen noch eine praktische Idee für eine blitzschnell angerichtete Torte und eine Obstgarten-Version des Kalssikers Coqu au Vin.


PROSECCO-APFEL-SUPPE MIT QUARK-NOCKERLN

APFEL-CHILI-SALSA AUF CAMEMBERT-TORTE

ZUTATEN FÜR 4 PORTIONEN

ZUTATEN FÜR 4 PORTIONEN

20 MINUTEN (PLUS 1 STUNDE KÜHLZEIT)

15 MINUTEN

SUPPE

QUARK-NOCKERLN

• 2 säuerliche Äpfel • 100 g Eiswürfel • 100 ml Läuterzucker (Zuckersirup)* • Saft von 1 Zitrone • 200 ml gekühlter Prosecco • 100 g frische Beeren Blütenblätter zum Garnieren

• 150 g abgetropfter Quark • (20 % Fett; in ein Sieb gelegt und 1 Stunde abgetropft) • 30 g Puderzucker • 100 g Sahne

UTENSILIEN Standmixer feines Küchensieb Handmixer

Zucker und Wasser im Verhältnis 1:1 aufkochen und 1 Minute kochen lassen (nicht mehr rühren!). Vom Herd nehmen und auskühlen lassen.

• 2 säuerliche Äpfel • 2 kleine grüne Paprika • 3 kleine grüne milde Chilischoten 2 Stängel frisches Basilikum • 4 EL Zitronensaft • 2 TL flüssiger Honig

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• Salz und Pfeffer aus der Mühle • 200 g reifer Camembert • Apfel-Pfeffer-Brot zum Servieren (Rezept im Buch)

ZUBEREITUNG: Würziger Käse und süßsaurer Apfel geben einfach immer ein gutes Team ab. Diese Kombination von Camembert, erfrischender Salsa und Apfel-Pfeffer-Brot eignet sich nicht nur als Vorspeise, sondern auch als finaler Gang am Ende eines Menüs.

REZEPTE AUS:

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ZUBEREITUNG: Der Beweis, dass der Apfel auch im Sommer Saison hat! Eine heiße Empfehlung für dieses Dessert wäre ein knackiger Klarapfel. Mit einem Granny Smith bekommt das Süppchen eine zartgrüne Farbe. FÜR DIE SUPPE die Äpfel halbieren, Kerngehäuse ausschneiden. Die Äpfel würfelig schneiden und mit Eiswürfeln, Läuterzucker, Zitronensaft und 100ml Prosecco in einen Standmixer geben und gründlich mixen. Eventuell durch ein feines Sieb passieren, um grobe Schalenteile zu entfernen. 1 Stunde kalt stellen.

B ILD ULRIKE KÖB

FÜR DIE NOCKERLN den Quark mit Puderzucker verrühren. Die Sahne steif schlagen und unterheben. Masse ebenfalls 1 Stunde kalt stellen. Zum Anrichten die Apfelsuppe in Schalen füllen und mit dem restlichen Prosecco aufgießen. Die Beeren darin verteilen. Aus der Quarkmasse mit einem Löffel Nockerln ausstechen und in die Suppe legen. Mit Blüten garnieren. TIPP: Aus dem Süppchen wird rasch eine Granita: Die Apfelsuppe in ein flaches Gefäß geben und im Tiefkühler gefrieren lassen. Ab und zu mit einer Gabel umrühren. Sobald die Masse gefroren ist, mit einem Löffel abschaben und in gekühlten Gläsern anrichten.

Äpfel und Paprika halbieren, entkernen und in kleine Würfel schneiden. Chilis fein hacken. Basilikumblätter abzupfen und klein schneiden. Alle Zutaten mit Zitronensaft und Honig vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den Camembert auf einem Teller platzieren, in acht Stücke schneiden und diese leicht auseinanderziehen, sodass der Käse herausfließt. Die Salsa darübergeben und geschnittenes Apfel-Pfeffer-Brot dazureichen. VEGANE ALTERNATIVE Ahornsirup statt Honig verwenden. Die Salsa schmeckt auch köstlich zu mild geräuchertem Tofu.

»APELGARTEN« von Barbara Haiden und Ulrike Korb, Ars Vivendi, 2022.


B IO R A M A N Ö

KO C H BU CH EM P F E H L U N G

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COQ AU CIDRE MIT G’SCHMACKIGEM SPECK ZUTATEN FÜR 4 PORTIONEN 90 MINUTEN • 1 Poularde (ca. 1 1/2 kg) • Salz und Pfeffer aus der Mühle • 100 g Räucherspeck • 2 EL Öl • 1 Bund gemischte frische Kräuter (z. B. Thymian, Oregano, Rosmarin)

• 1 geh. EL Mehl • 600 ml kräftiger Cidre oder • Apfelmost • 400 g Schalotten • 250 g braune Champignons 2 Äpfel • 1 EL Butterschmalz

UTENSILIEN: Schmortopf ZUBEREITUNG:

Den Backofen auf 200 °C vorheizen. Das Hähnchen in 8–12 Stücke teilen, salzen und pfeffern. Speck würfelig schneiden. In einem Schmortopf Öl erhitzen, den Speck darin knusprig braten, danach herausnehmen. Die Fleischstücke im Bratrückstand von allen Seiten einige Minuten anbraten und herausnehmen. Im Bratfett das Mehl anschwitzen. Kräuterzweige zugeben, mit Cidre aufgießen und aufkochen. Den Topf mit Deckel in den Ofen stellen und das Fleisch 30 Minuten schmoren. Inzwischen die Schalotten schälen, Pilze putzen und je nach Größe halbieren. Äpfel in Spalten schneiden und das Kerngehäuse jeweils entfernen. In einer Pfanne das Butterschmalz erhitzen. Schalot- ten und Pilze darin einige Minuten anbraten, mit dem Speck und den Apfelspalten zum Fleisch geben und weitere 30 Minuten schmoren. TIPP: Zum Coq au Cidre schmecken als Beilage Salzkartoffeln, Bandnudeln oder Baguette.

BILD ULRIKE KÖB

Eine sanfte Abwandlung des Coq au Vin aus dem Burgund. Diese Version mit Apfelwein ist reizvoll, weil er dem Gericht eine wunderbar fruchtige Note verleiht.


Lebensräume schaffen.

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Die Jagd – ein Stück von Niederösterreich

Jägerinnen und Jäger schaffen mit gezielten Maßnahmen Lebensräume für wildlebende Tiere.Damit fördern sie die Biodiversität in unserem Ökosystem.

Foto: © W. Streitfelder

Hier erfahren Sie mehr zum Thema:

Dem Wild verpflichtet.

noejagdverband.at


B IO R A M A N Ö

MAR K T P L ATZ KO SM E TIK

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LOTION LIGHT

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1 Grüne Erde Hafermilch Au s g l e i c h e n d e K ö r p e rlotion & Duschcreme

Die Versuchsredaktion hat sich eingecremt und berichtet.

Herber, zurückhaltender Du ft, leichte Formulierung, Drehverschluss und puristische, kompakte Flasche, was will man mehr? Ah, ja: dasselbe für die Tage, an denen Zeit/Muße/Laune fürs Eincremen fehlen und das Ganze bei der (dadurch entsprechend milden) Reinigung unter der Dusche miterledigt werden will. Praktisch. Im Set erhältlich. grueneerde.com

ass die Inhaltsstoffe von Sonnencremes mitunter schädlich für die Gesundheit der AnwenderInnen wie auch für die von Wasserlebewesen und die Gewässerqualität insgesamt sein können, hat sich herumgesprochen. Zu Recht setzen viele auch aus diesen Gründen auf Naturkosmetikprodukte und halten nach dem »Reef friendly«-Logo Ausschau. Aber auch auf den Liegewiesen und Stränden wird auch ohne Lichtschutzfaktor gecremt – und genau wie der Sonnenschutz bei jedem Bad in den Fluss, den See oder das Meer gewaschen. Ein guter Anlass, sich nach den zartesten und zartpflegendsten Innovationen umzusehen, seit es Bodylotions gibt.

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2 Die Nikolai Bio Baby

3 Lavera Basis Sensitiv

4 L i v Ve g a n Fe e l G o o d

Sanfte Pflegecreme

Body Lotion Express

Body Lotion

Reichhaltige Pflege, nicht nur für Babys, sondern auch für bedürftige Erwachsenenhautpartien. Bei Anwendung außerhalb der Hauptzielgruppe relevant: Die Formulierung ist dick und zieht langsam ein. Die Traubenkraft duftet intensiv, aber – woher auch anders? – sehr natürlich. 100 Prozent bio, aus dem Demeter-Betrieb Nikolaihof. dienikolai.at

Bis die Bodylotion einzieht, dauert es ein bisschen länger, als ich mir unter »express« vorgestellt hätte, aber sie ist vegan, spendet normaler Haut angenehme Feuchtigkeit mit einer Formel aus Bio-Aloe und Bio-Jojobaöl, hat einen dezenten Geruch und – wichtig – sie hinterlässt keinen Fettfilm. lavera.com

Nie in meinem Leben habe ich eine angenehmere Bodylotion verwendet! Sie fettet nicht nach, ist nicht klebrig und verströmt keinen seltsamen Duft, der an einen Cocktail erinnert. Außerdem zieht sie innerhalb kürzester Zeit ein und die Haut fühlt sich zart an. Klingt wie eine Werbelüge? Es wird noch besser! Sie ist nämlich auch günstig und vegan. Man darf sich allerdings nicht erwarten, nach einer Woche keine Hautunebenheiten mehr zu sehen – es ist eine Bodylotion, nicht Photoshop. liv-vegan.com

– Irina Zelewitz, Redaktion

– Samantha Breitler, Team Craft Bier Fest

– Selina Schobel, Grafik

4 5 5 We l e d a Sensitiv-Pflege

BILD BI ORAMA / S ELINA S CHOBEL

Körperlotion Ich erwarte von einer guten Körperlotion weiche Haut und einen angenehmen Geruch, und das bei möglichst wenig Inhaltsstoffen. Die Sensitiv-Lotion gibt mir genau den zarten Hauch von Nichts, den ich suche, während sich meine Haut trotzdem gut durchfeuchtet und weich anfühlt. weleda.com – Florian Jauk, Redaktion


B IO R A M A N Ö

UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ... KOOPERATION

SCHRÖDINGERS KATZE

Biorama betreut und schreibt den Wissenschaftsblog der Österreichischen Universitätenkonferenz. Was werden Burger aus In-vitro-Fleisch kosten? Wie kom­ munizieren Piranhas? Und sorgt die Einnahme von Psychopharmaka dafür, dass uns die Gefühle von anderen we­ niger kümmern? Diese und viele weitere Fragen bewegen Schrödingers Katze dazu, an den österreichischen Universitäten nach Antworten zu suchen. Biorama fragt bei den ForscherInnen an österreichischen Universitäten nach und schreibt über deren Studien zugänglich und alltagsnah auf schroedingerskatze.at

MAGAZIN

BIORAMA NIEDERÖSTERREICH Industrie & Mensch: In der nächsten Regionalausgabe für Niederösterreich dreht sich vieles um Produktion – was wir vor Jahrzehnten gebaut haben, was daraus wurde und werden kann . Wie wir neue Standorte für eine dauerhafte Nutzung planen – und warum uns das alle angeht. biorama.eu/abo

EDITION BIORAMA

VORBILDERBÜCHER Edition BIORAMA

Das Leben der 1931 in Wien geborenen, von den Nazis ins KZ verschleppten und 2020 in den USA verstorbenen Literaturwissenschafterin und Dichterin Ruth Klüger soll in Erinnerung bleiben. Die neue Edition BIORAMA erzählt in einem Kinderbuch vom Leben einer beeindruckenden Frau – mit Text von BIORAMA-Herausgeber Thomas Weber und Illustrationen von Florine Glück: »Die Geschichte von Ruth Klüger – Wie ein kleines Mädchen mit Glück und Gedichten am Leben blieb« bildet den Auftakt zur Beschäftigung mit vorbildhaften Menschen und Geschichten in Buchform. edition.biorama.eu

BILDER BIORAMA

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AU S D EM VER L AG


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ANGRIFF AUF DIE MOBILITÄT DER STADT. Biorama entwickelt Kinderbücher »Selma und die toten Stinker« wurde von Biorama für die Wiener Linien konzipiert, geschrieben und mit Illustrator Thomas Madreiter umgesetzt. Ein kunterbuntes Abenteuer in der Großstadt Wien, in dem Aliens, die Busse und Straßenbahnen entführen und so ein Verkehrschaos auslösen, nur der Auftakt sind. shop.wienerlinien.at EVENT

CRAFT BIER FEST WIEN

Das Craft Bier Fest Wien geht in der Marx Halle in die nächste Runde. Zum bereits vierzehnten Mal am 18. & 19. November 2022 finden neben der Speerspitze der österreichischen Kreativbrauer viele internationale Größen der Bierwelt den Weg in die Wiener Marx Halle. Auf der Leitveranstaltung der österreichischen Craft-Bier-Szene können neue Biere entdeckt und verkostet werden. Ergänzt wird das Genussevent durch Kulinarik, FachausstellerInnen und bieriges Entertainment. craftbierfest.at

KOOPERATION

AUDIO

Podcast-Reihe Stadtlandwirtschaft in Wien Knapp 700 bäuerliche Betriebe gibt es auf Wiener Stadtgebiet, auf dem bald 2 Millionen Menschen leben werden. Felder, Äcker und Weingärten der österreichischen »Gurkenhauptstadt« wurden in letzter Zeit von vielen als Naherholungsraum entdeckt, was unweigerlich auch zu Konflikten führt. Nicht nur in Stadterweiterungsgebieten wächst mit der Be­völkerung der Druck auf die landwirtschaft­lich genutzten Flächen. Die von BIORAMA für die Stadt Wien ­konzipierte und gestaltete Podcast-Reihe zum Thema Landwirtschaft und Großstadt zeigt dabei die enorme Bandbreite der Wiener Stadtlandwirtschaft. buzzsprout.com/1162916

BIORAMA IM ABO

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B IO R A M A N Ö

H I NTAU S

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LEBT UND ARBEITET IM ANTHROPOZÄN Vom Menschen geformt, vom Menschen bedroht: Das Marchfeld, dem die Bundeshauptstadt bereits weite Teile abgerungen hat, ist auch früher immer wieder unter die Räder gekommen.

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu

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ben) würde der artenreiche Auwald verIch lebe nicht nur im Anthropozän, ich wohne landen, austrocknen. auch dort. »Ich wohne da, wo kein Mensch UrDiese »Zweite Natur« zeigt – überaus laub macht« heißt das auf Facebook. Gemeint ist: sehenswert – die heurige Landesausstelim Marchfeld. Auf dieser Facebookseite posten lung. Dass die Natur, die im ursprünglichen eine lokalpatriotische Eingeborene und ein zugeArbeitstitel für die Landesausstellung noch zogener Naturfotograf fast ein wenig trotzig Bilan vorderster Stelle stand, nun in »Marchder; wie zum Beweis, dass auch eine intensiv vom feld Geheimnisse. Mensch. Kultur. Natur« an Menschen geformte Kulturlandschaft ihre Reize die letzte Stelle gerückt ist, ist wahrscheinhat; dass sich auch einer Agrarsteppe mit Zerlich konsequent. Denn ein wenig ist die Natur siedelungseinsprengseln schöne Momentaufhier immer unter die Räder gekommen. Weitnahmen abringen lassen. Nichts hier ist nicht gehend entwaldet war die Gegend wahrscheinvom Menschen geformt. Bei den weitläufilich schon zur Römerzeit. Im 20. Jahrhundert gen Feldern und Schottergruben ist das offenwar es der intensive Ackerbau, der die davor sichtlich. Aber auch die naturnah anmutendominierende Weidehaltung verdrängte. Heute den Föhrenwäldchen entstammen der Aufherrscht der massivste Interessenskonflikt zwiforstungsagenda Maria Theresias. Ihr gelang schen Siedlungs- und Straßenbau auf der einen es, die Ernährung der Kaiserinnenstadt abund Naturschutz und Landwirtschaft auf der anzusichern, indem sie durch trockenheitstoderen Seite. Es ist ein Kampf um die besten, fruchtlerante Bäume die Wanderdünen stoppte barsten Böden Österreichs – der sich übrigens und einer Verwüstung Einhalt gebot. auch in der Bundeshauptstadt ankündigt: in Wiens Selbst der Nationalpark Donau-Autransdanubischem Stadterweiterungsgebiet Donauen, letztlich eine Wildnis am Strom, entfeld. Es ist ein klares Versäumnis der Landesausstelstammt der bewussten Entscheidung, die lung, dass sie letztlich negiert (und vermutlich aus einstigen Jagdreviere des Hochadels landespolitischer Selbstbeschränkung verschweigt), (die historisch nur deshalb nicht gedass weite Teile des heutigen Wiens zum Marchfeld rodet wurden, weil es dort besonders gehören. Eigentlich hätte das berücksichtigt gehört. große Hirsche zu erlegen gab) auch in Doch immerhin: Die Záhorie, der slowakische Teil der der Zweiten Republik nicht der Was­Tiefebene, die wir in Österreich Marchfeld nennen, wird serkraft zu opfern. Teile davon sind mitgedacht. Und die Schnellbahnlinie S1 endet seit einirenaturiert. Aber sowohl Donau als ger Zeit nicht mehr in Gänserndorf, sondern führt direkt auch die rückgebaute Uferlandbis Marchegg. Damit taucht der Ausstellungsort auf der schaft sind in ihrer heutigen Form Wiener Öffi-Landschaft auf – und die Landesausstellung ohne menschliches Zutun undenkist perfekt öffentlich angebunden. Ein klares Entschärfen bar. Und ohne menschliches Zutun eines Konflikts. (und regelmäßige Schotterbeiga-

BILD SE LINA SC HO BEL

KOLUMNE Thomas Weber


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Problem erkannt– Problem gebannt! Wir helfen Ihnen, welche ökologischen Maßnahmen Sie ganz einfach ergreifen können. Alle Informationen unter:

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WIR MACHT’S MÖGLICH. Impressum: Medieninhaber: Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien.

raiffeisen.at/mein-elba


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