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September/Oktober 2021

Der Buchtipp

„Es ist besser obdachlos als hoffnungslos zu sein!“ (Pavel Kosorin *1964 – tschechischer Schriftsteller und Aphoristiker)

Heißt obdachlos zu sein gleichzeitig, hoffnungslos zu sein? Ist es die Hoffnungslosigkeit, die in die Obdachlosigkeit geführt hat? Der Verlust der Wohnung und der Absturz aus einer vermeintlich gesicherten Existenz ist für die meisten nicht auszudenken. Für uns selbst können und wollen wir uns das nicht vorstellen. Wie aber gehen wir mit unseren Mitmenschen um, die in einer solchen Situation sind? Sehen wir deren Abstieg als unaufhaltsam, biografisch vorgezeichnet an? Wissen wir um deren individuelle, persönliche Geschichte oder ist es uns lieber, wegzuschauen und schnelle Erklärungsmuster heranzuziehen? Empathie, Toleranz und Mitgefühl würden sicherlich schon maßgeblich dazu beitragen, dass nicht alles hoffnungslos sein muss. Vielleicht kann die von uns zusammengestellte Buchauswahl zu diesem Thema für jede Altersgruppe ein klein wenig dazu beitragen:

Der Sandler:

Ostermair, Markus ( 978-3955102296)

Markus Ostermair romantisiert nicht, ist nicht voyeuristisch und schafft dennoch in seinem Roman eine große Nähe zum Alltag Obdachloser. Fiktiv und dennoch realistisch – auf alle Fälle berührend.

Unter Palmen aus Stahl:

Die Geschichte eines Strassenjungen Bloh, Dominik. (978-3407812568)

Ein beeindruckendes Jugendbuch, das mit großer Offenheit eine Lebensgeschichte erzählt, die unter die Haut geht.

Kein Bett in der Nacht

Maria-Ines de Almeida, Cátia Vidinhas (978-3957284877)

Ein herausragendes Bilderbuch, das es schafft, behutsam und empathisch das sensible Thema schon für Kinder ab ca. 4 Jahren aufzubereiten. Gleichzeitig ist es auch ein Plädoyer für mehr Nächstenliebe und weniger Wegschauen in unserer Gesellschaft und deshalb empfehlenswert auch für alle Erwachsenen!

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Mehrwert

Kempten ist Vielfalt Wir haben Schüler:innen der Sprachenschule Lingua Viva gefragt, was sie dazu veranlasst hat, ihre alte Heimat zu verlassen und in Kempten ein neues Kapitel aufzuschlagen. Herausgekommen sind kurze Statements über Schicksalsschläge, Dankbarkeit und das Ankommen in einem fremden Land.

Alexej aus Kasachstan: Im Jahr 2018 ist ein Flugzeug am Flughafen Düsseldorf gelandet. Es war ein regulärer Flug: MoskauDüsseldorf, alles ist wie gewöhnlich. Aber für eine junge Familie, die auf diesem Flug gekommen ist, war alles neu und unbekanntdas war ich mit meine Frau und vierjährigen Tochter. Wir waren überwältigt von verschiedenen Gefühlen. Auf einen Seite gab es Angst vor dem Unbekannten, denn aller Vorbereitungen zum Trotz war dies das erste Mal für uns, wir waren das erste Mal in diesem Land. Auf der anderen Seite gab es Hoffnung, weil wir nach Hause gekommen sind. Wie kann es sein? Wir sind als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Ja, ich bin ein Deutsche. Zuerst mussten wir uns im Grenzüberganglager in Friedland anmelden lassen. Die erste wichtige zu bekommende Dokumente wurde da erstellt. Natürlich war alles schon auf Deutsch und obwohl wir in unserem Herkunfstland einen A1 Deutschkurs besucht haben, reichten diese Sprachkenntnisse nicht aus.(Aber uns ist der

Straßenname aufgefallen – Heimkehrerstraße) Dort habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass die Mitarbeiter darüber nicht böse sind und im Gegenteil, sie korrigieren uns freundlich und bewahren immer die Ruhe. Es war sogar erlaubt für Verwandten oder Freunden dazu sein, die Deutsch sprechen. Wir waren aber allein. Später, als wir in das Spätaussiedlerheim in Schweinfurt geleitet wurden, haben wir auch die gute Behandlung in Bezug auf uns, sowohl beim Behördegang, als auch auf die Straße, gefühlt. Natürlich haben wir auch auf unserem Weg zu einem neuen Kapitel im Leben mit Probleme und Herausvorderungen gestoßen, aber im Allgemeinen kann ich mich nicht beschweren. Warum haben wir umgezogen? In meinem Herkunftsland (Kasachstan ) habe ich keine Zukunft für meine Kinder gesehen. Und natürlich weil wir Deutsche sind.

Redaktioneller Hinweis: „Deutsche Sprache, schwere Sprache“ heißt es. Alle Statements stammen von Teilnehmer:innen aus den Deutschkursen von BILDUNG und BERUF. Wir sind begeistert davon, wie gut die Sprachschüler:innen teilweise nach nur wenigen Jahren deutsch sprechen. Das wollten wir euch nicht vorenthalten und haben deshalb Rechtschreibung und Grammatik nahezu unverändert beibehalten.


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