WdK Rostock

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Unser Gegner heute: Rostock Die Hansestadt Rostock liegt ziemlich mittig an der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ostsee sowie die in die Stadt laufende Warnow prägen deutlich das Stadtbild. Bis zu 16km in di Stadt hinein können Schiffe zum dortigen Seehafen fahren. Über die Jahre hat sich die Stadt hierbei stark verändert. Wo heutzutage eine Hauptstraße zu finden ist, war früher bereits der Strand inklusive weit ins Meer reichender Brücken. Ein damals um die Stadt gehender Wassergraben verlor mit der Zeit seine Schutzfunktion und wurde für den Ausbau des Hafenbeckens korrigiert. Die geographisch gute Lage Rostocks machte die Stadt über Jahre hinweg zu einem wichtigen Knotenpunkt für Handel und Rohstoffversorgung, was auch während des zweiten Weltkrieges zu großen Zerstörungen durch Bombenangriffe führte, da Rostock als Zentrum der Rüstungsindustrie im dritten Reich galt. Sehr viele zerstörte und verfallene Stadtteile und Gebäude wurden abgerissen und durch Plattenbauten ersetzt. Nach der Wende war vom wirtschaftlichen Knotenpunkt Rostock nur noch wenig übrig. Es kam zu einer großen wirtschaftlichen Krise, viele Menschen verließen die Stadt. In diese Krisenzeit fielen dann auch die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, wo einige hunderte Rechtsextreme Flüchtlingsheime unter dem Applaus von weiteren tausenden Menschen angriffen und in Brand steckten. 1965 wurde in Rostock der FC Hansa gegründet, als die Fußballabteilung vom Verein SC Empor Rostock ausgegliedert wurde. Den größten Erfolg feierte der Verein dann als Meister und Pokalsieger der letzten ausgespielten Saison in der ehemaligen DDR. Danach entwickelte sich Hansa Rostock mit zwölf Bundesligateilnahmen zum erfolgreichsten Verein der ehemaligen DDR, bis er dann letztendlich in der dritten Liga landete. Während der gesamten Zeit spielte Rostock im Ostseestadion. Die Rostocker Fanszene wird stark durch die Suptras, die führende Gruppe in Rostock, geprägt. 2001 wurde diese Gruppe von anfangs zwei Personen gegründet und sollte eine Anlaufstelle für Supporter und Ultras sein, wobei die Gruppe mittlerweile eher in die Richtung einer klaren Ultragruppe tendiert. Lange Zeit stand die Gruppe im Eckblock 27a und koordinierte von dort die Stimmung. Durch viele Pyroaktionen und Ausschreitungen kam allerdings eine heftige Repressionswelle auf die Rostocker Fanszene zu, die die organisierte Unterstützung der Mannschaft dort immer schwieriger machte. Kurzzeitig schien eine Besserung in Sicht, als nach Verhandlungen mit dem Verein die gesamte Südtribüne als Stimmungskern zur Verfügung gestellt wurde. Dies hielt allerdings nicht lange und nach erneuten Ausschreitungen in einem Spiel gegen St. Pauli wurde dieser Standort der Fanszene wieder entzogen. Es gab immer wieder Proteste, eine Rückkehr schien aber trotzdem unwahrscheinlich, so dass die Rostocker Fanszene bei unserem letzten Gastspiel dort wie ein Schatten ihrer selbst wirkte. Mittlerweile steht die Südtribüne allerdings wieder zur Verfügung, so dass wir uns auf das Gastspiel in der Rückrunde definitiv freuen können. Besonders bekannt sind die Rostocker vor allem durch ihr enorm großes Einzugsgebiete in der ehemaligen DDR und die große Motivation, sehr viele Spiele mit dem Zug anzureisen. Das Einzugsgebiet führt dann dazu, dass an mehreren Bahnhöfen große Haufen Hansa-Fans in die Züge einsteigen, was auch öfters ziemliches Konfliktpotential bereithielt. Die Suptras sehen sich laut eigener Aussage als unpolitisch und wollen als einzige Politik im Stadion „Hansa Rostock“. Eine differenzierte Betrachtung des Politik-Begriffs ist hier nicht zu erwarten, ein Deckmantel für rechte Strukturen ist der Begriff „unpolitisch“ hier allerdings scheinbar auch nicht, wurde 2010 nämlich ganz klar dem Vorsitzenden Landtagsvorsitzenden der NPD Udo Pastörs samt Anhang der Zutritt zum Block verwehrt. Auf der anderen Seite zeigte die Auflösung der progressiveren Gruppe Unique Rebels, dass es auch für sozial couragiertes


und sozialpolitisches Engagement keinerlei Entfaltungsmöglichkeiten gibt. So kam es für die Gruppe zu Androhungen von Gewalt, Betretungsverbote für die Südtribüne, ein Verbot der Zaunfahne und des Fanzines „Hinter dem Zaun“. Eine besondere und traditionelle Rivalität hat die Fanszene Hansas gegenüber dem FC Sankt Pauli. Am 13.3.1993, kurz nach den Vorfällen in Lichtenhagen, spielte der Kiez-Club in Rostock, wo es zu Ausschreitungen mit mehreren hundert Neonazis kam. Seitdem haben die Duelle immer auch eine politische Dimension, da auf beiden Seiten sehr viele politisch motivierte Menschen die Spiele besuchen. Berichte von Wurfgeschossen im Stadion und Ausschreitungen auf den Straßen waren immer wieder aufs Neue in den Medien zu lesen, woraufhin es auch schon zu der Maßnahme kam, den Rostockern ein Gästeverbot in Hamburg aufzuerlegen. In Rostock ist also immer etwas los und wir können wieder mit einem lautstarken und relativ vollen Gästeblock rechnen.

Spielberichte Meidericher Spielverein – SV Darmstadt 98 Wer beim Spiel gegen den Traditionsclub aus Darmstadt auf ein prestigeträchtiges Duell vor vollem Haus mit zwei aktiv aufgelegten Szenen gehofft hat, der wurde definitiv sehr schnell enttäuscht. Das lag zum einen an der absolut desaströsen Leistung der Zebras, der damit verbundenen Lethargie der Nordkurve und zum anderen an einem äußerst unauffälligen Gästeblock. Die Darmstädter Ultraszene positionierte sich im Oberrang, was an sich immer gute Rahmenbedingungen liefert, sich akustisch bemerkbar zu machen. Leider Fehlanzeige. Der Gästeauftritt war zu keiner Zeit zu vernehmen, selbst bei einer 3:0-Führung gab es dort phasenweise nicht mal Bewegung zu sehen. Da hatten sich einige mehr von den Gästen erhofft. Für uns stand dieser Spieltag trotzdem in einem besonderen Licht. Neben dem 111-Jährigen Vereinsbestehen gibt es nämlich noch ein Ereignis rund um den MSV zu feiern. Seit 50 Jahren, also mit dem Einzug als Gründungsmitglied in die Bundesliga, spielt unser Meidericher Spielverein im Wedaustadion. Zwar waren die Zebras zuvor schon einmal dort zu Gast, seit 50 Jahren handelt es sich aber um die offizielle Heimspielstätte. 50 Jahre lang gab es also deftige Niederlagen, langweilige Kicks und unglaubliche Siege im Wedaustadion zu feiern und zu betrauern. Für uns war dieses Jubiläum Grund genug, es mit einer Choreographie zu zelebrieren. Ursprünglich überlegten wir, diese schon zum Spiel gegen Dortmund durchzuführen. Die undankbare Anstoßzeit unter der Woche machte uns da allerdings einen Strich durch die Rechnung. Positiv betrachtet hatten wir so allerdings etwas mehr Zeit, die Choreo vorzubereiten. Eingerahmt durch zwei blaue Folienbahnen an der Seite sowie Spruchbändern oben und unten mit dem Jubiläum und einer Zeile des Zebratwists gab es blau-weiße Balken aus Folienschals und eine sehr detailliert gemalte Blockfahne im Stile eines gerahmten Bildes, welches die alte Haupttribüne des Wedaustadions zeigte.


Die Durchführung stellte uns dieses Mal auch zufrieden, wurden doch endlich mal nicht alle Schals bereits weit vor der Choreo präsentiert und auch das notorische Trommeln gegen die Blockfahne wurde unterlassen. So bestand nicht die Gefahr, dass entweder der dünne Stoff reißt oder massenhaft Farbe abblättert. Die Fotos, welche ihr auf unserem StimmungsblockBlog finden könnt, sprechen für sich, die Choreo war ein voller Erfolg. Damit hatte es sich dann aber auch schon, was die positiven Eindrücke betrifft, denn die Zebras auf dem Rasen schienen völlig von der Rolle. Zu keiner Zeit fanden sie ins Spiel und ließen sich in der ersten Hälfte hoffnungslos vorführen. Das Offensivspiel fand nicht statt und wenn es dann zur Halbzeit 3:0 für die Darmstädter steht, ist es an sich schon sehr unwahrscheinlich, noch irgendwie etwas Zählbares in Duisburg zu lassen. Schade war allerdings, dass in Duisburg anscheinend schon eine völlig verquere Erwartungshaltung entstanden ist. Wir haben gegen Darmstadt das erste, wirklich schlechte Spiel gesehen. Alle Niederlagen zuvor waren meist unglücklich, aber immer mit dem nötigen Einsatz und Willen. Dementsprechend können wir nicht ganz nachvollziehen, wenn plötzlich ein Pfeifkonzert durch die Wedau zieht. Dass nicht jeder Fan bereit ist, auch weiterhin zu singen, ist zwar schade, aber in so einem Spiel nachvollziehbar. Pfiffe sind in unseren Augen im bisherigen Saisonverlauf allerdings nicht angebracht. Zufrieden können wir mit dem Stimmungsblock aber auch nicht sein. Erst nach der klaren Ansage, die Mannschaft nach den besonderen Erlebnissen der bisherigen Spiele nicht hängen zu lassen, ging noch einmal ein Ruck durch alle Anwesenden und es wurde nochmal etwas lauter. Für ein Ergebnis von zu diesem Zeitpunkt 0:3 war das dann sicherlich akzeptabel, allerdings hat es etwas zu lange gedauert, bis der Frust zum Trotz wurde und nochmal alles herausgekitzelt wurde. Das ging dann auch nur bis zum 0:4, ab da war selbst im Stimmungsblock nur noch ein kleiner Kreis rund um unsere Gruppe motiviert genug, dem Verein weiterhin die Stange zu halten. Klar, die Niederlage war bitter, allerdings nichts völlig unerwartetes, wenn sich jeder Mensch mal die Erwartungen von vor der Saison vor Augen führt. Von daher war unsere Laune nicht völlig am Boden, wirklich gut lief allerdings nur die Choreo. Heimspiele sind momentan nicht mehr so der Oberknaller. Hoffentlich ändert sich das gegen Rostock.

Holstein Kiel – Meidericher Spielverein; 0:1 Große Lust hatten die wenigsten, wieder nach Kiel zu reisen. Zum einen waren die Erwartungen an die Stimmung dort relativ niedrig. Das lag sowohl am äußerst unglücklich gebauten Gästeblock als auch an der Tatsache, dass nach der kleinen Negativserie der Zebras keine wellenschlagende Euphorie abzusehen war. Zum anderen war jedem noch das Pokalspiel in bester Erinnerung, wo sich weder Mannschaft noch Gästeblock mit Ruhm bekleckerten. Positiv stimmte allerdings eine volle Busliste für einen Doppeldecker, was vor allem durch die Terminierung begünstigt wurde. Es ist eben nicht alles schlecht an der dritten Liga. Frühe Abfahrtszeiten an einem Samstag


laden dazu auch immer wieder für eine angenehme Gestaltung des Freitagsabends ein, welchen wir im Rahmen der Gruppe und unserer Freunde und Freundinnen verbrachten, um dann erschöpft in den Bus zu steigen (wo leider wieder ein paar Menschen äußerst spontan absagten: macht‘s doch bitte nicht auf den letzten Drücker!) und bis Kiel durch zu schlummern. Dabei lief das Buscatering so grandios, dass bereits deutlich vor Kiel alle Brötchen vertilgt waren. Das lag natürlich nur an der unglaublichen Qualität der Nahrungsmittel, bei der sich die AG Buscatering mal wieder selbst übertroffen hat und nicht an der Tatsache, dass für einen Doppeldecker gefühlte 15 Brötchen geschmiert worden sind. Absolut vollgestopft kamen wir also in Schleswig-Holstein an, durften uns mit äußerst entspannten Ordnern auseinandersetzen und begrüßten unsere Sektion WET im Block. Ein paar wirre Köpfe kamen dann auf die Idee, die frei zugänglichen Vereinsmagazine klein zu schreddern, um einen riesigen Haufen an Schnipseln zu haben. Auf den Fotos sah die Aktion zum Einlaufen dann zwar aus, als wäre ein Tornado über eine Müllhalde gefegt. Trotzdem gab es so immerhin eine kleine Aktion und etwas Spontanität hat noch niemandem geschadet. Zum Spiel brauchen wir eigentlich nicht so viel sagen. Etwas glücklich für uns gab es eine rote Karte für die Störche, der darauf folgende Freistoß wurde direkt verwandelt und dann wurde 80 Minuten lang gezittert. Chancen gab es kaum welche, die Abwehr stand aber die meiste Zeit sehr sicher, so dass sich am Ergebnis nix mehr änderte. So krampfhaft wie das Spiel war, gestaltete sich das Erlebnis im Gästeblock allerdings nicht. Es wurde munter durch den Block gehüpft, die Menschen hatten Spaß an den Liedern und es gab wenig zu meckern. Einzig die Akustik im weiten Rund war wie bereits erwartet äußerst bescheiden, so dass höchstwahrscheinlich nicht alles auf der Heimseite angekommen ist. Diese war allerdings alles andere als begeisternd. Da die Supside Ultras Kiel beim DFB-Pokalspiel auf Grund einiger Vorkommnisse beim vorher stattgefundenen Derby gegen Lübeck boykottierten, konnten wir damals keinen Eindruck gewinnen. Dieses Mal fiel es allerdings auch äußerst schwer, da kaum etwas bei uns ankam. Was allerdings sehr deutlich zu vernehmen war, war das „Zebras in den Zoo“-Spruchband mit den dazugehörigen Wappen des THW Kiel und unserer GmbH kombiniert mit den passenden Sprechchören. Ehrlich gesagt war das Szenario durchaus witzig, so häufig kriegen wir diesen Klassiker ja nicht mehr zu hören. Ein paar Ruhrpottkanacken-Rufe als Antwort kamen dann genau so obligatorisch. Die Gleichsetzung der Kieler mit Pädophilie ist dann aber doch etwas zu tief in die Niveaukiste gegriffen und verharmlost ziemlich die Traumata der Opfer von sexueller Gewalt. Tiefergehende Informationen, woher die Abneigung der Störche uns gegenüber kommt, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Höchstwahrscheinlich finden die Jungs und Mädels der Kieler Fanszene den Handballverein ziemlich blöd, weil er unangefochten die Nummer Eins der Stadt ist und dementsprechend auch die meisten Menschen dort interessiert und zieht. Da das Team ebenfalls den Spitznamen „Zebras“ trägt, liegt es für die Nordlichter vielleicht nahe, direkt alle Zebras kacke zu finden. Vielleicht besuchen die Damen und Herren daher auch keine Zoos oder haben eine enorme Abneigung gegen die Savannen Afrikas. Das ist allerdings alles spekulativ. Zum Abpfiff kam die Mannschaft wie immer zum Zaun und bedankte sich bei allen mitgereisten Anhänger_innen, wir packten dann schnell noch die Sachen ein und begaben uns in den Bus. Die Rückfahrt schien einigen Personen deutlich mehr Spaß zu machen als anderen, aber wir hängen uns so oft auf der Pelle, da verträgt man auch ein paar Strapazen des Nervenkostüms.


Ultra Aktiv

Kohorte-Kino Angekündigt war der Film „This is England“. Am Freitag vor Kiel kamen einige Personen in den Raum, um eben jenen Film zu sehen. Aber wir wären nicht die Kohorte, wenn dann nicht doch noch irgendetwas schief gehen würde. Am Tag der Vorführung fanden wir nämlich heraus, dass die DVD nicht da war, wo wir dachten, dass sie sein würde. Ein Ersatzplan musste also schnell her. Kurzerhand entschieden wir uns dafür, das Archiv an Kurven-DVD’s deutscher Szenen zu durchwühlen und fanden dort auch eine Alternative für den Abend. Nun ist die Dramaturgie auf DVD’s die zu 90% aus Kurvenvideos und den damit verbundenen Gesängen bestehen, nicht besonders abwechslungsreich. Trotzdem halten wir solch einen expliziten Blick auf den Habitus anderer Gruppen und Blöcke für durchaus bereichernd. Wenn daraufhin Unterhaltungen über das Gesehene entstehen, sei es auf Grund besonderer Lieder, interessanter Schwenk- und Zaunfahnen oder toller Choreos, hat so eine DVD voll und ganz ihr Ziel erreicht. Die Möglichkeiten der eigenen Kurve werden in solchen Gesprächen ausgelotet wie auch Zielsetzungen oder Träumereien für die Zukunft gesetzt. Heißt also, selbst wenn mal nicht alles wie geplant abläuft, sind wir durchaus in der Lage, doch noch was Gutes draus zu machen. Wir hoffen, dass alle Anwesenden auch trotz der spontanen Planänderung ihren Spaß hatten.

Vortrag zur Situation in der Türkei Die Vorkommnisse in der Türkei dürften auch an euch nicht vorbei gegangen sein. Nachdem der Gezi-Park in Istanbul dem Erdboden gleich gemacht werden sollte und sich die ersten Proteste gegen diese Pläne entwickelten, entstand ein riesiger Protestzug in den Großstädten der Türkei. Es war nicht mehr der Park alleine, der im Vordergrund stand, sondern die allgemeine Politik Erdogans und die Bevormundung seinerseits. Menschen aus allen politischen Richtungen protestierten für eine freie Lebensgestaltung und wurden seitens der Staatsmacht enormer Repression ausgesetzt. Eine wichtige Rolle bei den Protesten spielten auch die Ultras von Besiktas. Das macht das Thema für uns natürlich besonders interessant und deswegen haben wir auch keine Kosten und Mühen gescheut, euch einen Vortrag zu den Geschehnissen in der Türkei zu organisieren. Ein Experte und sehr guter Freund unserer Gruppe ist am morgigen Samstag ab 20Uhr in unseren Räumlichkeiten und wird zum einen die Entwicklung der Proteste, die Rolle der Fußballfans und die aktuelle Situation erläutern. Natürlich habt ihr dabei auch die Möglichkeit, alle Fragen zu stellen, die euch auf der Zunge liegen. Das Thema ist definitiv eines der aktuell interessantesten in der internationalen Fußballwelt und auch gesamtpolitisch betrachtet kam kein Mensch drum herum, irgendwelche Informationen vom Bosporus zu erhalten. Wir freuen uns daher über ein zahlreiches Erscheinen eurerseits, denn eines ist sicher: Es wird verdammt interessant!


Ab hier beginnt die Sackgasse… …ja, ab wo eigentlich und für wen überhaupt? Fragt man Peter Fischer – den Präsidenten der Eintracht aus Frankfurt am Main – für die Nazis, die in der Frankfurter Kurve aufschlagen. Das ließ er in einer Äußerung über die aktuelle Situation in den deutschen Fankurven fallen. Interessant, gerade wo es in Kurven der Bundesrepublik wenige akutere Thematiken gibt als diese und die meisten Interessierten wohl nicht als erstes an die Fanszene aus der Mainmetropole denken, wenn sie sich damit auseinandersetzen. Eher legt man das Augenmerk auf Städte wie Braunschweig und die dortige Gruppe Ultras Braunschweig, bei denen es nach den jüngsten Vorfällen am vergangenen Freitag beim Spiel gegen Mönchengladbach alles andere als rund läuft. Auch die Geschehnisse aus Aachen rund um die Aachen Ultras und deren diesjähriger Entschluss zur Auflösung, sind nach wie vor präsent. Peter Fischer bezieht sich in seiner Aussage jedoch auf keine spezielle Szene, sondern spricht davon, dass einige Fanszenen in Deutschland ein „Nazi-Problem“ haben. Er hat für dieses von ihm skizzierte Problem eine ganz simple Lösung. Seine Äußerung gegenüber dem 11Freunde-Magazin war folgende: „Das braune Pack sollte jede anständige Kurve selbstständig aus dem Block prügeln. Das haben wir früher so gemacht, das wird in Frankfurt heute noch so gemacht, und da bin ich stolz drauf.“. Ganz schön salopp der Herr Fischer, wie er da so von seinem Funktionärssessel an die Kurven appelliert. Aber vielleicht ist genau das die Art, mit der man einer Herausforderung dieser Größenordnung entgegentreten muss. Das Kind beim Namen nennen, ohne Rücksicht auf etwaigen Gegenwind, der einem dadurch entgegen fegen könnte. Dass Fischer mit seiner Äußerung aus einer Position eines Vorbildes Gewalt gegen Nazis legitimiert dürfte nicht jedem schmecken, schon gar nicht den in den Stadien ansässigen Nazis. Doch das stört ihn nicht, genauso wenig, wie er auch anmerkt, dass die Fanszenen aus seiner Sicht nicht gewalttätiger seien als zu früheren Zeiten, in denen Fischer im Übrigen selbst in der Frankfurter Kurve zu Hause war, so das 11Freunde-Magazin. Gleichzeitig aber kann man sich fragen, wie der gute Mann sich anmaßt eine solche Art von (Zivil)Courage einzufordern, obwohl ihm bewusst sein muss, dass daraufhin ein Stadionverbot so gut wie sicher ist. Des Weiteren steht es außer Frage, dass viele der Vereine, die mit braunem Gedankengut in der Kurve konfrontiert sind, den Weg dazu doch größtenteils selbst geebnet haben. Durch konsequentes Nicht-Hinsehen und Bagatellisieren der bedenklichen Umstände hat man diesen Menschen und ihrer Ideologie doch erst Platz zur Entfaltung gegeben. Platz in der Kurve. Platz im Verein. Die Verantwortung liegt hier ganz deutlich bei den Vereinen selbst. Sie sind gezwungen zu handeln und dem Problem offensiv zu begegnen. Die Vereine, die diesen Sachverhalt schönreden oder gar leugnen, sehen sich offensichtlich nicht imstande den Anfang zu machen und der Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ein Blick in die Geschichtsbücher dieses Landes sollte jedem entschleiern, wo eine solche Attitüde mal hinführte. Ich möchte mit meinem heutigen Senf zu der ganzen Sache hier gar nicht die Person Peter Fischer und seine Verlautbarung in den Himmel loben, dazu ist der Herr immer noch zu sehr Offizieller und unglaublich vielen Dingen (ob überzeugt oder nicht) unterworfen, die ich weder teilen noch nachvollziehen kann. Und auch wenn er einfach ein bisschen Aufmerksamkeit mit einer öffentlichkeitswirksamen Parole gebraucht hat, so hat er eine oder mehrere Aussagen getroffen, die – wenn auch etwas plakativ - ein bestehendes Problem von enormer Wichtigkeit thematisieren und das ist in erster Instanz erst mal gut. Dass er der hiesigen Ultraszene im selben Atemzug ein „Pyro-Problem“ unterstellt, passt dann halt wieder in das Bild eines Präsidenten eines Bundesligavereins. Aber über Pyro schreib ich dann wann anders…


Anderswo Fußballfans gegen Homophobie in den USA Homosexuelle Profisportler sind in den USA mittlerweile kein Novum mehr. Sowohl im Basketball (Jason Collins) als auch im Fußball (Robbie Rogers) haben sich die ersten Profis geoutet und daraufhin in den öffentlichen Medien durchgehend positives Feedback bekommen. Auch in der MLS, der amerikanischen Herren-Profifußballliga setzen sich Fans für einen Fußball ohne homophobe Auswüchse ein. Die Gruppe Timbers Army hat daraufhin sogar das Banner der in Deutschland entstandenen Kampagne nachgemalt, einen Platz dafür im Stadion gefunden und eine Choreographie zu dem Thema durchgeführt. Im Rahmen des internationalen Tages gegen Homophobie wollte die Gruppe so eine sichere Atmosphäre für alle Spieler schaffen, die noch nicht den Schritt machen konnten oder wollten, sich zu outen. Das Banner „Footballfans against homophobia“ wurde daraufhin kopiert, um eine Verbindung zu den europäischen Szenen zu schaffen, die sich ebenfalls im Rahmen dieser Kampagne engagiert haben. In einem Interview auf der Internetseite von „Fußballfans gegen Homophobie“ erzählt die Timbers Army, dass die Problematik in den USA generell auch anders angegangen wird, indem zum Beispiel diskriminierende Beleidigungen während eines Spiels mit einer Sperre von drei Spieltagen für den jeweiligen Spieler geahndet werden. Auch die Gruppe selber ist sowohl im Stadion als auch in Portland selbst sehr aktiv was ihr Engagement gegen jegliche Diskriminierungen angeht. Als erklärender Faktor wird aber angeführt, dass der Fußball in den USA generell nicht so „männlich“ gesehen wird, wie es vielleicht in vielen europäischen Ländern der Fall ist. Beim American Football ist die Problematik nochmal eine deutlich andere und vielleicht eher zu vergleichen mit den Zuständen, die wir hier in Deutschland haben. Nichtsdestotrotz ist das Interview mit der Timbers Army auf fussballfansgegenhomophobie. blogsport.de absolut zu empfehlen und kann durchaus als Anreiz dienen, wie der Ligaalltag zumindest bei diesem Thema hierzulande aussehen könnte.

Braunschweig Die seit Jahren von rechten Hooligans unterdrückte Ultrá Gruppierung “Ultras Braunschweig” wurde beim Auswärtsspiel vergangenes Wochenende in Gladbach erneut aufgrund politischer Motivation angegangen. Wie mit dem Verein vereinbart wurde, stellte sich die Gruppe in den oberen Bereich des Gästeblocks. Nachdem man der Aufforderungen des Security-Dienst, den Block zu verlassen und in den Sitzbereich zu gehen, nicht nachkam, bewegte sich kurze Zeit später eine Gruppe von ca. 30 Personen, welche kurze Zeit zuvor mit dem Sonderzug ankamen, Richtung UB. Um Ausschreitungen zu verhindern, wurde vorerst eine Ordner-Kette zwischen die Gruppen gezogen. Als die Situation zu eskalieren schien, entschieden sich die Mitglieder von UB dazu, den Block zu verlassen, um auf den Sitzbereich auszuweichen. Beim Weg hinaus wurden mehrere Mitglieder Opfer von Schlägen, Tritten, Spuckattacken und Beleidigungen. Alles unter Beobachtung von Ordern und Fanprojekt. nach Spielende stürmten 50-60, teils vermummte Personen den Sitzbereich, um gezielt die Ultras anzugreifen. Lediglich das schnelle Einschalten der Polizei konnte schlimmeres verhindern. Was muss noch alles passieren, bis der Verein nicht mehr tatenlos zuschaut? Wir sprechen den “Ultras Braunschweig” unsere volle Solidarität aus!


Warschau Laut polnischen Medienberichten steht es zur Debatte, das sämtliche Heimspiele von Legia Warschau in der laufenden Saison und bis Ende des Jahres vor leeren Rängen stattfinden sollen. Der regionale Regierungsvertreter hatte den Stein zu dieser Debatte ins Rollen gebracht. Der Auslöser dieses Gedanken war, dass beim CL Spiel gegen Steaua Bukarest trotz Sperrung der Heimkurve erneut Pyrotechnik gezündet wurde. Seitens der UEFA wurde dem Verein bereits eine absurde Strafe in Höhe von 150.000 Euro aufgebrummt.

Mailand Nach der Sperrung der Kurven bei Lazio Rom und Inter Mailand vor wenigen Tagen trifft es nun auch den AC Mailand. Beim Heimspiel am vergangenen Wochenende gegen den SSC Napoli wurden aus der “Curva Sud”, so wird die Heimkurve des AC Mailand genannt, diskriminierende Gesänge gegen die Herkunft der Gästefans angestimmt. Als Konsequenz daraus bleibt die “Curva Sud” beim nächsten Heimspiel geschlossen.

Istanbul Platzsturm und Spielabbruch beim Stadtderby zwischen Besiktas und Galatasaray. Aufgrund einer Vereinbarung beider Vereine werden bei Aufeinandertreffen aus Sicherheitsgründen keine Gästefans zugelassen. Nach einer roten Karte für einen Besiktas-Spieler artete die Situation aus. Das Spiel wurde aufgrund der großen Masse, welche sich am Platzsturm beteiligte, abgebrochen. Welche genauen Hintergründe diese Aktion hat, ist noch unklar. Ob lediglich der Sieg des Rivalen verhindert werden sollte oder ob es Zusammenhänge zu den Taksim-Protesten gibt, ist noch unklar.

Neues vom Infostand Ab dem heutigen Heimspiel findet ihr bei uns am Infostand die erste Ausgabe des „Blickfang Ultra“ der neuen Saison. Die Macher brauchten nach dem Mammutswerk Saisonrückblick im August erst einmal eine Ruhepause, so dass pünktlich zum 11. Spieltag die Hefte nun druckfrisch am Infostand auf Leser warten. In der 29. Ausgabe erwarten euch gleich 3 Interviews mit internationalen Ultragruppen. Die Gruppe Carsi berichtet über ihre Fanszene und ihre soziale Verantwortung während der Aufstände rund um den Gezi-Park und TaksimPlatz. Das Interview entstand zur Zeit der Proteste in diesem Frühsommer und ist daher leider nicht mehr ganz aktuell, vermittelt, auch durch zahlreiche Fotos, aber einen guten Eindruck über das Geschehen aus der Hauptstadt der Türkei. Die Ultras Rapid blicken im Interview zu ihrem Gruppenjubiläum auf 25 Jahre Ultras Rapid in Wien zurück und im dritten Interview berichtet die Horda Frenetik Metz über den aktuellen Stand in ihrer Fanszene. Neben den Interviews bilden die Rückblicke auf diverse Europapokalspiele aus dem Sommer und die erste DFB-Pokal Runde einen Schwerpunkt im Heft. In kurzen Texten und in zahlreichen Bildern ist in beiden Rubriken alles Wissenswerte zu zahlreichen Spielen (allein im Europateil sind über 80 Spiele vertreten) dokumentiert. Dazu kommen Matchreportes vom Münchener Amateurderby und vom Stadtderby aus Sarajevo. Zahlreiche Fotos, geliebt oder


gehasste „Theorietexte“, welche zum Nachdenken anregen und eine Vorstellung des Vereins und der Fanszene des Eishockeyclubs Eisbären Berlin“ runden das bunte Fanzine ab. Für 3,50 Euro sicherlich eine lohnenswerte Investition für nasse Herbsttage. Dank des Themenmix dürfte für jeden Leser mehr als nur ein interessanter Text im „Blickfang Ultra“ enthalten sein.

Leseprobe „Im Norden des Südens“ Martin Czikowski alias Ted Striker war wieder unterwegs und hat nun seine neusten Reiseberichte auf Papier gebracht. Czikowskis Vorliebe für exotische Reiseziele und unübliche Reisemittel dürfte, spätestens seit Erscheinen seines Buches “Eine Reise dahin, wo der Osten schon wieder Westen ist“ allseits bekannt sein. In „Im Norden des Südens“ bereist er den Norden des südamerikanischen Kontinents, Venezuela, Kolumbien, das Amazonas Gebiet Brasiliens, Guyana, Surinam und auch die Sonneninsel Barbados, ganz ohne Pausschaltourismus. Im 100 Seiten starken Werk nimmt Czikowski den Leser dank seiner bildhaften Schreibweise mit auf den Abenteuertrip. Gemeinsam mit dem Autor besucht man das Fußballstadion in Caracas, durchquert den Amazonas oder reist in Guyana ein. Da Martin Czikowski getreu seinem Motto „Reisen bildet, Abenteuer befriedigt und der Fußball rundet ab.“ durch die Welt reist, steht der Fußball auf seinen Reisen und somit auch im Norden des Südens nicht immer an erster Stelle, vielmehr erwartet den Leser ein Reisebericht eines Abenteurers, welcher zumindest 1 Spielbesuch in jedem angesteuertem Land realisieren möchte. Im Anschluss findet ihr einen kleinen Textauszug aus „Im Norden des Südens“, wer sich das ganze Werk zulegen möchte, wird bei uns am Infostand für 4,90€ fündig.

„Montagmorgen. Die zurückliegenden Stunden verschafften mir kein ausgeschlafenes Gefühl. Aufgeregt wie ein kleines Kind in der Nacht vor dem Heiligabend, hatte ich mich bestenfalls dösend im Bett hin und her gewälzt. Es war aber weder das Bett in meiner Berliner Wohnung noch in meinem Greifswalder Jugendzimmer. Das Bett stand im Zimmer 22 des Hotels Plazamar in Macuto. Macuto in Venezuela. Und das Abenteuer Südamerika stand bevor. Im Badezimmer spritze ich mich kurz mit Wasser ab, warf mein Sommerreisegewand an und begab mich die Treppen hinunter, um in die Wirklichkeit hinauszutreten. Die Schwüle erfasste meinen Körper sofort. So ein äquatornaher Sommertag war schon etwas anderes als ein Ostseestrandtag im August. Aber auch die mich umgebende Kulisse musste erst einmal verarbeitet werden. Vor mir lag der, wörtlich übersetzt, Platz der Tauben, auf dem eine Vielzahl der namensgebenden Ratten der Lüfte ihr Revier abschritten. Mit dem Charme des Abgenutzten präsentierte sich das zentralgelegene Areal. Vom Zustand der Bausubstanz her ergaben sich schnell Parallelen zu bedeutungsgleichen Versammlungsorten in den ehemals sozialistischen Ländern östlich der Oder. Nur war der Anstrich hier nicht stringent in grau gehalten, sondern es buhlten verschiedene warme Farben um die Gunst des Betrachters. Südlich vom Taubenplatz und Macuto erhoben sich dichtbewaldet die ersten Gipfel des Avila-Massivs, welches das beschauliche Badeortleben des Küstenbundesstaates Vargas von der Hektik der venezolanischen Hauptstadt Caracas trennte. Nördlich von meinem Standpunkt präsentierte sich mit der Illusion der Unendlichkeit das karibische Meer. Der Strand wurde von eifrigen Händen um die reichlichen Hinterlassenschaften der Wochenendgäste erleichtert. Die Ruhe nach dem Badesturm war allgegenwärtig. Der Montag war auch hier ein Werktag – nur vereinzelt okkupierten braun gebrannte Körper den feinkörnigen Sand oder entluden ihren infantilen Spieltrieb im türkis schimmernden Nass. Tauschte ich Pelikane mit Möwen und Venezolaner mit Sachsen, so war mir Caracas’ Badewanne vertraut wie die heimische Ostsee. Die Schönheit des Moments wurde aber jäh vom Hämmern des Organisationssinnes erschlagen; galt es


doch die Weiterreise zu finalisieren. Wie es seit jeher auf meinen Reisen gewesen war, war die Planung auch hier zeitlich auf Kante genäht – Ruhepausen oder Erholung, gemeinhin auch als Urlaub bekannt, waren rar gesät. So hatte ich zwar für mein dreitägiges AndenGastspiel bereits im Vorhinein und digital eine famos wirkende Unterkunft gebucht. Aber unglücklicherweise glich die Anfahrtsbeschreibung einer Schatzkarte ohne Ziel-X, so dass ich meine derzeitige Herbergsmutter bitten musste, die beinahe angestaubteste Art der Telekommunikation zu nutzen und meinen zukünftigen Herbergsvater anzurufen. Nachdem mir Giovanna nun zwar eine neue Schatzkarte mit X, aber leider mit unvollständiger Strichellinie gab, erklärte sie mir noch den Weg zur Straße, der von den Bussen gen Caracas passiert wurde und wir verabschiedeten uns. Beim Anblick der vorbeirauschenden Autos erkannte ich schnell, dass ein Gegenstück zum teutonischen TÜV in Venezuela nicht existent war. Alles, was vier oder gegebenenfalls mehr Räder hatte und Sprit vertrug, war Bestandteil des hiesigen Straßenverkehrs, und nicht nur einmal bildete ich mir ein, dass der wahrhaftige 72er Plymouth von Al Bundy an mir vorbei brummte. Zwei von drei Kisten hatten noch in den 70er Jahren des letzten Jahrtausends die Rollbänder von Detroit verlassen und tuckerten oder knatterten seither mit wenig Wartung, aber viel Liebe über die hiesigen Teerdecken. Bei der Hubraumgröße der Straßenkreuzer würden deutsche Nutzer schon beim Leerlauf Tränen des finanziellen Ruins verlieren. Unter der Ägide Chavez’ war das Motoren-Elixier stark subventioniert, und bei Preisen von zwei Cent pro Liter war der Benzinverbrauch zwar interessant, aber letztlich irrelevant. Die Kleinbusse, die hier das Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs bildeten, stachen aus der Masse des mobilen Rostes heraus. Und das nicht, weil sie etwa noch weniger Wartung genossen hatten, sondern sich augenscheinlich noch mehr Liebe, nein, Leidenschaft erfreuen durften. Die kunterbunten Busse waren ein Spiegelbild des jeweiligen Charakters ihrer Lenker. Nachdem ich zunächst dachte, dass sich der Mannschaftsbus vom FC Barcelona verfahren hätte – ein ganz in blau und rot lackiertes und mit Spielernamen verziertes Gefährt kreuzte mein Blickfeld – staunte ich schon wenig später über das gelb-blau-rote sowie Unabhängigkeit und Freiheit verkündende Bolivar-Mobil. An den Steilhängen des Küstenstreifens sprossen die Barrios. Was provisorisch gedacht war, wurde langfristig genutzt; entweder bis die Politik oder die Natur ihnen ein Ende bereitete. Letztmalig kam es nur drei Monate zuvor zu heftigen Niederschlägen, die Schlammlawinen und Hangrutschungen nach sich zogen. Die entvölkerten Schneisen zeugten noch von den Folgen des Unwetters. Dann durchschnitt die Autobahn das Avila-Massiv. Wenigstens hier behielt die Natur die Oberhand. Aber dann, noch bevor ein Ortseingangsschild oder andere Zeichen das caracas’sche Hoheitsgebiet offiziell verkünden konnten, frästen sich schon wieder die Barrios ins Grün und schufen vollendete Tatsachen. Kurze Zeit später endete meine Fahrt an der ersten Metrostation Garto Negro. Selbst am frühen Nachmittag war diese Gegend nicht der einladendste Willkommensgruß für ausländische Reisende wie mich; vor allem, wenn man der Einzige war. Während ich mein blondes Haar noch mehr oder weniger erfolgreich durch eine Mütze verbergen konnte, verhinderte meine blasse Haut jegliche Versuche der Integration und Assimilation, so dass ich mich nun schon darauf einstellen konnte, dass unbeobachtete und -bemerkte Momente in naher Zukunft selten sein dürften. In der Metrostation scheiterte mein Versuch des Weißfahrens, da das Luder von Fahrkartenautomat meine Münzen nicht schlucken wollte. Erst nach Intervention bei der Stationsherrin, die mein Schwarzfahren mit einem Lächeln legitimierte, konnte ich meine Fahrt zum privaten Busbahnhof Peli Express fortsetzen. Dort hatte ich dann Glück im Unglück – zwar hatte ich schnell eine Fahrkarte nach Merida, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, in der Tasche, jedoch sollte sich die Abfahrt noch sieben Stunden hinauszögern. Die erste halbe Stunde verging recht fix; mein Magen bekam seine venezolanische Premiere – Empanada, Teigtaschen mit Käsefüllung – von mir serviert. Erst



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