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Strassenmagazin Nr. 567 19. Jan. bis 1. Feb. 2024

CHF 8.–

davon gehen CHF 4.– an die Verkäufer*innen

Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass

Familie

Drei Brüder Jochen, Simon und Stefan suchen seit 60 Jahren nach ihrem Weg im Leben. Gemeinsam und jeder für sich. Seite 8

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Der Verkauf des Strassenmagazins Surprise ist eine sehr niederschwellige Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen und den sozialen Anschluss wiederzufinden.

Ein Strassenmagazin kostet Franken. Die Hälfte davon geht an den*die Verkäufer*in, die andere Hälfte an den Verein Surprise.

Das Heft erscheint alle 2 Wochen. Ältere Ausgaben werden nicht verkauft.

info@surprise.ngo

Alle Verkäufer*innen tragen gut sichtbar einen Verkaufspass mit einer persönlichen Verkaufsnummer. Diese ist identisch mit der Nummer auf dem Magazin.


TITELBILD: LUCIA HUNZIKER

Editorial

Verhalten positiv Sie haben uns etwas aufgetragen, liebe Leser*innen: Zwischendurch auch mal ein paar schöne und leichte Geschichten zu publizieren. Seit wir dem Schrecken (und oft auch der erschreckenden Banalität) der Welt via Smartphone stetig ausgesetzt sind, fällt es immer schwerer, sich zu vergegenwärtigen, dass gar nicht alles den Bach runter geht. Der Frieden, die Erde, Kulturen. Manches wird auch besser. Manches lernen wir dazu. Und manches macht einfach Spass.

sind, und die trotzdem (oder gerade deswegen?) Gelassenheit bewahren. Von ihnen kann man etwas lernen – wie man sich auch in fortgeschrittenem Alter immer wieder neu aufeinander einstellen und einander gut aushalten kann. Wie man zueinander schaut, ohne einander einzuengen. Und wie Nähe funktioniert, ohne viel darüber zu reden. Es ist die Geschichte einer Familie, in der vieles nicht, und vielleicht doch alles ganz normal ist. Ab Seite 8.

Nun sind wir wohl eher keine Wohlfühljournalist*innen, so viel geben wir zu, zu wichtig finden wir unseren Fokus auf Armut und Ausgrenzung, zu sehr beschäftigt uns soziale Ungerechtigkeit und die Kritik an herrschenden Verhältnissen. Aber ganz entziehen und verweigern wollen wir uns auch nicht. Im Gegenteil: Auch wir sehnen uns nach Schönem, nach etwas Ruhe und ja, auch nach Hoffnung.

Im Rest dieser Ausgabe sind wir unserer sonstigen Devise treu geblieben: dorthin zu schauen, wo es eher weh tut. Zum Beispiel in die Atacama-Wüste, wo sich die Kleiderberge der Fast-Fashion-Industrie türmen, Seite 16. Oder auch in einen Film zur Absurdität von Asylbefragungen, Seite 24. Wir hoffen trotzdem auf eine erkenntnisreiche Lektüre.

Vielleicht kann die Geschichte der Gebrüder Schiegg eine Brücke schlagen: Drei Männer, deren Herausforderungen nicht gerade gering

4 Aufgelesen

8 Familie

Alles ganz normal

SAR A WINTER SAYILIR

Redaktorin

22 Forschung

Arm und krank

28 SurPlus Positive Firmen

5 Na? Gut!

Der nächste Schritt zur City Card

24 Kultur

Folgenschwere Entscheidungen

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

5 Vor Gericht

Grüner Neo-Kolonialismus

25 Buch

Wenn Welten verschwinden

6 Verkäufer*innenkolumne

Eine Lebensrettung

30 Internationales Verkäufer*innen-Porträt

«Keine Zeit mehr für Blödsinn»

26 Veranstaltungen 16 Fotoessay

7 Recherchefonds

Der zweite Blick

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Chiles Kleiderwüste

27 Tour de Suisse

Pörtner in Oerlikon

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Aufgelesen News aus den über 90 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

4,51

Von Haustür zu Haustür

ILLUSTRATION: BODARA

Bis zu 300 Sendungen müssen Paketzusteller*innen in Deutschland täglich ausliefern, 4,51 Milliarden Sendungen sind es pro Jahr republikweit. Etwa 300 000 Menschen arbeiten in der Kurier-Express-PaketBranche, viele davon in Klein- und Kleinstunternehmen. Das Statistische Bundesamt weiss von mehr als 15 600 Kleinstkurier-Firmen. Die Mehrheit der Paketzusteller*innen sind männlich, häufig neu zugewandert, mit unsicherem Aufenthaltsstatus, sie haben geringe oder keine Deutschkenntnisse, keine (anerkannte) Ausbildung und beschäftigen hier und da helfende Angehörige. Der Druck in der Branche ist hoch, die Fluktuation ist entsprechend: Die durchschnittliche Verweildauer im Fahrdienst betrage laut Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rund 6 Monate.

ASPHALT, HANNOVER

Nicht bezahlbares Wohnen

+ 6,1 Prozent In Grossbritannien wird Wohnen immer teurer: Bis Oktober 2023 stiegen die Mieten um 6,1 Prozent. Ein Haus (Wohnung) kostete durchschnittlich 291 000 Pfund (im Sept. 2023): 23 000 Pfund mehr als Ende 2021. Bis September letzten Jahres wurden 6785 Haushalte gepfändet. Zwar hatte die Regierung im April 2019 versprochen, WohnraumPfändungen auszusetzen, doch wurden seitdem 23 369 Haushalte zwangsgeräumt. Bezeichnend: Allein 2023 hatte Grossbritannien drei verschiedene Minister*innen für Wohnen.

Umgang mit Geschichte

Zu knapp bemessen

20 Orte

382 Millionen

20 Hamburger Strassen oder Plätze hat die Stadt seit 1985 umbenannt, weil die Namensgeber in der Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der NSDAP waren oder in anderer Form das faschistische Regime unterstützen. Weitere 13 Strassen sollten nach Einschätzung einer Kommission von Fachleuten wegen NS-Belastung der Namensgeber*innen geändert werden. Zuständig für die Umbenennungen sind die Hamburger Bezirke.

Wer in Deutschland Grundsicherungsleistungen erhält – darunter fallen das ehemalige Arbeitslosengeld II und Sozialgeld (neu: «Bürgergeld») beziehungsweise Leistungen der Sozialhilfe –, bekommt Miete und Heizkosten erstattet. Für beides gibt es Obergrenzen. Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke übersteigen im Durchschnitt des Jahres 2022 in rund 338 000 Bedarfsgemeinschaften die real laufenden Miet- und Heizkosten den übernommenen Betrag. Die Differenz betrug 382 Millionen Euro.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

THE BIG ISSUE, LONDON

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BODO, BOCHUM/DORTMUND

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Na? Gut!

Der nächste Schritt zur City Card Wer in New York lebt, erhält seit 2015 unabhängig vom Aufenthaltsstatus die «City ID» und kann damit beispielsweise einen Mietvertrag abschliessen. In Bern soll es eine solche City Card in fünf Jahren geben, ein offizieller Ausweis also für alle Menschen, die in der Stadt leben, der insbesondere das Leben von SansPapiers einfacher machen soll. Weil eine City Card nicht an die Staatsangehörigkeit oder den Aufenthaltsstatus gebunden ist, soll sie allen Einwohner*innen mehr Sicherheit und Teilhabe bieten. Nun hat die Stadt Bern das Umsetzungskonzept vorgestellt, das skizziert, wie die Berner City Card aussehen soll. Ähnlich wie etwa der SwissPass auf der SBB-App soll die City Card digital sein und allen Einwohner*innen von Bern in Form einer App zur Verfügung stehen. Die City Card soll aus dem Grund digital sein, damit sie ein grosser Teil der Bevölkerung nutzt. Susanne Rebsamen, Leiterin der städtischen Fachstelle für Migrations- und Rassismusfragen, sagt: «Ein Identifikationsmittel, das nur von SansPapiers und ein paar wenigen solidarischen Personen genutzt wird, funktioniert nicht.» Die City Card soll allen Menschen – ohne Angst vor Konsequenzen – ermöglichen, die Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die ihnen zustehen. Zum Beispiel städtische Dienstleistungen wie Kinderbetreuungsangebote oder Vergünstigungen bei Hallen- oder Freibädern. Als nächster Schritt wird in Bern eine Rechtsgrundlage erarbeitet. LEA

An dieser Stelle berichten wir alle zwei Wochen über positive Ereignisse und Entwicklungen.

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Vor Gericht

Grüner NeoKolonialismus Der CO²-Emissionshandel ist eine an sich löbliche Idee: Unternehmen und Private kaufen CO²-Zertifikate, mit dem Erlös werden dann Umweltschutzprojekte finanziert. Inzwischen zeigt sich aber, dass die CO²-Kompensation vor allem ein globales Mega-Business ist. Insgesamt etwa zwei Milliarden US-Dollar liessen sich Firmen und Private ihr Image und Gewissen 2021 kosten. Dabei sind viele der Programme im besten Fall wirkungslos, im schlechtesten haben sie schädliche Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung. Es offenbaren sich alte Ausbeutungsmuster. Tom Goldtooth vom Indigenous Environmental Network nennt CO²-Kompensationen auf indigenem Land eine neue Form des Kolonialismus. Immer öfter wehren sich betroffene Gruppen gerichtlich. Wie letztes Jahr ein paar junge Pastos in Kolumbien, die auf den Hochlandsteppen am Fusse des Cumbal-Vulkans im Süden des Landes leben. Ihr Reservat war mit benachbarten indigenen Gebieten zu einem riesigen Kompensationsprogramm geworden. Das, sagen sie in ihrer Klage, sei rechtswidrig, ein Verstoss gegen die Cancún-Schutzklauseln. Das an der Weltklimakonferenz 2010 verabschiedete Regelwerk schreibt die Konsultation der indigenen Bevölkerung vor. Sonst droht, was in den Reservaten am Cumbal geschah: Als der Deal ruchbar wurde, hatte der Ölkonzern Chevron bereits 315000 Zertifikate gekauft – und es blieb unklar, zu wem das Geld geflossen war. Das führte zu Misstrauen und Konflikten.

Das erstinstanzliche Lokalgericht stoppte das Projekt. Es ordnete den Obergouverneur des Gebiets und die beteiligten Firmen an, die Indigenen umfassend über das Projekt zu informieren und die Geldströme offenzulegen. Innert sechs Monaten sei eine gesetzeskonforme Konsultation der Bevölkerung durchzuführen. Das aber wollten die beklagten Parteien nicht – sie zogen den Entscheid weiter an das Bezirksgericht in Ipiales. Eine Vorabkonsultation sei nicht erforderlich, machten sie geltend, das Projekt habe keinerlei Folgen für die indigene Bevölkerung, ihre Traditionen und Identität. In seinem Urteil äussert sich das Gericht in Ipiales überaus deutlich, fast schon wütend. Zu behaupten, das Projekt habe in diesem Fall keine Auswirkung auf die indigenen Völker, sei widersinnig – allein der Gerichtsfall beweise das Gegenteil. Intransparenz stifte Unfrieden. In den letzten Jahren, schreiben die Richter*innen, habe im ganzen Land ein Run auf die Indigenen-Gebiete eingesetzt, um CO²-Projekte umzusetzen. Wiederholt würden beim Entscheid ganze Gemeinschaften übergangen. Indigene Völker genössen in Kolumbien aber besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, so das Gericht. Sie befänden sich seit jeher in einer prekären Lage, weil die Mehrheitsgesellschaft ihre Lebensweise bedrohe, da Muster der Diskriminierung nicht überwunden seien. Deshalb stoppt auch das höhere Gericht das Projekt und weist die Verantwortlichen an, die Details des Deals offenzulegen, damit die Bevölkerung am Cumbal selbst entscheiden kann, ob sie auf ihrem Land Emissionshandel treiben will.

Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin

in Zürich.

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Verkäufer*innenkolumne

Eine Lebensrettung Vor zwei Jahren fuhr ich nach Davos, um meinen Geburtstag zu feiern. Dort traf ich mich mit meinen Freunden Ruedi und Peter. Peter fragte Ruedi, ob er mitkomme auf einen Spaziergang, aber Ruedi wollte nicht. Also habe ich gesagt, ich käme dafür mit. Wir wollten um den kleinen See beim Dorfeingang gehen, aber nach etwa der Hälfte der Strecke brach Peter plötzlich zusammen. «Mein linker Fuss spinnt», sagte er, versuchte weiterzugehen, stürzte dann aber rückwärts. Zum Glück ging ich direkt hinter ihm und konnte ihn auffangen, sonst wäre er auf den Hinterkopf gefallen.

ILLUSTRATION: ADELINA LAHR

Eine Frau sah vom Auto aus, was geschehen war, hielt an und kam zu uns herüber. Sie war die Ärztin der HC-DavosJunioren und rief sofort die Ambulanz. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie da war, aber die Notfallsanitäter*innen übersahen uns im ersten Moment. Die Ärztin blieb bei Peter, und ich winkte die Ambulanz herbei. Peter wurde ins Spital Davos gebracht, aber noch am selben Abend mit dem Helikop-

ter nach Chur geflogen. Ein, zwei Tage später wurde er dann nach Schaffhausen verlegt, wo er wohnt. Ich ging ihn öfter besuchen, es durfte nur eine Person aufs Mal zu ihm. Der Arzt in Schaffhausen sagte mir, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, hätte er das wahrscheinlich nicht überlebt, ich sei ein Held. Ich fühle mich aber nicht so. Ich habe einfach gemacht, was ich konnte. Peter war damals bettlägerig, verstand aber alles, auch wenn er nicht antworten konnte. Seither braucht er einen Rollstuhl. Er kann wieder reden, aber er musste es neu lernen. Heute verkauft er zusammen mit unserem Kollegen Hans in Schaffhausen wieder Surprise.

HEINI HASSLER, 65, verkauft Surprise in Chur. In den letzten Jahren war er bei Schicksalsschlägen von Surprise-Kollegen zweimal als Einziger vor Ort, bei Peters Hirnblutung und Ruedis Tod (siehe Surprise 560).

Die Texte für diese Kolumne werden in gemeinsamen Workshops von sozialer Arbeit und Redaktion erarbeitet. Die Illustration entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.


ILLUSTRATION: BODARA

möchten durch einen zweiten, präziseren Blick mehr und vor allem andere Perspektiven auf angeblich Vertrautes eröffnen. Offen, wertfrei, menschlich und nahbar. Nicht immer gelingt uns das, zugegeben, denn diese Art der journalistischen Arbeit ist aufwendig; es braucht Zeit, um genau zu recherchieren, um Gespräche zu führen und Menschen in ihrem Alltag zu begleiten, aber auch, um immer wieder mitten im Prozess ein paar Schritte zurückzutreten und kritisch zu hinterfragen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist oder nicht doch eine andere Richtung einschlagen sollte.

Recherchefonds

Der zweite Blick Wir leben in einem News-Zeitalter. Die schweizerische Depeschenagentur SDA verschickt pro Tag an die 900 Nachrichten, dazu kommen unzählige Newsportale, die laut Statistik von 38 Prozent aller Schweizer Mediennutzenden überwiegend bis ausschliesslich konsumiert werden. Natürlich sind die meisten Inhalte knapp gehalten und damit zwangsläufig oberflächlich. Was oft nicht weiter schlimm ist; manchmal wollen wir bloss wissen, wer das Skirennen gewonnen hat. Doch es gibt auch Themen, die verlangen Tiefe – nicht, um eine Story in die Länge zu ziehen, sondern schlicht, um besser zu verstehen: die Welt, die Gesellschaft, uns selbst. Dazu tragen auch die meisten Artikel bei, die im Surprise Strassenmagazin erscheinen. Sie befassen sich mit Obdachlosigkeit, Armut, Ausgrenzung und Migration. Surprise 567/24

Wir widmen sozialen Themen nicht bloss deshalb mehr Zeit und Aufmerksamkeit, weil sie komplex sind. Ein genauerer Blick erscheint uns deshalb wichtig, weil wir ohne ein Verständnis der komplexen Zusammenhänge Gefahr laufen, immer alles durch dieselbe Brille zu sehen. Je knapper und zugespitzter der Zugang, desto verengter der Blick. Es ist kein Zufall, dass besonders von Obdachlosigkeit oder Armut betroffene Menschen in vielen Medienberichten bloss stellvertretend für gewisse soziale Probleme stehen – ihre persönliche Geschichte, das Komplexe und Widersprüchliche haben darin keinen Platz. Auf diese Weise lernen wir kaum etwas dazu, wir entwickeln weder Empathie noch eine kritische Haltung; im Gegenteil, früher oder später wird sich unsere Sicht auf diese Probleme bloss noch weiter verengen. Deshalb unterscheidet sich unser Strassenmagazin von vielen anderen Medienprodukten, wenn es um soziale Themen geht: Wir

Nachdem wir in den vergangenen Jahren gross angelegte Serien etwa über die IV, über Schulden sowie prekäre Jobs veröffentlichten, hat das Strassenmagazin den Surprise Recherchefonds eingerichtet (siehe Box). Dank diesem konnten wir eine 5-teilige Serie über Digitalisierung und Armut (ab Surprise 548) finanzieren sowie Artikel über Geburten in Schweizer Asylzentren (Surprise 544) und den Einsatz von Asylsuchenden als billige Arbeitskräfte (Surprise 562) verwirklichen. Weitere Recherchen sind bereits aufgegleist, und wir halten immer Ausschau nach wichtigen, umfangreichen Themen – Anregungen von unserer Leserschaft sind uns dabei stets willkommen. DIE REDAK TION

Surprise Recherchefonds Mit dem Surprise Recherchefonds ermöglichen wir Journalist*innen und Fotograf*innen mit Beiträgen von bis zu 3000 CHF mehr Zeit für Recherchen zu Obdachlosigkeit, Armut, Ausgrenzung und Migration. Spenden für den Recherchefonds mit entsprechendem Betreff können auf unser allgemeines Spendenkonto eingezahlt werden. Die Kontonummer finden Sie unten auf Seite 29. Medienschaffende bewerben sich zum 15. Februar / 15. Juni / 15. Oktober: surprise.ngo/recherchefonds

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Etwas nehmen, wie es ist Familie Einer hat Alzheimer und ist schwul. Einer ist manisch-depressiv. Und einer hat ein Kind mit Trisomie21. Die Brüder Schiegg aus Basel sprechen miteinander darüber, was für sie seit vielen Jahren Normalität ist. AUFGEZEICHNET VON SARA WINTER SAYILIR FOTOS LUCIA HUNZIKER

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SIMON: «Ich wäre gerne frei.»

Simon Schiegg, 61, singt im Surprise Strassenchor, verkauft seit Kurzem auch das Strassenmagazin. Es läuft gut, sagt er.

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Jochen: Simon ist zweieinhalb Jahre jünger als ich, der Stefan dreieinhalb. Ich war ziemlich schnell in der Entwicklung. Dann kam Simon. Bei ihm ging alles ein bisschen langsamer. Als Mutter wieder schwanger war, soll sie gesagt haben: «Ich hoffe, dass der Simon laufen kann, wenn das dritte Kind da ist, sodass ich nicht zwei Buschi habe.» Als Kinder hatten wir es gut. Der Vater war immer zu Hause, er hatte ein Grafikatelier, am Mittagstisch trafen sich alle. Manchmal hat er auch gekocht. Auch Mutter war Grafikerin, sie arbeiteten zusammen. Sie hat abends, wenn wir im Bett waren, klassische Musik gehört und gezeichnet und gemalt. Simon: Meine Langsamkeit, die ich jetzt auch noch habe, hatte schon immer mit meiner Verträumtheit zu tun. Ich war gern in meiner eigenen Welt und bin das immer noch ein bisschen. Die Eltern habe ich sehr unterschiedlich erlebt. Beide, würde ich sagen, liebevoll. Aber Mutter war mir gegenüber ziemlich streng. Sie hat versucht, mir Ordnung beizubringen, aber ich habe es nie gelernt. Der Vater war anders. Er hatte ganz spontane Ideen, war voller Kreativität, humorvoll und unternehmungslustig. Stefan: Ich war oft im Atelier, wir durften auch helfen. Manchmal hat der Vater gefragt, ob wir am Samstag oder so Zeit hätten. Es war ein ziemlich organisierter Haushalt. Wir hatten schon unsere Freiheit. Als Simon im Gymnasium war, in der siebten Klasse, da hat es begonnen. Der Lehrer rief an, weil Simon einen Vortrag halten sollte und einfach nicht in die Schule ging. Mein Vater brachte ihn dann hin. Im Nachhinein deute ich das als erstes Zeichen für seine spätere Erkrankung, ob ich es damals schon bewusst wahrgenommen habe, weiss ich nicht. Simon: Ich habe das ganze Leben bis jetzt damit Schwierigkeiten: Im Denken war ich immer relativ schnell, aber bei so rein praktischen und körperlichen Sachen war ich langsam. Je näher ich an die Matur kam, umso bedrückter und blockierter fühlte ich mich. Damals hatte ich wohl meine erste depressive Verstimmung. Auch im Militär musste alles schnell gehen. Ich war einfach überfordert. Das ging über meine Grenzen und ich hatte keine Energie mehr. Mit 20 fing es dann richtig an, mit einer Depression. Und dann hing ich praktisch nur zu Hause rum, ich wohnte noch bei den Eltern und wusste nicht, was ich machen soll. Ärztliche Hilfe oder Medikamente bekam ich damals noch keine. Stefan: Später hast du angefangen zu studieren, Sprachen und Theologie. Aber du hat nichts abgeschlossen, immer nur was anderes probiert. Und dann kam die Sache mit Hamburg. Simon: Ich habe dort ein weiteres Studium machen wollen, an der Fachhochschule für Diplom-Bibliothekare. Aber gegen Ende der Ausbildung, als ich mich schon angemeldet hatte für die Diplomprüfungen, bin ich Surprise 567/24


wieder erkrankt. Schliesslich landete ich in einer Klinik, dem Albertinen-Krankenhaus. Dort war ich über ein halbes Jahr. Anschliessend lebte ich noch ein weiteres Jahr in einer psychotherapeutischen Lebensgemeinschaft in der Nähe von Hamburg, in Itzehoe. Jochen: Damals rief mich unsere Mutter an. Sie sagte, der Simon sei in Hamburg in eine Klinik eingeliefert worden. Sie wolle hinfahren, ich solle mitkommen und alles stehen und liegen lassen. Sie war sehr aufgewühlt. Weil ich eine Ausbildung zum Psychiatriepfleger abgeschlossen hatte, wollte sie mich dabei haben. Also fuhr ich mit. Vor Ort wurde schnell klar, dass Simon noch eine Weile in der Klinik bleiben muss. Und dass er die Ausbildung nicht weiter machen kann. Simon: Ich lebte damals in einem Studentenwohnheim zwischen Aussenalster und Stadtpark. Das war eigentlich sehr nett. Bis ich jeden Morgen aufs Neue kämpfen musste, um aufzustehen und etwas an der Fachhochschule zu machen. Ich habe es einfach nicht mehr aus dem Bett geschafft. Zwei bis drei Mal wollte ich mir die Hosen anziehen. Und immer, wenn ich fast fertig war, dachte ich: Nein, ich schaffe es doch nicht. Dann zog ich mich wieder aus und legte mich ins Bett. Gegen Mittag bekam ich Hunger. Dann ass ich etwas in der Mensa. Das ging, aber für die Diplomprüfungen hatte ich keine Energie. Stattdessen holte ich mir leichte Krimis aus der Bibliothek. Ich wäre total vereinsamt, wäre da nicht Heinrich gewesen, ein Mitbewohner. Er studierte an der Hochschule für Wirtschaft und Politik. Heinrich merkte, dass es bei mir im Zimmer immer so still war und fragte immer wieder: Simon, komm, ich will einen Spaziergang machen. Willst du nicht mit? Er hat nie aufgehört zu fragen. Es ist wichtig, so jemanden in der Nähe zu haben, selbst wenn er nie ganz verstehen wird, wie es in demjenigen aussieht, der erkrankt ist. Jochen: Das hatte ich gar nicht so genau mitgekriegt mit deiner Depression. Ich nahm auch lange Antidepressiva. Wir haben das in der Familie. Simon: Und ich wusste nicht, dass du ebenfalls Antidepressiva genommen hast. Stefan: Jochen hat mir mal gesagt, er sei auch manchmal depressiv. Aber dass er Medikamente nahm, das wusste ich auch nicht. Jochen: Bei mir ist es komischerweise mit dem Alter besser geworden. Erst hat man das Medikament reduziert, dann auf ein anderes umgestellt, und jetzt, vor etwa einem halben Jahr, hat der Arzt mir geraten, ich solle es nicht mehr nehmen, und es ist gut so. Unser Grossvater mütterlicherseits, so wurde erzählt, war auch manisch-depressiv. Das hat ja auch einen Erbfaktor wie andere Krankheiten. Simon: Gott sei Dank habe ich seit über 20 Jahren nie wieder eine solche Depression gehabt wie damals in Hamburg. Aber ich habe durchschnittlich alle drei bis vier Jahre eine grössere und dazwischen so kleinere manische Phasen. Stefan: Es ist ein Problem, wenn du deine Medikamente nicht nimmst. Oft merke ich schon an der Stimme am Surprise 567/24

Telefon, wie du drauf bist. Besonders wenn du dich auf etwas freust, dann willst du es wirklich geniessen und nimmst die Medikamente nicht mehr. Und öfter kippt es dann eben über. Dann landest du in der Klinik, statt das zu machen, was du eigentlich willst. Jochen: Diese Medikamente dämpfen ja auch. In der Klinik, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, gab es ein Kunstatelier für die Patient*innen. Das ist ja eine eigene Kategorie: Art brut. Manche kamen kurz nach der Einlieferung in das Atelier. Parallel schluckten sie jeden Tag ihre Medikamente. Nach einer gewissen Zeit versiegten die Ideen. Ich konnte das sehen, das ist wirklich verrückt. Und das Kreative vermisst man dann wahrscheinlich auch. Simon: Mittlerweile habe ich einsehen müssen, dass es einfach nicht geht ohne Medikamente, vor allem ohne das Lithium. Doch bedeutet dies auch immer wieder eine gewisse persönliche Demütigung. Ich würde gerne frei leben, frei von Medikamenten und Psychiatrie.

JOCHEN: «Man weiss nie, was kommt.» Jochen: Als junger Mensch ging ich zum Psychiater, weil ich ein Problem damit hatte, dass ich schwul bin. Das war damals noch nicht so akzeptiert, und ich dachte, ich würde ein schreckliches Leben haben. Unser Vater hatte damit Probleme, als Mann. Darüber geredet wurde nicht. Erst als er an Krebs erkrankte, söhnten wir uns aus. Er starb früh, wurde nicht einmal sechzig. Erst viel später hat sich herausgestellt, dass unser Onkel, der Bruder meiner Mutter, ja auch schwul war! Es gibt ja verschiedene Theorien, woher das kommt, aber für mich ist die plausibelste, dass das halt auch einen Erbfaktor hat. So wie eine Depression: Entweder ist sie eine Reaktion auf etwas, oder das ist so in dir. Als ich meinen ersten richtigen Freund hatte, den Axel, und ihn der Familie vorgestellt hatte, merkte ich, dass das eigentlich gar nicht so ein Problem ist. Unser Vater war da allerdings schon verstorben. Und dann kam ja auch die ganze gesellschaftliche Öffnung. Stefan: Genau, an Axel kann ich mich gut erinnern. Und dann war da Alessandro. Den mochte ich. Aber ich empfinde den jetzt eher einfach als guten Freund. Simon: Manchmal hat Jochen mit seinen Freunden ganz lustige Abende gemacht, zum Beispiel mit einem Spiel, Dixit, wo man sehr viel Fantasie braucht. Es war so lustig, da waren etwa ein Dutzend Männer an diesem Spieleabend, ich war der einzige Heterosexuelle. Ich habe mich total wohl gefühlt. 11


Jochen: Mein Coming-Out hatte ich mit 19. Damals gab es ja noch nicht so Apps zur Partnersuche, aber es gab den Doppelstab, das war eine Gratiszeitung in Basel, und plötzlich standen darin so Inserate wie: Boy sucht Boy. Da musste man einen Brief mit einer Chiffrenummer mit Foto schicken. Das habe ich gemacht. Und tatsächlich kam eine Woche später ein Brief zurück mit einem Foto und einer Telefonnummer. Wir haben uns tatsächlich getraut und getroffen. Ich hatte schon Glück mit dem Ersten. Das weiss man ja nie. Ich merkte aber schnell, ich kann das irgendwie nicht, Beziehungen, mir ist das zu eng, ich glaube, ich brauche das nicht. Meine längste Beziehung dauerte zwei Jahre. Aber ich habe viele gute Freund*innen, ich singe im Chor, ich bin viel gereist und reise immer noch gern. Nur nicht mehr allein, das geht nicht mehr wegen der Krankheit. Stefan: Du hast sofort, als die Diagnose Alzheimer kam, offen kommuniziert. Andere machen ja ein Geheimnis drum. Für dich aber war das klar. Es ist wohl auch besser, wenn man weiss, woran man ist. Sonst denkt man, warum fragt er jetzt schon zum dritten Mal? Hält er mich für blöd? Jochen: Die Diagnose kam kurz vor meinem 60. Geburtstag, vor über drei Jahren. Aber vermutet hat man es schon länger. Ich habe das zuerst gar nicht gemerkt.

Jochen 12Schiegg, 64, ehemals Psychiatriepfleger, singt im Surprise Strassenchor. Gerade war er mit einer Freundin in Ägypten.

Es fing damit an, dass Freunde sagten, das hast du mir schon mal erzählt. Mit der Zeit fiel mir auf, dass ich Dinge nicht mehr finde. Dann kamen sehr viele Untersuchungen. Das war eigentlich die schlimmste Zeit. Diese Ungewissheit. Simon: Wenn ich mit dir, Jochen, am Nachmittag unterwegs bin und du mir schon zum dritten Mal die gleiche Frage stellst, die ich dir schon zweimal beantwortet habe, dann habe ich damit Mühe, weil ich von Natur aus nicht so ein geduldiger Mensch bin. Ich muss das einfach einüben, dass ich es so nehme, wie es ist. Und so geduldig wie möglich immer wieder die gleichen Antworten auf die gleichen Fragen geben, was mir zwar sehr schwerfällt, aber langsam auch besser wird. Jochen: Dazu muss ich noch sagen, dass mich das dann auch kränkt. Du wirst fast aggressiv. «Das habe ich dir schon einmal gesagt. Das hast du mich schon einmal gefragt.» Es ist doch eigentlich kein Aufwand. Aber das ist wohl das Zusammenspiel von Alzheimer und Manie. Simon: Ich kann schnell einen Ausdruck von jemandem anders interpretieren, als er eigentlich gemeint ist. Und bekomme häufig das Gefühl, jemand will sich mir gegenüber erheben oder ist unfreundlich. Jochen: Als unsere Mutter starb, waren wir drei schon ausgezogen. Stefan hatte ein Haus und Familie auf dem Land. Zufällig wurde mir damals meine Wohnung gekündigt. Da habe ich gesagt, ich würde schon ins Elternhaus ziehen, ich könnte ja auch mit Simon zusammenziehen. Stefan wies mich darauf hin, dass so ein Zusammenleben auch schwierig sein könnte. Simon: Ich habe schon ganz unterschiedliche Wohnformen probiert. Etwas vom Besten war, eine eigene Wohnung zu haben mit sogenannter ambulanter Wohnbegleitung. Das habe ich zweimal probiert. Es ist aber auch schnell wieder gescheitert, weil ich nicht konsequent genug meine Medikamente genommen habe. Mich frustriert, dass sowohl in der Klinik als auch im Wohnheim viele meiner Mitbewohner*innen nicht nur eine psychische Begrenzung haben, sondern häufig auch stark kognitiv eingeschränkt sind. Jochen: Ich gehe ab und zu mal bei Simon im Wohnheim Zmittag essen. Das Essen ist immer sehr gut und alle nett. Aber die meisten Leute, die ich dort kennengelernt habe, sind sehr eingeschränkt. Und immer mit ihnen zusammen zu leben, ist nicht einfach. Das möchte ich nicht. Ich habe viel mit Leuten mit psychischen Krankheiten gearbeitet, mit Suchtkranken und Aidskranken. Also zog ich damals allein ins Elternhaus und vermiete seitdem einzelne Zimmer unter. Simons Teil des Hauses haben wir ihm ausbezahlt. Stefan: Ich versuche, so alle drei Wochen bei dir vorbeizugehen, und schau dann, was dort alles rumliegt. Es wird immer chaotischer im Haus. Zum Beispiel nimmst du dir vor, das Büchergestell aufzuräumen. Und dann liegen wochenlang alle Bücher in der Stube und das Büchergestell ist leer. Dass du Untermieter hast, finde ich gut. So ist ab und zu mal jemand da. Surprise 567/24


Wobei du manchmal auch ein bisschen spezielle Menschen dort bei dir hast. Da mache ich mir manchmal auch Sorgen. Ich gehe eigentlich nicht davon aus, dass irgendjemand Profit aus deiner Lage schlagen wird. Aber man weiss es nicht. Da bin ich jetzt so ein bisschen am hin und her überlegen. Jochen: Stefan hat eine Vollmacht auf mein Konto. Ich vertraue ihm. Und ich bin froh, dass er ein bisschen schaut. Ich habe schon Rechnungen doppelt bezahlt. Ich muss mir alles in die Agenda schreiben. Dann schreibe ich noch für jeden Tag Zettel, was ich machen muss, wann und wie und wo. Zusätzlich schreibe ich auf, was ich noch machen könnte – das gibt mir ein bisschen Struktur. Wenn ich irgendwo hingehe, wo ich nicht mehrmals die Woche bin, kann ich auf Google Maps schauen. Das macht mir keine Angst mehr, ich habe mich daran gewöhnt. Allerdings werde ich manchmal auch wütend. Wenn ich irgendwo bin und nicht weiss, warum, und dann eine Viertelstunde herumsuche und es vielleicht trotzdem nicht finde. Am Abend kann ich dann wieder drüber lachen. Stefan: Es gibt verschiedene Arten von Beistandschaft. Für unseren Sohn Emanuel, der mit Trisomie21 auf die Welt kam, haben wir eine sogenannte Begleitbeistandschaft. Wenn er einen Vertrag unterschreibt, können wir den rückgängig machen. So was könnte ich mir auch für Jochen vorstellen, aber eben, man müsste es angehen. Die Angehörigen-Beratung von der Memory Clinic hat gesagt, es gäbe die Möglichkeit gemeinsam abzumachen, dass wir das ganze Administrative an jemand anderes abgeben und einfach so als Brüder zusammen sein können. Das würde auch für mich die ganze Sache vielleicht ein bisschen entspannen und entschärfen, dass ich weiss, da muss ich nicht auch noch schauen. Jochen: Ich mache keine grossen Pläne mehr. Ich bin viel allein gereist, das geht jetzt eigentlich nicht mehr. Das hatte auch damit zu tun, dass unser Vater so früh starb. Ich hatte damals viel mit ihm darüber geredet, was er alles gemacht hat. Und als er verstarb, hatte ich gedacht: Ja, man weiss nie, was kommt. Danach arbeitete ich nur noch 70 Prozent, um mehr Zeit für mich zu haben. Ich bin sehr dankbar, dass ich mir das so eingerichtet habe. Und diese Reisen gemacht habe. Vielleicht mache ich ein grösseres Geburtstagsfest mit guten Freunden und Bekannten, wenn ich 65 werde. Ob ich das dann wirklich mache, das weiss ich noch nicht. Ich bin ja niemandem zu was verpflichtet.

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Stefan Schiegg, 60, Lehrer am Gymnasium Muttenz, bezeichnet sich als eher rational denkend. Er hat Physik und Astronomie studiert.

STEFAN: «Wir finden einen Weg.» Stefan: Ich bin so ein bisschen der Einzelgänger-Typ, zurückhaltend. Im Nachhinein weiss ich nicht mehr so genau, wie das mit dem Kennenlernen funktioniert hat. Meine Frau Sibylle hat mich angesprochen, nicht ich sie. Ich war gehemmt. Wir haben zusammen Musik gemacht und uns auf einer Auslandreise näher kennengelernt. Ende der 1980er-Jahre sind wir zusammengekommen. Wir haben uns lange Zeit gelassen, rund zehn Jahre später dann geheiratet. Simon: Ich habe mich von mir aus auch nie jemandem genähert. Ich war immer sehr selbstkritisch. Sowohl in dem, was ich gemacht habe, als auch in dem, was ich beispielsweise zeichnete. Ich zeichne viel, bin auch in verschiedenen Kunstateliers beschäftigt gewesen. So mit 20, 25 Jahren hätte ich nie gedacht, dass es eine Frau geben könnte, die sich von meinem Äusseren her für mich interessieren würde. Darum liess ich das bleiben. 13


Stefan: Sibylle ist der Beziehungs- und Gefühlsmensch, ich der Kopfmensch. Das ist nicht immer einfach. Ich muss mir Mühe geben, um mich auch auf der emotionalen Ebene einzubringen. Das funktioniert nicht immer gleich gut, aber ich denke, wir sind daran, einen gangbaren Weg zu finden. Man sieht ja so viel im Umfeld, man kennt andere Familien und weiss, wie was funktionieren kann. Eine Beziehung nach 30 Jahren ist eben komplex, so wie man selbst auch. Man findet sich selber ja auch nicht immer gleich. Jochen: Ich bin eben nicht so der Beziehungsmensch. Als ich jung war, wollte ich Kinder, später nicht mehr. Simon aber ist der Pate von Emanuel, Stefans ältestem Sohn. Stefan: Aber du hast viel mit unseren Kindern unternommen. Sie gingen auch gerne zu dir. Anna, unsere Älteste, hat mal gesagt, du seiest ihr Lieblingsonkel. Klar, du hast auch etwas Jugendliches. Und ich denke, du warst halt auch grosszügig, wenn sie was wollten. Auch wenn du jetzt zu Besuch kommst, haben sie immer eine Freude. Emanuel freut sich sowieso immer riesig, generell, wenn Besuch kommt. Simon: Emanuel ist mit Down-Syndrom auf die Welt gekommen, aber wirklich leicht. Er ist selbständig, kann lesen, schreiben, halt mit Fehlern, aber man begreift, was er meint, was er will, und er kommt allein von zuhause in Baselland nach Basel und alles Mögliche. Und er ist musikalisch. Jochen: Ja, er spielt super gut Schlagzeug. Stefan: Unser Sohn ist jetzt 23. Ich sage jetzt ein dummes Wort, aber: Er ist fast normal. Also, er hat wohl Down-Syndrom und so seine Einschränkungen und Macken, aber wer hat die nicht? Er wohnt noch zu Hause und ist froh, wenn man ihn weckt am Morgen. Er will auch noch nicht ausziehen und hat gesagt: Mit 25 mache ich dann die Wohnschule. Ob er ganz alleine wohnen wird, weiss ich nicht. Auch wegen Ernährung und Handyverhalten. Und mit Geld umgehen, damit hat er Probleme. Emanuel geht zwar einkaufen, aber ob etwas 5 Franken kostet oder 50, macht für ihn keinen Unterschied. Er hat keine Beziehung zum Geld. Meine Frau macht die Buchhaltung für ihn. Ansonsten liest Emanuel Fahrpläne, er spricht gut, man versteht ihn, er findet sich zurecht. Seit zwei Jahren arbeitet er in Allschwil, dort beim Bachgraben in diesem neuen Quartier, bei einer Firma. Wir mussten mit ihm den Arbeitsweg zwei-, dreimal machen, damit er weiss, in welchen Bus er am Bahnhof umsteigen muss. Seitdem macht er das alleine. Er weiss sich zu helfen. Simon: Aus meiner Sicht ist es eine interessante Zusammenstellung mit Emanuels Trisomie 21 und meiner bipolaren Erkrankung. Emanuel hat schon sehr früh über seine eigene Erkrankung geredet, und wahrscheinlich weiss er auch etwas über meine Krankheit. Jochen: Aber du hast nie mit ihm drüber geredet, oder? Und ich weiss nicht, ob Stefan ihm das mal gesagt hat. Ob es überhaupt Sinn macht, dass er das weiss? 14

Simon: Wir haben sehr unterschiedliche Interessen: Fussball interessiert Emanuel sehr, er hat lange aktiv gespielt, und ist in einer Band. Ich bin eher der poetische Typ, der Texte schreibt und Zeichnungen macht. Aber wir haben ein grosses gemeinsames Hobby: «Tim und Struppi», wir lesen die Comics zusammen, in verteilten Rollen. Er ist Reporter Tim, und ich bin Kapitän Haddock. Wobei ich meistens nach zwölf Seiten aufgebe: Ich kann nicht mehr so gut lesen wie früher, das kommt auch durch die Medikamente. Ich kann mich nicht mehr so gut konzentrieren. Ich kann nur ganz leichte und kurze Sachen lesen. Jochen: Ich kann auch nicht mehr so lange lesen, so Bücher, Romane. Wenn ich in der Mitte bin, weiss ich nicht mehr, was am Anfang war. Stefan hat ja auch noch zwei Mädchen. Die mittlere Tochter, Anna, ist jetzt 19, ihr Traumberuf ist Hebamme. Sie ist clever und könnte auch studieren. Und die andere Tochter, Romina, wurde im Frühling konfirmiert, da waren wir alle eingeladen, sie ist eher ruhig, ja, cool. Stefan: Romina eifert jetzt ein bisschen der Älteren nach, sie machen viel zusammen, haben sogar lange im gleichen Zimmer geschlafen. Mit Emanuel kommen sie gut klar. Als Emanuel geboren wurde, im Jahr 2000, war das schon ein Einschnitt. Also für mich. Ich wusste nicht, wie das weitergehen soll. Ich hatte sehr düstere Gedanken. Aber wir hatten und haben ein tolles Umfeld. Mit meinem Schwiegervater hat sich Emanuel von klein an gut verstanden. Das war für uns eine Riesenentlastung. Aber am Anfang, gell, da liest du alle Bücher über Down-Syndrom. Stapelweise. Meine Frau hat irgendwann gesagt, komm, ich habe genug, ich lese gar nichts mehr, wir nehmen es so, wie es kommt. Wir mussten uns an vieles gewöhnen, was nicht so typisch schweizerisch ist. Emanuel setzt sich im Zug irgendwo hin, wo schon jemand ist und beginnt zu quatschen. Plötzlich kommt man mit wildfremden Leuten ins Gespräch. Ich frage mich manchmal, hm, was die Leute wohl denken. Aber ich glaube, mich nervt es wohl manchmal mehr als die anderen.

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Wie früher am Mittagstisch der Familie Schiegg tauschen die drei Brüder auch heute noch gern lustige Anekdoten aus.

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Verbrannte Kleider Fotoessay Chiles Wüste verwandelt sich in einen Mülleimer der Fast-Fashion-

Industrie. Unwirkliche Bilder von den Folgen unserer Konsumgesellschaft. FOTOS MAURICIO BUSTAMANTE

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TEXT THOMAS BYCZKOWSKI

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Der ungeheure Durchlauf von immer neuen Modetrends und Überproduktion führt zu Mülldeponien aus teils neuwertiger Ware wie hier in der AtacamaWüste. Was nicht abgelegt und vergessen in der Sonne schmort, wird auf Ad-hoc-Märkten weiterverwertet – weit jenseits der Laufstege und Boutiquen.

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Gleissende Sonne. Kein Schatten weit und breit. Rauch hängt in der Luft. Braian steht auf einer Anhöhe und sucht den Horizont ab. Seinen Nachnamen möchte er nicht nennen. Er zeigt auf einen Camion und rennt durch den Sand zur Strasse. Der Truck bringt Müll. Und Braian will ihn ausladen. So verdient er sein Geld: Er sortiert die Ladung, verkauft das Metall, den Rest fackelt er ab. In die Schlagzeilen kam die Gegend in Nord-Chile, als bekannt wurde, dass die weltweite Fast-Fashion-Industrie die Atacama-Wüste als Mülleimer benutzt. Bilder von Bergen neuer Kleider auf Wüstensand gingen um die Welt. Braian lebt am Rande einer offiziellen Müllkippe ein paar Kilometer ausserhalb von Alto Hospicio, einem Vorort von Iquique. Aber wo sind die Kleiderberge? Verschwunden, sagt er und grinst – er wisse wohin. Er fährt mit uns durch die Wüste, irgendwann ist Rauch zu sehen, es riecht nach verbanntem Plastik. Das seien die Reste der Kleiderberge, sagt Braian. Sie würden neuerdings verbrannt und häufig gleich per Bulldozer unter den Sand gekehrt. Selbst in Alto Hospicio könne man den Gestank manchmal kaum aushalten, sagt eine Verkäuferin auf dem Freiluftmarkt am Stadtrand. Sie möchte ihren Namen nicht verraten, aber erklärt uns das System: Ihre Familie kauft Kleiderballen im Hafen. Die gibt es in vier Qualitäten, die beste sind fast ausschliesslich Rückläufer oder Modelle vergangener Saisons der grossen Modeketten aus Europa, den USA oder China. Ihre Familie kauft die billigsten Ballen. Auf einer Plane sortieren sie eine halbe Tonne Mode Stück für Stück aus. Was sie nicht benötigen, lassen sie in die Wüste bringen. Was dort passiert, interessiert die Verkäuferin nicht. Das System funktioniert, weil Iquique eine Freihandelszone ist – keine Zölle, keine Fragen. Braian wühlt in der Wüste nach neuer Kleidung, zieht sich um und steht bald mit Jackett und sauberer Hose da. Besser als waschen, sagt er. Der 20-Jährige kommt eigentlich aus Bolivien. Alle paar Monate lässt er sich von einem Truck nach Iquique mitnehmen, um seine Mutter zu besuchen. Er wäscht sich und ruht sich ein paar Tage aus, bevor er sich wieder aufmacht. Seine Mutter hasst Braians Arbeit auf der Kippe. Für andere sei das hier Müll, er aber sieht das Geld, das darin steckt. Und vor allem hat er seine Ruhe, sagt er, dreht sich um und sucht am Horizont nach dem nächsten Camion.

MAURICIO BUSTAMANTE arbeitet als Fotojournalist seit 1996 in Hamburg, wo er u.a. für das Strassenmagazin Hinz&Kunzt fotografiert. Sein Ausstellungsprojekt «Entkoppelt» mit Porträts obdachloser Jugendlicher in Deutschland tourt seit November 2018 durch deutsche Bahnhöfe. mauriciobustamante.com

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Er ist 20 Jahre alt und kommt aus Bolivien. Dort hat er Frau und Kind verlassen, und nun lebt er auf der Mülldeponie in Chile vom Sortieren der entsorgten Kleider. Manchmal sieht er seine Mutter. Viel mehr will Braian nicht von sich preisgeben.

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Arm und krank Gesundheit Wer mit wenig Geld aufwächst, hat ein höheres Krankheitsrisiko. Dieses wird über Generationen weitergegeben – das zeigen Studien. Ansätze wie frühkindliche Förderung und die Stärkung der Gesundheitskompetenz sollen das ausgleichen. TEXT NATALIE AVANZINO

Welchen Einfluss hat die soziale Herkunft auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen? Diese Frage möchten Forscher*innen an der Hochschule für Heilpädagogik in Zürich auf die Spur kommen. Im Rahmen des bereits 2011 lancierten Langzeitforschungsprojekts ZEPPELIN (Zürcher Equity Präventionsprojekt Elternbeteiligung und Integration) geht die Entwicklungspsychologin Patsawee Rodcharoen der Frage nach, wie sich Frühförderung bei Kleinkindern in Familien mit hohen psychosozialen Belastungen auswirkt. Ihr Augenmerk liegt auf der «Methylierung», das ist ein biologischer Marker in der Epigenetik für frühkindlichen Stress. Was sich dahinter verbirgt, lässt sich in etwa so erklären: Stress löst bestimmte Körperreaktionen aus, der Mensch stellt sich auf Gefahr ein – und ist dadurch im ungünstigsten Fall ständig im Kampf- oder Fluchtmodus. Der Körper gewöhnt sich an diesen Zustand, was einerseits dazu führt, dass er dauerhaft weniger sensibel auf Stressreize reagiert. Andererseits erhöht dies offenbar das Risiko für Verhaltensauffälligkeiten, was wiederum die Bildungschancen und damit die Gesundheit längerfristig beeinträchtigt. Soweit die Theorie. Praktisch bietet die Fachstelle «Zeppelin – Familien startklar», die im Rahmen des Forschungsprojekts entstanden ist, das «Parents as teachers» (PAT) an - zu

deutsch «Mit Eltern lernen». Es soll belastete Familien unterstützen. Konkret besuchen PAT-Expert*innen teilnehmende Familien und versuchen gemeinsam das familiäre Wissen über kindliche Entwicklung zu fördern, was auch Rückmeldungen zu Einstellungen und Verhaltensweisen beinhaltet. Familie prägt Gesundheit «In der Zeppelin-Studie konnte unser Team belegen, dass durch die frühe Intervention in belasteten Familienkonstellationen die frühkindliche Methylierung geringer war», sagt Rodcharoen. Dies sei eine wichtige Erkenntnis, denn das Ausmass an emotionalem Stress sei eine relevante Einflussgrösse in der Kindheit. Diese würde entscheiden, wie gut Entwicklungsschritte bis ins Jugendalter gelingen. Die Fähigkeit zur Stressbewältigung und die Wahrnehmung der eigenen Selbstwirksamkeit wirkten sich entscheidend auf den Umgang mit kritischen Lebensphasen im Erwachsenenalter aus. Diese Faktoren beeinflussten auch, wie gut jemand seine Gesundheit erhalten könne. «Die generationenbezogene Weitergabe findet zudem nicht nur auf der Ebene der Methylierung beziehungsweise der Biologie statt, sondern ebenso auf der Ebene des Verhaltens, also etwa Erziehung und Gesundheitsverständnis, der Kognition – wie Überzeugungen und Einstellungen – sowie der Emotionen.»

Das Ausmass an emotionalem Stress entscheidet, wie gut Entwicklungsschritte bis ins Jugendalter gelingen. 22

Unter anderem der Soziologe Oliver Hümbelin am Departement Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule belegte bereits vor Jahren den Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Kindern und den familiären Verhältnissen, unter denen sie leben. In seinen Untersuchungen zeigten in Armut aufgewachsene Kinder ein erhöhtes Risiko für schädliche Einflüsse auf ihre Gesamtentwicklung; die damit einhergehenden Folgen sind gegebenenfalls lebenslange Auswirkungen auf die Gesundheit. Hümbelins Erkenntnissen liegt eine Befragung von Personen über fünfzig Jahren zugrunde. 22 Prozent der in Armut aufgewachsenen Personen leiden bereits im Alter ab fünfzig Jahren an schlechter Gesundheit, bei Personen mit einem hohen sozioökonomischen Hintergrund sind dies lediglich 7 Prozent. Rund 13 Prozent der Befragten, die in Armut aufwuchsen, sind im Alter in schlechter psychischer Verfassung, während es bei Wohlhabenden 6 Prozent sind. Hümbelins Studie konnte ferner aufzeigen, wie vielfältig die Auswirkungen von Armut auf die Gesundheit sind und dass die Wahrscheinlichkeit für einen schlechten Gesundheitszustand nach fünfzig umso höher ist, je länger ein Mangel an finanziellen Mitteln im Lebenslauf der Betroffenen andauert. Also definierten Forschende der Berner Fachhochschule hierzu folgende Handlungsfelder: Für eine nachhaltige Gesundheitsprävention muss die Bekämpfung von Familienarmut Priorität haben; bestimmte finanzielle Unterstützungsangebote sowie zusätzliche aufsuchende Programme wie beispielsweise das Frühförderungsprogramm «Zeppelin» gelten als Entlastungsmöglichkeit für betroffene Familien und erhöhen die Entwicklungschancen von Kindern; schliesslich müsse im Sinne einer inklusiven Gesellschaft der Fokus auf sozial benachteiligte Familien in der Gesamtpolitik verstärkt werden, und zwar über alle Lebensphasen hinweg. Surprise 567/24


Es ist also längst kein Geheimnis mehr, dass Personen, die Sozialhilfe beziehen, überdurchschnittlich häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen haben. Einerseits erschweren gesundheitliche Probleme eine Erwerbstätigkeit und andererseits haben Armut und die Begleiterscheinungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) publizierte 2021 einen Bericht zur Gesundheit von Armutsbetroffenen und speziell zu Personen, die Sozialhilfe beziehen. Auch hier kam heraus, dass Sozialhilfebezüger*innen über einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand verfügen als die Durchschnittsbevölkerung. Das gilt hinsichtlich ihrer subjektiven Gesundheitseinschätzung und in Bezug auf objektive Indikatoren wie chronische Erkrankungen, so zum Beispiel Atemwegserkrankungen oder Diabetes. Am stärksten ausgeprägt sind die Unterschiede bei psychischer Belastung, bei Depressionssymptomen und genereller Lebensunzufriedenheit. Überdurchschnittlich belastet Der schlechtere Allgemeinzustand von Sozialhilfebeziehenden zeigt sich auch daran, dass sie signifikant häufiger als die restliche Bevölkerung unter starken Schmerzen leiden, was mit einer erhöhten Medikamenteneinnahme (Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmittel) einhergeht. Gemäss Studie spielt auch hier mangelnde Gesundheitskompetenz eine grosse Rolle. Dazu zählt neben der Kenntnis des komplexen Gesundheitssystems die Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die eigene Gesundheit auswirken. So ist der Anteil von Sozialhilfebeziehenden, die übergewichtig sind, weniger Früchte und Gemüse essen, sich seltener körperlich betätigen und häufiger Tabak konsumieren, im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung höher. Keine solche Abweichung interessanterweise des Alkoholkonsums. Surprise 567/24

Sozialhilfebeziehende leiden signifikant häufiger als die restliche Bevölkerung unter starken Schmerzen.

Schliesslich konnte die BAG-Studie auch zeigen, dass Sozialhilfebeziehende bestimmte medizinische Leistungen weniger häufig in Anspruch nehmen als die Durchschnittsbevölkerung. So beanspruchen Sozialhilfebeziehende deutlich seltener Zahnarztleistungen; ferner ist der Anteil der betroffenen Frauen, die auf einen Gebärmutterhalsabstrich verzichten, doppelt so hoch wie in der weiblichen Restbevölkerung. Insgesamt zeigen diese Erhebungen, dass Menschen, die in Armut aufgewachsen sind bzw. unter prekären Bedingungen leben, ein deutlich erhöhtes Risiko für medizinische Unterversorgung aufweisen. Das hat zum einen freilich sehr naheliegende, nämlich finanzielle Gründe. Allerdings spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle, wie Sprachbarrieren, die Angst vor Stigmatisierung oder Scham – nicht bloss arm zu sein oder aus prekären sozialen Verhältnissen zu stammen, sondern arm und auch noch krank zu sein.

Im nächsten Surprise spricht Elena Gardini, Psychobiologin von der Universität Zürich, noch einmal detailliert über die Rolle der Epigenetik bei frühkindlichem Stress. Für die Zeppelin-Studie untersucht Gardini, wie sich belastende familiäre Verhältnisse auf die DNA auswirken.

Armut auf Höchststand Die Armut in der Schweiz steigt an, gab das Bundesamt für Statistik 2023 bekannt. Im Jahr 2021 waren 745 000 Menschen von Armut betroffen, davon 134 000 Kinder. Fast ein Fünftel der Menschen können für eine unerwartete Ausgabe von 2500 Franken wie eine Zahnarztrechnung nicht aufkommen. 157 000 Personen sind trotz Erwerbseinkommen von Armut betroffen, sie werden als Working Poor bezeichnet. Aufgrund der aktuellen Lebenskostenteuerung, etwa der stark steigenden Krankenkassenprämien und der weiter steigenden Miet- und Nebenkosten, sind derzeit noch mehr Menschen in finanziellen Notlagen. Caritas Schweiz schreibt auf ihrer Website, dass aktuell 1 ,25 Millionen Menschen in der Schweiz als armutsgefährdet gelten. Die Organisation fordert eine nationale Armutsstrategie. Dazu zählt sie existenzsichernde Löhne, kostengünstige Kinderbetreuung und bezahlbaren Wohnraum.

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FOTOS: OUT OF THE BOX

Folgenschwere Entscheidungen Kino Der Dokumentarfilm «Die Anhörung» lässt vier abgewiesene Asylbewerber*innen beim Termin im Staatssekretariats für Migration (SEM) ihre Rollen tauschen – und stellt damit das Schweizer Asylverfahren auf den Prüfstand. TEXT MONIKA BETTSCHEN

«Ich habe kaum Erinnerungen daran», antwortet ein Mitarbeiter des Staatssekretariats für Migration (SEM), als er aufgefordert wird, von seinem Vorstellungsgespräch zu erzählen. Später schiebt er nach, dass man ihm an einer realen Anhörung diese Erinnerungslücke vorwerfen könnte. Der junge Mann, der ihm gegenübersitzt, ist ein abgewiesener Asylsuchender aus Afghanistan. Zuvor haben sie dessen Anhörung, inklusive Dolmetscherin und Protokollführer, nachgestellt. Nun werden die Rollen getauscht: Jetzt ist es der SEM-Mitarbeiter, der auf dem Prüfstand steht, der glaubwürdig und widerspruchsfrei Rede und Antwort stehen muss, während der forschende Blick des Fragestellers auf 24

ihm ruht. Dies ist einer der Schlüsselmomente des Dokumentarfilms «Die Anhörung», für welchen die Regisseurin Lisa Gerig 2023 den Zürcher Filmpreis gewann und der nun auch im Wettbewerb um den Prix de Soleure steht. Das Machtverhältnis verschiebt sich dramatisch, was sich auch in der Körpersprache der Beteiligten spiegelt: auf der einen Seite plötzlich nervöse, fahrige Bewegungen, auf der anderen Seite wachsame Konzentration. Für diesen Film konnte Gerig vier abgewiesene Asylbewerber*innen sowie aktuelle und ehemalige Mitarbeitende des SEM davon überzeugen vor die Kamera zu treten, um Anhörungen möglichst realitätsnah für den Film Surprise 567/24


erneut zu durchleben. Die Beteiligten begegneten sich sogar jeweils zu Beginn der Gespräche zum ersten Mal. Eine Anhörung zu den Fluchtgründen bildet den Kern unseres Asylverfahrens, auf dessen Basis entschieden wird, ob der*die Beantragende bleiben kann oder abgewiesen wird. In der Schweiz werden diese Anhörungen von Mitarbeiter*innen des SEM durchgeführt. Sie sind nicht öffentlich, und so bietet der Dokumentarfilm nun die einzigartige Gelegenheit, sich von diesen Befragungen ein Bild zu machen. «Das SEM erfüllt einen öffentlichen Auftrag, also muss auch die Information der Öffentlichkeit über dessen Arbeit gewährleistet sein», sagt Gerig, die sich seit neun Jahren beim Solinetz Zürich, einem Verein, der sich für die Rechte und Würde von Geflüchteten einsetzt, engagiert. Die Freiwilligenorganisation bietet Geflüchteten zum Beispiel Deutschkurse an oder schafft Begegnungsmöglichkeiten, wozu auch Besuche von Menschen mit negativem Asylentscheid oder Sans Papiers in der Ausschaffungshaft gehören. In diesem Rahmen ist 2015 Gerigs Kurzdoku «Zaungespräche» über das Ausschaffungsgefängnis am Zürcher Flughafen entstanden.

Buch Es gibt viel zu staunen in Gianna Molinaris

zweitem Roman «Hinter der Hecke die Welt». Das liegt mehr an den Orten als an den Figuren. Nur noch vier Erwachsene, zwei Kinder und ein Hund bewohnen das Dorf. Es liegt in einem südlichen Land, ein gutes Stück entfernt von der Küste, wo die Büsche struppig sind und der Wind an den Dächern zehrt. Mit ihrem zweiten Roman «Hinter der Hecke die Welt» knüpft die Schweizer Autorin Gianna Molinari merklich an ihr Debüt «Hier ist noch alles möglich» (2018) über eine Fabrikwächterin und einen Wolf an. Erneut erinnern die weitläufigen Beschreibungen und Skizzen an einen Expeditionsbericht. Wieder tauchen Orte auf, die im Verschwinden begriffen sind. Abwechselnd sprechen jetzt zwei Erzählerinnen. Dora assistiert am Nordpol einer Meeresbiologin beim Sammeln von Sedimentproben. Ihre Ausflüge durch die eisigen Weiten entwickeln einen Sog auf Dora. Derweil schaut ihre Tochter Pina zuhause mit dem Vater zur Familienpension. Im Dorf klettert Pina mit Freund Lobo gern in einer Hecke herum. Mysteriös: Die Kinder wachsen nicht mehr, während die Hecke immer gigantischer wird. Nur ihretwegen reisen noch Gäste ins Dorf. Doch der «Heckentourismus» sorgt auch für Konflikte. Und dann verschwindet eins der Kinder. Getarnt als Roman, liest sich «Hinter der Hecke die Welt» im Grunde als Parabel und Essay über die Abwanderung aus strukturschwachen Regionen, die Klimaerwärmung und andere menschengemachte Desaster an den Erdkappen. Molinari vermisst Landschaften und Ökosysteme mit Sachkunde und Poesie gleichermassen. So heisst es etwa über den Lomossow-Rücken am Meeresgrund: «Ruderfusskrebse rudern und krebsen um ihn herum.» In der dominanten Umwelt verschwimmen die Figuren allerdings zu stark, und die Handlung verflüchtigt sich, bevor sie tiefer einsickern kann. Fast wie die ominöse Vogelfrau im schimmernden Federkleid, die eines Tages auf dem Velo an Pina vorbeirauscht. CÉLINE GR AF

FOTO: ZVG

Das Problem, sich erinnern zu müssen «Es geht darum, einerseits die Asylrelevanz zu prüfen, andererseits auch die Glaubhaftigkeit», antwortet eine andere SEM-Mitarbeiterin während des Rollentausches. Ihre Befragerin ist eine Transgender-Frau aus Indien, die wissen möchte, ob sie für ihre Anhörung hätte üben sollen. «Erzähl die Wahrheit, sei du selbst», habe ihre Anwältin gesagt. Doch nun frage sie sich, ob sie eine Strategie hätte bereithaben sollen. Und ob gute Geschichtenerzähler*innen die besseren Chancen hätten. Die SEM-Mitarbeiterin antwortet, dass Details die Glaubwürdigkeit erhöhen. Aber wie weiter, wenn eine asylsuchende Person eben nicht mehr bestimmte Einzelheiten der eigenen Biografie aus dem Gedächtnis abrufen kann? Zum Beispiel, weil er oder sie aufgrund der individuellen Bildung oder der kollektiven Erzähloder Erinnerungskultur nicht jene Informationen geben kann, nach denen gerade gefragt wird? Oder weil das sich Erinnernmüssen aufgrund traumatischer Erlebnisse Schwierigkeiten bereitet? «Ich möchte unbequeme Fragen auf den Tisch bringen, die den Prozess hinterfragen, denn durch das aktuelle politische Klima gerät das Recht auf Asyl zunehmend unter Druck», so Gerig. Bevor die eigentliche Anhörung beginnt, wird jede*r Asylsuchende über die Rechte und Pflichten informiert und darüber aufgeklärt, dass alle anwesenden Personen die Aussagen vertraulich behandeln müssen. Was auch bedeutet, dass diese nicht an die heimatlichen Behörden weitergeleitet werden. «Ich ermutige Sie daher, ohne Furcht zu sprechen», schicken die Befrager*innen jeweils voraus, um eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen. «Die Anhörung ist keine Strafe, sie ist eine Chance», sagt die SEM-Mitarbeiterin. Doch die Voraussetzungen, damit jemand diese Chance als solche wahrnehmen kann, scheinen nicht in jedem Fall gleich gegeben zu sein. Denn nicht jedem Menschen gelingt es an einer Anhörung, unter hohem psychischem Druck stehend konsistente Erinnerungen und Selbsterzählungen wiederzugeben. Wovon letztendlich abhängt, ob jemand ausgeschafft wird oder bleiben kann.

Wenn Welten verschwinden

Gianna Molinari: Hinter der Hecke die Welt Aufbau Verlag 2023

«Die Anhörung», Regie: Lisa Gerig, Dokumentarfilm, CH 2023, 81 Min. Läuft ab 25. Januar im Kino.

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BILD(1): DAVID EGGER, BILD(2): HEIDI ARENS, BILD(3): TRIGON FILM, BILD (4): ZUHÖREN SCHWEIZ, TABEA HÜBERLI

Veranstaltungen

Basel «Theresa Reiwer – Decoding Bias», Theater, Di/Mi, 30./31. Januar, und Do/Fr, 1./2. Februar, jeweils um 19, 20 und 21 Uhr, Kaserne Basel, kHaus Saal, Kasernenhof 8, 2. Stock. kaserne-basel.ch

Acht künstliche Intelligenzen laden zum Besuch ihrer Selbsthilfegruppe ein. Das Publikum sitzt inmitten von kreisförmig angeordneten Bildschirmen und wird so Teil der Runde. Die KIs haben ein wichtiges Anliegen: Sie möchten ihre diskriminierenden Algorithmen loswerden und toxische Programme umschreiben, um so das Fundament für eine Gesellschaft zu legen, in der Mensch und Maschine solidarisch miteinander leben können. Allerdings sind sie sich nicht immer einig und werden schmerzlich auf ihre menschengemachten, fehlerhaften Datensätze zurückgeworfen. Denn tatsächlich sind den Datensätzen, mit denen künstliche Intelligenzen lernen, Diskriminierung und Ausgrenzung, Rassismus und Sexismus oft bereits eingeschrieben, weil sie letztlich die Tendenzen unserer Gesellschaft reproduzieren. Auch im Feld der Kunstproduktionen kommt künstliche Intelligenz vermehrt zum Einsatz, zur Text-, Klang- oder Bildproduktion oder für komplexe Spielwelten. Die in Berlin lebende Medien- und Performancekünstlerin, Bühnen- und Kostümbildnerin Theresa Reiwer arbeitet in Decoding Bias mit den Visualisierungen einer Game Engine und eines Deep-Learning-Text-zu-Bild-Generators. Teile des Textes stammen von einem KI-Chatbot. Die Stimmen der Avatare basieren auf denen realer Schauspieler*innen, die Mimik und Gestik mittels Motion Capture ebenso, so dass die künstlichen Wesen uns gespenstisch nahe kommen. DIF

Zürich «Zueritopia», Theater, Do, 25. und Fr, 26. Januar und Do, 1. und Fr, 2. Februar, jeweils 20 Uhr, Maxim Theater, Ernastrasse 20. maximtheater.ch

Was passiert, wenn eine Gruppe von Menschen über den Zustand der Welt nachdenken, ihn zu ergründen versuchen und dabei auch zu träumen beginnen? Im Idealfall entstehen Utopien. Passiert dies zusätzlich in Zürich, wird daraus «Zueritopia». So heisst das

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neuste Stück des transkulturellen Maxim Theaters, einer Oase der Inklusion und Gleichheit. Allerdings bringt das neu gefundene Zueritopia einige Herausforderungen mit sich: Wie wird Diversität denn nun gelebt? Wie sind die Regeln, wenn Macht und der Kampf um Vorteile ins Spiel kommen? Grundlegende Fragen werden gestellt, wie: Können wir uns als Menschen noch im Einklang mit den Rhythmen der Natur bewegen? Wundersame Dinge geschehen in dieser Utopie. Man wandelt sich zu Naturelementen: Plötzlich ist da die Umweltpsychologin Frau Erde, die dem Herrn Baum begegnet, und der Frau Feuer, Frau Stein, Frau Berg und Frau Luft. Alle sind empfindlich bedroht durch die Umweltkatastrophe. Zueritopia, das ist: Poesie, Pflanzenlaute und Klagen aus der DIF Mitte der Erde.

Basel «Cinema Querfeld», Filmfestival, Fr, 2. bis So, 4. Februar, Gundeldingerfeld, Dornacherstrasse 192. www.cinema-querfeld.ch Zweimal schon erhielt das Filmfestival «Cinema Querfeld» eine Auszeichnung für seine integrationsfördernde Arbeit, im Februar findet nun die siebzehnte Ausgabe des Festivals mit ausgewählten Filmen aus aller Welt statt. Gezeigt werden vier Langspiel- und zwei Kurzfilme, und in allen geht es um Menschen, die alles aufbieten, um ihrem Leben auf fantasievolle Art Sinn, Halt und Würde abzutrotzen. Einer davon ist der Spielfilm Nezouh der syrischen Filmemacherin Soudade Kaadan: Die 14-jährige Zeina lebt mitten in Damaskus in einem zerbombten Viertel, aus dem alle geflohen sind. Ihr Vater beharrt eisern darauf, zu

bleiben, Hala, die Mutter, will den Ort hinter sich lassen. Doch dann reisst eine Bombe ein Loch in die Decke von Zeinas Zimmer. Sie sieht den freien Himmel und lernt den gleichaltrigen Amer kennen, der auf den Dächern ausharrt. DIF

Winterthur / Schaffhausen / Zürich «Tanz zur Tragödie», Theater, Sa, 27. und So, 28. Januar, Winterthur, Kellertheater, Marktgasse 53; Sa, 16. und So, 17. März, Zürich, Maxim Theater, Ernastrasse 20; Sa, 6. und So, 28. April, Schaffhausen, Haberhaus, Neustadt 51. rodi-kultur.ch Im Schatten historischer Ereignisse begleitet der «Tanz zur Tragödie» die Protagonistin Sofia durch die Zeit und Generationen: Zunächst als Vertriebene nach dem «Brand von Izmir» – im Griechischen «Katastrophe von Smyrna», der am Ende des griechisch-türkischen Krieges 1922 die armenischen und griechischen Viertel der kosmopolitischen Hafenstadt zerstörte. Später als Geduldete in Piräus, dann als Gastarbeiterin und schliesslich als junge, weltoffene Künstlerin, die ihren Träumen

folgt. Das Stück zeichnet den Weg einer migrierten Seele durch ein Stück Zeitgeschichte nach. Das musikalische Theaterstück liefert zudem eine Liebeserklärung an den Rembetiko, die Musik der Subkultur griechischer Elendsviertel nach der Katastrophe von Smyrna, die heute zur griechischen Identität gehört und 2017 zum WeltkulDIF turerbe erklärt wurde.

Basel «Ohren auf Reisen», Ausstellung, Mi, 31. Januar bis So, 21. April, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, erster Mi im Monat bis 20 Uhr, Museum der Kulturen Basel, Münsterplatz 20. mkb.ch/zuhoeren-schweiz.ch Klänge erinnern uns an Lebensereignisse und prägen das Gefühl von Zuhause-Sein. Aber was fällt denen akustisch auf, die in ein anderes Land, in eine neue Stadt ziehen? Und wie beeinflussen Geräusche das Vertrautsein mit einem Ort? «Ohren auf Reisen» ist ein Projekt der kulturellen Teilhabe für Jugendliche und Erwachsene aus unterschiedlichen Herkunftsländern; sie gestalten Audio-Collagen und Radiobeiträge. Beim Zuhören wird erfahrbar, wie sich Migration, Identität und Zugehörigkeit akustisch darstellen. Der Verein Zuhören Schweiz hat das Projekt initiiert. Er hat sich dem Ziel verschrieben, dem Zuhören den Status einer kulturellen Grundfertigkeit zu verleihen. Kein abwegiger Gedanke, denn auch Zugehörigkeit – es steckt ja schon im Wort drin – hat damit zu tun, gehört zu werden. Eröffnungsevent am Di, 30. Jan., 18.30 bis 20.30 Uhr mit einer Live-Sendung von Radio X, in der die Beteiligten einen Einblick in den Entstehungsprozess der Hörbeiträge geben. DIF

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geben wird, ist nicht ganz klar. Ein Hotel soll es wieder geben, vor dem ehemaligen Eingang warten noch immer die Taxis und Essenskuriere. Die obligaten Miet-Roller und -Velos stehen im Weg, aber das Publikum hier ist deutlich gelassener und entspannter als in der Innenstadt. Sogar an den Tischen vor einem weiteren Kaffee-Anbieter sitzt man draussen, plaudert und raucht, trotz eher frischen Temperaturen trifft sich eine ausgelassene Runde gut gekleideter Männer und Frauen in den Dreissigern zur Pre-Shopping-HappyHour. An einem anderen Tischchen dirigiert ein etwas älterer Mann mit Bierdose ein imaginäres Orchester.

Tour de Suisse

Pörtner in Oerlikon Surprise-Standorte: Coop Pronto / Neumarkt Einwohner*innen (Quartier Oerlikon): 24 119 Anteil Ausländer*innen in Prozent: 34,7 Sozialhilfequote in Prozent: 4,5 Höchster Anteil nicht-deutscher Sprache: Albanisch

Der einst enge und meist überfüllte Untergrund des Bahnhofs Oerlikon wurde umfassend renoviert. Wo man sich früher durch enge, dunkle Betonkanäle drängte, begrüsst einen nun helles Plexiglas, zumindest am Eingang. Der Untergrund wurde um das übliche Bahnhofs-Konsumangebot erweitert: Bücher, Lebensmittel, Smartphones und Kaffee. Viel, viel Kaffee. Nicht weniger als drei verschiedene Anbieter auf wenigen Metern, daneben noch einer für Tee. Kein normaler Tee natürlich, sondern wie angeschrieben: moderner Tee, wahrscheinlich etwas auf der süssen Seite. Schlangen bilden sich vor den beiden Geldautomaten, es ist kurz vor den Feiertagen und auf Bargeld ist immer noch Verlass. Taucht man wieder auf – auch die Möglichkeit, direkt ins Einkaufszentrum zu gelangen, einst ein vergessener, schmutSurprise 567/24

ziger Schleichweg, erstrahlt in neuem Glanz –, schaut man auf nun grünes Plexiglas, das den oberen Teil des Bahnhofs umgibt. Das eigentlich imposante alte Bahnhofsgebäude wirkt fast ein wenig verloren, aber es hält die Stellung. Bedrängt wurde es schon früher von den umliegenden Hochhäusern, die einst noch moderner waren als Tee. Jenes, das ein bekanntes Hotel beherbergte, ist eingerüstet und dient als Werbefläche für das in der Nähe spielende Musical «The Lion King», das schon jeder Mensch auf dieser Erde mindestens zwei Mal gesehen hat. Die Holzumzäunung der Baustelle ist in einem hübschen Blau gehalten, darauf gefordert wird eine Elternprüfung. Darüber werben zwei lachende Frauen unter dem Logo Mama Shelter für den Umbau und die Umnutzung des Gebäudes. Ob es speziellen Wohnraum für alleinstehende Mütter

Das Einkaufszentrum Neumarkt ist gut besucht, neben den vom Fast-Food-Lokal angezogenen Jugendlichen sind es vor allem Frauen mit Kindern, die hineinströmen. Grosser Beliebtheit erfreut sich in Oerlikon das Postiwägeli, nicht etwa nur bei alten Menschen, auch junge, bärtige Männer werden damit gesichtet. Im Einkaufszentrum verabschiedet sich, nicht ganz verwunderlich, der CaféBetreiber, die Konkurrenz rundherum war einfach zu gross. Auch im obersten Stock sind die Mieter*innen ausgezogen, 350 m² Fläche sind zu haben. Noch hält sich das Restaurant, in dem die Kundschaft teils zwischen Lift und Rolltreppe sitzt, aber auch die Möglichkeit hat, sich auf eine für kurze Zeit in Sonne getauchte Terrasse zurückzuziehen, wo umgeben von hohen Häusern vom ganzen Trubel nichts zu spüren ist.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

Fäh & Stalder GmbH, Muttenz

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Hypnose Punkt, Jegenstorf

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Unterwegs GmbH, Aarau

04

Infopower GmbH, Zürich

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Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich

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Büro Dudler, Raum- und Verkehrsplanung, Biel

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Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich

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www.raeber-treuhand.ch

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Beo Treuhand GmbH

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Automation Partner AG, Rheinau

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Hervorragend.ch/Grusskartenshop

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Barth Real AG

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Sternenhof, Leben und Wohnen im Alter, Basel

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Farner’s Agrarhandel, Oberstammheim

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Inosmart Consulting GmbH

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EVA näht: www.naehgut.ch

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Gemeinnützige Frauen, Aarau

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Flowscope GmbH, Biglen

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IceFishing.ch

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Lebensraum Interlaken GmbH

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Madlen Blösch, Geld & so.

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Scherrer + Partner GmbH

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SISPROCOM GmbH, Zürich

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Wag Genossenschaft, www.wag-buelach.ch

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Kaiser Software GmbH, Bern

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag (max. 40 Zeichen inkl. Leerzeichen). Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Aleksandra Bruni Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 52 I marketing@surprise.ngo

GEMEINSAM SCHAFFEN WIR CHANCEN Nicht alle haben die gleichen Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund bietet Surprise individuell ausgestaltete Teilzeitstellen in Basel, Bern und Zürich an – sogenannte Chancenarbeitsplätze. Aktuell beschäftigt Surprise acht Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt in einem Chancenarbeitsplatz. Dabei entwickeln sie ihre persönlichen und sozialen Ressourcen weiter und erproben neue berufliche Fähigkeiten. Von unseren Sozialarbeiter*innen werden sie stets eng begleitet. So erarbeiteten sich die Chancenarbeitsplatz-Mitarbeiter*innen neue Perspektiven und eine stabile Lebensgrundlage. Einer von ihnen ist Negussie Weldai «In meinem Alter und mit meiner Fluchtgeschichte habe ich schlechte Chancen auf dem 1. Arbeitsmarkt. Darum bin ich froh, bei Surprise eine Festanstellung gefunden zu haben. Hier verantworte ich etwa die Heftausgabe oder übernehme diverse Übersetzungsarbeiten. Mit dieser Anstellung ging ein grosser Wunsch in Erfüllung: Meinen Lebensunterhalt wieder selbst und ohne fremde Hilfe verdienen zu können.»

Schaffen Sie echte Chancen und unterstützen Sie das unabhängige Förderprogramm «Chancenarbeitsplatz» mit einer Spende. Mit einer Spende von 5000 Franken stellen Sie die Sozial- und Fachbegleitung einer Person für ein Jahr lang sicher. Unterstützungsmöglichkeiten: 1 Jahr CHF 5000.– ½ Jahr CHF 2500.– ¼ Jahr CHF 1250.– 1 Monat CHF 420.– Oder mit einem Betrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: Surprise, 4051 Basel IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Vermerk: Chance Oder Einzahlungsschein bestellen: +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo oder surprise.ngo/spenden nk n Da liche chtigen z r e H i ren w für Ih Beitrag!


Wir alle sind Surprise #561: «Online-Dating ist diskriminierend»

«Super» Danke für das grossartige Interview mit Johanna Lisa Degen! Super! ANDRI BÄNZIGER, ohne Ort

#564: Von Herzen

«Kann ich bloss bestätigen» Immer wieder kaufe ich mir «Surprise», und das Adventsheft überzeugte mich besonders: gut gemacht – wie meist! Namentlich der Beitrag zum 8. Dezember fand ich sehr träf und spannend geschrieben – plus akkurat, da ich selber vier Jahre in Tirana gelebt habe. Ich kann die im Editorial erwähnte «selbstverständliche Koexistenz der Religionen» in Albanien bloss bestätigen – und wie oftmals «der Blick von aussen» auf Südosteuropa «undifferenziert» ist (es beginnt beim von Ihnen verwendeten Begriff «Balkan», der eben falsche Bilder auslöst). Im Weiteren bin ich mit dem Leserbriefschreiber (unter dem Titel «Für mich ist das alles negativ») gar nicht einverstanden: Ich selber finde, dass es der Surprise-Redaktion immer wieder recht gut gelingt, ihre Kernthemen Armut und Ausgrenzung neu und spannend rüberzubringen! So fand ich auch die Fotoreportage des Schlafplatzes eines Obdachlosen von Hans Peter Jost meine Gedanken anregend, gerade weil kein Mensch gezeigt wurde ... DANIEL ZÜST, Bern

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Beundenfeldstrasse 57, 3013 Bern T +41 31 332 53 93 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 43 321 28 78 M+41 79 797 94 10 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Sara Winter Sayilir (win) Diana Frei (dif), Klaus Petrus (kp), Lea Stuber (lea) T +41 61 564 90 70 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

Surprise 567/24

Das mit dem Adventskalender finde ich eine super Idee. Herzlichen Dank! M.-A . THOMPSON, ohne Ort

«Weiterkämpfen» Den Brief von Jürg Hauri (in dem die allzu negative Berichterstattung im Surprise bemängelt wurde, Anm. d. Red.) hätte ich grossenteils auch schreiben wollen. Ihre Anmerkung dazu kann ich gut nachvollziehen. Ein Dilemma besteht, unausweichlich. Weiterkämpfen, immer wieder, so gut wie möglich! ULRICH PLUESS, Burgdorf

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel

«Dank»

Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Christina Baeriswyl, Dina Hungerbühler, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Natalie Avanzino, Mauricio Bustamante, Thomas Byczkowski, Manfred Goak, Céline Graf, Heini Hassler, Lucia Hunziker, Adelina Lahr Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 26 900

Ich möchte Surprise abonnieren Das Abonnement ist für jene Personen gedacht, die keinen Zugang zum Heftverkauf auf der Strasse haben. Alle Preise inklusive Versandkosten.

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FOTO: APROPOS

Internationales Verkäufer*innen-Porträt

«Keine Zeit mehr für Blödsinn» Costel Barbu wurde am 10. Februar 1962 in Craiova, einer Stadt im südlichen Rumänien, geboren. Nach acht Jahren Schule, einer Lehre und dem Militärdienst war er dort in einer grossen Fabrik beschäftigt. Dann kam im Dezember 1989 die politische Wende: Demonstrationen, Unruhen und blutige Kämpfe führten zum Sturz des rumänischen Diktators Nicolae Ceau escu. Wirtschaftlich bedeutete das den vorübergehenden Niedergang des Landes. Auch Barbu verlor seinen Job, er bezog ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Danach stand er ohne Einkommen da. Sein Bruder Ionel war bereits nach Salzburg ausgewandert und überredete Barbu im Jahr 2005, ebenfalls nach Österreich zu kommen. Eigentlich wollte Barbu sein geliebtes Rumänien unter keinen Umständen verlassen, doch er wollte auch die Hochzeiten seiner beiden Töchter finanzieren können und brauchte daher Geld. So kam er zunächst für ein Jahr nach Österreich. «Daraus sind inzwischen 18 Jahre geworden», sagt Barbu mit einem Lachen. Salzburg ist seine zweite Heimat geworden. Er mag die Schönheit der Stadt und schätzt die Freundlichkeit und den Respekt, den ihm die Menschen entgegenbringen. «Die Österreicher wirken oft kühl und ernsthaft, aber sie haben das Herz am rechten Fleck!» Barbu erzählt gerne über die Begegnungen mit den Leuten, die bei ihm das Strassenmagazin Apropos kaufen, die weniger erfreulichen Erlebnisse behält er für sich – bis auf eines, das ihn bis heute beschäftigt: Während der Corona-Pandemie stand er jeden Tag mit Maske und Handschuhen an seinem Verkaufsplatz. Woraufhin ihn eine Frau bei der Polizei anzeigte, die er vom Sehen kannte, die aber nie eine Zeitung bei ihm gekauft hatte. Einen Monat lang durfte Barbu deshalb nicht arbeiten. Weil er keine Zeitungen verkaufen konnte, hatte er auch kein Einkommen. Überleben konnte Barbu damals nur, weil ihm seine Töchter Geld aus Rumänien schickten. «In jedem Wald gibt es dürre Äste», meint Barbu dazu. Das unhöfliche Verhalten mancher Menschen und der Mangel an guten Manieren ärgert ihn. Aber er versucht, diese trüben Gedanken so schnell wie möglich wegzuscheuchen. «Mit 62 Jahren hat man für solchen Blödsinn keine Zeit mehr!» Barbu ist es wichtig, die positiven Erfahrungen herauszuheben und dem Negativen nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Die Freundlichkeit der Mitarbeitenden des Sparmarkts Itzling – seit vielen Jahren sein Verkaufsplatz – und die Höflichkeit seiner Kunden sind ihm das Wichtigste. Viele von ihnen sind ihm inzwischen ans Herz gewachsen, und er fühlt sich ihnen freundschaftlich verbunden. Etwa drei Jahre will Barbu seiner Arbeit als Strassenzeitungsverkäufer noch nachgehen. Dann ist er 65 Jahre alt. Seine Pension möchte er in Rumänien geniessen, er hofft auf eine Rente, die zum Überleben ausreicht. «Viele ältere Menschen 30

Costel Barbu, 62, verkauft die Strassenzeitung Apropos in Salzburg und freut sich auf die Zeit als Rentner in seinem Heimatdorf in Rumänien.

bei uns in Rumänien sind arm und können sich kaum das Nötigste leisten.» Sein Vater hat ihm das Elternhaus in einem kleinen Dorf in der Nähe vor Craiova vermacht. Dazu gehört ein kleiner Hof, dort möchte Barbu Obst und Gemüse anpflanzen und auf dem Markt verkaufen. «In den Dörfern ist es ruhig. Die Jungen sind weggegangen und nur die Alten sind geblieben.» Das wird eine grosse Umstellung zu seinem jetzigen Leben in Salzburg sein, dessen ist sich Barbu bewusst. Aber noch ist es nicht soweit. Noch wird Barbu in Salzburg bleiben und 2025 hoffentlich sein zwanzigjähriges Jubiläum bei Apropos feiern. Auf dieses Ereignis freut sich Barbu sehr – und hofft insgeheim, dann auf der Titelseite der Strassenzeitung abgebildet zu sein. «Wenn nicht dann, wann dann?», fragt er mit einem Augenzwinkern.

Aufgezeichnet von MANFRED GOAK Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von APROPOS / INSP.NGO

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BETEILIGTE CAFÉS

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise

Bild: Marc Bachmann

Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren.

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