2 minute read

Moumouni

… im Sommerloch

Ich sitze in einem Kaffeehaus in Wien und versuche mich daran zu erinnern, wie man hier nochmal Kaffee bestellt. Heisst ja alles anders hier. Melange oder sowas. Ein paar Seiten in dem Buch, das ich schon lang lesen wollte, und dann vielleicht nochmal einen Espresso? «Kleiner Brauner» heisst das hier – so sehr bin ich wohl doch noch nicht in den Ferien angekommen, dass ich das über die Lippen bekomme und auf original Wienerisch bestellen kann. Ich muss entweder an Nazis oder an unangebrachte weisse Kosenamen für Schwarze Liebhaber*innen oder Kinder denken. Dieses zwanghafte «Ich bin Vanille, du bist Schoko», aus dem man ein Leben lang nicht rauskommt. Bis man dann einfach mal auf den Tisch haut und sagt: «Wieso muss ich dein Schokobär sein? Kann ich nicht auch ein Schatz, Honig oder sogar eine Erdbeere sein, kannst du nicht einmal aufhören meine Hautfarbe immer so komisch eklig ins Zentrum zu rücken?» Ich schweife ab. Ich wollte ja Ferien machen. Es ist egal, wie viel Uhr es ist. Endlich. Eine automatische Mailantwort, eine Person, die für mich im Notfall antwortet oder mich benachrichtigt, all das: Luxus. Und einen Marillenknödel, was will man mehr?

Nach drei Tagen Österreich ist das FakeBayrisch aus meiner Jugend wieder zurück. Noch nicht so konsequent, ab und zu rutscht mir was Schweizerdeutsches mit diffus österreichischbayrischer Melodie heraus. Aber des is wurscht, ich bin im Urlaub, woast, endlich Ferien vom ständig Überlegen, was ich wie sage.

Meine Mama ruft an, einer der Onkel habe die 1.AugustRede, die auf der SRFSeite erschienen ist, megaschlimm gefunden. Ich hatte den Text kurz vor den Ferien noch abgeschickt und war dann abgedüst, sodass ich weder die Kommentare noch den 1. August selbst mitbekam. Der Onkel erreiche mich nicht, um mir gehörig die Meinung zu sagen. Zum Glück habe ich mein Handy erst verlegt und dann verloren. In der Rede steht etwas Nebensätzliches zu Frauenmorden in der Schweiz, ich finde es einfach so krass, dass die Schweiz im europäischen Vergleich so schlecht dasteht, deshalb muss ich das so oft überall wiederholen, ob man es hören will oder nicht. Der Onkel wollte es nicht hören und sagt meiner Mama, Ausländer seien die wahren Mörder, und zitiert dann wohl irgendeine AfDStatistik, die weder stimmt noch Sinn macht. Ich rege mich auf und wieder ab. Habe ja Ferien, also mache ich es wie das Meer.

Als ich kurz darauf tatsächlich am Meer bin, kreisen meine Gedanken darum, wieso ich in meinen Ferien keine Interviews über die Haare von weissen Reggaekünstler*innen geben muss. Oder ob ich nicht doch sollte. Müde Journis mit faulen Fragen. Kommen weisse Rastas durchs Nadelöhr? Dürfen Weisse dies und dürfen sie das? Ist das nicht Rassismus? Wir haben uns in der Redaktion gefragt, ob sie uns erklären könnten, um was es geht, Frau Mamouni? Frau Mamoudi, haben Sie Lust, Ihre Urlaubszeit zu opfern, um über eine Band nachzudenken, die der Kritik wegen kultureller Aneignung zum Trotz oder aus weiterer Ignoranz beim Sommerfest der Weltwoche auftritt? Ich beschliesse, dass ich bei 32 Grad und schmelzender Ferienzeit lieber schweige und mir vorstelle, wie unglaublich witzig es wäre, wenn sich SVPler Dreadlocks als Widerstandssymbol gegen die sogenannte «political correctness» aneignen würden. Nur zu! ONE LOVE!

FATIMA MOUMOUNI

kann allen empfehlen, ihr Handy in den Ferien zu verlieren.