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Strassenmagazin Nr. 526 3. bis 16. Juni 2022

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkäufer*innen

Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass

Arbeitswelt

Kein Scheissjob Irgendwo muss hin, was wir täglich das WC hinunterspülen. Besuch in einer Kläranlage. Seite 8


SURPRISE STRASSENFUSSBALL-

LIGA 2022

So 29. Mai, 11–17 Uhr Schützi, Olten Sa 18. Juni, 11–17 Uhr Kaserne, Basel Weitere Turniere in Luzern und Winterthur – Mehr Infos auf surprise.ngo/strassenfussballl Unterstützt durch:

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I BE R VO M M ND T ! U MI KO E BL JU


TITELBILD: DANIEL SUTTER

Editorial

Damit das geklärt ist Ich weiss, wo ich zum ersten Mal den gesammelten Ausscheidungen der Stadt Zürich begegnet bin. Es war 2016 im Löwenbräu, wo sich anlässlich der Kunstausstellung Manifesta die zeitgenössische Kunst tummelte. Der Künstler Mike Bouchet verstand die Exkremente als eindrückliches Gemeinschaftswerk aller Zürcher*innen. In enger Zusammenarbeit mit der städtischen Wasseraufbereitungsanlage fertigte Bouchet einen riesigen Quader aus Fäkalien und Klärschlamm, der mit einem Gewicht von achtzig Tonnen der durchschnittlichen täglichen Klärschlammproduktion der Stadt entspricht. Der Fachmann, der in der konkreten Umsetzung mit dem Künstler zusammenarbeitete, war der Verfahrensingenieur des Klärwerks Werdhölzli, also der Anlage, die auf unserem Cover zu sehen ist. Die Manifesta stand unter dem Leitsatz «What People Do for Money». Nun, sie entsorgen zum Beispiel eben unsere Ausscheidungen. Das ist kein Prestige-Job,

Jugendkriminalität 14 Corona

Durch die Maschen gefallen 17 «Jetzt geht es darum,

nachhaltige Lösungen zu finden»

8 Serie: Die Unsichtbaren

«Ein schöner, abwechslungsreicher Job» Surprise 526/22

DIANA FREI

Redaktorin

22 Graphic Novel

7 Die Sozialzahl

Gefragte Arbeit, tiefe Löhne: ein Paradox?

Das, was Bouchet in das Zentrum des Interesses stellte, ist nichts anderes als die Manifestation gesellschaftlich ausgelagerter Arbeit. Ich habe nun eine Vorstellung davon, wie viel das ist. Es füllte einen ganzen Ausstellungsraum.

Mietvertrag gelten für alle»

5 Was bedeutet eigentlich …?

Abfall

Unser Reporter hat die Kläranlage nicht besucht, um Missstände bei den Arbeitsbedingungen zu untersuchen. Er begab sich vielmehr an einen Ort , der sinnbildlich für das Prinzip der Auslagerung dessen steht, was erst mal einfach Dreck und unangenehmer Arbeitsinhalt ist. Interessant auch, dass hier ein paar Wahrheiten wieder zutage treten, die andernorts gern verdrängt werden. So sind sowohl Kokainkonsum als auch Corona-Infektionen im Abwasser messbar.

21 «Die Rechte aus dem

4 Aufgelesen

6 Verkäufer*innenkolumne

er reiht sich ein in die ausgelagerten Berufe, denen wir in unserer Serie «Die Unsichtbaren» zurzeit nachgehen: im aktuellen Heft ab Seite 8.

Wenn die Schnürlischrift wegbleibt

Gefangen im Teufelskreis

27 Tour de Suisse

Pörtner am Aeschenplatz in Basel 28 SurPlus Positive Firmen

24 Kunstbuchmesse 29 Wir alle sind Surprise «Ich plädiere immer Impressum dafür, Welten Surprise abonnieren zusammenzubringen» 25 Buch

18 Obdachlosigkeit

26 Veranstaltungen

Apokalyptisches Szenario

30 Surprise-Porträt

«Ich wollte ein freies Leben»

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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Bezahlte Strafen

Hafttage aufgelöst

Personen freigekauft

Wer sein Strafgeld wegen Fahrens ohne Ticket nicht bezahlen kann, landet im Gefängnis. Im Zuge einer gemeinsamen Recherche des «ZDF Magazin Royale» mit Fernsehsatiriker Jan Böhmermann und der Onlineplattform «Frag den Staat» förderte die Berliner Initiative Freiheitsfonds zutage, dass in Deutschland im Juli 2021 geschätzt 850 Menschen eine derartige Strafe absassen. Seit Anfang Dezember 2021 bis diesen Mai sammelte nun der Freiheitsfonds mehr als 370 000 Euro Spenden ein und konnte damit die Geldbussen von über 340 Betroffenen übernehmen. Rund 4 Millionen Euro Haftkosten wurden so eingespart. Ohne Fahrschein mit Bus, Tram oder Bahn zu fahren, gilt in Deutschland als Straftat. Grundlage dafür ist Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs «Erschleichen von Leistungen» – ein 1935 eingeführter Straftatbestand, mit dem die Nazis einen damals gängigen Automatenbetrug stoppen wollten. Bestraft werde heutzutage allerdings kein klassischer Betrug, argumentieren die Initiator*innen des Freiheitsfonds. Wer kein Geld für ein Ticket habe, der könne auch keine höhere Strafe zahlen. Die Initiative verweist zudem auf eine Studie, der zufolge fast ausschliesslich Menschen mit wenig Geld hinter Gittern landen: 87 Prozent der Inhaftierten waren arbeitslos, mehr als jede*r Siebte hatte keinen festen Wohnsitz.

Kosten gespart HINZ & KUNZT, HAMBURG

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QUELLE: FREIHEITSFONDS.DE, GRAFIK: BODARA GMBH

Euro gespart

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Wem gehört Österreich? Etwa die Hälfte der österreichischen Bevölkerung besitzt Grund und Boden. Im Grundbuch sind 11 Millionen Grundstücke und 20 Millionen Eigentümer*innen verzeichnet, aufgrund von Doppelzählungen ist eine statistische Zuordnung von Eigentum zu einzelnen Personen oder Institutionen nicht möglich. Folgende Reihung basiert auf Schätzungen und Hochrechnungen: 1 2 3 4

5 6

7

Republik Österreich (Bundesforste) Katholische Kirche Stadt Wien Stiftungen Esterhazy (10% des Burgenlandes) Alpenverein Familie Mayer-Melnhof-Saurau (1859 geadelte Unternehmerfamilie mit Schlössern in Salzburg und in der Steiermark) Benediktinerstift Admont (besitzt ca. 25 000 ha Land)

BODO, BOCHUM/DORTMUND

Was bedeutet eigentlich …?

Jugendkriminalität Straftaten im Jugendalter sind weit verbreitet. Allerdings handelt es sich meist um Bagatelldelikte. Die Taten werden oft spontan und in Gruppen begangen, der wirtschaftliche Schaden ist gering. Nur wenige Jugendliche (ca. 6 Prozent) begehen viele und schwerwiegende Delikte. Diese gelten als kriminalpolitische Problemgruppe. Die Anzahl verurteilter Jugendlicher nahm in der Schweiz nach 2009 ab. In den letzten Jahren ist sie aber wieder angestiegen. Das Schweizer Jugendstrafrecht sieht im europäischen Vergleich wenige Strafandrohungen vor. Entsprechend selten sind Freiheitsentzüge. Da die Rückfallquote hierzulande vergleichsweise tief ist, wird dieser Umgang grundsätzlich positiv beurteilt. Die rechtliche Sonderstellung von Kindern und Jugendlichen ist eine Errungenschaft der Neuzeit. Als Folge der Aufklärung entstanden zu Beginn des 18. Jahrhunderts erste pädagogische Einrichtungen

für «ungeratene Kinder». Es dauerte bis in die 1920erJahre, bis den erzieherischen Reformen Gesetzesanpassungen folgten. Ab den 1960erund 1970er-Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass Strafen eher kontraproduktiv sind und dass sich straffälliges Verhalten häufig quasi auswächst. Seither gilt die Regel «Erziehung vor Strafe», so auch im 2017 in Kraft getretenen Jugendstrafgesetz. Strafen sollen nicht Vergeltung, sondern eine Warnung sein, die Lernprozesse auslöst. Eine Herausforderung für die Bewältigung der Jugendkriminalität stellen neue Formen von Straftaten wie Cyberbullying (Verleumdung oder Belästigung im Netz) oder Sexting (Teilen von intimen Fotos) dar.

Quelle: Heinz Messmer & Rahel Heeg: Jugenddelinquenz. In: Wörterbuch der Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020; Bundesamt für Statistik.

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ILLUSTRATION: KATHRIN HEIERLI

Verkäufer*innenkolumne

Abfall Man trennt ja Papier, Aluminium, PET, Glas und Karton vom Abfall, und aus verbrauchtem Pommes-Öl kann man Treibstoff machen. Aus alten PET-Flaschen entstehen nebst neuen Flaschen auch Smartphones, Kleider und Plexiglas. Aus alten Skis und Snowboards kann man Betten herstellen. Aus gebrauchten Einweg-Essstäbchen lassen sich Getränkeuntersetzer produzieren. Recycling schafft Arbeitsplätze und Wohlstand durch die Wiederverwendung von Rohstoffen, Recycling senkt den CO2-Ausstoss, Recycling schont unser Wasser. Littering dagegen verseucht Böden und Wasser, Littering tötet Tiere. Aludosen sind eine Todesfalle für Igel, sie verletzen sich tödlich darin. Ins Wasser geworfene Einwegsäcke sind eine Todesfalle für Fische (sie ersticken darin) und Schildkröten (sie meinen, es sei Nahrung, und sterben qualvoll daran). Wegen des 6

Abfalls haben sich in den Ozeanen künstliche Plastikinseln gebildet. Littering kann auch landwirtschaftliche Maschinen beschädigen, geschredderte Dosen können als Aluminiumschnipsel ins Kuhfutter dringen, was mitunter sogar Notschlachtungen notwendig machen kann. Oft dienen die Verpackungen, die Abfall verursachen und zu Littering führen, vor allem der Werbewirkung (McDonald’s, Starbucks und Burger King sind gute Beispiele). Die Absicht ist die Sichtbarkeit, wenn man mit dem Marken-Becher durch die Strasse geht. Ich habe schon mit anderen Klimastreikenden gelitterte Abfälle zusammengelesen. Ich lasse nach dem Einkauf im Grossverteiler oft die vielen Plastikverpackungen da, damit sichtbar wird, wie viel unnötiger Abfall das ist. Ich engagiere mich im Klimastreik und finde, man darf auch etwas angriffige Methoden anwenden. Die Klimastreikenden sind oft verleumdet worden, von Weltwoche bis Ölindustrie. Aber wir haben keine ande-

ren Mittel, um gegen Grosskonzerne und -banken anzukommen. 1967 ist die erste Studie zum Klimawandel erschienen. Man muss den Menschen die Augen öffnen, immer noch. Ich habe mein Engagement aus dem Elternhaus mitgenommen, vor allem meine Mutter war politisch sehr aktiv. Ich habe zwei Überzeugungen: 1. Es ist nötig, dass man etwas tut. 2. Man kann damit etwas verändern.

MICHAEL HOFER, 41, hat für Greenpeace Solarzellen zusammengebaut und reist auch lange Strecken konsequent mit dem Zug. Durchaus bis nach Budapest.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

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INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BFS (2022): LOHNSTRUKTURERHEBUNG 2020

Die Sozialzahl

Gefragte Arbeit, tiefe Löhne: ein Paradox? Eben sind die Zahlen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) für das Jahr 2020 erschienen. Demnach beträgt der mittlere Monatslohn für eine Vollzeitstelle brutto 6665 Franken. Die Hälfte der Erwerbstätigen verdient auf eine 100-Prozent-Stelle gerechnet mehr, die andere Hälfte weniger als der Medianlohn. Von einem Tieflohn ist dann die Rede, wenn dieser weniger als zwei Drittel des Medianlohns beträgt. Wer nicht mehr als 4443 Franken brutto im Monat verdient, gehört zu den 491 900 Tieflohnbeziehenden in der Schweiz. Nicht ganz zwei Drittel sind Frauen. 10,5 Prozent aller Stellen bei der öffentlichen Hand und in der Privatwirtschaft sind Tieflohnstellen. Der Anteil der Tieflohnstellen variiert nach Branchen und Wirtschaftszweigen erheblich. Wenig Tieflohnstellen finden sich im 2. Sektor, also in der Industrie und Bauwirtschaft. Hier gibt es nur einige, eher unbedeutende Branchen wie etwa die «Herstellung von Bekleidung» oder die «Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen», die Anteile von über 30 Prozent aufweisen. Häufiger anzutreffen sind Tieflohnstellen im 3. Sektor, also bei Dienstleistungen. Rund die Hälfte aller Erwerbstätigen im Segment der «sonstigen persönlichen Dienstleistungen» (Coiffeurbetriebe, Wäschereien, Kosmetiksalons, Bestattungsinstitute etc.), des Gastgewerbes und der Hotellerie arbeitet für Tieflöhne, rund ein Fünftel der Angestellten in der Luftfahrt und im Detailhandel muss sich ebenfalls mit einem tiefen Lohn zufriedengeben.

Schaut man sich diese Branchen an, fällt zweierlei ins Auge. Auf der einen Seite werden hier Dienstleistungen erbracht, die durchaus gefragt sind. Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig ein auswärtiges Essen oder Ferien in einem Hotel sind. Auch auf den Friseur möchte kaum jemand verzichten. Auf die Bedeutung, den täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln und Getränken decken zu können, muss gar nicht besonders hingewiesen werden. Auch das Fliegen gehört heute zu den Dienstleistungen, die ohne viel Aufhebens regelmässig in Anspruch genommen werden. Trotz der Nachfrage nach solchen Dienstleistungen halten sich die Tieflöhne dennoch hartnäckig in diesen Wirtschaftszweigen, wie Langzeitdaten zeigen. Drei Gründe lassen sich anführen, um dieses Paradox aufzulösen. Der erste zielt auf das Überangebot in diesen Branchen; der intensive Wettbewerb verhindert höhere Preise und damit bessere Löhne. Der zweite Grund ist die Arbeit selbst, die oft ohne grosse berufliche Vorkenntnisse erbracht werden kann. Entsprechend finden sich in diesen Marktsegmenten viele Personen, die sich um solche Stellen bewerben. Schliesslich ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad gering und die Sozialpartnerschaft funktioniert schlecht. Tiefe Löhne sind einer der wichtigsten Gründe, warum es Working-poor-Haushalte gibt. Sie werden vom Sozialstaat mit Beiträgen zur Krankenversicherung, Mietzinszuschüssen und Sozialhilfeleistungen unterstützt. So wichtig diese materielle Hilfe ist, letztlich stellt sie eine Art von Subvention für die Tieflohnbranchen dar.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Durchschnittlicher Anteil Tieflohnstellen in der Schweiz

10,5 % Folgende Wirtschaftszweige haben einen doppelt so hohen Anteil Tieflohnstellen wie der Schweizer Durchschnitt (Daten von 2020): Tieflohnstellen in Industrie und Bauwesen

51,8 %

Herstellung von Bekleidung

31,4 %

Herstellung von Leder, Lederwaren, Schuhe Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln Herstellung von Textilien

27,0 % 25,6 %

Tieflohnstellen bei Dienstleistungen

56,6 %

Sonstige persönliche Dienstleistungen

47,8 % 46,8 %

Gastronomie Beherbergung

31,9 %

Gebäudebetreuung, Garten, Landschaftsbau Luftfahrt Detailhandel

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23,9 % 22,5 % 7



Serie: Die Unsichtbaren Unsere Gesellschaft lagert immer mehr unangenehme Arbeiten aus. Die, die sie verrichten, bleiben oft unsichtbar. Eine Artikelreihe über neue Arbeitswelten und ihre Hintergründe.

«Ein schöner, abwechslungsreicher Job» Bei Rey Eyer kommt an, was andere per Knopfdruck wegspülen. Das stört den Klärwerk-Mitarbeitenden aber nicht im Geringsten. TEXT ANDRES EBERHARD

Ein angeregtes Gespräch über menschliche Ausscheidungen zu lancieren, ist eine Spezialität von kleinen Kindern. «Aber Mama, was passiert mit dem Gaggi?», wollen die Kleinen wissen, wenn sie auf dem Thron sitzen (ebenfalls verbreitet sind kichernd vorgetragene, weniger konstruktive Versuche am Esstisch). Dann folgen Geschichten von unterirdischen Rohren, riesigen Säuberungsanlagen, vielleicht sogar von Verbrennungstürmen oder Wertstoffrückgewinnung. Ehrlicher aber wäre eine andere Antwort: Wenn du spülst, kümmern sich andere Menschen um die Drecksarbeit. Menschen wie Rey Eyer. Jeden Morgen um 6 Uhr 15, nach einer Zigi und ein paar Hallos, füllt Rey Eyer eine Halbliterflasche, um zu prüfen, was ihm aus zigtausenden Zürcher WCs alles so entgegengespült wird. Eyer arbeitet im Klärwerk Werdhölzli in Zürich, der hierzulande grössten Anlage ihrer Art. Mehr als 80 Mitarbeitende sind damit beschäftigt, die Ausscheidungen von über 700 000 Menschen aus der Stadt Zürich und Umgebung zu managen. Die «Klärwerk-Fachmänner und Fachfrauen», wie die umgeschulten Metzger*innen, Hauswart*innen, Mechaniker*innen oder Sanitär*innen heissen, entleeren, reinigen und reparieren Rohre, Becken und Anlagen, bevor das Wasser einen KiSurprise 526/22

FOTO DANIEL SUTTER

lometer weiter stadtauswärts aus drei unscheinbaren Rohren in die Limmat fliesst – so sauber, dass Zürcher*innen darin baden können. «Hier nehmen die Geruchsemissionen zu», warnt der grossgewachsene 48-Jährige mit Kurzhaarschnitt und Ohrringen, uniformiert in oranger Leuchtjacke und blauem Overall. Dann öffnet er die Tür zum sogenannten Rechengebäude. Drinnen wird er deutlicher: «Hier kommt der ganze Dreck an.» Er deutet auf einen sanft fliessenden Abwasserkanal, der sich in Richtung eines grossen Rechens bewegt. Dort bleibt das Gröbste hängen. Einige Mitarbeitende müssten den Kanal täglich mithilfe eines Krans freibaggern, erzählt er. Eyers einziger Job hier drinnen ist die tägliche Entnahme der Probe. Dafür kippt er einen Behälter, der im Fünfminutentakt automatisch mit ein paar Tropfen Abwasser gefüllt wird, vorsichtig über seine mitgebrachte Flasche. Diese packt er in eine Kiste und schickt sie den Wissenschaftler*innen des Wasserforschungsinstituts Eawag in Dübendorf. Dort wird das Abwasser unter anderem auf Covid-Rückstände analysiert. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, wie verbreitet das Virus ist. «Abwasser lügt nicht», heisst es. Auch Rückstände von Kokain, 9


Wir spülen heute mit Trinkwasser unser Geschäft herunter. Neun Liter beim grossen Knopf, sechs Liter beim Kleinen.

Medikamenten oder Tabak im Abwasser erwecken immer mal wieder das öffentliche Interesse. Ansonsten ist das Klärwerk am Stadtrand vor allem eine Anlage, die es uns erspart, uns allzu lange mit unseren Ausscheidungen aufzuhalten. Spülen und weg damit. Im Mittelalter und noch bis vor 150 Jahren war das nicht möglich. Die Kloake ging alle an, denn die Gerüche aus den Gassen waren kaum zu ignorieren. Damals wurden die Fäkalien mehr oder weniger auf die Strasse geworfen. In Städten verbreitet waren offene, enge Gräben zwischen den Häuserreihen. Auf dem Land wurde das Geschäft auf dem Feld oder zuhause über Löchern im Boden verübt, von wo es direkt in den Viehstall fiel. So eklig das aus heutiger Perspektive klingen mag: Überliefert ist, dass sich die Menschen an den Gerüchen nicht allzu sehr störten. Schamgefühle, wie wir sie heute kennen, entwickelten sich erst später. Ganz im Gegenteil soll es Zeiten gegeben haben, als sich die Menschen dagegen wehrten, dass andere ihre Ausscheidungen abtransportieren. Denn Kot und Urin wurden in der Landwirtschaft als Dünger gebraucht, die gesammelte Kloake hatte also einen Wert. Heute hingegen spülen wir, zumindest in der Schweiz, unser Geschäft mit Trinkwasser herunter. Neun Liter beim grossen Knopf, sechs Liter beim Kleinen. Und sind froh, dass sich andere um den Rest kümmern. Eyer verlässt das Rechengebäude, das den Anfang des Klärprozesses markiert, und macht sich auf den Weg zur biologischen Reinigung, der zweiten von insgesamt fünf Reinigungsstufen. Die Distanzen läppern sich, häufig ist Eyer mit dem Velo oder, wenn er etwas zu transportieren hat, in einer Art Golfwagen unterwegs. Zwischen mehreren grossen, blubbernden Wasserbehältern, die aussehen wie 50-Meter-Schwimmbecken, bleibt er stehen. Hier wandeln Mikroorganismen im Wasser enthaltene Schmutzstoffe um, wie zum Beispiel Ammonium oder Phosphate. «Das sind die fleissigsten städtischen Mitarbeiter», bemerkt er in dem für ihn typischen saloppsarkastischen Ton und setzt noch einen obendrauf: «Ohne sie würden die Fische auf dem Rücken schwimmen.» Während Kleinstlebewesen wie Bakterien oder Fadenwürmer also die Hauptarbeit erledigen, prüft Eyer den Betrieb auf

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regelmässigen Rundgängen («lose, luege, schmöcke»), repariert bei Bedarf oder kalibriert Messgeräte. Eyer hat kein Problem mit Vorurteilen gegenüber seinem Beruf; dass es Leute gibt, die ihn für seine Arbeit belächeln. In Männerrunden, die bei der Ausübung seiner Hobbys – Heli-Snowboarding und Pistolenschiessen – durchaus verbreitet sind, würde er den blöden Sprüchen zuvorkommen. «Ich sage, dass ich beim Füdli der Stadt arbeite.» Es braucht etwas Selbstironie, damit die Menschen mit ihm und nicht über ihn lachen. Man muss Rey Eyer deswegen nicht bemitleiden. Erstens stinkt es längst nicht überall so wie im Rechengebäude. Im Gegenteil: Manches hier, wie etwa die «Ozonungsanlage» – voll mit grossen Stahltanks, Kupferrohren, Messgeräten –, könnte man sich auch in einer Lebensmittelfabrik vorstellen (zur Rolle des Ozons siehe Box auf Seite 13). Und draussen, mit Bäumen, Moos, Vögeln und sogar einem Badesteg, ist es fast schon idyllisch. Zweitens ist die Arbeit im Klärwerk durchaus anspruchsvoll. So wirft sich Eyer an zwei bis drei Tagen pro Woche den weissen Kittel über und prüft das Abwasser zur Qualitätssicherung im Labor. Auch ist er, seit elf Jahren im Beruf, der zuständige Mitarbeitende der hochtechnologischen Ozonungsanlage. Die Forschenden der ETH gucken immer zu Kommt dazu, dass Eyer mit dem Job bei Entsorgung und Recycling Zürich der Prekarität überhaupt erst entkommen ist. Nach einer Lehre als Maschinenmechaniker hatte er zwanzig Jahre lang in der Industrie gearbeitet. Er fräste, drehte, erodierte, daraus entstanden Bauteile für die Industrie. Sein Arbeitgeber war ein Familienunternehmen, der Lohn bescheiden, die Arbeitslast gross, Feierabende und Wochenenden variabel. «Die Laufzeit der Maschinen hatte Priorität», sagt Eyer. «Wie es mir ging, war weniger wichtig.» Er habe das Wasser stets bis zum Hals gehabt. Die Stelle bei der Stadt war ein Ausweg: geregelte Arbeitszeiten, guter Lohn und «ein eigentlich schöner, abwechslungsreicher Job», wie er sagt. Rey Eyers Handy klingelt, er zieht sich einige Meter zurück. «Schon wieder jemand, der ein Wässerchen will», kommentiert er, nachdem er aufgelegt hat. Nach dem Termin wird er noch einmal zurück zum Rechengebäude gehen, um eine Halbliterflasche abzufüllen. Nicht nur die Eawag, auch andere Forschende interessieren sich fürs Abwasser. Die ETH zum Beispiel betreibt seit fünf Jahren Surprise 526/22


Dreck und Gewinn Seuchen und Krankheiten konnten dank der Siedlungshygiene eliminiert werden. Erstklassige Lebensressourcen verdanken wir der Infrastruktur im Untergrund. INFOGRAFIK MARINA BRÄM

500 000 QUELLEN: VSA: BAFU; BFS; STATISTA; EAWAG; EPFL; SVGW

12%

g un er lk vö Be er eiz chw Anteil S

1964

CHF 1,3 Mrd.

m

werden jährlich für Unterhalt und Weiterentwicklung der ARA als Aufträge an Baugewerbe, Energiebranche, Ingenieurbüros, Forschung und andere vergeben.

2022 98%

Der Graubereich In der Schweiz konnte der Pro-Kopf-Verbrauch von Trinkwasser in den letzten 30 Jahren um 60 Prozent gesenkt werden. Dank Effizienzsteigerungen, aber auch wegen des Wegzugs wasserintensiver Industrie. Weltweit nimmt der Wasserverbrauch weiter zu.

Tonnen organisches Material gelangen jährlich in die Abwasseranlagen (ARA). 90% davon wird vollständig aus dem Abwasser entfernt.

it A ns ch lu ss an ): zen trale ARA Abwasseranlagen ( 9% 06 8 9 1

1,4 Mrd.

22 20 ar Auf bru e F Coro t i n se navire n untersuch Abwasseranlage te

Kubikmeter Abwasser werden jährlich in Schweizer Reinigungsanlagen transportiert.

0% :7

130 000 km beträgt die Gesamtlänge des schweizerischen Kanalnetzes.

Von insgesamt ca. 13 000 Mitarbeitenden in der Wasserversorgung sind 3000 staatliche Angestellte und 10 000 privat. Messfühler Abwasser Tagesdurchschnitt der Kokainrückstände, in mg/1000 Personen, Mai 2020

2 3 1175

Antwerpen (BEL)

1 874

Jährliche Investitionen im Vergleich, 2015

Zürich 692 St. Gallen 567

1 Abwasserreinigung:

2,2 Mrd. CHF

2 Gemeindestrassen:

2,9 Mrd. CHF

3 Polizei:

2,8 Mrd. CHF

Bern 459 Hamburg

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in einem Becken der biologischen Reinigung eine Installation, die den Austritt von Lachgas in die Atmosphäre kontrolliert. Vor Ort kommt aber nur sehr selten jemand von der bloss einige Velominuten entfernten Hochschule. Ist etwas mit der Anlage, sehen das die Forschenden auf ihren Bildschirmen. Und Eyer erhält einen Anruf mit der Bitte, er solle doch bitte einmal den Reset-Knopf drücken. Da er ja schon hier und dafür da ist. Eyer steht nun vor einem Badehäuschen in der Sonne, nebenan lädt ein Becken mit Steg und Poolleiter zum Bad ein. Fehlen eigentlich nur das Glacé und etwas wärmere Temperaturen. Tatsächlich genossen hier bis vor kurzem städtische Mitarbeitende ab und zu ein sommerliches Bad. Der Direktor hatte Wie funktioniert eine ein ungenutztes Klärbecken kurzerKläranlage? hand zu einem Swimmingpool umbauen lassen – inklusive sauberem Die Reinigung des Abwassers Wasser, versteht sich. Andernorts auf in der Kläranlage Werdhölzli der Anlage liess er einen ungenutzten in Zürich erfolgt in fünf Schritten: In der mechanischen Raum in ein Oldtimer-Museum verReinigung (Stufe 1) bleibt Growandeln. Wenn sie sich schon um die bes wie Holz oder Steine in ganze Scheisse kümmern, so vielleicht Rechen und Sandfängen händie Überlegung, dann sollen sie es auch gen. Durch das Einblasen ein bisschen schön haben. Das ging nur von Luft sammeln sich Fette so lange gut, bis Kritiker*innen darauf und Öle auf der Wasseroberhinwiesen, dass Badeplausch und Aufläche, in einem Klärbecken toshow mit Gebührengeldern finansetzen sich Fäkalien und ziert wurden. Das Ganze endete in eiPapierreste ab. In der biologinem politisch-medialen Skandal und schen und chemischen der unrühmlichen Absetzung des DiReinigung (Stufe 2 und 3) werrektors. Sowie mehreren Schildern, auf den Gifte wie Ammonium denen steht: «Baden verboten». oder Phosphate umgewandelt und abgebaut. Dank Zugabe von Ozon werden schliesslich Medikamentenrückstände, Pflanzenschutzmittel sowie Hormone aufgespalten (Stufe 4) und filtriert (Stufe 5). EBA

Vor der «Kloakenreform» gab es kaum Hemmungen Heute schliessen wir uns für unser Geschäft auf Toiletten ein. Nicht immer waren Ausscheidungen mit Schamgefühlen verbunden. Die Römer hielten auf Gemeinschaftslatrinen Schwätzchen, spielten oder schlossen gar Verträge ab. Während eines Festmahls liessen sie sich von Sklaven auch mal einen Topf drunterhalten. Während das alte Rom über ein ausgeklügeltes Abwassersystem verfügte, machten die Menschen im Mittelalter ihr Geschäft aufs Feld oder zuhause über Löchern im Boden in den darunter liegenden Stall. Städter*innen entsorgten ihre Fäkalien in Gräben oder Gruben. Mancherorts boten sich «Pelerinenmänner» oder «Abtritt-Anbieterinnen» mit Eimern unter grossen Umhängen als wandelnde Klohäuschen an. Am Ende war es nicht die Scham, die zu einer hygienischen Revolution führte. Sondern die gesundheitliche Gefahr durch Seuchen wie Cholera und Typhus vor dem Hintergrund stark wachsender Städte. Historiker*innen betonen, dass der Wille, eine moderne Stadt zu sein, ebenfalls ein wichtiger Grund für die «Kloakenreform» Mitte des 19. Jahrhunderts darstellte. Zunächst wurde der Kot in Kübeln gesammelt und eingeholt, ehe sich das effizientere, noch heute übliche «Schwemmsystem» durchsetzte, bei dem Kot und Urin durch Zugabe von Wasser direkt in eine Kläranlage geleitet werden. Da mit der zunehmenden Industrialisierung auch Gewässer-Verunreinigungen etwa durch Phosphate zunahmen, konnte in Schweizer Seen bis in die 1970er-Jahre nicht gebadet werden. Durch die Entwicklung von biologischer und chemischer Reinigung in Klärwerken verbesserte sich die Situation massiv. Seit einer Verschärfung des Gewässerschutzgesetzes vor wenigen Jahren müssen zudem auch Mikroverunreinigungen von Medikamenten oder Hormonen herausgefiltert werden. Dies geschieht entweder, indem durch Zugabe von Ozon die Schadstoffe aufgespalten und schliesslich filtriert werden wie in Zürich, oder durch ein logistisch aufwendigeres Verfahren mit Aktivkohle. EBA

Die Unsichtbaren — eine Serie in mehreren Teilen — Teil 1/Heft 522: Reinigungspersonal — Teil 2/Heft 524: Care-Arbeiterinnen — Teil 3/Heft 526: Klärwerkfachleute Wir lagern immer häufiger unliebsame oder wenig angesehene Arbeiten an andere aus: Putzen, Ernte, Care-Arbeit, Müllabfuhr. Wir möchten wissen, wer diese Arbeiten verrichtet und unter welchen Bedingungen. Und was dies für Folgen hat.

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Durch die Maschen gefallen Corona Die Hilfsmassnahmen des Bundes reichten nicht

bei allen aus, um die Pandemie zu überbrücken. Oft sind Private und NGOs in die Lücke gesprungen. TEXT ANINA RITSCHER ILLUSTRATION PETRA BÜRGISSER

Hinter Jolanda Becker* liegen bereits mehrere gesundheitliche Krisen, als sie im Herbst 2019 einen Neuanfang wagt. Sie kündigt ihren Job und macht sich mit einer eigenen Praxis als Körpertherapeutin selbständig. Kaum findet sie ihre ersten festen Kund*innen, bricht die Corona-Pandemie aus. Es folgen zwei Jahre, in denen Becker jeden Rappen umdrehen, Schulden aufnehmen und Hilfe beanspruchen muss. Und in denen das Geld trotzdem nur knapp zum Überleben reicht. Becker ist damit nicht allein. Kurz nachdem der erste Lockdown verhängt wurde, versprach der Bundesrat unbürokratische Soforthilfe für alle Krisengebeutelten. Das Versprechen wurde zwar teilweise eingelöst. Doch nicht für alle war die Hilfe ausreichend. Vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen, Selbständige und Arbeitnehmer*innen in prekären oder irregulären Verhältnissen sind während der Corona-Pandemie in eine finanzielle Notlage geraten. Eine Studie der nationalen Plattform für Armut im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigt auf, dass Personen aus einkommensschwachen Haushalten während Corona durchschnittlich 20 Prozent ihres Einkommens verloren. Vier von zehn Menschen aus dieser Gruppe mussten auf Erspartes zurückgreifen und eine*r von zehn verschuldete sich. Surprise hat drei Personen getroffen, die während Corona durch die Maschen der Hilfsnetze gefallen sind. Jolanda Beckers Geschichte beginnt bereits einige Jahre vor Corona. Im Jahr 2011 arbeitet sie in einer grossen Firma in Bern als Direktionsassistentin. «Ich war umgeben von Menschen, die grossen Wert auf ihre Karriere legten, für die Arbeiten alles war.» Becker macht mit – bis 14

ihr Körper aufgibt. Sie schlittert 2011 in ein Burn-out und muss sich teilweise krankschreiben lassen. Sie wird von der IV unterstützt. «Viele in meinem Arbeitsumfeld konnten nicht nachvollziehen, dass ich, obwohl ich nicht todkrank aussah, nicht in der Lage war zu arbeiten.» Sie schämt sich, nicht voll leistungsfähig zu sein. Erster Lockdown: Plötzlich in Not «Irgendwann wollte ich mich wieder normal fühlen», sagt Jolanda Becker heute. Deswegen meldet sie sich damals bei der IV ab und reduziert stattdessen ihr Pensum. Doch ihr gesundheitlicher Zustand verbessert sich nicht. 2016 kündigt Becker ihren Job. Sie beginnt eine Ausbildung als Körpertherapeutin. Ende 2019 kann sie in einer Gemeinschaftspraxis ihre Arbeit aufnehmen. Als das Geschäft gerade zu laufen anfängt, wird der erste Lockdown verhängt, und sie die Praxis muss für sechs Wochen schliessen. Für Becker beginnt eine Zeit, in der sie sich von Nothilfe zu Nothilfe hangelt und durch einen Antragsdschungel nach dem anderen kämpft. Zur selben Zeit steht auch Mathias Dettlings Restaurant «Manger et Boire» in der Basler Innenstadt auf wackligen Beinen: Corona trifft den Wirt und sein Team in einem Moment der Schwäche. Denn obwohl die Beiz gut läuft, sind kaum finanzielle Rücklagen vorhanden. Zum einen, weil Dettling und sein Geschäftskollege, als sie das Lokal vier Jahre zuvor übernahmen, auch einen Schuldenberg erbten. Und zum anderen, weil sie in die Sanierung der in die Jahre gekommenen Gaststätte investiert hatten. Den ersten Lockdown überlebt das «Manger et Boire» mithilfe von Versicherungsgeldern und KurzarSurprise 526/22


beitsentschädigungen. Als es im Sommer seine Türen unter strengen Pandemieauflagen wieder öffnen darf, bleiben jedoch die Gäste aus. In diesem Frühjahr 2020, als alle zuhause sitzen und Reisen untersagt sind, bricht auch Ebe Mutabazis* Einkommen weg. Er arbeitet als selbständiger Taxifahrer im Kanton Zürich. Wenn die Strassen leer sind und das Telefon nicht klingelt, verdient Mutabazi keinen Rappen. Er beschliesst in dieser Zeit, Sozialhilfe zu beantragen, obwohl ihm das gegen den Strich geht. «In einer normalen Situation würde ich das nie machen», sagt er heute. Zu gut weiss er um das Risiko, das Geflüchtete wie er auf sich nehmen, wenn sie Hilfe vom Staat in Anspruch nehmen. Wer ohne Schweizer Pass in der Schweiz lebt und von Sozialhilfe abhängig ist, kann seine Aufenthaltsbewilligung verlieren. Das befürchtet auch Mutabazi. Er ist vor zwanzig Jahren aus Ruanda in die Schweiz geflüchtet, hat drei Kinder, die er allein grosszieht. Die Familie lebt mit einem Status F als anerkannte Geflüchtete. Besonders den Kindern will Mutabazi das Risiko nicht aufSurprise 526/22

bürden. Seit Jahren kämpft er dafür, dass seine Kinder eine reguläre Aufenthaltsbewilligung erhalten. «Ich will, dass sie ein Leben haben wie alle anderen Kinder.» Doch die finanzielle Not ist gross und Mutabazi hofft, dass eine globale Gesundheitskrise die Schweizer Behörden ein Auge zudrücken lässt. Vergeblich: Wenn er wolle, dass seine Kinder die Aufenthaltsbewilligung erhielten, dürfe er keine Sozialhilfe beantragen, teilt ihm das Migrationsamt mit. Das stellt Mutabazi vor eine unmögliche Wahl: entweder Sicherheit für seine Kinder – oder aber Geld, um das Leben der Familie zu finanzieren. Er entscheidet sich für die Chance auf den Aufenthaltstitel für seine Kinder. «Ich habe drei Monate lang die Miete nicht bezahlen können. Es war eine schwierige Zeit», erzählt er. Einen nächsten Versuch startet Mutabazi beim kantonalen Amt für Sozialversicherungen, wo er eine Corona-Entschädigung beantragt. Doch auch dort blitzt er ab: Sein Einkommen 2019 sei zu tief gewesen, um sich dafür zu qualifizieren. Dass er als alleinerziehender Vater drei Kinder betreut, interessiert beim Amt niemanden. Während einige Selbständige im ersten Lockdown von der Coronahilfe ausgeschlossen sind, kommt sie für die Körpertherapeutin Jolanda Becker schnell. Doch die Hilfe beträgt nur rund 20 Franken pro Tag – bei weitem nicht genug, um alle Rechnungen zu bezahlen. Auch hier wird der Betrag aufgrund vergangener Umsätze berechnet, die bei Becker eher bescheiden ausfielen. Sie hat ihre Praxis ja gerade erst eröffnet. Ab Herbst 2020 gelten folgende Kriterien: Das ursprüngliche Geschäft musste seit Beginn der Pandemie um 55 Prozent eingebrochen sein und mindestens 10 000 Franken jährliches Einkommen betragen, damit sich Selbständige für Erwerbsersatzentschädigung qualifizieren. Beides trifft auf Becker nicht zu. «Man ging davon aus, dass jemand wie ich sich auf ein Einkommen eines Partners verlassen kann», sagt sie heute. So kommunizierte es damals das Finanzdepartement. «Ich konnte mir schon in den Jahren vor der Pandemie nur das absolute Minimum leisten», sagt Becker. Schliesslich absolvierte sie in dieser Zeit ihre Ausbildung. Auch bei der IV klopft Becker erneut an – erfolglos. Da sie sich dort abgemeldet und ihre Situation sich nicht grundlegend verändert habe, habe sie ihren Anspruch auf Hilfeleistungen verwirkt, so die Argumentation. Aus Not und Verzweiflung fängt Becker im Herbst 2020 an, in einem Restaurant zu kellnern. Doch dann klettern die Infektionszahlen auf neue Höchstwerte und der Bundesrat verhängt einen zweiten Lockdown. Zweiter Lockdown: Noch mehr Schulden Anfang Dezember müssen erneut alle Gastronomiebetriebe schliessen, und Becker fällt wieder durch die Maschen des Systems. Sie war noch nicht lange genug in ihrer neuen Anstellung und erhält daher keine Kurzarbeitsentschädigung. Becker befindet sich in einer Zwickmühle: Kurzfristige Aushilfsjobs sind schwer zu finden, 15


und auf einen langfristigen Vertrag will sie sich nicht einlassen – es könnte ja sein, dass sie schon bald wieder in der Praxis oder wenigstens im Restaurant weiterarbeiten kann. Niemand weiss, wie lange diese Pandemie andauern wird. Erst einige Monate später erhält Becker Kurzarbeitsgelder, aber auch die fallen für Arbeitnehmer*innen im Stundenlohn, wie es Becker ist, tief aus. Weil sie keinen anderen Ausweg sieht, wendet Becker sich an ihre Familie, die ihr ein privates zinsfreies Darlehen überweist. Sozialhilfe will sie erst beantragen, wenn sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. «Es fühlt sich nicht toll an, in meinem Alter nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen zu können», sagt sie, die längst mitten im Leben steht, und seufzt. Auch deswegen will sie in diesem Text anonym bleiben. Im Verlauf des Jahres 2020 wächst auch der Schuldenberg des «Manger et Boire» wieder an. Er wird dem Betrieb letztlich zum Verhängnis. Der Kanton Basel-Stadt unterstützt Gastronomiebetriebe nämlich nur unter der Bedingung, dass sie bis zum ersten Lockdown im Frühjahr 2020 weder unbezahlte Löhne noch offene Steuerrechnungen haben. Das «Manger et Boire» hat aber beides. Der zweite Lockdown im November 2020 gibt dem Lokal schliesslich den Rest. «Wir wussten: Entweder machen wir jetzt zu oder wir stehen in einem halben Jahr noch schlechter da.» Im Januar melden Mathias Dettling und sein Geschäftskollege Konkurs an. Für das Personal sei das ein grosser Verlust, «wir waren wie eine Familie», sagt Dettling. Die Schliessung trifft auch die Freund*innen der Beiz, die ein traditioneller Treffpunkt für viele ist. «Unten in der Bar waren unsere

Stammgäste, einige von ihnen kamen morgens und gingen abends», erzählt Dettling. Dazwischen trafen sich Studierende zum Kaffee, Berufstätige zum Mittagessen oder für das Feierabendbier. «Das ‹Manger et Boire› war eine Anlaufstelle: Man kam hin und es waren Menschen dort, die man kannte. Und wenn niemand da war, dann kannte man das Servicepersonal», sagt Dettling. Gewissen Stammgästen laufe er in Basel manchmal über den Weg. Andere habe er aus den Augen verloren. Nachdem sich die Mietschulden bei Mutabazi über Monate angehäuft haben, meldet er sich beim Regionalverband des Schweizerischen Roten Kreuzes, welches zu dieser Zeit einen Corona-Fonds verwaltet. Das SRK übernimmt seine Schulden. «Das war für mich eine Brücke, um durch die schwierigste Zeit zu kommen», sagt Mutabazi. Im März 2022 zahlt sich sein Durchhaltevermögen endlich aus und Mutabazis Kinder erhalten die Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz. «Ich kämpfe weiter, auch wenn es immer noch schwierig ist. Aber ohne Sozialhilfe, weil das mich und meine Familie blockiert», sagt er. Dettling war nach der Schliessung seines Lokals ein halbes Jahr lang arbeitslos, bevor er im Service eines anderen Restaurants anfing. «Ein bisschen Nostalgie wird bleiben», sagt er. «Das ‹Manger› war uns eine Herzensangelegenheit.» Im Herbst 2021, als ihre Reserven endgültig aufgebraucht sind, erfährt Jolanda Becker vom Projekt «Lohnteilen». Die Initiant*innen sammeln Geld und verteilen es an Menschen, die während Corona in eine prekäre finanzielle Lage gerutscht sind. Seit vergangenem Winter kann Becker ihre Rechnungen wieder ohne Unterstützung bezahlen. * Name geändert

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«Jetzt geht es darum, nachhaltige Lösungen zu finden» Sozialpolitik Mit sozialpolitischen Massnahmen wäre es möglich, auch jene abzusichern,

die während der Pandemie durch die Maschen gefallen sind, sagt Aline Masé von Caritas. INTERVIEW ANINA RITSCHER

Aline Masé, wie zahlreiche Studien bestätigen, hat die soziale Ungleichheit während der Pandemie zugenommen. Haushalte mit kleinen Einkommen hatten die höchsten Einbussen. Wie haben Sie das bei der Caritas wahrgenommen? Aline Masé: Wer vor der Pandemie nicht genug Geld hatte, geriet während der Pandemie erst recht in eine Notsituation. Wer sich gerade über Wasser halten konnte und keine Reserven hatte, für den oder die reichte es nun nicht mehr. Zudem kamen Leute zu uns, die zuvor nicht gekommen waren. Nicht ganz klar ist uns, ob diese Gruppe vorher schon in einer schwierigen Situation war, aber einfach keine Hilfe in Anspruch genommen hat. Zum Beispiel Selbständigerwerbende. Das ist eine Gruppe, die wir in der Beratung vorher nicht gesehen haben.

Da geht es ja um einen Erwerbsausfall, der sich auf Corona zurückführen lässt. Hat die Pandemie auch Lücken im System offengelegt, die schon vorher da waren? Ja, etwa, dass Selbständige keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Sie sind während Corona in den Fokus geraten. Auch Probleme der Sozialhilfe wurden offensichtlicher. Etwa, dass man nicht mehr als 4000 Franken «Vermögen» haben darf, um Anspruch zu haben. Zudem gibt es Menschen, die ein Einkommen haben, das knapp über der Armutsgrenze liegt, und die daher kein Anrecht auf Sozialhilfe haben. Für sie ist jede unerwartete Rechnung und jeder Einkommensausfall zu viel. Hinzu kommt die Arbeit, die unter der Hand gemacht wird: Putzkräfte, Tagesmütter, unbezahlte Care-Arbeit etwa. Nichts davon ist abgesichert. All das wurde während Corona sichtbarer.

«Arbeitnehmende ohne anerkannte Qualifikationen geraten schon seit Jahren unter Druck.»

Der Bundesrat versprach zu Beginn der ALINE MASÉ Pandemie, allen in Not Geratenen zu helfen – hat er sein Versprechen gehalten? Ich war positiv überrascht. Bund und Kantone haben Selbständige und Arbeitnehmende von Anfang an mit Erwerbsausfallentschädigung und Kurzarbeit unterstützt. Lücken, die festgestellt wurden, haben beide geschlossen.

Erwarten Sie, dass die Politik nun etwas gegen diese Missstände unternehmen wird? Die Pandemie hat gezeigt: Mit sozialpolitischen Massnahmen können Leute besser abgesichert werden, es können alle erreicht werden und zwar schnell – wenn Politiker*innen das wollen. Jetzt wird es aber darum gehen, nachhaltige Lösungen für diese Probleme zu finden. Momentan sehe ich keine Ansätze dafür. Man hat eine Pflästerli-Politik gemacht und will jetzt schnell zurück zum Zustand, wie er vorher war.

Gab es auch Lücken, die nicht geschlossen wurden? Menschen, die nicht bei der Sozialversicherung gemeldet sind, haben gar nichts bekommen. Das sind vor allem Sans-Papiers. Und dann gab es jene, die Hilfe erhalten haben, für die das Geld aber nicht zum Leben gereicht hat. Menschen ohne Schweizerpass, die eigentlich Anspruch auf Unterstützung hätten, haben diesen zudem oft nicht geltend gemacht – aus Angst, ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren.

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FOTO: ZVG

Einige haben also Unterstützung bekommen und konnten ihren Lebensunterhalt trotzdem nicht bezahlen. Warum? Die Kurzarbeitsentschädigung entspricht – wie auch das Arbeitslosengeld – in der Regel 80 Prozent des Einkommens. Bei tiefen Einkommen reicht das nicht, vor allem, wenn keine Reserven vorhanden sind. Auch die Erwerbsausfallentschädigungen für Selbständige waren aufgrund der Berechnungsart häufig zu tief. Einige Politiker*innen waren überrascht, wie viele Menschen wirklich wenig Geld haben. Das gab uns zu denken.

Welche Folgen der Pandemie kommen noch auf uns zu? Die Kurzarbeit hat eine Entlassungswelle verhindert, aber es ist noch abzuwarten, wie viele Entlassungen nur verzögert wurden. Zudem geraten Arbeitnehmer*innen ohne Berufsabschluss oder mit nicht anerkannten Qualifikationen seit Jahren unter Druck. Etwa durch die Digitalisierung, die den Arbeitsmarkt umkrempelt. Oder den Trend hin zu instabilen Arbeitsverhältnissen wie befristeten Verträgen und Arbeit auf Abruf im Stundenlohn. Diese Prozesse hat die Pandemie beschleunigt. Aline Masé, 36, ist promovierte Historikerin und Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei der Caritas.

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78,7 %

der obdachlosen Menschen in Lausanne sind Sans-Papiers Schweizweit sind es 61,1 %

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Obdachlosigkeit Erste landesweite Erhebungen geben einen Eindruck von der Lage der Ärmsten in der Schweiz. In Lausanne sind vier von fünf obdachlosen Menschen Sans-Papiers.

Gefangen im Teufelskreis Wer keine Papiere hat, findet keine reguläre Arbeit. Ohne Arbeit kein Einkommen, ohne Einkommen keine Wohnung. Gegen diese Gleichung konnte Lamya B. sich bisher wehren.

INFOGRAFIKEN: BODARA; QUELLE: DITTMANN, J.; DIETRICH, S.; STROEZEL, H.; DRILLING, M. (2022): AUSMASS, PROFIL UND ERKLÄRUNGEN DER OBDACHLOSIGKEIT IN 8 DER GRÖSSTEN STÄDTE DER SCHWEIZ (OBDACH). LIVES WORKING PAPER 93/2022. OBDACHLOSIGKEIT.CH

TEXT LEA STUBER

Seit Monaten nimmt sie jetzt nur noch Tag für Tag, und dieser Tag ist einer, der ihr ein paar Franken einbringt. Ein Bekannter zieht um, sie putzt seine Wohnung, drei Stunden à 20 Franken. Die Miete für den März konnte sie zahlen. Für den April aber noch nicht, für den Mai und Juni auch nicht. Drei Monate ist sie in Verzug, 3000 Franken, und weil ihr Mitbewohner gerade ausgezogen ist, muss sie für den Juni auch seinen Anteil übernehmen, plus 1000 Franken. Lamya B.*, helle Bluse, dunkler Blazer, erzählt so lange von den grossen Plänen, die sie einmal hatte, bis auch ihr zweiter Kaffee kalt vor ihr steht, und sagt dann: «Voilà, ich habe Angst.» In den Augen Tränen. Für welche Jobs sie sich denn interessiere? Sie habe aufgehört, sich diese Frage zu stellen, sie brauche einfach ein regelmässiges Einkommen, mit dem sie Miete und Rechnungen für die Sonderschule ihres Sohnes zahlen könne. Sonst stehe sie «sehr, sehr bald» auf der Strasse. Lamya B., gut 40 Jahre alt, wohnt seit drei Jahren ohne Aufenthaltsbewilligung in Lausanne. Im Kanton Waadt leben 9000 bis 15 000 Sans-Papiers, in der Schweiz je nach Schätzung 80 000 bis 300 000. Die Mehrheit arbeitet in der Landwirtschaft, in Privathaushalten, auf dem Bau oder in der Hotellerie. In keiner anderen Bevölkerungsgruppe ist das Risiko so hoch, obdachlos zu werden. 61,1 Prozent der obdachlosen Menschen in der Schweiz sind Sans-Papiers, in Lausanne sogar 78,7 Prozent, wie eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt. Am Anfang scheint für Lamya B., autodidaktische Unternehmensberaterin, vieles möglich. In Tunesien hat sie eine eigene Dienstleistungsfirma, spezialisiert auf Rechnungsprüfung, Consulting und TeleSurprise 526/22

marketing. Ihre Kunden sind ausländische Unternehmen, besonders aus der Schweiz. Infolge der Revolution 2011 verliert sie 90 Prozent ihrer Kund*innen. Die Schweiz, so ihr Eindruck, ist ein Markt voller Potenzial. Primär für Schweizer*innen 2016 kommt sie, die neben Arabisch früh Französisch und Englisch lernte, für einige Wochen in die Schweiz, eingeladen von einem Kunden, 2017 zum zweiten Mal. Sie arbeitet in diesen Wochen in der Versicherungsbranche, im Jahr darauf im Steuerwesen. Ihr Sohn Maher* bleibt bei ihrer Mutter und Schwiegermutter in Tunesien, von ihrem Mann ist Lamya B. heute geschieden. Sie will Maher Sicherheit und Lebensqualität bieten, beides sieht sie in Tunesien seit der Revolution nicht mehr. In der Kita erlebte Maher sexualisierte Gewalt, sie selber war, auf ein Taxi wartend, Zeugin eines Überfalls mit einem Messer. Und Maher ist anders als die anderen, das führt zu Schwierigkeiten. 2018 besucht sie die Schweiz mit ihm. In diesen Wochen lernt er, damals fünf Jahre alt, im Park mit anderen Kindern zu spielen, mit ihnen zu sprechen. Dinge, die er in Tunesien nicht tat. Später, ebenfalls in der Schweiz, wird bei Maher Asperger-Syndrom und Hochbegabung diagnostiziert. «Anders sein, das wird hier im Schulsystem akzeptiert. In Tunesien aber nicht.» In der Schweiz geht Maher in die Schule und bekommt zusätzlich Integrationshilfe, eine Heilpädagogin und einen Kinderpsychiater. Für Lamya B. ist klar: Jemanden heiraten, nur um Papiere zu bekommen, will sie nicht. Und Asyl zu erhalten ist aussichtslos. «Unabhängig zu sein, war meine einzige

Möglichkeit», sagt sie. Sie hat eine Geschäftsidee, zwei Geschäftspartner und einen Businessplan für eine Finanz- und Anlagegesellschaft. 2017 stellt sie ein Gesuch für eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Das Arbeitsamt lehnt ab. Die Begründung: Sie stamme aus einem Drittland. «Der Arbeitsmarkt, hiess es, ist in erster Linie für Schweizer*innen und Europäer*innen reserviert.» 2018 stellt sie ein zweites Gesuch, auch dieses wird abgelehnt. Aufgeben will Lamya B. aber nicht. Als sie und Maher, heute neun Jahre alt, im Sommer 2019 mit einem Visum wieder in die Schweiz einreisen, findet Lamya P. in Lausanne eine Wohnung, drei Zimmer zur Untermiete. Sans-Papiers haben keine Möglichkeit, auf ihren Namen einen Mietvertrag zu unterschreiben. So wohnen etliche Personen in Wohnungen, deren Vertrag andere

City Card Das Leben von Sans-Papiers könnte mit einer City Card, einem offiziellen Ausweis für alle Menschen, die in der Stadt leben, vereinfacht werden. Seit 2015 erhält, wer in New York lebt, unabhängig vom Aufenthaltsstatus die «City ID» und kann damit beispielsweise einen Mietvertrag abschliessen. Am 15. Mai hat die Stadt Zürich mit 51,7 Prozent für die Züri-City-Card gestimmt, die nun in einem nächsten Schritt ausgearbeitet wird. In anderen Städten wie Basel, Bern, Biel, La Chaux-de-Fonds, Fribourg, St. Gallen oder Winterthur werden ähnliche Projekte vorangetrieben. Auch das Lausanner Parlament diskutiert über eine City-Card.

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59,3 % der obdachlosen Sans-Papiers kommen aus Rumänien, Nigeria, Algerien, Marokko, Frankreich Personen, die als Hauptmieter*innen fungieren, unterschrieben haben. Lamya B. leitet schwarz einen Kleiderladen, zehn Stunden pro Tag, sechs Tage pro Woche, und verdient 2500 Franken. Alleine kann sie sich die Wohnung für 2000 Franken nicht leisten. Eine erste Mitbewohnerin zieht ein und wieder aus, weitere Mitbewohner*innen folgen. Sie kommen aus Frankreich oder auch aus Argentinien oder Marokko. Jedes Mal, wenn ein*e Mitbewohner*in auszieht, kommt auf Lamya B. eine stressige Zeit zu. Maher fällt es nicht leicht, sich auf neue Menschen einzulassen, und viele bevorzugen eine WG ohne Kinder. Und doch muss sie schnell eine neue Person finden, die einen Teil der Miete bezahlt. Ein Mitbewohner raucht im Zimmer Gras, ein anderer ist eines Tages weg, schreibt eine Nachricht, dass er die Miete nicht mehr zahlen könne. Den Job im Kleiderladen verliert Lamya B. nach einem Jahr. Sie zerstreitet sich mit ihrem Chef. Er wirft ihr vor, sie zu betrügen, sie wirft ihm vor, den Lohn und die AHV-Beiträge nicht vollständig zu zahlen. Weil sie gültige tunesische Ausweispapiere hat, kann Lamya B. sich bei der AHV melden, nicht aber Sozialhilfe beziehen, denn dafür bräuchte sie eine Aufenthaltsbewilligung. Das Geld, das sie auf der Seite hat, reicht für einen, zwei Monate, und sie ist optimis20

tisch, etwas zu finden. Ihr neuer Job: Als Putzkraft und Betreuerin arbeitet sie bei drei älteren Menschen zuhause. Daneben macht sie zehn Stunden pro Woche das Sekretariat eines Bauunternehmens. Als im Frühling 2020 die Pandemie kommt, sagen ihr die Senior*innen ab, aus Angst vor Ansteckung. Und auf den Baustellen wird weniger gearbeitet. So braucht das Bauunternehmen Lamya B. im Sekretariat nicht mehr. Der Chef schuldet ihr noch immer 1500 Franken, auch die AHV-Beiträge hat er nicht bezahlt. «Wenn du in einer guten Situation bist, respektieren dich die Menschen», sagt Lamya B. «Aber wenn du keine Papiere hast, zahlen sie dich nicht, beleidigen dich und urteilen über dich.» Weil sie nie ein Asylgesuch gestellt hat, erhält sie keine Nothilfe. Über Monate zahlt die Caritas Lamya B.s Teil der Miete, sie bekommt Lebensmittelgutscheine und von der Stiftung Mère Sofia und vom Verein Solid-ère einen Lebensmittelkorb. Am Anfang unterstützen sie auch Freund*innen finanziell. «Ich bin mir nicht gewohnt, um Hilfe zu fragen», sagt Lamya B., «das hat mich sehr deprimiert.» Manchmal kann sie bei Freund*innen im Haushalt kleinere Arbeiten übernehmen oder Essen für Apéros kochen, für kurze Zeit bietet sie über soziale Medien tunesische Spezialitäten an.

Nach einem Jahr – gerade als ihr Mitbewohner unverhofft auszieht – läuft auch die finanzielle Unterstützung durch die Caritas im Juli 2021 aus. «Da wurde es wirklich schwierig.» Seither rackert sie sich ab, um ihren Teil der Miete zahlen zu können. Und nachzuzahlen, was sie noch nicht zahlen konnte. Einmal etwa bezahlte eine Politikerin, die sie von einer Hilfsorganisation kennt, ihre Miete. Ende 2021 erhält Lamya B. einen Anruf von ihrer Untervermieterin, der Hauptmieterin der Wohnung. Sie bittet sie, entweder eine*n Nachmieter*in zu suchen oder auszuziehen, dann würde sie den Mietvertrag bei der Verwaltung kündigen. Bloss die Wohnung behalten Lamya B. meldet sich bei der AVSL, einem Waadtländer Verein, der Menschen ohne Zugang zum Sozialdienst gezielt zu unterstützen versucht, damit sie ihre Wohnung behalten können (siehe Interview Seite 21). Ein AVSL-Mitarbeiter schaut sich den Mietvertrag an und spricht mit Lamya B.s Vermieterin, der Hauptmieterin der Wohnung. Diese vermietet Lamya B. die Wohnung teilmöbliert unter, mit einem Tisch, Sofa, Schrank und Fernseher. Sie darf dafür maximal 20 Prozent mehr Miete verlangen, was sie auch nicht überschreitet. Wäre der Aufschlag höher gewesen, hätte die AVSL die Vermieterin bitten können, die Miete zu senken und den zu hohen Anteil zurückzuerstatten. Für die AVSL-Mitarbeiter*innen ein Hebel, mit dem sie den Untermieter*innen häufig Erleichterung verschaffen können. Nicht aber in diesem Fall. Kurz darauf schreibt Lamya B.s Vermieterin, sie solle kündigen. «In diesem Moment», sagt Lamya B., «hatte ich Panik.» Sie kann aber nicht von einem auf den anderen Tag auf die Strasse gestellt werden, denn

16,7 % der Obdachlosen in Lausanne sind Rough Sleepers, übernachten also draussen In Basel sind es 44,1 %

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* Namen geändert Surprise 526/22

«Die Rechte aus dem Mietvertrag gelten für alle» Sans-Papiers können sich nicht an öffentliche Institutionen wenden, wenn sie mit ihrer Wohnsituation Probleme bekommen. Seit gut einem Jahr füllt der Verein AVSL im Kanton Waadt diese Lücke. INTERVIEW LEA STUBER

die Anrecht darauf haben – den Sozialdienst von Lausanne. Normalerweise geht es um eine bis drei Mieten.

Sarah Loor Bravo, die AVSL wurde im Dezember 2020 gegründet. Aus welcher Motivation? Sarah Loor Bravo: In der Pandemie verloren viele Menschen ihre Jobs und hatten Mühe, die Miete zu zahlen. Menschen mit Aufenthaltsrecht können sich zum Beispiel an den Sozialdienst wenden. Wer aber ohne Aufenthaltsrecht ist, hat keinen Zugang. Erst wurde in Genf ein Verein gegründet, um auch diesen Menschen bei Wohnproblemen zu helfen, danach im Kanton Waadt die AVSL.

Und der zweite Weg? Wir erklären den Hauptmieter*innen, also denen, die das Zimmer oder die Wohnung untervermieten, welche Pflichten sie dabei haben. Wir fragen sie nach dem Mietvertrag, um herauszufinden, ob sie zu viel draufschlagen und Gewinn machen. Ist dies der Fall, verhandeln wir eine Senkung der Miete. Man könnte auch vor die Schlichtungsstelle gehen, das ist kostenlos und unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Untermieter*in – denn diese haben die gleichen Rechte wie Mieter*innen. Die Rechte aus dem Mietvertrag gelten für alle. Das wollen viele Sans-Papiers aber nicht. Sie haben Angst, dass sie – falls sie eines Tages einen Ausweis beantragen, etwa mit der Härtefallregelung – deswegen Probleme bekommen. Manchmal gehen wir auch zur Verwaltung. Dann wird es kompliziert, denn diese Untervermietungen sind illegal – die Verwaltung gab ihr Einverständnis normalerweise ja nicht, und es kann für die Verwaltung Grund für eine Kündigung sein. Wenn wir mit den Hauptmieter*innen keine Lösung finden, suchen viele Sans-Papiers lieber etwas anderes.

Wie viele von denen, die sich an Sie wenden, sind Sans-Papiers? Am Anfang waren es fast keine. Es meldeten sich Menschen, die ein Aufenthaltsrecht haben, allerdings ein prekäres. Etwa eine vorläufige Aufnahme (F) oder eine Aufenthaltsbewilligung (B) seit weniger als einem Jahr. Wenn sie zum Beispiel Sozialhilfe beantragen, kann dies die Erneuerung ihres Ausweises gefährden. Darum wollen viele nicht zum Sozialdienst der Stadt Lausanne. Inzwischen kommen mehr Sans-Papiers, viele sind Frauen mit Kindern. Wie geht die AVSL konkret vor, wenn Menschen ihre Miete nicht mehr zahlen können? Sobald eine Person mit ihrer Miete einen Monat im Rückstand ist und danach nicht innerhalb von 30 Tagen zahlt, kann die Verwaltung ein Räumungsverfahren einleiten. Manche Verwaltungen tun das sofort, andere sind kooperativer. Für uns gibt es zwei Wege, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Erstens müssen die ausstehenden Mieten bezahlt werden. Für finanzielle Unterstützung kontaktieren wir Organisationen wie die Caritas, das Centre Social Protestant oder – bei Menschen,

FOTO: ZVG

auch für Untermietverträge gelten Kündigungsfristen, für eine ordentliche Kündigung sind das drei Monate. Lamya B.s Ziel ist nun, die Wohnung mindestens bis zu den Schulferien im Juli behalten zu können. Damit Maher nicht aus seiner Klasse gerissen wird. Besser wäre es, wenn sie noch ein Jahr bleiben dürften – so könnte Maher ein weiteres Schuljahr bei seinen Freund*innen und Bezugspersonen bleiben, bevor die Klasse sowieso aufgeteilt wird. Zusammen mit der AVSL hat Lamya B. bei karitativen Organisationen und einer privaten Stiftung um finanzielle Unterstützung angefragt. Und was, wenn sie die Wohnung doch verliert? Nicht morgen, aber in den nächsten Monaten? Notschlafstellen wie das Sleep-In in Renens werden von vielen Sans-Papiers genutzt (siehe Surprise Nr. 525). Auch Kinder dürfen dort, wenn sie begleitet sind, übernachten, Frauen haben eine eigene Etage. Viele der Sans-Papiers, die seit Jahren in der Notschlafstelle übernachten, sind aber Männer über 60. «Maher», sagt Lamya B., «muss wissen, was am Abend und am nächsten Morgen passiert. Eine Notschlafstelle könnte ihm nicht die Stabilität bieten, die er braucht.» Nun sucht sie nach anderen Lösungen, fragt Vereine an, die Zimmer anbieten. Vor allem aber will Lamya B. Zeit gewinnen. Zeit, in der sie doch noch einen Job finden kann. Am einfachsten wäre das in der Gastronomie. Doch dort werden vor allem Mitarbeiter*innen für den Abend gesucht. Das lässt sich kaum mit dem Stundenplan ihres Sohnes vereinbaren. Und wenn sie die Anzeigen für Putzkräfte in Privathaushalten durchgeht, wird nun meistens nach dem Aufenthaltsstatus gefragt. Würde Lamya B. an diesem Tag nicht die Wohnung eines Bekannten putzen, so würde sie als Freiwillige beim Espace Solidaire das Mittagessen kochen. Bei einer anderen Organisation ist sie für die Lebensmittelspenden verantwortlich und bei einer Kirche organisiert sie ein Nachmittagsprogramm für Senior*innen mit. Die Freiwilligenarbeit tue ihr psychisch und sozial gut, sagt Lamya B. Und Maher, der ein absolutes Gehör hat, lernt teils unterstützt durch eine Stiftung am Konservatorium Cembalo und besucht eine Rhythmikklasse, die kostenlos ist. «Maher geht es besser und besser», sagt Lamya B. «Aber ich fühle mich jeden Tag schuldig, dass ich keine langfristige Lösung für ihn finden kann.»

Sozialarbeiterin Sarah Loor Bravo, 40, arbeitet als Koordinatorin bei der AVSL, der Association vaudoise pour la sauvegarde du logement des personnes précarisées. Der Verein unterstützt im Kanton Waadt Menschen mit und ohne Aufenthaltsrecht, damit sie ihre Wohnung behalten können.

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Wenn die Schnürlischrift wegbleibt Graphic Novel «Starkes Ding» ist die Geschichte von Lika Nüsslis Vater.

Die Künstlerin erzählt stilistisch eindrücklich von seiner Kindheit als Verdingbub.

Es fängt an wie eine friedliche Kindergeschichte. Die Verhältnisse sind zwar ärmlich, die Naturverbundenheit aber gross, der Bub hat eine lustige Frisur und ist immer gut gelaunt. Das Spiegelei muss er sich mit den Geschwistern teilen, dafür ist Zeit für einen Hosenlupf mit dem Bruder, und wenn der Vater wieder einmal weg ist, lässt er die Hühner fliegen. In Schnürlischrift und in einer Ich-Erzählung aus Kinderperspektive zeichnet Lika Nüssli eine in sich stimmige Welt. Doch wir wissen, es wird die Geschichte eines Verdingbuben. «Ich wollte am Anfang klarmachen, in was 22

für einem Kontext und in was für einer Situation das überhaupt stattfinden konnte», sagt Lika Nüssli. Sie zeigt eine soziale Realität der ländlichen Schweiz in den 1940er-Jahren. Nüssli stellt kein Leiden aus, sondern erzählt von einer Normalität. Doch dann ist die Schnürlischrift plötzlich weg. Die Bilder zeigen keine Landschaften und keine zusammenhängenden Szenen mehr. Die Seiten sind leerer, die Zeichnungen werden zu fragmentierten Eindrücken. Ein Mund hier, ein paar Schalen da und eine Flasche auf dem Tisch. Einige Sprechblasen. Ein Mann ist hergekommen, «Schweizer mein Name»,

er könnte eine Hilfe gut gebrauchen, «zum Poschtä», seine Frau habe einen bösen Fuss. Es sind Details, wie sie sich in der Erinnerung einbrennen. Hier geschieht eine erzählerische Zäsur, ein Bruch mit der wilden Kindheit vom Anfang. Plötzlich ist die Stille da, der Rhythmus verändert sich, ein paar Überlegungen und Argumente gehen hin und her, und dann heisst es: «Also in dem Fall der Ernst.» Er kommt zu Schweizers: Die Frau, pars pro toto, ist der böse Fuss, der Mann eine Schnapsflasche mit Gesicht. Es sind subtile Einordnungen, die Nüssli wie nebenbei setzt. Ernst, der Bub, denkt sich: «Ui, die ist Surprise 526/22

BILDER: LIKA NÜSSLI

TEXT DIANA FREI


sicher froh, hat sie jetzt öpper zum Poschtä.» Er versucht sich innerlich zu schützen, indem er seine neue Rolle ausfüllt, und hält die Behauptung aufrecht, dass das Verdingtsein normal ist: In seiner Schulklasse sind sie zu viert. Nur einmal fragt er sich, wieso die Eltern ausgerechnet ihn weggeschickt haben – ob er wohl der frechste Schlingel gewesen sei. Oder der mit dem grössten Hunger. Lika Nüssli setzt ihre Stilmittel bewusst, schafft Struktur und einen Erzählrhythmus, indem sie die comichaften Elemente immer wieder auf neue Art einsetzt. «Als Ernst von zuhause weg muss, beginnt für ihn eine andere Art von Wirklichkeit. Mir ist wichtig, dass man da auch die Differenz zu einer vorangegangenen Struktur spürt.» Es folgt ein Übergang ins Alptraumhafte, ein Gefühl des Stürzens auf grossformatigen Flächen, abwärts, bis die Seite nur noch schwarz ist.

«Starkes Ding» erzählt zunächst ein fortlaufendes Jahr, danach folgen vier weitere. «Diese Jahre blieben praktisch gleich. Es war eine Sisyphusarbeit, die mein Vater immer wieder erledigen musste», sagt Nüssli. «Deshalb habe ich sie zusammengerafft in Tableaux, in denen sich die Szenen überlagern. Es sind Alpträume, aus denen man nicht mehr ausbrechen kann.»

Lika Nüssli: «Starkes Ding», Edition Moderne 2022, CHF 35.–


«Ich plädiere immer dafür, Welten zusammenzubringen» Kunstbuchmesse Die Art Basel hat zahlreiche Satellitenmessen. Eine davon ist «I Never Read»,

Art Book Fair Basel. Hier gibt es vom klassischen Kunstbuch bis zum selbstgedruckten Fanzine so ziemlich alles, was mit künstlerischem (Aus-)Druck zu tun hat. INTERVIEW DIANA FREI

Johannes Willi, Kunst gilt – gerade in Zusammenhang mit der Auf jeden Fall. Aber es geht auch um den Bezug zu einem ikonographischen Künstler, den nicht nur diejenigen kennen, die sich Art Basel – schnell einmal als elitär. Sie sind aber auf uns eingehender für Kunst interessieren, sondern auch andere. Diezugekommen, weil Sie fanden, Surprise und Ihre Kunstbuchmesse hätten vieles gemeinsam. Woran denken Sie? jenigen etwa, die irgendwo gelesen haben, dass gerade ein WarJohannes Willi: Ich habe erfahren, dass während der Art Basel ein hol für 190 Millionen versteigert worden ist. Ich stelle mir vor, Turnier des Surprise Strassenfussball bei uns auf dem Kasernendass es Andy Warhol überhaupt nicht cool fände, dass seine Bilder zu solch horrenden Preisen gehandelt werareal stattfinden wird. Weil das Strassenmagazin den. Zudem spielen wir mit dem Moment, dass eine wichtige Aufgabe übernimmt, indem es Co-Gründer Menschen Integration ermöglicht, die vielleicht man nicht unbedingt lesen muss, um in einem nicht privilegiert starten konnten, fand ich das Buch etwas Schönes zu entdecken. für uns sehr passend. Auch Kunst soll für alle zugänglich sein und Begegnungen schaffen. Sie Der Schweizer Kurator Hans Ulrich Obrist, soll nicht einem elitären Zirkel gehören. KunstLeiter der Serpentine Gallery in London, hat bücher berühren einen mit einer Sprache, bei der kürzlich in seiner Magazin-Kolumne von einem es egal ist, woher man kommt und was für eine Gespräch im Taxi erzählt. Der Taxifahrer sagte, Geschichte man hat. Wir werden vor dem Eindas Museum sei kein Ort, wo er hingehöre. Lässt gang einen 40 Meter langen Tisch aufstellen, an sich das wirklich ändern? dem man isst und trinkt und miteinander ins Ja, ich glaube schon. Indem man immer wieder Gespräch kommt. Solche Momente zu schaffen, Initiativen startet, die die Menschen zusammensteht bei der Vermittlungsarbeit, die uns am HerJohannes Willi, 39, ist bringen. Ich betreibe zusammen mit Freunden zen liegt, im Zentrum. eine Pizzeria. Also haben wir den Schwarzen PeKünstler und zusammen mit Eveline Wüthrich und Thomas ter, den Verein für Gassenarbeit in Basel, ange«I Never Read» ist der erste Teil eines Zitats von Keller Co-Gründer der I Never fragt, ob sie an ihrem Grillfest bei uns Pizza baRead, Art Book Fair Basel. cken kommen. So kann man Momente des Andy Warhol, das weitergeht mit: «I just look at pictures». Ein Spiel mit der WidersprüchlichSie besteht seit 2012. Austauschs und der Kommunikation provoziekeit, wenn man eine Buchmesse so nennt? ren. Hans Ulrich Obrist nutzt ganz unterschied24

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FOTOS: ZVG

liche Formate genau dazu. Er hat zusammen mit einem Künstler innerhalb des Games Fortnite eine begehbare Serpentine Gallery gebaut. Dadurch waren Millionen von Gamern, die dort nie hingehen würden, virtuell in dem Ausstellungsraum. Obrist hat natürlich andere Kapazitäten, dafür stellen wir nun ein Team beim Strassenfussball-Turnier im Juni. Dahinter steht für uns ein ähnlicher Gedanke. Wenn Sie beim Pizzaessen mit dem Schwarzen Peter ein paar Kunstbücher mitbringen würden, um sie an Menschen zu verschenken, die vielleicht nicht oft mit Kunst in Berührung kommen, welche wären das? Ich habe bestimmte Publishers, die ich toll finde, zum Beispiel Conservative Books. Sie holen einen mit viel Humor und einer gewissen Unverschämtheit ab. Das ist sehr erfrischend – vielleicht gerade auch, wenn man selbst nicht nach der absoluten Norm lebt. Oder Calypso Press aus Kolumbien. Sie arbeiten mit Riso Druck, der ähnlich funktioniert wie die Siebdrucktechnik. Riso hat eine ganz bestimmte Ästhetik und ist eine Methode, mit der sich schnell und sehr günstig eine kleine Auflage herstellen lässt. Die Drucktechnik wird so quasi zur politischen Haltung, weil sie eine Möglichkeit der breiten Meinungsäusserung ist. In Lateinamerika ist das Publizieren als Kulturtechnik oft politisch aufgeladen. Die unabhängige «press» ist ein Sprachrohr zwischen Kunst und Aktivismus. Ihnen geht es um das integrative Moment der Kunst, um Austausch, das Spiegeln von Gesellschaft. Gleichzeitig gibt es den Kunstmarkt, auf dem Milliarden von Dollars durch die Welt geschoben werden. Ich habe nie ganz verstanden, wie zwei Pole entstehen konnten, die dermassen weit voneinander entfernt sind. Der Kunstmarkt funktioniert wie jeder andere Markt über Angebot und Nachfrage. Und bei der Kunst ist es nun mal so, dass damit spekuliert wird. Durch die aktiven Teilnehmer daran und das viele Geld, das in diese Wertanlagen – wozu Kunst in dem Moment wird – investiert wird, entstehen Spekulationsmechanismen und die Preise schiessen in die Höhe. Strassenmagazine gehen immer wieder Kooperationen mit Institutionen ein, die nah am internationalen Kunstmarkt sind. So hat Gerhard Richter dieses Jahr nicht zum ersten Mal das Düsseldorfer Strassenmagazin fiftyfifty mit dem Erlös einiger Werke unterstützt, und die geheimnisumwitterte Künstler*innenliste der Documenta Kassel wurde im Strassenmagazin Asphalt publiziert. Die NZZ taxierte solche Aktionen als «merkwürdige Medienpartnerschaften». Was meinen Sie dazu? Ich gehe davon aus, dass die Redaktionen dieser Magazine wissen, was sie tun, und traue ihnen den nötigen Verantwortungssinn zu. Ich selbst plädiere immer dafür, Austausch zu ermöglichen und unterschiedliche Welten zusammenzubringen. Aber es ist in Ordnung, wenn die NZZ das kritisiert. Denn der Diskurs dazu ist sicher wichtig. Wir selbst sind ein Verein und verdienen mit solchen Kooperationen kein Geld. Da halte ich die Gefahr für kleiner, dass man gegenseitig in seltsame Abhängigkeiten gerät.

Apokalyptisches Szenario Buch In «Das Jahr des Dugong» denkt John Ironmonger die Klimakatastrophe zu Ende und fragt nach der Verantwortung eines jeden von uns. Als Toby Markham erwacht, ist es wie eine Wiedergeburt, verbunden mit peinigenden Schmerzen. Und alles um ihn herum ist merkwürdig, unverständlich. Menschen in schäbigen Kleidern umgeben ihn. Gestalten mit seltsamen Namen, die eine unbekannte Sprache sprechen und keinerlei Mitleid zeigen. Die Wände sind trist, das Essen eintönig, die Fenster ohne Glasscheiben. Telefone scheint es nicht zu geben. Und plötzlich tritt eine Anwältin auf, und er ist nur noch der Angeklagte. Was man ihm vorwirft, ist schwerwiegend. Komplizenschaft bei Terrazid und Genozid, mitschuldig am globalen Massensterben. Anfangs hält Markham das Ganze für einen schlechten Scherz. Schlimmstenfalls ist er in die Hände fanatischer Umweltschützer*innen gefallen. Doch allmählich stellen sich Erinnerungen an sein früheres Leben ein. An ein Leben in Saus und Braus, als Vielflieger mit Vermögensverwaltung in London, Wohnort in Dubai und Skiferien im Val d’Isère. Aber auch an die letzte Strategiesitzung, an der ein apokalyptisches Szenario präsentiert wurde, Folgen einer Klimaerwärmung um 4 Grad Celsius. Doch den Vorschlag eines klimapositiven Vermögensportfolios lehnte er ab. Damit vergraule man nur die Klientel der Superreichen. Und dann Val d’Isère – und die Lawine. Langsam begreift der Protagonist, dass das Jetzt die Welt nach der Apokalypse ist. Und dass er für die Verbrechen der Vergangenheit zur Verantwortung gezogen werden soll. Eine Vergangenheit, in der alle alles gewusst und es doch aus selbstsüchtigen Motiven ignoriert haben. So wie er, Toby Markham, der stellvertretend für alle zur Rechenschaft gezogen werden soll. Auf ihn wartet die Todesstrafe, langsam und qualvoll. Das Szenario, das John Ironmonger in «Das Jahr des Dugong» entwirft, ist so radikal konsequent wie erschreckend realistisch. Und es stellt anhand des Schicksals des Protagonisten ganz allgemein die Frage nach der Verantwortung und der Schuld eines jeden. Wie würden wir auf eine solche Anklage reagieren? Wie uns rechtfertigen? Und was haben wir gegen die Katastrophe, auf die wir sehenden Auges zusteuern, unternommen? Doch «Das Jahr des Dugong» ist mehr als nur ein apokalyptisches Schreckensbild. Denn Ironmonger stellt diesem ein versöhnliches Ende entgegen, einen melancholischen Abgesang voller Poesie. Das macht dieses lesenswerte und fesselnde Buch zu einem Plädoyer für die Schönheit der Schöpfung. Und zu einem Appell, die Augen zu öffnen, bevor es zu spät ist. CHRISTOPHER ZIMMER

John Ironmonger: Das Jahr des Dugong – Eine Geschichte für unsere Zeit S. Fischer 2021, CHF 22.90

«I Never Read», Art Book Fair Basel, 15. bis 19. Juni, Kaserne Basel, Klybeckstrasse 1b. ineverread.com

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Bern /Zürich / Basel «Ambulacri», audiovisuelles Kunstprojekt, Fr, 3. bis Do, 23. Juni, Kunstraum Dreiviertel, Monbijoustrasse 69, Bern; Sa, 4. Juni, Live-Performance am Rhizom Festival, Rote Fabrik, Zürich; Do, 25. bis Mi, 31. August, Kino Rex, Bern, und während der Art Basel, 16. bis 19. Juni, genaue Daten siehe Angaben online. bothindustries.com

sound nicht zu und her. Aber es gibt hier klare Spielregeln: Auf dem Basler Rümelinsplatz werden Wohnzimmerteppiche ausgelegt, auf denen gespielt, gesungen, gejodelt oder anderswie akustisch Erfreuliches produziert wird. Alle Musiker*innen wechseln alle 20 Minuten den Standort, gespielt wird ohne Strom, Mikrofon und Verstärker, und kein Standort wird mehr als drei Mal bespielt. Mit dabei: der Surprise Strassenchor. DIF

Wil SG «Pulpokosmos», Ausstellung, bis So, 10. Juli, Do und Fr, 16 bis 19 Uhr, Sa und So, 11 bis 14 Uhr, Kunsthalle Wil, Grabenstrasse 33. kunsthallewil.ch

Die vier Künstler*innen Stella Höttler, Matteo Taramelli, Jacopo Biffi und Valentin Markus Oppermann haben ein transdisziplinäres Kunstprojekt kreiert, das Bildende Kunst, Performance und Klang vermengt: Ambulacri besteht aus einer Reihe von audiovisuellen Arbeiten und installativen Multimedia-Performances. Das Kunstprojekt fängt fiktive Schnappschüsse der zeitgenössischen digitalen Welt ein, wobei sämtliche User von den immer gleichen zwei nackten Performer*innen, mit Videocollagetechniken vervielfältigt, gespielt werden. Sie agieren dabei als normierte menschliche Modelle, die soziale Dynamik wird durch Kontrollalgorithmen gesteuert. Der virtuelle Raum als Echokammer: eine geschlossene Umgebung, in der sich die Gedankengänge innerhalb einer homogenen Gemeinschaft aufDIF grund der Wiederholung kommunikativer Muster radikalisieren.

Zürich «Extensions», Musiktheater, Sa, 4. Juni, 17 Uhr; Mi, 8. und Do, 19. Juni, je 19 Uhr; So, 12. Juni, 17 Uhr, sogar theater, Josefstrasse 106 (im Innenhof). sogar.ch War der erste Mensch mit Armbanduhr ein Aussenseiter? Und müsste man die Kochkunst nicht eigentlich als Auslagerung der Verdauung bezeichnen? Klar: Es geht um technische Erweiterungen des menschlichen Körpers. Der Begriff «Cyborg» wurde in den 60er-Jahren von zwei NASA-Wissenschaftlern erfunden. Sie dachten darüber nach, wie man den menschlichen Körper umbauen müsste, damit er im Weltraum überleben kann. Seither hat sich die Vision eines Mensch-MaschineMischwesens weiterentwickelt. Der Philosoph Enno Park trägt eine implantierte Hörhilfe und bezeichnet sich selbst als Cyborg. Die Autorin Anna Papst hat aus Gesprächen mit ihm den Text zu «Extensions» entwickelt. Es ist ein Musiktheaterstück geworden, in dem mit analogen wie elektronischen Hilfsmitteln

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die menschlichen Möglichkeiten auf der Bühne erweitert werden. So verändert eine Pianistin etwa mit einem Keyboard live die Stimme der Schauspielerin – sodass die Stimme mittels elektronischer Filter irgendwann so klingt, wie Enno Park sie hören würde. DIF

Basel «Teppichsound», unplugged festival, Sa, 25. Juni, 11 bis 16 Uhr, Rümelinsplatz. teppichsound.ch

Die Comicfigur «Pulp» ist das Markenzeichen des Bieler Künstlerpaars M.S. Bastian und Isabelle L. Das kleine Wesen ist ein Tropfen der Milchstrasse, der auf die Erde heruntergefallen ist und die beiden Kunstschaffenden seither immer wieder aufs Neue inspiriert. Seine eigenwillige Weltsicht verdichtet sich in seinem «Pulpokosmos» zu einem Wimmelbild, in dem sich sowohl Anspielungen auf die Popkultur als auch auf die Kunstgeschichte wiederfinden: Pappmaché-Figuren gesellen sich zu Zeichnungen und Installationen, bunt, bizarr und begehbar, getaucht in Lichterspiele, erfüllt von Zitaten,

Gesang, Lachen und manchmal Schreien. Das Künstlerduo hinter der Installation «Pulpokosmos» vermengt Rebellisches und Makabres mit Humor und Nachdenklichkeit zu einem wahrhaft schauMBE rig-schönen Potpourri.

Genève «Who cares? Gender and humanitarian action», Ausstellung, bis 9. Okt., Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Musée international de la CroixRouge et du Croissant-Rouge MICR, Av. de la Paix 17. redcrossmuseum.ch Welche Figuren prägen unsere Vorstellung von Pflege und Betreuung? In unseren Breitengraden assoziiert man Pflegende nach wie vor gerne mit Eigenschaften, die als typisch weiblich gelten: Hingabe, Fähigkeit zum Zuhören, Zuneigung, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl. (Und ja, die Krankenschwester existiert auch als Männerfantasie, es muss demnach tatsächlich etwas dran sein an der Verknüpfung von Berufsbild und Geschlecht.) Die Krankenschwester am Fusse des Bettes verwundeter Soldaten also – dieses Bild verkörpert ab Ende des 19. Jahrhunderts das Klischee der Pflege: Frauen, die ihre Kraft in der Linderung des Leids und in der Heilung finden. Mit Beiträgen aus der Medizin- und Geschlechtergeschichte, der visuellen Kultur und der Care-Ethik trägt die Ausstellung die Geschlechterstereotypisierungen in der Pflege zusammen. Und korrigiert sie, indem sie zeigt: Humanitäre Arbeit ist um einiges komplexer. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit des MICR und der Universität Genf, gefördert vom Schweizerischen NatiDIF onalfonds (SNF).

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Manchmal dienen strenge Regeln dazu, etwas extra Wildes entstehen zu lassen. Wie beim Sesseltanz zum Beispiel, bei dem ein Stuhl zu wenig da steht, sich aber trotzdem alle setzen sollen, wenn die Musik stoppt. Nun, so fies geht es beim Teppich-

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BILD(1): BOTH INDUSTRIES, BILD(2): ZVG, BILD(3): M.S. BASTIAN, ISABELLE L.

Veranstaltungen


mit dem Kioskhäuschen verbunden, bilden ein schönes Ensemble, Jugendstil wahrscheinlich. In einem gelben Kasten können die Bücher der Stadtbibliothek zurückgegeben werden. In derselben Farbe ist das Plakat gehalten, das für die Hotline der anonymen Alkoholiker wirbt. Weiter vorne steht ein auffälliger Rundbau, entworfen von einem berühmten Schweizer Architekten. Darin untergebracht ist die nüchtern angeschriebene Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Wichtige Institutionen brauchen keine protzigen Schilder.

Tour de Suisse

Pörtner am Aeschenplatz in Basel Surprise-Standorte: Aeschenplatz Einwohner*innen: 201 354 Sozialhilfequote in Prozent: 6,7 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 36,9 Geschichte: 1858 wollte man auf dem Aeschenplatz den Basler Zentralbahnhof bauen

Übersichtlich ist er nicht, der Aeschenplatz. Gelbe, grüne, schwarzweisse und weisse Trams fahren in alle Himmelsrichtungen, die Endstationen liegen teils schon im benachbarten Ausland. Hier bietet sich die Gelegenheit, in den letzten Jahren nur bedingt mögliche Auslandreisen nachzuholen, ohne die Umwelt oder das Budget zu belasten. Der Platz ist ein Schienenlabyrinth, um das Busse, Autos, Velos und Fussgänger*innen kreisen. Der Reisecar einer grossen Kreuzfahrtgesellschaft sammelt Passagiere ein, zu einer weniger umweltfreundlichen Reise in fremde Länder. Die Strassenschilder weisen in die Richtugen Zoo und Schmerzklinik. Eine alte, verzierte Stahlsäule trägt stoisch und zuverlässig Surprise 526/22

eine Anzahl der Leitungen, die es für den Trambetrieb nun einmal braucht. An jedem Ende des Platzes gibt es ein historisches Kioskgebäude. Vor dem einen werden an einem Stand Osternester für einen guten Zweck verkauft. Wer hier den Platz überqueren will, muss wachsam sein. Die meisten Passant*innen sind mit Einkaufstüten, andere mit grossen Koffern und einer mit einem durchsichtigen Kehrichtsack unterwegs. Genügend Bänke laden zum Verweilen ein, einige sind unter Konstruktionen aus Glas und Eisen vor Regen geschützt. Dort stehen auch zwei Bagger, die Gleise werden saniert, Dach und Bänke sind

Gegenüber steht das Turmhaus, das mit seinen sieben Stockwerken in dieser Stadt der hohen Turmhäuser den Titel Turm bald aberkannt bekommen dürfte. Eine altmodische Digitalanzeige an dem Gebäude informiert über Zeit und Temperatur: Es ist 13 Uhr 06 bei 16 Grad. Die analoge Uhr auf der anderen Strassenseite zeigt indessen unbeirrt zwölf Uhr an. Die lokale Zeitung, die zeitweise für mehr Schlagzeilen sorgte als sie produzierte, hat hier ihren Hauptsitz. Darum herum gibt es Banken, Apotheken, Versicherungen, zumindest werben diese auf den Fassaden. Pax heisst eine, und es ist zurzeit etwas verwirrend, dass dies kein Statement ist wie auf bunten, bestellbaren Fahnen zu lesen, sondern ein Firmenname. Eine Friedensversicherung gibt es jedoch nicht, die Prämien wären zu hoch. Ein Essenskurier sucht fluchend eine Adresse. In diesem Job drückt jeder Zeitverlust auf den Verdienst. Andere essen im Gehen oder im Stehen, etwa bei dem kleinen Brunnen, im Schatten der Bäume. Weiter vorn hämmert unentwegt der Hammering Man, ein Kunstwerk im Besitz einer Grossbank. Er erinnert die Leute in den umliegenden Büros daran, wie weit entfernt von eintöniger manueller Arbeit sie ihr Brot verdienen.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

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Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

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Eine von vielen Geschichten 01

Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti

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Sterepi, Trubschachen

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TopPharm Apotheke Paradeplatz

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Ref. Kirche, Ittigen

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

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Madlen Blösch, Geld & so, Basel

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Fontarocca Natursteine, Liestal

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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tanjayoga.ch – Yoga in Lenzburg & Online

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Breite-Apotheke, Basel

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Michael Lüthi Gartengestaltung, Rubigen

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Gemeinnützige Frauen Aarau

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Cornelia Metz, Sozialarbeiterin, Chur

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AnyWeb AG, Zürich

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Farner’s Agrarhandel, Oberstammheim

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BODYALARM - time for a massage

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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WBG Siedlung Baumgarten, Bern

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unterwegs GmbH, Aarau

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Hedi Hauswirth Privatpflege Oetwil a.S.

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Fäh & Stalder GmbH, Muttenz

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo

Negasi Garahlassie gehört unterdessen schon fast zum Winterthurer Stadtbild. Seit rund 15 Jahren ist Negasi Garahlassie als Surprise-Verkäufer tätig. Entweder verkauft der gebürtige Eritreer seine Magazine auf dem Wochenmarkt oder am Bahnhof Winterthur. Der Arbeitstag des 65-Jährigen beginnt frühmorgens und dauert meist so lange, bis der abendliche Pendelverkehr wieder abgenommen hat. Zusammen mit seiner Frau und seinen zwei erwachsenen Söhnen ist er auf das Einkommen des Strassenmagazinverkaufs angewiesen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das SurPlus-Programm unterstützt ihn dabei: Mit Krankentaggelder, bezahlten Ferientagen und einem Abonnement für den öffentlichen Nahverkehr.

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Wir alle sind Surprise #522: Es geht um mehr als symbolische Anerkennung

#Strassenmagazin

«Böse Männer, arme Frauen»

«Immer das Gleiche»

Bitte bleiben Sie beim Konzept des Namens Surprise. Mich hat bei dieser Nummer gestört, dass auch in Surprise der Ukraineüberfall Putins Thema sein musste. Eine «Surprise» war das nicht. Ich möchte von Ihnen überrascht werden, lenken Sie meine Aufmerksamkeit auf etwas, was mich in eine neue Welt führt, mich zum Denken verleitet. Ich mache nach der Lektüre eines Buches von Dobelli ein News-Fasten: Ich entscheide mich bei jedem Artikel nach Titel und erstem Abschnitt, ob ich meine Aufmerksamkeit weiter darauf richte. Ukraine: Nur einmal bis keinmal am Tag.

Normalerweise lese ich im Surprise jeden Artikel mit Ausnahme jener, die von vornherein als feministisch erkennbar sind. Das Interview mit der Soziologieprofessorin Dr. Nicole Mayer-Ahuja war sehr interessant und angenehm zu lesen bis zum Abschnitt mit der Frage «Woran denken Sie?» mit den BÖSEN MÄNNERN und den ARMEN FRAUEN. Die Männer sind sichtbar, die Männer haben Verträge, die Männer haben Mindestlöhne, die Männer haben eine starke Gewerkschaft, die Männer haben eine anerkannte Arbeit. Die Frauen haben einen Minijob, die Frauen müssen nachts arbeiten, die Frauen müssen schwarzarbeiten, die Frauen müssen für einen miesen Lohn arbeiten, die Frauen müssen in verlassenen Gebäuden putzen, die Frauen sind hochgradig abhängig, die Frauen dürfen mit niemandem über ihre Arbeit reden. Ich finde es eine Höchstleistung von der Soziologieprofessorin Dr. Nicole Mayer-Ahuja, in einem so kurzen Abschnitt eine solche Menge an Ungerechtigkeiten über Männer auszudrücken. Denn es gibt auch Männer mit einem Minijob, die nachts oder schwarz und für einen miesen Lohn arbeiten müssen, die putzen und hochgradig abhängig sind und nicht über ihre Arbeit reden dürfen. Der Abschnitt machte auf mich den Eindruck, dass es Hauptsache war, die Männer schlechtzumachen und wieder einmal eine feministische, gemeine journalistische Gewehrsalve auf Männer loszulassen.

R. HUBER, ohne Ort

W. OT T, Winterthur

Ich habe nun begonnen, den Surpriseverkäufer*innen jeweils CHF 5 direkt in die Hand zu geben und auf das Heft zu verzichten. Im Surprise steht nämlich (in vielen Variationen natürlich) immer das Gleiche, nämlich dass die Leute, die das Geld haben, um den Verkäufer*innen das Heft abzukaufen, genau die sind, die für deren Not verantwortlich sind; und auch für den Klimawandel und für die Not in Afrika, Asien und bei unseren Obdachlosen allgemein. G. SUTER, Sissach

#521: Krieg ohne Ende

«Ich möchte überrascht werden»

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 43 321 28 78 M+41 79 797 94 10 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Klaus Petrus (kp), Sara Winter Sayilir (win) Reporter*innen: Andres Eberhard (eba), Lea Stuber (lea) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Annette Boutelier, Marina Bräm, Petra Bürgisser, Kathrin Heierli, Michael Hofer, Anina Ritscher, Daniel Sutter Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassenverkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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FOTO: ANNETTE BOUTELLIER

Surprise-Porträt

«Ich wollte ein freies Leben» «Ich lebe seit bald fünfzehn Jahren in der Schweiz. An mein Leben davor mag ich gar nicht mehr denken. Gleich nach der Schule musste ich in Eritrea in den Militärdienst eintreten. Nach vierzehn Jahren im ‹National Service› und ohne Aussicht auf Entlassung hielt ich es nicht mehr aus. Ich wollte ein freies Leben. Im Januar 2007 flüchtete ich ins Ausland und stellte neun Monate später in der Schweiz einen Asylantrag. Nachdem dieser angenommen wurde und ich die Aufenthaltsbewilligung B bekommen hatte, konnten meine Frau und unsere vier Kinder, die ich in Eritrea zurücklassen musste, Gott sei Dank zwei Jahre später im Familiennachzug nachkommen. Seither ist viel passiert: Meine Frau und ich haben unser fünftes Kind bekommen, sind inzwischen aber geschieden. Mit einer anderen Frau habe ich ein siebenjähriges Mädchen und einen fünfjährigen Jungen. Meine Kinder aus erster Ehe haben bis auf den Jüngsten eine Lehre gemacht und sind am Arbeiten. Die älteste Tochter ist sogar schon verheiratet und hat selbst zwei Kinder. Surprise gehört seit mehr als dreizehn Jahren zu meinem Leben. Am Anfang, als meine Familie noch nicht hier war, war der Kontakt zu den Leuten beim Verkaufen und im Surprise-Büro Bern enorm wichtig. Gefragt zu werden, wie es einem geht oder wo man war, wenn man ein paar Tage nicht an seinem Verkaufsplatz auftauchte, tut bis heute gut. Viele Jahre habe ich bei der Migros in Bümpliz und in Bremgarten verkauft, mittlerweile bin ich in Hinterkappelen vor dem schönen und modernen Migros-Neubau. Normalerweise verkaufe ich Surprise am Freitag und Samstag jeweils vormittags, mehr Zeit habe ich nicht. Aufhören möchte ich nicht, der Heftverkauf war nämlich immer schon ein wichtiger Zusatzverdienst für mich. Ich habe neun Jahre im Einkaufscenter Shoppyland Schönbühl in der Reinigung gearbeitet. Dann hatte ich die Gelegenheit, einen Laden zu übernehmen. Die Idee, ein eigenes Geschäft zu haben, gefiel mir sehr. Nun führe ich seit bald drei Jahren meinen ‹Universal-Shop› in Bümpliz. Ich verkaufe vor allem Waren, die Leute aus Eritrea, Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern brauchen – wie zum Beispiel 30

Ande Weldemariam, 49, verkauft Surprise in Hinterkappelen bei Bern und hat einen eigenen Shop in Bern-Bümpliz.

Teffmehl für die Zubereitung des Sauerteig-Fladenbrots ‹Injera› oder verschiedene Kaffeebohnen, die man für die in Eritrea und Äthiopien typische Kaffeezeremonie braucht. Auch traditionelle Kleider und Accessoires für die Haare und Haarpflegeprodukte habe ich im Angebot. Die Waren beziehe ich meistens aus Äthiopien, weil es schwierig ist, sie in Eritrea zu bestellen. Dennoch gibt es Wege: Das eritreische ‹Asmara›-Bier zum Beispiel kann ich über einen anderen Shop-Besitzer in der Schweiz beziehen. Die Arbeit in meinem eigenen Laden gefällt mir, ich schätze meine Selbständigkeit sehr. Aber manchmal wird es mir auch zu viel. Der Shop ist ausser sonntags jeden Tag von elf bis neunzehn Uhr offen. Da ich mir noch keine Angestellten leisten kann, mache ich alles selbst. Neben dem Verkauf der Waren sind Hygiene und Warenkontrolle sehr wichtig. Alles muss sauber und in Ordnung sein. Sonst kostet es, wenn die Lebensmittelkontrolle kommt. Im Moment überlege ich mir, einen Teil des Ladens zu vermieten. So könnte ich zwischendurch ein paar Tage freimachen und mich erholen. Ich würde gern einmal mit den Kindern eine Woche Ferien in Italien machen, zuerst nach Milano fahren, dann ans Meer. Alles in allem aber geht es mir sehr gut. Ich habe in der Schweiz gefunden, wonach ich suchte: Freiheit.» Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

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Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Erlebnis

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE

Information

Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

BETEILIGTE CAFÉS

Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren.

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Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


IST GUT. KAUFEN! Machen Sie sich selbst eine Freude oder überraschen Sie jemanden mit einem passenden Geschenk. Sie unterstützen damit eine gute Sache.

SURPRISE-RUCKSACK CHF 99.– (exkl. Versandkosten) Modell Ortlieb-Velocity, 24l, wasserfest. Hergestellt in Deutschland. Erhältlich in ultramarin, silber und rot.

SURPRISE-GESCHICHTEN CHF 27.– (exkl. Versandkosten) Das Buch «Standort Strasse» porträtiert zwanzig Menschen, die es trotzt sozialer und wirtschaftlicher Not geschafft haben, neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen.

SURPRISE-HOODED-JACKE CHF 46.– und SURPRISE-T-SHIRT CHF 26.–(exkl. Versandkosten) Fruit of the Loom, kleines Logo vorne, grosses Logo hinten.

SURPRISE-MÜTZE CHF 35.– (exkl. Versandkosten) 100% Merinowolle, hergestellt in der Schweiz von Urs Landis Strickwaren in fünf unterschiedlichen Farben und in zwei Modellen. Links: Modell Knitwear / Rechts: Modell Klappkapp.

Weitere Informationen und Online-Bestellung: T + 41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo/shop

BESTELLFORMULAR SURPRISE-RUCKSACK rot

ultramarin

SURPRISE-T-SHIRT

SURPRISE-HOODED-JACKE

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Herrenmodell

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M

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Herrenmodell

Damenmodell

silber

SURPRISE-MÜTZE Modell:

SURPRISE-BUCH

rot

Knitwear schwarz

Klappkapp petrolblau

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