{kA}: Edition #1

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Kein

Raum ist eine Astrid

Mรถnnich

Insel



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K e i n

R a u m

E d i t i o n

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A s t r i d

# 1

e i n e

M รถ n n i c h

I n s e l


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V O R W O R T

Die Menschen losgelÜst und unabhängig vom Raum, als Geflecht von beweglichen Elementen,

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als vom Wahrgenommenen und Erlebten definiert 1 und vom „Habitus“ 2 unabhängig zu betrachten, würde es unmöglich machen, das Alltagsleben in seiner Komplexität zu verstehen.

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Wie kein Mensch für sich allein – als Insel – zu denken ist, muss auch sein kulturell geprägter Lebensraum im kulturwissenschaftlichen Zusammenhang betrachtet werden. Im gleichen Sinne ist kein Raum für sich abgeschlossen wie eine Insel zu betrachten,

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sondern als ein Gef端ge heterogener Elemente und Einfl端sse, weil sich in ihm gesellschaftliche Ideen und Interessen materialisieren. Die Auseinandersetzung mit dem Raum und seiner Gestalt verweist stets auf ein Feld unterschiedlichster Bestrebungen und damit auf individuelle, soziale, politische und 旦konomische Machtstrukturen, die 端ber die Raumgestaltung hinaus auch die Aneignung desselben bestimmen.

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„ S p a c e i s n o t a s c i e n t i f i c o b j e c t r e m o v e d f r o m i d e o l o g y a n d p o l i t i c s ; i t h a s a l w a y s b e e n p o l i t i c a l a n d s t r a t e g i c ” 3

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E i n l e i t u n g

Durch die Summe der Eingriffe in einen Raum schreiben sich „die Geschichte und ihre Folgen, die Diachronie, die Etymologie der Orte, d.h. all das, was dort geschehen ist und dabei Orte und Plätze verändert hat, in den Raum ein“. 4 Politische und wirtschaftliche Interessen, soziale Strukturen sowie die Geschichte eines Raumes objektivieren sich in dessen Gestaltung und wirken in Form von regulierten Verhaltensweisen und Kräfteverhältnissen auf den Menschen. Für die Beschäftigung mit der Atmosphäre, der Wahrnehmung und der Strukturierung des Raumes einerseits und der Beschreibung, Analyse und Bespielung von urbanen Raumstrukturen andererseits, bedarf es analytisch-konzeptioneller Überlegungen zum Raum.

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D i e

K o n s t i t u t i o n

v o n

R a u m

Ausgehend vom naturwissenschaftlichen „Behälter-Raum-Konzept“ 5 wird der „Raum als a priori gegebener ‚Behälter‘ für gesellschaftliche oder gesellschaftsrelevante Rauminhalte – also Menschen und Dinge“ gesehen. Aus dem Konzept den Raum als Behälter zu betrachten, entwickelt sich die Struktur der banalen Raumerfassung, die „den gesellschaftlichen strukturierten Raum auf erdräumliche Standortkonfigurationen“ reduziert. 6 „Abstrakte Räume“ kristallisieren sich, aus den „banalen“ Raumstrukturen heraus und integrieren ein „System funktionaler Beziehungen“, in dem Raum „als kategoriale Syntheseleistung (…) Kultur als Prozess“ 7 abbildet. Läpple argumentiert, dass Raum ebenso wie Kultur keine „banale Erscheinungsform“, sondern „Manifestation der ökonomischen Verhältnisse“ 8 ist. Demnach ist Raum „einerseits ökonomisch, rechtlich und machttheoretisch produziert und andererseits als von sozialen Gruppen in ihrer jeweiligen

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gesellschaftlich-hierarchischen Positionierung und dem konkreten sozial-räumlichen Setting konstruiert anzusehen“, so Dangschat. 9 Den „Raum (…) als Metapher für kulturelle Dynamik“ zu betrachten, knüpft an eine französische Wissenschaftstradition an, die sich hinsichtlich der Konzeption und Verwendung des Raumbegriffes von der angelsächsischen, die sich mit der Klärung von „Interdependenzen zwischen Naturraum, sozialer Organisation und symbolischer Repräsentation“ beschäftigt, unterscheidet. Die „Lokalisierung der zu erforschenden Phänomene wie Sach- und Kulturgüter, der Gewohnheiten, Bräuche und Erzählungen“ steht dabei in dieser angelsächsischen Tradition und hat den in der volkskundlichen Forschung verwendeten Raumbegriff stark geprägt. Dabei liegt der Fokus der symbolischen Repräsentation auf der „erdräumlichen Anordnung“ von materiellen Artefakten einschließlich der angeeigneten Natur und Menschen, wobei weder die ökonomische noch die soziale Dimension dieser Artefakte mit einbezogen wird.10

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Auch Lefèbvre definiert in „Die Produktion des Raumes“ die Aneignung eines „physischen Naturraums“ zur Schaffung eines „sozialen Raums“ durch die Domestizierung der Natur. Der (physische) Naturraum rückt unwiderruflich auf Distanz. Natürlich ist und bleibt er gemeinsamer Ausgangspunkt: der Ursprung/das Ursprüngliche des sozialen Prozesses, vielleicht Grundlage jeder Ursprünglichkeit. Natürlich verschwindet er nicht schlicht und einfach von der Bildfläche. Er bleibt als Bildhintergrund, als Dekor, das mehr als Dekor ist, bestehen und jedes Detail, jeder Naturgegenstand erfährt eine Aufwertung, indem er symbolisch wird (das kleinste Tier, der Baum, das Gras usw.) (…) Die Natur, dieser mächtige Mythos, verwandelt sich in eine Fiktion, in eine negative Utopie: Sie ist bloß noch der Rohstoff, auf den die Produktivkräfte der verschiedenen Gesellschaften eingewirkt haben, um ihren Raum zu produzieren.11 Eingeleitet durch den „vernunftkritische(n) Diskurs der späten Moderne und die interdisziplinäre Theoriebildung der feministischen Wissenschaft“ erfolgt durch die Einforderung des „Subjektiven“ eine wichtige Weiterentwicklung des Raumbegriffes.

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Dabei verleiht Hermann Bausinger Ende der 1980er Jahre mit seiner Aufforderung, „dem subjektiven, auf den Körper bezogenen Raum als kulturelle Dimension vermehrt Rechnung zu tragen“12, Nachdruck. Das Hervorheben des Subjektiven/des Subjekts in der Auseinandersetzung mit dem Raum ist besonders in der kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Analyse der 1980er Jahre zu erkennen. Die Etablierung des Konzepts „sozialer Räume“13 und weitere Untergliederungen wie „touristische Räume, Handlungs- und Kommunikationsräume“ sprechen für ein wachsendes Interesse und die Relevanz dieses neuentstandenen Raumbegriffes. Anfang der 1990er Jahre stellt Marc Augé der bestehenden Raumdimension, die historische und identitätsstiftende Komponenten umfasst, zu denen er die „traditionellen ethnologischen Fachgegenstände Haus, Platz, Quartier, Ortschaft und Region“ zählt, die durch ihre Abgeschlossenheit, Kontinuität und ihren Ortsbezug definiert werden, den transitorischen Raum als einen offenen, temporären, schnelllebigen und behelfsmäßigen Raum gegenüber.14 Ausgehend vom Gedanken des „subjektiven Raumes“ wird nachfolgend der Begriff des „sozialen Raumes“ „im Sinne eines alltäglichen Lebensraumes“15 weiter ausgeführt. In diesem sozialen Raum soll die Mehrschichtigkeit unserer Handlungen, die Wahrnehmungen im

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gesellschaftlichen Kontext, die daraus resultierenden Alltagssituationen und die Dynamik zwischen dem Menschen als „kulturschaffendes Wesen“ erfassbar werden. Der Begriff des sozialen Raumes konstituiert sich in Bezug auf einen physisch-geografischen Raum, wobei er dabei die grundlegenden Dimensionen des individuell-gelebten und des gesellschaftlichen Raumes umfasst. Der individuell-gelebte Raum bezeichnet den „aus der Perspektive des Menschen gedachten, interpretierten und handelnd erschlossenen Raum – ein Raum, der im Alltag produziert wird und hier seine kulturelle Wirksamkeit entfaltet“16. Der gesellschaftliche Raum bildet den Rahmen der individuellen Wahrnehmung und Aneignung von Räumen durch den Menschen, indem er als Bedeutungsträger strukturiert und somit konstitutiv für die Raumerfahrung ist, die durch eine „normative Codierung“ nicht in einem neutralen Rahmen stattfindet. Dies ergibt sich nach Lefèbvre aus der Beeinflussung des Raums durch geografische, bauliche, soziale, kulturelle Faktoren, die sich, das Individuum und den Raum als Ergebnis des Handelns gegenseitig beeinflussen. Der Raum wird dabei nicht als Produkt, Struktur oder Sache (chose) gesehen, da er sich entwickelt und innerhalb des Nebeneinanders und der Gleichzeitigkeit keine fixe Ordnung enthält. Durch diese Betrachtungsweise definiert sich Raum als Instrument, das in der Lage ist, die Komplexität und das Simultane individueller Handlungen „und somit Teil der Konstitution von Kultur“ abzubilden.17 Lefèbvre postuliert mit seinen Ausführungen zur Triade, bestehend aus der gesellschaftlichen Raumpraxis

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(wahrgenommener und realisierter Raum), der Raumrepräsentation (konzipierter Raum) und dem individuell realisierten Repräsentationsraum (gelebter Raum), einen äußerst wichtigen Moment der kulturanthropologischen Alltagsforschung. Er schafft so, ausgehend von einer subjektiven Raumpraxis, eine Verbindung der gesellschaftlichen Produktion von Raum, im Sinne einer Alltagswelt mit der dahinter liegenden Sphäre sozialer Netzwerke/gesellschaftlicher Konstruktionen und Raumerfahrungen. Basierend auf Lefèbvre’s Triade entwickelt sich ein Matrix Raum, dessen Dimensionen sich als „physischer Raum, individueller Handlungsraum, gesellschaftlich-normativer Raum, symbolischer bzw. Repräsentationsraum“ bezeichnen lassen. Eine wesentliche Leistung für die qualitative Kulturforschung stellt die Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen Handlungsebenen des gesellschaftlichen Raumes dar, in dem Menschen miteinander und mit dem Raum interagieren. Dabei fungiert der Mikro-Raum als Ort der „elementaren Raumerfahrung“ für den Menschen. Der Meso-Raum steht für die Handlungsebene der „regionalen Arbeits- und Lebenszusammenhänge“ sowie die „komplexen Verflechtungsstrukturen“ der Gesellschaft. Dazu grenzt sich der MakroRaum, als globales, hierarchisches System ab, das „die nationalen, regionalen und städtischen Räume“ miteinbindet.18 „Nur die ethnografische Beschreibung kann hier aufzeigen, wie die Praxis die Repräsentation unterläuft und auf der Mikroebene überwindet. Dort nämlich verläuft der Alltag ganz anders als ‚man’ denkt. Nicht der als ‚anders’ abgegrenzte Ort als Entität ist die Regel, sondern die Schnittmenge im Inneren wie mit dem Aussen.“19

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Eine weitere Möglichkeit der Differenzierung des Raumbegriffs ist jene nach Bollow, der Raum als ein Bezugsgeflecht von Mensch und Raum sieht und dieses in den „gelebten und erlebten Raum“ unterteilt. „Der Mensch konstituiert den Raum, der Bewährungs-, Ausdrucks- und Verwirklichungsform des in ihm lebenden und erlebenden und sich zu ihm verhaltenden Subjekts ist.“20 Räumliche Strukturen entstehen, wenn die „Konstitution von Räumen in Regeln eingeschrieben und durch Ressourcen abgesichert“ werden. Bedingt durch die Abhängigkeit zu „natürlichen Standortbedingungen“ und „kulturellen Rahmenbedingungen“ ergeben sich die vier folgenden Raummuster: organisch gewachsene (unregelmäßige), homogene (geordnete), repräsentative und ideale.21 Maßgebend für die Struktur organisch gewachsener Städte ist die individuelle Aneignung und Nutzung des Raumes basierend auf den natürlichen Gegebenheiten. Parallel zu dieser Struktur existiert das Pendant der „homogenen, geordneten Raumstruktur“. Ausgehend von einer übergeordneten Instanz (Staats-, Investitions-, Planungsmacht) wird der Handlungsraum des Individuums reglementiert und so ein „einheitliches räumliches System“ geschaffen.22 Durch das Nebeneinander von gewachsenem und geplantem Raum kommt es zu Widersprüchen und Konflikten, die sich in Interventionen, Überschreibungen und Überschneidungen als ein Merkmal städtischen Lebens und öffentlicher Raumnutzung manifestieren.23 In vorwiegend geplanten Räumen spiegeln sich die Funktionen, die Nutzungen, die Modalitäten und Richtungen, die durch eine Deutungselite definiert werden, im Stadtbild, das als Bedeutungs- und Ideologieträger fungiert, wider. Nach Baudrillard liegt das Problem geplanter Räume jedoch im Verlust der „natürlichen Intelligenz des Raumes“ durch eine – wie er es bezeichnet – „Bildschirm-Architektur“, die ein „einfacher Operator der Sichtbarkeit“ ist. Durch das Vertrauen der Planenden auf eine „künstliche Intelligenz“ gibt man die Verantwortung für „symbolische Formen“, die Statik und die Eingliederung des Konstrukts in das Stadtbild ab. Die oben beschriebenen Modifizierungen treten dann

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auf, wenn die „künstliche Intelligenz“ den „gelebten“ Raum auf eine digitale Ebene reduziert.24 Durch das Interagieren des Menschen ist jeder Alltagsraum als Ergebnis des gelebten Raumes ein transitorischer Raum, also als ein „Nicht Ort“ zu verstehen. Das transitorische Raumkonzept dient als Rahmen, um komplexe Handlungen und Haltungen, die sich aus der Interaktion zwischen Mensch und Raum ergeben, darzustellen. „(…) [N]iemals zuvor war die individuelle Geschichte (aufgrund ihrer unvermeidlichen Beziehung zum Raum, zum Bild und zum Konsum) so sehr in der allgemeinen Geschichte, also der Geschichte schlechthin, gefangen“.25 Ausgehend von der „Baudelaireschen Moderne“, in der die „alten Orte“ eingebunden, „registriert, klassifiziert und zu ‚Orten der Erinnerung’ erhoben“ werden, bildet Marc Augé die Hypothese der Nicht-Orte, in der durch die Übermoderne die alten Orte einen „speziellen, festumschriebenen Platz“ einnehmen. Nicht-Orte „schaffen keine Synthese, sie integrieren nichts, sondern autorisieren lediglich für die kurze Zeit, in der man sie passiert, die Koexistenz unterschiedlicher, vergleichbarer und gegeneinander gleichgültiger Individualitäten“26. Nicht-Orte als in die „Gegenwart expandierende[n] uneigentliche Orte“, spiegeln durch den „Verlust der Fähigkeit über den Ort Identität“ zu stiften, die Problematik transitorischer Räume als fließende Räume wider.27 Als „wertentleerte Räume“ verweisen sie auf noch vorhandene Fragmente des Ortes, da dieser niemals vollständig verschwindet und der NichtOrt sich niemals vollständig herstellt. Daraus resultiert, dass der „Nicht-Ort“ nicht für sich allein als abgeschlossene Einheit existiert, sondern sich immer in Bezug auf den Ort, das Vergangene konstituiert und sich an dieser Schnittstelle neue Orte bilden. In ihrer Eigenschaft als „fliehende Pole“ bedingen sie ein ständiges Überdenken von Identität und Relation.28 Obwohl Alltagsräume transitorische Räume sind, weisen sie durch eine Richtung, im Sinne von gerichtet, sowie Kulturmustern und Gesellschaftseinflüssen, Orientierungshilfen durch Grenzen und Öffnungen auf. „Hier offenbart die Raummetapher ihre sozialwissenschaftliche Relevanz, indem sie gesellschaftliche In- und Exklusionsprozesse zu beschreiben in der Lage ist.“ Da der Sozialraum als Verbindungsglied zwischen der von dem Standpunkt des Individuums und der Gesellschaft betrachteten Ebene fungiert, beschreibt Raum Kultur nicht nur als Prozess, sondern ist selbst Kultur.29

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Ende des 20. Jahrhunderts tritt der Themenkomplex der „Globalisierung“ und somit auch jener der „Global Cities“ als wichtiger, aber inflationär gebrauchter Aspekt in der Raumforschung auf. Globale Strukturen manifestieren sich in lokalen „Territorien“ und adaptieren und transformieren dabei die vorhandenen „spezifischen, historisch bedingten kulturellen, sozialen und ökonomischen Besonderheiten“. Die globale Entwicklung im lokalen Raum lenkt den Fokus auf die neu entstandenen Prozesse und Alltagspraktiken wie den der „Emblematisierung“ und den der „Fremdstigmatisierung“. Dies führt zur Umstrukturierung konkreter und symbolischer Räume. Grenzverschiebungen auf regionaler und lokaler Ebene werden als Folge nationalstaatlicher Grenzöffnungen und den diese nach sich ziehenden, inzwischen vielzitierten Menschen-, Güter-, Informations- und Ideenflusses beschrieben.30 Im Zuge dieser „lokalisierten Globalisierung“ tritt ein vermehrtes Interesse an der Konnexität von ökonomischen, politischen und kulturellen Prozessen und Alltagspraktiken im Raum auf. Mechanismen wie die Spekulation mit Grundstücken oder Aktien als auch die Privatisierung von Unternehmen gehen mit dem „Ausverkauf der Stadt“, wie ihn auch Saskia Sassen in ihrem Buch „Metropolen des Weltmarkts. Die neue Rolle der Global Cities“ beschreibt, einher. Besonders fokussiert werden dabei Stadträume mit zusammenhängenden, brachliegenden Flächen die Relikte wirtschaftlicher Traditionen, veränderter Produktionsbedingungen und einer Dezentralisierung von ökonomischen Funktionen sind. Als Folgeentwicklung des „Ausrücken des Stadtrandes“ kann es – wie von Thomas Sieverts beschrieben – zu diffusen, ungeordneten Strukturen kommen, die unterschiedliche Stadtfelder „mit einzelnen Inseln geometrisch-gestalteten Mustern, eine Struktur ohne eindeutige Mitte, dafür aber mit vielen mehr oder weniger stark funktional spezialisierten Bereichen, Netzen und Knoten“ aufweisen.31 In der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Prozess der Globalisierung von Räumen bedingt sich auch eine Weiterentwicklung der Begrifflichkeiten, die sich über den „territorialen-räumlichen Begriff“ als auch über die „virtuellen Räume“ definieren. Der Netzwerkgedanke der „Medienlandschaft“ erweitert bestehende „konkrete und symbolische Räume“, führt zu Überlappungen und einer vermeintlichen Überschreibung von Grenzen und „Zeitgebundenheit“32.

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Fluid Cities: Als Folge des erarbeiteten Verständnisses, in dem Raum zu e transformiert, ist die „Stadt als etwas Fließendes (Fluid Cities), Räume Raum ist als „Geflecht von beweglichen Elementen“, als „Resultat von Aktiv Erfahrung“ im Sinne Certeaus zu verstehen, dem der Ort als „eine momentan gegenübersteht.34

Durch den „Globalisierungsdiskurs“ beeinflusste Konzepte, wie Arjun Appadu Castells Konzept „Spaces of Flows“, schließen in ihren Ausführungen an di von Individuen an. Sie beschreiben wie Individuen über den Globus gleiten Raum in permanenter Bewegung befindet. Durch die „disruption of local comm ral enviroments of constant change“ und mit ihnen „Räume aus fließenden Ne Hannerz, der von „networks of social relations“35 spricht, oder auch von S als Netzwerk“36 sieht, und von Henri Lefèbvre, der „multifunktionelle und Raum stellt, kann das Konzept der Fluid City von Anja Schwanhäußer als „v Raums“ verstanden werden. Die Theorie der Fluid City bezieht sich auf ent der Globalisierung eine Veränderung erfahren haben. Diese Räume erlauben lust“ eine Entgrenzung und ein Umfunktionieren, das zur Verschiebung und turen führt. Dies entspricht der Auflösung der Machtstrukturen im Raum als räumlichen, sozialen und kulturellen Ordnung. Die Fluidität schafft trans kein Machtgefälle zwischen den symbolischen Ordnungen innerhalb des Raume

Die Ausweitung des Raumkonzepts von einem abgeschlossenen Raum zu einem N darf auch der Entwicklung neuer Begriffe, um den „veränderten Untersuchun

In den Ausführungen Martina Löws vom „placing“ und „spacing“ ist Raum nic gorie dreidimensionaler physischer Gegebenheiten zu betrachten, sondern a aktiv produzierter und reproduzierter Prozess. Sie definiert den Raum als von Lebewesen und sozialen Gütern“.39 Die (An)Ordnung wird durch „zwei analytisch zu unterscheidende Prozesse, seleistung“ gebildet. Spacing beschreibt den Platzierungs-, den Aushandlu Ensembles von sozialen Gütern und Lebewesen (Menschen). Die Syntheseleist Raum besteht in der Zusammenfassung von Gütern und Menschen über „Wahrneh innerungsprozesse“40.

Daraus resultiert, dass nur bereits zur Verfügung Stehendes in der Handlu Beziehung gesetzt werden kann. Spacing und Syntheseleistung sind somit en se, an Gegebenheiten im Feld gekoppelt.

Zusammengefasst entsteht Raum bei Löw durch die „Platzierung in Relation bei der es sich um das Anordnen von „sozialen Gütern und Lebewesen“ und a Ordnung“42, die Raum produziert, handelt. Somit ist „[d]er Konstitutionspr dend und -reproduzierend“43. 24


einem Netzwerk von Punkten auflösendes zu begreifen“33. vitäten“ und „als Dimension der ne Konstellation fester Punkte“

urais „Scapes“ oder Manuel ie postmoderne Entwurzelung n und sich mit ihnen auch der munity“ entstehen „ephemeetzwerken“. Ausgehend von Ulf Saskia Sassen, die die „Stadt polyvalente Ansprüche“37 an den vollständige Mobilisierung des tleerte Räume, die im Rahmen durch ihren „BedeutungsverBewegung von Ordnungsstruks Konsequenz der Auflösung der sfunktionelle Orte, in denen es es gibt.38

Netzwerk multipler Faktoren bengsfeldern“ gerecht zu werden.

cht als statisch gegebene Kateals ein sozial konstituierter, „eine relationale (An)Ordnung

das Spacing und die Syntheungsvorgang, die Bildung eines tung bei der Konstitution von hmungs-, Vorstellungs- oder Er-

ungssituation arrangiert und in ng an die Bedingungsverhältnis-

zu anderen Platzierungen“41, andererseits „gesellschaftliche rozeß von Raum (…) strukturbil-

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CONCLUSIO

27


“ T h e p r e s e n t e p o c h w i l l p e r h a p s b e a b o v e a l l t h e e p o c h o f s p a c e . W e a r e i n t h e e p o c h o f s i m u l t a n e i t y : w e a r e i n t h e e p o c h o f j u x t a p o s i t i o n , t h e e p o c h o f t h e n e a r a n d f a r, o f t h e s i d e - b y s i d e , o f t h e d i s p e r s e d . W e a r e a t a m o m e n t , I b e l i e v e , w h e n o u r e x p e r i e n c e o f t h e w o r l d i s l e s s t h a t o f a l o n g l i f e d e v e l o p i n g t h r o u g h t i m e t h a n o f a n e t w o r k t h a t c o n n e c t s p o i n t s a n d i n t e r s e c t s w i t h i t s o w n s k e i n . ” 44

28


„ K e i n R a u m i s t e i n e I n s e l “ t h e m a t i s i e r t d i e L o s l ö s u n g v o n o r t s g e b u n d e n e n K o n z e p t e n u n d d i e E n t w i c k l u n g d e s R a u m e s a l s N e t z w e r k g l e i c h z e i t i g e r P u n k t e . D e r O r t i s t n i c h t m e h r a l s r e i n e r O r t ( z . B . S t a d t t e i l , A u f f ü h r u n g s r a u m ) , s o n d e r n a u c h z u g l e i c h a l s „ g e g e n w ä r t i g i n d i v i d u e l l r e a l i s i e r t e r R a u m “ , z u v e r s t e h e n . „ W a h r g e n o m m e n e s , G e d a c h t e s u n d G e l e b t e s “ w i r d e b e n s o w i e k o m p l e x e u n d d y n a m i s c h e S c h n i t t m e n g e n k u l t u r k o n s t i t u i e r e n d e r a l s a u c h „ s y m b o l i s c h e r P r o z e s s e “ d a r s t e l l u n d e r f a s s b a r . 45 A u s d e n a n g e f ü h r t e n Ü b e r l e g u n g e n z u m R a u m , s e i n e r K o n z e p t i o n , E n t w i c k l u n g u n d N u t z u n g s c h l i e ß t s i c h , d a s s k e i n R a u m a l s e i n e I n s e l z u b e t r a c h t e n i s t , s o n d e r n a l s e i n N e t z w e r k v o n F a k t o r e n d i e i n B e z i e h u n g z u e i n a n d e r s t e h e n u n d s i c h i n v e r s c h i e d e n e n S e t t i n g s m a n i f e s t i e r e n .

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30


F USSNOTEN

{22} Kostov: Das Gesicht der Stadt, 1992, in: Vorle-

{01} Certeau: Praktiken, 2006, 325.

sung Raumorganisation und Planung SS 2006.

{02} Vgl. Bourdieu: symbolischen Formen, 1970, 143.

{23} Vgl. Rolshoven: Stadt, 2001, 22.

{03} Lefebvre, Henri: Reflections on the politics of

{24} Vgl. Baudrillard: Architektur, 1999, 22.

space, 1976, S. 31.

{25} Augé: Nicht-Orte, 1994, 140.

{04} Lefebvre, Henri: Die Produktion des Raums, in:

{26} Vlg. Augé: Nicht-Orte, 1994, 110.

Raumtheorie, 2006, S.330.

{27} Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 195f.

{05} Der von Läpple aufgenommene Begriff des Behälter-Raum-Konzeptes, das sich von Ein-

{28} Vlg. ebd., 83–140.

steins Theorie des „containers“ basierend auf

{29} Vgl. ebd., 203.

Newtons Theorie der absoluten Räume ableitet,

{30} Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 205.

bezieht sich auf die Kritik Perroux an der Abge-

{31} Sievets: Zwischenstadt, 1998, 15.

schlossenheit dieser Raumauffassung.

{32} Vgl. Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 205f.

{06} Vgl. Läpple: Essay,1992, 189ff. {07} Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 190.

{33} Schwanhäußer: Urbanität, 2008, 19.

{08} Läpple: Essay, 1992, 192.

{34} Vgl. ebd., Certeau, zit. n. Dangschat: Raumkonzept, 2007, 25.

{09} Vgl. Dangschat: Raumkonzept, 2007, 25. {10} Vlg. ebd., S 190 ff.

{35} Hannerz: Exploring, 1980, 163ff.

{11} Vgl. Lefèbvre: Production,1991, 31.

{36} Sassen: globale Stadt, 1994, 71-90.

{12} Vgl. Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003,

{37} Lefèbvre: Revolution, 1972, 139. {38} Vgl.: Schwanhäußer: Urbanität, 2008, 22.

193ff.

{39} Vgl. Löw: Raumsoziologie, 2001, 224.

{13} Bourdieus Definition von sozialem Raum ist u.a. stark geprägt von seinen Konzepten Hab-

{40} Vgl. ebd., 160.

itus, Lebensstil und Kapital, vgl. dazu:

{41} Vgl. Löw: Raumsoziologie, 2001, 224.

Schwingel, Markus: Bourdieu zur Einführung,

{42} Vgl. ebd., 166ff.

2003, 103–124.

{43} Ebd., 226. {44} Foucault: Other Spaces, 1986, 22.

{14} Vgl. ebd., Rolshoven: Raumkulturforschung,

{45} Vgl. Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003,

2003,195.

209f.

{15} Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 196. {16} Vgl. Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 197. {17} Vgl. ebd., 199. {18} Läpple: Essay, 1992, 197f. {19} Rolshoven: Raumkulturforschung, 2003, 207; siehe dazu auch Pétonnet (1985) und Ipsen (2003). {20} Vgl. ebd., 201–203, siehe dazu auch Graf von Durkheim (1932), Bollow (1963). {21} Vgl. Löw: Raumsoziologie, 2001, 272.

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K a n z l e i

für

R a u m b e fr a g u n g e n

Die Kanzlei für Raumbefragungen wurde 2010 von Gerriet K. Sharma, Saskia Reither und Nico Bergmann mit Sitz in Graz und Köln gegründet, um das Projekt {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft zu realisieren. Im Herbst 2012 wurde die Gruppe durch Astrid Mönnich ergänzt. In der Gründungsphase diente die Kanzlei als Plattform zur Steuerung und R e a l i s i e r u n g d e r k l a n g k ü n s t l e r i s c h e n We r k r e i h e u n d a l s A u s g a n g s p u n k t z u r Ve r n e t z u n g m i t a n d e r e n r a u m b e z o g e n e n k ü n s t l e r i s c h e n u n d t h e o r e t i s c h e n Ansätzen. Die im Rahmen ihrer Tätigkeit gemachten Erfahrungen wurden im R a h m e n v o n Wo r k s h o p s u n d L e c t u r e s s o w i e B e i t r ä g e n i n w i s s e n s c h a f t l i c h e n Publikationen einem breiteren Publikum vorgestellt. Ende 2012 richtete d i e G r u p p e e i n e e i g e n e We r k s t a t t i n K ö l n e i n . S e i t 2 0 1 3 v e r ö f f e n t l i c h t d i e Kanzlei neben den Publikationen über die Gebäude-Klangkompositionen des Projekts {kA}: keine Ahnung von Schwerkraft die {kA}: Edition im E i g e n v e r l a g . D i e A k t i v i t ä t e n d e r G r u p p e w e r d e n i n F o r m v o n Te x t e n , F o t o s u n d A u d i o a u f n a h m e n a u f w w w. k a v s . c c d o k u m e n t i e r t .

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34


IM P R ESSUM

AUTO R IN Astrid Mönnich

G e s t a l t u n g Nico Bergmann

Fotografie Titelseite Marcus Gossler

.

M e d i e n i n h a b e r

u n d

H e r a u s g e b e r

{kA}: Kanzlei für Raumbefragungen

G e r r i e t K . S h a r m a , S a s k i a R e i t h e r, Astrid Mönnich, Nico Bergmann

.

K o n t a k t

Kanzlei für Raumbefragungen z.H. Nico Bergmann Deutz-Mülheimer Straße 127 51063 Köln

kanzlei@kavs.cc

.

Mit Liebe gedruckt von scanlitho.teams und Nico Bergmann.

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w w w . k a v s . c c © 2 0 1 3




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