Das Evangelium im Römerbrief (G. J. van Aalst)

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DAS EVANGELIUM IM RÖMERBRIEF

ERRET TUNG FÜR ALLE, DIE

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Gijsbert Johan van

Aalst



DAS EVANGELIUM IM RÖMERBRIEF

ERRET TUNG FÜR ALLE, DIE

GL AUBEN

Gijsbert Johan van

Aalst


1. Auflage 2016 © 2016 by Verlag VOICE OF HOPE Eckenhagener Str. 43 . 51580 Reichshof-Mittelagger . Deutschland Umschlag und Satz: Verlag Voice of Hope Druck: Gemeindebrief Druckerei Bestell-Nr.: 875.329 ISBN 978-3-941456-29-7 Bibelzitate sind der Schlachter 2000 Genfer Bibelgesellschaft entnommen. Andere verwendete Bibelübersetzung und ihre Abkürzung: Lutherbibel 1912 (LUT)


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Vorwort Welche Botschaft war jemals oder ist bis heute so einschneidend wie das Evangelium von Jesus Christus?! – Keine Wahrheit ist von größerer Bedeutung. Das Evangelium von Jesus Christus ist der größte Schatz, der der Gemeinde Jesu und dem einzelnen Christen gegeben wurde. Die Heilige Schrift ist voll von Botschaften, und die geringste unter ihnen ist wertvoller als der gesamte Reichtum der Welt und wichtiger als die größten Gedanken, die jemals im Verstand des Menschen geformt wurden. Das Gesetz Moses und die Worte der Propheten weisen von ihnen selbst weg, hin auf diese eine Botschaft der Errettung. So ist das Evangelium von Jesus Christus die eine große und grundlegende Botschaft des christlichen Glaubens und die Grundlage der Hoffnung des Gläubigen. Es ist die Kraft Gottes zur Errettung und die größte Offenbarung der Weisheit Gottes. Das erste Ziel des Römerbriefes ist es, die Frage zu beantworten: „Wie kann ein sündiger Mensch vor Gott gerecht werden?“ Daher entfaltet dieser Brief die einzige rettende Botschaft – das Evangelium von Jesus Christus und der Gerechtigkeit Gottes, die Er einem Sünder aus Gnade zurechnet. Gott hat Seine Kraft in das Evangelium hineingelegt. Es ist die einzige Kraft im Weltall, die Glauben wirkt und Sünder rettet. Die Kraft zur Rettung liegt in der Botschaft, dass Jesus Christus für Sünder gekreuzigt und auferweckt wurde. „Das Wort vom Kreuz ist … eine Gotteskraft“ (1.Kor. 1,18). Der Apostel Paulus ergänzt am Ende von Röm. 1,16: „... für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen.“ An jedem Glaubenden erweist sich die Gotteskraft des Evangeliums in der Rettung. Dem glaubwürdigen und treuen Gott zu glauben, dem, was Er sagt zu glauben, ist kein Verdienst, ebenso wenig wie man sich die Gnade verdienen kann. Da der Mensch das nicht kann, gewährt Gott es den Seinen aus lauter Gnade, an Ihn zu glauben (Phil. 1,29). Doch nicht der Glaube �5�


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rettet, sondern Gott rettet durch Seine Kraft, die Er in das Evangelium hineingelegt hat. Der gerechte Gott gewährt denen, die Ihm glauben, heute bereits die volle Gerechtigkeit, indem Er sie rechtfertigt, das heißt von allen Sünden freispricht und für gerecht erklärt. Das Evangelium, das Paulus im Römerbrief verkündigt, gibt Aufschluss über die Gerechtigkeit Gottes. So sind auch wir aufgefordert, als Gerechtfertigte nun im Glauben zu leben, wie der Apostel Paulus es in seinem Brief an die Römer weiter ausführt und wie er selbst es praktiziert; in Galater 2,20 bezeugt er: „Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich Selbst für mich hingegeben hat.“ Unser ganzes Leben lang wird dieses Evangelium Wirkungen zur Verherrlichung unseres Gottes und Vaters erzeugen, die wir – auf uns selbst gestellt – niemals hervorbringen könnten. Es wird unsere Gesinnung erneuern (Röm. 12,2) und der Frucht des Geistes Bahn brechen: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung (Gal. 5,22).

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1. TEIL Liebe Missionsfreunde, liebe Brüder und Schwestern, liebe Kinder – ich freue mich, als Ihr Gast aus Holland in Ihrer Mitte zu sein, in herzlicher Verbundenheit mit euch. Eigentlich bin ich eingeladen worden von den „Freunden von Heidelberg und Dordrecht“ – und hierhin zum ersten Mal. Und irgendwie freue ich mich. Aber es ist auch das erste Mal, dass ich in dieser Weise das Wort führe. Ich möchte mich zuerst vorstellen: In meinen Studentenjahren habe ich in Amsterdam Germanistik studiert, deutsche Sprache und Literatur, und dazu bin ich auch in Deutschland gewesen, damit mir diese Sprache geläufig würde. Aber ich bin und bleibe ein Holländer, mit meinem begrenzten Wortschatz im theologischen Bereich, auch dadurch, dass meine Ausbildung literarisch-kulturell und nicht theologisch geprägt war. Hinzu kommt, dass es schon lange her ist, dass ich Unterricht gab und Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren begleitete. Und vom Unterricht und der Begleitung von Jugendlichen her war es Gottes Weg in das Amt, wo ich in einer reformierten Gemeinde in Holland, in der Umgebung von Rotterdam, diene und auch einbezogen bin in die Ausbildung von Studenten, die vorbereitet werden auf die Verkündigung. Das ist es, was den Anfang meiner Entwicklung betrifft. Und jetzt, meine lieben Missionsfreunde, jetzt haben wir den 31.10.2015. Das Datum für unsern Missionstag wurde bewusst auf das Reformationsfest gelegt. Dieses Fest wird in verschiedenen Kirchengemeinden in Holland mit denselben Sorgen begangen wie hier, denn wir leben in einer heidnischen Umgebung, mit Spannungen und Fragen, wie wir als Christen in der neuzeitlichen Gesellschaft stehen bleiben und treu am Wort Gottes festhalten können. Das heutige Datum, der 31.10., ist etwas Besonderes; die Reformation ist fast 500 Jahre her, und es wird viel veranstaltet auf dem Weg zu dem Jahr 2017. Die Reformation ge�8�


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schah hier in Deutschland. Dadurch bedeutet dieses Land für mich »das Nachbarland von Luther – und auch von Bach«. Und wir als Gemeinden in Holland verdanken diesem Land vieles! Es ist alles Gottes Führung gewesen, und das ist es, was uns nicht nur verbindet, sondern es bringt und bindet uns auch zusammen an einem Tag wie diesem. Was ist damals geschehen? Etwas, das nicht von Menschen geplant oder organisiert worden ist. Es ist die Kraft des Evangeliums, die Kraftwirkung Gottes. Es ist das Werk Gottes, des Vaters, nach Seinem Wohlgefallen, das Werk Gottes, des Sohnes, in Seinen überfließenden Verdiensten, und – nicht zu vergessen! – das Werk des vom Tode lebendig machenden Heiligen Geistes, der HERR ist, der den Glauben einpflanzt und einübt und das neue Leben anfängt und in Seiner Treue bis zum Ende vollführt. Und dieses Sein Werk im Herzen von jenem Deutschen, Martin Luther, ist der Anfang der Reformation geworden. Das dürfen wir – und besonders unsere lieben Kinder und Jugendlichen, die glücklicherweise auch hier dabei sind, worüber ich mich sehr freue! – das dürfen wir nicht vergessen, niemals! Denn die Kirchengeschichte lehrt uns leider, dass wir aus der Kirchengeschichte nichts lernen und immer wieder dieselben Fehler begehen, dieselben Lehrfehler, dieselben Abweichungen von der Heiligen Schrift, vom festen Fundament, vom Werk des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Ich möchte so gern nachdrücklich dieses betonen: das Werk von Vater, Sohn und Heiligem Geist, gebunden an die Schriften. Liebe Freunde, in Wendepunkten der Zeit handelt es sich darum, was Gott tut und getan hat. Ich erzähle jetzt nicht die Lebensgeschichte von Martin Luther – wie er gerungen, gebetet und geweint hat, denn meine Zeit ist beschränkt –, sondern was Gott getan hat. Luther sah so viel, nicht nur die Schäden in der Organisation der Kirche, dass sie nur auswendig etwas scheinen wollte; er sah ihre Abweichungen von der Wahrheit, dass sich alles darum drehte, was der Mensch gerne will und was der Mensch tut, was der Mensch gerne hört, und was der Mensch – was der Mensch – was der Mensch, immer wieder; das ist typisch nicht �9�


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reformiert und nicht biblisch: dass der Mensch zentral steht. Aber biblisch reformiert ist, dass Gott zentral steht, Gott und Seine Ehre, Gott und Sein Wort, Gott und Sein Gesalbter, Gott und Sein Geist, Gott und Sein Wohlgefallen, Gott und Sein … usw., im Denken, im Erfahren und auch in unserer Arbeit, auch in unserer Missionsarbeit. Das ist es, was wir schon zu Beginn dieses Tages deutlich gehört haben: Es geht nicht um die Kraft von Menschen, und sicher nicht um die Ehre von Menschen, nicht um Namen von Menschen – das fällt alles weg. Aber lasst uns daran denken, dass der Herr Jesus gesagt hat: Wenn wir nicht zu beten wissen, wie wir sollten, dann dürfen wir anfangen zu bitten: Dein Name werde geheiligt, Dein Reich komme, usw. Ja, es ist alles Deine Gnade, o Gott! Und die Gnade ist frei; die Gnade ist der Herr niemandem schuldig, mir sicher nicht! Gnade! Und da gibt es drei Ausdrücke, die in diesen Tagen in Holland, wenn wir an die Reformation erinnert werden, immer wieder betont werden. Aber es handelt sich nicht nur um diese Ausdrücke, diese Worte, sondern es handelt sich darum, dass ihr Inhalt in unseren Herzen einen Platz gewonnen hat. Welche drei Ausdrücke sind gemeint? Sie haben sie sicherlich schon gehört; auf Lateinisch heißt es »sola«, d.h. allein, einzig! »Sola scriptura«, allein die Heilige Schrift – nicht die Tradition, nicht das Gefühl von Menschen, nicht Auffassungen von Menschen, nicht etwas Kulturgebundenes. Wir wissen uns miteinander verbunden im Wort Gottes, weil es für uns zentrale Bedeutung hat: »sola scriptura«! Das ist das erste Sola der Reformation. Das zweite ist: »sola gratia«, allein die Gnade – wohlgemerkt: nicht nur als Wort oder Ausdruck, sondern als Gedankengut, als Zentrum des Wissens, des Sprechens, des Erfahrens. Darum handelt es sich: um die Gnade. Demgegenüber steht nur Schuld, nur Sünde, nur Verlorenheit! – Gnade, Gnade, freie Gnade! Ich will mit Ihnen so gerne das Lied von Gottes Gnade in Christus singen, denn das ist unsere Hoffnung! »Sola scriptura, sola gratia«! � 10 �


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Das dritte: »sola fide«, allein der Glaube. Dabei geht es um die Frage: Wie komme ich zu dem Erlöser, wie lerne ich Ihn kennen mit meinem Herzen? Das ist eine Lebensfrage – ich hoffe, für uns alle! Wenn Calvin seinen Katechismus anfängt mit der ersten Frage: „Was ist das Ziel des menschlichen Lebens?“ – das heißt: Wofür leben wir? Was ist der Sinn meines Lebens, Ihres Lebens? –, dann war seine Antwort in Genf: „Dass ich lebe zur Ehre Gottes.“ Haben wir das Gedankengut der Reformation verloren? – Und wenn die Puritaner im englischsprachigen Raum zusammenkommen, mit ihrer „Westminster Konfession“ von 1647, und ehrerbietig auf die Worte Gottes hören, dann fragen sie in der ersten Frage ihres Bekenntnisses dasselbe wie Calvin: „Wozu dient das menschliche Leben? Antwort: Dass ich lebe zur Ehre Gottes.“ Nun, das ist aber seit Genesis 3 (1.Mose 3) nicht mehr der Fall! Deshalb ist es notwendig, dass wir, Jung und Alt, wiederum (von neuem) geboren werden, das neue Leben kennenlernen von Anfang an, dass das neue Leben in uns eingepflanzt wird durch den Heiligen Geist, der das Wort Gottes dazu gebraucht und es uns verkündigen lässt. Ich bin beschäftigt mit der Frage des dritten Soli: »sola fide«, allein der Glaube. Woher kommt der Glaube denn? Wir haben gehört, dass Gott dazu das Mittel der Heiligen Schrift gebraucht. Und dass Gott »sola gratia« wirkt, allein aus Gnade. Nun, dann wissen wir doch, dass der Glaube nicht ein Werk oder Verdienst der Menschen ist, sondern dass er eine Gnadengabe Gottes ist, wobei wir völlig abhängig sind von der Wirkung bzw. vom Werk des Heiligen Geistes. Und das ist das, was die „Freunde von Heidelberg und Dordrecht“ hervorheben, nämlich nicht, dass die Tradition bestimmend sei und alles sei, und dass es früher besser gewesen sei, und heute sei alles nichts; das lehren sie bestimmt nicht. Statt dessen wollen sie uns zeigen, dass wir nicht als Erste die Bibel lesen, und dass wir uns verbunden wissen mit der Kirche der Jahrhunderte. Und die Kirche der Jahrhunderte hat gottesfürchtig auf die Schriften und auf den Heiligen Geist gehört, und wir stehen in herzlicher Verbundenheit mit denselben Schriften, durch die Wirkung bzw. das Werk des Heiligen Geistes – desselben Heiligen Geistes, der auch uns verändert. � 11 �


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Auch das dürfen wir sehen: Welche Unordnung, welche Sorgen, welche Schuld, welche Probleme es in unserer Zeit auch gibt – das Wort ist dasselbe, du als Mensch bist derselbe, der Heilige Vater des Herrn Jesus Christus ist Derselbe, der Sohn, Immanuel, ist Derselbe, und der Heilige Geist ist Derselbe. Das gibt Ruhe in einer unruhigen Zeit! Es handelt sich darum, dass dies in mein Herz gelegt wird, dass es persönliche, existentielle, erfahrungsmäßige Wirklichkeit wird in meinem Leben! – Glaube, allein der Glaube: Reformationspunkt drei. Das ist im Laufe der Jahrhunderte ein Streitpunkt geworden. „Woher kommt der Glaube?“, fragt unser Trostbuch aus Heidelberg. Ja, woher kommt der Glaube? Da antwortet man einfach: „Vom Heiligen Geist, der den Glauben in meinem Herzen wirkt.“ Und alle Werkerei, Arbeit, Verdienste des Menschen werden beiseite geschoben; es bleibt nur übrig: Es ist alles von Dir, Herr, von Dir allein, nach Deinem ewigen Wohlgefallen! Das bleibt übrig. Meine lieben Freunde, es ist auffallend, dass jeweils in Wendepunkten der Zeiten die Wahrheit der Heiligen Schrift aufgegangen ist als Licht in der Finsternis. Ich könnte jetzt von Augustin sprechen; Sie wissen wahrscheinlich wohl etwas von ihm: Er war ein begabter junger Mann – und sündig. Da war eine Mutter, die nur betet, und ein Sohn, der nur sündigt – eine Mutter Monika, die zu Gott schreit, und ein Sohn, der nicht nur studiert, sondern auch der Sünde dient. Das ist die Wirklichkeit. Und dann kam die Gnade! Darum hat Augustin nach seiner Bekehrung sein Leben lang von der Gnade gesungen. Und was war Augustin besonders wichtig in seinem Leben? Der Römerbrief! Was ist es gewesen im Leben Luthers? Der Römerbrief! Was ist es gewesen im Leben Calvins? Der Römerbrief! Und – ich weiß nicht, ob Ihnen jener Name bekannt ist: Dr. Kohlbrügge aus Wuppertal-Elberfeld. Ich weiß noch aus meiner Studentenzeit, dass ich monatelang dort gewesen bin; es ist noch eine kleine Gemeinde da, auf dem Kirchhof, vielleicht vierzig Leute waren es. Als ich da war, traf ich eine alte Oma, die zu mir sagte: „Ich habe viele Bücher von Kohlbrügge, von Dr. Hermann Friedrich Kohlbrügge; nimm sie mit! Denn wenn ich nicht mehr da bin, � 12 �


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werden sie weggeworfen.“ Und ich erinnere mich gerade in diesen Tagen daran, wie ich damals mit meinem Koffer auf dem Bahnhof von Wuppertal stand und dachte: „Es ist nicht recht, daß ich diese Bücher mitnehme nach Holland! Eigentlich müssen sie hier bleiben!“ Dr. Hermann Friedrich Kohlbrügge wirkte in seiner Niederländisch-Reformierten Gemeinde in Wuppertal-Elberfeld – ich weiß nicht, was davon übrig ist. Aber auch bei ihm sieht man, wie viel ihm der Römerbrief bedeutete, vor allem Römer 7 und 8! Und darum wollte ich bei diesen Kapiteln, wegen der begrenzten Zeit dieses Morgens, nur einen Augenblick stehen bleiben und eine kurze Andacht abhalten. In Wendepunkten der Zeiten ist der Römerbrief immer wieder vom Heiligen Geist gebraucht worden. Der Römerbrief war nicht der erste Brief von Paulus, aber er steht gleichwohl als erster Brief im Neuen Testament. Warum wohl? Wir wollen uns jetzt mal beschränken auf Luther. Schade, er hat Dinge gesagt über die Juden – schade! Aber wenn es sich handelt um Gnade, wenn es sich handelt um die Heilige Schrift, wenn es sich handelt um Christus, dann hat er völlig und immer wieder unser Herz! – Drei Teile des Römerbriefes haben in seinem Leben eine wichtige Bedeutung gehabt: Röm. 1,16-17; Röm. 3,21-22; Röm. 10. Da geht es um den Sinn und Zweck des Gesetzes, zur Gerechtigkeit für jeden Glaubenden. Insofern die Zeit es zulässt, will ich darüber etwas mehr sagen, in Verbundenheit mit dem, was mein Bruder gerade gesagt hat. Es handelt sich um diese Worte aus dem Römerbrief: „Denn“, dreimal steht hier „denn“. Dieses Wort weist auf den Grund des eben Gesagten hin. Paulus schreibt: „16 Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen; 17 denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: (Habakuk, AT:) ,Der Gerechte wird aus Glauben leben‘“ (Röm. 1,16-17). Darüber möchte ich kurz sprechen, liebe Freunde.

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Es geht im Wendepunkt der Zeit um den Römerbrief; und dies ist der Kern des Römerbriefes; hier sind die drei Soli zusammengefasst, in Kurzfassung. „Denn“ – „ich will es jetzt begründen“, will Paulus mit diesem Wörtchen sagen. Er hat die Römer bis dahin nie getroffen; er hat aber vor, nach Rom zu reisen. Drei Missionsreisen hat er schon hinter sich; jetzt will er gerade mit Gaben nach Jerusalem reisen und dann sein Arbeitsfeld nach Europa ausdehnen. „Der Mensch denkt (überdenkt seinen Weg), aber Gott lenkt“, sagt ein Sprichwort. Das ist auch noch heute so. Wir denken zu wissen, was gut für uns sei; aber Gott lenkt – glücklicherweise! – Paulus ist wirklich in Rom angekommen, aber nicht so, wie er gedacht hat; er ist angekommen als Gefangener! Was Gott tut, ist wohlgetan, immer, jetzt auch! Denn dieses Gehirn ist beschränkt, im Gegensatz zu dem allmächtigen, allweisen Gott – der Abstand ist so groß, und ich vermehre meine Schuld täglich; daher stehe ich in Schuld vor Gott! Eigentlich kommt es zu einem Prozess, vor dem höchsten Richter: Ich muss, du musst, Sie müssen erscheinen vor dem Richterstuhl Gottes! Das ist der Ernst, liebe Leute, der Ernst des Lebens! Und wie soll ich dann vor Gott erscheinen?! Ist das Ihre Frage? Wie kann ich allein erscheinen vor Gott, mit welchem Trost? Um diese Frage handelt es sich, in einer systematischen Lehre der Bibel! Unsere Staatenübersetzung in Holland hat erklärende Anmerkungen, wie auch meine Luther-Bibel von 1912, die deutsche Jubiläumsbibel, sie hat, mit erklärenden Anmerkungen. Das ist meine deutsche Bibel – sie ist vielleicht ein wenig alt, aber die Anmerkungen sind so gut! Da steht auf Holländisch, dass der Römerbrief der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Heiligen Schrift ist. Das heißt: Wenn wir den Römerbrief nicht verstehen – und ich meine nicht nur verstandesmäßig, sondern erfahrungsmäßig! –, wenn wir diesen wichtigen Brief nicht verstehen, verstehen wir auch die ganze Bibel nicht! Und es ist schade, sehr schade, tragisch eigentlich, dass wir den Römerbrief schwierig und zu dogmatisch finden, und dass wir lieber die einfachen alttestamentlichen Geschichten und die in den Evangelien lesen. Sie sind natürlich gut und wichtig; aber wir brauchen vor allem den Römerbrief, eine systematische Erklärung der ganzen Heiligen Schrift! Das Verständnis desselben führt uns unter den Segen Gottes, den � 14 �


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wir auch heute so sehr benötigen, worum wir beten auch für Deutschland und für das Missionswerk, das verrichtet wird. „Denn“, sagt Paulus hier in V. 17 – mit diesem Wörtchen will er jetzt das vorher Geschriebene erklären. Er ist sich dessen bewusst, dass er diese Christen dort in Rom, in jener Kulturstadt mit so vielen verschiedenen Völkern, mit Problemen, mit Spannungen, mit Gegensätzen zwischen Juden und Christen, noch nicht persönlich kennengelernt hat. – Es wird auch heute viel umgesiedelt, umgezogen; es gibt nichts Neues unter der Sonne. Und in jener Zeit schreibt Paulus von seinen vielen Erfahrungen her, seinen persönlichen Herzenserfahrungen, seinen Erfahrungen in dem Amt, das der Herr ihm auferlegt hatte. Dieser Brief ist für die Kirche der Jahrhunderte eine reife Frucht seines Lebens. Darum steht der Römerbrief von allen Briefen des Paulus als erster hier in der Bibel. Der Apostel zeigt in den beiden Versen, die wir lasen, das Thema an. Da erkennen wir: Es handelt sich um das Evangelium, um Christus, um die Gnade, um die Gerechtigkeit. Und das sind gerade die Themen der Reformation! Es gibt da ein Wort: Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit Gottes. Wissen Sie, arminianisch denken heißt: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Aber biblisch reformiert denken heißt: Gott steht im Mittelpunkt! Es handelt sich hier nicht um die Rechte der Menschheit, des einzelnen Individuums; nein, es handelt sich hier um die Rechte Gottes! Gerechtigkeit ist das, worauf Gott ein Recht hat. Gerechtigkeit heißt, dass Gott immer recht hat, ja, auch in unserem Leben. Gerechtigkeit Gottes heißt, dass Gott ein Recht hat auf mein Herz, auf Ihre Liebe, auf Ihr Leben, auf unseren Gehorsam! Das ist die Gerechtigkeit Gottes. Das ist von Gott aus gedacht, wo Gott im Mittelpunkt steht – und nicht ich. Wenn Luther dieses Wort „Gerechtigkeit“ hörte, dann hatte er Angst, und da schrie er zum Himmel: „Hörst Du nie auf mit Deinem Zorn, oh Gott!?“ Was hat er nicht alles versucht, gebetet, ist nach Rom gefahren, ist die Treppen zum Petersdom auf den Knien hochgerutscht, bis sie bluteten! Er wollte Ruhe haben vor dem Zorn Gottes, weshalb er ins Kloster � 15 �


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gegangen ist; beim Eintritt musste er drei Fragen beantworten: „Bist du Sklave? Bist du krank? Hast du Schuld?“ Darauf sollte geantwortet werden: „Nein, ich bin kein Sklave, ich habe keine Krankheit, ich habe keine Schuld.“ Dann erst durfte er hinein. Aber – er wusste: Er war wohl Sklave, er hatte wohl eine ernsthafte, tödliche Krankheit – die Krankheit der Sünde; er hatte wohl Schuld, viel Schuld! – Später musste er Vorlesungen halten für die Studenten, und zwar über die Psalmen und über den Römerbrief. Da sehen wir ihn über die Heilige Schrift gebeugt, und da liest er wieder das Wort „Gerechtigkeit“. Gerechtigkeit, Gerechtigkeit! Und er fühlte die Flammen der Hölle, das Gerichtsurteil Gottes über seine Sünde! Und dies, meine lieben Freunde hier in Deutschland, diese existentielle Erfahrung von Martin Luther, die brauchen wir! Wie verschieden die Wege auch sind, aber – der Kern des Römerbriefes, der ist so wichtig für uns alle, Jung und Alt! Da geht es um die Frage: Wie kann ich versöhnt werden mit dem gerechten Gott? Wie kann ich erscheinen vor Gott, ich armer Bettler und elender Sünder!? – Und das Wort Gerechtigkeit, das für Luther ein Fluch bedeutete und so drohend vor ihm stand, als etwas, was von der Hölle zeugte – mit diesem Wort hängt in seinem Herzen der Anfang der Reformation zusammen, und zwar nicht erst im Jahr 1517, sondern schon einige Jahre früher. Da begann der Heilige Geist zu wirken in ihm, so dass das Licht aufging in seinem Herzen. Wodurch denn? Weil hier steht, in V. 17: dass die Gerechtigkeit Gottes im Evangelium geoffenbart ist. „Aber das ist doch nicht möglich?!“, dachte er. Es müsste doch da stehen: dass die Gerechtigkeit im Gesetz geoffenbart ist! Ist das nicht ein Fehler? So dachte er, so rang er, so betete er, so tat er Buße. Ach nein, das ist nicht nur eine einfache verstandesmäßige Schlussfolgerung; das ist die Führung und Wirkung des Heiligen Geistes im Herzen! Er schreibt später: „Es war, als ginge das Licht auf im Paradies, in meiner Seele!“ Komm und sieh, dass dieser Gott so auch heute noch wirkt! Dieser Heilige Geist wirkt so immer noch, auch wenn die äußeren Umstände anders sind. Aber hier geht es um den Kern des Evangeliums! Und die Frage für � 16 �


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uns alle, ob wir jung oder alt sind, – die Frage ist entscheidend: Was wissen wir davon? Wir können alles „Glaube“ nennen, ja, Glaube, aber – der wahre Glaube ist eine Gnadengabe Gottes! Es gilt nur: »sola gratia, sola fide«; es geht um den Glauben am Anfang, den Glauben im weiteren Leben. Darum müssen wir fragen: Wie ist das dann möglich? Darauf will ich bei meiner zweiten Predigt an diesem Morgen etwas ausführlicher eingehen. Sagt Gott einfach: „Nun, lassen wir es gut sein, Schwamm drüber!?“ Nein, das Gesetz bleibt bestehen! Der Schuldige wird nicht für unschuldig gehalten. Denn Gott ist heilig, gerecht und gut; das Gesetz ist heilig, gerecht und gut! Sie hören mich nicht negativ über das Gesetz reden. Sagen Sie mir, was Sie vom Gesetz halten, und ich sage Ihnen, wer Sie sind! Psalm 119 singt nur von Gottes Gesetz, Ordnungen und Satzungen! Aber wie ist das denn möglich, dass die Gerechtigkeit Gottes im Evangelium geoffenbart ist? Das ist nun das Geheimnis, die Verborgenheit von Jesus Christus im Evangelium: Da geht es um Seinen Gehorsam, Seinen Tod, Sein Blut. Darin ist die Gerechtigkeit Gottes verherrlicht. Und der gerechte Gott ist nicht so, dass Er zweimal Bestrafung fordert. Da ist es gerade die Gerechtigkeit Gottes, die nicht mehr fordert, sondern begnadigt, verspricht, tröstet! Dieses Geheimnis, meine lieben Freunde, das gönne ich Ihnen so von ganzem Herzen, dies zu lernen in der Schule des Heiligen Geistes, in der Pflanzung des Glaubens, in der Übung des Glaubens! Und darauf will ich bald noch etwas mehr zurückkommen. Die Gerechtigkeit Gottes, weshalb Paulus sagt: Ich schäme mich nicht des Evangeliums Gottes, wenn es auch dem Juden ein Ärgernis ist, so dass er sagt: „Was, ich? Wozu brauche ich das? Ich bin doch ein Kind Abrahams! Was, das sollte mir nötig sein – Bekehrung, Gnade, gegenüber Schuld?“ Und dem Griechen mit seiner Vernunft ist es töricht – dem stolzen, eigengerechten Menschen! Der stolze verstandesmäßige Nichtjude, auch er, ja, alle – alle werden sich beugen vor dem Evangelium von Jesus Christus. Dieses Geheimnis macht das Evangelium so reich, für jeden, der glaubt, ja jeden, der glaubt! Gnade ist Gott niemandem schuldig. Und gerade, weil es Gnade ist, der nur Schuld und Verlorenheit gegenübersteht, brauchen wir das Evangelium so sehr, von Jesus Christus, dem Immanuel, der alleine unsere Hoffnung ist! � 17 �


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2. TEIL Ich kann es nicht deutlich genug ausdrücken, wie sehr ich im Laufe der Zeit verbunden wurde mit dem, was uns Heidelberg bedeutet! Ich gönne diesem Land seiner Herkunft die Wahrheit des „Heidelbergers“ (Katechismus). Und dann auch, was Dordrecht bedeutet! Da sind die „Kanones von Dordrecht“ (die „Lehrregel von Dordrecht“). Damals gab es den Streit mit den Arminianern, gerade über das, womit wir uns heute auch auseinandersetzen und was uns verbindet an diesem Missionstag. Was verbindet uns denn? Die Schrift, die Gnade Gottes in Christus Jesus, der Glaube als Frucht des Heiligen Geistes, zu Beginn und im Verlauf unseres Glaubenslebens, bis zum ewigen Ende. Und wenn der Heidelberger Katechismus dann unterscheidet zwischen Elend, Erlösung und Dankbarkeit, dann fragen wir uns: Wo steht das in der Bibel? Nun, unter anderem im Römerbrief. Wenn wir z.B. lesen in Kap. 1, 2 und 3 V. 20 ungefähr, sehen wir das. Ich habe nicht so viel Zeit – ich glaube, dass ich vorhin etwas zu viel Zeit genommen habe, Entschuldigung! –; aber wir sehen da, dass es sich in den drei ersten Kapiteln handelt um Elend. Was ist das, Elend? Das ist, was meine Sünden betrifft und was meine Sünden verursachen. Es ist Elend, dass ich außerhalb des Paradieses bin, dass ich ohne Gott in der Welt bin, dass ich ohne Hoffnung lebe, dass ich vor dem Gericht Gottes nicht bestehen kann – das ist mein Elend! Dass ich verloren bin in Sünden und Missetaten – das ist mein Elend! Und Paulus spricht dann in den Kapiteln 1 bis 3 von schlechten Menschen, guten Menschen, allen Menschen. Was heißt das? Ja, schlechte Menschen, das sind doch die Heiden; die leben gerade so, wie sie wollen. Davon zeugt Kapitel 1, in der zweiten Hälfte. Kapitel 2 spricht dann von „guten“ Menschen, in Anführungszeichen natürlich, denn sie halten sich nur selbst für gut; das sind Menschen, die zur Gemeinde gehen, die seriös sind, die hören – aber nicht gehorchen. Sie bleiben da stehen, wo sie sind, sie beugen sich � 19 �


nicht, sie wissen nicht in ihrem Herzen, was es ist um ihre Verlorenheit. Vom Elend also handelt das erste Kapitel, von schlechten Menschen; die Juden sagten es so von oben herab: „Das sind schlechte Menschen; wir hingegen sind eigentlich besser.“ Das zweite Kapitel handelt von „guten“ Menschen. „Gute“ Menschen, ja. Aber dann kommt das dritte Kapitel: Hier sind alle Menschen angesprochen. Da zitiert Paulus aus dem Alten Testament, besonders aus den Psalmen, dass alle Menschen unter dem Urteil Gottes liegen. Das ist Elend! Und gerade hier, auf dem Wendepunkt zwischen Elend und Erlösung in Christus Jesus, lesen wir dann, V. 18-23: „Es ist keine Gottesfurcht vor ihren Augen. Wir wissen aber, dass das Gesetz alles, was es spricht, zu denen sagt, die unter dem Gesetz sind“, und dann kommt etwas sehr Wichtiges: „damit jeder Mund verstopft werde und alle Welt –“ heidnisch, jüdisch, kirchlich, nicht kirchlich, einfach die ganze Welt „vor Gott schuldig sei, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch vor Ihm gerechtfertigt werden kann; denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Jetzt aber ist außerhalb des Gesetzes die Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht worden, die von dem Gesetz und den Propheten bezeugt wird, nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus Christus, die zu allen und auf alle [kommt], die glauben. Denn es ist kein Unterschied; denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten.“ Meine lieben Freunde, das ist nun im Römerbrief etwas Zentrales! Und das ist es, was uns zusammenbringt. Die Frage war gerade: Woher kommt der Glaube? Und jetzt lesen wir hier: Auch wenn wir zur Kirche oder Gemeinde gehören, seriös sind wie Nikodemus, dann gilt doch: „Wahrlich, wahrlich“ – im Griechischen: „Amen, Amen“ – „Ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren (oder: wiedergeboren) wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen!“ bzw. nicht dort eingehen! (Joh. 3,3). Und dann wird uns deutlich, was der Heilige Geist wirkt: dass uns der Mund gestopft wird! Das ist es, worauf es für uns alle ankommt. Das bedeutet: Ich habe nichts mehr gegen Gottes Urteil zu sagen. Ich muss


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von ganzem Herzen bekennen: Gott ist gerecht, Gott ist mir nichts schuldig! Aber dennoch, dennoch ist da das innerliche Verlangen, die Sehnsucht nach Gott, wovon die Psalmen zeugen, wie Psalm 42,2: „Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele, o Gott, nach Dir!“ Und das ist nun das, was der Römerbrief uns lehrt und was Luther gelernt hat: dass wir das Gerichtsurteil verdient haben! Und dennoch habe ich das Verlangen nach Gott und nach Seiner Gemeinschaft und nach der Versöhnung mit Ihm! Und das ist es, meine Lieben, was mich am Anfang und im weiteren Verlauf des Glaubenslebens demütigt, klein macht und klein hält vor Gott und Menschen, in Abhängigkeit und Anhänglichkeit an Ihn. Darum sehen wir hier im Wendepunkt des Römerbriefes: Der Mund wird gestopft, und die ganze Welt – auch ich, der ich seriös, kirchlich bin – kann vor dem Gericht Gottes nicht bestehen! Aber das Evangelium, das erklingt, das wird verkündigt, hier am Missionstag und in andern Teilen der Welt. Und das muss jeder hören! Das ist eine Kraft Gottes! Was ist das? Im Griechischen steht da »dynamis«. Und dieses Wort kennen wir vielleicht vom Dynamit her: das explodiert! Nun, die Kraft Gottes, die Gnade Gottes, die Wirkung des Heiligen Geistes legt eigentlich Dynamit unter mein Lebenshaus. Und es ist dann ein Trümmerhaufen, auch wenn ich wie Nikodemus gelebt habe, auch wenn ich eine Hure war wie Rahab, oder ein Manasse, aber auch ein Timotheus. Die äußeren Umstände können unterschiedlich sein, aber innerlich ist jedermann ein Feind Gottes! Ein Kind Gottes dürfen wir werden; dann lernen wir, was hier steht: Der Mund muss gestopft werden, und die ganze Welt kann nicht bestehen vor dem Urteil Gottes. Und dann erklingt das Evangelium, dann gewinnt es Raum in meinem Herzen. Da werde ich zum Schweigen gebracht, da wird mir der Mund gestopft, und ich erkenne, dass ich unter dem Fluch bin, und da – ja, dann suche ich die Stille, dann beten wir anders als zuvor! Paulus hatte in seiner Vergangenheit viel gebetet. Aber als er schließlich in Damaskus weilte, da sagte der allwissende Gott: „Siehe, er betet!“ Das ist etwas anderes, denn hier war es geschehen: Der Mund war ihm gestopft worden, und er erkannte sich als unter dem Fluch stehend. � 21 �


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Auf diese Weise war das Licht des Evangeliums auch im Herzen Luthers und im Herzen Calvins aufgegangen. Bei Luther wurde das auch noch durch seinen Charakter verstärkt. Calvin war ein Jurist, ein anderer Charakter; aber im Wesentlichen haben sie beide dieselbe Erfahrung gemacht, die hier beschrieben wird. Und ich gönne auch Ihnen so von ganzem Herzen dasselbe: dieses Zum-Schweigen-gebracht-Werden, dass der Mund gestopft wird, dass man sich als unter dem Fluch stehend erkennt – und dennoch ruft: „Meine Seele dürstet nach Dir, o Gott, wie ein Hirsch nach dem frischen Wasser!“ Solche können dennoch ohne Gott, der uns zieht durch Seine Liebe, nicht leben. Und wie sehr auch das Herz enthüllt wird mit allem, was darin verborgen ist – da fällt es doch nicht, mit dem gefallenen Menschen. Aber je mehr das Herz entblößt wird, desto mehr zeigt sich das Verlangen, das in die Seele gelegt wird – das Verlangen nach Gott, nach einem Mittel, nach dem Mittler, der Gott und Mensch ist. Sein Name ist so schön: Immanuel, Gott mit uns, „der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch Mich!“ (Joh. 14,6). Meine lieben Freunde, das ist der Kern des Evangeliums, das ist der Kern der Reformation! Und wir hoffen so sehr und beten darum, dass das auch der Kern Ihres Glaubenslebens sein möge und bleiben darf! Das verbindet uns, in Demut, vor Gott und Menschen. Denn, wie wir hier lesen: Die Gerechtigkeit ist im Evangelium geoffenbart, die Gerechtigkeit in Jesus Christus; da kommt es zum Hungern und Dürsten nach dieser Gerechtigkeit. Ich habe in mir selbst nur Ungerechtigkeit; die „Gerechtigkeit“, die ich habe, ist höchstens Eigengerechtigkeit. Aber unsere Gerechtigkeit kann vor Gott nicht bestehen. Wir brauchen eine andere Gerechtigkeit; die benötigen wir: die Gerechtigkeit eines Bürgen, die Gerechtigkeit von Jesus Christus, die Gerechtigkeit des Mittlers zwischen Gott und den Menschen – die Gerechtigkeit, die überfließend ist! „Wenn die ganze Welt“, sagt das Bekenntnis von Dordrecht, im Kampf gegen die Remonstranten (die Arminianer), „wenn die ganze Welt begnadigt werden sollte, dann hätte Er auch dazu genug Verdienste.“ Zweifle nie an den Verdiensten Jesu Christi! Zweifle an deiner Ungerechtigkeit, an � 22 �


deiner Eigengerechtigkeit, aber nicht an dieser Gerechtigkeit, die überfließend ist, genug auch für dich! „Das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes“, weil Er Gottes Sohn ist, „reinigt uns von aller Sünde“ (1.Joh 1,7), meine lieben Freunde! Darum sind wir aus Holland gekommen, um davon zu zeugen, was Gnade ist, was der Reichtum der Schrift ist, damit wir mit Ihnen gemeinsam beten können: „Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ (Matth. 6,9-10; LUT). Ich möchte noch kurz etwas über Römer 7 und 8 sagen. Wir denken: Ein Kind Gottes hat es, hält es, kann eine Bekehrungsgeschichte erzählen. Doch hören wir mal Paulus zu! Und wer wagt es, sich mit Paulus zu vergleichen?! „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Todesleib“, diesem Körper, diesem Fleisch!? (Röm. 7,24). Kohlbrügge hat namentlich aus Römer 7 viel Unterweisung empfangen vom Himmel her: „Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft“ (7,14). Das ist nicht nur am Anfang des Glaubenslebens so; das ist der bleibende Kampf des Glaubens. Gott macht nicht große und größere Menschen, sondern sie werden immer ärmer in sich selbst und reicher in Christus; sie beugen sich tiefer, schreiben sich selbst ab, finden nichts zu rühmen in sich selbst. Das erste Kennzeichen von echtem Glauben ist nach Augustin: klein werden; das zweite Kennzeichen nach Augustin: kleiner werden; das dritte Kennzeichen nach Augustin: noch kleiner werden, sich demütigen, kindlich klein und niedrig werden. So wirkt der Heilige Geist. – Auch in Ihrer Mitte wird allein dieser Gott als der Dreieinige das Feld behalten und wird übrigbleiben lassen ein elendes, armes, „demütiges und geringes Volk…; das wird auf den Namen des Herrn vertrauen“ (Zef. 3,12). Meine lieben Freunde, wir müssen abschließen. Es ist so ein ganz spontaner Beitrag, etwas aus dem Römerbrief, zur Gelegenheit dieses Tages, in unserm herzlichen Miterleben mit Ihnen und mit der Arbeit von Voice of Hope. Für den Herrn, der ein Herr von Wundern ist – für


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Ihn ist nichts unmöglich, wie es aus Seiner Frage an Sarah deutlich wird: „Sollte denn dem HERRN“, dem Gott von Abraham, Isaak und Jakob, „etwas zu wunderbar (bzw. unmöglich) sein?“ (1.Mose 18,14) Das frage ich Sie! Zählen Sie bitte all Ihre Sünden, Schwierigkeiten und Sorgen auf und sagen Sie sich dieses: Sollte denn für den Gott der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft etwas unmöglich sein? Für Ihn, der Derselbe ist heutzutage, Derselbe gestern, Derselbe morgen!? – Kinder, die Sonne scheint, und dieser Gott hat gesagt: Was sich auch alles ändern mag: „Sein Name ewiglich bleiben; solange die Sonne währt, wird Sein Name auf die Nachkommen reichen, und sie werden durch Denselben gesegnet sein...“ (Psalm 72,17; LUT). Gerade in eurem Alter gilt: „Die Mich“ – sagt der Herr – „frühe suchen, finden Mich“ (Spr. 8,17; LUT). Es heißt hier nicht: „…können Mich finden“, sondern: „…finden Mich“! Die Gnade ist überfließend für den größten der Sünder! Gnade, Gnade und Friede sei mit euch allen. Amen!

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Unsere Buchempfehlung ISSASCHAR Das Lager zwischen den Grenzen Friedrich Wilhelm Krummacher Der Titel erklärt bereits, wo sich Issaschar, einer der zwölf Söhne Jakobs, gelagert hat – er lebt nicht mehr in Ägypten, jedoch auch nicht in Kanaan; aus der Welt ist er hinausgegangen, aber nicht ins Reich der Gnade eingetreten. Geistlich gesehen lebt Issaschar in der Gemeinschaft der Gläubigen, doch nur äußerlich, nicht im Geist und in der Wahrheit. Er ist kein Glied an dem Leib, dessen Haupt Christus ist. Was macht denn eigentlich einen wahren Christen aus, und was sind die Kennzeichen der Wiedergeburt? Diese Fragen werden in der Predigt tiefgründig beantwortet. Durch den Erweckungsprediger lässt GOTT hier das zweischneidige Schwert des Wortes Gottes tief in die Herzen der Leser dringen. Art.Nr.: 875.328 ·‌ DIN A5-Heft ‌· 24 Seiten ·‌ Voice of Hope Verlag

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Gijsbert Johan van Aalst legt dem Leser die zentrale Botschaft des Römerbriefs ans Herz. Dieser Brief ist der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Heiligen Schrift. Das erste Kapitel dieses Briefes zeigt uns, dass die Gerechtigkeit Gottes offenbart wird im Evangelium, das von Christi Gehorsam, Tod und Blut zeugt; hierin ist die Gerechtigkeit Gottes aufs höchste verherrlicht und Seinem Gesetz Genüge getan. Hier kommt GOTT zu Seinem vollen Recht, und Sein Gesetz wird hoch erhoben als heilig, gerecht und gut. Da braucht die Gerechtigkeit Gottes nicht mehr zu fordern, sondern sie begnadigt den gebeugten, glaubenden Sünder voll und ganz. Hier wird er willig, sich mit seinem Herzen, seinem Leben, seiner Liebe und seinem Gehorsam GOTT zu übergeben, der allein ein Recht darauf hat. Hier findet der Mensch den Sinn und Zweck seines Lebens: GOTT zu verherrlichen und zu Seiner Ehre zu leben. In Wendepunkten der Zeiten ist immer wieder gerade durch den Römerbrief die Wahrheit der Heiligen Schrift aufgegangen als Licht in der Finsternis. Darum dürfen wir auch heute glaubend hoffen, dass GOTT Sein Evangelium in der Gemeinde Jesu neu aufleuchten lässt.

VOICE OF HOPE ISBN 978-3-941456-66-2


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