Krusche Sonne

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es war die gleiche sonne martin krusche lyrik

gehen dem schutz der häuser kurz entkommen aus freien stücken das licht die kälte und der wind zu prüfen was das an den steinen tut und auf der eignen haut ich trag stets schwer an bürden die sich nicht befragen lassen das gehen macht die dinge leicht


Impressum 2016 Edition Freiberg kultur.at: verein für medienkultur Florianiplatz 8, 8200 Gleisdorf ISBN: 978-3-902-423-05-4 Kofinanziert aus Mitteln des Landes Steiermark Eine Publikation zu „In der Ebene“ Ein Abend mit Sir Oliver Mally und Martin Krusche Im Rahmen von The Long Distance Howl │ Konvergenz 2016 www.van.at/howl/kon

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in der ebene I wo wird meine flagge hängen wenn die flut kommt die ich suche? welcher staub wird mich bedecken wenn mein schweigen übrig bleibt?


im juli dreizehn ich hatte die nacht sehr an durst gelitten auf wunden füßen war ich gekommen nur stroh an den sohlen mein leib war so stinkend wie der anderen auch was vor monaten eben nur nasses brot ist heute so hart ein dreckstück das kann keiner beißen im flammenden sommer erst gestern war mir ein zahn ausgefallen

mit rissigen lippen rannte ich raus denn es hieben granaten ganz flach in den graben da stieß mir ein schatten seinen stahl in die brust die klinge war billig und brach in der mitte es steckte der rostende keil in mir fest verkantet und tief als der schatten die waffe zurückzog es war ihm keine patrone geblieben ich konnte ihm auch keine geben so starb ich mit qualen an billigem stahl im juli dreizehn im flammenden sommer 3


hinter der scheune

alte glut du warst ein guter heizer vater ein zäher bursche mit hohen schultern und kraft in den hüften so standfest und schwungvoll das ließ deine schaufel singen wenn auch nicht auf transatlantischen routen und nicht auf der blitzschnellen null fünf ― null null zwo zwischen hamburg und berlin mein vater das könnte ich lauthals erzählen doch wer wollte mich loben einen heizer aus auschwitz zu kennen? 4

am fünften november suchte der kleine nach einem messer um sich müde und bitter zwei adern zu öffnen nur keins aus der küche dachte er schließlich die scheune war dunkel eine kerze gab licht er fand in den laden drei goldene münzen die tauschte er tags darauf gegen ein schnellfeuergewehr dafür war ein fußweg von zwei mal zwei stunden sein aufpreis zum rest dieses tages zwei magazine von flugrost bedeckt machten die taschen der jacke noch tiefer jedes davon dreißig kugeln schwer


der kleine nahm nur eine patrone und schlug den rest in zeitungspapier er küßte die kugel recht flüchtig der geölte verschluß klang vertraut und besänftigend endlich verebbte die quälende angst der kleine badete kurz sein gesicht in der wärme der streichholzflamme rauchend zog er die jacke dann fest griff nach der waffe ging hinter die scheune so leise singend: sinke klarer mondschein und ertrinke entließ er den schuß

um am leben zu bleiben so leben wir mit gebrochenen herzen und küssen unsre kinder mit zuversicht wir raunen mit belegten stimmen vom glück unrettbar vom glück diesem glänzenden schatten auf unseren schmerzen dem stoff unsrer aussichten so werden wir alt wenn alles gut geht es ist nichts zu beklagen 5


keraterm es war die gleiche sonne die uns beiden schien als sie ihn holten als ich schlief auf meinen lippen wein auf seinen blut

sarajevo

doch was wir eher wußten keinen schlag den man empfangen mußte und keinen hieb vergißt der leib

ein ufer dem ban und gegen byzanz

kein schrecken den das herz nicht birgt wie einen schatz von blanken klingen das bleibt so wenn wir schutzlos waren so sind wir menschen auf beiden seiten eines wütens das sich durch nichts mehr tilgen läßt 6

geschundene königin gefickte mutter im juni 2014 erneut verlacht ich suchte an deiner hüfte die straße obala kulina bana

za kulina bana i dobrijeh dana nur unweit der brücke wo gavrilo princip sich einem imperium stellte da fanden wir pierre im blut und im milchkaffee seines kontraktes mit kunstwerken ringend die augen von princip die augen von chaplin


radenko versenkte in brennendem wasser die mächtige vjecnica versenkte sie wie kitchener der in den tod entlassen aus dem schoße von scapa flow sich herrischen blickes dem untergang fügte und selmans mörderhand wie einem engel abgschnitten hieb um hieb in unsre herzen wo unsre leiber aufgebrochen wurden und grob vernäht so halten wir die positionen mit dem schwur jede angst zu überleben jeden brand zu küssen und die flammen zu verschlingen

bis das schwören nicht mehr hilft und bloß küsse bleiben wie mein mädchen sie vergibt daß ich falls die flammen mich verschlingen weiß woran zu denken ist so die qualen unerträglich würden sarajevo geschundene königin gefickte mutter wir haben dich nicht löschen und nicht waschen können dieser makel bleibt an uns auf dem heimweg als der regen kam suchte ich noch was zu sehen sei in trnopolje dieses feld der dornen zeigt uns nichts 7


donau

in der ebene XIII

sprachlos über leere brücken hab noch münzen in den taschen für ein billiges gedeck

dann war mein himmel mit planken und brettern verschlagen

abends macht der wein mich trunken wünsch mich an den fluß zurück schweigsam über altem wasser

kein beil konnte das lösen kein hammerschlag nichts außer sich strecken um feuer zu legen

Edition Freiberg kuratorium für triviale mythen │ band #3 martin krusche │ konvergenz 2016 isbn: 978-3-902-423-05-4


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