Kunstbox-Rezeptgeschichten

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E d i t i o n K u n s t b o x S ee k i r c h e n

Rezeptgeschichten Ein literarisches Kochb端chlein

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„Wenn alle Künste untergeh‘n, die edle Kochkunst bleibt besteh‘n.” Daniel Spoerri

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Der Kulturverein KunstBox stellte sich im Jahr 2009 dem Thema „LebensMittel“, sowohl im Kontext „Lebensmittel Kunst“ als auch im wörtlichen Sinne. Kunst als wichtiges Lebensmittel und Lebensmittel als Kunst – ein spielerischer Ansatz, der unter anderem einen literarischen Selbstversuch hervorbrachte. Es entstand ein virtuelles Kochbuch, ein Weblog mit dem Titel „Rezeptgeschichten“, voll kunstvoll in Literatur verpackten Köstlichkeiten, die nun auch in gedruckter Form vorliegen. Mehr Infos zum Kunstbox-Themenfokus findet man im Internet unter www.lebensmittelkunst.blogspot.com sowie unter www.kunstboxrezepte.blogspot.com

E d i t i o n K u n s t b o x S ee k i r c h e n 3


Herausgeber: Kulturverein KunstBox, Anton-Windhager-Straße 7, 5201 Seekirchen, info@kunstbox.at

© 2009 Kulturverein KunstBox, Seekirchen sowie bei den Autoren Texte: Die Beiträge entstanden im Jahr 2009 und wurden verfasst von Markus Weilch, Harald Teufl, Katharina Neumayr und Leo Fellinger. Gestaltung: Leo Fellinger, Seekirchen

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Inhaltsverzeichnis:

Eine Frau, mit der man über alles sprechen kann

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Die Brücke über den Khao Laem Lachsrosen

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Unter den großen Hauben

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Eine Runde Canasta

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Wie ich mir die Nixe zubereite

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Hüttenabend

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Maria

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Nur ein Schluck Riesling McGlühwein

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Leo Fellinger

Eine Frau, mit der man über alles sprechen kann oder: Gebratener Butterfisch auf Tagliatelle in Ingwer/Limetten-Kokosmilch Ich hasse Sushi, sagte sie lächelnd, und dunkle Schokolade ist auch nicht mein Ding, und mir schoss das Blut ins Gesicht. Warum hatte ich sie nicht vorher gefragt? Warum hatte ich ein komplettes japanisches Menü in diesem Möchtegernnouvellecuisineaufinternationalundasiatischmodern bestellt. Wie konnte ich nur so blind sein und von den eigenen Essgewohnheiten ausgehen. Ich war so sicher, dass eine Frau wie diese, die so aussieht und so eine Figur hat, Fisch liebt und fettarme und gesunde Küche überhaupt. Dabei hatte ich noch im Wörterbuch nachgesehen, was Nouvelle Cuisine überhaupt 7


bedeutet ausser „Neue Küche“. Ich las „Der Begriff Nouvelle Cuisine wurde wahrscheinlich 1768 im Dictionnaire sentencieux als kritischer Seitenhieb auf die Abkehr von bisherigen bürgerlichen, einfachen Kochgewohnheiten erstmals erwähnt. Heute versteht man unter diesem Begriff eine in den Neunzehnsiebzigern in Frankreich entwickelte, wenig opulente Kochkunst, die sich um die Bewahrung des Eigengeschmacks von Nahrungsmitteln bemüht.“ Ja, das hatte mich wirklich beeindruckt, darum dachte ich auch, damit kann man beeindrucken, mit Begriffen wie „wenig opulente Kochkunst“ oder „Bewahrung des Eigengeschmacks von Nahrungsmitteln“. Das Ganze noch auf asiatisch. Super. Hatte ich jedenfalls geglaubt. Bis jetzt gerade. Gottseidank sind wir noch nicht bei der Nachspeise, denn das mit der Schokolade wäre die nächste programmierte Niederlage gewesen. Ich lächelte zurück und hörte mich sagen: Ich wusste nicht, dass Du Fisch nicht magst... Nein, sagte sie, das ist es nicht, ich liebe Fisch, aber Sushi hasse ich. Wegen dem Reis? fragte ich zurück. Nein, meinte sie, dieses rohe Fleisch ist einfach nicht mein Ding. Sieh mal diese beiden großen Stücke Butterfisch, fing sie an zu dozieren, Butterfisch, ein wunderbares Tier, lebt im Meer an den Küsten von 8


Nord- und Ostsee, um Island und Norwegen bis südlich zur Biskaya. Festes weißes Fleisch, duftet beim Braten in Olivenöl ganz leicht nach Fisch, aber nicht zu sehr, zergeht auf der Zunge... Wie würdest Du die beiden Stücke zubereiten? fiel ich ihr ins Wort. Ganz einfach, antwortete sie und richtete sich wissend auf, zuerst die Filets sss... Was meinst Du mit sss? fragte ich zurück. Sie lächelte schon wieder. Ganz einfach: säubern, salzen, säuern, das heisst eine Limette auspressen, den Butterfisch damit beträufeln und kalt stellen. Dann von der Limette die Schale abreiben, ein Stück Ingwer schälen und reiben und ein oder zwei Knoblauchzehen fein hacken. Eine Handvoll Tagliatelle in Salzwasser kochen, in der Zwischenzeit eine Dose Kokosmilch ungefähr fünf Minuten lang dick einkochen, den übrigen Limettensaft und die geriebene Schale sowie den Ingwer und den Knoblauch dazugeben. Ein wenig Salz könnte auch hier nicht schaden. Unsere beiden Butterfisch-Filets in Olivenöl braten, aber nicht zu heiß und nicht länger als drei oder vier Minuten, bis sie schön goldbraun an den Rändern sind. Jetzt wird`s spannend: Die abgetropften Tagliatelle mit der Kokosmilch mischen und anrichten. Frischen Koriander darauf verteilen. Butterfisch darauf setzen. 9


Fertig. Als Beilage würde ich noch geschmackvolle kleine Tomaten, aber solche auf auf Rispen, gratinieren und als rote Farbtupfer mit aufs Teller geben. Wenn du einen sehr trockenen und leichten kalt servierten Weißwein zu Hause hättest oder einen portugiesischen Vinho Verde, würde ich sagen, lass uns die beiden Butterfische einpacken und verschwinden. Das taten wir dann auch. Und diskutierten noch lange in meiner Wohnung darüber, ob der Butterfisch jetzt lateinisch „Poronotus triacanthus“ oder „Pholis gunnelus“ heisst. Eine Frau, mit der man über alles sprechen kann. Ich werde sie wieder mal zum Essen einladen.

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Die Zutaten für 4 Portionen:

1½ kg Butterfischfilet 1 Packung Tagliatelle 1 Bund Koriander 2 mittelgroße Limetten 1 Stück Ingwer (5 cm) 3 Zehen Knoblauch ½ kg kleine Tomaten auf Rispen

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Leo Fellinger

Die Brücke über den Khao Laem oder: Currypaste auf Villotas Art In Sangklaburi, einem thailändischen Dorf im wilden Grenzland zu Myanmar, hatte sich Thuanthong, ein stolzer Bursche, in ein junges Mädchen verliebt, das so schön war wie sein Name: Pensri – Schönheit und Güte des Mondes. Die Liebe war schon vor langer Zeit über ihn hereingebrochen, doch bisher hatte er nie den Mut gefunden, sie anzusprechen. Das hatte einen guten Grund. Aus dem Nachbardorf Waeng Khan, zu dem eine lange Brücke über den Stausee Khao Laem führte, kam des Nachts immer ein Junge heimlich zu Pensri. Thuanthong hatte die beiden schon viele Male beobachtet, wenn sie sich in einer kleinen Hütte in den Maniokfeldern am Rande des 13


Dorfes trafen. Sie verschwanden oft für mehrere Stunden in dem verfallenen Holzbau, der ein wenig aussah wie die Tempelspitze des gefluteten alten Sangklaburi. Viele Wochen zogen ins Land und Thuanthong litt Seelenqualen, die nur ein Liebender empfinden kann. Eines Tages fasste er sich ein Herz und stellte Pensri auf der Brücke zur Rede. Sie war nicht überrascht, schon oft hatte sie den verliebten Jungen hinter sich gespürt und seine flehenden Blicke genossen wie ein Bad in Blütenöl. Warum nicht ich, stammelte der aufgeregte Thuanthong, warum der andere, er ist gar nicht von hier, er wird kein Glück für Dich bringen. Thuanthong hatte seine Würde vollends vergessen, ein goldener Speer, wie ihn sein Vater bei seiner Geburt genannt hatte, war er in diesem Moment nicht. Doch Pensri antwortete ruhig und freundlich: Du weisst ja nicht, was Sunan und ich in der Hütte machen – ich denke, Du solltest uns einmal begleiten und zusehen. Thuanthong war verwirrt, doch er willigte ein. Am nächsten Tag wartete er an der Brücke auf die beiden und begleitete sie wortlos in der Dämmerung zur Hütte. Als sie den Raum betreten hatten und Sunan eine Kerze entzündet hatte, waren eine Feuerstelle zu sehen und ein Tisch, auf dem ein steinerner Mörser, 14


viele Blechdosen und Schalen standen. Setz dich, sagte Pensri, und deutete auf eine Ecke des Raums. Dann begannen die beiden mit einer Prozedur, der Thuanthong gespannt folgte: Pensri nahm rote Chilischoten aus ihrer Tasche und weichte sie in lauwarmem Wasser ein. Fünf Minuten, nicht länger, flüsterte ihr Sanur zu, dann das Wasser abgießen und die Schoten gut ausdrücken. Er selbst begann Zitronengras in feine Ringe zu schneiden, Schalotten, Ingwer und Knoblauch zu schälen, die er mit seinem Messer in kleine Stücke hackte. Zuletzt fügte er noch Macademia-Nüsse dazu und verrieb das Ganze im Mörser zu einer Masse. Immer mehr Dinge kamen hinzu, wie die Chilischoten, Basilikum, Minze, Zitronenthymian und Limettenzesten. Sanur begann zu schwitzen, denn das Zerreiben war eine anstrengende Arbeit. Auf der anderen Seite des Tisches zerbröselte Pensri Koriander, Kreuzkümmel, Nelkenpulver, Zimtstange und Muskatblüte und füllte damit eine kleine schwarze langstielige Pfanne, die sie dann über der Feuerstelle schwenkte. Sofort füllte sich der Raum mit betörenden Gewürzdüften. Sie schaute immer wieder prüfend in die Pfanne, bis die Masse sich dunkelbraun färbte. Sanur unterbrach seine Arbeit und brachte schnell Kurkuma, 15


Curryblätter und Pfeffer und warf sie in die rußgeschwärzte Pfanne. Dann leerte er den warmen und duftenden Inhalt in den Mörser und begann erneut, alles sorgfältig und fein zu zerstoßen, bis eine zähe Paste entstand. Pensri stellte sich zu ihm, sah prüfend in das steinerne Gefäß und fragte: Und was ist mit dem Salz und der Fischsauce? Nein, nein, antwortete Sanur, es ist viel besser, diese Zutaten erst beim Zubereiten der Speise dazu zu geben. Thuanthong war inzwischen aufgestanden und näherte sich langsam dem duftenden Tisch. Pensri bemerkte es und sagte: Du kannst uns helfen, wenn du willst. Die Paste muss nun in die kleinen Dosen verpackt werden. Sanur bringt sie dann nach Waeng Khan, wo er sie am Markt verkauft. Das Geld teilen wir, und wenn wir genug gespart haben, werden wir zusammen ein Restaurant eröffnen, hier an der Brücke über den Khao Laem.

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Zutaten für 8 bis 10 Portionen: 15 kleine getrocknete Chilischoten 3 Stengel frisches Zitronengras 2 Schalotten 1 Ingwer (3 - 4 cm) und 3 chinesische Knoblauchknollen 10 Macademianüsse 1 EL Koriander gemahlen 1 TL Kreuzkümmel gemahlen 1 EL Kurkuma 1 EL Curryblätter getrocknet 1 TL Nelkenpulver 1 TL Schwarzer Pfeffer gemahlen 1 Zimtstange 1 Muskatblüte (Macis) 10 Blätter Basilikum und 5 Blätter Minze (frisch) 1 EL frischer (Zitronen-)Thymian Zesten einer Bio-Limette

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Markus Weilch

Lachsrosen oder: Die Küche ist ein sinnlicher Ort „Keinen von diesen totgeräucherten Salzfischen“ hatte er noch Ihre Stimme im Ohr. „Einen der nur ganz leicht, am besten gar nicht geräuchert ist. Fein wäre schottischer oder kanadischer Wildlachs, Filet im ganzen, wenn du eines bekommst.“ So lautete die letzte Anweisung, bevor er zum Lachskauf ausrückte. Er konnte den Gedanken nur zu gut nachvollziehen. Lachs gibt es bei uns in allen möglichen und unmöglichen Qualitäten zu kaufen. Als fetttriefendes weiches Etwas, das an den Zähnen genau so kleben blieb wie in der Packung, bis hin zu bissfesten, schönen Filets, die auch im Mund noch die leichte Fleischstruktur spüren ließen und tatsächlich nach Lachs schmeckten. Wieder zu Hause sah er ihr zu, wie sie gerade 19


frisches Gemüse in grobe Stücke schnitt. Ihre heutige Verheißung – Lachsrosen mit Gemüse – war das ideale Gericht, wenn man gut Essen, aber nicht unbedingt den ganzen Abend kochen wollte. Da er sie ab und an seine „Rose“ nannte, musste er über die Namensähnlichkeit in Verbindung mit Essen in sich hineinschmunzeln. Als er ihr so beim Vorbereiten zusah, wie die Haare ihres nach unten gebeugten Kopfes ihren zauberhaften Nacken freigaben, kam ihm gleich der Gedanke, dass es jammerschade wäre, diese Gelegenheit nicht schamlos auszunützen. Er stellte sich hinter sie, umschlang ihre Taille und begann sanft ihren Nacken zu küssen während sie den Lauch in Ringe schnitt. Ein Schauer lief durch ihren Körper, als sie inne hielt und sich mit beiden Händen auf die Arbeitsplatte stützte, deren massives Holz schon viele Schnitte und Kerben als bleibenden Ausdruck der Kochleidenschaft von beiden trug. Seine Nase teilte ihr halblanges Haar, während er ihren Hals mit weichen Küssen bedeckte und mit seinen Lippen die sanften Erhebungen der Nackenwirbel nachzeichnete. Mit einem leisen und nur wenig überzeugendem „aufhören, ich schneide mich“ schob sie ihre Hüften leicht nach hinten um ihn auf Distanz zu halten. Als nächstes 20


stand die Zubereitung des Lachs auf dem Programm, die im Grunde keine war. Sie liebte Gerichte, in denen die Zutaten um ihrer selbst willen zur Geltung kamen und nicht in einem Brei aus ineinandergreifenden Geschmackseindrücken ertränkt wurden. So blieb der Lachs bei diesem Gericht fast unbehandelt. Sie schnitt lediglich das Filet mit einem schmalen Messer in mindestens Halbzentimeter dicke Stücke, wobei sie das Messer, sobald es in die Nähe der Haut kam von derselben wegdrehte. Zum einen um zu vermeiden, dass die Haut und das darunter liegende Fettgewebe auf den Filetscheiben blieb, zum andern bekam das Filet auf einer Seite eine leicht geschwungene Form, was später beim Legen der Rosen ganz nett aussah. Noch während sie das Filet vorsichtig Scheibe für Scheibe schrumpfen ließ, spürte sie seine Hände ihren Rücken streicheln. Ihre Zehen begannen zu kribbeln, so sehr genoss sie seine Zärtlichkeit und die Berührung seiner Hände, die unter ihrem leichten Pullover verschwanden und entlang der Konturen ihres BHs auf Entdeckungsreise gingen. „Dort findest du bestimmt kein Salz“ flüsterte Sie, als er seine Finger über ihren Bauchnabel gleiten ließ. Er fasste sie leicht am Bund ihrer engen Jeans, in denen sie so umwerfend sexy 21


aussah und drehte sie herum. Einen kurzen Moment sahen sie sich in die Augen, als ob sie nicht in der Küche, sondern an irgendeinem Strand beim romantischsten Sonnenuntergang gewesen wären. Etwas hilflos hingen ihre Arme hinunter, das Fischmesser in der einen Hand, Lachsreste an den Fingern der anderen, als er sie zu küssen begann. Mehr ein Hauch seiner Lippen an den ihren, wanderten sie ihren Mund entlang, erforschten jede Stelle mit einer Sinnlichkeit, dass sie weiche Knie bekam. Als sich ihr Atem trennte hatten beide die Augen geschlossen. „Ich mache die Rosen und du portionierst das Gemüse und schenkst den Prosecco ein“ lautete ihr gespielter Befehl. Er wich ein winziges Stück zurück und sagte nur „Hunger“, während ihr seine Augen ein tiefes Lächeln schenkten, „aber essen möchte ich auch was“.

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Die Zutaten für 4 Personen:

1 Lachsfilet – nicht oder nur leicht geräuchert 1 Stange Lauch 1 Bund Frühlingszwiebel 2 Karotten 3 Kartoffeln 100 g Austernpilze oder Champignons Salz und Pfeffer Olivenöl Dill Schlagobers

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So bereitet man die Lachsrosen zu: Karotten und Kartoffeln würfeln und mit Olivenöl in der Pfanne anbraten. Nach ein paar Minuten Lauch und Frühlingszwiebel in groben Ringen dazugeben. Einige Minuten später die grob geschnittenen Pilze dazugeben und noch kurz mitbraten, alles nach Geschmack salzen und pfeffern. Lachsfilet in Scheiben schneiden und zu einer Rose legen (ein Stück einrollen, ab der Hälfte ein zweites Stück dazunehmen, innen einklemmen und weiterrollen, nächstes Stück dazurollen usw. bis etwa eine handtellergroße Rose entsteht). Wenn der Lachs ungeräuchert ist, leicht salzen. Sonst nur mit etwas frischem Dill bestreuen und zum Verfeinern ein paar Tropfen Schlagobers draufspritzen. Ein gutes Häufchen der Gemüsemischung auf ein Stück Alufolie geben und die Lachsrose darauf setzen. Die Ecken der Folie zusammenlegen und miteinander verdrehen, sodass ein geschlossenes Säckchen entsteht. Die Säckchen kommen ca. 20 Minuten bei 180 Grad in den Ofen. Zeit genug für ein Glas Prosecco. Die Weinbegleitung ist Geschmackssache. Der Riesling „Privat“ vom Kremstaler Winzer Nigl wäre sicher etwas Besonderes. 24


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Markus Weilch

Unter den groĂ&#x;en Hauben oder: Ciabatta mit Chili

Den Fleischhakern und Obauern,

reichts manchmal, sie wĂźrden gern,

essen ja - aber was leichtes,

trotzdem geschmacklich unerreichtes.

So was im handumdrehn gekochtes,

aber vom Gaumen doch gemochtes.

Eine kleine und gesunde,

Speise in ´ner Viertelstunde. 27


Da dampft es unter großen Hauben,

auch jenen die den Dunst absaugen,

doch bis die Rezepte war‘n vollbracht,

war´s drinnen spät und draußen Nacht

– immer.

Den Fleischhakern und Obauern,

war klar, das wird nix – insofern

ließ man die Küche Küche sein

und warf ein Chilibrötchen ein.

Die Moral von der Geschicht: Koch und Dichter ist nicht dasselbe.

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Die Zutaten: Ein großes Ciabatta Milde Chilis (ev. Ancho oder Jalapeno) in zwei Farben Mozzarella und frische Petersilie Olivenöl, Knoblauch, Salz und Pfeffer (Die milde Variante: statt der Chilis roten, grünen und gelben Paprika verwenden und mit frischem Chili oder Cayennepfeffer würzen) Zubereitung: Ciabatta in dicke Scheiben schneiden und mit Knoblauch einreiben. Chilis entkernen und in dünne Längsstreifen schneiden. Mozzarella in grobe Stücke schneiden, noch besser reißen. Chilis in Olivenöl anbraten bis sie braune Kanten bekommen. Ciabattascheiben ebenfalls in Olivenöl rösten. Petersilienblätter vom Stiel zupfen und gar nicht oder nur grob schneiden. Ciabatta mit Chili bedecken, Mozzarella daraufgeben und mit Petersilie bestreuen. Noch ein klein wenig salzen, fertig. Dazu passt ein Corona hervorragend. 29


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Leo Fellinger

Eine Runde Canasta oder: Tayberry-Liquor Mit ruhiger Hand teile Rosa je dreizehn Spielkarten an ihre beiden Mitspielerinnen und sich selbst aus. Den Rest formte sie zu einem ordentlichen Stapel, legte sie auf den Talon in der Mitte des Tisches und deckte die erste Karte auf. Wie geht es eigentlich Deiner Enkelin? fragte sie ihre Tischnachbarin und zog den Kartenfächer in ihrer Hand näher an die Brust. Die Angesprochene ordnete noch sorgfältig die Reihenfolge ihrer Karten, bevor sie antwortete. Gut, sehr gut, sie ist inzwischen aus Dartington zurückgekehrt, damit ist sie schon fast am Ende ihres Studiums. Das Kind macht mir so viel Freude ... Rosa unterbrach sie: Möchte noch jemand ein Stück Biskuit? Oder ein Gläschen Likör? Selbstgemacht! Sie legte eine rote Drei 31


ab und seufzte leise. Gerne, sagte die Dritte am Tisch, von beiden Dingen kann ich nicht genug bekommen. Rosa legte ihre Karten ab und holte die Likörgläser. Erbstücke von ihrer Mutter, Jugendstil, aus farblosem Glas, den Rand zart in Gold bemalt. Vorsichtig stellte sie das Tablett mit den Gläsern ab und griff nach der Likörflasche. Als sie den kostbaren Saft einschenkte, fragte die Spielerin mit der Enkelin in Dartington: Wie machst Du das nur? Niemals habe ich einen besseren Likör getrunken. Ist das eigentlich schwierig? Nein, antwortete Rosa, außerdem kommt es fast nur auf die richtigen Zutaten an. Wenn man hier nur das Beste nimmt, ist auch das Ergebnis exzellent. Wichtig ist: man muss die Früchte mit Liebe und Respekt behandeln, beim Pflücken und Verlesen der Beeren, bei Waschen und Säubern. Das Procedere selbst ist ganz einfach: Die Beeren, ein Stück Orangenschale und ein paar Gewürznelken in ein großes Einmachglas geben, mit Himbeergeist auffüllen und verschließen. Ich habe auch schon andere Varianten probiert - mit Grappa beispielsweise. Dann muss man nur mehr warten, das heißt, das Ganze bei Zimmertemperatur sieben Wochen ziehen lassen. Wenns dann soweit ist, werden Flüssigkeit und Beeren getrennt, die Beeren in 32


ein Tuch gewickelt und leicht ausgedrückt. Dann wählt man einen entsprechenden Rotwein, gießt ihn in einen Topf und lässt ihn köcheln. Dabei rührt man weißen Kandiszucker ein, bis er sich vollständig gelöst hat. Wenn das Ganze dann ausgekühlt ist, wird es mit der Beerenflüssigkeit verrührt. Ich gieße dann alles nochmal durch ein Tuch, bevor ich den Likör in Flaschen fülle. Die nächsten sieben Wochen darf der Likör im Keller ziehen. So einfach ist das. Ich bewundere Dich, sagte die Spielerin mit der Enkelin in Dartington und legte die letzte Karte ab. Rosa hatte wieder einmal verloren. Die Zutaten für 1,5 Liter Likör:

500 g Taybeeren 1 Orange, Schale 1 Nelke 500 ml Himbeergeist (oder Grappa) 500 ml Rotwein (vorzugsweise Wildbacher) 300 g Kandiszucker (weiß!)

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Harald Teufl

Wie ich mir die Nixe zubereite oder: Südfranzösische Fischsuppe Du musst es selber erlebt haben: Kommst als junger Aal an die Südküste Frankreichs, erlebst erstmals La vie française: Wein, Weib, … Gesang versteht sich von selbst! Sonnenuntergang in Sète, Meeresrauschen und ein französisches Menü! Allem voran: Tatatata! Soupe de Poisson, nein, nicht Bouillabaisse, nur Soupe, also Suppe! Aber was für eine! Eine Terrine mit roter, dampfender Flüssigkeit, nicht blutrot, aber beinahe, ein bisschen ins Bräunliche gehend, so dass sie an den Grundjus des Maître de Cuisine erinnert. Um die Terrine herum, auf dem Unterteller anschaulich drapiert, Croûtons vom Baguette, rohe Knoblauchzehen dazwischen gestreut, ein Schälchen geriebener Käse, Mayonnaise (Aioli) in einem weiteren kleinen Behältnis. 35


Und du schließt deine Augen und bemerkst nun erst, dass du verführt wirst: ein kleiner schmucker Mittelmeerhafen, dümpelnde Yachten, Netze flickende Fischer mit tiefbraunen Rücken und noch dunkleren Augen, der Duft des Wassers und das Lecken der schmatzenden Wellen an den grob behauenen Kaisteinen…und vor dir ein Vulkan erlesensten Genusses! Niemals wirst du dieses Bild vergessen, immer wird bei solch einem Anblick sich auch dein Geruchssinn melden und jubilieren und tausende Geschmacksnerven zu vibrieren beginnen: Soupe de Poisson… Ehrfürchtig nimmst du dein geröstetes Weißbrot, zerreibst eine frische nackte Knoblauchzehe an ihm, tauchst dein Messer großzügig in die Aioli, bedeckst die krosse Scheibe mit Wellen von scharf-würzigem Eigelb-Olivenöl-Gemisch, streust eine Handvoll schneeweißen, frisch geschneiten Parmesans auf dein Brot und versenkst es im Magma deiner Fischbrühe… Vorsicht! Heiß! Aber es ist beinahe zu spät, gerade noch schafft der Geist, was der lechzende Körper nicht mehr vermag: genießende, noble, zurückhaltende Leidenschaft! 36


Der Rest des Menüs? Weg, einfach nicht mehr im Gedächtnis, gelöscht! Jahrenlangen Trainings bedarf es, um dieses Gericht in der eigenen Küche nachzukreieren, aber wenn es gelingt, hast du damit deine Nixe eingekocht…

Die Zutaten:

1½ l Fischfond (man nehme, was gerade da ist, idealerweise die Brühe von blanchierten Meeresfrüchten oder Muschelabsud etc.) Gemüsebrühe (1 Würfel) 15 dag Meeresfrüchte Tomatenmark (mehr oder weniger je nach Farbtonwunsch der Suppe) Thymian Cayennepfeffer Salz

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So bereitet man die Suppe zu:

Fischfond mit Meeresfrüchten zum Kochen bringen, Gewürze dazugeben, 15 bis 20 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen, mit dem Pürierstab mixen, je nach Farbwunsch noch Tomatenmark dazugeben, abschmecken.

Mit Aioli, Croûtons vom Baguette, frisch geriebenem Parmesan und geschälten Knoblauchzehen servieren.

Bon appétit!

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Markus Weilch

Hüttenabend oder: Kasnockn für vier Personen Bei einem Grundriss von etwa vier mal vier Metern von einer Hütte zu sprechen, ist vielleicht ein ganz klein wenig übertrieben. Und doch war alles da. Eine alte Eckbank, ein noch älterer gusseiserner Herd, der gierig Holz verschlang, eine bezaubernd einfache Bauernkredenz und eine selbstgemachte Leiter, die durch eine Luke in der Decke direkt unter das Schindeldach führte. Der Raum dort oben war unter dem Giebel gerade einmal eineinhalb Meter hoch und senkte sich zu beiden Seiten ab. Die Ausstattung: Matratzen, die den Holzboden bedeckten, ein paar alte Schlafsäcke und Decken und natürlich, wie auch unten, ein paar Kerzen. Vor dem winzigen Giebelfenster pfiffen die Schneeflocken, vom kalten Eiswind 41


getrieben, fast waagrecht vorbei. Die kleine Hütte wurde vom Herd spielend warm gehalten, ganz egal, was sich der Winter da draußen für diese Nacht noch ausdenken mochte. An so einem Abend und an so einem Ort gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten für das Abendessen. Entweder ein Brat’l aus dem Holzofen oder Kasnockn aus der schmiedeeisernen Pfanne. Ersteres fiel wegen der kleinen Zahl an Genusssüchtigen aus, sie gönnten sich diesen Abend nur für sich selbst. Also blieben noch die Kasnockn. Dispute über die Art der Zubereitung und die möglichen Zutaten gehörten der Vergangenheit an. Als Salzburger mit Pinzgauer Wurzeln hatte er bis aufs Blut um die Unantastbarkeit der Pinzgauer Kasnockn gekämpft. Sein Familienrezept war sakrosankt. Gerade die stoische Ruhe, mit der er in der Vergangenheit all ihre Vorschläge vom Herd fegte, hatte sie herausgefordert es immer wieder zu versuchen – vergeblich. Knoblauch, Speck, beidseitiges Anbraten und andere Kunstgriffe von seiner Meinung nach geistlosen Kochhooligans, alles zerschmetterte an ihm und am unvergleichlichen Geschmack „seiner“ Kasnockn. Ihr zeitweiliges Sticheln 42


hatte nur noch die Intention, die witzigen Dialoge immer wieder anzufachen, die bereits wie ein Ritual zu ihrem romantischen Hüttenabend gehörten. Den Käse für diesen Abend hatte er auf einem kleinen Pinzgauer Martinimarkt erstanden und vorerst noch vor der Türe gelagert. Tränen hatte sie gelacht, als er sich wie ein kleines Kind über den Fund freute, aber nur solange, bis er das erste mal die vielschichtige Zeitungsverpackung zurückschlug. Den Bierkäse aus dem Supermarkt kannte sie natürlich und war ob des deftigen Geruchs gewarnt. Der Odem, den dieses Eck verströmte, stellte aber alles vorangegangene in den Schatten. Am liebsten hätte sie ihn zum Würfeln des Käse in den Schneesturm verbannt, statt dessen half sie ihm beim Schneiden, allein mit dem Hintergedanken, dass der olfaktorische Wutausbruch etwas schneller in der mitgebrachten Tupperdose verschwinden würde, während er den Nockerlteig anrührte. Es wunderte sie immer noch, dass vom ungehobelten Geruch und deftig-derben Geschmack im fertigen Gericht nichts übrig blieb, als das vollmundig-rustikale Aroma, für das sie dieses Essen so liebte. Er musst beim Zubereiten jedes Mal an seine Saalbacher Tante denken. Ihr trockenes Statement zu Kasnockn lautete „umso 43


mehr Kas, desto bessa“. Lenkte er seine Gedanken weiter und rief sich in Erinnerung wie dieses Traditionsgericht in vielen Gasthäusern aussah, die Köche dort benutzten den teuren Käse in homöopathischen Dosen, bestenfalls als Bindemittel zwischen den Industrienockerl, wunderte es ihn kein bisschen, dass er in der Winterzeit oft von Verwandten und Freunden zum Kochen gebeten wurde. Sie saß währenddessen bei einem kleinen Bier auf der Eckbank und beobachtete ihn, wie er Mehl, Eier, Salz und warmes Wasser miteinander vermengte und daraus einen zähflüssigen Teig schlug. Als sie sich kennen gelernt hatten, brachte sie der Anblick des großen, breitschultrigen Mannes, der sich mit inniger Hingabe auch um die diffizilsten Zubereitungsabläufe kümmerte, oftmals zum Lachen. Und selbst jetzt schmunzelte sie noch, als er ihr zum hundertsten Mal erzählte, wie wichtig es sei, den Teig mit warmem Wasser anzurühren, nicht mehr als nötig zu schlagen und danach nicht zu lange stehen zu lassen, sondern gleich durch dass Nockerlsieb ins kochende Wasser zu drücken. Eine heftige Bö erfasste die Hütte, breitete sich über den Kamin in den Ofen aus und ließ dort die Flammen aufheulen. 44


„Jetzt fehlt nur noch eine Hexe, die mit heiserem Kichern auf ihrem Besen das Dach umkreist und die Märchenstimmung wäre perfekt“ unterbrach sie seine kulinarischen Ausführungen. „Mir genügt die eine hier drinnen“ kam es ohne Verzögerung retour, begleitet von einem heiteren Lächeln.„Ich hab dich auch lieb“ gab sie zurück und hängte an „Soll ich den Schlosskäse schneiden?“.„Mach ich schon...“ tönte es vom Herd „...aber die Zwiebeln wären noch übrig.“ Eine halbe Stunde später saßen sie eng aneinandergekuschelt in der Ecke der Bank und aßen gemeinsam aus der Pfanne. Eine große Schüssel grüner Salat stand daneben. „Eigentlich sind Kasnockn ja eher was für eine gesellige Runde“, meinte sie zwischen zwei Bissen und fand seine Zustimmung. „Aber um nichts in der Welt würde ich diesen Abend tauschen“ fuhr sie fort, „es ist als wäre die ganze Welt in diesem winzigen Ort hier“. Draußen schneite es heftig.

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Die Zutaten f체r vier Personen:

60 dag Pinzgauer Bierk채se

2 St체ck roten Schlossk채se

2 Eier

30 dag Mehl

1 Zwiebel

1 Bund Schnittlauch (frisch!)

Butter

Salz und Pfeffer

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So bereitet man die Kasnockn zu: Bierkäse und Schlosskäse würfelig schneiden. Einen großen Topf mit gut gesalzenem Wasser zustellen. Zum Mehl ein ganzes Ei schlagen und vom zweiten Ei den Dotter dazugeben. Gut salzen und mit warmem Wasser solange von Hand verrühren (Schneebesen), bis ein zähflüssiger Teig entsteht. Den Teig durch das bewegte Nockerlsieb in das kochende Wasser drücken – ca. 5 Minuten kochen, abseien und kurz mit kaltem Wasser duschen. Ein großes Stück Butter in der Pfanne schmelzen und den kleingeschnittenen Zwiebel bei mittlerer Temperatur anschwitzen. Die Nockerl dazugeben und kurz anwärmen, dann den Käse dazugeben und gut durchmischen. Das ganze jede Minute einmal umrühren, damit sich alles gut vermengt. Wenn der Käse richtig geschmolzen ist, die Oberfläche glatt streichen und ein paar Flocken Butter darauf geben. Den Herd aufdrehen, damit sich unten eine schöne Kruste bilden kann. Wenn es leicht angebrannt riecht, keine Panik. Pfanne vom Herd, Pfeffern und mit Schnittlauch bestreuen. Grüner Salat und Bier dazu – fertig. 47


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Katharina Neumayr

Maria oder: Sizilianisches Pesto und Orangensalat „Wie schön, Sie zu sehen! Hatten Sie eine gute Reise? Ich bin Maria und hier für Haus und Küche verantwortlich. Der Signore hat eben angerufen, er wird in einer Stunde aus Siena hier sein und freut sich schon sehr, sie zu sehen...“ „Oh ja, danke, es war wunderbar! Durch diese Landschaft zu fahren ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, und nun dieses bezaubernde Haus!“ Ich sah mich um. Der Boden der Eingangshalle bestand aus schwarzen und weißen Fließen und überall lagen orientalische Teppiche, deren Farben sich mit dem Lichteinfall veränderten. Der breite Stiegenaufgang war aus dunklem Holz, 49


auf den ein zartgrüner Teppich gelegt war. An den pastellfarbenen Wänden hingen viele Bilder, kleine Ölgemälde neben einfachen Tuschezeichnungen in reizvollem Nebeneinander. Die alte Dame, eine wunderschöne Italienerin mit im Nacken geknotetem, schwarzem Haar fragte mich nach meinem Gepäck, das sie gerne auf mein Zimmer bringen würde. Ich ging mit ihr zum Auto und bemerkte erst jetzt den wunderschönen Garten, der dieses italienische Landhaus umgab. Direkt an das Haus angrenzend eine zauberhafte Terrasse mit kleinen Terracottatöpfen voll der verschiedensten Kräuter und Blumen, von denen ein Duft ausging, der betörend wirkte. Unter einem großen hellen Sonnenschirm ein wunderschöner, glatt gebürsteter Tisch aus Teakholz mit einladenden Korbstühlen, auf denen große, weiche Polster lagen. Die Italienerin musste meine Gedanken gelesen haben und bot mir an, doch noch ein bisschen Platz zu nehmen, sie würde mir gerne einen kleinen Imbiss und eine Erfrischung bringen. Das konnte ich nach dieser langen Autofahrt nicht ablehnen, zu verführerisch waren ihre viel versprechenden Blicke. Die Koffer 50


auszuräumen, das konnte noch warten. Ich ließ mich von dem Flair, der in der Luft lag, gefangen nehmen und Marias Orangensalat, die marinierten Anchovis mit Minze, dazu frisches Ciabatta und der leichte, eisgekühlte Bianco di Donnafugata taten noch das übrige dazu, um das märchenhafte Gefühl zu vervollständigen ... Plötzlich spürte ich eine kalte, feuchte Schnauze an meinen Beinen und bemerkte den mich freundlich begrüßenden Hund des Hauses. Es wird wohl doch Zeit, mich um mein Gepäck zu kümmern. Langsam erhob ich mich und ging zum Haus, um nach Maria zu suchen. Sie war in der Küche mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt. Die Küche war riesengroß, zwei große Türen führten auf eine Terrasse, an den Fensterbrettern standen kleine Messingund Terracottatöpfe und in einer Ecke entdeckte ich einen großen Weidenkorb, offenbar für den Hund. Maria wischte sich die Hände in ihre blütenweiße Schürze und nahm meinen Arm. „Wollen Sie mir vielleicht noch etwas Gesellschaft leisten? Für die Gäste, die abends erwartet werden, habe ich noch verschiedene 51


Antipasti vorzubereiten. Der Großteil ist fertig, aber der Pesto ist noch zu machen. Haben Sie Lust, selbst zu probieren und mitzukochen? Ich gebe Ihnen die Anleitungen Schritt für Schritt und kann mich nebenbei der Pavlova-Torte widmen, die ich besonders lieben Gästen gerne als Dessert serviere.“ Die Gelegenheit, einer sizilianischen Köchin über die Schulter zu schauen, wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und nahm das Angebot freudig an! „Fein – ich freue mich, dann lassen Sie uns beginnen: Sie sollten zunächst die großen Kapern, die dort am Tisch stehen, unter fließendem kaltem Wasser ein bis zwei Minuten abspülen, um möglichst viel Salz zu entfernen und anschließend gut trocknen. Die Tomaten liegen am Gartentisch in der Sonne, suchen Sie die schönsten aus – wir brauchen cirka ein Kilo davon. Messer und Brett finden Sie auf der Arbeitsplatte vor dem Fenster...“ Ich holte die nach Sommer duftenden, sonnenwarmen Tomaten, schnitt Sie, wie Maria mir aufgetragen hatte, in die Hälfte und entfernte die Kerne. „Jetzt nehmen Sie am besten das grobe Meersalz, 52


das im Tontopf neben dem Herd steht, bestreuen die Tomaten und lassen sie mit der Schnittfläche nach unten abtropfen. Was halten Sie von einem Glas Prosecco und ich erzähle Ihnen dabei, wie wir weitermachen...? “ „Wunderbar – so lasse ich mich noch lieber in die Geheimnisse der italienischen Küche einführen...“ Maria gab mir eine große Schüssel aus italienischer Keramik in den typischen kräftigen und wunderbaren Farben dieses Landes. Ich vermischte das duftende sizilianische Olivenöl mit den Chilischoten, dem Knoblauch und dem frischem Oregano zusammen mit den würfelig geschnittenen Tomatenstücken. Dieser Pesto musste nun für eine Stunde durchziehen. Ecco – dann war nur mehr die Pasta al dente zu kochen, mit der Sauce zu vermischen und zu servieren. Dabei konnte ich Maria jedoch leider nicht mehr helfen, denn ich hörte in diesem Moment schon Dein Auto über den Kies zum Haus fahren. Wir hatten uns die Ewigkeit von zwei Wochen nicht gesehen ...

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Die Zutaten für das Sizilianische Pesto:

2 EL Kapern 750 g – 1 kg reife Tomaten Salz 4 EL natives Olivenöl extra ca. 1 TL gerebelte Chilischoten 1 große Knoblauchzehe, fein zerkleinert frischer Oregano, je nach Geschmack 500 g Pipette rigate (oder ähnliche Pasta)

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Die Zutaten für den Orangensalat:

4 saftige Orangen, geschält und in dünne Scheiben geschnitten Salz 10 schwarze Oliven, entsteint und halbiert 1 kleine weiße Zwiebel, in Ringen 4 EL natives Olivenöl extra schwarzer Pfeffer

Die Orangen in einer Schüssel anrichten und mit Salz bestreuen. Oliven und Zwiebeln dazugeben. Mit Öl und Pfeffer abschmecken.

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Markus Weilch

Nur ein Schluck Riesling oder: Kalbsbäckchen mit Risotto Der ambitionierte Hobbykoch fällt gelegentlich über Rezepte, die sein Verlangen nach sofortiger Umsetzung ins unermessliche, ja pathologische steigern können. Für meine Wenigkeit gilt dies verstärkt für einfache toskanische Gerichte, die meine Magensäfte stante pede zum Kochen bringen. Wenn mir eine verantwortungslose Autorin wie Marlena De Blasi etwas von Tomaten, altem Brot, Rotwein und Olivenöl für panzanella vorschwärmt, ist sie alleinschuldig für den folgenden Disput mit meiner Frau, warum wir wieder einmal kein altes Brot zu Hause haben. Jeder hat altes Brot zu Hause, nur wir nicht. Es ist zum... Aber nachdem mir jedoch jüngst meine Schwäche für die einfache Küche unverhohlen vorgehalten wurde, 57


habe ich mich an ein Rezept erinnert, welches mich dereinst auch verzögerungsfrei mit dem Einkaufskorb unter dem Arm auf die Straße und in die Geschäfte trieb. Möge der Betreffende in sich kehren... Bereits bei der Erstlektüre begann der Hut zu brennen, betrug doch die Vorlaufzeit für dieses Gericht stolze drei Tage. Solange wollten die Kalbsbäckchen in der Pökellake, bestehend aus Salz, Pökelsalz und ein paar Kräutern, eingelegt und im Kühlschrank gelagert sein, bis sie richtig durchdrungen waren. Bevor das Fleisch eingelegt wird, werden die Zutaten für die Pökellake mit dem Wasser aufgekocht und dann wieder auf Raumtemperatur abgekühlt. Drei Tage! Der Verfasser muss eine Art kulinarischer Fakir gewesen sein oder eine masochistische Mutation mit Vorliebe für Innenschmerzen. Wie auch immer, am dritten Tag nahm ich einen Schluck Riesling und die Bäckchen aus ihrem Bad, trocknete sie und kochte sie anschließend 40 Minuten in der Mischung aus Weißwein, Weinessig, Suppengrün 58


und dem Thymian. Parallel ließ ich die Stiele der Brunnenkresse im Geflügelfond aufkochen und anschließend eine halbe Stunde neben dem Herd ziehen. Dann abseihen und den Fond warm stellen. Mit einem weiteren Schluck Riesling kam ich zum Höhepunkt dieses Rezepts, dem Räuchern. Eine hohe Pfanne oder einen Wok mit Alufolie auskleiden. Hinein kommen bodendeckend das Buchenholzmehl, Lorbeer, Wacholder, Rosmarin und Thymian. Darüber ein passender Rost und darauf wiederum die Kalbsbäckchen. Deckel drauf und bei hoher Temperatur auf den Herd. Wenn das Buchenmehl zu glimmen beginnt (man riecht es), die Pfanne für ungefähr 10 Minuten ins Freie stellen. Allein deswegen zahlt es sich aus, dieses Rezept zu probieren. Wenn Ihre Frau den Riesling zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgetrunken hat, nehmen Sie einen Schluck. So gestärkt schwitzte ich die würfelig geschnittenen Schalotten in Butter glasig und gab den Reis sowie Salz dazu. Das ganze wird unter regelmäßiger Zugabe des Geflügelfonds eingekocht, bis der Reis bissfest ist. Nach einem 59


Schluck Riesling kam die restliche Butter und der Parmesan dazu. Gut umrühren und ein paar Minuten bei Minimaltemperatur ziehen lassen. Zum Schluss werden die Kalbsbäckchen gut gepfeffert und in kochenden Kalbsjus eingelegt, bis dieser reduziert ist. Die Bäckchen dabei ständig übergießen. So stand es zumindest im Rezept. Ich habe den Jus fertig gekauft. Ich weiß, das ist nicht besonders elegant, aber der Aufwand und die drohende Gefahr des Verhungerns waren mir schlicht zu groß. Ich denke, man kann den Jus auch durch Rindsuppe mit etwas Bindung für braune Sauce ersetzen – wählen Sie die für Sie beste Variante. Als letzter Schritt wird die Brunnenkresse mit dem Risotto vermischt und die Kalbsbäckchen darauf angerichtet. Noch ein Schluck Riesling – fertig.

Lake zum Pökeln: 40 g Salz, 25 g Pökelsalz 1½ l Wasser 1 Lorbeerblatt, 2 Zweige Rosmarin 1 Knoblauchzehe 2 TL Pfeffer, 3 - 4 Wacholderbeeren 60


Kalbsbäckchen: 4 Kalbsbäckchen 1 Karotte, Sellerie, Lauch, Petersilie 1 Thymianzweig 150 ml Kalbsjus Pfeffer

Risotto: 1 Bund Brunnenkresse 400 ml Geflügelfond 60 g Butter, 2 Schalotten 160 g Risottoreis 200 ml Weißwein, 70g Parmesan Salz

Räuchern: Buchenholzmehl 1 Lorbeerblatt, 3 - 4 Wacholderbeeren 1 Zweig Rosmarin und Thymian 61


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Markus Weilch

McGlühwein oder: ... nichts weiter „Es kann schon sein, dass DU es nicht schmeckst“ schalt er seinen Freund, von hamburger-verwöhnten Geschmacksknospen erwarte ich mir auch nur ein zurückhaltendes Maß an sensorischer Subtilität“ setzte er noch nach. „Mehr als süß und salzig braucht es bei einer Drive-In-Orgie ja nicht. Salzig für McMatschburger und süß für McPampentasche“. Kaum hatte er den Satz vollendet, brach die Vierer-Runde in schallendes Gelächter aus. Der Anlass für den Disput war im Grunde ein fröhlicher. Seit Jahren trafen sich die vier Männer, sobald der erste Schnee gefallen war, zur Glühweinrunde im kleinen Kreis. Da jedes Jahr ein anderer an die Reihe kam, das bereits in der Antike (als kalter Gewürzwein) 63


bekannte Getränke beizusteuern, ging der Weinkelch dieses Jahr nicht an Willi vorüber. Willi liebte gutes Essen, nichts desto trotz gab er sich viel zu oft einem alten Außendienst-Leiden namens FastFood hin, was, in leicht abgewandelter Form, auch die Ursache für vorangegangenes Zwiegespräch war. Denn kurz davor griff er vor den fassungslosen Gesichtern seiner Freunde in ein, nur wenig Gutes verheißendes, Billa-Sackerl und zog ein paar Flaschen Fertigglühwein hervor. „Das ist jetzt nicht dein Ernst“ stammelte Nobert. Und selbst Michael, der bestenfalls in einem Einrichtungshaus in die Nähe einer Küche kam, starrte auf die Flaschen mit dem roten Teufel auf dem Etikett und suchte ergebnislos nach den richtigen Worten. „Jetzt tut nicht so blasiert. Ich hab den schon getrunken, der ist in Ordnung und ich hatte echt keine Zeit mich noch hinzustellen“ plusterte sich Willi auf und wuchs dabei auf stattliche Einsachtundsechzig. Als die letzten Lacher verebbten, erfüllte bleiernes Schweigen die große Wohnküche. „Also gut – machen wir was, sonst geht der Abend vorbei und wir kommen nicht mehr dazu, über Willi zu lästern.“ Markus’ Blick löste sich langsam von Willi und seinem Adventmarktge64


schlabber. Und an Norbert gewandt „Du kennst dich im Keller eh aus. Bitte nimm Michael mit und baut draußen den Feuerkorb auf. Holz liegt in der Garage. Ich habe unseren Ronald McDonald gerade dazu verurteilt, Glühwein zu machen. In einer halben Stunde sind wir fertig.“ Willi verzog das Gesicht und äffte den rechthaberischen Ausdruck seines Freundes nach. „Du kannst Grimassen schneiden, bis du aussiehst wie ein Doppelwhopper – mir egal. Du machst jetzt Glühwein unter Aufsicht. Von dem Zeug bekommt man ja Blasen im Hirn und runde Knie“ ätzte Markus während er ein paar ungespritzte Orangen aus der Obstschüssel nahm. Giftmischer, Meuchelmörder, Terrorist und andere „Komplimente“ drangen derweilen gedämpft über die Kellerstiege herauf. Willi grinste, stellte den größten Topf den er fand auf den Herd und räumte seinen Einkauf beiseite. Es wurde ein ziemlich witziger Abend.

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Die Zutaten für den Glühwein:

2 Flaschen Beaujolais* 2 ganze Orangen, ungespritzt 1 Vanilleschote 2 Kaneel-Stangen (Zeylon-Zimt) 5 Gewürznelken 2 ganze Kardamomsamen (ohne Hülle) 1 Apfel, ungespritzt Süßen nach Geschmack mit Rohzucker

* Wein ist eine Glaubensfrage. Bei uns gerne verwendete Fruchtbomben wie Zweigelt oder Blaufränkisch aus dem Burgenland, sind uns vieren zu intensiv und unterdrücken den Eigengeschmack der Gewürze etwas zu sehr. Auch ein Bordeaux eignet sich als Mittelweg gut. In jedem Fall aber gilt, der Wein darf nie so stark erhitzt werden, dass er kocht.

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So bereitet man den Glühwein zu: Wein in den Topf gießen und bei mittlerer Flamme erwärmen. Orangen halbieren und auspressen. Saft und Schale in den Topf geben. Vanilleschote der Länge nach aufschneiden und auskratzen und das Mark in den Topf geben. Kaneel, Nelken und Kardamom im Mörser zerstoßen und gut mit dem Wein verrühren. Den Apfel entkernen, in Spalten schneiden und in den Topf geben. Eine gute halbe Stunde ziehen lassen. Abschließend zuckern. Wer genug Zeit hat, sollte den Glühwein erst eine halbe Stunde bei mittlerer Temperatur ziehen, dann abkühlen und ein paar Stunden ruhen lassen. Wieder erwärmen und servieren.

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