vibes

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M A G A Z I N P R O J E K T D E S I N S T I T U T S F Ü R K U LT U R W I S S E N S C H A F T



editorial

„Es ist der Geist, der sich den Körper baut“ – Friedrich Schiller

(Wallensteins Tod III, 13. (Wallenstein)), 1799.

Der Körper ist die materielle Ausformung des Menschen, die als eine Oberfläche gestaltet, als ein innerer Organismus optimiert, in ihrer Anatomie verändert und durch verschiedenste Formen der Bedeckung in eine neue Erscheinung treten kann. Aber wie schon Schiller in dem Zitat beschreibt, steht der Körper immer für etwas – bestimmt durch den Geist, der ihm innewohnt. Der Körper ist ein sozial konstruiertes Konzept, das sich historisch, räumlich und kulturell in einem permanenten Wandel befindet. Als symbolisches Ausdrucksmittel realisiert sich die Vorstellung von Körper in den verschiedensten Körperkonzepten, ästhetischen Normvorstellungen und Praktiken. Stärke, Schönheit, Reife, Reichtum, Lebensstil, Hierarchie und Stand sind einige der Attribute, die über den Körper figurativ dargestellt werden können und damit die Relevanz des Körpers in kulturellen, politischen, religiösen und alltäglichen Dimensionen betonen. Die „Körper-Arbeit“, Transformation und Gestaltung im 21. Jahrhundert kennt kaum noch Grenzen. Vor allem in der westlichen Gesellschaft sind bestimmte – auch genderspezifische – Körperideale durch die Medien- und Konsumwelt geprägt, die uns die ästhetischen Körpernormen in Werbung, Zeitschriften, Filmen und Mode präsentiert. Schönheitsoperationen jeglicher Art zur Veränderung des natürlichen Körpers hin zu einer kulturell konstruierten Vorstellung eines Idealkörpers nehmen zu und werden gesellschaftlich mehr und mehr akzeptiert. Dass die Konstruktion eines binären Geschlechtersystems mittlerweile sowohl aus der Biologie als auch den Geisteswissenschaften kritisiert wird, macht deutlich, dass „Körper“ und „Geschlecht“ komplexer gedacht werden muss. Ein neuer, gesundheitsbewusster Lebensstil findet immer mehr Anhänger, die für Veganismus, Detox-Kuren, Selbstvermessungen des Körpers und ausgefeilte Fitness-Programme stehen. Tattoos, Piercings und Brandings gehören zu normalen Alltagserscheinungen, genau so wie ausgefallene Modetrends von Hipstern, Gothics und Bartliebhabern. Körperstile in allen Formen und Farben werden zelebriert und verhelfen den unterschiedlichsten Subkulturen zur Distinktion und Zugehörigkeitssignalisierung. Optimierungsdrang, Schönheitswahn, Status- und Hierarchiebildung, individuelle Selbstverwirklichung, Körpertransformationen, Trendverfolgung, Gesellschaftsdruck, Selbst- und Fremdwahrnehmung sind einige Themen rund um den Körper(kult), mit denen sich das Online-Magazin vibes auseinandersetzt.

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inhalt

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Editorial

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Inhalt

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Eine haarige Angelegenheit

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Orientalischer Tanz

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Das Phänomen Body Shaming

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Ein schmaler Grat

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Ethnische kosmetische Chirurgie

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Körperkulturen

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Transgender (Einleitung)

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Inside Out

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Machen Kleider Szenen?

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Die Nacktschnecken

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Pimp My body Plus Size

104 Strong is the new skinny 112 Zwischen Spielerei und Wahnsinn 120 Impressum 122 Eindrücke

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Incredibeard


Eine haarige Angelegenheit

Drei-Tage-Bart, Schnauzer oder Henriquatre - die haarigen Begleiter gibt es in allen Farben, Formen und Größen. Für viele Bartträger bedeuten Bärte jedoch meist mehr als nur ein paar Stoppeln am Kinn... Von Menschen, für die der Bart das liebste Hobby ist. Nina Scheffel

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aarige Zeiten! Neuerdings entdecken immer mehr Männer den Vollbart für sich. Es lebe die Männlichkeit! Die Tage der glattrasierten Gesichter sind gezählt... In der heutigen Retrokultur gibt es eine Sache, die besonders stark wuchert: der Bart. Während übermäßige Gesichtsbehaarung im letzten Jahrhundert oft verpöhnt war und heutzutage lange bloß ein Erkennungsmerkmal von Hipstern, verrückten Künstlern oder Nerds darstellte, befinden sich die haarigen Gebilde momentan auf dem direkten Vormarsch ins Zentrum der Gesellschaft.

Mehr Männer denn je lassen sich Bärte in allen Farben und Formen wachsen. Immer stärker entpuppt sich der Bart als eine Art Körperschmuck, den viele aus Überzeugung und als Identitätsmerkmal tragen. Vom Drei-Tage-Bart als vorübergehender Trend entwickelt sich die Bartkultur heute hin zu einem stetigen Modeaccessoire.

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nd nicht nur in den Gesichtern wird der haarige Hype ausgelebt. Seit einigen Jahren verbannen viele Männer im Monat November den Rasierer für dreißig Tage aus dem Badezimmer, denn es gilt: Bartwuchs für einen guten Zweck! Unter dem Motto ‚Movember‘, was sich aus dem Wort moustache für Bart und dem Monat November zusammensetzt, wird zur Spende für den Kampf gegen Prostata- und Hodenkrebs aufgerufen und so das Bewusstsein von Männerkrankheiten gefördert. Man sieht also: der Bart ist in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig und findet in allen möglichen Bereichen Anklang. Doch wie war das früher? In den frühen Zeiten des Altertums war der Bart ein Zeichen für Macht und soziale Distinktion und sollte vor allem die Ständeunterschiede in den alten Hochkulturen aufzeigen. In vielen Kulturen wurden Bärte kultiviert und mit Stolz getragen, zu Anlässen der Bestrafung oder Trauer jedoch komplett rasiert. Mit dem Klassischen Zeitalter kam in Europa die Idee des sogenannten "Strategenbartes", dem kurz getrimmten Barthaar, auf, der so den Krieger bei Kämpfen nicht mehr stören konnte. Von dieser Zeit an stand ein glattrasiertes Gesicht hoch im Kurs, was sich im Laufe der Jahrhunderte jedoch wieder ändern sollte. Während der „Bartepoche“ im 19. Jahrhundert hatten die Bartmoden und Pflegeformen ihren Höhepunkt erreicht. Der Bart war zum Zeichen der Volksnähe aber auch des Radikalismus geworden.


Ein Blick ins Gesicht des Bartträgers genügte, um dessen politische und soziale Gesinnung feststellen zu können. Intellektuelle wie Nietzsche oder Marx trugen den haarigen Gesichtsschmuck, um politische Kritik auszudrücken und ihre revolutionäre Gesinnung klar zu machen. Zudem stand der Bart für Kraft und war Ausdruck von Männlichkeit, weshalb sich eine sorgfältige Pflege für die „Gesichtsfrisur“ entwickelte. Mit der Erfindung der Einwegrasur jedoch gehörten Bärte zu den frühsten Opfern des Industriezeitalters. In dieser Zeit verschwanden Bärte fast vollständig aus den Visagen. Auch der Erste Weltkrieg trug seinen Teil zum Verschwinden der ausufernden Bärte bei, da sie Soldaten im Kampf bei der Verwendung von Gasmasken nur im Wege standen. Zudem verdammte die Hygienebewegung um 1903 die Bärte zu Brutstätten von Bakterien, wodurch die wenigen Bartträger dieser Zeit noch mehr um ihr Ansehen in der Gesellschaft zu kämpfen hatten. Später geriet der Gesichtsschmuck endgültig in Verruf, da Diktatoren wie Hitler und Stalin sie sich zum Markenzeichen gemacht hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Bart wieder einen Aufschwung. 1945 freute sich das „Barber's Journal“ über die wachsende Zahl von Bärten in New York. Der Bartwuchs verkörperte nun Provokation und Auflehnung. Während der Hippie-Bewegung spross das Haar immer üppiger. Der Bart wurde zum Zeichen der Natürlichkeit umgewandelt und ließ die veraltete Einstellung des Patriotismus aus dem 19. Jahrhundert weit hinter sich. Immer mehr Musiker, unter anderem auch die Beatles, kultivierten ihre Bärte und kamen gut damit an1.

Martin, Barbara, 2010: Der bärtige Mann: Hanbuch zur Geschichte des Bartes. Berlin: Theater der Zeit

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Schweller, Jörg (Hg.) / Schwinghammer, Alexander (Hg.), 2014: Anything grows. 15 Essays zur Geschichte, Ästhetik und Bedeutung des Bartes. Stuttgart: Franz Steiner Verlag


Ich So

wollte schon immer einen

Oberlippenbart noch nie abrasiert!

habe ich meinen

vom ersten

Flaum

Bart.

Barttäger Jürgen Burkhardt (www.bartweltmeister.de)


Passion Bart

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ass der Bart für viele weitaus mehr als nur lästiger Haarwuchs ist, wird hieraus schon ersichtlich. Mehr als ein Körperschmuck oder ein Zeichen der Männlichkeit stellt die bärtige Gesichtsverschönerung allerdings für Jürgen Burkhardt – Mitglied und Gründer des Bart Clubs „Belle Moustache“ in Leinfelden-Echterdingen und seit 40 Jahren Bartträger – dar. Für ihn ist sein Bart ein Hobby – ja, auch eine Lebenseinstellung. Seit über 25 Jahren ist Burkhardt begeisterter Bartträger und kann mit seinem Bart große Erfolge verzeichnen. Das Gründungsmitglied und Präsident des Bart Clubs ist Superbart-Weltmeister in allen Klassen, mehrfacher Welt- und Europameister, Olympiasieger, mehrfacher Internationaler Deutscher Meister, Internationaler Schweizer Meister und gewann außerdem die Auszeichnung für seinen Bart als den Bart des Jahres.

Seit seiner ersten Teilnahme an einem Bart- Burkhardt Wettbewerb im Jahre 1993 ist Jürgen Burkhardt Feuer und Flamme für die Bartkultur. Als er damals Mitglied eines Bartclubs im Zollernalbkreis wurde, gab es noch nicht viele Clubs in Deutschland. Einmal mitgerissen von der Idee, gewann Burkhardt nach vier Jahren den Doppelweltmeister-Titel in Trondheim. Durch neue Kontakte besuchte er im selben Jahr die Veranstaltung „Sportler des Jahres“, wo schließlich die Idee aufkam, eine analoge Veranstaltung mit dem Motto „Bart des Jahres“ ins Leben zu rufen. Mit seinem Freund Otto Neuberger setzte er 1998 diese Idee, zu diesem Zeitpunkt noch ohne Verein, erfolgreich in die Tat um.

Die beiden begeisterten Bartträger bemerkten bald das Potential an Gleichgesinnten in der Gegend und so entstand auch der Gedanke, in ihrer Heimatstadt Leinfelden-Echterdingen einen eigenen Club zu gründen. Nach erfolgreicher Teilnahme an der BartWeltmeisterschaft in Schömberg mit noch wenigen Mitgliedern, traf man sich regelmäßig. Aus einer zu Beginn kleinen Vereinigung von Bart-Begeisterten wurde schließlich am 24. Februar 2002 der gemeinnützige Bart- und Kulturclub „Belle Moustache“ e.V. gegründet. Aus einem Traum wurde Wirklichkeit. Heute umfasst der Club fast 90 Mitglieder, davon sind 50 Bartträger. Unterschieden wird bei den Mitgliedschaften in Einzelmitglied- oder Partnermitgliedschaften, bei der die Partnerinnen des Bartträgers zu einem geringen Mehrbetrag ebenfalls Mitglied des Clubs werden können. Jedes der Mitglieder ist stimmberechtigt. Mit Bart-Workshops, gemeinnützigen Arbeiten, Auftritten bei öffentlichen Veranstaltungen, Stadtfesten oder sogar in TVSendungen oder Talk Shows und natürlich den Teilnahmen an Bart-Wettbewerben sind die Bartträger sehr gefragt. Ein gutes Auftreten mit dem Club und auch im Alltag ist den Mitgliedern daher sehr wichtig. „Grundsätzlich sollte der Bart eines Bartträgers immer in einem gepflegten Zustand getragen werden. Wir wollen unsere tollen Bärte nicht nur bei Meisterschaften erfolgreich präsentieren, sondern auch tagtäglich mit dem Bart das Kompliment „Belle Moustache“ (schöner Bart) verdienen.“, sagt Burkhardt. Eine uniforme Rahmenbedingung gibt es für die Bärte und ihre Träger jedoch nicht. „Ein Bart ist immer eine ganz persönliche Angelegenheit. Jeder Mensch ist anders, deshalb gibt es auch unterschiedliche Barttypen.“, so Burkhardt. Jedes Mitglied des Bartclubs kann selbst entscheiden wie es seinen Bart gestalten will. Lediglich ein Dresscode für clubinterne Treffen oder offizielle Auftritte ist festgelegt. So besitzt jedes Clubmitglied zwei verschiedene Club-Outfits.


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Ja, auch die Öffentlichkeit reie individuellen haarigen agiert weitgehend positiv auf Kunstwerke werden also von das außergewöhnliche Hobby. keiner „Bartwuchsregelung“ Es sei immer sofort Gesprächsoder Ähnlichem in ihre Grenzen stoff vorhanden, wenn man irgewiesen. Der Kreativität wird gendwo neue Leute kennenlernt freien Lauf gelassen. Dennoch und fast immer seien diese bietet der Bartclub gerne Mögdurchaus interessiert, freut sich lichkeiten an, um Burkhardt. die Mitglieder bei s gibt nicht viele die Wenn man ihrer Kultivierung als einzelner zu unterstützen. sagen können dass sie elt Bartträger „Wir geben bei unterwegs ist, lassen sind Bart-Workshops meister aller fällt man auf, für jeden Einit meinem art habe ich wenn aber der zelnen Tipps Bartwie Man(n) sei- unzählige schöne omente ganze club zusamnen Bart pflegt men ist, gibt und stylt. Das erleben dürfen die ich ohne es hinterher wird immer sehr art nie erlebt hätte n immer etwas individuell geändern dieser elt zu erzählen. macht. Jeder soll vielen „Es ist doch doch sein eigener schön, wenn wurde über meinen art und Typ sein.“, erwir mit unklärt das Grün- unseren artclub im ernse seren Bärdungsmitglied. ten den Leuhen berichtet ten eine Sein Bart ist sein Freude maMarkenzeichen und gleichzeichen können und ihtig Ausdruck eines gewissen nen ein Lächeln ins GeLifestyles. Über 20 Jahre trägt sicht zaubern.“, schwärmt er. er seinen Bart auf höchstem Niveau und zählt zu den erWar der Bartclub mal wieder folgreichsten Bartträgern weltim Fernsehen oder auf einer weit. Als kreativer Mensch Veranstaltung zu Gast, beträgt er seinen Bart als äukommt er im Nachhinein doch ßeres Zeichen seiner Kreatiimmer eine positive Resonanz. vität: „Das besondere Gefühl „Sehr oft möchten die Leute auch ist, dass man nicht wie jeder ein Foto machen, damit sie zeiMann ist. Man(n) ist seine eigegen können, was sie gesehen hane Person.“, meint Burkhardt. ben. Das macht doch viel Spaß.“

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eben all den positiven Reaktionen seitens der Gesellschaft erleben die Bartträger kaum Kritik. Burkhardt meint dazu: „Es kommt sehr selten vor, dass man schiefen Blicken begegnet oder einen dummen Spruch hört. Schwätzer gibt es zu jedem Thema. Wir müssen und wollen auch nicht jedem gefallen. Das geht schon mal gar nicht und außerdem machen wir unsere Bärte in erster Linie für uns selbst“. Der momentane Trend zurück zum bärtigen Gesicht, auch außerhalb des Clubs, fällt auch Jürgen Burkhardt deutlich auf. „Besonders momentan lassen sich wieder viele Männer einen Bart stehen und besinnen sich darauf, mit einem Bart dem Charakter des Menschen und des Gesichts eine eigenständige und persönliche, sehr individuelle Note zu geben. Mit einem Bart gibt es so viele Möglichkeiten das Gesicht unverwechselbar und markant zu machen.“, erklärt er. Wichtig für die Bartträger des Clubs ist es jedoch in jedem Fall immer zu ihren Bärten zu stehen und nicht zwangsweise einem aktuellen Mode-Trend zu folgen. Von vorübergehendem Modebartwuchs halten sie nicht viel. Speziell für Jürgen Burkhardt stellt das Barttragen vielmehr eine Lebenseinstellung dar. „Es würde weit mehr fehlen als ein paar Barthaare. Man schraubt bei einem Rolls Royce ja auch nicht einfach die Emily herunter. Das ist das Markenzeichen und das soll auch so bleiben!" Barttragen ist für die Mitglieder des Clubs ganz klar ein Kult. Mit einem Bart setzt Man(n) mehr Akzente. Ein Leben ohne Bart? Für die Bartträger des Bart- und Kulturclubs „Belle Moustache“ unvorstellbar.

Bartträger Burkhardt (www. bartweltmeister.de)



Orientalischer Tanz

Ein Tanz für Körper und Seele

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Sie stehen vor dem großen Spiegel in dem immer wuseligen Spielesaal. Um ihre langen, bunten Röcke haben sie klimpernde Tücher gebunden. Ihre Körper sind in Bewegung, die Arme und Finger bewegen sich grazil, das Becken schwingt leicht hin und her und die Beine machen kleine Schritte. Die Bewegungen beschränken sich nicht nur auf Bauch oder Hüfte, der komplette Körper, von Kopf bis Fuß ist miteinbezogen und in Schwung. Die Mädchen bewegen sich zu der lauten, orientalischen Musik, nicht unbedingt synchron, jeder hat seinen ganz eigenen Stil und Rhythmus. Doch jede einzelne strahlt dabei Lebensfreude aus, man sieht ihnen an wie viel Spaß sie dabei haben. Sie schauen alle neben dem Tanzen noch konzentriert nach vorne, denn ganz vorne tanzt Dinah Elena Ipsen, 24 Jahre alt, deren Leidenschaft der orientalische Tanz ist. Ihre Hüfte bewegt sich selbstsicher und leidenschaftlich von der einen zur anderen Seite. Seit acht Jahren tanzt sie nun und gibt heute Kurse für Kinder in Tipitapa, Nicaragua im Projekt „la casita del arbol“ wo sie seit 2006 als Freiwillige arbeitet. Ziel des Projektes ist es, Kinder zu fördern, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die sowohl im prekären Schulbetrieb als auch im Elternhaus zu kurz kommen.

Und trotzdem ist auf den ersten Blick kaum ein sinngebender Zusammenhang zwischen Bauchtanz, orientalischen Musikklängen und der verschlafenen Kleinstadt in Zentralamerika zu erkennen. Nun ist es so, dass Gesellschaften und Kulturen schon immer ein eigenes System von nonverbalen Botschaften entwickelt haben, ein Teil der Kommunikation erfolgte schon immer über Körpersprache. Dabei gibt es Körpersignale, die wir alle verstehen und richtig deuten und es gibt regional spezifische Signale. Eine besondere Form der Körpersprache ist der Tanz, durch Bewegung wird Ausdruck und eine Botschaft vermittelt, denn Bewegung ist fundamental für die menschliche Kondition und Kommunikation. Der Bauchtanz ist einer der ältesten Formen der Bewegung, er wird auch ägyptischer Tanz genannt, weil man davon ausgeht, dass er seine Wurzeln bereits im Altertum hat. Umgangssprachlich bezeichnet man den orientalischen Tanz auch als Bauchtanz, obwohl sich die Bewegungen nicht auf Bauch und Hüfte beschränken. Vielmehr werden bei dem Tanzen Körper, Geist und Seele trainiert.


Die Tänzerinnen lernen ihren Körper zu akzeptieren und ein gesundes Verhältnis zu ihm zu finden - dadurch wird ein ganz neues Körperbewusstsein erreicht. Man lernt Grenzen zu überschreiten, seine Selbstzweifel zu besiegen und das weibliche Selbstwertgefühl zu stärken. Darüber hinaus wird die Ausdauer verbessert und die Bein-, Bauch-, und Rückenmuskulatur gekräftigt.

Somit ist der Tanz nicht nur im physischen, sondern auch im psychischen Sinne wertvoll. Ein besonderes Merkmal des Tanzes, welches ihn von anderen Tänzen abhebt, ist die Fähigkeit einzelne Körperteile unabhängig voneinander zu bewegen. Für die verschiedenen Körperteile Hände, Bauch, Oberkörper, Arme, Kopf oder Beine gibt es jeweils separate Figuren, die dann zusammengeführt werden.

Zum Beispiel führt man mit der Hüfte Zitterbewegungen aus, während man den Oberkörper kreisen lässt. Um den Tanz zu erlernen braucht man keinen perfekt trainierten Körper und keine Vorkenntnisse, sondern man sollte einen guten Kontakt zum Körper und Selbstdisziplin mitbringen, um bewusst mit den Muskeln spielen zu können.


Interview mit Tänzerin Dinah

Was macht den orientalischen Tanz für dich so besonders?

„Für mich geht es bei den orientalischen Tänzen nicht darum, besser zu tanzen als eine andere, sondern darum, meinen eigenen Stil zu finden und es zu genießen. Als ich das gelernt habe konnte ich mich wirklich dem Tanz hingeben und bin als Tänzerin wie auch als Person gewachsen.“


Wie ist es den Tanz anderen beizubringen? „Ich bleibe selbst immer eine Schülerin, weil ich das Gefühl habe, dass man bei der Art des Tanzens niemals aufhört zu lernen - aber ich gebe auch Kurse an Freunde, tanze bei Festen und gebe Tanzkurse in der Bibliothek für Kinder zwischen 6 und 15 Jahren. Zu wissen, dass man andere inspiriert etwas zu lernen ist sehr wertvoll. Die Tanzgruppe gibt es jetzt schon seit vier Jahren und ich bin sehr sehr stolz auf die kleinen Tänzerinnen. Hier habe ich wirkliche Talente entdeckt und bin mir sicher, dass sie es weit bringen werden.“


Was ist das Wichtigste beim Erlernen des Orientalischen Tanzes? „Für eine vollständige Herangehensweise ist es essentiell ihnen beizubringen, dass sie ihren Körper akzeptieren, sich wohl in ihrem Körper fühlen und ihn mögen wie er ist. Nur so können sie den Tanz genießen. Denn dieser Tanz ist für jedes Alter, jede Größe und alle Körperformen. Darüber hinaus spielt der gegenseitige Respekt eine große Rolle. Es ist ein Tanz der einen gesund halten soll. Viele halten diese Art des Tanzens für vulgär, doch für mich ist das ein Tanz, der den weiblichen Körper feiert.“


Bauchtanz ist einer der weiblichsten Tänze überhaupt. Ist er tatsächlich auch für Kinder geeignet? „Ich bin davon überzeugt. Die kleinen Mädchen lassen sich auf die rhythmischen Bewegungen ein und entwickeln ein positives Körpergefühl. Das Schamgefühl, das sich mit Eintritt der Pubertät einstellt ist ihnen noch fremd. Der Tanz ist für sie Ausdruck von Lebensfreude und Temperament. Neben der Vermittlung eines positiven Lebensgefühls gibt die Beschäftigung mit dem Bauchtanz auch die Möglichkeit für die Kinder, sich an eine für sie fremde, aber bezaubernde Welt anzunähern. Die Atmosphäre wie aus 1001 Nacht weckt die Neugier und schafft Voraussetzungen für Wissensvermittlung. Somit ist für mich Bauchtanz eine runde Sache: es ist auf der einen Seite eine Koordinations-, Rhythmus-, und Haltungsschulung, ist aber auch der Ansatzpunkt für die spielerische Vermittlung von Lerninhalten.“ Verena Prinz


D AS P HÄNOMEN B ODY S HAMING

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ch sitze im Starbucks mit einem Cappuccino und lese. Neben mir zwei Mädchen im Teenageralter mit Parka, High-Waist Jeans und bauchfreiem Top. Plötzlich höre ich sie kichern, schaue rüber. Folge ihren Blicken zu einem anderen Mädchen, das sich gerade ihren Frappucino an der Theke abholt. „Siehst du die, noch ein Frappu und die Jeans reißt!“ – „Ja, so eine fette Kuh, ich kenn die.“ Ich schaue schnell wieder in mein Buch und denke mir: „Wow, Body Shaming vom Feinsten.“ Wenn ich die Menschen in meinem Umfeld allerdings frage, ob sie wüssten, was „Body Shaming“ ist, sind die meisten zuerst ahnungslos. Erkläre ich dann aber, was mit dem Begriff gemeint ist, wissen alle Bescheid und die meisten haben es auch schon einmal selbst, sozusagen am eigenen Leib, erfahren müssen.

Was ist „Body Shaming“ überhaupt?

Mit diesem Begriff wird jegliche Äußerung von negativen Ansichten, Aussagen und Beurteilungen bis hin zur Diskriminierung von anderen Personen oder einem selbst bezeichnet, bezogen auf das äußere Erscheinungsbild – also Aussehen, Gewicht, Größe oder Körperform. Body Shaming kann in sehr verschiedener Form

in Erscheinung treten. So kann man das eigene Aussehen kritisieren und sich so selbst diskriminieren bzw. „body shamen“, zum Beispiel durch eine Beurteilung oder einen Vergleich mit einer anderen Person: „Schau dir meinen dicken Hintern an!“, „Alles schwabbelt an mir, ich muss mich endlich im Fitnessstudio anmelden!“ oder „Ich bin so hässlich, verglichen mit ihr.“ Dann kann zum einen das Aussehen einer anderen Person ihr gegenüber kritisiert werden: „Mit diesen dicken Schenkeln wirst du nie einen Freund finden!“ oder „Mit dieser Hühnerbrust wirst du nie eine Freundin finden!“, zum anderen aber auch das Aussehen einer anderen Person, ohne dass diese Person davon weiß: “Hast du gesehen, was X heute trägt? Das Kleid lässt sie echt dick aussehen!“ oder „Wenigstens siehst du nicht so dürr aus wie sie!“ Aber auch die Medien tragen zum Body Shaming bei, so zum Beispiel die unzähligen Tipps für den perfekten Körper in Zeitschriften, die ein Idealbild, in das alle passen müssten, vermitteln: „30 Kilo in 30 Tagen verlieren!“, „So kaschieren Sie ihre Problemzonen!“, „So wirken Sie sofort schlanker!“. Folglich gibt es inzwischen auch spezielle Begriffe für die Diskriminierung der jeweiligen Körperform. Bei Menschen mit mehr Körpermasse ist es Fat Shaming, das sich in Aussagen wie: „Iss mal nicht so viel, du bist ja schon dick genug!“ manifestiert. Bei der


Diskriminierung von Menschen mit wenig Körpermasse ist es dagegen Thin Shaming oder Skinny Shaming wie: „Du siehst ja aus wie ein Hungerhaken!“ oder „Männer lieben Kurven, nur Hunde spielen mit Knochen!“ Wer ist betroffen? Die Beispiele lassen es schon erahnen: Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen, in allen Altersstufen, doch am häufigsten kommt es unter Jüngeren vor. Ich habe eine Umfrage unter 109 Personen in meinem Umfeld durchgeführt – männlich und weiblich. Die Mehrheit der Teilnehmer im Alter von 19 - 21 Jahren gab hier an, in Bezug auf das Body Shaming der eigenen Person, durch eine Beurteilung oder einen Vergleich mit einer anderen Person, täglich damit konfrontiert zu sein. Die Mehrheit der 27- 30-Jährigen dagegen nur monatlich. In der Umfrage ließ sich zudem aber auch erkennen, dass die meisten Äußerungen von Frauen über andere Frauen gemacht werden. So gaben 91% der Teilnehmerinnen an, weiblich zu sein und die meisten Kommentare von anderen Frauen zu bekommen (6% der Kommentare kämen von Männern, 2% wurden nie damit konfrontiert). Auch bei den männlichen Teilnehmern überwiegen die Kommentare vom eigenen Geschlecht, 52% Prozent gaben dies an (24% der Männer bekamen die Kommentare von Frauen und weitere 24% wurden nie damit konfrontiert). Bei der Frage, wie problematisch die Teilnehmer

Body Shaming fänden, gab die Mehrheit der Frauen „stark“ an, die männliche Mehrheit „mittel“. Mit diesem Ergebnis ist es auch nicht verwunderlich, dass es zum Phänomen des aktuell in den Medien gefeierten „dad bod“, eine kurze Version des „daddy body“, kommen konnte, während prominente Frauen sich weiterhin nach einer Schwangerschaft rechtfertigen müssen, wenn die „Schwangerschaftspfunde“ nicht sofort wieder verschwunden sind (und ebenso, wenn sie exzessiv nach der Schwangerschaft Sport treiben, um diese wieder loszuwerden.) Ein „dad bod“ ist der Körper eines etwas in die Jahre gekommenen Mannes, mit leichtem Bauchansatz, ohne sichtbare Muskeln. Seit kurzem ist dieser „in“, es gibt sogar entsprechendes Merchandise zu diesem Trend zu kaufen, zum Beispiel T-Shirts mit passenden Aufschriften. Zudem erscheinen unzählige Artikel in Print- und Onlinemedien, die sich positiv mit dem Thema befassen. Der fade Beigeschmack: Der „mommy body“ wird nie Trend sein. Stimmen von Opfern des Body-Shaming Im Laufe meiner Recherchen zu Body Shaming habe ich mit einigen Menschen aus meinem Freundesund Bekanntenkreis über dieses Thema gesprochen. Viele zeigten sich interessiert, aufgerüttelt oder auch persönlich von der Problematik betroffen. Zwei von ihnen wollten mir gerne mehr zu ihren Erfahrungen mit diesem Phänomen der weit verbreiteten und (durch die Medien) auch allgegenwärtigen Diskriminierung erzählen.

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Bei beiden Gesprächen fiel mir auf, dass die Personen in ihrer Denkenweise bis hin zum Verhalten bereits von dem, was Menschen über sie denken könnten, beeinflusst waren. Sich schuldig zu fühlen, wenn man keinen Hunger hat oder Lust auf einen Salat, in Erwartung der „Du bist doch eh schon so dünn, iss doch mal was!“Kommentare, oder sich den Nachtisch zu verwehren, weil man keine Lust auf die Blicke hat, die sagen: „Klar siehst du so aus, wenn du so viel Süßes isst“, ist keine Seltenheit. Eine meiner Gesprächspartnerinnen erzählte mir von den Kommentaren zu ihrer Körperform und ihrem Gewicht, mit denen sie sich immer wieder auseinandersetzen muss. Manchmal sind sie ernst und besorgt: „Isst du auch genug, Kind?“ manchmal im Spaß: „Jetzt trägst du ja noch kleinere Jeans, als bei unserem letzten Treffen!“ oder auch zielgerichtet: „Also das kannst du nicht tragen, damit siehst du ja viel zu dünn aus, ist ja eklig.“ Das wirkt sich auch auf ihr Verhalten aus. „Also ich finde mich nicht zu dünn. Und ich bin gesund. Ich bin schon immer dünn, war schon als Kind so, und esse genug. Trotzdem trage ich bestimmte Klamotten nicht, weil ich mir dann dauernd Kommentare zu meinem Körper anhören muss. Leggings zum Beispiel“, so meine Bekannte. Auch berichtete mir die Person von der verletzenden Wirkung des Versuchs, die eine Körperform auf Kosten der anderen aufzuwerten: „Immer wie-

der heißt es, Männer lieben Kurven, wollen keine Magermodels. Toll, ich habe keine. Wie soll ich mich jetzt fühlen?“ Zudem hatte sie das Gefühl, dass Initiativen für die Akzeptanz von verschiedenen Körperformen meist Menschen mit mehr Körpermasse zur Zielgruppe haben und es „okay“ und gesellschaftlich weniger verpönt sei, dünne Menschen zu diskriminieren. Was ist die Problematik an der Sache?

Egal wie sich Body Shaming manifestiert, es führt meist dazu, sich mit anderen zu vergleichen und auch zur Aufrechterhaltung der Idee, dass Menschen hauptsächlich aufgrund ihrer Körpermerkmale beurteilt werden sollten. Zudem impliziert das, was die Medien und wir uns untereinander vermitteln, oft, dass wir den Willen haben sollten, uns zu verändern, dass wir uns permanent darum kümmern sollten, dünner, kleiner, gebräunter etc. auszusehen. Wir dürfen nie so mit uns zufrieden sein, wie wir sind, sollen ständig auf Verbesserung aus sein. Wenn wir das nicht sind, müssen wir in der Sorge leben, das Ziel fremder (und ei-


gener) Body Shaming-Kommentare zu werden. Und um dies zu verhindern, passen wir uns doch an das an, was von uns erwartet wird und begeben uns in ein Abhängigkeitsverhältnis mit den uns oft fremden Idealen der Gesellschaft und deren Erwartungen an uns. Welchen Beitrag hat Social Media daran? In den sozialen Medien werden Stars täglich Ziel von Body Shaming. Ein gutes Beispiel ist Kim Kardashian während ihrer Schwangerschaft im Jahr 2013. Nicht nur war ihr Gewicht ständig Thema in Zeitschriften und Internet, zur Krönung wurde sie mit einem Schwertwal bzw. Orca, der auch Killerwal genannt wird, verglichen, was sofort verbildlicht wurde. In der darauffolgenden Zeit tauchte dieses Vergleichsbild übermäßig oft in den verschiedensten Sozialen Medien und Zeitschriften auf. Außerdem wurde Kim mit der zeitgleich schwangeren Catherine, Duchess of Cambridge (ehemals Kate Middleton) verglichen, die ja nur halb so viel wöge und nur halb so viel Körpermasse wie sie habe. Weiterhin tragen mit Photoshop bearbeitete Bilder von Stars, ebenso wie von Privatpersonen, in Sozialen Medien zur Problematik bei. Denn diese vermitteln ein idealistisches Bild von Schönheit und Schlankheit, das für normale, reale Körper unerreichbar ist, aber Idealvorstellungen generiert. So kommt es zu einem ständigen Streben nach diesem perfekten „Prototyp“ eines Körpers, das aber nie zum Ziel gelangt, da dieser ja unmöglich von durchschnittlichen Personen und ohne Fitnesstrainer, Ernährungsplan, Schön-

Der Einfluss der Körperwahrnehmung Das Selbstbild, das jede Person von sich hat, wird zum einen durch die Selbstwahrnehmungen generiert, zum anderen ergänzt durch Kommentare, Beurteilungen aus Fremdwahrnehmungen. Selbstwahrnehmung formt sich aus nach außen gerichteter eigener Wahrnehmung mithilfe von Gesichts-, Gehör-, Geruchssinn, etc. und nach innen gerichteter Wahrnehmung durch die eigenen Sinne (z.B. Schmerzsinn). Dazu kommen Informationen aus der Selbstbeobachtung und –bewertung. Das Körperbild ist dabei ein Konstrukt, das durch psychische Faktoren konstituiert wird. Eigenschaften wie Körperbewusstsein, die Grenzen des eigenen Körpers, Körpereinstellung (z. B. Attraktivität bzw. Aussehen, Bewertungen durch andere) und Annahmen, Überzeugungen (z.B. dick zu sein) sind seine Bestandteile. Eine positive Körperwahrnehmung ist allerdings wichtig für das Selbstbewusstsein. So kann man sich vorstellen, was geschieht, wenn diese Wahrnehmung total negativ konnotiert ist: ein Teufelskreis, denn mit abnehmendem Selbstbewusstsein sinkt auch die positive Einstellung zum eigenen Körper. Denn nur wer sich im eigenen Körper wohlfühlt, hat eine Basis für ein gesundes, gefestigtes Selbstwertgefühl.


heitschirurgie und Photoshop in der Realität zu erreichen ist. Ein weiterer Grund kann außerdem die Leichtigkeit sein, mit der man in der „anonymen Welt des Internets“ und so teilweise auch in den Sozialen Medien negative Kommentare (bezüglich fremder Körper, Aussehen etc.) posten kann. Beispielsweise in der Foto-App „Instagram“, die viele Menschen zur Selbstinszenierung nutzen. Hier kann jeder, der einem Profil folgt, alle Bilder, die darauf gepostet werden, kommentieren. Aber es gibt auch eine Gegenbewegung zu Body Shaming, die „Body Positive“-Bewegung, die für ein positives Körperbild und gegen die Diskriminierung von Körpern jeglicher Form eintritt. Auch wenn sie teilweise von Marken wie „Dove“ aus Werbezwecken für sich genutzt wird (und eigentlich schon wieder „Skinny Shaming“ ist: „[As tested on] real curves“) findet man sie hauptsächlich im Internet und dort auf Foto-Blogging-Portalen wie „tumblr.“ oder auch in facebook, wo ganze Seiten mit Texten sowie Bildern zum Thema erstellt werden. Guter Wille, falscher Weg: Wenn aus Anti-Fat Shaming Skinny Shaming wird Manches, das auf der Idee einer Body PositiveMessage gründet, gleitet, wenn es nicht nur „AntiFat Shaming“ ist, sondern (dadurch) auch Aspekte des „Skinny Shamings“ hat, leider wieder in simples Body Shaming ab. So geschehen bei Meghan Trainors Hit „All about that Bass“. Sie singt hier nämlich nicht nur „I see the magazine workin' that Photoshop / We know that shit ain't real / C'mon now, make it stop / If you got beauty, beauty, just raise 'em up / 'Cause every inch of you is perfect / From the bottom to the top“, was eine „Body Positive“-Message vermittelt, sondern lei-

der auch „I'm bringing booty back / Go ahead and tell them skinny bitches that / No, I'm just playing. I know you think you‘re fat“, was sich eindeutig dem „Skinny Shaming“ zuordnen lässt. Eine Folge davon sind neben kritischen Artikeln, einige Parodien ihres Liedes in Videoclip Portalen wie „Youtube“, die das Lied entweder so umgetextet haben, dass es wirklich „Body Positive“ ist, oder in der Hinsicht, dass die Body Shaming-Aspekte und weitere Schwachstellen des Lieds deutlicher herausgestellt werden. Weiterhin problematisch an diesem Lied ist außerdem die Message, dass es einem persönlich eigentlich egal sein kann, wie man aussieht, so lange man attraktiv für das andere Geschlecht ist: „Yeah, my mama she told me don‘t worry about your size / She says, ‘Boys like a little more booty to hold at night“. Dies ist nicht gerade förderlich für das Selbstverständnis von Personen, vor allem Heranwachsender. Was kann man dagegen tun? Bei dem Versuch, das eigene Leben ohne „Body Shaming“ zu gestalten, kann man sich zum einen


überlegen, wer im eigenen Umfeld eine positive Einstellung zu seinem Körper hat oder wenigstens eine neutrale, nicht diskriminierende. Zum anderen kann man sich Menschen suchen, die ihren Körper für das, was er kann, schätzen und ehren und die es ablehnen, die äußeren Körpermerkmale anderer zu kommentieren. Mit diesen Menschen Zeit zu verbringen, kann vor allem dann hilfreich sein, wenn man selbst mit eigenem, verinnerlichtem Body Shaming-Verhalten zu kämpfen hat und kann helfen, sich selbst und andere positiver zu sehen. Aber auch Menschen, die Body-Shaming-Äußerungen tätigen, mit ihrem Verhalten zu konfrontieren, ist ein guter Weg. Sobald man sich selbst seinem Body-Shaming-Verhalten bewusst geworden ist, bemerkt man auch, wie oft es Familie, Freunde und andere Menschen im eigenen Umfeld tun. Diese Menschen anzusprechen, Diskussionen zum Thema anzustoßen und zu erklären, warum es einen stört und wie es ihnen ebenfalls Schaden zufügen könnte, ist hilfreich. Das Wichtigste ist aber natürlich, etwas oder noch besser, vieles zu finden, das man an seinem Körper mag. Denn wir verbringen zu viel Zeit damit, beispielsweise Werbungen zu sehen, in denen es darum geht, wie die Wimpern noch verlängert werden könnten, wie die Zähne noch weißer werden,

die Taille noch schlanker und so weiter. Nun sollten wir dagegenhalten, in dem wir schätzen, was wir tatsächlich schon haben! Selbst wenn man noch Probleme mit einem positiven Bild vom eigenen Körper haben sollte, gibt es sicher irgendetwas, mit dem man zufrieden ist. Die neue Frisur, die Form der Hände – man sollte etwas finden, das einen ausmacht, einen besonders macht und die Wertschätzung davon jeden Tag zelebrieren. Denn jeder ist schön, nicht perfekt, das kann und muss auch niemand sein, zumindest nicht im realen Leben. Body Shaming ist kein neues Phänomen. Durch die Sozialen Medien hat es aber einen Aufschwung und Rückenwind bekommen, da diese eine so geeignete Verbreitungsplattform dafür darstellen. Zum Glück dienen sie aber genauso auch für die Gegenstimmen und Gegenkampagnen. Diese zu unterstützen, in Sozialen Netzwerken zu teilen, kann mit Teil des Prozesses sein, um vom Body Shaming endlich wegzukommen. Wie gerne hätte ich die zwei Mädchen im Starbucks angesprochen, ihnen gesagt, wie falsch ihr Verhalten ist und wie viel Schaden sie damit anrichten können. Doch ich blieb stumm und konnte nur noch dem Mädchen mit dem Frappucino beim Gehen aufmunternd zulächeln. Rosa Marie Wesle


Miko Fogarty, 18 Jahre alt. Sie hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, u.a. den American Youth Grand Prix, Moscow International Ballet Competition und Prix de Lausanne. In der kommenden Saison wird sie als Tänzerin der Companie des Birmingham Royal Ballet beitreten. / Š 2015 Miko Fogarty, Cloud & Victory


Ein schmaler Grat Das leben als professioneller bühnentänzer -

eine gratwanderung zwischen perfektion und destruktion autor: vanessa Budai

Applaus. Scheinwerfer gehen an und beleuchten die Aufschrift „Youth American Grand Prix“, welche eine große leere Bühne ziert. Ein dünnes und zierliches Mädchen betritt die Bühne. Sie läuft mit kleinen schnellen Schritten zur Bühnenmitte und verbeugt sich mit einer grazilen Bewegung. Klassische Musik aus „Giselle“ ertönt aus den Lautsprechern. Miko Fogarty, so heißt die kleine Künstlerin, beginnt ihren Tanz. Sie stellt sich auf die Spitze ihrer Füße und zeigt anmutende Posen, gefolgt von vielen Drehungen und Verrenkungen. Das kleine Mädchen wirkt sehr dünn, doch gleichzeitig beweist sie eine extreme Körperbeherrschung. Jede Bewegung führt sie perfekt aus, jedem Schritt sieht man die gewaltige Kraft an, die dahinter steckt. „Das sieht total unnatürlich aus, aber gleichzeitig sehen die Bewegungen mega leicht aus. Wie eine Marionette, die man in alle Richtungen verbiegt“, kommentiert eine Gruppe Studenten und bekennende Ballett-Laien das Video. „Ist bestimmt nicht leicht“. Miko Fogarty ist 14 Jahre alt, als sie 2012 am Youth American Grand Prix teilnimmt. Es ist einer der weltweit größten Tanzwettbewerbe, dessen Gewinner Stipendien erhalten sowie Eintritt in erfolgreiche Companies.

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Für den Auftritt hat Miko Repertoire aus „Giselle“ vorbereitet. Schon als kleines Mädchen träumt sie davon, die Rolle der Giselle eines Tages auf einer Bühne tanzen zu dürfen. „Die Titelpartie der Giselle zählt zu den Traumrollen einer jeden Solistin, ist Mark- und Prüfstein einer jeden Karriere, sowohl in technischer als auch in darstellerischer Hinsicht“, so das Stuttgarter Ballett. Das Werk Giselle gilt als Höhepunkt der Epoche der Romantik. In dieser Zeit wird das Schönheitsideal im Ballett maßgebend geprägt. Zauberwesen, Geister und Feen sind beliebte Figuren. Eine auf die Überwindung der Schwerkraft zielende Technik sowie eine Betonung der vertikalen Achse sollen dem Idealbild dieser Fabelwesen gerecht werden. Eine auswärts gedrehte Stellung der Extremitäten führt zu einer elegant geschwungenen Linie der Tänzer. Um die Illusion eines schwebenden Fabelwesens vollkommen zu perfektionieren, werden Spitzenschuhe für die weiblichen Tänzer eingeführt. Anna Pavlova (1881-1931) war die erste Ballerina, die um die Jahrhundertwende mit einem geblockten, d.h., im Zehenbereich verstärkten Spitzenschuh getanzt hat. Der geblockte Spitzenschuh ermöglicht die gestreckte Formation der Zehen in der „en-pointe“-Stellung. Nur auf ihren Zehenspitzen tanzend erweckt die Ballerina den Anschein, als würde sie knapp über dem Boden schweben. Virtuose Drehungen und Sprünge lassen die Tänzerin schwerelos, fast körperlos erscheinen. Miko macht ihre letzten Sprünge auf der Bühne. Das lange Tutu fliegt in der Luft umher und ihr kleiner, zierlicher Körper scheint in schnellen Drehungen über den Boden zu schweben. Wie eine kleine Elfe. Für Miko geht in diesem Moment ein lang ersehnter Traum in Erfüllung. Doch ihre schwerelose Erscheinung und die Virtuosität ihrer Bewegungen sind kein Zufall geglückter Gene - der Weg dorthin eine schmale Gratwanderung - wie ihn viele Tänzer durchleben.


Welchen Weg ist sie gegangen, um ihren Körper die natürlichen gesetze überwinden zu lassen? / © 2015 Miko Fogarty, Cloud & Victory


Wie viele andere Tänzer beginnt Miko Fogarty das Training bereits im Kindesalter mit gerade einmal 2 Jahren. Eine Tanzausbildung dauert in der Regel sechs bis acht Jahre. Das Eintrittsalter ist maßgebend für die körperliche Entwicklung eines Tänzers, da körperliche Voraussetzungen vor dem Beginn der Pubertät noch beeinflusst werden können. Beispielsweise das „en dehors“ (die Außenrotation des Beines im gestreckten Hüftgelenk) wird durch ein Band, das über die Hüftgelenkskapsel zieht, eingeschränkt. Mit Ende der Pubertät ist dieses Band nur noch eingeschränkt dehnbar, eine Verlängerung kaum noch möglich. Auch die allgemeine Dehnbarkeit von Bändern ist nach Abschluss der Pubertät eingeschränkt. Das bedeutet, dass eine Flexibilität, wie sie im professionellen Tanz erfordert wird bei späterem Trainingsbeginn kaum noch zu erreichen ist.

ken vorausgesetzt. Da der Tänzer während dem Training immer wieder auf „halber Spitze“ steht, kommt es zu einer ständigen Überbelastung des Vorfußes. Dieser muss jeden Sprung abfedern. Auch der Mittelfuß und das Sprunggelenk leiden unter der unnatürlichen Belastung. Eine weitere bedenkliche Belastung stellt das gewünschte „en dehors“ dar, eine Außenrotation der Hüftgelenke um 180 Grad. Jedoch gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Tanzstilen. Während im klassischen Tanz die Häufigkeit der Fußverletzungen am höchsten ist - sind es vor allem zeitgenössische und akrobatische Elemente im Bühnentanz, welche die Kniegelenke überbelasten. Der zeitgenössische Tanz entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Gegenbewegung zum klassischen Tanz. Entgegen des schwerelosen Spitzentanzes sucht man den bewussten Kontakt zum Boden durch barfuss tanzen. Auch auf das „en dehors“ wird verzichtet ein Versuch, die starren Formen des klassischen Balletts aufzubrechen. So umfasst Zeitgenössischer Tanz zahlreiche weiche, lockere Bewegungen, die oft kaum muskulär geführt werden. Dass die Gegenbewegung zum klassischen Ballett jedoch keineswegs gesünder ist, zeigt sich an zahlreichen berufsbedingten Verletzungen. Anstatt chronischer Überbelastung aufgrund eines ungesunden Schönheitsideal sind es nun akrobatische Höchstleistungen, welche von den Tänzern eingefordert werden und zu einer erhöhten Verletzungsgefahr führen. Verletzungen im Bereich der Knie- und Sprunggelenke erfolgt durch die nicht muskulär geführte Schwingungen und Sprünge. Auch das barfuße Tanzen erhöht die Gefahr der traumatischen Knochenbrüche im Fußbereich. Obwohl sich der zeitgenössische Tanz so sehr vom klassischen Ballett abzugrenzen versucht, ist das Grundtraining - die Base für jeden Tänzer das klassische Training, da es den Körper wie keine andere Tanzrichtung auf die physischen Herausforderungen vorbereitet. Problem des klassischen Balletts ist jedoch, dass sich die Technik weniger an der menschlichen Anatomie als an der Ästhetik orientiert. So lernen die Tänzer schon früh, Schmerzen unhinterfragt zu akzeptieren. „Körperliche Beschwerden und Schmerzen gehören dabei oft zum Trainingsalltag. Nur ein Drittel dieser Beschwerden führen zu Trainingspausen. Der Rest wird toleriert, einfach ignoriert. Der Tänzer tanzt weiter“, schreibt Simmel, die neben ihrer Tätigkeit als Tanzmedizinerin selbst Tänzerin an der Münchner Staatsoper ist2.

„Nur ein Drittel dieser Beschwerden führen zu Trainingspausen. Der Rest wird toleriert, einfach ignoriert. Der Tänzer tanzt weiter.“

„Das tägliche Training ist in allen Tanz sparten die Basis für die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit des Tänzers“, schreibt Dr. med. Liane Simmel, Leiterin des Instituts für Tanz Medizin ‚Fit for Dance’1. „Je nach anschließender Probenintensität dauert ein Training zwischen siebzig und neunzig Minuten. Begonnen wird mit einem ca. halbstündigen Stangentraining. Im modernen Tanztraining wird diese Sequenz durch ein „Warm-up“Training in der Mitte ersetzt. Anschließend folgt die Arbeit im freien Raum, bestehend aus Schrittsequenzen unterschiedlicher Dynamik, bis hin zu den großen Sprüngen - der Variation am Ende des Trainings.“ Im professionellen Tanz gibt es zwei verschiedene Arten der Tagesplanung. Die erste hat einen Beginn um 10 Uhr und endet um 18 Uhr, mit einer Dreiviertelstunde Pause. Der zweite Tagesplan sieht zwei Blöcke zu je vier Stunden morgens und abends mit vier bis fünf Stunden Pause zwischen den Blöcken vor. Dabei beginnt der erste Block um 10 Uhr, die Abendprobe um 18 oder 19 Uhr. „Obwohl die körperliche Belastung des Tänzers dem Hochleistungssport gleichzusetzen ist, werden Vorstellungsplanung und Spielplan nicht auf die sportphysiologischen Bedürfnisse der Tänzer ausgerichtet“, so Simmel. Folgen sind zahlreiche Überlastungsschäden der Füße, Knie, Hüfte sowie des unteren Rückens durch permanente Überbelastung. Der größten Belastung sind vor allem aber die Füße ausgesetzt. Um eine „elegante Linie“ des Fußes als Verlängerung der ästhetischen Beinlinie zu bekommen, wird eine maximale Beweglichkeit des Fußes in all seinen Gelen-


/ Š 2015 Miko Fogarty, Ballet Zaida


Gelsey Kirkley, versuchen dieses Ideal zu verkörpern. Entgegen von unnatürlichen Schönheitsidealen und einem starren System entwickelt sich der Zeitgenössische Tanz. Es geht nicht mehr um aufgestülpte Schönheit, sondern darum eine Geschichte mit individuellem Ausdruck zu erzählen. Doch bis heute bleibt der klassische Tanz die Grundlage aller neuen Tanzrichtungen. Das Training bietet die Grundlage für tänzerische Höchstleistungen, weswegen kein Theater auf das klassische Ballett als Grundtraining verzichtet. So bleiben Neben chronischen Verletzungen durch ungesunde Überalte Schönheitsideale belastung führt das noch erhalten. Jedoch Schönheitsideal des wird dem Problem klassischen Balletts zu der Mangelernährung weiteren Begleiterscheimehr Aufmerksamnungen: Anorexie und keit geschenkt. Viele psychische Belastungen. professionelle Companies weisen mit ErDass Ballerinas ständig nährungsprogrammen hungern müssen, ist weit auf die Gefahren einer verbreitet und haftet auch unzureichenden Ernähheute noch als standardirung hin und klären siertes Klischee an den die Tänzer über eine Tänzern. Woher kommt gesunde, ausgewogene das ungesunde Ideal und Ernährung auf. Parastellt es heute auch noch dox an Klischees von ein Problem dar, wo hungernden Tänzern sich doch der Zeitgenösist die Tatsache, dass sische Tanz an Theatern der Tanz als Hochleisweltweit etabliert hat? tungssport gilt und den Körper in Form von Der Magertrend wurKraft, Balance, Ausde maßgebend geprägt dauer, Konzentration durch die Legende Georund Beweglichkeit ge Balanchine, einer beansprucht. Dadurch der bedeutendsten Chosteigt automatisch der reographen des letzten Nährstoffbedarf des Jahrhunderts und GrünKörpers in Form von der des New York City Kohlenhydraten, ViBalletts. „I want to see taminen und Minerabones“, prägte er seinen lien. Somit muss ein Schülern ein. Gelsey professioneller Tänzer Kirkley beschreibt in ihsogar noch mehr Nahrem Buch „Dancing on rung zu sich nehmen, my grave“ die Situation als der Durchschnitt. während einer TrainingsEin Tänzer mit gesunklasse, als diese markan- Suzanne Farrell. Muse des berühmten Choreographen George Ballanchine und dem Selbstvertrauen ist ten Worte fielen. „He did Vorbild für den idealen Ballerinakörper / Quelle: American Academy of Achienot merely say, ‚Eat less.’ vement He said repeatedly, ‚Eat nothing.’“. Seine Muse Suzanne Farrell, eine Ballettikone des 20. Jahrhunderts, beschreibt Balanchine als den idealen Ballettkörper - der sogenannte „Balanchine body“. Langbeinig, muskulär, mager und natürlich von unantastbarer Schönheit muss er sein.3 Zahlreiche Tänzer, so auch

„ I want...

...to see bones“


... zwischen Perfektion und Wahnsinn

somit ein sehr guter Esser und kann dem alt behafteten Klischee trotzen. Trotz alledem ist das Leben eines Tänzers ein schmaler Grad zwischen Perfektion und Wahnsinn. Der Körper ist das Instrument des Tänzers - doch kann er es nicht einfach ablegen wie eine Violine. Seinen

Körper trägt er immer mit sich, bei Tag und bei Nacht. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, ein ständiger Kampf. Und doch macht Tanzen unglaublich glücklich. Kein Tänzer kann sich einen Tag ohne Tanz vorstellen. Auf die Frage, warum sich Tänzer den ständigen Torturen aussetzen, folgen ver-

schiedene Antworten - und doch ähneln sie sich in ihrer Grundaussage: An der Freude am Tanzen. Weil Tanzen trotz der harten Arbeit glücklich macht und es wie ein Suchtmittel auf die Menschen wirkt.


Der letzte Tusch ertönt in den Lautsprechern und Miko verbeu

hat sie perfekt verkörpert, das Idealbild einer Ballerina voll

Grand Prix Award. Ein Preis, welcher ihre weitere Karriere m

kleine Mädchen von der Bühne ab. Es ist dieser einzige Mo

Strapazen in den Trainingssälen vergessen zu lassen und den

/ © 2015 Miko Fogarty, Ballet Zaida /Quellen 1 Simmel, Liane: Arbeitsplatz Tanz - Tanzmedizin für Ärzte und Therapeuten, Unfallklasse Berlin, 2011 2 http://www.fitfordance.de/documents/0603UTDPortraetLianeSimmelAusgabe206.pdf 3 http://www.huffingtonpost.com/elizabeth-kiem/post_6717_b_4640946.html


ugt sich grazil. Das Publikum klatscht und pfeift. Die Giselle

lkommen erfüllt. Für diesen Auftritt gewinnt sie den Youth

maßgebend fördern wird. Mit einem Siegerlächeln läuft das

oment auf der Bühne der genügt, um sie die monatelangen

n Traum vom nächsten großen Auftritt aufblühen zu lassen.


Ethnische kosmetische Chirurgie – Konstruktion von Schönheit und Identität


„But if you‘re thinking about my baby, it don‘t matter if you‘re black or white. I am tired of this devil, I am tired of this stuff, I am tired of this business.”1

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Nicht nur Michael Jackson beschäftigte sich in seiner Musik mit der Frage, welche Rolle die Hautfarbe eines Menschen für dessen Identität spielt. Im Zeitalter von moderner Chirurgie ist heutzutage fast alles möglich, um ethnische Merkmale wenn gewünscht anzupassen. Ob dann wirklich noch der Leitspruch gelten kann „it don’t matter if you’re black or white“, bleibt fraglich.

„Seit dem Aufkommen der kosmetischen Chirurgie um die Jahrhundertwende haben Menschen in den USA und in Europa diese nicht nur als Möglichkeit betrachtet, ihr Aussehen aufzuwerten, sondern auch als Möglichkeit, körperliche Merkmale abzuschwächen oder zu beseitigen, die sie – ihrem Empfinden nach – als ‚anders‘ im Vergleich zur dominanten ‚ethnischen‘ Gruppe ausweisen.“2 Die Amerikanerin Kathy Davis lehrte bereits Psychologie, Soziologie und Geschlechterforschung an Universitäten in den USA und in Europa und beschäftigte sich in ihrer Arbeit schon mehrfach mit dem menschlichen und insbesondere mit dem weiblichen Körper. Dabei thematisierte sie die kulturelle Konstruktion von Schönheit und Schönheitspraktiken. 2008 erschien ihr Artikel „Surgical Passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase“3, in dem sie den Begriff der ethnischen kosmetischen Chirurgie prägt und beschreibt, wie weit Menschen gehen, um ihre Identität invasiv einer ethnischen Mehrheit anzugleichen, und welche ethischen Fragen sich in diesem Zusammenhang ergeben.

Der Begriff der ethnischen kosmetischen Chirurgie wird laut Davis durchaus von Medizinern verwendet, sei aber kritisch zu betrachten, da Ethnizität ein Konzept sei, das oft mit Rassenlehre und dementsprechend mit negativen historischen Erfahrungen in Verbindung gebracht würde. Ethnizität soll sich aber eher auf ein kulturelles Phänomen und auf die Konstruktion einer rassenspezifischen Identität beziehen. 1995 veröffentlichte Davis ihr Buch „Reshaping the Female Body“4, in dem sie Schönheitschirurgie bei Frauen untersuchte, um herauszufinden, ob die gängige Kritik, dass Schönheitsoperationen nur teuer und gefährlich seien, Frauen leichtfertig mit ihrer Gesundheit spielten und all das nur täten, um einem Schönheitsideal zu entsprechen, und um so der Gesellschaft bzw. im Speziellen Männern zu gefallen. Durch Gespräche mit einzelnen Frauen fand David jedoch heraus, dass viele von diesen einen langen Leidensweg hinter sich hatten und so sehr an einem äußeren Makel litten, dass eine neu konstruierte Identität, die sie für sich selbst schufen, psychologische Heilung versprach. Ist Schönheitschirurgie nun auch eine gerechtfertigte Praxis, um sich nicht nur eine neue persönliche Identität, sondern auch eine neue ethnische Identität zu schaffen? Soll es verwerflicher sein, sich eine neue Ethnizität schaffen zu wollen anstatt einer gewöhnlichen neuen Körperlichkeit?

Schönheitsoperationen 2013: Platz 1: Brustvergrößerungen Platz 2: Fettabsaugen Platz 3: Augenlidkorrektur


„Verhandeln nicht alle, die sich einer kosmetischen Operation unterziehen – ohne Ansehen von gender, Ethnizität oder Nationalität, sexueller Orientierung oder Alter – ihre Identität in Kontexten, in denen körperliche Unterschiede unerträgliche Leiden bedeuten können?“5

Davis stellt fest, dass in ihrem wissenschaftlichen Umfeld scheinbar eine höhere Akzeptanz und ein höherer Grad an Gewöhnung den Menschen bzw. Frauen entgegen gebracht wird, die sich einer normalen kosmetischen Operation wie bspw. einer Brustvergrößerung unterziehen als denjenigen, die ein ethnisches Merkmal beseitigen lassen. Wie lässt sich das erklären? Werfen wir zunächst einen Blick in die Vergangenheit und versuchen festzustellen, welche Formen der ethnischen kosmetischen Chirurgie es schon gab und gibt: Im 19. Jahrhundert wurden jüdische Menschen häufig sozial stigmatisiert und ausgegrenzt. Plattfüße und Hakennasen galten als typische Merkmale von Juden und standen für Schwäche und Krankheit. Schon früh gab es Ärzte, die diesen Menschen helfen wollten, ihre Herkunft zu verschleiern, um in der Gesellschaft besser akzeptiert zu werden. In diesem Zusammenhang wurden die ersten plastischen Operationen an Nasen vorgenommen. Ähnlich verhielt es sich bspw. bei irischen Einwanderern in die USA, die angeblich für ihre Knollennasen bekannt waren und diese häufig operativ anpassen ließen, um sich ihrem neuen Heimatland anzugleichen.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es für Asiatinnen (ganz weit vorn: Südkorea) populär, sich westliche Augenlider operieren zu lassen, d.h. die sogenannten Schlitzaugen sollten durch eine künstliche Lidfalte kaschiert werden. 2013 war diese Art an Eingriff laut der International Society of Aesthetic Plastic Surgery mit knapp 12% und einer absoluten Anzahl an Eingriffen von 1.379.263 auf Platz 3 aller weltweit durchgeführten Schönheitsoperationen hinter Fettabsaugen auf Platz 2 mit 14% und Brustvergrößerungen auf Platz 1 mit 15%.6

2013 ließen sich über eine Million Menschen eine künstliche Lidfalte operieren


Kaw geht in diesen Fällen aber unter Vorbehalt davon aus, dass westliche Schönheitsideale – in diesem Fall große, geöffnete Augen – schon so sehr im Unterbewusstsein verankert sind, dass individuelle Entscheidungen, mögen sie auch noch so unabhängig sein, von einem durch die Medien vermittelten Bild unbewusst beeinflusst werden. Dieses Problem nach der Frage einer individuellen, selbstbestimmten Entscheidung in Bezug auf jegliche Schönheitsoperation, die nicht unbedingt ethnisch motiviert ist, thematisierte auch bereits Davis in „Reshaping the Female Body“ – eine Grundsatzdebatte, für die es immer Argumente auf beiden Seiten geben wird. Ebenso verbreitete sich im 20. Jahrhundert der Wunsch unter afroamerikanischen Menschen, Nasen und vor allem Lippen zu verschmälern. Allerdings gab es in diesem Zusammenhang lange nicht so viele Eingriffe wie bei asiatischen Frauen an den Augen. Da bei Afroamerikanern die Hautfarbe das auffälligste Merkmal der Ethnie ist, sind hautaufhellende Mittel wie z.B. Cremes sehr verbreitet. 1992 veröffentlichten Russel, Wilson und Hall ihr Buch „The Color Complex“8, in dem sie die Bedeutung der Hautfarbe früher und heute thematisieren. 2013 erschien eine Neuauflage des Buches, in dem insbesondere Entwicklungen im Rahmen der Globalisierung berücksichtigt werden. In den letzten zwanzig Jahren hat sich viel im Hinblick

auf Toleranz geändert. Zu erwähnen sei hier insbesondere die Wahl des farbigen Präsidenten Barack Obama in den USA.

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1997 beschäftigte sich Eugenia Kaw7 mit diesem vermehrt auftretenden kosmetischen Eingriff bei asiatischen Frauen. Mithilfe von ergebnisoffenen ethnographischen Interviews mit elf asiatisch-amerikanischen Frauen wollte sie herausfinden, welche kulturellen und sozialen Hintergründe Frauen dazu bringen, sich einem westlichen Schönheitsideal zu unterwerfen und ob diese Entscheidungen als selbstbestimmt gelten können. Eine 40-Jährige berichtete Kaw bspw., dass sie bereits vor zwanzig Jahren einen solchen Eingriff hatte machen lassen und sich seitdem deutlich schöner findet und derart sozial davon profitiert hat, dass sie bereits daran denkt, ihre 12-jährige Tochter bald operieren zu lassen. Durch die Operation, die die Augen offener und weniger schläfrig erscheinen lassen soll, hätte sie endlich das Gefühl erlangt, dazuzugehören und in den USA nicht unerwünscht zu sein. Kaw sieht hinter diesen Eingriffen eindeutig rassistische Ideologien als Motivation und geht weiter davon aus, dass asiatische Augen mit Charakterzügen wie Emotionslosigkeit assoziiert werden. Dennoch gaben einige andere Frauen an, die Augenlidkorrekturen aus persönlichen Gründen und aus eigenem ästhetischem Empfinden heraus vorgenommen haben zu lassen.

Trotzdem ist Hautfarbe immer noch ein Thema, das zu Rassismus und Ausgrenzung führt – und dies nicht nur bei Afroamerikanern. In „The Color Complex“ weisen die Autoren bspw. darauf hin, dass viele Menschen in Asien zu hautaufhellenden Mitteln greifen. So gaben 2010 ca. 30% aller indischen Frauen an, Bleachingcremes zu verwenden und 2012 waren es in China sogar knapp 50%.9 Den Menschen in diesen Ländern wird vor allem durch die Werbung und generell in den Medien vermittelt, dass es erstrebenswert sei, hellere Haut zu haben. Auf der anderen Seite geben viele dieser Frauen aber scheinbar auch an, dass sie es als eine Art Selbstermächtigung erleben, ihre Hautfarbe und somit ihre Identität verändern zu können. Eine dunkle Hautfarbe steht nach wie vor in vielen Ländern der Welt für die Arbeiterklasse und für die Menschen, die harte Arbeit unter freiem Himmel verrichten müssen. Eine weiße Haut galt und gilt hingegen als vermeintliches Merkmal für eine reichere Oberschicht.


Besonders für Einwanderer wurde ethnische kosmetische Chirurgie somit zu einer Lösung, um ethnisch unsichtbar zu werden, und um sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Trotzdem bleibt die Frage, ob nicht auch ethnische kosmetische Chirurgie vielmehr durch den generellen Wunsch, seine Identität einem gängigen Schönheitsideal anzupassen, motiviert ist. Ob ein gewisses Schönheitsideal einer westlichen Ethnizität entspricht sei dabei dahingestellt. Nicht zu vergessen ist schließlich, dass in der westlichen Gesellschaft auch zunehmend gebräunte Haut als attraktiv gilt. Hinzu kommt die Bewegung gegen den Magertrend, der beispielsweise kurvige Frauen mit breiten Hüften als Models auf den Laufsteg bringt. Das westliche Schönheitsideal scheint daher in Zeiten der Globalisierung und in Zeiten der individuellen Schönheit nicht mehr klar definierbar zu sein bzw. es stellt sich die Frage, ob von Idealen im eigentlichen Sinne überhaupt noch die Rede sein kann. Schönheit ist ein Konzept, das seit jeher als verhandelbar angesehen wird. So scheint es immer mehr Gang und Gebe zu sein, vor allem die weibliche Schönheit ständig neu zu konstruieren. Vertreter des Feminismus werfen Frauen, die sich Schönheitsoperationen unterziehen daher immer noch vor, sich einem medienvermittelten Ideal zu unterwerfen und sich zu erniedrigen. Aus kultureller Sicht ist aber – wie bereits erörtert – zu bedenken, dass vielmehr eine Identitätsanpassung das oberste Ziel vieler Frauen ist – eine Identitätsanpassung an ein gesellschaftlich vermitteltes Schönheitsideal? Warum aber scheint dennoch ein größeres Unbehagen und Vorurteile gegenüber Menschen zu bestehen, die ihre ethnische Herkunft verstecken wollen, als gegenüber Menschen, die einen gewöhnlichen körperlichen Makel kaschieren wollen?

Ein besonders prominentes und strittiges Beispiel für Schönheitschirurgie allgemein, das den Bereich der ethnischen kosmetischen Chirurgie tangiert, ist Michael Jackson. Auch nach seinem Tod ist nach wie vor unklar, welche Motivation Jackson letztlich hatte, sich seinen zahlreichen Operationen zu unterziehen. Neben mehreren Nasenoperationen, die die Nase schmäler erscheinen lassen sollten und ähnlichen Eingriffen an den Lippen, ist auch offensichtlich, dass seine Hautfarbe im Gesicht nach und nach heller wurde. Jackson soll angeblich eine Pigmentstörung gehabt haben, die die Eingriffe und die Verwendung von weißem Makeup rechtfertigen sollte. Dennoch bleibt der Beigeschmack, dass Michael Jackson seine afrikanische Herkunft rein optisch in den Hintergrund drängen wollte, obwohl er in seiner Musik oft genug ausdrückte, dass die Hautfarbe keine Rolle spiele. Erst kürzlich machte das kenianische Model und Starlet Vera Sidika von sich Reden, da sie in einer Talkshow öffentlich zugab, sich ihre Haut mit Bleachingcremes aufhellen gelassen zu haben. Damit machte sie weltweit Schlagzeilen und schürte die Diskussion an, ob man mit hellerer Haut im Showbusiness erfolgreicher sein könne. Sidika gab an, seit ihren Hautaufhellungen wesentlich besser im Geschäft zu sein. Dafür erntete sie von einer breiten Öffentlichkeit Missachtung und Unverständnis. Die meisten waren der Ansicht, sie würde sich noch heute rassistischen Ideologien unterwerfen und ihre afrikanische Herkunft verleugnen. Sie behauptete in der Talkshow weiter, auch andere Stars wie Nicki Minaj und Rihanna hätten dies schon getan, würden es aber nicht öffentlich zugeben.

2010 verwendeten 30% aller indischen Frauen und 2012 sogar 50% aller chinesischen Frauen Bleachingcremes


Kathy Davis kommt in ihrem Artikel bezüglich der Frage, was an ethnischer kosmetischer Chirurgie unbehaglicher oder verwerflicher sein soll als bei gewöhnlicher kosmetischer Chirurgie, zu folgendem Urteil: Davis sieht keinen Unterschied darin, ob man eine ästhetische Operation vollzieht, um eine schönere Weiblichkeit zu erhalten, Zeichen des Alterns zu verstecken oder ethnische Merkmale zu beseitigen. Letztlich sei allen hintergründigen Motivationen gemeinsam, dass die Schaffung einer neuen Identität im Vordergrund steht, die nach einem leidvollen Weg als notwendig erachtet wird, da der eigene Körper in welcher Form auch immer als anormal wahrgenommen wurde.

„I am not going to spend my life being a colour.“

„Alle, die sich kosmetischen Operationen unterziehen, sollten als Personen betrachtet werden, die ihre Identitäten in Kontexten, in denen körperliche Unterschiede unerträgliches Leiden nach sich ziehen können, verhandeln.“10

Dennoch können laut Davis natürlich nicht alle ethnischen kosmetischen Eingriffe als gleichwertig angesehen werden, da sie stets in ihrem eigenen historischen und kulturellen Kontext zu betrachten sind. So ist beispielsweise die Verschleierung jüdisch aussehender Körperteile zu Zeiten des Antisemitismus anders zu betrachten als die Augenlidkorrektur vieler Asiaten heutzutage. Aber gemeinsam bleibt die Neuverhandlung der eigenen körperlichen Identität, wofür jede dieser Personen ihre eigenen Gründe haben wird. Ob dabei selbstbestimmte Entscheidungen getroffen werden, oder ob sich vermeintlichen Idealen unterworfen wird, ist dabei im Einzelfall zu beurteilen, eine Unterscheidung im Hinblick auf ethnische kosmetische Chirurgie kann aber nicht pauschal vorgenommen werden. Das Beispiel von Michael Jackson zeigt außerdem, wie fließend die Konstruktion von Identität verlaufen kann – bei Jackson wird schließlich nicht nur die Hautfarbe verändert, sondern auch das Alter verjüngt. Letztlich kann man nur im Sinne von Jackson hoffen, dass Identität nicht mit Ethnie und Diskriminierung gleichgesetzt wird – „I’m not going to spend my life being a color.“11 Kerstin Perkert


Anmerkungen: Jackson, Michael (1991): Black or White. In: Dangerous. Epic Records. Davis, Kathy (2008): Surgical Passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. In: Villa, Paula-Irene (Hrsg.): Schön normal. Manipulationen am Körper als Technologien des Selbst. Bielefeld: Transcript Verlag. S. 41-65. Zitat: S. 41, Hervorhebungen im Original. 3 Davis 2008. 4 Davis, Kathy (1995): Reshaping the Female Body. The Dilemma of Cosmetic Surgery. London: Routledge. 5 Davis 2008, S. 44. 6 Vgl. International Society of Aesthetic Plastic Surgery: http://www.isaps.org/Media/Default/Current%20News/ISAPS%20Quick%20Facts%20Highlight%20Sheet%20Final.pdf – vgl. auch Russel, Kathy/Wilson, Midge/Hall, Ronald E. (1992/2013): The Color Complex. The Politics of Skin Color among African Americans (in a new Millenium: revised edition). New York: Random House. S. 39 (Zahlen von 2010). 7 Kaw, Eugenia (1997): Opening faces: The politics of cosmetic surgery and Asian American women. In: M. Crawford & R. Under (Hrsg.): In Our Own Words: Readings on the Psychology of Women and Gender. New York: McGraw- Hill. S. 55-73. 8 Russel, Kathy/Wilson, Midge/Hall, Ronald E. (1992/2013): The Color Complex. The Politics of Skin Color among African Americans (in a new Millenium: revised edition). New York: Random House. 9 Vgl. Russel et al. 2013, S. 34ff. 10 Davis 2008, S. 58, Hervorhebung im Original. 11 Jackson 1991. 1 2


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KÖRPERKULT(uren) vom Tilaka bis zum Tatau

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tellen Sie sich vor, dass Sie in einem Unternehmen arbeiten, in dem der Vorgesetze im ganzen Gesicht tätowiert ist, oder der zu dem wöchentlichen Meeting mit zeremoniellem Federschmuck kommt, oder Ohrlöcher so groß wie Teller hat. Geht nicht? Dann sind Sie höchstwahrscheinlich in der westlich geprägten Welt aufgewachsen. Der Mensch kommt in allen Gegenden der Erde nackt und ungeschützt auf die Welt. Was er dann mit seinem Körper anstellt, kommt ganz auf seine Kultur an. In der westlichen Welt gilt Körpergestaltung verschiedenster Art oft als eine Provokation. Sie wollen „Kulturmenschen“ und keine „Naturmenschen“ sein und als solcher ist die Verzierung des Körpers nicht angebracht. Tätowierte oder gepiercte Menschen haben oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Dass die Körperverzierung auch eine Form der Kultur oder Kultiviertheit ist, wird oft nicht gesehen. Von den Menschen wird erwartet, dass er seine Zukunft stets im Blick hat und immer weiter nach oben strebt. Will man das Ende seiner persönlichen Hierarchieleiter erreichen, also z.B. Chef von einer Firma oder sogar eines Staates werden, wird erwartet eine unversehrte Haut zu

haben. Kaum einer kann sich vorstellen, einen Vorgesetzten zu haben, wie eingangs beschrieben. Bei einigen Völkern, die auf der Welt verstreut leben, gilt Körperschmuck als essentielles Merkmal, um einen hohen Rang in der Gesellschaft zu erhalten. Ohne ihn sind bzw. waren die Menschen dort nicht als vollständige Mitglieder der Gemeinschaft akzeptiert. Die Statuswandlung vom Kind zum Erwachsenen ist sehr stark rituell geprägt. Diese Lebenswandlung geht auch zumeist mit einer Veränderung der Körpergestaltung einher. Durch Mythen, die auch ihre Verzierungen erklären, wird meist die symbolhafte Ordnung ihrer Welt veranschaulicht. Sie erkennen die Natur als einen Teil ihres Lebens an und wollen sie nicht, wie die westliche Gesellschaft, verdrängen. Das zeigen sie durch ihren Körperschmuck. So ist es auch logisch, dass in vielen Formen der Körpergestaltung Tiere eine große Rolle spielen. Das reicht von der Verwendung einer einzelnen Feder bis hin zum Tätowieren von Formen, die symbolisch für Tiere und Natur stehen. Ob Bemalung, Tatauierung, Narbenverzierung, Piercings oder äußerlicher Schmuck - fast alles hat eine Bedeutung im Bezug auf die Hierarchie oder die Initiationsphasen.

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Kartographie d

Berberfrau13

Kuikuro14

Nuba15


der Kรถrperkunst

Hindu16

Tatauierung17

Massai1


Äußerlicher Schmuck: Massai

Die Massai sind eine ostafrikanische Volksgruppe, die vor allem in Kenia und Tansania lebt. Ihre Hierar-

chie ist grob in drei Altersstufen eingeteilt, die in äußerlicher Veränderung sichtbar wird. Dies gilt hauptsächlich für die männlichen Massai. Die Jungen steigen alle 7 bis 14 Jahren in die nächsthöhere Altersstufe auf.

Die jüngste Altersstufe umfasst bei den Jungen die Lebensspanne bis sie ca. 14 Jahre alt sind, dann werden sie gemeinsam beschnitten. Ihnen zu Ehren wird eine große Zeremonie, die sogenannte Emorata, abgehalten. Die Mütter rasieren ihren Söhnen die Köpfe kahl, was das Ende eines Lebensabschnittes symbolisiert. Die Aufgabe der Jungen bestand bis dahin darin die Herde zu hüten. Nun steigen sie in die Kriegerklasse auf. Sie tragen jetzt rote Roben und geflochtenes Haar, welches sie nicht mehr bis zum Eintritt in die nächste Altersstufe schneiden. Auffällig sind die Massai Krieger, die sich mit einer Löwenmähne schmücken. Derjenige, der sich damit Massai-Krieger mit „Enkuraru“1

schmückt, hat bei einem gemeinsamen Löwenangriff als erster den Löwen mit seinem Speer verwundet. Die nächste Altersstufe ist die der Ältesten. Die Zeremonie dauert fünf Tage und wieder wird den Massai der Kopf geschoren, was das Ende ihres ungebundenen Lebens symbolisiert. Sie müssen nun heiraten. Die Frauen der Massai tragen stets einen geschorenen Kopf. Im Gegensatz zu den Männern bezieht sich ihr Stolz nicht auf die Haare. Denn ihr ganzer Stolz sind die vielen bunten Perlenschnüre, die sie von den Männern geschenkt bekommen. Je nachdem, wie eine Frau ihre Ohrlöcher schmückt, zeigt sie, ob sie verheiratet ist oder nicht. Sie wer-

den im Alter von 7 oder 8 Jahren gestochen. Ein oder zwei Jahre später wird das Loch noch weiter gedehnt und ein Holzpflock durchgebohrt. Große Löcher gelten dort als Schönheitsideal, während es bei uns eher als ungewöhnlich gilt, seine Ohrlöcher extrem zu weiten. Aber auch diese Praktik hat als Trend Einzug in die westliche Welt gefunden.

rechts: Massai Frau2



Anhänger Shivas3

Asket4

Körperbemalung: Hindus D

Tilakavariation oben: Vishnu unten: Shiva

er Hinduismus ist eine Religion, die vor allem in Indien verbreitet ist. Die Kleidung eines Hindus verweist hier auf seinen sozialen Status. Obwohl das Kastensystem offiziell abgeschafft ist, existiert es inoffiziell noch immer in den Köpfen der Menschen. Es gibt vier Kasten, denen jeweils eine Farbe zugeordnet wird. Die oberste Kaste bildet der Brahmane, zu ihr gehören die Priester und Gelehrte und ihnen ist die Farbe weiß zuzuordnen. Darauf folgt die Stufe der Kshatriya, zu ihnen gehört die Farbe rot. Dann gibt es noch die Vaishya, deren Farbe ist gelb. Die vierte Kaste sind die Shudras, deren Farbe schwarz ist. Ein rot gefärbter Scheitel symbolisiert, dass eine Frau verheiratet ist. Dies widerspricht der landläufigen Meinung, dass der rote Punkt auf der Stirn, das „Bindi“, dafür steht. Das „Bindi“ ist ein aufgemalter Punkt oder Schmuck auf der Stirn, der sich an der Stelle des energetischen „dritten Auges“ befindet. Er kann entweder nur reine Dekoration oder auch ein Schutzsymbol sein. Im Gegensatz zu der Kleidung ist das „Tilaka“ kastenunabhängig. Es weißt auf die Religionszugehörigkeit, die keiner Hierarchie unterlegen ist, eines Hindus hin. Diesen Schmuck, der ihren Glauben symbolisiert, tragen vor allem die Männer. Anhänger Shivas haben Variationen von drei waagerechten Strichen auf der Stirn, während die Verehrer von Vishnu ein U-ähnliches Zeichen tragen. Diejenigen die das Shakti verehren bevorzugen den roten Stirnpunkt, der dem „Bindi“ ähnelt. Es gibt allerdings noch zahlreiche weitere Kombinationen dieser Formen des „Tilaka“.


Körperbemalung: Xinguano

Xingu Symbole5

Die Xinguano leben im Tiefland Brasiliens, am Ober-

lauf des Rio Xingu. Ihre Bemalung hat eine andere Ausprägung als die der Hindus. Vor allem die Männer dieser Gesellschaft nutzen die Farben weiß, schwarz und rot als Körper- oder Musterfarbe. Ohne diese Bemalung sind sie nicht „angezogen“ und fühlen sich unwohl. Vor allem bei Festlichkeiten ist der Körperschmuck sehr ausgeprägt. Es existieren diverse Muster aus dem Tierreich, z.B. Symbole für Schlangen, Fledermäuse oder Fische. Diese sollen dem Träger die jeweiligen Fähigkeiten des Tiers übertragen. Die Männer aus der Familie des Häuptlings haben das Privileg auf die Falkensymbole. Der Häuptling selbst schmückt sich mit dem Jaguar-Symbol. So machen die Xinguano deutlich, wer in ihrer Hierarchie an der obers-

ten Stelle steht. Die Bemalung geht auch auf ihre Haare über, welche sie mit unterschiedlichen Ornamenten in schwarz schmücken, diese stehen symbolisch für verschiedene Tiere. Eines der wichtigsten Feste der Xinguano ist das „kuarup“. Zu diesem treffen sich die verschiedenen Stämme vom Rio Xingu, wie die Kuikuro, um das Toten-, bzw. Erinnerungsfest zu begehen. Gleichzeitig ist es die Initiation von Mädchen und Jungen, die eine Zeit lang abseits des Stammes gelebt haben. Nun sind sie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft und haben Anspruch auf die ihnen bisher verwehrte Bemalung. Der letzte Höhepunkt des Festes bildet der „huka-huka“. Bei diesem Ringkampf werden die Aggressionen zwischen den Stämmen abgebaut und sie erinnern sich an ihre gemeinsame Geschichte. „huka-huka“ Ringkamp beim „kuarup“6


Narbenverzierung und Bemalung: Nuba

skarifizierte Nuba Frau7


Die Nuba leben in den Nuba-

Bergen in der Mitte Sudans. Die männlichen Stammesmitglieder schmücken sich mit Bemalungen, während die Frauen ihren Körper mit Narben verzieren. Die Bemalung der Haut ist bei den Nuba Männern streng geregelt, denn diese zeigt, in Verbindung mit der Frisur, ihr Alter und ihre Stellung in der Gesellschaft an. Ab 8 Jahren darf der Junge sich mit roter und weißer Farbe bemalen. Ab ca. 12 Jahren gelten sie als ältere Knaben, die die Herden hüten und von diesem Zeitpunkt an gelbe Farbe benutzen dürfen. Die Generation von 17 bis 30 Jahren sind die Hoffnungsträger der Gesellschaft, nach seiner Initiation darf der Nuba Mann schwarze Farbe benutzen. Sie sind für die Ernährung des Stammes verantwortlich.

Skarafizierungen am Rücken einer Nuba Frau9

Nuba Mann beim Verzieren seines Gesichtes10

geschminkter Nubamann8

Im Gegensatz dazu stehen die Nuba Frauen. Ihre Narbenverzierungen verdeutlichen ihre Rolle im Stamm und zeigen ihren Aufgabenbereich. Es ist streng geregelt, zu welchem Zeitpunkt welche Teile des Körpers, je aufwendiger die Verzierung desto höher der Status der Trägerin, verziert werden. Die ersten Narben erhalten die Nuba Mädchen etwa im Alter von zehn Jahren am Rumpf. Nachdem sie mit ihrer ersten Menstruation unter ihren Brüsten skarifiziert wurden, werden nach der Geburt des ersten Kindes und dem Abstillen Rücken, Arme und Beine verziert. Die Haut wird dabei mit einem Haken nach oben gezogen und mit einer Rasierklinge verletzt. Der Vorgang wird häufig wiederholt, um eine möglichst starke Narbenbildung zu verursachen. In der westlichen Welt ist eine solche Art der Verzierung ohne Betäubung unvorstellbar. Auch, dass die Mädchen gar keine Wahl haben, scheint in der westlichen Gesellschaft gegen unsere Vorstellung von Menschenrechten zu verstoßen. Man muss allerdings bedenken, dass jede Kultur eigene Normvorstellungen hat und man von universalistischen Betrachtungsweisen Abstand nehmen muss.


Tatauierung In Polynesien war die Tatauierung am weitesten verbreitet. Tatauierung kommt von der tahitischen Wurzel ta-

tau „Wunden schlagen“. Männer aus vornehmen Familien waren nahezu am ganzen Körper tatauiert, Frauen im Gesicht und an den Gliedmaßen. Ihr erstes Tatau bekommen und bekamen sie mit ca. 12-18 Jahren. Dies richtet sich bei Jungen nach dem Häuptlingssohn. Wenn dieser im richtigen Alter ist, werden auch alle anderen in die Gemeinschaft initiiert. Bei den Mädchen beginnt die Tatauierung mit Eintritt in die Geschlechtsreife. Allgemein gibt und gab die sie Auskunft über Rang, Herkunft, Stand und Glauben des Trägers. Sie ist nicht nur ornamentale Kunst, sondern Bestandteil von Religion, Wirtschaft und gesellschaftlicher Tradition. In Samoa wird beispielsweise noch heute tatauiert, während die Maori-Nachkommen sich ihr traditionelles „Moko“ nur noch mit Filzstiften aufmalen.

„Moko“ mit Filzstift aufgetragen11


Samoa

Einst waren die Tataus Zeichen für den Erfolg eines Mannes bei der Jagd. Ohne Tatauierung hatte er keine Chance, in die Regierungsgeschäfte einzusteigen. Bei den Samoanern war also am Tatau zu erkennen, wie seine Position in dem Sozialsystem der Gesellschaft war. Heute ist seine Bedeutung nicht mehr so tiefgründig, auch wenn es teils diese behalten hat, aber es ist immer noch ein Zeichen für Mut und Durchhaltevermögen. Allerdings ist ein unvollendetes Tatau eine große Schande. Die Verheilung dauert bis zu einem Jahr. Der wichtigste Teil des samoanischen Tataus ist das „aoao“. Es wird im Lendenwirbelbereich angebracht. Außerdem ist es der religiöseste Teil, da es als Draht zu den Gottheiten gilt und damit den Mittelpunkt des Tataus bildet.

samoanisches Tatau mit „aoao“12

Maori Die Technik der Tatauierung ähnelt sehr dem Schmuck der Samoanern. Das Auffälligste an ihnen war das „Gesichtsmoko“. Es wird in vier Teile unterteilt: die rechte Hälfte ist vom Rang und Status des Vaters geprägt, die linke Seite von der Mutter. Die jeweiligen Hälften werden noch einmal unterteilt, um Stammeszugehörigkeit und Rang zu unterscheiden. Frauen mit hohem Rang wurden als Männer ange-

sehen und hatten deshalb ebenfalls ein ausgeprägtes „Moko“. Das männliche „Moko“ ging Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Eintreffen von Missionaren zurück. Die Frauen bewahrten diese Tradition bis ca. 1940. Es war ein Vorrecht der Adeligen und Freien sich mit einem Tatau zu verschönern. Heute malen sich viele Maori ihr „Moko“ nur mit Filzstiften auf, um Touristen und andere Besucher zu beeindrucken.

Berberfrau mit traditioneller Gesichtstatauierung13

Berberfrauen Die Tatauierung beschränkt sich aber nicht nur auf Polynesien, sondern wird auch in einigen Gegenden Afrikas praktiziert. Besonders interessant bei den Berbern ist, dass nicht ihre Männer, sondern vorzugsweise die Frauen mit Tataus geschmückt werden. Sie leben in den Ländern Nordafrikas wo die Technik von Mutter zur Tochter weitervererbt wird. Tataus dienen als Abwehr vor übernatürlichen Kräften und werden deshalb in Übergangsphasen angebracht. In diesen ist der menschliche Körper - nach ihrem Glauben - nämlich besonders anfällig. Da die Geister durch die Körperöffnungen der Mädchen eindringen würden, werden diese durch Verzierungen geschützt. Die Symbolwahl drückt damit ihre Verbundenheit mit Natur und Kosmos aus. Ein Stern steht beispielsweise gleichzeitig für Gott und, dass die Trägerin des Tataus nach Gerechtigkeit und Wahrheit strebt.


D

ie Vielfalt des Körperschmucks auf dieser Welt ist überragend. Um ihn verstehen zu können muss man sich ein Stück weit in die jeweilige Kultur einfühlen. Es sind Zeichen der Selbstfindung der verschiedenen Individuen, wann sie sich schmücken und wie sie sich schmücken. Allerdings sind die Methoden der Verschönerung oft sehr schmerzhaft und können bleibende Schäden verursachen. Alles hat in diesen Körperkulturen eine Bedeutung und die Menschen würden sich ihre Zierde niemals entfernen lassen. Dies steht im Kontrast zu unserer Vorstellung von Körperschmuck. Viele Menschen folgen hierzulande Trends, die sie später bereuen. In den 1990er Jahren waren die Tribals in Deutschland sehr beliebt. Bei Frauen wurden diese oft über dem Steißbein, dem so genannten „Arschgeweih“, angebracht. Heute sehen viele Träger diese Tattoos als eine Jugendsünde an, die sich einige auch weglasern lassen. Jede Kultur hat ihre eigenen Symbole und bevor man die Art des Körperschmuckes kritisiert, sollte man sich näher mit ihnen befassen. Neben kulturellen Unterschieden lassen sich an Äußerlichkeiten auch hierarische Differenzen festmachen. Eine traditionelle Gesichtsbemalung wäre als Vorrausetzung für eine Führungsposition, zum Beispiel in einer deutschen Bank, unvorstellbar. Allerdings stellen auch wir Ansprüche an ihn; er soll einen Anzug und Krawatte, als sein kulturell geprägtes Erkennungszeichen, tragen. Während ein erwachsener Nuba Mann stolz seine prachtvolle Gesichtsbemalung präsentiert, die ihn als Mitglied der wichtigsten Altersstufe identifiziert.

von Johanna Klein

Quellen Wolfe, Art/ Deirdre Skillman (1999): Völker, Farben, Rituale. München: Frederking & Thaler Verlag. Massai Krieger, Art Wolfe, S. 47 Massai Frau, Art Wolfe, S. 42 11 Maori, Art Wolfe, S. 107 12 Samoa, Art Wolfe, S. 106 14 Kuikuro, Art Wolfe, S. 134 1 2

Gröning, Karl (2002): Geschmückte Haut. Eine kulturgeschichte der Körperkunst. ²München: Frederking & Thaler Verlag. Anhänger Shivas; Burt Glinn/MAGNUM/FOCUS, S. 174 Anhänger Shiva, Asket; Alfred Eisenstaedt, S. 176 7 Nuba Frau, Horst Luz, S. 135 8 Nuba Mann; Leni Riefenstahl, S. 142 9 Nuba Frau, Horst Luz, S. 135 10 Nuba Mann; Leni Riefenstahl, S. 141 13 Berberfrau; Angela Fisher/Robert Estall Photographs, S. 120 15 Skarafizierung; Leni Riefenstahl, S. 147 16 Hindu; Thomas Degen, S. 175 17 Tatauierung; Malcolm Kirk, S. 94 18 Brust Narben; Leni Riefenstahl, S. 147 3 4

Hartmann, Günther (1986): Xingú. Unter Indianern in Zentral-Brasilien. Zur einhundertjährigen Wiederkehr der Erforschung des Rio Xingú durch Karl von der Steinen. Berlin: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Zeichungen: Ulrich Gebauer/ Renate Sander; Außenaufnahmen Ursula Hartmann/ Günther Hartmann. Zeichendeutung; Ulrich Gebauer/ Renate Sander, S. 181 Ringkampf Xingu; Ursula und Günther Hartmann, S. 222, Nummer 217 19 Haarbemalung, Ulrich Gebauer/ Renate Sander, S. 142 20 Xingu; Ursula und Günther Hartmann, S. 227, Nummer 224 5 6




TRANS Maik Exner

In einer cis-normativen Gesellschaft ist noch immer die Ansicht weit verbreitet, dass das biologische Geschlecht (in der aus dem Englischen übernommenen Fachterminologie ‚sex‘) und die soziale Geschlechtsidentität (‚gender‘) selbstverständlich übereinzustimmen haben, strikt miteinander verbunden sind und wer etwas anderes behauptet oder gar von sozialen Konstruktionen der Geschlechter spricht, der muss ja wohl spinnen. Glücklicherweise sind auch andere, offenere Tendenzen vorhanden und auch in der Biologie ist es schon seit einiger Zeit Konsens, dass das mit der Geschlechtlichkeit doch etwas komplizierter ist und Mann und Frau als absolute Kategorien nicht wirklich ausreichend sind, das binäre Modell also veraltet erscheint. Doch wie gehen denn nun Menschen, die ganz eindeutig sagen, dass sie sich nicht einfach mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abfinden wollen, mit dieser Thematik um?

GENDER 62

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Inside

Out Aline Neis

S

ina fährt sich langsam und sorgsam durch die glatten schwarzen Haare, streicht sich kurz mit ihrer Linken über die enganliegende Jeans und richtet ihre Bluse, dann richtet sie sich auf. Sie lächelt, breit und offen, blickt in die Runde vor ihr. Es ist laut in dem kleinen Raum am Rande von Koblenz und die lauten Autogeräusche von draußen mischen sich mit dem aufgeregten Geplapper der Gruppe. Die kalte winterliche Abendluft lässt die Fenster in dem spärlich dekorierten Raum beschlagen, die Wände sind weiß gestrichen. Auf Stühlen sitzen die Mitglieder der Koblenzer Selbsthilfegruppe sowie teilweise deren Familienmitglieder, vor Sina um einen Tisch herum. Sie alle sind Transgender, Personen, deren biologisches Geschlecht nicht mit ihrem Gefühlten übereinstimmt, einige haben bereits eine sogenannte „Geschlechtsangleichende Operation“ hinter sich, doch die meisten haben noch einen langen, steinigen Weg bis dahin vor sich. In der Öffentlichkeit haben sie oftmals mit Anfeindung zu tun, auf der Arbeit wie auf der Straße.

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Hürdenlauf der Bürokratie

Die Anzahl der Missverständ-

nisse über Transgender ist so groß wie die Betroffenenzahl, Vorurteil und Spott bestimmen das Leben der meisten. Dass das biologische Geschlecht nicht zwangsläufig mit dem Gefühlten übereinstimmt, ist für viele Menschen unverständlich, der Körper ist für sie unweigerlich eine Erweiterung der Psyche. Doch eben dies ist die große Problematik der transidentischen Personen und eben dies zeigt die enorme Bedeutung auf, die der Körper und dessen Möglichkeiten zur individuellen Anpassung für eine gesunde Psyche bedeutet: Bei transidenten Personen widerspricht die körperliche Ausprägung der des biologischen Geschlechts, die Betroffenen fühlen sich unwohl in ihrem eigenen Körper, sind jedoch oftmals unfähig, dies zu ändern, da geschlechtsangleichende Operationen strengen Auflagen unterliegen und sie so nicht in der Lage sind, ihren Körper ihrer Identität anzupassen wie der Rest der Gesellschaft, dessen Möglichkeiten, sich über den Körper zu definieren, von Fit-


nesstraining über Sonnenstudio und Kleidung weit hinaus reicht. Doch ist die innere Zerissenheit, in welcher sich transidentische Personen befinden, ungleich größer und so leiden viele von ihnen unter Depressionen und einem Gefühl der Isolation von der Gesellschaft. Hier in der TransgenderGruppe jedoch, in diesem kleinen, kärglichen Raum, fühlen sie sich frei und unter Freunden. In der Gruppe können sie sich austauschen und vor allem beraten lassen von transidentischen Personen, deren Weg in den richtigen Körper bereits abgeschlossen ist, deren Erfahrungen jedoch auch zeigen, wie schwierig es immernoch ist, diesen Weg einzuschlagen. Denn um eine geschlechtsangleichende Operation durchführen zu dürfen müssen die Personen nachweisen, dass sie sich für mindestens sechs Monate einer Hormontherapie unterzogen haben und für mindestens eineinhalb Jahre in einer psychotherapeutischen Behandlung gewesen sind. Zudem müssen zwei voneinander unabhängige Gutachten zur Diagnose Transgender vorgelegt werden, doch stellen sich bereits diese für die meisten transidentischen


Personen als große Hürde dar, sind sie doch der Willkür der behandelnden Ärzte ausgesetzt. So berichtet Manu, ein Mitglied der Gruppe, von den Schwierigkeiten mit den entsprechenden Ärzten, doch ist er abhängig von eben diesen Gutachtern, vor allem da nur eine kleine Anzahl von Ärzten von den Gerichten als Gutachter anerkannt werden, sodass der Wechsel zu einem anderen Arzt ausgeschlossen ist. Doch ist eine solch diskriminierende Behandlung durch die zuständigen Ärzte weder in Deutschland, noch in Europa, ein Einzelfall, wie europäische Studien zeigen. So wurde 25 % der europaweit Befragten transpezifische ärztliche Behandlungen nicht gestattet, weil die Ärzte ihrer Transition ablehnten1.

„Es ist eine Unverschämtheit, wie die Bürokratie Zwang, in einem ihnen fremden Körper leben in Deutschland uns Steine in den Weg legt. Der zu müssen. Gang zur Krankenkasse kann sich je nach Kasse Selbsthilfegruppen helfen den Betroffenen über mehrere Jahre hinweg ziehen, Jahre, die dabei, die Alltagsprobleme, wie Konflikte mit nicht jeder durchhält. dem Arbeitgeber oder Manche begehen aus den Auseinanderset„Die meisten Menschen feVerzweiflung Suizid, zungen mit Ärzten tischisieren transidente weil sie sich diese Operaund Krankenkassen zu tionen und Behandlunbewältigen. Personen, weil sie Transigen nicht leisten können, So geben laut europädentität mit Sexualität in oder weil die Krankenischen Studien zwiVerbindung bringen. Deskassen die Bearbeitung schen 13 % und 30 % dieser Anträge immer der transidentischen halb müssen wir im Alltag weiter nach hinten verTeilnehmer in eurooftmals Sprüche über uns schieben.“, empört sich päischen Staaten an, ergehen lassen, das macht Anne, Moderatorin des wegen ihrer Transidenheutigen Abends und mich wütend, weil es transi- tität bei Bewerbungen löst damit eine heftige dentische Personen in einen diskriminiert worden Reaktion in der Runde zu sein, auch liegen falschen Kontext setzt.“ aus. 37 % der Transgender trotz HochschulabDenn für viele ist der schluss mit unter lange Weg der Bürokra20.000 Euro unter dem tie ihr Todesurteil: der Zwang, in einem andeE- Durchschnittsgehalt von 28.000 Euro und ren Körper als dem Gefühlten leben zu müssen laut einer britischen Untersuchung verdienen wird für viele Transgender so erdrückend, fast 60 % der Untersuchungsteilnehmer wenidass sie unter Depressionen leiden, es folgen ger als 10.000 Pfund im Jahr und sind somit Suizidversuche. Eine amerikanische Studie von schwerster Armut betroffen2. belegt, dass bereits 41 Prozent der Betroffenen Selbstmordversuche begangen haben, In der Folge solcher Benachteiligungen und oftmals aus Mangel an Gesprächspartnern und Anfeindungen, sowohl im Berufsleben, wie Verständnis, aber vor allem auch durch den auch in der Öffentlichkeit, leben eine Vielzahl


der transidentischen Personen ihr gewähltes Geschlecht nicht am Arbeitsplatz, Österreich sogar die Hälfte der Transgender. Ende 2014 erst beging die 17-jährige Leelah Alcorn aus den USA Selbstmord, geleitet durch den Glauben, dass die Intoleranz ihrer persönlichen Umwelt es ihr unmöglich machen würde, ein Leben als Frau zu führen3. Ihr Fall brachte die Problematik von Transsexualität und Intoleranz erneut in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit, doch herrschen in der Gesellschaft nach wie vor Transsexuellen gegenüber große Vorurteile, angetrieben durch die westliche Vorstellung einer binären Einteilung in die Geschlechter: Mann oder Frau. Transidente Personen fallen in keine dieser beiden Kategorien und stellen somit die alten Geschlechterrollen, wie sie bereits als Kinder erlernt werden und vom größten Teil der Gesellschaft gelebt werden, in Frage und müssen infolge dessen oftmals Ablehnung am eigenen Körper erfahren.

Ein Drittes Geschlecht? Dabei ist die Geschichte der Transidentität

eine lange und keinesfalls neue, sie geht vielmehr bereits auf die Zeit der Römer zurück, wo Kaiser Elagabalus dem Arzt, der es schaffte, ihm einen weiblichen Körper zu verleihen, hohe Belohnungen in Aussicht stellte. Doch die Vorstellung, dass sich die menschliche Identität im Körper durch lediglich zwei Geschlechter ausdrückt, ist eine weitgehend westliche, geprägt durch den Einfluss der christlichen Kirche. So erkannten andere Kulturen wie die nordamerikanischen Indianerstämme ein Drittes Geschlecht an, dessen Betroffene sie Two- Spirits nannten, Personen, deren soziale Identität eine andere darstellte, als die ihnen bei ihrer Geburt zugewiesene. Auch heute gibt es noch zahlreiche solcher Beispiele, wie die mexikanische Stadt Juchitán, in welcher sowohl Männer, als auch Frauen wechselnde Geschlechterrollen

einnehmen können, je nach der jeweiligen sozialen Identität. In diesen Kulturen wird der Körper viel mehr als Ausdrucksform der menschlichen Identität anerkannt, als dies in westlichen Kulturen der Fall ist, wo vielmehr die Identität und das soziale Geschlecht von dem seit der Geburt festgelegten biologischen Geschlecht abhängig gemacht wird. Doch wie zeitgemäß ist eine solch strikte Einteilung in die beiden klassischen Geschlechter und deren gesellschaftliche Rollen angesichts der Tatsache, dass es auch in Deutschland zwischen 80.000 und 120.000 offizielle transidente Personen gibt, wobei die Dunkelziffer erheblich höher ausfällt. In Zeiten von Vaterschaftsurlaub und weiblichen Unternehmensvorsitzenden wird erkennbar, dass die Vorstellung von Geschlecht vor allem ein durch die Kultur und Sozialisation geprägtes Phänomen ist, dessen Grenzen von Menschen statt durch die Natur gezogen werden.


So werden Mädchen und Jungen bereits von der Kindheit an dazu erzogen, die ihnen vom Geschlecht auferlegten Rollen zu erfüllen vor allem auch durch die Vermarktung von geschlechterspezifischen Spielzeugen: Mädchen bekommen das neue Überraschungs- Ei in Pink, die Jungen das Altbewährte mit Autos darin. Gleichwohl beginnt sich ein Wandel innerhalb der Gesellschaft abzuzeichnen, denn immer mehr Staaten nehmen die Notwendigkeit einer rechtlichen Manifestierung der gesellschaftlichen Umstände wahr, indem sie, wie es in Indien letztes Jahr geschehen ist, ein Drittes Geschlecht wie in Indien die Hijras, offiziell anerkennen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es den Hijras nicht einmal möglich, offizielle Dokumente wie einen Pass zu erwerben, da für diesen Zweck eine eindeutige Einteilung in eines der beiden Geschlechter notwendig war: männlich oder weiblich?

(K)ein Einzelfall? Folglich ist die Vorstellung einer binären Einteilung in Geschlecht eine weitgehend Westliche und begüns-

tigt so die weitverbreitete Diskriminierung von transidenten Personen, welche jedoch in Gruppen wie in Koblenz deutschlandweit Rat finden. Dass transidente Personen keine Einzelfälle in der Gesellschaft darstellen, belegt auch die hohe Anzahl an Mitgliedern, die regelmäßig zu den Treffen erscheinen. Gestartet wurde das Projekt in Koblenz mit weniger als 5 Personen, mittlerweile hat die Gruppe eine stetige Teilnehmerzahl von 25-30 Personen, Tendenz steigend. Und nicht nur in Koblenz gibt es gleich mehrere solcher Gruppen, vielmehr finden sich Selbsthilfegruppen dieser Art in allen deutschen Großstädten und weisen somit auf ein weitverbreitetes, wenn auch von der Gesellschaft oftmals ignoriertes soziales Problem hin, helfen diese Gruppen den Mitgliedern doch vor allem dabei, mit gesellschaftlicher Isolierung, Diskriminierung und Anfeindung umzugehen.

Doch auch in Deutschlands Gesellschaft

relativiert sich die Ansicht einer eindeutigen Einteilung in lediglich zwei Geschlechter. So sieht die seit dem 1. November 2013 in Kraft getretene Version des Personenstandsgesetzes vor, dass bei der Geburt eines Kindes nicht mehr länger zwangsweise ein Geschlecht eingetragen werden muss, sofern sich dieses nicht eindeutig erkennen lässt.

Dies stärkt vor allem die Rechte der intersexuellen Personen und weist somit auf eine starke Tendenz innerhalb von Politik und Gesellschaft hin, andere Kategorien außer männlich und weiblich künftig als Norm anzuerkennen. Diese Erfahrung machen auch viele Mitglieder der Koblenzer Selbsthilfegruppe, denn trotz aller behördlicher Schwierigkeiten und Diskriminierungen, erleben viele von ihnen vor allem in ihrem persönlichen Umfeld eine au-


zu benutzen, und wenn sich auch der Ein oder Andere mal versprochen hat, so haben sie sich immer sofort entschuldigt. Was mich allerdings am meisten überrascht hat, war die Reaktion meiner festen Freundin. Ich war mir sicher, dass sie unsere Beziehung beenden würde, dass sie es „Meine Mutter hat sich am selben Tag freigenicht verstünde, dass meine Sexualität nichts mit nommen, ist mit mir nach Köln gefahren und mir als transidente Person zu wollte mir mein erstes tun hat. Doch wie man sieht, eigenes Kleid kaufen. „Meine Mutter hat sich sitzt sie heute neben mir und Bei dem einen ist es am selben Tag freigeunterstützt mich in allem, was natürlich nicht geblieich für die Zukunft plane.“ ben und es hat noch nommen, ist mit mir ßergewöhnliche Offenheit gegenüber ihrem Outing als transidente Person. So berichtet die heute 23-jährige Lara von den Reaktionen ihres Umfeldes auf ihr Outing:

sehr lange gedauert, nach Köln gefahren und Auch die Gruppe als Ganzes bis ich mich tatsächwollte mir mein erstes unterstützt einander, doch lich auch getraut nicht nur in Bezug auf rechtlihabe, es im Alltag eigenes Kleid kaufen.“ che und medizinische Fragen, zu tragen, aber diese sondern vor allem fördert sie Geste meiner Mutdurch gemeinsame soziale ter und diese völlige Aktionen wie Restaurantbesuche, Paintball, Selbstverständlichkeit, mit der sie dies getan Lasertag oder Grillabende das Gruppenzugehat, haben mich tief bewegt und in meiner Enthörigkeitsgefühl und lässt so neue Freundscheidung gestärkt. Danach war es leichter für schaften entstehen, die die wichtigste Basis mich, auch meinen Freunden gegenüber offen zu für körperliches und psychisches Wohlbefinsein, weil ich den Rückhalt meiner Familie hatte. den sind. Aber auch in meinem Freundeskreis wurde mein Trans- Sein nie problematisiert, im Gegenteil. Meine Freunde haben fast sofort begonnen, meinen selbst erwählten neuen, weiblichen Namen

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http://regenbogen.verdi.de/themen_1/trans/++co++58a4985e-9235-11e3-8cc2-525400438ccf

2

http://www.focus.de/familie/psychologie/teenager-begeht-selbstmord-vorurteile-gegen-transsexuelle-gott-macht-keine-fehler_

id_4379363.html 3

http://regenbogen.verdi.de/themen_1/trans/++co++58a4985e-9235-11e3-8cc2-525400438ccf


Leben jenseits der Ge schlech ternor men Maik Exner

Š GiuliaDaley.com


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Wird über Minderheiten berichtet, so sollte man sich stets die Frage stellen, wer spricht und wer dabei die Machtposition innehat. Denn oft ist es so, dass mehr über diese Leute gesprochen wird, als dass sie selbst zu Wort kommen. Gerade bei Transmenschen, die von Außenstehenden mit so verschiedenen und teilweise auch nicht ganz unproblematischen oder unumstrittenen Begriffen wie Transgender, Transsexualität oder Transidentität bezeichnet oder in Verbindung gebracht werden, sind Vorurteile und Unwissen vorherrschend und somit erfolgt, wenn vielleicht auch un-

bewusst, eine Herabsetzung oder Bevormundung – dass man also so spricht, als wisse man es besser als die Betroffenen selbst. Deswegen soll hier drei Transpersonen Platz gegeben werden, um einmal ausführlicher ihre Sicht auf die Thematik zu erläutern. Zusätzlich wurden sie bei der Erstellung der Fragen miteingebunden, auch um entscheiden zu können, welche Themen sie noch gerne behandeln würden.

Ben J. kommt aus Koblenz, ist 22 Jahre alt und schließt zurzeit eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger ab. Wie würdest du in deinen Worten Transsexualität oder Transgender beschreiben? Ben: Es gibt ja recht viele und auch verschiedene Ansätze für Definitionen. Ich würde Transgender definieren als eine Person, die sich nicht mit dem Geschlecht wohlfühlt, das ihr bei der Geburt auferlegt wurde. Dabei wird Transgender immer als Adjektiv benutzt, es gibt also nicht der/die Transgender. Transsexualität benutze ich überhaupt nicht. In meinen Augen passt es nicht richtig. Es geht bei Transgender ja um Geschlecht und nicht um Sexualität. Außerdem schwingt in dem Begriff Transsexualität für mich immer noch diese schreckliche Pathologisierung mit, an die ich lieber nicht erinnert werde. Wie und wann hast du für dich selbst gemerkt, dass du trans bist? Gab es da ein besonderes Ereignis? Ben: So richtig gemerkt, dass ich nicht in die binäre Geschlechtseinteilung passe, habe ich etwa mit 14 Jahren. Glücklicherweise habe ich mich in emanzipatorischen Freundeskreisen rumgetrieben und fing erstmals an mich als Genderqueer zu identifizieren und mehr Menschen kennenzulernen, denen es auch so ging wie mir. Genderqueer ist ein Unterbegriff von dem „umbrella“Begriff Transgender und bedeutet, dass eine Person sich weder als Mann, noch als Frau fühlt, sondern beides, keines von beidem oder auch abwechselnd. Ich wurde gleichzeitig immer unglücklicher und wurde sehr krank. Ich wurde depressiv und musste Medikamente nehmen. Ich wusste, dass ich etwas ändern musste, um glücklich zu werden. Mit 16 war ich mir dann recht sicher, dass ich einen anderen Namen brauche und in der Gesellschaft lieber als Mann angesehen werde, auch wenn das nicht so richtig stimmt. Ich sehe mich eher

weit abseits dieser Binarität. Jedenfalls hatte ich dann auch das große Coming-Out mit 17 und habe allen meinen Freund*innen gesagt, dass ich jetzt mit männlichen Pronomen angeredet werden möchte und ihnen den neuen Namen mitgeteilt. Dies verlief alles super, außer meine Eltern wollten mich nicht akzeptieren und so bin ich, sobald ich volljährig war, ausgezogen in eine eigene Wohnung. Seitdem kann auch meine Mutter meinen Namen benutzen. Wie würdest du sagen hat sich deine Körperwahrnehmung in diesem Selbstfindungsprozess verändert? Ben: Durch politisches Interesse habe ich mich zunehmend mit der Wahrnehmung von Körpern, besonders von Menschen, die trans sind, befasst. Zu Beginn meiner trans-„Karriere“ litt ich sehr unter meinem Körper, auch bekannt als Dysphorie in Bezug auf Transgender. Fand ihn eklig, wollte so schnell wie möglich Hormone nehmen und mich operieren lassen. Dieser Leidensdruck verschwand allerdings, je älter ich wurde und je mehr ich mich und die Gesellschaft reflektierte. Heute vertrete ich den Standpunkt, dass der Körper einer Trans-Frau ein Frauenkörper ist, ob sie Operationen hatte oder nicht, ist davon unabhängig. Menschen, die sich als Frau definieren, haben Frauenkörper und Menschen, die sich als Mann definieren, haben einen Männerkörper. Eigentlich recht einfach, oder? So zu tun als sei Biologie etwas Natürliches und nichts gesellschaftlich Konstruiertes ist nur vorgeschobene Transphobie. Bist du geoutet in deinem Freundes- oder Arbeitskreis? Wenn ja, wie haben die Leute reagiert? Ben: Ja, das bin ich. In meinem Freundeskreis bin ich 72

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geoutet und ich habe auch kein Problem damit, dass bekannt ist, dass ich trans bin. Auf meiner Arbeit sieht das schon anders aus. Mein Chef und meine Kolleg*innen wissen größtenteils Bescheid, wenn nicht von mir, dann bestimmt durch Geschwätz der anderen, aber das stört mich nicht. Bei den Klient*innen, die ich beruflich betreue, bin ich nicht geoutet, da bin ich sozusagen „stealth“. Das heißt ich bin für sie der Herr J. und das war‘s. Dies vor allem auch aus Selbstschutz. Wie hat sich nach deinem Comingout deine Körperinszenierung verändert? Inwiefern hast du versucht mit deinem Körper Stereotype zu inszenieren? Ben: Zu Beginn habe ich versucht dieses stereotype Männliche* zu imitieren. Gerade im Gang und in der Haptik. Habe das aber relativ schnell aufgegeben. Mittlerweile reicht es, dass ich weiß wer ich bin. Wenn Menschen auf der Straße das nicht 100%ig erkennen können, stört mich das nicht, finde es im Gegenteil sogar eher ziemlich gut, so schlecht einzuordnen zu sein. Ich inszeniere meinen Körper so, wie ich mich am wohlsten fühle und nehme dabei keine Rücksicht auf männliche* oder weibliche* Zuschreibungen. Ich benutze die Sternchen um zu zeigen, dass es sich hier um soziale Konstrukte handelt. Wie hast du in deinem Alltag schon Diskriminierung erfahren, weil du trans bist? Ben: Komisch angeguckt werden geht immer. „Bist du ein Junge oder ein Mädchen?“ hörte ich früher auch oft, bzw. werde ich immer noch recht oft falsch zugeordnet. Auf die Idee, dass man mich vielleicht vorher fragt, wenn man sich unsicher ist, kommt niemand, der nicht auch aus einem linksradikalen Spektrum kommt und selbst da lässt Umgang mit Trans-Menschen sehr zu wünschen übrig. Einmal wurde mir in einem Schwulen&Lesbenclub verboten die Männertoilette zu benutzen, sonst müsste ich gehen. Ich wurde übers Internet bedroht, mir wurde Gewalt angedroht und allein Internetkommentare zu lesen geht nicht, ohne mindestens einmal irgendwo eine menschenverachtende, transphobe Scheiße zu lesen. In einer antifaschistischen Kneipe war mal so ein Typ, der sich ganz sicher war, dass es trans gar nicht gibt und ich eine „Frau wäre, die andere Frauen hasst“. Nach solchen Erfahrungen fällt es oft schwer das Selbstbewusstsein nicht komplett zu verlieren und ich bin schon oft nach einem Abend in der Stadt weinend nach Hause gegangen, weil mal wieder ein transphobes Arschloch dabei war. Kannst du etwas zu den bürokratischen Schritten erzählen, die nötig sind, um deinen Körper deinen Vorstellungen entsprechend anzugleichen? Ben: Da Transsexualität laut dem ICD F64.0 (International Classification of Diseases) eine psychische Krank-

heit ist muss man bei der Transition „FzM“, also „Frau zu Mann“, sich zu allererst in psychische Behandlung begeben, denn diese Krankheit muss ja zuerst diagnostiziert werden. Also wenn ich sage, ich bin trans und das ist jetzt so, dann stimmt das gar nicht, weil ich eigentlich psychisch krank bin und das muss ein*e fähige Ärzt*in dann feststellen. Man muss mindestens ein halbes Jahr in Therapie sein, um die Diagnose gestellt zu bekommen und um Hormone auf Rezept zu erhalten. Manche Mediziner*innen verlangen noch einen Alltagstest und manche diagnostizieren anstatt einer Geschlechtsidentitätsstörung eine Persönlichkeitsstörung. Menschen, die eine Persönlichkeitsstörung oder andere psychische Erkrankungen haben, können anscheinend generell nicht trans sein. Naja, zurück zum Thema. Wenn ich also das Gutachten von meiner*m Therapeut*in dann habe, brauch ich noch eins von einer*m Endokrinolog*in und dann wird das bei der Krankenkasse eingereicht. Das MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) prüft das Ganze und legt generell erstmal Steine in den Weg, wie das ja bei Krankenkassen auch üblich ist. Für etwaige Operationen gilt die gleiche Prozedur. Für eine Vornamensänderung muss man sich an das zuständige Amtsgericht wenden und die Namensänderung beantragen. Die Kosten belaufen sich auf ca. 1300 Euro. Das Amtsgericht verlangt dann einen Trans-Lebenslauf und dass man sich zu drei verschiedenen Gutachtern begibt, die dann nochmal bestätigen, dass man auch wirklich trans ist und da ein großer Leidensdruck besteht. Ist diese Pathologisierung nicht auch eine Art von Diskriminierung? Ben: Natürlich ist es das. Was ist Diskriminierung sonst, wenn nicht eine systematische Unterdrückung, die auch gerade vom Staat durchgesetzt wird. Diskriminierung ist ja nicht immer nur in den Köpfen der Menschen, sondern gerade diese Unterdrückung im System. Was hältst du eigentlich von der relativ weit verbreiteten Formulierung „im falschen Körper geboren zu sein“? Ben: Schon zu oft gehört, schon zu oft den Kopf geschüttelt... Wenn mein Körper nicht der richtige ist, welcher soll es sonst sein? Mir wurde bei der Geburt halt das falsche Geschlecht zugeordnet. Leider sind die Zuschreibungen Penis=Mann und Vagina=Frau in dieser Gesellschaft Synonyme. In der heteronormativen Gesellschaft wird das eben so angenommen. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft da offener wird. Es gibt eben auch Männer mit Vagina und Frauen mit Penis und das ist doch alles gar kein Problem. So lange es niemand anderem schadet, soll jede*r Mensch doch tun, was ihn*sie glücklich macht.


Inwiefern hältst du es für sinnvoll klassische Genderperspektiven beizubehalten? Ben: Ich sehe mich nicht als so kompetent, irgendetwas den Sinn abzusprechen. Aber ich würde doch fragen, wieso man Systeme aufrechterhalten soll, die Menschen schaden und einengen. Ich vertrete nicht die Meinung Geschlecht generell abzuschaffen. Ich bin viel mehr für eine Öffnung dieser versteiften Thematik. Da

ist irgendwie alles mit sehr viel Angst verbunden, Angst gewisse Privilegien zu verlieren. Und das ist verständlich, Systeme werden immer versuchen, sich selbst zu erhalten. Wenn klassische Genderperspektiven beizubehalten nicht zur Befreiung aller Frauen* führt, muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob dieses System das Beibehalten wert ist.

© GiuliaDaley.com

Archina G., 25 Jahre alt, studiert Computervisualistik im 9ten Semester und wohnt ebenfalls in Koblenz. Wie würdest du in deinen Worten Transsexualität oder Transgender beschreiben? Archina: Transsexuell zu sein bedeutet, sich selbst mit einem anderem als dem biologischen Geschlecht zu identifizieren und diesem angehörig gesehen zu werden. Transgender ist eher ein Sammelbegriff unter dem unter anderem auch Transsexualität fällt. Wie und wann hast du für dich selbst gemerkt, dass du trans bist? Gab es da ein besonderes Ereignis? Archina: Es fällt mir eher schwer ein besonderes Ereig-

nis ausfindig zu machen. Ich kann es stattdessen allgemein eher als einen schon lange vorhandenen Wunsch beschreiben, lieber als Frau zu leben. Die erste “öffentliche” Identifikation fand bei mir mit etwa 13 Jahren statt, als ich einem Freund gebeichtet habe, dass ich lieber ein Mädchen wäre. Mich als “trans” zu identifizieren ist nun etwa 2 Jahre her, seit ich entschieden habe meinen Traum in Angriff zu nehmen.


Wie würdest du sagen hat sich deine Körperwahrnehmung in diesem Selbstfindungsprozess verändert? Archina: Ich würde sagen, dass sich mein Verhältnis zu meinem Körper, nachdem ich mich zum “trans” sein bekannt habe, eher entspannt hat. Ich denke, dass sich dies vor allem darin begründet, dass sich mir ein Ausweg aus dem Zustand lähmender Gleichgültigkeit eröffnete. Wie hat sich nach deinem Comingout deine Körperinszenierung verändert? Inwiefern hast du versucht mit deinem Körper Stereotype zu inszenieren? Archina: Ich würde sagen, dass ich generell mit dem Gedankengut gleichgestellter Geschlechter aufgewachsen bin und dass die Stereotypen bezüglich der Geschlechter deutlich aufgelockert wurden innerhalb der letzten Generationen. Ich würde daher nicht sagen, dass ich versuche ein besonders prägnantes weibliches Stereotyp zu bedienen, immerhin bin ich immer noch ich selbst. Alles in allem fühle ich mich aber freier darin mich selbst auszuprobieren und zu erforschen was mir gefällt, da die Einschränkung auf männliche Normen weggefallen ist. Bist du geoutet in deinem Freundes- oder Arbeitskreis? Wenn ja, wie haben die Leute reagiert? Archina: Geoutet bin ich bisher lediglich im Freundes bzw. inneren Familienkreis. Dort habe ich bisher nur unterstützende bzw. besorgte Reaktionen erlebt. Häufig werden Bedenken geäußert ob ich mir wirklich sicher bin und auch teilweise in Frage gestellt ob einige der irreversiblen Veränderungen wirklich für mich nötig sind. Hattest du eigentlich bereits Kontakt zum TransgenderClub in Koblenz? Wenn ja, wie gefiel es dir dort? Archina: Ja, ich hatte Kontakt zu der Transgender-Selbsthilfegruppe TIX in Koblenz, allerdings konnte ich mich dort nicht wirklich einfinden, da ich meiner Meinung nach etwas anders an das Thema herangegangen bin und es auch von der Altersgruppe her schwierig fand mich einzufinden. Du meintest mal, dass du untypisch seist. Wie genau meinst du das? Archina: Generell durfte ich mir bereits anhören, “Man sehe mir die Bemühungen nicht an”. Ich könnte mir vorstellen, dass das damit einhergeht, dass ich schon immer versucht habe eher weiblich zu wirken und viele nach ihrem “Coming Out” versuchen sehr viel in sehr kurzer Zeit zu erreichen. Was mitunter zu sehr auffälligen Versuchen führt, die ein “Passing” erschweren können. Auch versuche ich nicht ein klassisch stereotypes Bild zu bedienen.

Wie hast du in deinem Alltag schon Diskriminierung erfahren, weil du trans bist? Archina: Ich würde nicht sagen, dass ich bisher Diskriminierung erfahren habe, jedoch bin ich auch noch nicht lange “dabei”. Ein paar verwunderte Blicke erntet man jedoch natürlich hin und wieder, besonders wenn man noch kein brauchbares “Passing” hat. Mit “Passing” wird bezeichnet wie gut eine transsexuelle Person durch Außenstehende als das von ihnen gewünschte Geschlecht erkannt wird. Kannst du etwas zu den bürokratischen Schritten erzählen, die nötig sind, um deinen Körper deinen Vorstellungen entsprechend anzugleichen? Archina: Ich muss gestehen, dass ich selbst noch nicht über alle nötigen bürokratischen Schritte ausreichend informiert bin. Jedoch ist vor allem der Besuch eines Psychotherapeuten unumgänglich und Grundlage für alle weiteren Schritte. Ist diese Pathologisierung nicht auch eine Art von Diskriminierung? Archina: Es ist richtig, dass man die Ansicht von Transsexualität als Krankheit als Diskriminierung auslegen kann, jedoch sollte jede betroffene Person hierbei nicht vergessen, dass diese Pathologisierung auch Vorteile, wie die Unterstützung durch Krankenkassen, einbringt. Was hältst du eigentlich von der relativ weit verbreiteten Formulierung „im falschen Körper geboren zu sein“? Archina: Allein aus der Gefühlwelt betrachtet würde ich die Formulierung vollkommen bestätigen. Etwas wissenschaftlicher und distanzierter betrachtet würde ich sagen “Wer weiß?”. Es gibt viele Einflüsse, die unsere Entwicklung beeinflussen, und niemand ist vor diesen gefeit. Häufig ist der Einfluss unterschwellig und schwer als Individuum zu bestimmen. Inwiefern hältst du es für sinnvoll klassische Genderperspektiven beizubehalten? Archina: Ich finde es durchaus gut, dass es verschiedene unterschiedene Genderperspektiven gibt und bin überzeugt, dass diese zur einer Vielfalt an Ansichten unterschiedlicher Probleme führen. Dennoch glaube ich, dass die klassische Perspektive nicht haltbar ist und wir erkennen müssen, dass die Welt weitaus feingranularer ist, als eine binäre Einteilung – welche die Gesellschaft ja versucht aufrecht zu erhalten – erlauben würde.


Marie F. stammt aus Mühlhausen bei Heidelberg, ist 26 Jahre alt und studiert seit Oktober in Koblenz Bio-Geo-Wissenschaften.

Wie würdest du in deinen Worten Transsexualität oder Transgender beschreiben? Marie: Ich würde es so beschreiben, dass die Person sich nicht mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren kann. Ich bin sozusagen eine Frau mit andersgeschlechtlichem Migrationshintergrund. Wobei Transgender auch ein weiter gefasster Sammelbegriff sein kann, der im Grunde alles bezeichnen kann, wo Gender-Grenzen überschritten werden. Ich persönlich bevorzuge eigentlich das Wort „transident“, um von der sexuellen Schiene wegzukommen. Wie und wann hast du für dich selbst gemerkt, dass du trans bist? Gab es da ein besonderes Ereignis? Marie: Nein, ein besonderes Ereignis gab es da nicht, eigentlich habe ich das schon immer gespürt. So wirklich bewusst geworden ist es mir aber erst in der Pubertät, als ich begann Dinge zu hinterfragen und mich selbst zu reflektieren. Letztlich war es also ein konstanter schleichender Prozess, da ich irgendwie immer gespürt hatte, dass ich anders bin und als ich in einem gewissen Alter anfing mich mit Internetforen auseinanderzusetzen lernte ich, dass es noch viele andere Menschen gibt, denen es so geht. Auch konnte ich durch das anonym zugängliche Wissen überhaupt erst die Begriffe und Konzepte wie „Transgender“, „Transsexualität“, „Transidentiät“ etc. kennen lernen.

Wie würdest du sagen hat sich deine Körperwahrnehmung in diesem Selbstfindungsprozess verändert? Marie: Am Anfang dieses Prozesses versucht man eher sich mit dem abzufinden, wie der eigene Körper ist. Doch je weiter der Prozess fortschreitet, umso leichter fällt es einem das wahre Ich, also nicht das angeborene Geschlecht, im Spiegel zu sehen. Gleichzeitig stärkt es aber auch die eigene Identität und die Wahrnehmung meines Körpers, wenn auch andere – und nicht nur ich selbst – mich als die sehen, die ich bin. Bist du geoutet in deinem Freundes- oder Arbeitskreis? Wenn ja, wie haben die Leute reagiert? Marie: Ja, in meinem Studium sowie Freundeskreis bin ich geoutet und die Leute reagierten – bis auf eine Person, die sich von mir abgewendet hatte – offen und aufgeschlossen. Einer meiner besten Freunde kommentierte mein Coming-Out bei ihm mit dem Satz: „Dann ist halt jetzt mein bester Freund mein beste Freundin“. Als ich in meiner Ausbildung einer Kollegin mit der ich gut befreundet war von meiner Transidentität erzählte reagierte sie mit einem gelassenen: „Achso, mein Freund ist zum Beispiel Bi.“ Auch wenn Bisexualität zwar eine sexuelle Orientierung ist, brachte sie damit zum Ausdruck, dass es eigentlich ganz unerheblich ist, welche geschlechtliche oder sexuelle Identität man hat. Wohl hatte auch die Tatsache, dass ihr Freund in der loka-



len Antifa aktiv war, mit der Selbstverständlichkeit zu tun, mit der die Neuigkeit aufgenommen wurde. Das war das Ereignis, welches mir einen starken Schub in meinem Selbstbewusstsein gab und mir gewisserweise auch meinen Weg ebnete. Denn durch sie bekam ich die Möglichkeit auch in der Öffentlichkeit als Frau aufzutreten, da sie mir anbot ihr Makeup und ihre Kleidung zu nutzen und mit ihr Abends – mich dabei weiblich präsentierend – wegzugehen. Wie hat sich nach deinem Comingout deine Körperinszenierung verändert? Inwiefern hast du versucht mit deinem Körper Stereotype zu inszenieren? Marie: Ich würde eher sagen, dass ich vor meinem Outing speziell feminine Körperinszenierungen bewusst zurückgehalten habe, statt dass ich sie danach bewusst eingesetzt habe. Man fängt auch dann erst nach und nach an, in diese stereotype Inszenierung auch die eigene Persönlichkeit mit reinzubringen. Klar, Stereotype kann und sollte man auch kritisieren, allerdings finde ich hilft es sich an vorgegebenen Rollenbildern zu orientieren, da ich sonst das Gefühl hätte orientierungslos in der Luft zu hängen. Hattest du eigentlich bereits Kontakt zum Transgender-Club in Koblenz? Wenn ja, wie gefiel es dir dort? Marie: Ja, ich hatte bereits Kontakt zu Queer Mittelrhein und die Leute dort waren alle sehr nett und aufgeschlossen. Was ein kleiner Gegensatz zu anderen mir bekannten Transgender-Gruppen für mich war, da ich bereits die Erfahrung machen durfte, dass viele zu einem konservativen Umkehrschluss neigen. Das äußerte sich zum Beispiel darin, dass viele sehr engstirnig an das Thema herangingen. Wie hast du in deinem Alltag schon Diskriminierung erfahren, weil du trans bist? Marie: Das fängt bei einfachen Sachen an wie Formularen, als ich mich z.B. an der Universität mit meinem bürgerlichen Namen anmelden musste, den ich aber eigentlich gar nicht mehr mit mir in Verbindung bringen möchte. Oder als ich von einem Busfahrer blöd angeguckt und zunächst aufgehalten wurde, weil für ihn scheinbar der Name auf meinem Studierendenausweis nicht mit meiner Erscheinung zusammenpasste. Glücklicherweise habe ich noch keine besonders schwerwiegenden Diskriminierungen erfahren, bei denen es hätte gefährlich werden können. Kannst du etwas zu den bürokratischen Schritten erzählen, die nötig sind, um deinen Körper deinen Vorstellungen entsprechend anzugleichen? Marie: Man beginnt mit einer Psychotherapie bei einem auch auf transidentische Störungen ausgebildetem Psychologen oder Psychotherapeuten. Hier redet

man über alle alltäglichen Dinge und Probleme, die in einem Leben als transidenter Mensch auftauchen. Dabei wird der Alltagstest gemacht, sprich wie sich das Leben im gewünschten Geschlecht auf einen selbst auswirkt, wie das soziale Umfeld damit umgeht und ob dieses Leben dann auch den eigenen Vorstellung entspricht. Nach der Bestätigung des Psychologen/Therapeuten für den Beginn der Hormontherapie und eines Gutachten eines anderen unabhängigen Arztes kann auch diese einsetzen. Damit einhergehend beantragt man eigentlich eine Personenstandsänderung, die den Vornamen und das Geschlecht auch auf den offiziellen Dokumenten ändert. Dies ist meines Wissens ein relativ aufwendiger Prozess mit einigen Gutachten und Kosten. Mittlerweile kann man diese auch ohne einen festgelegten Termin für eine geschlechtsangleichende Operation (GAOP) beantragen. Doch wenn man auch diese durchführen möchte sind meines Wissens weitere Gutachten verschiedener unabhängiger Ärzte notwendig. Ist diese Pathologisierung nicht auch eine Art von Diskriminierung? Marie: Man könnte es eine „hilfreiche Diskriminierung“ nennen. Die ganze Sache ist ein zweischneidiges Schwert: Wäre es nicht als Krankheit gesehen, so müsste ich meine Hormone selber zahlen und bekäme keine Unterstützung von der Krankenkasse. Andererseits sollte Transgender maximal bei den Krankenkassen auf dem Papier als Krankheit stehen, aber nicht in den Köpfen der Menschen. Was hältst du eigentlich von der relativ weit verbreiteten Formulierung „im falschen Körper geboren zu sein“? Marie: Wie kann dein eigener Körper falsch sein? Ich war meiner Meinung nach nie vom Körperbau typisch männlich. Eher im „falschen Geschlecht“ als im „falschen Körper“ wäre wohl die besser passende Formulierung. Wäre ich in einem „typisch weiblichen“ Körper geboren worden, so hätte ich gar nicht die Erfahrungen gemacht, die mich heute zu der gemacht haben, die ich bin. Deswegen könnte ich mir auch gar nicht vorstellen in einem anderen Körper zu sein. Inwiefern hältst du es für sinnvoll klassische Genderperspektiven beizubehalten? Marie: Ich finde es schon gut, die Geschlechter weiblich und männlich nach wie vor beizubehalten, allerdings sollte die Gesellschaft offener für von der zweigeschlechtlichen Binarität abweichende Menschen sein.


Kleidung. Wir definieren nicht nur

uns selbst, sondern auch andere darüber. Subkulturen setzen durch ihre, teilweise sehr außergewöhnliche, Kleidung Statements.


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ereits Arthur Schopenhauer schrieb: „Durch die Individualität des Menschen ist das Maß seines möglichen Glücks im Voraus bestimmt.“1 Dieser Satz scheint seine Aussagekraft nach fast 200 Jahren nicht eingebüßt zu haben. Im Gegenteil – spielt die Individualität des Menschen heute eine größere Rolle als je zuvor? Mit der geforderten Individualität geht jedoch auch Ver-

sie, genau wie die Gruftis, als angsteinflößend. Die Mitglieder der einzelnen Szenen werden dabei oft auf ihr Äußeres reduziert. Stereotype Denkweisen sind für viele ein geeignetes Mittel, um sich im Durcheinander der (Sub-)Kulturen zu orientieren. In den vergangenen Jahren erschien wieder eine Szene auf der Bildfläche, die längst in Vergessenheit geraten war: Der Hipster.

schiedenheit einher und diese äußert sich vor allem im Aussehen der Menschen. Kein Mensch gleicht dem anderen zu 100 Prozent. Im alltäglichen Leben sind wir sehr darauf bedacht uns von anderen abzugrenzen. Die optische Verschönerung kostet uns Menschen täglich Zeit und Geld. Was die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht ist allerdings schwer zu ermitteln. Sicher ist jedoch, dass das Aussehen dabei für viele von großer Bedeutung ist. Laut dem Online-Statistik-Portal „Statista“ gaben die Deutschen im Jahr 2013 rund 73,5 Milliarden Euro für Bekleidung und Schuhe aus.2 Im Vergleich dazu investierten private Haushalte im selben Jahr 203,41 Milliarden Euro in Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren.3 Ein Indiz für die wichtige Rolle, die Kleidung im Ausdruck der Persönlichkeit zu spielen scheint.

Bereits im 19. und 20. Jahrhundert wurden mit diesem Begriff avantgardistische Künstler in Nordamerika bezeichnet. Der Name der Subkultur leitet sich von dem Adjektiv „hip“ ab, was soviel bedeutet wie „angesagt, schick“. Niemand, nicht einmal er selbst, weiß wo man ihn einordnen soll. Der Jutebeutel-tragende Hipster will oder kann sich nicht in der stereotypen Szenewelt verorten und wird somit von vielen seiner Mitmenschen belächelt. Man sieht sie scheinbar überall und trotzdem würden sich wohl nur die wenigsten selbst als zugehörig zur Hipsterszene bezeichnen. Insbesondere der Hipster scheint sehr viel Wert auf sein Äußeres zu legen und zeigt sich modebewusst. Zumindest sind viele Hipster den Trends eine Nasenlänge voraus und was sie tragen wird später oft kopiert.

Machen Kleider Szenen?

Es scheint, als ob sich ein Mensch leicht durch das Aussehen identifizieren ließe. Anhänger der Gothic-Szene haben im Alltag oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Durch ihr ungewöhnliches Äußeres ziehen sie die Blicke förmlich auf sich und fordern neugierige Reaktionen heraus. Ebenso sind Metaller seit den 1980er Jahren eine allgegenwärtige Subkultur. Mit ihrer verrufenen Musik und ihrer Vorliebe für dunkle Farben gelten

Obwohl die drei genannten Szenen augenscheinlich nicht viele Gemeinsamkeiten besitzen, drücken sie sich doch alle in gewisser Weise über ihre Optik aus. Sie tragen zwar nicht die gleiche Kleidung, doch sie alle legen zumindest großen Wert darauf, wie sie sich anziehen. Inwiefern spielt das Aussehen eine Rolle bei der Szenezugehörigkeit? Ist die eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Szene überhaupt möglich?

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atanismus, dröhnende Musik, nächtliche Treffen auf Friedhöfen. Zahlreiche beunruhigende Vorurteile begleiten die Gothic-Szene seit ihrer Entstehung Anfang der 1980er Jahre. Obwohl die geheimnisvolle dunkle Szene durch Bands wie „The Cure“ oder Regisseure wie Tim Burton in den letzten Jahren Mainstream-tauglicher geworden ist, begegnen ihr die meisten Menschen mit Furcht und Ablehnung. „Wenn ich von fremden Personen auf mein Aussehen angesprochen werde, dann sind das meist Gespräche unfreundlicher Natur“, sagt Basti. Der 21-Jährige wirkt wie ein düsterer Paradiesvogel im Umfeld der Universität. Schwarz lackierte Fingernägel, ein Netzshirt und zahlreiche klimpernde Ketten an der Hose. Sein Äußeres lässt leicht auf seine vermeintliche Zugehörigkeit zur Gothic-Szene schließen. Auf die Stereotype, mit denen er zu kämpfen hat, reagiert er entspannt: „Ich verstoße besonders gegen zwei große Vorurteile: Metal-Fans sind aggressiv und Gothics sind träge und hassen alles und jeden. Träge bin ich manchmal, das stimmt. Ich hasse Kaffee, aber Menschen hasse ich nicht.“

gibt einen Teil in mir, der diesen Metal-Drang hat, dieses Wilde, Heftige. Da ist aber auch der Teil in mir, der dieses atmosphärisch Düstere, vom Gothic braucht.“ Die Betonung des Äußeren zieht sich wie ein roter Faden durch das Subkultur-Chaos. Besonders auf Festivals, wie Wacken, wird Basti als Exot wahrgenommen. Die Szene-Puristen seien Fans der klassischen, eindeutigen Zuordnung, meint der Gothic-Fan. „Die Oldschool-Metaller mit zerrissenen Schlaghosen und die Uralt-Goths mit viktorianischen Klamotten, finden mich nicht so toll und fragen schonmal, was ich darstellen möchte.“ Mit der Forderung nach dem Bekennen zu einer Szene, geht auch die ideale Art sich zu Kleiden einher. „Die Szenefestivals sind ein einziger Laufsteg und jeder versucht der Blickfang schlechthin zu sein.“ Das Aussehen werde dabei, laut Basti, allerdings leider oft überbewertet. Menschen, die keine Verbindung zu der Musik haben, aber gerne Schwarz tragen, verwirklichen sich ebenso wie leidenschaftliche Anhänger der Grufti-Musik, in der dunklen Szene.

„Ich finds geil aufzufallen!“

Die verruchte Szene ist für ihn vor allem eine Möglichkeit eine erstaunlich positive Einstellung zu verbreiten: „Trag was du willst, sei was du willst, sei wer du sein möchtest oder vielmehr sei richtig, kostümier dich nicht“. Kleidung ist für ihn mehr als nur bloße Fassade, sie ist ein Stück seiner Identität. „Ich finde es allerdings auch lustig, dass man so viel Aufmerksamkeit durch so etwas eigentlich Triviales wie Kleidung bekommen kann.“ Verkleiden möchte er sich jedoch nicht. „Ich ziehe mich ja nicht für andere so an, sondern weil ich mich darin wohlfühle und es mir in diesen Klamotten gut geht.“ Das Aussehen ist für die Angehörigen verschiedener Szenen eine Möglichkeit sich voneinander abzugrenzen, zu zeigen wer man ist und wo man sich selbst einordnet. Problematisch wird es vor allem dann, wenn eine komplette Zuordnung, wie in Bastis Fall, nicht möglich ist. Szenen definiert er hauptsächlich über verschiedene Musikrichtungen. Er selbst verortet sich irgendwo zwischen Metal und Gothic. „Es

Die Gothic-Szene ist hingegen vieler Vorurteile nicht die Zusammenkunft düsterer, trauriger Gestalten, sondern ein Weg sich selbst zu finden und sich in einer Welt, die zahlreiche Möglichkeiten bietet, zurechtzufinden. Das Äußere ist für ihre Anhänger dabei ein wichtiger Identifikationsfaktor. Es schafft ein Gemeinschaftsgefühl, hilft jedoch auch sich von anderen Subkulturen abzugrenzen. „Es ist durchaus eine sehr visuelle Szene. Eine Szene, die sehr viel Wert auf eine gewisse Ästhetik legt, aber wirklich oberflächlich ist sie nur in den seltensten Fällen“, erklärt Basti. Mit der auffälligen Kleidung ist eine bestimmte Lebensweise verbunden, die mit der stereotypen Traurigkeit nicht wirklich viel zu tun hat. Die Gothic-Szene erfordert Selbstbewusstsein von ihren Mitgliedern, ihre Leidenschaften öffentlich zu zeigen und dadurch auch mit der Ablehung anderer konfrontiert zu werden. Für Basti steht trotz allem seine positive Lebenseinstellung im Vordergrund: „Gute Laune steckt an und wenn ich einen Nicht-Schwarz-Träger mit meiner guten Laune anstecken kann, finde ich das voll perfekt.“



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Hip - Hipper - Hipster

n den angesagten Vierteln der Großstädte kann man sie häufig beobachten. Sie tummeln sich auf Flohmärkten oder in kleinen Cafés. Die Soja-Chai-Latte schlürfenden Hipster bilden eine außergewöhnliche Gruppe in der internationalen Szene Landschaft. Es ist eine Subkultur, zu der sich scheinbar niemand bekennen möchte. „Ich persönlich würde mich nicht als Hipster bezeichnen“, sagt Maria. Die Kulturwissenschaftsstudentin sagt zwar, dass ihr der „Hipster-Style“ gefällt, sich selbst in dieser Szene verorten würde sie sich jedoch nicht. Das Aussehen ist Hipstern ganz besonders wichtig. Hinter der lässigen Fassade steckt meist eine Menge Arbeit. „Auf jeden Fall ist Kleidung für mich auch ein Stück meiner Identität“, sagt Maria. Die 25-Jährige beschreibt sich selbst als sehr modebwusst. „Kleidung zeigt wer man ist. Auf den ersten Blick macht die Kleidung einen wesentlichen Teil des Gesamteindrucks aus. Trotzdem beurteile ich Menschen natürlich nicht ausschließlich nach ihrem Aussehen“ Ein weiterer wichtiger Aspekt in der richtigen Kleiderwahl, scheint für den Hipster die Abgrenzung vom Mainstream zu sein. „Ich trage auch gerne Dinge, die nur mir gefallen und lasse mich von einzelnen Personen inspirieren“, so Maria. Das Verhältnis der 25-Jährigen zur Mode geht allerdings über bloßes Interesse hinaus. Sie gründete gemeinsam mit einem Freund ihr eigenes Indie-Modelabel. Mehr als in jeder anderen Szene ist bei den Hipstern offensichtlich der Drang nach Indi-

vidualität vorhanden. Paradoxerweise gleicht ihre Kleidung dennoch einer Uniformierung: Jutebeutel, Retro-Brillen, Holzfällerhemden und Vollbärte sieht man inzwischen überall. Die Hipster-Szene, die keine Szene sein möchte, begegnet oft Vorurteilen. Hipster lieben angeblich analoge Fotos, Wollmützen und Sojamilch. Auch Tätowierungen sind in der Hipster-Welt angesagt, stoßen jedoch oft auf Unverständnis. „Viele Menschen reden zuerst normal mit mir und sobald ihr Blick auf meinen Arm fällt und sie meine Tattoos sehen, werden mir grimmige Blicke zugeworfen“, erzählt Maria. Ihren Körper schmücken zahlreiche auffällige Tattoos. In den Bereichen, in denen sie sich mit ihrer selbstdesignten Kleidung bewegt kommen die Körperbemalungen allerdings sehr gut an. Die Hipster scheinen eine tolerante Gruppe zu sein. Der altbewährte Spruch „Kleider machen Leute“ trifft bei der avantgardistischen Gruppe offensichtlich ins Schwarze. Die meisten von ihnen zeigen sich sehr modebewusst. Kleidungsmäßig immer schon einen Schritt voraus und bloß nicht mit der Masse schwimmen. Obwohl es, anders als in den meisten anderen Szenen, keine festgelegten Vorstellungen davon gibt was hip ist und was nicht, so schaffen es die Hipster doch einen Stil zu finden, der sie von anderen abhebt. Die trendige Subkultur zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise welche wichtige Rolle das Aussehen bei der eigenen Identitätsbildung spielt.



„Eigentlich pfeif ich ja auF Genres!“

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ange Haare, Bier-trinkende Männer und schwarze Kleidung wohin das Auge reicht. Die Metal-Welt ist für viele eine verrufene Subkultur. Die Szene, die teilweise auch mit Satanismus assoziiert wird, ist jedoch nicht nur eine Musikrichtung, sondern ein Lifestyle. Mittendrin befindet sich Jane, die aufgrund eines Rollenspiels „Syra“ genannt wird. Sie studiert Englisch und evangelische Religion auf Lehramt. Außerdem spielt sie Theater, geht gerne tanzen und singt seit acht Jahren Operngesang. Musik spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle. Bereits seit ihrem achten Lebensjahr ist Syra Metalfan. „Am wohlsten fühle ich mich einfach in Jeans und Metal-Shirt“, so beschreibt die angehende Lehrerin ihren Metal-Kleidungsstil. Für sie drückt die dunkle Kleidung auch ein Gemeinschaftsgefühl aus. „Im Grunde genommen wollen wir zwar total individuell sein, sind wir aber gar nicht. Ich finde das immer ganz lustig zu beobachten, auf Festivals zum Beispiel, weil wir eigentlich schon alle ziemlich uniformiert sind.“ Die Metal-Szene beschreibt sie trotz der Einheitskluft als sehr tolerant. Zudem vereint der Metal auch zahlreiche skurrile Gegensätze. Einerseits geht es vor allem darum seine Männlichkeit zu beweisen, andererseits widerlegen GlamrockBands in ihren schillernden Outfits alle männlichen Klischees. Die Szene bietet für viele Menschen eine Möglichkeit ihre verrückte, unangepasste Seite auszuleben. Trotz zahlreicher Sub-Genres im Metal, empfindet Syra das Szene-Denken insbesondere auf Festivals als sehr stark. Doch nicht nur auf Festivals, wie Wacken, spielt das Aussehen der Metaller eine Rolle. Auch im Alltag dienen ausgefallene Bandshirts als Erkennungsmerkmal. Die eigene Abgrenzung geht für die Studentin allerdings nicht mit einer Intoleranz gegenüber anderen einher. Syra ist auch offen für andere Szenen. Innerhalb der Metal-Welt gibt es jedoch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses Gefühl bezeichnet der Anthropologe Sam Dunn als „we against

the rest of the world-feeling“. Mit ihrer Kleidung möchte Syra nicht nur ihre Vorliebe für härtere Musik zeigen, sondern auch „missionieren“. „Ich möchte Leute dadurch dazu bewegen ihren musikalischen Horizont ein bisschen zu erweitern.“ Eine wirkliche Zuordnung zur Metal-Szene findet sie jedoch schwierig: „Ich bin sehr wandelbar und mir ist es zu eng, wenn ich mich irgendwo anpassen muss und ‚true‘ sein muss. Ich habe auch keine Lust darauf die ganze Zeit nur Bier zu trinken.“ Ihre Kleidung ist für sie trotzdem untrennbar mit ihrer Identität verbunden. Obwohl die Metal-Szene als sehr vielseitig und offen gilt, begegnet Syra in ihrem Alltag auch Vorurteilen. Ihre Festival-Bändchen musste sie sich während eines Praktikums abschneiden, da sie für die Kinder kein schlechtes Vorbild darstellen sollte. Obwohl die laute Musik auch als Rebellion gegen gesellschaftliche Zwänge gesehen wird, sieht Syra auch eine kluge Marketingstrategie hinter dem teuflischen Sound. „Was bei anderen ‚sex sells‘ ist, ist bei uns wahrscheinlich ‚the devil sells‘.“ Was für viele Menschen wohl abschreckend klingt, fasziniert andere. Auch wenn die meisten Metaller friedliche Zeitgenossen sind, so symbolisiert nicht nur ihre Kleidung eine d u n k l e Seite der Menschen. Es ist eine Welt der Extreme, die zusammengehalten wird von dem Verlangen nach größtmöglicher Individualität.


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as Aussehen als eine Art Leinwand des eigenen Ichs. Zahlreiche Subkulturen versuchen sich täglich darin eine außergewöhnliche Optik zu kreieren und sich somit anderen eindeutig als zusammengehörige Szene zu präsentieren. Ob freiwillig oder nicht, viele Menschen ordnen sich selbst einer bestimmten Szene zu oder werden zwangsweise von ihren Mitmenschen in einem bestimmten Milieu verortet. Zentral

ist hierbei immer die Frage nach der eigenen Identität. Sich selbst zu finden, indem man sich von anderen abgrenzt ist gängige Praxis. Mit Szenen werden allerdings nicht nur eine bestimmte Optik, sondern meist auch Weltanschauungen und Lebenseinstellungen verbunden. Kleidung allein macht noch keine Szene, doch sie trägt einen wesentlichen Teil dazu bei.

Von Linda Zimmermann

Quellen Schopenhauer, Arthur (2007): Aphorismen zur Lebensweisheit. Stuttgart: Kröner. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/283616/umfrage/konsumausgaben-fuer-bekleidung-indeutschland/ 3 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/161565/umfrage/konsumausgaben-der-privaten-haushalte-in-deutschland-fuer-nahrungsmittel-zeitreihe/ 1 2


Die Nacktschnecken

Das Wort Schamhaar ist in den letzten Jahren umdefiniert worden. Heute bedeutet es nicht mehr Haar, das die Scham bedeckt, sondern Haar, für das man sich schämt. Weltweit entledigen sich Frauen ihrer Körperbehaarung,weil es schon immer so war, ist und bleiben wird.


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ch bin Jahrgang 1988. Das wird mir schlagartig klar, als sich die Saunatür öffnet und eine ausgelassene Gruppe Frauen in meinem Alter hereinkommt: allesamt unten herum nackig, im Sinne von haarlos. Und dann ist da eben noch diese Frau mit uns in der Sauna, vielleicht Anfang/Mitte Vierzig und sie ist nicht nackig, im Sinne von sie trägt Schamhaar und davon reichlich. Ich schreie mich im Geiste an: „Wenn du jetzt noch ein einziges Mal da hinguckst, dann war deine komplette Erziehung für den Arsch. Das gehört sich nicht! Lass das sofort bleiben!“ Die Mädelsgruppe schenkt der Frau einen mitleidsgeschwängerten Blick und ich muss immer wieder hinschauen. Ich ertrage mein Verhalten selbst nicht, wickele mir hektisch mein Handtuch um und verlasse die Saune. Frisch geduscht und mittlerweile bekleidet stehe ich nun vor dem Wellnesstempel und stecke mir stirnrunzelnd eine Zigarette an. Was war denn das grade? Nun, ich wurde mit Schamhaar konfrontiert und das überfordert mich ganz offensichtlich. Ich gehöre schließlich zu der Generation „erwecke die Göttin in dir“ und rasier dir die Beine. Nein, mal ehrlich, was ist passiert? Wann hat unsere natürliche Körperbehaarung den Status unnatürlich erhalten? Ich beginne zu recherchieren und eins ist schnell klar: Alle Untersuchungen zum Thema Intimenthaarung kommen in einem Punkt überein: je jünger, desto nackiger.

Zahlen und Fakten

Etwa 90 % der Frauen in der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sollen sich, nach einer Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2009 zufolge, die Schamhaare ganz oder teilweise entfernen – wobei der Trend, so amerikanische Studien, deutlich zur Komplettenthaarung geht. Glatte Beine, glatte Achseln, glatte Scham. Ein rasierter Frauenkörper scheint in unserer Gesellschaft zu einer Selbstverständlichkeit geworden zu sein, obwohl es dafür keine rationale Begründung gibt. Körperhaar ist nicht schädlich, nicht ungesund und nicht einschränkend im Alltag. Trotzdem wird uns täglich via Werbeplakaten, Modezeitschriften, Filmen, Fernsehwerbung und etlichen anderen Medien kommuniziert: ein Frauenkörper ge-

hört enthaart. Das ist die gesellschaftliche Norm. Aber wo liegt der kulturelle Hintergrund für diese Handlung? In unserer heutigen Kultur gilt es als schön, glatte Beine und enthaarte Achseln zu haben. Wieso? Wofür stehen Haare, welche Signale sendet eine Frau mit unrasierten Beinen, Scham oder Achseln?

Kein Trend der Moderne

Schaut man in der Geschichte zurück, erkennt man schnell, dass Frau schon sehr früh damit begann sich ihrer Körperbehaarung zu entledigen. Von dem griechischen Arzt Dioskurides ist bereits aus dem ersten Jahrhundert ein Rezept für ein Enthaarungsmittel überliefert und auch in der frühmittelalterlichen Literatur finden sich bereits zahlreiche Rezepte zur Entfernung von Haaren am Körper. Im 12. und 13. Jahrhundert wird in der höfischen Dichtung ein Idealbild weiblicher Schönheit in Form von schneeweißer und glatter Haut am ganzen Körper gezeichnet. Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert spielte die Haarentfernung bei Frauen eine eher untergeordnete Rolle. Wurden die Haare aber an ungewöhnlichen Stellen, zum Beispiel an den Armen oder der Oberlippe dichter und dunkler, so verursachten sie durchaus ein „missfälliges Aussehen“, dem durch Enthaarung entgegengewirkt wurde. Im Islam wird die Scham- und Achselhaarentfernung von einem Hadith, einer außerkoranischen Lehre Mohammeds sogar empfohlen. Und in der ersten sexuellen Revolution in den 1920er Jahren gab es urbane Subkulturen, in denen eine nackte Genitalgegend bereits gängig war. Anfang des 19.Jahrhunderts setzte sich dann der französische Modestil des Empire durch: Frauenmode aus leichten, oft durchsichtigen Stoffen mit kurzen Ärmeln, waren der Trend der Zeit. Die vorherrschende Farbe war weiß und dunkle Haare auf den Unterarmen wurden als störend empfunden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den 70er Jahren, etablierten sich in aristokratischen und großbürgerlichen Kreisen schulterfreie oder nur mit schmalen Trägern versehene Kleider, welche fortan die Achselhöhlen sichtbar machten.

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Damit begann die Enthaarung der Achseln. Kleider ohne Ärmel entwickelten sich während des ersten Weltkriegs auch in der Abendgarderobe bürgerlicher Kreise. Sichtbare Achselbehaarung wurde als lästig und unästhetisch empfunden. Besonders bei jungen Frauen wurde die Beseitigung der Achselhaare im Laufe der zwanziger Jahre üblich. Die Mode ärmelloser Sommerkleider und Badeanzüge sorgte für eine weitere Vermehrung der Enthaarung bei Frauen.

Porno- und Filmindustrie als Vorbilder

Ausschlaggebend für die Verbreitung der Achselrasur in Deutschland waren in den zwanziger Jahren die amerikanischen Filmschauspielerinnen die eine extreme Vorbildrolle einnahmen. Das Kino wurde in dieser Zeit zum wichtigsten Massenmedium. Gleichzeitig vermittelte es gewisse Schönheitsideale an die bürgerliche Gesellschaft und machte diese populär. Die Nachahmung der Filmstars war – sowohl in Mode und Frisur, als auch bei der Rasur - gesellschaftlich anerkannt. Ab den 1980er Jahren wurden dann in der Pornoindustrie weibliche Geschlechtsorgane zunehmend nackt gezeigt. Zum einen, weil auf diese Weise tiefere gynäkologische Einblicke möglich waren und zum anderen, weil Haare bei den intensiven Reibungen über die Stunden eines Drehs für einen Hardcore - Porno schlichtweg unangenehm waren.

Hair and the City

Aber der eigentliche Launch der Intimenthaarung fand in Brasilien statt. Dort wo Frauen schon immer ein besonderes Augenmerk auf die Bikinizone legten, setzte sich in den 1980er Jahren das Brazilian Waxing durch – die Komplettentfernung des Schamhaars mit Hilfe von heißem Wachs. In den USA kam dieser Trend besonders gut an, Körperbehaarung wurde hier schon lange als Makel betrachtet. Nachdem sich im Frühjahr 2000 in einer Sex and the City-Episode die Hauptprotagonistin Carrie Bradshaw über ihr Brazilian Waxing ausgelassen hatte, eröffneten binnen kürzester Zeit zahlreiche Enthaarrungsstudios. Prominente von Gwyneth Paltrow bis Victoria Beckham leisteten Starthilfe für das Schönheitsideal glatte Haut und schwärmten von ihren Waxings.

Schönheitsideal

„Körper machen Leute: Der Kult um die Schönheit“, ist der Titel eines Buches der Soziologin Waltraud Posch. Nach Posch wird Schönheit in unserer Gesellschaft auf Untergewicht und glatte Haut reduziert. Jugendlichkeit und „jung sein“ gilt als Schönheitsideal. „Was zählt ist nicht die Erscheinung, das Aussehen einer Person selbst, sondern wie es von der jeweiligen


Gesellschaft bewertet wird. Die Menschen einer jeweiligen Zeit und Kultur wissen genau, was Kein gutes Haar sie als schön empfinden. Hat sich ein Ideal Seit Jahrtausenden gilt das Köreinmal etabliert, so herrscht weitgehend perhaar also als Erbe der VorÜbereinstimmung darüber, was schön zeit, als Ausdruck des tierisch ist und was nicht. Mit den SchönheitsTriebhaften und Wilden im aller Frauen zwischen normen ändert sich auch das EmpfinHomosapiens. Und ebenso 18 und 25 Jahren enfer- lange zupfen, schaben und den“.Als „Ideal“ wurde ursprünglich etwas Vollkommenes, Unerreichbares zwirbeln die Menschen danen sich die Achselbezeichnet. Heutzutage meinen wir damit ran herum. Verschwunden haare ein erstrebenswertes, erreichbares Vorist das Körperhaar jedoch bis bild. In unserem heutigen Medienzeitalter heute nicht. In den verbliebenen sehen wir täglich Bilder von schönen Menschen, Zonen haben sie ja auch einen evodenen wir nacheifern möchten. Schöne Menschen lutionären Sinn: Unter den Achseln und in sind in den Medien so präsent, dass wir denken, wir der Schamgegend verhindern sie, dass Haut auf Haut erreichen mehr, wenn wir schön sind und wert auf unpappt. Zugleich wirken sie als kühlenser Äußeres legen. Haarfreie Haut ist Teil dieses de Schweißverdunster und damit, Schönheitsideals, sie wertet den Menschen auf. so vermuten Biologen, auch Und dass der Trend sich so schnell durchgeals Duftwedel, der genetisch setzt hat, liegt an seinem imperativen Chapassende Liebespartner anrakter. lockt. Welch eine romanaller Frauen zwischen 18 tische Vorstellung. Am Scham vor der Scham heutigen Enthaarungsund 25 Jahren enfernen sich Das Wort Schamhaar ist in den letzten hype ist neu, dass er sich ihr Körperhaar um dem Jahren umdefiniert worden. Heute beausbreitet in genau dem deutet es nicht mehr Haar, das die Scham Schönheitsideal zu entMaß, in dem die Kleidung bedeckt, sondern Haar, für das man sich zurückweicht. Mit Untersprechen 0 schämt und wenn man es entfernt, schämt man schenkeln und Achselhöhlen sich vielleicht auch noch für das, fing es vor Jahrzehnten an, nun was darunter ist. steht die Intimzone zur Debatte. Die Enthaarung im Intimbereich spricht also Free your Scham and the rest will follow nicht zwangsläufig Hinter der Schamrasur argwöhnen Psychoanalytiker für eine selbstbeden geheimen Wunsch, harmlos, unreif und infantil wusstere Sexualialler Frauen zwischen 18 zu erscheinen, um den Partner nicht zu verängstigen. tät. Im Gegenteil Warum sonst, lästerte die Zeitschrift „Emma“, liefen und 25 Jahren könne das, was zudie Frauen plötzlich mit „Kindermösen“ herum? tage komme, auch Es könnte auch das Gegenteil wahr sein, sagt der Leipenthaaren ihren Intimverunsichern so der ziger Forscher Brähler: „Die Frau von heute ist vielbereich Sexualwissenschaftler leicht so selbstbewusst, dass sie es sich leisten kann, Jakob Pastötter: „Die ihre Reize entblößt zur Schau zu stellen.“ Menschen kennen Bilder Abschließend lässt sich sagen: Wer trimmen oder wavom retuschierten, nackten Genital xen will, darf das. Wer aber dazu keine Lust hat, sollte aus Magazinen. Sie vergleichen sich mit den retusich bitte auch nicht dazu genötigt fühlen, sich Gedanschierten Bildern und leiden, weil das eigene Geken um den Look des Intimbereichs zu machen. schlechtsorgan nicht so perfekt aussieht. Vor allem In England gab es im Sommer 2013 sogar das „Prowenn die inneren über die äußeren Schamlippen raject Bush“, das Frauen dazu aufrief, ihren Intimbegen, werde dies von vielen als ästhetischer Mangel reich - am besten samt Schambehaarung - zu fotogragesehen. Dabei ist das bei mindestens der Hälfte aller fieren und damit gegen die Zwänge und Vorschriften Frauen der Fall“, sagt Pastötter. Diese Verunsicheder modernen Gesellschaft zu protestieren. rung führt im Extremfall zur Schönheitsoperation. Einen absolut positiven Nebeneffekt hat die IntimraVor drei Jahren schlug die Gesellschaft für Gynäkolosur australischen Forschern zufolge aber: Die Filzlaus, gie und Geburtshilfe Alarm: Die Zahl von Schönheitsdie im Schammhaar lebt, ist vom Aussterben bedroht. OPs im Intimbereich habe sich drastisch erhöht.

90%

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Pimp my Body Mehr Lebensqualit채t durch chirurgischen Eingriff ? von Caroline Form


Schon immer hatte der Mensch das Verlangen mit dem eigenen Körper einem wie auch immer geartetem Ideal zu entsprechen. Durch neue medizinische Möglichkeiten ist dieser Traum nun vermeintlich näher gerückt, denn durch plastische Chirurgie sind nun auch einst nicht behebbare Schönheitsmakel „behandelbar“. Doch was treibt immer mehr Menschen dazu operative Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Ideal zu erreichen? Angewidert betrachtet Sarah ihr Deutschland so vom 10. auf den Begründen viele der FernsehkanSpiegelbild. Dreht und wendet 4. Platz der Staaten mit den meisdidatinnen ihren Wunsch nach sich. Deutet auf ihre Problemzoten ästhetischen Eingriffen. Der chirurgischer Hilfe. Dabei sind sie nen. „Mit meinem Körper ist einProzentanteil an weltweiten Einnicht weit entfernt von den durchfach nichts in Ordnung.“ schluchzt griffen blieb dabei allerdings konsschnittlichen Antworten in Patiensie in die Kamera. Doch das soll tant bei etwa 3%. Die Entwicklung ten-Befragungen: sich bald ändern, denn sie ist aushierzulande spiegelt also auch den Über 70% der 2014 von der erwählt, unter der Aufsicht weltweiten Trend wieder. DGÄPC Befragten gaben als Ereines Experten-Teams, Trotz steigender wartung an eine SchönheitsoperaObendlich und „extrem Anzahl an Eintion ein verbessertes Lebensgefühl wohl Brasilien schön“ zu werden. griffen, hat die an. Immerhin ein Viertel wollte die USA mittlerweile Um Sarahs Ziel zu S c h ö n h e i t s durch die Operation ein Ideal erin Bezug auf die operativen erreichen, genügt o p e r a t i o n reichen während jedoch der Anteil Schönheitseingriffe überholt allerdings kein jedoch noch an Patienten, die sich allgemein hat, halten die Vereinigten Staaten Diät Plan oder immer eibesseres Aussehen erhofften, unter insgesamt immer noch den ersten eine Karte fürs nen eher 1% lag. Diese Tatsache wirkt wiPlatz der meisten SchönheitseingrifFitness Center s ch le ch t e n dersprüchlich, da man annehmen fe insgesamt weltweit. Hier haben mehr. Sie und Ruf, wo doch sollte, dass das Erreichen eines IdeVorbilder für „Schönheits-Doihre Mitbewerbeparallel auch als doch eigentlich mit besserem kus“ wie „The Swan“ ihren rinnen bei SendunNatürlichkeit Aussehen einhergehen sollte. ZuUrsprung. gen wie „The Swan immer gefragmindest das geringe Interesse an endlich schön!“ oder der ter ist. Viele finden, allgemein besserem Aussehen ist konkurrierenden Variante dass plastische Chirvielleicht damit zu erklären, dass „extrem schön!“ leiden an Schönurgie nur im Fall von gesunddieses als ein Mittel angesehen heitsmakeln, denen durch ein guheitlicher Notwendigkeit oder bei wird um das eigentlich erstrebte tes Make-up oder eine neue Frisur schlimmen Deformierungen angeverbesserte Lebensgefühl zu erlannicht mehr beizukommen ist. Die wandt werden sollte. Ein offener gen, indem man gesellschaftliche Frauen, meist in den Dreißigern, Umgang mit Operationen ist oft Standards erfüllt. Andere häufig von Singles bis zu verheirateten nicht gegeben, laut DGÄPC gaben genannte Motivationen, die in der Müttern mit mehreren Kindern, 2013 13,3% der Frauen und 23,8% Umfrage der DGÄPC nicht unterwollen chirurgische Maßnahmen der Männer an nicht einmal mit sucht wurden, sind der Wunsch ergreifen, um hängende Haut, Familie oder engen Freunden über nach höherem Selbstwertgefühl überschüssige Fettpolster, flache ihren Eingriff zu sprechen. sowie einer harmonischeren PartLippen oder Fehlstellungen des nerschaft. Gebisses auszubessern. Was ist also die MotiDie Das Interesse an SchönheitsopePsychologisch häufigsten vation trotzdem eine rationen ist in Deutschland über kann man die ästhetischen Eingriffe Operation durchdie letzten Jahre stark gewachsen. Faktoren, die 2014 waren nach Angaben Nach Angaben der International für die Entführen zu lassen? der Deutschen Gesellschaft für Society of Aesthetic Plastic Surscheidung zu Ästhetisch-Plastische Chirurgie gery (ISAPS) stieg die Gesamteiner opera„Ich möchte end(DGÄPC) die Brustvergrößezahl operativer und non-operatitiven Schönlich der Mensch rung (15,4%) gefolgt von der ver Schönheitseingriffe zwischen heitskorrektur sein können der Lidstraffung (14,6%) und der 2011 und 2013 von etwa 400.000 führen in interich eigentlich bin.“ Botulinumbehandlung auf rund 650.000 an und brachte nale (selbst geSo oder so ähnlich (Botox) (12,6%). 94

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verändern.“1. Dies erzeuge jedoch auch zusätzlichen Druck und löse einen Konkurrenz Kampf aus, denn die Möglichkeit das Aussehen selbst zu In einer Umfrage der DGÄPC lag der Anteil an Patienten, die sich von bestimmen, ihrer Operation allgemein besseres Aussehen erhofften, unter 1%. birgt auch steuerte) und externale (von außen den Schluss: Wenn du nicht schön angeregte) Motive einteilen. Erbist, bist du selbst schuld. langen von höherem SelbstwertgeDiese zunehmende Individualifühl wäre dabei ein internales, die sierung ist laut Soziologen eine Hoffnung auf eine harmonischere Ursache für den Anstieg von chiBeziehung ein externales Motiv. rurgischen Maßnahmen; „KörperMeistens spielen Motive aus beituning“, wie es die Psychologin den Gruppen für die Entscheidung Ada Borkenhagen von der Uni zu einer Operation eine Rolle. Leipzig nennt2. Sie resümiert: „In In einer 2009 durchgeführten Studen westlichen Ländern lösen sich die der US-amerikanischen Psytraditionelle Bindungen zunehchologen Charlotte Markey und mend auf. Damit steigt die VerantPatrick Markey zu der Frage, warwortung des Einzelnen für die eium sich Frauen (denn 84% der Pagene Biografie.“ Menschen würden tienten sind auch in Deutschland heutzutage immer weniger über weiblich) einem ästhetisch-chirurihre Herkunft, Familienzugehöriggischen Eingriff unterziehen, stellkeit oder Arbeit definiert, sondern ten sich vier maßgebliche Faktoren umso mehr über das Aussehen. heraus: allgemeine UnzufriedenVon einer jugendlichen Erscheiheit mit dem eigenen Körper, der nung wird auf Leistungsfähigkeit Wunsch, einen bestimmten Makel und sozialen Erfolg geschlossen, zu korrigieren (etwa Segelohren ein weniger attraktives Erscheioder eine Höckernase), die Erfahnungsbild wird hingegen mit Faulrung von sozialer Stigmatisierung heit und mangelnder Leistung as(Hänseleien in der Kindheit) und soziiert. Vorbilder aus den Medien. Dabei Das Verschwinden von sozialen Sistellte die Unzufriedenheit mit cherheiten, wie lang anhaltenden dem eigenen Körper den stärksten Beziehungen, führt dazu, dass zum Auslöser dar. Beispiel die Partnersuche auch noch im höheren Alter eine Rolle spielt und so auch ein Faktor für Doch was macht die optische Optiden Entschluss zu einer Schönmierung des äußeren Erscheinungsheitsoperation sein kann. Diese bildes so wichtig? Ist Schönheit werden zudem immer sicherer und vor allem billiger, was die Entscheiheutzutage wichtiger als früher? dung erleichtert. Auch die heutige Kleidung steigert den Handlungs„Der Wunsch nach Attraktivität bedarf, bringt sie doch, durchsichist der gleiche wie früher,“ sagt tig und eng anliegend wie sie oft die Kölner Psychologin Gerhild ist, jeden Makel der Figur zur Gelvon Müller, „aber Fitnessstudios, tung. Die italienische BekleidungsSchönheits-Operationen und stänmarke Brandy Melville bietet ihr dig neue Modetrends bieten neue Sortiment sogar nur noch in Größe Möglichkeiten, das Aussehen zu

S an und wird dafür scharf kritisiert, denn die Botschaft ist eindeutig: „Nur wenn du die richtigen Maße hast kommst du in unseren Club.“ Um das zu schaffen, fängt so mancher Teenager eine Diät an, denn der oben beschriebene gesellschaftlicher Druck geht auch an pubertierenden Jugendlichen nicht vorbei, immerhin 14 % der 9- bis 14-jährigen hatten laut LBS-Kinderbarometer 2013 schon mal über eine Schönheitsoperation nachgedacht. Die Medien tragen dazu auch ihren beträchtlichen Teil bei. Wo man hinsieht, bekommt man perfekt modellierte Körper und Gesichter präsentiert und auch das Wissen um die Möglichkeiten der heutigen digitalen Bildbearbeitung, verhindert nicht, dass die Illusionen aus Werbung und Film zu einer Idealvorstellung des eigenen Körpers werden.

In einer Forsa Umfrage im Auftrag von EMOTION und Dove 2014 gaben 37% der befragten Frauen an, mit ihren Beinen unzufrieden zu sein. Andere ungeliebte Körperteile waren der Po (28%) und die Oberarme (23%), gefolgt von Haut und Busen, mit denen 21% der Frauen nicht zufrieden waren.


Dysmorphophobie In seltenen Fällen kann es sich bei Patienten von Schönheitschirurgen um Personen mit einer körperdysmorphen Störung handeln. Diese Personen beschäftigen sich übermäßig mit einem imaginären körperlichen Makel und überprüfen ihr Aussehen ständig im Spiegel. Um den imaginären Schönheitsfehler zu kaschieren, wenden sie sehr viel Zeit auf und können sogar so starke Hemmungen entwickeln, dass sie den normalen Alltag nicht mehr bewältigen können. Menschen mit einer körperdysmorphen Störung, sind fast nie mit dem Ergebnis einer Schönheitsoperation zufrieden, sondern widmen sich sofort einem neuen vermeintlichen Fehler, der zu beseitigen ist. Bei Gesunden ist ein Drang sich immer neuen Schönheitsoperationen zu unterziehen jedoch nicht festgestellt worden.

Und wie geht es den Patienten, wenn ihr heiß ersehnter „neuer Körper“ endlich fertig ist? Sarah ist schon sehr gespannt. Nach Wochen, in denen die unschönen und schmerzhaften Schwellungen und Narben ihrer Schönheitsoperationen verheilen konnten und in denen sie keinen einzigen Spiegel zu Gesicht bekam, ist es heute Abend nach fachmännischem Frisur und Make-up Styling endlich soweit: Sie darf ihren Liebsten ihr neues Ich, mit neuem Look präsentieren. Nur als Silhouette sieht man sie zunächst vor dem hellen Scheinwerfer, doch als sie schließlich hervortritt hört man schon die Jubel- und Erstaunensrufe der Wartenden und als sie vor den Spiegel tritt fließen sogleich Freudentränen. Ihr Traum ist erfüllt, endlich kann sie ohne Hemmungen ihr „wahres Ich“ ausleben. Doch geht es wirklich immer so gut aus? Ja, meistens schon. Tatsächlich belegte eine Studie der Uni Bochum und der Universität Basel 2013, dass Menschen, die sich einer Schönheitsoperation unterzogen haben, im Gegensatz zu denjenigen, die darüber nachgedacht, sich jedoch dagegen entschieden haben, mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und Selbstwertgefühl zeigen. Für

den Durchschnitt der Befragten war ihr gewünschtes Ziel erreicht und somit langfristige Zufriedenheit gesichert. Nicht nur das operierte Körperteil, sondern auch der Körper allgemein wurde als attraktiver wahrgenommen. Es wurden keine negativen Folgen festgestellt. Das kann auch damit zusammenhängen, dass die Patienten im Allgemeinen realistische Ziele verfolgten und Erwartungen wie „Alle meine Probleme werden gelöst“ nur von wenigen angegeben wurden.

Wird die Schönheits-OP in Zukunft normal sein? Die allgemeine Bereitschaft, sich für das Erreichen seines Schönheits-Ziels einer Operation zu unterziehen, scheint zu wachsen. So titeln nicht wenige Artikel schockiert „Jede vierte würde ‚ja‘ zu einer Schönheit-OP sagen“. Gleichzeitig scheinen die meisten Deutschen jedoch mit ihrem Körper durchaus zufrieden zu sein. Immerhin stellte eine Forsa Umfrage im Auftrag von EMOTION und Dove 2014 fest, dass 68% der Frauen der Aussage „ich mag mich wie ich bin“ zustimmen. Und nur 60 Frauen unter den 1.000 Befragten gaben an, dass sie ihr Aussehen durch einen schönheitschirurgi-

schen Eingriff verändern lassen würden. Kritiker plädieren für ein natürliches Schönheitsideal, dass zunächst einmal auch unrealistische, von den Medien geformte Ideale aus den Köpfen der Menschen verdrängen soll. Andere entgegnen, warum nur Menschen mit Unfallverletzungen eine plastische Operation in Anspruch nehmen sollten, wenn es doch auch Personen gibt, deren Lebensqualität durch natürliche Schönheitsmakel beeinträchtigt wird. Ob man operative Maßnahmen als Mittel zum Erreichen eines Schönheitsideals anwendet ist letztendlich jedem selbst überlassen. Wichtig ist dabei jedoch immer noch ein gründliches Abwägen über die tatsächliche Notwendigkeit und den Nutzen. Was die allgemeine Zukunft der plastischen Chirurgie angeht könnte sich Ada Borkenhagen eine ähnliche Entwicklung wie die der Zahnspange vorstellen: Die war vor 50 Jahren auch noch eine exotische Ausnahme.

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http://www.urbia.de/magazin/pubertaet/ teenager--der-traum-vom-perfekten-aussehen 2 http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/ plastische-chirurgie-warum-menschen-ihrenkoerper-tunen-a-737233.html 1



Plus Size Knackige Kurven, durchtrainierte Körper: „Plus Size“ Models wie Robyn Lawley, Tara Lynn oder Candice Huffine sind auf dem Vormarsch und in Kampagnen von Ralph Lauren bis Jean Paul Gaultier zu sehen. Sie modeln für die ganz Großen der Branche und müssen sich in keinster Weise hinter ihren „Straight Size“ Kolleginnen verstecken. Von Isabel Schier

© Melina Keil

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Den ein oder anderen bringt folgende Tatsache immer wieder zum Stutzen: In der Modewelt beginnt Plus Size schon bei einer Kleidergröße von 38. Außerhalb der Szene gilt Size 38 jedoch keineswegs als Übergröße. Nun könnten böse Zungen behaupten, dass sich die Modebranche auf den weiblichen Facettenreichtum und die Vielfältigkeit von Schönheit ganz und gar nicht einstellt. Uns mit den Straight Size- und Plus Size Models dieser Welt lediglich zwei verschiedene Idealtypen von Frauen vorsetzt. Einmal die 90-60-90 Version und zum anderen die etwas kurvigere, üppiger gebaute, aber nicht weniger perfektionierte Variante. Die 26-Jährige Eva-Maria Kurtsiefer arbeitet neben ihrem Jura-Studium schon seit über zwei Jahren als Plus Size Model und rät zu einem kritischen Bewusstsein gegenüber den Kategorisierungen der Modeindustrie. „Die Modelwelt und die reale sind nun mal zwei verschiedene Welten. Ab einem Hüftumfang von ca. 98 cm zählt man schon zu den Plus Size Models. Die Differenz zwischen Straight Size (90-60-90) und Plus Size kann also bei wenigen Zentimetern liegen“, erklärt sie. Allerdings sei Plus Size in den Agenturen nicht nur auf eine Größe beschränkt und gehe oftmals bis Größe 46 oder mehr. Dass ein Model mit Größe 38 schon als Plus Size gilt, ist insbesondere für Plus Size Frauen dennoch schwer begreiflich.

Beauty comes in all sizes

Hinzu kommt, dass der Druck in der Gesellschaft einem „Idealbild“ zu entsprechen immer größer wird. Mehr und mehr Frauen und auch Männer empfinden Schönheitsideale als Last und ihnen nicht zu entsprechen kann hart sein. Tagtäglich sind wir einer permanenten Bilderflut ausgesetzt und Werbung sowie die Titelbilder von Zeitschriften beeinflussen unsere Idee davon, was schön ist. „Insbesondere junge Mädels sind natürlich der Gefahr ausgesetzt, zu glauben, dass die Frauen auf den Covern wirklich genauso aussehen. Das kann ganz schön am Selbstbewusstsein kratzen. Aber letztendlich dürfen wir nicht vergessen: Make Up, Licht und Photoshop machen das Cover zu dem, was es ist“, so Eva-Maria, die privat selbst Größe 38 trägt und ein gesundes Selbstwertgefühl für den ei-

gentlichen Schlüssel zu Zufriedenheit hält. „Trotzdem denken viele Frauen, bestimmten Idealen nie gerecht werden zu können und die Gesellschaft macht es uns auch nicht immer einfach. Da heißt es ‚Schöne Frauen sind schlank‘ gleichzeitig aber auch ‚Frauen brauchen Kurven‘. Man darf sich davon aber nicht verrückt machen lassen.“ Sicherlich eine Herausforderung in einer Zeit, in der es kaum noch möglich ist, sich dem Einfluss von Schönheitsidealen zu entziehen. Aber machen wir es uns nicht auch gegenseitig schwer, indem wir immer wieder aufs Neue über das Aussehen anderer urteilen, wobei an kleinen Makeln kein gutes Haar gelassen wird? Ausgerechnet Plus Size Model Robyn Lawley scheint von dieser ständigen Kategorisierung genug zu haben und sagt gegenüber dem britischen Guardian: „Zu sagen ‚dünn ist hässlich‘ ist genauso inakzeptabel wie zu sagen ‚dick ist hässlich‘. Wir könnten uns über ungleiche Bezahlung oder Chancenungleichheit aufregen, aber wir sind zu sehr damit beschäftigt, permanent über unsere Körper zu diskutieren. Wir bremsen uns selbst.“ Lange wurden üppigere Frauen wie Lawley in der Modeindustrie belächelt und dass Models schon ab einer Kleidergröße von 38 als Plus Size gelten, zeigt, dass sich die Branche nicht grundlegend geändert hat. Doch auch wenn viele Designer ihre Mode noch immer nur an den sogenannten Straight Size Models präsentieren, arbeiten inzwischen viele Magazine wie Vogue, Cosmopolitan und Elle mit Plus Size Models. Eine Entwicklung, die in die richtige Richtung geht. Und auch die Modebranche selbst stelle sich auf Plus Size ein, meint Eva-Maria Kurtsiefer. Plus Size Mode würde immer populärer, so haben mittlerweile die meisten Modelabels auch eine Plus Size Linie im Sortiment. Die Rheinische Frohnatur ist der Ansicht, dass Schönheitsideale nicht zwangsläufig etwas Negatives sein müssen, sondern sogar inspirieren können. „Es ist wichtig, sich zu lieben, wie man ist und verständnisvoll mit dem eigenen Körper umzugehen, denn: Beauty comes in all sizes.“


Š Melina Keil


Couchel Oto単o Invierno 2015/16


Sechs Fragen an Eva-Maria Kurtsiefer Eva-Maria, wie bist du zum Modeln gekommen?

Tatsächlich habe ich nie angestrebt, irgendwann einmal zu modeln. Damals habe ich eigentlich keine Agentur für mich, sondern für meinen Freund gesucht. Als ich dann aber in vielen Agenturen die Sparte „Plus Size“ entdeckt habe, schnappte ich mir ein Maßband und dachte, ich probier’s einfach mal. Nur einen Tag später kam die Rückmeldung der ersten Agentur. Ich wurde eingeladen und nach einem Testshoot in die Kartei aufgenommen.

Erzähl mal, wie sieht der Arbeitsalltag eines Plus SizeModels aus? Grundsätzlich unterscheidet sich der Alltag eines Plus Size Models auch nicht von dem jedes anderen Models. Man bekommt eine Option von der Agentur, also eine Anfrage von einem Kunden für einen Job. Wenn man zusagt, kann der Kunde sich zwischen einer kleinen Anzahl an Mädels entscheiden und sie daraufhin buchen. Wenn alles gut läuft, wird man selbst gebucht. Entweder reise ich dann schon einen Tag vorher an und wache dann morgens vor Ort im Hotel auf oder ich fahre ganz früh mit dem Zug in die jeweilige Stadt. Nachdem ich von den Hair and Make Up Artists verschönert wurde, werden die Fotos gemacht. Danach geht’s ab nach Hause. So ein Job kann von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen dauern.

Stört dich der Begriff ‘Plus Size Model’?

Ach, um ehrlich zu sein, stör ich mich gar nicht an dem Begriff. Es ist nun mal einfach so, dass die sogenannten Straight Size Models zwei bis drei Kleidergrößen weniger tragen und irgendwie muss das nun mal benannt werden. Schöner wäre es natürlich, wenn wir alle einfach hauptsächlich Models wären. Leider kommt es aber noch viel zu oft vor, dass Plus Size Models belächelt werden. Wir machen den gleichen Job wie die Straight Size Models und müssen genau wie sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, das sollte also auch gleich honoriert werden.

Was war bisher dein schönstes Erlebnis als Model?

Einer meiner größten Momente war es, im Februar auf der Madrid Fashion Week zu laufen. Dazu kam, dass ich die Show unter anderem mit Tara Lynn laufen durfte. Das war einfach der Wahnsinn!

Wie verbringst du deine Zeit am liebsten, wenn du nicht arbeitest? Mit meinen Liebsten, bei gutem Essen, einem guten Film oder schöner Musik, knackigem Work Out, schönem Wetter… Am besten alles zusammen natürlich.

Verrätst du uns abschließend noch, was für dich einen schönen Menschen ausmacht? Solange sich eine Frau in ihrem Körper wohl fühlt, wird sie das auch immer ausstrahlen, denke ich. Es ist ein blöder Spruch, aber wahre Schönheit kommt wirklich von innen. Wenn du jemanden magst oder für etwas schätzt, dann ist er unabhängig vom Aussehen schön.


Strong skinny is the new

Die 19 Jahre junge Elisa öffnet die Tür und betritt einen großen, ungemütlichen Raum. Es herrscht bereits ein unangenehmer Geruch und reger Betrieb. Die reihum aufgestellten Trainingsgeräte, sowie Hanteln und Bänke sind fast alle belegt. Das Publikum ist gemischt, von jung bis alt sowie Frauen und Männer. Sie fühlt sich noch etwas fehl am Platz, ist jedoch überzeugt davon, dass sich das bald noch ändern wird. Denn sie ist neu hier. Vor kurzem erst hat sie sich angemeldet. „Ich wollte einfach ein bisschen meinen Körper straffen. Das Studio hier ist sowieso günstig, da habe ich mich einfach mal angemeldet. Will im Sommer ja fit aussehen“. Diesen Gedanken teilt mit Sicherheit ein Großteil der Leute, die hier fleißig ihre Hanteln heben. Es ist laut, Gewichte fallen ab und an auf den Boden, die Leute unterhalten sich und es läuft Musik im Hintergrund. Doch eine angenehme Atmosphäre will nicht aufkommen. Darum geht es hier jedoch auch nicht. Man ist ja schließlich zum Trainieren gekommen. Noch schnell umziehen und das Workout im überfüllten Fitnessstudio kann beginnen.

So wie hier im Beispiel sieht es mittlerweile in den meisten Gesundheits- und Fitnessanlagen in Deutschland aus. Denn der Fitnessmarkt boomt. Es gibt immer mehr Menschen, die sich aus den verschiedensten Gründen im Fitnessstudio anmelden. Sei es, um Gewicht zu verlieren, an Muskelmasse aufzubauen oder um sich einfach dazugehörig zu fühlen, cool zu sein. Das zeigt auch die Erhebung des Arbeitgeberverbands deutscher Gesundheits- und Fitnessanlagen (DSSV), welche 2013 ein Wachstum der Mitglieder in einem Fitnessstudio von 8,1% im Vergleich zum Vorjahr belegen. Das bedeutet, dass mittlerweile 8,5 Millionen Deutsche in einer Sportanlage angemeldet sind. Das ist der derzeitige Höhepunkt einer Entwicklung, die in den letzten Jahren stetig ansteigt, wie man den früheren Erfassungen der DSSV entnehmen kann. Es sind sogar 1,7 Millionen mehr Deutsche in einem Fitnessstudio angemeldet als in einem Fußballverein. Wobei Fußball in Deutschland doch schon lange als Volkssport Nummer eins gilt.

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Deutsche sind im Fitnessstudio angemeldet

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https://instagram.com/patriciala_/


S c h ö n h e i t s i d e a l e ,

gibt es schon seit je her, doch sie veränderten sich auch immer wieder. Sie konkurrieren miteinander, verschieben sich und lösen sich gegenseitig ab. Noch vor wenigen Jahrzehnten galt man mit einer üppigeren Figur für attraktiver. Vermutlich ist die Amerikanerin Marylin Monroe eines der bekanntesten Beispiele. So gilt sie weltweit, seit den 40er Jahren bis heute, als absolutes Sexsymbol und war dabei jedoch mit Kleidergröße 40 nicht so dünn, wie so viele Models auf den heutigen Laufstegen. Daher ist es kein Wunder, dass schon seit längerem die Klagerufe immer lauter werden, dass von den Medien ein falsches Schönheitsideal vermittelt wird, und sich so immer mehr Leute in das vermeintliche Ideal eines Magermodels hinein hungern. Doch es scheint als vollziehe sich momentan ein weiterer Wandel und dem Magerwahn setzt sich ein neuer Trend entgegen. „Shredded“ zu sein (englisch: to shred: zerschreddern; to be shredded (ugs.): „definierte Muskelmasse“) ist das neueste Schönheitsideal, und so ist es zum Trend geworden einen „Fitnesslifestyle“ als Lebensphilosophie zu leben. Immer mehr Menschen streben nach einem muskulösen Körper und setzen dieses Schönheitsideal anstelle des Schlank- http://twixtedsisters.blogspot.de/ heitswahns. Denn unter den „beasts“ und „fit girls“ gilt es jetzt nicht mehr nur schlank zu sein, sondern vor allen Dingen auch muskulös. Wer in sozialen Netzwerken aktiv ist, dem ist diese Wandlung auch schon aufgefallen. Es verbreiten sich immer mehr Fitness „Memes“1, die sich über die weniger sportlichen unter uns lustig machen, und somit die „fit community“ ansprechen. Besonders auf Instagram wird dieser Trend deutlich. So

1 (Collagen mit meist sarkastischem/ironischem Inhalt, die sich über das Internet verbreiten)

ist es kein Wunder, dass die 20 jährige, sportbegeisterte Patricia, mit ihrem - am Fitnesslifestyle orientiertem - Instagram Account mittlerweile 18,3 Tausend Abonnenten verzeichnen kann. Ihr Augenmerk liegt vor allem darauf, ihre schön angerichteten, in der Regel kalorienarmen und gesunden Mahlzeiten zu präsentieren. Unter den Bildern befindet sich oft das Rezept, damit ihre motivierten Follower die Möglichkeit haben, sich solche Gerichte zu kochen und ihrem Vorbild weiter nachzueifern. Somit haben sie das Gefühl, sich einen Schritt weiter ihrem Traumkörper zu nähern. Denn Patricia fungiert, so wie viele andere Fitnessblogger, als Vorbild für ihre Abonnenten. Das was sie kocht, isst, und alles andere was sie postet, ist gut. Es muss gut sein, denn schaut da, sie zeigt uns mindestens einmal die Woche ihren straffen und trainierten Bauch, das heißt sie macht es richtig. Ihre Follower sehen sie als makellos, was auf die inszenierte Darstellung ihres Lebens zurückzuführen ist. Patricia möchte dieser Idealvorstellung jedoch ein wenig entgegenwirken, indem sie beispielsweise den Hashtag #mehrcheatmealsaufinstagram verwendet, um so zu verdeutlichen, dass auch sie sich mal ungesundes Essen gönnt und ein Mädchen mit Gelüsten nach Süßem und Fettigem ist. Der deutliche Großteil der Kommentare enthält eine positive Resonanz seitens ihrer Follower. Sie spricht, mit dem was sie postet, eine große Masse an. Für viele ist sie eine große Inspiration, was wiederum die Verbreitung des Trends „strong is the new skinny“, den sie mit ihrem Profil verkörpert, ver-


„do you even lift?“

http://frabz.com/4gcp

„train hard or go home“ https://de.pinterest.com/pin/173740498098254855/


Auch die jährlich in Köln stattfindende FIBO (Fitness und Bodybuilding Messe), und ihre stetig steigenden Besucherzahlen zeigen, dass es sich beim Kraftsport um eine neue Kulturbewegung handelt. Auch wenn es sich beim Bodybuilding um eine noch extremere Form des muskelbepackten Körperkults handelt als bei dem momentan in den Netzwerken propagiertem Schönheitsideal, tummeln sich auf der FIBO viele Gesichter, die in den sozialen Netzwerken durch Fitnesslifestyle Accounts bekannt geworden sind. Die Kraftsportler und die „fit community“ fühlen sich als Subkultur, die sich jährlich auf der FIBO versammelt. Diese ist mittlerweile zur größten Fachmesse für Fitness, Wellness und Gesundheit herangewachsen, und konnte im letzten Jahr 116.000 Besucher verzeichnen. Das sind nur wenige Beispiele, um zu verdeutlichen, wie das neue Körperideal immer mehr in den Fokus vieler Leute tritt, und wie stark dieser Wandel von den neuen Medien abhängig ist. Viele Anhänger dieses Lebensstils plädieren für einen gesunden Hunger, gemischt mit ausreichend Sport, und möchten sich somit vom Magerwahn distanzieren. So basiert auch der Leitsatz „strong

https://instagram.com/patriciala_/

deutlicht. Ich hatte die Möglichkeit, ein Interview via E-Mail mit ihr zu führen, indem sie darüber spricht, wie sie diesen Wandel wahrnimmt (siehe Ende des Artikels). Patricias Account ist bei weitem nicht der Einzige, der sich überwiegend mit den Themen Fitness, Körper und Ernährung auseinandersetzt. Wenn man ein bisschen durch die bekanntesten deutschen Instagram Accounts stöbert, stößt man schnell auf weitere Profile, wie auf das der Vanessa B., der mittlerweile über 150 Tausend Menschen auf folgen. So wie hier ganz deutlich durch Instagram, zieht sich der neue Trend auch durch andere Netzwerke wie Facebook oder YouTube. Etliche Videos zum Thema Sport oder gesundem Essen sind nur einen Klick weit entfernt. So kann beispielsweise der erfolgreiche Fitnesstrainer und -youtuber Christoph Gehrke alias Goeerki, mittlerweile auf über 145 Tausend Abonnenten stolz sein. Im Fokus stehen bei ihm Trainings- sowie Ernährungstipps.

https://www.youtube.com/user/goeerki/featured


http://33.media.tumblr.com/29975933817b2e5bfc028e8fa9efdfdb/tumblr_mfw8txiVA41rs6zaqo1_500.gif

is the new skinny“ auf einem gesunden, sportlichen Lebensstil. Jedoch tritt auch hier wieder das Problem auf, dass sich junge Mädchen und Jungen schnell unter Druck setzen, um diesem neuen Ideal zu entsprechen. Diese Problematik wird durch die Selbstinszenierung der Fitnessblogger und -youtuber nur verstärkt, da man im Netz ein makelloses Vorbild zu sehen bekommt, welches Training, Schule oder Arbeit, Freunde, Familie sowie gesundes einkaufen und kochen scheinbar mit Leichtigkeit unter einen Hut bekommt. Zu oft wird vergessen, dass es sich bei solchen Profilen nicht immer um eine möglichst realitätsnahe, sondern eher um eine möglichst vorteilhafte Darstellung seiner selbst handelt. Die Inhaber solcher Seiten, ziehen eventuell auch finanziellen Profit aus ihren Postings, oder sie handeln nur aus Narzissmus und suchen nach Selbstbestätigung. Bei jeglichen Motivationen, die hinter einem Instagram, Twitter oder Youtube Account stehen, sollte man beim Nachahmen seiner Idole nicht vergessen, dass im Netz oft ein

unrealistischer Perfektionismus angestrebt und präsentiert wird. So erscheint im Internet alles leichter, schöner und besser, als es im wahren Leben der Fall ist. Kraftraubende eineinhalb Stunden später ist Elisa erschöpft und, so weit sie es sich einreden kann, glücklich wieder Zuhause. Obwohl sie nicht sonderlich motiviert war, hat sie ihr Workout durchgezogen. Zum Abendessen gibt es einen Eiweiß-Shake, denn die eine Bloggerin hat eben auf Instagram auch nicht mehr gepostet, und die Bikinifigur kommt schließlich nicht von alleine. Dazu ist noch ein cooles Foto für Instagram im Fitnessstudio entstanden. Dann kann Elisa wenigstens zeigen wie sportlich aktiv sie heute war, und jeder der möchte, kann ihre „Fitnessjourney“ auf dem Weg zum „shredded body“ mitverfolgen. Denn wir alle wissen jetzt, dass es heißt „strong is the new skinny“ und nur ein „fit girl“ mit ausreichend „gainz“ ist Teil der „fit community“ und kann am Ende ein „beast“ daten und wie eine „beauty“ aussehen.


Patricia ist eine 20 jahre alte auszubildende zur

Bankkauffrau und kommt aus stuttgart. ihre komplette freizeit opfert sie ihrem fitnesslifestyle und lässt

18.6 tausend

follower auf instagram daran teilhaben. im folgendem steht sie mir rede und antwort zu diesem lebensstil. Wie lange bloggst du schon auf Instagram? Ich habe vor knapp 2 Jahren angefangen auf Instagram zu posten :). War

es dein

Ziel,

„Fitnessaccount“ zu Leute folgen? Wenn nein,

wie kam es dazu?

Nein absolut nicht! Ich kann es bis heute auch noch gar nicht wirklich glauben, dass so viele Menschen mein Leben interessant finden :D. Angefangen mit dem posten hab ich durch SizeZeroGym, während den 10 Wochen sind es immer mehr Leute geworden, die meinen Weg verfolgt, und mich vor allem motiviert haben :). Leben durch verändert? Wenn ja, wie? sich dein

„Wenn ich Bock auf ne Pizza hab, dann esse ich verdammt nochmal eine Pizza :D“

solch einen

erstellen, dem tausende

Hat

etwas ungesundes vor anderen esse, es rüber kommt als würde ich das auf Instagram alles nur inszenieren, und in Wahrheit würde ich jeglichen scheiß in mich reinfressen. Inzwischen lache ich über mein dämliches Verhalten :D. Wenn ich Bock auf ne Pizza hab, dann esse ich verdammt nochmal eine Pizza :D. Ich ernähre mich in der Woche immer gesund, also erlaube ich es mir auch ab und an zu cheaten. Ich versuche aber nicht mehr als zwei mal in der Woche zu cheaten, da ich sonst zu weit zurückfalle. Auch in Punkto Freunden hat sich einiges bei mir getan.Zwar nicht durch Instagram direkt aber durch meinen „Fitnesslifestyle“ – inzwischen kann ich sagen, dass ich 1/3 meiner „Freunde“ verloren habe, weil sie es einfach nicht verstehen, dass ich keinen Alkohol mehr trinke und so sehr auf meine Ernährung achte. Das komische ist aber, viele davon haben 3 mal die Woche Training sei es Fußball oder Handball und am Wochenende auch noch Turniere – aber das ist dann normal und wird akzeptiert?!

den Instagram

Account

Klar! Wenn ich vor ein paar Monaten mit Freunden weg war, habe ich mich nie getraut etwas ungesundes wie Pizza & Co zu essen. Meine Freunde saßen dann also mit ihrer Pizza/Pasta etc. da, und ich saß vor meinem Thunfischsalat, obwohl ich viel lieber eine Pizza gegessen hätte. Ich hatte immer Angst, dass wenn ich

Wie viel Zeit investierst du in deinen Account? Viel... Anfangen tut es beim Anrichten vom Essen, es soll ja meine Follower motivieren sich auch gesund zu ernähren, und es nachzukochen. Wenn es scheiße aussieht, macht es ja kaum jemand nach – das Auge isst bekanntlich mit :D. Dann das Posten des Bildes, es muss hell genug sein, die richtige Perspektive etc. Sobald ich das habe, kommt der Text. Der ist bei mir meist etwas länger, weil ich sehr gerne „rede“. Sobald das Bild gepostet ist, kommen irgendwann die ersten Kommentare, auf die ich antworte – ich finde nichts ist nerviger als einen Kommentar zu schreiben & keine Antwort darauf zu bekommen, deswegen versuche ich auf alles zu antworten. Dazu kommen dann auch noch die Emails, die mich täglich, von hauptsächlich Mädels, erreichen, die Hilfe bzw. Tipps von mir möchten. Das Ganze ist also inzwischen ein ziemlich großes Hobby geworden :D


Was erhältst du für Feedback? Ich erhalte so gut wie nur positives Feedback :). Einerseits die lieben Kommentare unter meinen Bildern, indem sie mir Komplimente zu meiner Disziplin und meinen Erfolgen machen, andererseits die Emails in denen ich oft ein Danke bekomme, dass ich sie motiviert habe, sich wieder gesund zu ernähren und Sport zu machen. Klar sind ab und an auch negative Kommentare dabei, aber man kann es nicht allen recht machen, und das will ich schließlich auch gar nicht. Ich bin so wie ich bin, entweder man mag mich oder nicht :). Das Schönheitsideal in Deutschland steht im Wandel, anstatt dem Hungerknochen werden sportliche Frauen- und Männerkörper immer öfter favorisiert. Spürst auch du diese Veränderung? Wenn ja, wie? Klar merke ich das! Vor gut einem Jahr bekam ich noch Emails mit „Wie nehme ich so schnell wie möglich ab?“ und zurzeit sind immer mehr Emails dabei wie „Wie bekomme ich möglichst schnell einen Sixpack?“. Um auf die letzte Frage zurück zu kommen, wenn ich das wüsste, hätte ich wohl auch schon längst einen :D. Mir ist auch aufgefallen, dass sich Fashion-Accounts immer mehr in Fitness-Accounts verwandelt haben – nun ja, jedem das seine ;-). Wichtig finde ich, dass man sich nicht nur auf eine Meinung von einem „Fitness-Account“ verlässt, sondern sich auch noch im Internet etc. informiert :). Warum bloggst du? was bekommst du dafür zurück? Weil es mir Spaß macht, mich und andere zu motivieren. Was ich dafür zurück bekomme? Nette Worte, Motivation und Bestätigung für den Weg, den ich gehe Durch

Viele Fitnessaccounts werden von Marken gesponsort und leben davon Dinge zu bewerben. Wie stehst du dazu? Du erwähnst oft die Produkte von Zec+, steht Dahinter ein Sponsoring? Ich kenne auch einige Fitnessaccounts, die für jeden Scheiß und 3456245 Produkte werben, nur weil sie die Produkte umsonst bekommen. Ich finde das absolut lächerlich, und inzwischen ist das einfach unglaubwürdig. Klar ist ein Sponsoring schön, aber dann bitte nur in Gewissen Maßen. Ja, hinter Zec+ steht auch eine Kooperation. Aber nicht Zec+ ist auf mich zugekommen, sondern ich auf sie. Warum? Weil ich die Produkte bei einem Kumpel probiert habe, und ich sofort von diesen überzeugt war. Also hab ich Zec+ angeschrieben, und gefragt ob sie Bock auf eine Kooperation haben. Mir ist wichtig, dass wenn ich Produkte vorstelle, ich wirklich hinter diesen stehe. Wenn ich anfragen für Kooperationen bekomme, schaue ich mir z.B. erst einmal die Homepage und die Instagram Seite an, und schaue ob sie zu mir passen bzw. ob ich die Produkte überhaupt probieren will. Es macht ja kein Sinn Beauty Produkte zu testen, wenn ich einen Fitnessaccount habe.

Als abschliessende Frage: Was denkst du, ist der Grund für deine hohe Anzahl an Followern? Was mögen sie an dir? Ich habe da einfach mal meine Follower selbst gefragt :) „Du gibst einem das Gefühl, dass es jeder schaffen kann, sich in seinem Körper wohl zu fühlen und zufrieden mit sich zu sein. Du bist niemand der mit 90/60/90 Maßen angefangen hat, sondern bei dir sieht man die Entwicklung, und das kommt alles so authentisch und ehrlich rüber. Du machst den Eindruck als könntest du everybodys best friend sein, und das macht dich sehr symphatisch.“

Account kann man dir eine Vorbildfunktion zusagen. Bist du dir dieser bewusst? Wenn ja, beachtest du sie bei dem was du postest? deinen beliebten

gewisse

Klar bin ich mir der Vorbildfunktion bewusst, aber ich bin der Meinung, jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich, und trifft seine eigenen Entscheidungen. Ich verändere mein Leben nicht, nur um anderen zu gefallen :).

Pia Lang


Zwischen Spielerei und Wahnsinn

Ernährung – Sport – Kontrolle

Das Handy vibriert. Ist das schon der Wecker? Könnte sein, schließlich habe ich ihn auf Gleitzeit eingestellt. Ich schaue auf mein Smartphone. „Bitte trink etwas Wasser.“ Ach, die Erinnerung. Wahrscheinlich weil ich gestern Abend das empfohlene Glas Wasser nicht beachtet habe. Na gut, dann kann ich auch jetzt schon aufstehen. Im Bad ist Sebastian schon am Duschen – Wechselduschen, wie jeden Morgen. Mit heute insgesamt schon das 645ste Mal. Strichliste im Bad. So wie es draußen aussieht war Mister Optimierer wohl

bei Dauerregen unterwegs. Ich klatsche Sebastian ab und hüpfe unter die Dusche. Verdammt. Ist das kalt! Ich springe im Viereck. Es ist ein typischer Samstagmorgen für Hanna und Sebastian. Sebastian war schon seine 12km laufen. Das macht er nun schon seit genau zwei Jahren und drei Monaten. Es herrscht eiserne Disziplin dank seinem Smartphone und den Fitnessarmbändern, die Activity Tracker. Er könnte nicht mehr ohne. Aber das würde er sich nie eingestehen. Wie oft er täglich auf seine Apps schaut, um dann doch

festzustellen, dass sich seine Leistungskurve noch nicht verbessert hat. Der Ratschlag einer App, doch auch mal ein bisschen Alternativsport zu machen wie beispielsweise schwimmen zu gehen oder Rad zu fahren, blinkt seit drei Stunden als Meldung auf dem Handydisplay. Natürlich, diese Mini-Computer namens Smartphones spucken binnen Sekunden Daten, Ergebnisse und Ratschläge aus. Bei dem Tempo verliert Mensch gegen Maschine. Herrlich frisch geduscht sitzen Hanna und Sebastian am


Bild: Tina Trevisan

Frühstückstisch. Sebastian mit Müsli und Magerquark. Proteine, Ballaststoffe und Kohlehydrate. Der gewöhnliche Start in den Tag. Die beiden sind Mitte zwanzig, sehen frisch und gesund aus. Sebastian ist gut ein Kopf größer als Hanna, dunkelhaarig und athletisch. Sie hat schulterlanges blondes Haar, meist pragmatisch zu einem kleinen Dutt hochgebunden. Hanna macht eine sportliche Figur in ihrer Kleidung. Doch wenn sie mal nicht darin steckt, fallen ihr ihre kleinen, aber doch sichtbaren Hautröllchen im Bauchbereich auf und

auch ihre Oberschenkel, die einfach keine sichtbare Muskelspannung aufbauen wollen. Stattdessen könnte man sogar wage vermuten, dass sie an dieser Stelle sehr schlaffes, hin- und her baumelndes Gewebe mit sich herumschleppe, so ernst wie Hanna zweimal am Tag auf der Waage vor dem Spiegel zu stehen pflegt und krampfhaft jede Grammzahl abliest. Das Zwängen in Leggins verschafft zwar die nötige Abhilfe, trotzdem ist es der 27-jährigen ein Dorn im Auge. Während sie selbst die Lebensmittelwelt aus Kontrollgründen in grün, gelb und rot kategorisiert,

beneidet sie Nele um ihre top Figur, deren Essverhalten bisher völlig unreflektiert ist. Heute fängt für Hanna die Detox-Kur an. Einmal Entschlacken bitte! Dafür hat sie sich extra ein 3 Tages

Detox-Juice-Kur Paket

kommen lassen. Es gibt für sie einen Smoothie aus Blaubeere, Banane, Weizenkleie und Jogurt. Es ist zwar keine feste Nahrung und, so wie sie das gehört hat, wird sie in den nächsten Tagen auch keinen festen Stuhlgang haben. Was man nicht alles macht… 112

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Sebastian schießt Bilder vom Essen. Doch nicht etwa für eine schöne Erinnerung, wie man vielleicht vermuten würde. Nein. Diese Fotos dienen nur dem Zweck der Überwachung der Kalorien, die er über den Tag verteilt zu sich nimmt. Er scannt sein Essen und kontrolliert so seine tägliche Ernährung. Bis ins Detail. Und sei es nur eine halbe Möhre zu viel – Sebastian gleicht diese Sünde mit zehn Liegestützen aus. Sebastian, auch als der gefürchtete Kalorienkiller bekannt. Das Frühstück ist zeitlich begrenzt und durchgeplant, wie so vieles in Sebastians Alltag. Kleine, innovative und benutzerfreundliche Apps auf dem Smartphone ermöglichen eine alltägliche Selbstvermessung und Überwachung, das sogenannte self-tracking. Sebastian ist ein absoluter Sportfreak und legt viel Wert auf sein Äußeres. Es gibt nichts, was er nicht mit Hilfe einer App festhält. Die Auswahl ist riesig. Von der Ernährung, der Blutwerte, dem momentanen Stimmungsbild, dem Schlaf, dem Sport oder bis hin zum CO2 Gehalt im Zimmer: Alles ist messbar. Und jeder ist in diesem Fall ein mündiger Patient, der seinem Arzt sein Leiden erklärt und nach permanenter Bestätigung seiner selbst aufgestellten Thesen sucht. Die totale Selbstkontrollsucht. Für Hanna ist Sebastians Sucht nach Optimierung zum Selbstläufer geworden. Selbst beim Zubettgehen hält Sebastian nichts davon ab, sich mit seinen Apps auseinanderzusetzen. Zum Glück ist das Vermessen beim Sex, das SexFit noch


Bild: Milena Wälder

Egal ob Activity Tracker, den Apps auf dem Smartphone oder Tablet: Die Messungen der Fitness-Gadgets oder Fitness-Tracker kennen kaum Grenzen und messen die wichtigsten Körperfunktionen. Die Minicomputer sind in der Regel über Bluetooth mit dem Smartphone verbunden und geben via App Tipps und Ratschläge für eine gesündere Lebensweise und das rund um die Uhr. Es werden die täglichen Schritte gemessen, bei denen wie selbstverständlich der Tagesbedarf angepasst werden kann. Für diejenigen, die sich ansonsten nicht gern den Finger krumm machen – außer für das Smartphone versteht sich – eine willkommene Selbstmanipulation. Die Pulsüberwachung, der Blutdruck und der Tiefschlaf-Rhythmus sind ebenfalls fester Bestandteil eines self-trackers. Man wird daran erinnert sich zu bewegen, sollte man mal wieder zu lange am Laptop sitzen. Diejenigen, die glauben, dass dies doch auch ein gesunder Menschenverstand zu bemerken imstande ist - Fehlanzeige. Die Gadgets nehmen diesen Platz ein und lassen uns Laien in unserer Kompetenz der Selbsteinschätzung auflaufen. Der self-tracker wird von den Minicomputern dazu motiviert am Ende des langen Arbeitstags statt des Aufzugs mal wieder die Treppen zu nehmen oder aber extra einen Umweg zum Einkaufscenter zu laufen, um das Tagespensum an Schritten zu erhöhen. Besteht eine schlechte Körperhaltung beim Sitzen oder im Stehen: kein Problem mehr mit einem wearable, in diesem Fall einem Gürtel, der fortwährend daran erinnert eine gesunde Haltung einzunehmen, indem er die aktuelle Neigung der Wirbelsäule misst und die Daten an das Smartphone weiterleitet. Genial. Das Display zeigt in einer Grafik, was falsch an der Haltung ist und gibt Tipps, wie man das zukünftig vermeiden kann.



Bild: Milena Wälder

Wenn es zu großen Mitteilungsbedarf der individuellen Ergebnisse des Einzelnen geben sollte, hilft die sogenannte quantified self community den einzelnen Usern. Sie bietet Raum für Newcomer und nimmt die Optimierer in ihren Selbstversuchen ernst. Das Prinzip kommt ursprünglich aus den USA und ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Ziel der self-quantifier ist die Selbstoptimierung in sämtlichen Lebensbereichen. Hier werden in „Show&Tell“ Runden vor allem die eigenen self-tracking Experimente anderen Interessierten vorgestellt, im Detail ausdiskutiert und vor allem in seiner NichtPerfektion offen kritisiert. Eine Wissenschaft für sich, geschaffen vom heutigen Über-Menschen die aus Selbstüberzeugung besteht. Mit einem Schlaf-Stirnband – als ob das nicht für manch einen schon störend genug wäre – das über Bluetooth mit seinem Smartphone verbunden ist, vermisst man den Tiefschlafrhythmus um die allgemeine Schlafqualität zu verbessern. Beeinflussende Faktoren und Angewohnheiten wie das Tragen einer Schlafmaske oder das Schlafen bei offenem bzw. geschlossenem Fenster sorgen durch die regelmäßigen Messungen zu Aufklärungen und dadurch zu erholtem und verbessertem Schlaf. Das Versprechen: Weckt zum optimalen Zeitpunkt des individuellen Schlafzyklus. Schlummern garantiert, natürlich nur wenn das Stirnband nicht verrutscht. Stellt sich auch die Frage, ob das Tragen des Schlaf-Stirnbands eigentlich nur für Rückenschläfer gemacht ist?


ein Prototyp. Auch das würde Hanna nicht zu weit gehen, solange sie ihr Liebesleben damit verbessern könnten. Jeder ist seines Glückes Schmied. Bei Sebastian ist das eben Sport. Hanna muss sich noch ein wenig auf ihr Glück gedulden, zumindest bis SexFit es auf den Markt schafft. Mit dem Besitz eines Smartphones ist heutzutage all das machbar. Stift, ein Blatt Papier und das kreative Nachdenken zum Selbstaufschreiben werden überflüssig und belasten somit weniger die Umwelt. Wenn das in diesem Zusammenhang gefragt wäre. Ist es nicht.

Das Smartphone ist eine tolle Erfindung. Maschine erklärt das gesunde Mensch-Sein, das Erreichen des perfekten Körpers und -haushalts. Was braucht Man(n) mehr?

Die Einladung Was macht ein Pärchen, das erstens schon genug mit sich allein und den guten Vorsätzen zu kämpfen hat und sich zweitens darüber hinaus noch gegenseitig versucht, gerecht zu werden und sich drittens ernster nimmt als den Rest der Welt und nun bei seinen besten Freunden eingeladen ist? Wahrscheinlich das gemeinsame Abendessen so lange hinausschieben bis zum Eklat.

Hanna und Sebastian könnten nicht unterschiedlicher sein als Torben und Nele, ihre besten Freunde. Nele raucht viel, sehr viel. Trotzdem scheint ihr Körper noch keine Konsequenzen aus ihrem Verhalten gezogen zu haben. Torben hingegen hat ein kleines Wohlstandsbäuchlein und steht zu seinem allabendlichen Schmankerl wie Schokopudding, im Litereimer – versteht sich. Ernährungspläne und ständige Selbstkontrolle finden Torben und Nele übertrieben und unnötig. Detox ist für sie nur neumodischer Quatsch. So zumindest Torben und Neles Meinung.


Bild: Milena Wälder

Doch was tun, wenn die beiden anderen das absolute Gegenteil zu Sebastian und Hanna darstellen? Nicht nur lebenspraktisch, sondern auch in der Einstellung zum eigenen Körper. Hoffen, dass mitgedacht und wenigstens einigermaßen kompatibel aufgetischt wird? Wenn man mal ehrlich ist, weiß man doch schon jetzt, dass die beiden nicht den Anforderungen von Hanna und Sebastian gerecht werden, zumindest nicht was das Essen angeht. Hannas neue, von Sebastian installierte Ernährungsplan-App würde sich freuen, genauso wie ihre Leber, ihre Nieren und die Haut. Alles, was sie bei Torben und Nele an Ungesundem zu

sich nehmen würden, müsste in den nächsten Yogastunden wieder ausbügelt werden. Allgemein gab es schon immer Bestrebungen die Ernährung und den Körper zu optimieren. Essen wird vom Menschen transformiert, hergerichtet, umgewandelt und umfassend kultiviert. Über die Modifizierung des Essens übt man Kontrolle auf die Ernährung aus bzw. auf das, was man seinem Körper zufügt. Das kann mehrere Gründe haben, sei es religiöser oder kultureller Natur. Aus der Sicht westlicher Kulturen werden teilweise die Körperkulturen in anderen Orten der Welt kritisch beäugt und als absurd abgetan. Ob man die Abbindung der Füße bei den älteren Generationen der Chinesen betrachtet, die Tellerlippen wie zum Beispiel im äthiopischen Volk der Mursi oder die PadaungFrauen von Myanmar, die mit schwerem Halsschmuck ihre Hälse verlängern: Sie alle bedienen sich der allgemeinen Annahme einer äußerlich wahrnehmbaren Schönheitskultur. Betrachtet man die Ernährungspraktiken, stößt man auf koschere Nahrung oder spezielle Diäten. Zurück zum Zeitgeist, der hierzulande waltet: die Apps sind aus dieser Perspektive betrachtet also lediglich eine neue Blüte dieser Bemühungen. Eine Verfeinerung, eine Garnierung wie das Körnchen Salz, das beim (Erfolgs)-rezept noch gefehlt hat.

Sicherlich geht es in dieser Diskussion, wie in so vielen anderen auch, um das Finden des richtigen Mittelmaßes. Aber eine Erkenntnis kann aus der fiktiven Situation gezogen werden: Lasst doch Selbstoptimierern den Spaß sich selbst auszuprobieren. Kocht bewusst, wenn ihr Hanna und Sebastian zum Essen einladet. Und gebt Nele doch Feuer, wenn sie sich eine Zigarette anzünden möchte. Der Körper kann eine gewisse Zeit so einiges erdulden. Aber ab und an auf ihn zu hören, anstatt ihn beherrschen zu wollen, bringt die nötige Sensibilisierung und Balance in unseren heutigen Alltag zurück. LEONA VEITH TINA TREVISAN


impressum Das Magazin ist im Rahmen des kulturwissenschaftlichen Projekt-Seminars „Online-Magazin: Körperkult/uren“ an der Universität in Koblenz entstanden. Die Erarbeitung der Inhalte sowie die grafische Umsetzung des Layouts wurde von den Studierenden übernommen. Die Redaktion bestand aus: Vanessa Budai, Maik Exner, Caroline Form, Johanna Klein, Pia Lang, Aline Neis, Kerstin Perkert, Verena Prinz, Nina Scheffel, Isabel Schier, Tina Trevisan, Alana Dawn Knickmann, Leona Veith, Rosa Marie Wesle, Linda Zimmermann. Begleitet wurde die Redaktion durch Frank Jüngst, Mitglied der Geschäftsleitung der hsdigital GmbH (Augsburg), der grundlegende Kenntnisse des Layouts und der grafischen Umsetzung während des Projektseminars vermittelt hat. Das Seminar fand weiter unter Organisation und Betreuung durch Sandra Kuhlhüser statt. Die Redaktion dankt weiter folgenden Personen: Markus Lohoff und dem Institut für Kunstwissenschaft für die Überlassung und Nutzung des Medienlabors, Norbert Dootz (Fotomodel), EvaMaria Kurtseifer (Model), Maria Frantzen, Basti Prieß, Jürgen Burkhardt vom Bartclub „Belle Moustache e.V.“, Syra, Archina, Ben, Marie und Patricia.

Institut für Kulturwissenschaft Das Institut für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau beschäftigt sich aus interdisziplinärer Perspektive mit der Analyse kultureller Prozesse und Produkte – in Gegenwart und Geschichte, in Theorie und Praxis, in Alltag und Beruf, im lokalen Bezug und international. Dem Institut gehören die Seminare Ethnologie, Medienwissenschaft und Philosophie sowie zahlreiche Wissenschaftler aus anderen Instituten des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften an der Universität in Koblenz an. Seit dem Wintersemester 2008/2009 bieten die beteiligten Fächer gemeinsam den Bachelorund Master-Studiengang »Kulturwissenschaft« an. hs-digital GmbH Als „Digital Part“ der hübner&sturk GWAAgentur aus Bensheim an der Bergstrasse, sind wir seit 2015 auf dem Markt. Unser Hauptaugenmerk liegt in der Digitalisierung von Unternehmens-,Sales- und Marketingprozessen. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, den digitalen Wandel gemeinsam mit unseren Zielkunden zu gestalten.




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