The Liminal Magazine

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Liminal

Arbeitswelten / Lebenswelten... ARBEIT IM WANDEL DER ZEIT / KLEIDER MACHEN LEUTE / OBDACHLOSE / JAPANERIN / SELBSTDARSTELLER / BÜHNENKÜNSTLER / WAS MACHT DIE KUNST?/  LEBEN-ARBEIT-TOD UND VIELES MEHR...

MAGAZINPROJEKT DES INSTITUTS FÜR KULTURWISSENSCHAFT



Selbstverständlich. Medienpraxis – Online-Magazin – Editorial Wie selbstverständlich machen wir uns jeden Tag auf den Weg. Wir haben Ziele, erledigen Aufgaben, stellen uns Anforderungen, machen Pause, um weiter zu machen. Wir arbeiten und versuchen gleichzeitig eine Balance zwischen unserer Lebens- und Arbeitswelt herzustellen. Da liegt es nahe zu fragen: Ist die Arbeit ein Teil des Lebens oder das Leben der Rahmen für die Arbeit? Immerhin ist die Arbeit sehr bedeutend für unsere Identität – dafür, wie wir uns selbst verstehen. Sei es im Findungsprozess der passenden Arbeit, in dem auch wir – die Redaktion – uns befinden, oder schon mitten in der Arbeitswelt. Doch ist all das – Unterwegssein, Arbeit, Identität durch Tätigkeit – wirklich so selbstverständlich? Und gibt es nicht eine permanente Spannung zwischen den oft nicht eindeutig trennbaren Welten des Lebens und der Arbeit? Oder stehen sie in Harmonie zueinander? Diesen Fragen gehen die Autorinnen und Autoren dieses Magazins nach. Manche suchten Antworten in ihrem (kritischen) Blick auf die Gesellschaft und in Büchern. Andere stellten die Fragen Menschen, die ihre persönlichen Arten der Lebenswelt, Arbeitswelt und der Verbindung derer gefunden haben. Und dazwischen beschäftigten sich wenige mit einer Verbildlichung von Arbeitswelten oder Statistiken darüber. Doch warum The Liminal Magazine? Ein Titel, der so vielschichtig ist wie das Thema selbst. Einigen Lesern wird aus verschiedenen Sprachen oder der Mathematik vielleicht der Wortsinn der Grenze einfallen. Tatsächlich ist die Frage nach der Grenze, bzw. der Begrenzbarkeit der Lebensund Arbeitswelten zentral. Doch das Verhältnis zwischen der Lebens- und Arbeitswelt erinnert auch an einen Zustand, den man liminal nennen könnte. Nach Arnold van Gennep und Victor Turner bedeutet dies ein Zustand zwischen zwei Strukturen – ein Übergang, in dem vieles möglich ist und Strukturen aufgelöst werden. Ein Zustand, in dem ein Anzugträger mit seinem Büro im Wald – in erster Linie ein Erholungsort unserer Lebenswelt – landen kann. Der Ethnologe Victor Turner beschreibt das Leben als „durch Etappen unterteilt“. Die Grenzsituationen dazwischen sind nicht routiniert zu durchlaufen, weshalb Gesellschaften für die Überwindung Rituale entwickeln. In ihnen ist das anti-strukturelle Dazwischen in gewisser Weise geregelt. Obgleich es in einer modernen Gesellschaft wie unserer keine eindeutigen Rituale für diese Situationen gibt, befinden wir uns oft in solchen. Sie entstehen durch die Trennung von Arbeit und Freizeit, sind nicht mehr kollektiv, sondern individuell und gleichzeitig weniger fassbar. Während manche Grenzsituationen – wie zwischen Kindheit und Jugend, Jugend und Erwachsenenalter, Leben und Tod – als problematisch thematisiert werden, müssen wir im Alltag eigene Wege finden, mit kleineren Liminalitäten wie der zwischen Lebens- und Arbeitswelt umzugehen. Eines ist sicher: In dieser Liminalität versteht sich vieles eben nicht mehr von selbst. Umso spannender war es für uns, sich diesem Thema zu widmen und Menschen zu begegnen, die ihre eigene Weise gefunden haben damit umzugehen. Wir wünschen viel Freude, Inspiration und Antworten auf (neu aufkommende) Fragen beim Lesen und Betrachten!

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My Mind/Made My Bed - 1966 Obdachlosenzeitung €urozentrismus 1971 Janis Joplin < Pearl - 2679264 - Demokrit: „Ein Leben 1972 > Randy Newman < Sail Away ohne Feste ist wie eine Reise ohne 1973 & The Wailers < Catch A Fire Gasthaus.“ - 2594592 1974 - xingen tones < It’s Only Rock’N’Roll - Alimentation 1975 ti Smith < groß herauskommen Horses 1977 - Aufstocker >> Elvis Costello < -MyStresstest Aim Is True 1978 Kraftwerk < Die Mensch-Maschine Dienstherr - Sozialabbau - Anstellung 1979 ash < London Calling - Offshoring - wettbewerben 1983 The Police < Synchronicity -Theodor W. Adorno: „Es gibt kein 1984 Bruce Springsteen < Born In The U.S.A. richtiges Leben im 1985 falschen.“ Tom Waits < Rain Dogs Hartz IV - Herbst 1990 des Lebens ’s < The La’s - Ressort - Beschäftigung rnational) Noise Conspiracy Schinderei < A New Morning, Changing Weather 2001 2003 is up) >> Radiohead- produzieren < Hail To The- Thief Geld regiert die Welt. 2004 > Mark Knopfler - Arbeiterklasse < Shangri-La - Erwerbstätigkeit 2005 >> Editors < The Back Room 29 - sozialverträgliches Frühableben 2006 >> Bob Dylan < Modern Times - Existenz - 24192002007- Generation Neil Young < Fork In The Road Praktikum Schwarzgeldaffäre 1972 Simon < Paul Simon Ausbildungsplatzabgabe - auf der simfy.de/profiles/skttrbrain/playlists/12714064 Straße - Auskommen - 604800 Metier - Ellenbogengesellschaft Gehkaffee - Leben und leben lassen. Rentnerschwemme - Sprüche Salomos, 13.7: „Mancher ist arm bei großem Gut.“

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Inhalt 72

Bühnenkünstler: „Ich war es leid ...“

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Rubrik 04: „fließend“

Kleider machen Leute

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Weinbau auf uraltem Meeresboden

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No brown after six

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Stream of Semi-Consciousness

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Rubrik 02: „prägend“

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Leben – Arbeit – Tod

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Wer bin ich eigentlich ...

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Mythen des Arbeitsalltags

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Obdachlose

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Die Goldene Regel

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Japanerin

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„Du musst jederzeit bereit sein, alles stehen und liegen zu lassen“

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Selbstdarsteller

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Mein Beruf bedeutet für mich ...

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Gestern und Heute

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Money Money Money, Always Sunny

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Rubrik 03: „artig“

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Bilderrätsel

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Was macht die Kunst?

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Impressum

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Der Traum der Schauspieler ...

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Editorial

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Rubrik 01: „anziehend“

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Arbeit im Wandel der Zeit

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Diverse Statistiken auf 8/32/78/88/108

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anziehend

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Arbeitslosenquoten Januar 2012:


% Deutschland gesamt/West/Ost (Vergleich 2011: 7,9 % / 6,7 % / 12,7 %) - Bundesagentur f端r Arbeit

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Arbeit im Wandel der Zeit

Die Bedeutung von Arbeit hat sich in der Geschichte der Menschheit drastisch verändert und dabei unsere Lebenswelt und unsere Identität entscheidend geprägt.

Reisen wir einmal zurück in die Steinzeit, in der man vom Menschen als Jäger und Sammler spricht. Entgegen der früheren Vorstellung vom alltäglichen Kampf um das nackte Überleben geht man heute davon aus, dass unsere Vorfahren weitaus weniger Zeit mit dem Sammeln von Beeren oder dem Erlegen von wilden Tieren verbrachten als angenommen.

Lebenswelt = Arbeitswelt Im Gegenteil, ökonomisch gesehen hatten die meisten Menschen einen recht kurzen Arbeitstag und viel Freizeit. Es gab Nahrung und Unterkunft in der Umwelt und so vermutet man, dass es damals auch keinen Begriff für Arbeit gab, da diese Tätigkeiten schlichtweg zum „Dasein“ gehörten. In der ursprünglichen Zeit der Menschheit gab es keine Trennung

zwischen Arbeit und Leben, weil Arbeit nur ein (unerlässlicher) Bestandteil des sozialen Zusammenlebens war. Im antiken Griechenland bedeutete das Wort „pónos“ soviel wie „Mühe“ und stand den Wörtern „ergón/opus“, dem „Werk“, gegenüber. Auf den Begriff der Arbeitswelt übertragen ergibt sich daraus zum einen die künstlerisch und „denkende“ Welt des „Werkens“ und zum anderen


Arbeitswelt = Leidenswelt Freiheit war beispielsweise für Aristoteles unausweichlich mit der Unterdrückung anderer verbunden. Arbeit und Freiheit standen sich in der europäischen Antike größtenteils gegenüber. Dann erfuhr Arbeit im Christentum und im Mittelalter einen Wandel hinsichtlich ihrer Bedeutung. Zum einen entstand eine Aufwertung der körperlichen Berufe durch die Bibel. So wird bis heute vermutet, dass Jesus und seine Jünger Handwerker waren. Auch durch die einfachen Tätigkeiten der Mönche und später vor allem durch das Bürgertum vollzog sich ein positiver Begriffswandel. Das Ansehen der Arbeit innerhalb der Gesellschaft stieg andererseits auch durch das kapitalistische System, welches die arbeitende Bevölkerung überwiegend vor Armut schützte. Während der Arbeit in der Antike noch Freiheit gegenüberstand war es nun die Armut.

die Welt der harten, körperlichen Arbeit. Diese Unterscheidung war im klassischen Athen innerhalb der Gesellschaft deutlich spürbar. So war ein Mensch nur dann wirklich frei, besaß ein Mindestmaß an Ansehen und konnte sein Potenzial ausschöpfen, wenn er nicht mühselig arbeiten musste.

Die einschneidendste Veränderung in der westlichen Wahrnehmung von Arbeit entstand dann im 19. Jahrhundert durch die industrielle Revolution. Eine Gesellschaft, sich überwiegend durch die Agrarwirtschaft ernährend und finanzierend, wo der Großteil der Menschen auf dem Land in Hausgemeinschaften als Familie mit Mägden und Knechten lebte, zog nun mehr und mehr in Richtung Stadt. Dort wo industrielle Hallen aus dem Boden sprossen gab es neue Arbeit und die Hoffnung auf Wohlstand. Einerseits änderten sich nun die Wohnverhältnisse. Aus den großen Gemeinschaften mit drei Familiengenerationen und Arbeitern die selbständig ihr eigenes Land bestellten, wurden kleine Wohnungen in

Nähe der neuen Beschäftigung. Vor allem in der frühindustriellen Phase lebten sehr viele Menschen auf kleinstem Raum. So lebten im Jahre 1840 in einem durchschnittlichen Haus in Berlin 250 (!) Familien. Die Gesellschaft erlebte einen deutlichen Wandel von der Groß- zur Kleinfamilie so wie wir sie heute kennen. Die neue Wohnsituation erzeugte für viele erstmalig eine Trennung zwischen Arbeits- und Wohnstätte. Man ging nun arbeiten.

Lebenswelt ≠ Arbeitswelt Andererseits änderte sich die Bezahlung für die erbrachte Leistung von Unterkunft, Nahrung und geringen Geldwerten zu einem rein monetären Lohnsystem. Immer weniger Menschen hatten in dieser Entwicklung eigenes Land und Besitztümer und sahen sich daher gezwungen regelmäßig ihre Arbeitskraft gegen Lohn/Gehalt anzubieten. Zwar blieben Bauern weiter selbstständig, ebenso wie mancher Handwerker und Händler, aber die Mehrheit der Bevölkerung wurde unselbständig. Somit entstand ein Zwang Geld zu verdienen und arbeiten zu gehen. Arbeit war zuvor immer nur ein Teil des sozialen Gefüges gewesen und emanzipierte sich nun zur reinen Erwerbsarbeit. Eine strikte Trennung entwickelte sich und stellte die Welten gegenüber. Wie sehr der Begriff Arbeit heute unser Leben prägt zeigt sich in der Sprache. So wird das Kind in der Schule vom Herrn Lehrer bereits gefragt was es denn mal werden will. Auch in der Freizeit antwortet man auf die Frage was man ist, mit Bäcker, Gärtner oder Pilot. Der Mensch identifiziert sich heute mehr denn je über seine Arbeit. Die beschriebene Trennung zwischen Arbeitswelt und Lebenswelt ist nach wie vor allgegenwärtig und die Mehrheit der Menschen fährt jeden Tag zur oder gar auf die Arbeit.

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Während der industriellen Revolution entstand eine starke Trennung zwischen Arbeit und Leben. Viele Menschen waren gezwungen auf engstem Raum zu wohnen.

Wie unterschiedlich die Wahrnehmung im einzelnen aber sein kann, beschreibt eine Feldforschung aus dem Ungarn der 50er Jahre. In einem kleinen Dorf in der Nähe von Budapest war die landwirtschaftliche Arbeit der Mittelpunkt des Alltags. Aber dies wurde nicht groß thematisiert. Für die Bewohner war es einfach ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens. In Mitteleuropa, lange nach den ersten Phasen der industriellen Revolution gab es noch immer ganz ursprüngliche Denkformen ohne eine Trennung von Arbeit und Freizeit. Ein weiteres Beispiel für die Vielfalt der Thematik findet sich im südlichen Afrika.

Der britische Ethnologe Maurice Bloch fand während einer Feldforschung in Madagaskar heraus, dass ein dort ansässiges Volk kein Wort für Arbeit besaß. Der Tagesablauf der Madagassen war geprägt von Aufgaben die wir als Arbeit titulieren würden, doch in ihrem Sinne gehörte alles zum alltäglichen Leben. Aufstehen, Wasser kochen, sich um die Tiere kümmern, Werkzeuge reparieren und die Felder bestellen wurde verübt ohne dies mit Begrifflichkeiten zu trennen. Die Gegenwart in Westeuropa, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Länder sieht mehrheitlich anders aus.

Und doch kann man eine Zunahme von Verflechtungen zwischen Arbeits- und Lebenswelten erkennen. So entsteht zwischen den Welten eine Art „Grauzone“, wie es Jürgen Kocka, Professor für Sozialgeschichte in Berlin, beschreibt. Laut Kocka verliert der Arbeitsplatz seine natürliche Abgrenzung und löst sich bisweilen gar auf. In diese Grauzone fallen moderne Arbeitszeitmodelle, welche Gleitzeiten anbieten, Heimarbeit unterstützen und Flexibilität von Arbeitnehmern fordern und fördern. Auch tragen Kindertagesstätten oder unternehmenseigene Krippen zu dieser Entwicklung bei.


In einigen Teilen unserer Erde wird nur geringfügig zwischen Arbeits und Lebenswelten unterschieden. Im Bild eine Frau in Madagaskar

Arbeitswelt ≈ Lebenswelt Im Jahre 2010 nutzten etwa 26,2 Millionen amerikanische Arbeitnehmer die Möglichkeit vom „Home – Office“. Das sind 20 Prozent der erwachsenen Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Teilzeitverträge und unbefristeten Arbeitsverhältnisse wächst kontinuierlich innerhalb von Deutschland und Europa. Vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2010 stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten laut einer Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaft in Berlin (DIW) um 7 auf 26 Prozent. Das sind über 10 Millionen Menschen. In den Niederlanden arbeiten mittlerweile fast 40 Prozent in

einer Teilzeitbeschäftigung. Zum Vergleich: Im Jahre 1979 waren es etwa 12 Prozent. Professor Kocka schreibt u.a. über Chancen dieser Entwicklung und sieht „[...] eine Verknüpfung zwischen Erwerbsarbeit und anderen Tätigkeiten, Arbeit und Freizeit, Beruf und Familie […]“. Auch wenn die Zukunft ungewiss ist - in einem Großteil der westlichen Welt führt der Trend zu einer Flexibilität des Arbeitnehmers, einer gewissen Grundarbeitszeit und den Verbleib der Erwerbsarbeit, die eine starke Identifikation des Menschen durch seine Arbeit mit sich bringt. Beruf und

Freizeit nähern sich an und die strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verschwindet langsam. Die Welten wandeln sich weiter.

stefanthormann@uni-koblenz.de

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„Kleider machen

Leute“:

Die Berufs(ver-)kleidung des Einzelnen Was Arbeitskleidung beim Träger bewirkt. Welcher Mensch steckt hinter der Uniform? von Luisa Riemer

S

chon immer drückte Kleidung aus, wer zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe gehörte und wer nicht. Bis zum 18. Jahrhundert waren es die Landsherren oder Stadträte, die die Kleiderordnung der jeweiligen Stände festlegten. Heute übernimmt dies der Arbeitgeber. Der Dresscode ist je nach Job unausgesprochene Konvention oder strenge Pflicht. Aber warum tragen wir überhaupt Arbeitskleidung? Warum verkleiden wir uns, um arbeiten zu gehen? Bei Klischeeberufen wie zum Beispiel dem Koch, Polizisten oder Arzt ist unsere Vorstellung sehr eng mit der Kleidung dieser Menschen verknüpft: Den Koch stellen wir uns in weißer Jacke mit goldenen Knöpfen und Kochmütze vor, der Polizist trägt eine adrette blaue Uniform und eine Schildmütze auf dem Kopf und der Arzt präsentiert sich in einem weißen langen Kittel mit Stethoskop um den Hals. Dass wir alle ein ähnliches Bild vor Augen haben, hängt mit der Uniformierung der Kleidung zusammen; sie ist ein universelles Erkennungsmerkmal geworden: Zum Kellner gehört die Schürze, genauso wie der weiße Kittel zum Arzt und die schwarze Cordschlaghose zum Zimmermann. Der Träger wiederum wird durch sein bloßes optisches Erscheinungsbild betitelt, welches uns die Zuordnung zu seiner spezifischen Arbeit ermöglicht. Der Mensch selbst tritt hinter dieser Verkleidung zurück und wird nunmehr

durch seinen Beruf wahrgenommen und bezeichnet; durch sie wird er Arzt, Polizist, Zimmermann oder auch Kellner. Die Gleichförmigkeit der Arbeitskleidung ist nicht nur Erkennungsmerkmal für die Öffentlichkeit, sondern bekundet auch die Zugehörigkeit des Trägers in die Gemeinschaft seines Berufes. Durch sie kann sich der Einzelne mit seiner Berufsgruppe identifizieren und zeigen, was er ist und wo er dazugehört. Arbeitskleidung verleiht dem Menschen somit eine konkrete Bezeichnung und ordnet ihn in eine bestimmte Gruppe ein. Dem Betrachter kann sie verschiedene Signale vermitteln; die Kleidung kann seriös, respekteinflößend, auffallend, zweckgemäß, einfach, eindrucksvoll oder auch wiedererkennend wirken. Der Grund solche Kleidung zu tragen, ist ursprünglich zweckgebunden: Bei medizinischem Personal oder Berufen, die mit Lebensmitteln zu tun haben, steht die Hygiene sowie der Schutz vor Verschmutzung der privaten Kleidung im Vordergrund. Bei öffentlichen Berufen dient die einheitliche Uniform überwiegend der Kenntlichmachung; der Polizist soll beispielsweise sofort erkannt und respektiert werden. Bei Handwerksberufen dient die Kleidung als Schutz. So müssen Bauarbeiter vorschriftsmäßig einen Helm und schmutzabweisende, der Witterung angepasste Kleidung tragen. Doch Funktionalität ist nur ein

Teilaspekt; Stil und Ästhetik spielen bei der heutigen Arbeitskleidung eine zunehmende Rolle. Sie soll nicht mehr nur zweckgemäß sein, sondern auch repräsentativ aussehen, schließlich verkörpert die Kleidung das jeweilige Berufsbild in der Öffentlichkeit. Mode und Stil sind demnach bedeutend, um das Ansehen und die Seriosität des Berufsbildes zu wahren. Die Arbeitskleidung verändert aber nicht nur die äußere Erscheinung des Menschen, sondern wirkt sich auch auf sein Rollenverständnis aus. Im Gegensatz zur Privatkleidung hat man in Arbeitskleidung strengere Richtlinien und Vorschriften einzuhalten. In dieser besonderen Kleidung übernimmt man eine andere Funktion; durch das Anlegen der Arbeitskleider schlüpft man für den Betrachter in die Berufsrolle des Bäckers, Kochs, Polizisten etc. und wird auf diese Weise von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Nach Erving Goffman zumindest sind wir alle Darsteller, welche im Rahmen einer bestimmten Rollenvorgabe agieren (Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, 1959). Stimmt das? Fühlt sich der Träger von Arbeitskleidung wirklich in einer anderen Rolle? Warum trägt man überhaupt Arbeitskleidung und welcher Mensch steckt hinter dieser Pflichtbekleidung? Fünf Personen mit unterschiedlichen Berufen erzählen uns im Folgenden, was es für sie bedeutet Arbeitskleidung zu tragen.

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Die Apothekerin

Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Arbeitskleidung. Die Schuhe sollten bequem und eine gute Sohle haben, schließlich muss man darin den ganzen Tag stehen und laufen. Gut ist es natürlich, wenn diese weiß sind, aber es ist nicht unbedingt zwingend. Als Hose sollten wir streng genommen eine weiße tragen, aber da der Kittel sehr lang ist und wir meist sowieso hinter der Theke stehen, ist auch mal eine Jeans in Ordnung. Der weiße Kittel mit Namensschild ist dann natürlich das Wichtigste bei unserer Arbeitskleidung. Darunter tragen wir je nach Belieben T-Shirt oder Pulli. Tragen Sie Ihre Arbeitskleidung gerne? Wenn es im Sommer sehr warm ist, schwitzt man oft zusätzlich mit dem Kittel. Dann würde man ihn lieber ausziehen. Ansonsten trage ich ihn gerne. Ich arbeite mittlerweile nun schon so lange hier und trage meinen Kittel jeden Tag, sodass er schon einfach dazugehört. Es ist so selbstverständlich, dass ich ihn trage, dass es wohl ein komisches Gefühl wäre, ihn nicht jeden Morgen anzuziehen. Warum tragen Sie Arbeitskleidung? Welche Funktion hat sie? Meine Arbeitskleidung wird mit meinem Beruf in Verbindung gebracht. Wenn ich meinen Kittel anhabe, werde ich sogleich von den Leuten als Apothekerin erkannt.


« Es ist so selbstverständlich meinen Kittel zu tragen, dass es ein komisches Gefühl wäre ihn eines Morgens nicht anzuziehen » Fühlen Sie sich in Arbeitskleidung anders als in Freizeitkleidung? Nein, eigentlich fühle ich mich nicht wirklich anders. Ich weiß natürlich, dass ich nun in meiner Arbeit bin und mich auch entsprechend zu verhalten habe. Ich kann den Kunden nun mein Fachwissen vermitteln und sie beraten. Aber das tue ich ja schließlich jeden Tag, deswegen fühlt es sich für mich ganz selbstverständlich an. Werden Sie von anderen Menschen je nach Kleidung unterschiedlich wahrgenommen? Mit meinem Kittel bin ich viel auffälliger. Ich repräsentiere für die Leute nun etwas Anderes, nämlich die Apothekerin, bei der sie wissen, dass sie hier zuständig ist und das nötige Fachwissen besitzt. Ich werde also schon auf eine andere Weise wahrgenommen, weil die Kunden wissen, dass ich bestimmte Dinge von meinem Beruf her weiß oder wissen sollte. Wenn ich meine Freizeitkleidung trage, würde ja niemand auf die Idee kommen mich zu fragen, welches Medikament sie bei Magenkrämpfen einnehmen sollten.

Nicole Hürter, 43 16

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Der Straßenreiniger

Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Arbeitskleidung. Wir tragen schwarze Sicherheitsschuhe, eine orange Latz- oder normale Hose mit reflektierenden Warnstreifen darauf und eine Weste oder Jacke in der gleichen Farbe und Beschaffenheit. Je nach Witterung gibt es für den Sommer auch T-Shirts und kurze Hosen, allesamt einheitlich und mit den vorgeschriebenen Warnstreifen versehen. Das grelle Orange ist eine Warnfarbe und soll uns sichtbar machen, wenn wir an gefährlichen Stellen im Straßenverkehr arbeiten. Tragen Sie Ihre Arbeitskleidung gerne? Na ja, das Tragegefühl ist nicht so komfortabel. Die Sicherheitsschuhe sind sehr schwer und die sonstige Kleidung ist auch nicht so bequem; man fühlt sich eher etwas eingeengt. Trotzdem ist es für mich schon ganz normal sie zu tragen, sie gehört einfach zu unserer Arbeit dazu. Außerdem ist es vorgeschrieben die Sicherheitskleidung anzuziehen, ohne sie dürften wir nicht arbeiten. Warum tragen Sie Arbeitskleidung? Welche Funktion hat sie? Ich trage die Kleidung, weil es Pflicht und vom Arbeitgeber eben so vorgeschrieben ist. Sie dient unserer Sicherheit und ist für Jedermann Erkennungsmerkmal, wenn wir auf der Straße arbeiten.


« Wenn ich Feierabend habe, gehe ich sogar

in meiner Arbeitskleidung einkaufen

Fühlen Sie sich in Arbeitskleidung anders als in Freizeitkleidung? Für mich macht es keinen großen Unterschied, ob ich Arbeitskleidung trage oder meine Freizeitkleidung. Klar, die Arbeitskleidung ist vielleicht nicht so bequem, aber ich fühle mich nicht als jemand anderes, wenn ich sie anhabe. Ich gehe sogar mit ihr einkaufen, wenn ich Feierabend habe. Die Kleidung gehört für mich zu meinem Alltag einfach dazu und ist gar nicht mehr wegzudenken. Deswegen gehört sie auch irgendwie zu mir selbst. Werden Sie von anderen Menschen je nach Kleidung unterschiedlich wahrgenommen? Ja, auf jeden Fall. Da unsere Kleidung sehr auffällig ist, erkennen uns die Leute auf der Straße und wissen, dass wir befugt sind, etwas abzusperren oder Autos umzuleiten. In Zivilkleidung würde ich das natürlich nicht dürfen. Wenn ich in Arbeitskleidung allerdings einkaufen gehe, werde ich schon manchmal komisch angeschaut; da wird meine Kleidung eher negativ angesehen und nicht so hoch von den Leuten geschätzt. Mir macht das aber nichts aus. Ich stehe zu dem, was ich tue.

Mario Kilbinger, 48 18

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Der Zimmermann Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Arbeitskleidung. Ich trage Schuhe der Sicherheitsklasse S4. Das bedeutet, dass sie relativ hohe Sicherheitsstandards erfüllen: Vorne am Schuh befindet sich eine Stahlkappe und es gibt eine hitzebeständige und rutschfeste Sohle, um auf dem Dach Halt zu finden. Dazwischen ist eine Stahlsohle eingearbeitet und eine Gummischicht; damit hat man einen optimalen Schutz. Die Hose hat den traditionellen Schnitt der Zimmermannstracht: Sie hat unten einen weiten Schlag und ist aus schwarzem Cord oder deutschem Leder. Die Zimmermannsweste ist auch aus schwarzem Cord mit weißen Knöpfen, normalerweise sind es genau acht. Die Jacke sieht genauso aus, nur hat sie sechs Knöpfe. Die Anzahl hat dabei eine tragende Bedeutung: sie steht für einen geregelten Arbeitsalltag der Zimmermänner. Acht Knöpfe symbolisieren acht Stunden Arbeit am Tag, die sechs Knöpfe auf der Jacke bedeuten sechs Tage Arbeit in der Woche. Unter der Weste trägt man traditionellerweise ein weißes Hemd. Jedoch ist dies heutzutage nicht mehr so üblich, wegen der vielen Flecken. Der schwarze Hut bietet Schutz vor Regen und Sonne, wenn man auf dem Dach steht. Er hat einen breiten Rand, damit der Nacken geschützt ist.. Tragen Sie Ihre Arbeitskleidung gerne? Zunächst muss man einmal sagen, dass die Zimmermannstracht ja wohl eine der schönsten Arbeitskleidungen ist. Mit der Schlaghose hebt man sich auf jeden Fall sehr von anderen ab. Sie hat eine lange Tradition und ist deshalb etwas Besonderes. Für mich ist es eine Ehre diese Kleidung tragen zu dürfen und es macht mich stolz damit zu zeigen, dass ich dazugehöre.


« Die Zimmermannstracht ist eindeutig

die schönste Arbeitskleidung

Wir Zimmermänner sind generell sehr stolz auf unseren Beruf, da zeigt man durch die Kleidung gerne, was man ist. Warum tragen Sie Arbeitskleidung? Welche Funktion hat sie? Meine Arbeitskleidung ist natürlich super funktional: Sie bietet mir optimalen Schutz und Sicherheit. Sie ermöglicht mir meine Arbeit sorgloser ausführen zu können. Und außerdem ist da wie gesagt noch die Tradition; die Kleidung repräsentiert die alte Handwerkskunst der Zimmermänner. Fühlen Sie sich in Arbeitskleidung anders als in Freizeitkleidung? Wenn man arbeiten geht, zeigt man natürlich einen ganz anderen Ansporn und Ehrgeiz, als man es in der Freizeit tut. Da interessieren mich dann andere Dinge wie Entspannung und Erholung. In der Arbeit übernehme ich andere Aufgaben und es gibt eine gewisse geschäftliche Anbindung, an die man sich halten muss. Ich bin aber dennoch ich selbst und verstelle mich nicht, wenn ich die Arbeitskleidung trage. Werden Sie von anderen Menschen je nach Kleidung unterschiedlich wahrgenommen? Ja, da gibt es schon große Unterschiede. Die einen respektieren dich und würdigen deinen Beruf, weil sie wissen, was wir alles leisten und können – ohne uns gäbe es ja schließlich keine Häuser. Dann gibt es aber auch immer andere Leute, die dich eher von oben herab betrachten und denken, der hätte ja sonst nichts im Kopf. Das Klischee des ungebildeten Handwerkers herrscht leider noch bei vielen Menschen vor.

Johannes Riemer, 26 20

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Der Koch Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Arbeitskleidung. Ich trage rutschfeste Sicherheitsschuhe mit einer Stahlsohle und Stahlkappe als Schutz vor herunterfallenden Messern oder Töpfen. Die Kochhose ist in unserem Restaurant schwarz mit weißen Punkten; sie gibt es aber in jeglichen Farben und Materialien. Die Kochjacke ist langärmelig und hat zwei Reihen Knöpfe in der Mitte. Die klassische Farbe ist natürlich weiß, dies ist heute aber nicht mehr so festgelegt. Früher hatte die Farbe mit der Rangfolge in der Küche zu tun; da trugen zum Beispiel die Azubis nur weiße Jacken und der Küchenchef eine schwarze. Heute entscheidet man je nach dem nach freiem Belieben oder hält sich an die Vorgabe seiner Arbeitsstelle. Generell ist Kochkleidung aus schwerem Material, um sie sicherer zu machen und uns vor Feuer und heißem Fett zu schützen. Die Kochmütze soll normalerweise aus hygienischen Gründen getragen werden, damit keine Haare und Schweiß ins Essen gelangen. Sie wird aber meistens weggelassen, weil sie bei der Arbeit in der heißen Küche eher störend ist und man dadurch noch mehr schwitzt. Die Schürze dient als zusätzlicher Schutz für die Beine und hat einen praktischen Nutzen, um sich zwischendurch die Hände abzuputzen. Tragen Sie Ihre Arbeitskleidung gerne? Nun ja, so gern trage ich sie nicht, aber die Kleidung ist vom Arbeitgeber vorgegeben und ich bin verpflichtet sie zu tragen. Es bedeutet für mich, dass ich nun in meiner Rolle als Koch bin und arbeiten muss. Nach Feierabend ist man dann auch froh, die Kleidung wieder auszuziehen und die Arbeit hinter sich lassen zu können.


« In Kochkleidung bekomme ich sofort

mehr Respekt entgegengebracht

Warum tragen Sie Arbeitskleidung? Welche Funktion hat sie? Meine Kleidung ist von unserem Geschäft vorgeschrieben und deshalb trage ich sie. Vorwiegend ist sie natürlich als Schutz gedacht und hat eine hygienische Funktion im Umgang mit Lebensmitteln. Das Besondere ist das nicht brennbare Material, das uns in der Küche schützt. Fühlen Sie sich in Arbeitskleidunganders als in Freizeitkleidung? Wenn ich meine Arbeitskleidung trage, ist das auch immer mit Arbeit verbunden. Ich verhalte mich anders, wenn ich weiß, dass ich jetzt als Koch hier stehe. Ich befolge dann andere Regeln und übernehme eine ganz andere Verantwortung, die mir mein Beruf vorgibt. Im Grunde ist die Kleidung wie ein Kostüm, das man anzieht und bei der man sich dann so verhält, wie es erwartet wird. In Freizeitkleidung ist das anders. Da habe ich meine eigenen Sachen an, ich kann mich selbst mehr entfalten und muss mich nicht an vorgegebene Konventionen halten. Werden Sie von anderen Menschen je nach Kleidung unterschiedlich wahrgenommen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in Kochkleidung sofort mit mehr Respekt behandelt wird. Der Beruf Koch ist bei den Leuten gut angesehen und das merkt man wenn man mit den Gästen spricht. Privat ziehe ich mich eher leger an, da erkennt man nicht schon am Äußeren, dass ich Koch bin. Ich werde dann natürlich auch anders beurteilt, nicht unbedingt nach meiner Kleidung, sondern mehr nach meiner Persönlichkeit.

Marcel Raubuch, 22 22

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Der Kellner Beschreiben Sie bitte einmal Ihre Arbeitskleidung. Ich trage schwarze bequeme Schuhe, die möglichst rutschfest sein sollten, damit man in der Küche an nassen Stellen nicht ausrutscht, eine schwarze angenehm zu tragende Hose und darüber eine orange saubere Schürze. Als Kellner trage ich außerdem immer einen Gürtel mit einer schwarzen Tasche, in der mein Geldbeutel ist. Obenrum haben wir ein schwarzes Baumwoll-Polo-TShirt an, das möglichst gebügelt sein sollte. Wir sind selber dafür verantwortlich, dass wir immer saubere und ordentlich gebügelte Kleidung tragen, ansonsten werden wir auch mal vom Chef darauf hingewiesen. Auf dem T-Shirt tragen wir auch eine zur Schürze farblich passende Krawatte. Orange ist die Farbe unseres Cafés; man findet sie hier immer wieder vertreten, so auch an uns Kellnern, damit die Kunden wissen, dass wir dazugehören. Wichtig ist außerdem das Namensschild, damit wir für die Kunden persönlicher wirken und sie uns mit Namen ansprechen können. Tragen Sie Ihre Arbeitskleidung gerne? Ich mag meinen Job und fühle mich gut in meiner Arbeitskleidung. Ich gebe den Gästen sozusagen ein Zeichen damit, dass ich hier arbeite und hier bediene. Sie ist ein Erkennungsmerkmal; der Gast kann sofort unterscheiden wer nicht. Warum tragen Sie Arbeitskleidung? Welche Funktion hat sie? Unser gesamtes Servicepersonal trägt dieselbe Arbeitskleidung, welche natürlich vorgeschrieben ist.


« Als Kellner ist die Schürze

das Erkennungsmerkmal

»

Dadurch können wir aber auch zeigen, dass wir ein Team sind und alle zusammengehören. Die Kleidung soll den Leuten einen seriösen und ordentlichen Eindruck von unserem Café vermitteln. Als Kellner ist es generell einfach unerlässlich eine Schürze zu tragen, weil sie einfach zum Bild dieses Berufes dazugehört. Die Gäste erkennen den Kellner immer anhand seiner Schürze. Fühlen Sie sich in Arbeitskleidunganders als in Freizeitkleidung? Ja auf jeden Fall. Wenn ich die Arbeitskleidung trage, bin ich anders eingestellt. Ich verhalte mich den Leuten gegenüber anders. Als Kellner muss ich immer freundlich sein und lächeln, den Leuten auch mal zuhören und ein wenig Smalltalk betreiben. Das gehört zum Geschäft dazu. Zuhause in meiner Freizeit muss ich Gott sei Dank nicht ständig lächeln und fragen, ob alles recht ist. Werden Sie von anderen Menschen je nach Kleidung unterschiedlich wahrgenommen? Natürlich wissen die Leute, dass ich sie bediene, wenn ich meine Arbeitskleidung trage. Ich habe eine andere Funktion und die Leute sehen mich dann nur als ihr Kellner. Es gibt Gäste, die nutzen das ein bisschen aus und behandeln mich als ihr Untergebener, der alles für sie tun muss. Das ist dann nicht so schön. Die meisten Leute sind aber sehr freundlich und unter Stammkunden kennt man sich; man plaudert ein wenig über Familie und Gesundheit und dann ist es auch nicht anders, als wenn ich meine normale Freizeitkleidung anhabe.

Diya Shekho, 37 24

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„NO BROWN


AFTER SIX“

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Der Anzug. Ausweis für Kompetenz, Eleganz oder Elite. Ein Anzug ist die Abendrobe des Mannes. Er ersetzt Pencilskirt, Tulpenrock und Glockenrock -mit Hemd oder Smokingbluse-Abendkleid, Ballkleid und das „kleine Schwarze“. Okay, der Mann kann zwischen Frack und Smoking variieren, zwischen Button Down-Kragen, Kent- und New Kent-Kragen, Haifisch-, Tab- oder Kläppchen-Kragen. Aber entspricht diese Facette der Bandbreite an Damengarderobe? „Nein, Männer sind

wenn ich meinen Arm so mache.“ Der passgenaue Schnitt geht auf Kosten der Beweglichkeit. Bei der Arbeit bevorzugt Herr B. gedeckte Farben und Muster. Schließlich erwartet man von Anwälten eine gewisse Seriosität und diese trägt am liebsten dunkel auf. Die gute Erziehung braucht vielleicht nur ein weißes Hemd, berufliche Qualifikation Sakko und Schlips. Anzüge haben etwas Geschäftsmäßiges. Wie der Kittel des

ativ. Immerhin: nicht wie Thomas Gottschalk. Mit dem gehandelten Wert des Geldes, der Entscheidung, der Person sinkt der Farbreiz gegen null und das Preisniveau des Anzugs steigt. „Wenn ich die Gegenpartei einschüchtere, trage ich schwarz. Ich will ernst und böse aussehen. Mit mir ist nicht zu spaßen.“ Und außerdem kann sich nicht jeder 100 % Schurwolle, maßgeschneidert leisten. Dennoch ist die Wahl des Anzugs

„Wenn ich die Gegenpartei einschüchtere, trage ich schwarz. Ich will ernst und böse aussehen. Mit mir ist nicht zu spaßen.“ traditionell monoton gekleidet“, resigniert Andreas B. Er hat noch nie einen Anzug zwei Tage hintereinander getragen. Schon gar keine Krawatte. „Heute haben Männer mehr Auswahl“, berichtet er. „Vor ein paar Jahren sah das noch ganz anders aus.“ Der Anwalt aus Frankfurt am Main besitzt immerhin 15 Anzüge, von Mitternachtsblau über Leuchtendes mausgrau zu ziemlich schwarz. Das Innenfutter des Opernanzugs ist lila, mit orientalischen Mustern und das des Ausgehanzugs leuchtet in Orange. Wer das sieht? „Ich sehe das. Und

Apothekers oder der Blaumann des Handwerkes zeigt der Anzug eine Branchenzugehörigkeit. Er schützt seinen Träger zwar nicht vor Sägespänen, dafür vor Autoritätsverlust und zu viel Interpretation. Neutralität ist die Devise, soll der Politiker schließlich Volk und Land vertreten, Banker und Juristen ihre Kunden. Der Bankerdresscode setzt noch vielmehr als jeder andere akkurates Auftreten voraus. Nur Versicherungsvertreter tragen Flamingokrawatten. Wer im Business zu schrill aussieht, gilt schnell als „schwul“ oder kre-

nicht nur eine Geldfrage, sie zeugt auch von Stil. Zum Beispiel wenn der Lederschuh zum Gürtel passt. Die Manschettenknöpfe zur Uhr und das Einstecktuch zur Krawatte. Der Anzug mag für viele nur eine Norm sein: Sie macht Karl Heinz nicht zu James Bond, vielleicht schützt sie vor Mobbing. Aber es beruhigt, wenn man sein Geld nicht einem Mann im ACDC-Shirt in die Hand gibt oder gar die deutsche Wirtschaftspolitik, nicht wahr?


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pr채gend

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... der Geamtbevölkerung Deutschlands war es 2009 aus finanziellen Gründen nicht möglich,


9,3 %

jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen. Destatis/WZB

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Wer bin ich eigentlich und was mache ich hier? Die Suche nach dem Ich auf dem Arbeitsmarkt- oder eben woanders. von Maike Neumann

In einer Welt, die man zunehmend als pluralistische bezeichnen kann, in der es ein Vielerlei vom Vielen gibt, da müssen junge Menschen sich für einen Weg unter Tausenden entscheiden, einen Weg der sie bei der Entwicklung ihrer Identität maßgeblich beeinflussen wird.

Es ist die Frage nach dem Beruf, wohl eine der wichtigsten des Lebens, wo er einen doch meis­tens auf seinem ganzen Lebensweg begleiten wird. Die Wahl des Berufs wird immer häufiger dazu verwendet, sich selbst eine bestimmte Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen, sich selbst irgendwo in der sozialen Ordnung zu platzieren; hier spricht man auch vom „sozioökonomischen Status“ einer Person. Dadurch, dass bestimmte Berufe bei den Menschen auch bestimmte Assoziationen und Vorstellungsbilder wecken, haben sie die Funktion der Identitätsstiftung und der Selbstdarstellung inne. Durch den „passenden“ Beruf kann man seine Kompetenzen beweisen, so wie Status und Prestige festlegen. Daher werden Berufe nicht immer danach ausgewählt, was demjenigen liegt und Spaß macht, sondern nach dem „Ruf“ dieses Berufs in der Gesellschaft. Die Identität kommt sozial zustande, im Umgang mit anderen.

Spätestens bei der Berufswahl steht man vor Fragen wie: „Was erfüllt mein Leben mit Sinn? Erreiche ich das mit meiner Arbeit oder ist mir etwas anderes wichtiger?“, wie bei manchen zum Beispiel die Familie oder die Freizeitgestaltung. Die meisten Leute erhoffen sich bei der Wahl ihres Berufes, sofern sie denn eine Wahl haben, eine Möglichkeit sich selbst entfalten und weiterentwickeln zu können, indem sie Herausforderungen zu meistern lernen und erste, eigene Projekte alleine auf die Beine stellen. Bei ihnen findet die Identitätsbildung zu großen Teilen im Berufsleben statt. Sie sind dementsprechend auch öfter dazu bereit, für ihren Beruf Abstriche in anderen Bereichen ihres Lebens zu machen. Diese Menschen haben bereits ein klares Bild über sich selbst, sind sich bewusst über ihre Interessen, Fähigkeiten und Begabungen, Vorlieben, so wie häufig auch über die Stellung, die sie in der Gesellschaft anstreben. Sie haben

klare Wünsche, Erwartungen und Ideale bezogen auf die eigene Person und so nimmt in ihrer Lebensgestaltung die berufliche Orientierung eine wesentliche Rolle ein. Dieses Konzept zeigt sich deutlich bei der jungen Auszubildenden im Bereich Tourismus: schon immer hatte sie ein Interesse am Erlernen von Sprachen und dem touristischen Bereich, war sich auch über die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten bewusst, wählte ihren Beruf nicht des Gehalts willen, sondern aus Spaß an dieser Art von Arbeit. Menschen, denen die Ausübung des Berufs Freude bereitet, sind häufiger dazu bereit, sich in ihrer Freizeit mit dem Beruf auseinander zusetzen, sei es um der Karriere willen oder auch um sich persönlich weiterzubilden. Daneben gibt es aber auch noch Menschen, die bei ihrer Lebensgestaltung, und damit unbewusst auch bei ihrer Identitätsbildung, auf andere Dinge setzen. Man nehme beispielsweise einen Bankan-

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gestellten, der sich nicht übermäßig für Zahlen oder Strukturen in der Bank interessiert. Vielleicht setzt er bei seiner Berufswahl auf den hohen Lebensstandart, den er sich von dieser Arbeit erhofft. Auch er ist bereit, in der Freizeit Abstriche zu machen, jedoch aus gänzlich anderen Gründen, wie die oben erwähnte Auszubildende: häufig rechnet sich dieser Typ dabei einen Vorteil aus auf dem Weg zu den oberen Stufen der Karriereleiter. Abweichend von diesen Typen gibt es außerdem Menschen, die ihren Job eher in den Hinter­grund stellen, für die eine eigene Familie das wichtigere im Leben ist, oder auch die Freizeitgestaltung. Der „Familientyp“ sucht sich meistens „sichere“ Berufe mit festem und einigermaßen gutem Ein-

kommen, damit er sich und der Familie ein angenehmes Leben sichern kann. Und der Freizeittyp lebt nicht, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um zu leben. Nicht selten auch einfach „irgendwas“ oder eine Arbeit, an die er per Zufall gelangte, denn die „Art“ der Arbeit ist für ihn nicht wichtig, sondern andere Arten der Beschäftigung. Sein Beruf ist nicht wie bei den anderen Typen nach gezielten Kriterien ausgewählt. Leider ist es aber auch häufig so, dass viele junge Menschen nicht denjenigen Beruf ausüben können, der ihnen neben Geld auch Freude und Bereicherung bringen würde; sei es, weil der Arbeitsmarkt dementsprechend schlecht ist oder sie die notwendigen Anforderungen (zum Beispiel der Notendurchschnitt) nicht er-

füllen. Die Berufswahl ist eingeschränkt durch Faktoren wie Bildungsabschluss oder einfach deswegen, weil einige Berufe an bestimmten Orten nicht verfügbar sind. Auch sind viele Jugendliche schlicht orientierungslos und uninformiert im „Berufechaos“: bloße Berufsbezeichnungen dienen als Quelle des ersten Eindrucks, so werden schnell falsche Entscheidungen getroffen. Arbeiten muss man so oder so – glücklich sind diejenigen unter uns, die dies für sich nutzen können.


Tobias, 25, Heilerziehungspfleger

Anna- Maria Bahr, 22, Kauffrau für Tourismus und Freizeit

„Mit dem sozialen Berufsfeld bin ich bereits in meiner Kindheit in Berührung geraten, da meine Eltern beide als Sozialarbeiter tätig sind. Das Berufs­feld wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Darüber hinaus hat mich das soziale Tätigkeitsfeld dadurch überzeugt, dass es enorm vielseitig ist und einen hohen Anspruch erfordert. Arbeit dient meiner Meinung nach dem Bestehen einer Gesellschaft, dazu hat jeder Einzelne seinen Teil beizu­tragen. Ich unterstütze die Gemeinschaft mit der Tätigkeit, die ich gut kann. Gerade die Arbeit an und mit dem Menschen ist aus dieser Sicht ein wichtiges Thema. Meine Freizeit hat einen sehr hohen Stellenwert für mich, denn sie bietet mir den Raum, um mich persönlich zu entfalten. Aus diesem Grund arbeite ich statt der üblichen 39 Stunden auch nur 30 Stunden wöchentlich. Durch den Schichtdienst habe ich zwar längere Arbeitswochen als viele andere Berufstätige, dafür stehen mir aber auch mehr freie Tage an einem Stück zur Verfügung und ich kann meinen Monat individueller gestalten. In meiner Freizeit halte ich mich vor allem durch Sport fit und nutze Musik, um mich von dem teilweise sehr starken psychischen Stress zu erholen. Musik spielt eine zentrale Rolle in meinem Leben, sie ist meine große Leidenschaft. Um diese Liebe zur Musik mit anderen zu teilen, habe ich eine Gruppe gegründet, die sich zwei mal im Monat trifft, um miteinander zu musizieren. Dabei können auch Menschen mit Behinderung teilnehmen. Somit verbinde ich gewissermaßen Arbeit und Freizeit.“

„Ich mache eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit bei einer Marketingorganisation in der Eifel, die die gesamte Tourismusregion Eifel vermarktet. Viele Menschen verwechseln dies mit der Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau. Vor dem Studium wollte ich erst eine Ausbildung machen und den Bereich Sprachen und Tourismus fand ich immer schon sehr interessant.

Mittlerweile kann ich sagen, dass es definitiv genau das ist, was ich weiterhin machen möchte und werde nach der Ausbildung auf jeden Fall entweder noch ein FachhochschulStudium machen oder eine Tourismusfachschule besuchen. Es gibt so viele Bereiche, in denen man im Tourismus arbeiten kann, zum Beispiel in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Produkt- oder Projektmanagement, Social Media, web 2.0 und vieles mehr. Am liebsten würde ich nach der Weiterbildung im Bereich Marketing oder Produktmanagement arbeiten, aber mal sehen, wenn es so weit ist. Dass man während der Ausbil-

dung fast gar keine Überstunden machen muss bzw. darf, ist wohl normal. Ich nehme mir auch ab und zu freiwillig Sachen zum Lesen oder Bearbeiten mit nach Hause. Oder wenn ich mit auf Tourismusmessen fahre, wie beispielsweise nach Berlin auf die ITB oder nach Essen, bin ich auch das ganze Wochenende mit meinen Kollegen vor Ort. Das ist zwar manchmal etwas anstrengend, wenn man fünf Tage am Stück unterwegs ist, aber da es mir Freude bereitet, mache ich es gerne. Deswegen bin ich auch bereit aus beruflichen Gründen Abstriche in der Freizeit zu machen. Gerade der touristische Bereich setzt voraus, dass man auch ab und zu mal Überstunden machen muss: es stehen zum Beispiel Geschäftstermine, Messebesuche, Pressereisen und Katalog-/ Magazinerstellung an. Jetzt in der Ausbildung ist das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit ausgeglichen. Wenn ich fertig mit der Weiterbildung bin, wird das wohl etwas anders werden. Arbeit ist auf jeden Fall eine persönliche Erfüllung, zumindest dann wenn man den richtigen Job gefunden hat- und so ist das bei mir. Ich bin einfach nur glücklich und der Beruf macht mir wirklich viel Spaß. Arbeit ist schon sehr wichtig, aber momentan stehen Familie und Freunde im Mittelpunkt. Ich kann mir gar nicht vorstellen überhaupt nicht arbeiten zu gehen und jeden Morgen aufzustehen und in den Tag hineinzuleben. Mir würde da irgendwie etwas fehlen. Ich könnte mir allerdings vorstellen einmal ein oder zwei Jahre „auszusetzen“ und nicht zu arbeiten, sodass ich dann genügend Zeit hätte viel zu reisen und die Länder zu entdecken, die ich schon immer einmal bereisen wollte- und das sind einige…

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„ Einfach nur ein Mensch ohne Wohnung...“ „Die meisten Leute stellen sich Ob­ dachlose immer so dreckig, alkohol­ abhängig, drogenabhängig, spielsüchtig und so vor.“ Auf Andreas Läufer, der ursprünglich aus Berlin kommt, trifft dies nicht zu. Seit 27 Jahren lebt der heute 52-Jährige mitkurzen Unterbrechungen auf der der Straße. Für ihn ist ein Obdachloser „einfach nur ein Mensch ohne Wohnung.“ Schaut man ihn an, sieht man einen Mann, dessen Alter nur schwer abzuszchätzen ist. Seine Kleidung ist sauber und funktional – Cargohose und mehrere Schichten von Fleecepullovern. Am auffälligsten ist der graue zottelige Bart, der den Großteil seines Gesichts einnimmt. Dieses ist gebräunt und faltig geworden vom Leben auf der Straße. Seine Augen strahlen eine Fröhlichkeit und einen Witz aus, die man angesichts des grauen, kalten Wintertages nicht erwartet hätte. Sich selbst bezeichnet er am liebsten als „Reisenden“ oder eine Art „Clochard.“ Der Begriff Clochard kommt vom französischen „clocher“ zu Deutsch „hinken“. Meist wird er verwendet für eine positiv romantisierende Darstellung eines Obdachlosen. Für Andreas Läufer bedeutet Clochard Geschichtenerzähler zu sein. Und so erzählt er gerne aus seinem Leben, das nicht nur für einen Obdachlosen außergewöhnlich ist. Seine Reise begann er als 25-Jähriger in Berlin. Damals arbeitete

er als Gerüstbauer und hatte Probleme mit Drogen und Alkohol. Irgendwann konnte und wollte er so nicht weitermachen. „Da stehst du morgens auf nimmst die scheiß Drogen, gehst arbeiten und legst dich abends ins Bett und morgens geht das Spiel wieder von vorne los.“ Also kündigte er seine Wohnung, verkaufte alles bis auf wenige Sachen. Zunächst fuhr er mit dem Fahrrad und seinem

Ich wollte die Welt kennenlernen. Wollte fremde Menschen kennenlernen, andere Sitten und so ´nen Kram. Das hat mir immer schon SpaSS gemacht.

klapprigem Anhänger im Zug von Berlin nach Braunschweig. Seine Familie habe zunächst über seinen „Aufbruch“ gelacht und gesagt er komme spätestens in drei Jahren wieder. Nach den drei Jahren haben sie gemerkt das es sein Ernst ist so zu leben. Den Kontakt hält er trotzdem. „Nur weil man auf die Straße zieht, muss man ja nicht Familie und Freundschaften wegschmeißen.“ Ab und zu fährt er nach Berlin und besucht Familie und Freunde. Meist zieht es ihn weiter weg. Zum Beispiel nach Polen, Hol-

land, Schweden, Finnland, Italien, Spanien, Mallorca und Lanzarote. Bis nach Marokko ist er schon gereist. Immer unterwegs mit Fahrrad und Anhänger, manchmal mit der Fähre oder dem Zug. An einem Ort bleibt er nie länger als 6 Monate, dann zieht es ihn weiter. Dabei entscheidet er jeden Tag spontan, wo es lang geht – feste Routen sind nicht sein Stil. Alleine ist er mit diesem Leben nicht. So eine richtige Gemeinschaft unter Obdachlosen gibt es zwar nicht aber manchmal trifft man sich abends erzählt und grillt zusammen. Oder man sagt Bescheid, wo es Arbeit gibt. Wichtig ist ihm möglichst unabhängig zu bleiben. Betteln könne jeder, da bräuchte man nur eine Schale nehmen, sich ein bisschen dreckig machen und in eine Ecke zu setzten. Die „Kunst“ sei es durchs Land zu ziehen, ohne auf Betteln oder Geld der Arbeitsagentur angewiesen zu sein. Wenn man höflich fragt, bekommt man immer zu Essen. Zum Beispiel beim Supermarkt, Gemüsehändler oder Bäcker, die das überschüssige oder abgelaufene Essen wegwerfen würden. Oft kommen Menschen direkt auf ihn zu, dann lässt er sie Teilhaben an seinem Leben. Nicht selten kommen die Menschen wieder und bringen Essen oder Kleidung mit. Wenn möglich arbeitet er. Beim Bau von Häusern und Autobahnen hat er mitgearbeitet. Er ist Kran und Bagger gefahren oder hat Schiffe oder Container beladen und entladen. Viele Arbeitgeber seien skeptisch gewesene

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jemanden der auf der Straße lebt zu beschäftigen. Mit seinen Leistungen waren sie jedoch immer zufrieden. Oft so sehr das man ihn gerne weiter beschäftigt hätte, wenn er weiterziehen wollte. Aber seit viele der Vermittlungsstellen für Kurzzeitarbeit geschlossen oder in Jobcenter der ARGE umgewandelt wurden ist es für ihn schwer geworden kurzfristig Arbeit zu finden. In vielen Städten gibt es die Möglichkeit Obdachlosenzeitungen zu verkaufen. Wie zum Beispiel in Kiel wo er die Zeitung „Hempels“ verkauft hat. Der Verkauf ging so gut das er von dem Geld zusammen mit einigen Spenden ein neues Fahrrad kaufen konnte. Wenn solche Arbeit nicht möglich ist, sammelt er Schrott, für den bekommt er von den Schrotthändlern gutes Geld. Im letzten Monat 50 Euro. Eigentlich gibt es nichts was er vermisst seit er auf der Straße lebt. „Ich sage mir einfach das, was der Mensch braucht das sollte er besitzen und nicht mehr.“ Andreas hat alles, was er braucht - sein Fahrrad, den Anhänger, einen Gaskocher, Töpfe, einen Hocker, Isomatten

und seinen Schlafsack. Außerdem ein Handy und ein Netbook. Damit surft im Internet, informiert sich über das aktuelle Zeitgeschehen checkt seine Mails, schaut ab und an mal einen Kinofilm oder hört Radio. „Im Internet geht das kostenlos.“ Alles was er grade nicht braucht hat er an verschiedenen Orten in Lagerboxen untergebracht.

Wir sind nicht arm. uns gehört alles. Wir sind Könige von Deutschland.

Gründe etwas zu ändern gib es für ihn nicht. Probleme bereitet ihm lediglich seine Gesundheit. Seit einigen Jahren weiß er das er Hautkrebs hat. Doch bei einer Untersuchung war er seit drei Jahren nicht mehr. Wenn es schlimm wird, müsse er Hilfe vom Staat in Anspruch nehmen – der würde einen Krankenhausaufenthalt bezahlen.

Über solche Dinge versucht er nicht viel nachzudenken. Angst zu sterben habe er jedenfalls nicht. Und so wünscht er sich nichts weiter als gesund zu bleiben und sein Leben so lange wie möglich draußen leben zu können.


106 000 Menschen sind von Obdachlosigkeit bedroht

10 Prozent

mehr Obdachlose seit 2008

Entnommen aus dem Statisktibericht 2010 der BAG Wohnungslosenhilfe e.V.

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Leben in der Fremde Eine Japanerin in Deutschland berichtet

Ihr neuer Arbeitsplatz befindet sich auf dem anderen Kontinent: Japan trifft Deutschland, sowohl beruflich als auch privat. Ein Gespr채ch 체ber kulturelle Gepflogenheiten, einem ausgef체llten Terminplan und der guten Erfindung von Skype.


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Fast ein Jahr ist es nun her, dass die gebürtige Japanerin Chika nach Deutschland kam. Sie verließ ihre Heimat, um für drei Jahre in Deutschland zu arbeiten. Bereits seit 2003 ist sie für das international tätige Pharmazieunternehmen Boehringer Ingelheim tätig.

Chika,

Ihre Eltern, ihre Schwester und der Freundeskreis reagierten größtenteils positiv: „Alle waren sehr entspannt und haben sich mit mir gefreut.“ Sie fügt lächelnd hinzu: „So bin ich seit dem zwölften April 2011 in Deutschland.“ Als neuen Lebensort hat sie sich für Wiesbaden entschieden, 20 Autominuten entfernt von ihrem neuen Arbeitsplatz.

„Einen Kul gab es be Ankunft

Japaneri

44 Jahre, hat große dunkle Augen, dunkles kinnlanges Haar, eine zierliche Statur. Sie ist eine selbstbewusste Frau die, wie sie erzählt, gerne lacht. Das Gespräch findet in Englisch statt, das ist, wie sie anmerkt, „die übliche Sprache in der Abteilung Human Resources, in der ich tätig bin, aber auch fast im ganzen Unternehmen.“ Sie verweist auf die Herkunft ihrer Kollegen, die unter anderem aus Schweden, England und Mexiko stammen. Bevor sie in diesem Jahr nach Deutschland gekommen ist, begann sie damit, Englisch zu lernen. Sie absolvierte einen Intensivkurs und nimmt auch weiterhin regelmäßig Fremdsprachenunterricht. Auffallend ist, dass sie häufig noch nach Worten sucht oder japanische Ausdrücke zum Vervollständigen der Sätze gebraucht. „Für mich war es keine Entscheidung, eher eine Chance“, erklärt sie den Schritt nach Deutschland zu kommen und verweist auf das weltweit arbeitened Unternehmen, in dem es schon fast Standard ist, internationale Erfahrungen zu sammeln. Und so empfand sie es als Chance, als sich ihr die Möglichkeit bot, drei Jahre in Deutschland zu arbeiten. Mögliche Konsequenzen, die dieser Schritt im privaten Bereich haben könnte, hat sie nicht gesehen. Ihr Mann, der bis vor kurzem für eine Unternehmensberatung tätig war, stand hinter ihrer Entscheidung und wollte nach einigen Monaten nach Deutschland nachkommen.

Wenn sie von ihren ausgefüllten Wochenenden berichtet, wird deutlich, dass sie sich innerhalb der letzten Monate ein beachtliches sozials Netzwerk aufgebaut hat.


lturschock ei meiner t nicht.“

in

Mit Kollegen, die sie herzlich aufgenommen haben, verabredet sie sich oft zum Abendessen, wobei sie, wie sie selbst sagt, wahrscheinlich typisch japanisch, nie selbst eine Einladung ausspricht: „Wenn mir jemand aus Höflichkeit eine Verabredung zusagt, dann empfinde ich das als unhöflich.“ Was andere kulturelle Unterschiede anbelangt, kommt sie zu dem Schluss: „Es ist in einigen Bereichen eher etwas Persönliches, nicht unbedingt etwas Nationaltypisches.“ Die Vorstellung, dass Japaner zumindest zu Beginn neuer Kontakte distanziert und höflich im Umgang mit anderen Menschen sind, mag im Allgemeinen stimmen und auch teilweise auf sie zutreffen. Ein „iie“ – nein - wird von einem Japaner kaum gebraucht. „Doch so etwas wie einen Kulturschock gab es bei meiner Ankunft in Deutschland nicht“, stellt sie fest.Einen gewissen Einfluss sieht sie in der liberalen Erziehung ihrer Eltern, die „immer offen für Neues und Anderes waren“, mit ihren Kindern viel gereist sind. „Da meine Schwester in England studiert hat, waren wir vertraut mit den Gepflogenheiten in Europa.

ren. Der Plan, dass ihr Mann im Herbst nach Deutschland nachkommt, musste zunächst warten. Einerseits gab ihr in dieser Zeit die Religion Halt, andererseits halfen ihr die täglichen Gespräche mit ihrem Mann. Mit einer Handbewegung zum Laptop wendend, fügt Sie mit einem Lächeln hinzu: „Wir sehen uns jeden Tag via Webcam.“ Auch mit ihrer Familie und ihren Freunden hält sie mittels Skype Kontakt.

Verbringt sie das Wochenende nicht mit Freunden, erkundet sie mit ihrem Auto Deutschland und die angrenzenden Nachbarländer. Die „,WorkLife-Balance“ genieße ich sehr, in Japan ist es nicht ungewöhnlich, eine 7-Tage-Woche zu haben.“

Heimweh

oder gar Einsamkeit war lange Zeit kein Problem für sie, im Gegenteil: „Ich bin froh, wenn ich an drei Abenden in der Woche etwas Zeit für mich habe.“ Als im Oktober ihr Schwiegervater plötzlich verstarb, begann eine harte Zeit. Sie reiste zur Beerdigung nach Japan, musste jedoch berufsbedingt nach einer Woche wieder nach Deutschland zurückkeh-

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Wenn ich groß bin, werd‘ ich Selbstdarsteller… Die Vermarktung des Ich Ohne viel Können richtig viel Geld machen? Das ist heutzutage dank Reality-TV möglich. Jedoch ist der Aufwand dieser Selbstvermarktung, ähnlich wie bei einem „richtigen“ Job, nicht zu unterschätzen und eine gewisse Portion Selbstverliebtheit sowie eine tief liegende Schamgrenze nötig. Nach Auftreten in einer oder besser mehreren Fernsehshows winken der neugeschaffenen Medienpersönlichkeit schnell große Werbedeals, hochbezahlte Party-Auftritte, sowie die Möglichkeit, eine „selbstdesignte“ Schmuck- wahlweise Modekette plus Parfüm mit dem eigenen Namen als Label herauszubringen. Oder ein Liedchen aufnehmen, was durch neueste Techniken zum Glück auch für nicht ganz so wohlklingende Stimmen möglich ist. Sind schon ganz schön vielfältig, die Guten. Nun, dank der zäh erarbeiteten Omnipräsenz und Etablierung in der Fernsehwelt (durch eigene Show(s), Werbespots, Auftritte in Talkshows und auf Preisverleihungen) hat man es dann hoffentlich auch in die Regenbogenpresse geschafft, die einen als „authentisch“ und „Star von nebenan“ feiert. Wer jetzt noch keinen eigenen Stalker vorzuweisen hat, muss härter an sich arbeiten! Sollte es doch mal kurz ruhig um die eigene Person werden, kann man immer noch so tun, als hätte man in einem stillen Moment am heimischen Sekretär eine Biographie über das immerhin schon 20-30jährige Leben verfasst, sofern es noch Unveröffentlichtes gibt, das sich seitenlang ausquetschen lässt. Falls man keine berühmten Freunde oder superreiche Eltern vorzuweisen hat, ist es umso wichtiger, sich von Anfang an ein Markenzeichen zuzulegen, das einen unverwechselbar und einzigartig macht. Wasserstoffblonde Extensions, Schönheits-OPs, Dialekte oder Babystimmen sind aber leider schon ein wenig abgegriffen, daher müssen kommende Realitystars kreativ in der Erstellung ihres Charakters sein. Außerdem ist es elementar, sich bei allen noch so unwichtig, belanglos oder bestenfalls privat erscheinenden Tätigkeiten filmen oder zumindest fotografieren zu lassen, damit man nicht in Vergessenheit gerät, der schleichende Tod eines jeden Reality-Stars. Leider ist bei aller (Publikums-)Liebe für die aufstrebenden Berühmtheiten der Ruhm nach oben begrenzt: Die Sprecherin des Hollywood Walk of Fame ließ ausrichten, dass selbst amerikanische Reality-„Größen“ wie Kim Kardashian oder Paris Hilton keinen Stern auf dem bekannten „Walk“ in Los Angeles zu erwarten haben, es fehle ihnen an „longevity in their field of entertainment, awards and other honors, and philanthropic work“…


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Bildquelle: IKEA / Markus Hildebrand


Gestern und Heute Werden Konsumenten immer mehr zu unbezahlten Arbeitskräften? Wer kennt das nicht? Nach der Arbeit oder am Wochenende muss man noch viele Dinge erledigen, für die man sonst keine Zeit hat, z.B. Lebensmittel, Möbel, etc. einkaufen. Nehmen wir Heike Mustermann als unser Beispiel. Heike arbeitet als Angestellte in einem Dienstleistungsunternehmen insgesamt 40 Stunden pro Woche. Ein Tag in Heikes Leben:

ach der Arbeit fährt sie in einen Supermarkt, kauft Lebensmittel, unter anderem Käse, fertig verpackt, und Gemüse. Dieses wiegt sie sich selber und den dazugehörigen Preisaufkleber lässt sie sich von der fleißigen Maschine ausdrucken. An der Kasse wird dieser Aufkleber nur noch von der Verkäuferin eingescannt. Bezahlt wird mit „Karte“, schnell und einfach. Nachher fährt Heike zur Packstation von DHL und holt sich ihr Paket mit Kleidung ab, das sie bei einem Versandhaus online bestellt hatte. Einen Tag zuvor bekam sie von DHL per E-Mail Bescheid, dass ihr Paket nun bei der von ihr ausgewählten Packstation

eingetroffen ist. Weiter geht es zu IKEA. Ihre Tochter braucht dringend ein neues Regal für ihr Kinderzimmer. Heike sucht sich ein Regal in dem riesigen Möbelhaus aus, notiert sich die dazugehörige Nummer auf einen Zettel. Zettel und Bleistifte liegen kostenlos für Kunden bereit. In der SB-Halle (Selbstbedienungshalle) holt sie das Regal und an der „Expresskasse“, also der Selbstbedienungskasse, zahlt Heike wieder mit der Karte. Einfach und schnell. Nur nicht für jeden. Hinter sich hört sie eine verzweifelte Stimme nach einem IKEA-Mitarbeiter rufen. Die Person kommt nicht mit der Expresskasse zurecht. Wo-

hin soll sie noch mal drücken und wie macht man das jetzt?! Ein Mitarbeiter kommt und erklärt es dem Kunden, bis der nächste laut nach Hilfe schreit. Heike denkt sich, dass eben diese Person sich lieber an die „richtige Kasse“ gestellt hätte. Wäre schneller gegangen. Sie weiß schon nicht mehr, wie verloren sie sich das erste Mal im IKEA gefüllt hatte. Null Orientierung und stetig steigende Unruhe, je weiter sie in die Untiefen des Möbelhauses eindrang. Von dem Bleistift und dem Zettel hat sie erst erfahren, als sie eine Mitarbeiterin an einem Infostand danach fragte.

©C opyright Dave Hitchborne and licensed for reuse under this Creative Commons Licence

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gekommen ist. Bevor es ans Kochen geht, geht sie noch schnell ins Internet und überweist via HomeBanking das Geld für die Kleidung, welche sie heute bei der Packstation abgeholt hat. Das Regal wird dann später zusammengebaut.

Die Mitarbeiterin erklärte es ihr und Heike schrieb sich gleich darauf brav die Nummer von den Dingen auf, welche sie kaufen wollte. In der SB-Halle fand sie sich schlecht zurecht und fragte wieder einen Mitarbeiter. Dieser verwies sie in die richtige Richtung und Heike zog los, auf der Suche nach dem Abteil. Nach diversen Schweißausbrüchen und heftigen Flüchen, fand sie die Sachen, schaffte sie irgendwie auf den Wagen und ging rüber zur Kasse. Zum ersten Mal sah sie die Expresskasse und traute sich am Ende doch nicht dahin, stellte sich deswegen erschöpft und müde an die Kasse, an der eine Verkäuferin saß. Zurück zu Heike, welche das Regal für ihre Tochter gekauft hatte und nun nach Hause

Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass das Leben heutzutage leichter und schneller geworden ist. Man macht viele Dinge selbst, man weiß wie es geht und man braucht keine menschlichen Hilfe mehr dafür. Im IKEA zum Beispiel kam Heike ohne fremde Hilfe zu ihrem Einkauf. Weder beim Suchen noch beim Finden und Bezahlen hatte sie eine Menschenseele gebraucht. Auch gesprochen hat sie mit Niemandem. Im Lebensmittelgeschäft gab es auch so gut wie keine Kommunikation mit Anderen, außer mit der Kassiererin, welche fragte: „Bezahlen Sie mit Karte?“. Heike nickte und steckte ihre Karte in das dazugehörige Gerät und gab ihren Pin ein. Die Packstation hätte vielleicht gerne ein kurzes Schwätzchen mit Heike geführt, konnte aber nicht. Heike war froh, nach dem langen Tag auf der Arbeit, nicht auch noch mit der Pack-

station reden zu müssen. Vielen Menschen fällt gar nicht mehr auf, dass wir immer mehr selbst machen. Es stellt sich die Frage, ob wir das gerne machen, oder ob es uns einfach egal ist? Tun wir es, weil es „normal“ geworden ist und uns ja eh keiner fragt oder die Wahl lässt? Fakt ist: Aus Kostengründen überträgt die Wirtschaft viele Arbeitsschritte auf den Kunden. Wir tun das, was eigentlich eine bezahlte Arbeitskraft tun sollte. Nur mit dem Unterschied, dass wir als Kunden nicht für die von uns verrichtete Arbeit bezahlt werden. Oder bekommen wir die Eigenleistung in Form von günstigeren Verkaufsprei­ sen zurück? Eher nicht. Je mehr wir tun, desto weniger Arbeitskräfte braucht der Arbeitgeber. Dass es so ist, fällt uns entweder nicht auf, weil wir geblendet sind, von der Erleichterung und der guten Dienstleistung, die uns die Unternehmen bieten oder wir wollen genau diese


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„Der Kunde ist ein unbezahlter partieller Mitarbeiter.“

„Der Kunde der Zukunft ist der Arbeitende Kunde.“

Erleichterung. Es geht nun mal schneller, wenn man nicht zur Bank geht und der Bankangestellten seinen ausgefüllten Überweisungsträger gibt. Auch geht es schneller, wenn man nicht zu dem Automaten in der Bank fährt und seine Überweisung manuell eintippt. Man geht einfach ins Internet und

verwaltet seine Finanzen via Home-Banking. Als Kunde entgeht man dem spöttischen Blick der Angestellten, die sich wahrscheinlich denkt, man käme direkt aus der Steinzeit und als Arbeitgeber spart man ungeheure Personalkosten. Eigentlich ist es eine Win-WinSituation, wäre da nicht das Personal, welches seinen Job verliert oder erst gar keinen findet, weil es einfach nicht benötigt wird.

In ihrem Buch „ Der Arbeitende Kunde“ beschäftigen sich die Autoren G. Günter Voß und Kerstin Rieder genau mit diesem Phänomen. Der Kunde arbeitet als sogenannter Ko-Produzent mit, oder noch schärfer formuliert: Der Kunde ist ein (unbezahlter) partieller Mitarbeiter. Eine Form der Ko-Produktion ist zum Beispiel „dass man sich im Supermarkt die Sachen selbst raussucht, den Wagen zur Kasse schiebt, alles sauber und schnell aufs Band legt…“. Partielle Mitarbeit geht sogar noch weiter. Man über-nimmt einen Teil der Arbeit von Angestellten, wie zum Beispiel, selbst kassieren bei den Expresskassen (IKEA).

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Die beiden Autoren betrachten dieses Phänomen aus der Perspektive einer soziologischen und psychologischen Arbeitsforschung. Sie interessiert, wie Kunden und Unternehmen sich gegenseitig beeinflussen und abhängig voneinander sind, und wie diese Wechselseitigkeit genau aussieht. Groß und Rieder versuchen diese Entwicklung zu beschreiben und zu verstehen. Welche Konsequenzen hat dieses Phänomen auf die Konsumwelt und gar auf die gesamte Gesellschaft? So schreiben sie: „Es geht um die schon länger zu beobachtende und sich derzeit verschärfende Tendenz, dass Unternehmen (vor allem im Dienstleistungsbereich) aus Kostengründen Funktionen auf ihre Kundschaft auslagern. Was vor vielen Jahren mit »Selbst-Bedienung« in einzelnen Bereichen begann, erreicht nun mit Direct-Banking, Internet-Shopping und vielen ähnlichen Erscheinungen eine neue Qualität. Folge ist, dass die privaten Konsumenten immer häufiger (nicht immer freiwillig und oft ohne finanzielle Kompensation) Arbeiten übernehmen, die bisher von den Betrieben geleistet wurden. Weitgehend unbemerkt werden Kunden damit quasi zu unbezahlten Arbeitskräften der Unternehmen. (…) Kunden sollen zu >Dienstleistern für die Dienstleister<, wenn nicht gar zu >partiellen < Mitarbeitern werden!“ Die Zukunftsprognosen sehen so aus, dass sich ein „neuer aktiver Grundtypus des Konsumenten herausbildet, der den eher passiv agierenden KäuferKunden ablöst“ . Voß und Rieder bezeichnen diesen neuartigen Grundtypus als den „Arbeitenden Kunden“. Wir stecken mitten in der Weiterentwicklung des „nur“ einkaufenden Kunden zum „mitarbeitenden „ Kunden.

Die Tante-Emma-Läden sind schon längst Geschichte. Es geht in die Richtung: Selbst ist der Mann/ die Frau! Voß und Rieder schreiben hierzu: Die „Entwicklung erlebt derzeit eine neue Dynamik. Folge könnte sein(…), dass sich der individuelle Konsum und damit der typische Konsument in unserer Gesellschaft grundlegend verändern werden. War der Konsument

Diese Einstellung ist sehr selten geworden. Ich muss gestehen, dass ich auch immer brav die Tabletts in die dazugehörigen Regale stelle. Wieso eigentlich? Ich glaube, weil es alle machen. Weil wir höflich sein wollen. Weil wir den Angestellten Arbeit abnehmen wollen, da sie auch so schon viel zu tun haben. Aber im Grunde tun wir mit dieser netten Geste nicht den

„Die Grenze zwischen dem Betrieb und dem individuellen Leben wird auf nachhaltige Weise verschoben.“ bisher primär passiver Käufer und Verbraucher nicht selbst produzierter Waren, könnte er in Zukunft zum systematisch (…) mit aktiven Leistungen und damit direkt produktiv am Wirtschaftsprozess Beteiligten werden. Auf diese Weise wäre die Grenze zwischen Betrieb und individuellem Leben auf nachhaltige Weise verschoben.“ Infolgedessen liegt der Schluss nahe: Heike Mustermann hört nicht auf zu arbeiten, wenn sie ihre Arbeitsstelle verlässt. Sie arbeitet in ihrer Freizeit für Unternehmen weiter und das auch noch unbezahlt. Heike ist zwar erschöpft und müde von ihrem langen Arbeitstag, merkt aber trotzdem nicht, dass sie für andere arbeitet. Es geschieht unbemerkt, da es zu unserem alltäglichen Leben dazugehört. Wir merken gar nicht, dass wir mehr machen und wundern uns, wieso wir am Abend so erschöpft sind. Trotzdem gibt es noch diejenigen von uns, die nach dem Essen das Tablett zum Beispiel bei McDonald´s einfach stehen lassen, mit der Begründung: „Das ist die Arbeit der Angestellten und nicht meine.“

Angestellten einen Gefallen, denn sie werden auch in Zukunft viel zu tun haben. Tablett hin oder her. Nein, wir tun dem Unternehmen einen Gefallen. Die Zeit, die gespart wurde, um das Tablett wegzubringen, wird in Personaleinsparungen umgesetzt. Wie wir an dem TablettBeispiel sehen können, gibt es Menschen, die das System der »partiellen Mitarbeiter« durchschaut haben. Immerhin werden die Angestellten für ihre Arbeit bezahlt und ich für meine partielle Mitarbeit nicht. Ich werde nicht nur nicht bezahlt, ich bezahle sogar. Ist das nicht ungerecht? Wieso fällt uns das nicht auf und wieso spricht niemand darüber? Weder im Fernsehen ist es ein Thema noch in den Printmedien. Voß und Rieder erklären das so: „So dynamisch, vielfältig und bedeutsam die Veränderungen sind, sie werden in der Öffentlichkeit bisher bis auf einige Ausnahmen so gut wie nicht registriert; und auch in den Wissenschaften finden sie nur in wenigen spezialisierten Bereichen genauere Beachtung.“


Bildquelle: Inter IKEA Systems B.V.

Das heißt im Klartext: Wenn nicht darüber gesprochen wird, dann nimmt es keiner bewusst wahr. In unserem Fall wissen eigentlich nur diejenigen Bescheid, die sich damit auseinandersetzen. Das beantwortet meine am Anfang des Absatzes genannte Frage nach dem „Wieso?“. Wir setzen uns nicht damit auseinander. Wir bemerken es, aber: Es stört uns nicht, es ist bequem, es ist uns egal. Oder nicht? Voß und Rieder geben abschließend folgende Prognose für für die Zukunft ab: „

Wir meinen: Der Kunde der Zukunft ist der Arbeitende Kunde. Er ist nicht nur Konsument, sondern auch Arbeitskraft und er steht als solcher unter dem Druck, betrieblich nutzbare Leistungen zu erbringen. (…) Noch sind es erste Indizien, aber was hier mit der Zeit entstehen könnte, ist demnach kein »Mehr« vom Gewohnten (noch bisschen mehr Selbstbedienung an der einen oder anderen Stelle), sondern ein sozialer Strukturwandel an einer entscheidenden Stelle der Gesellschaft. Es könnte der Einstieg in eine

neue Konsumwelt und damit zugleich die Herausbildung einer neuen Form des Verhältnisses von Subjekt und Gesellschaft sein.“

Von Oksana Schirmer G. Günter Voß, Kerstin Rieder: Der Arbeitende Kunde. Wenn Konsumenten zu unbezahlten Mitarbeitern werden. Campus Verlag GmbH, Frankfurt/ Main, 251 Seiten.

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artig


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Was macht

Sven Drühl und J

Interview: Christopher Southernwood Bilder: Julia Berlin (I, VI), Lepkowski Studios (II, III) Christopher Southernwood (IV), Uwe Schwarze (V) Drühls Archiscapes-Ausstelung okkuppierte Ende letzten Jahres einen großen Bunkerin dem von Nebgen initiierten b-05 Kunst- und Kulturzentrum Montabaur.


die Kunst ?

Jan Nebgen über Brot, Wein und mehr

Die heute gebräuchliche Einengung des Kunstbegriffs auf seine Konnotation der kreativ-gestaltenden Praxis bzw. deren Produkt und auf den Gegensatz zur Natur scheint erst seit dem 18. Jahrhundert vorzuherrschen. Rudolf Steiner trotzt der Etymologie gewissermassen: „Die Kunst selbst ist aber doch im Leben tief verankert.“ Nur: wie tief?

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Die spätere Arbeitswelt ist durch die frühere Lebenswelt bedingt. Gibt es Schlüsselmomente, die euren beruflichen Werdegang geprägt haben? Seid ihr dabei nur über Umwege zu eurem Job gekommen?

In der Entwicklungspsychologie gibt es seit jeher eine „nature versus nurture-Debatte“. Wurde euch euer Talent in die Wiege gelegt oder musstet ihr euch euer heutiges Renommee auch hart erarbeiten?

JN: Ich war schon immer kreativ. Vom Architektur- und Designstudium zur Kunst war es allerdings schon noch ein Schritt. Die Kreativität steckt in verschiedenen Ebenen des b-05. Während des Studiums habe ich mich schon durch Paul Virilio mit Bunkern beschäftigt und auch vor der Entdeckung des Geländes 2005 eine Videoinstallation dazu realisiert. Ursprünglich wollte ich Produktdesigner werden, bin für ein Praktikum nach San Francisco und dort an der Kunstuni Otis in Los Angeles hängen geblieben.

SD: In der Kunst ist Talent eine Grundvoraussetzung aber kein Garant für Erfolg. Man muss irgendwie Leute kennenlernen, die einen empfehlen. Man muss immer unterwegs sein, am Ball bleiben. Du kannst den Zeitgeist ja nicht steuern und darfst ihm auch nicht hinterherhecheln. Als ich mit Landschaftsmalerei anfing war das total uncool und ich hatte Glück, dass um das Jahr 2003 die Malerei wiederkam und sogar das Thema Landschaft wieder angesagt war.

SD: Ich habe erst Elektrotechnik bis zum Vordiplom studiert, weil ich mir Kunst gar nicht zugetraut habe. Nebenbei besuchte ich „Mappenkurse“, um mich an Hochschulen für Kunst zu bewerben. Meinen Eltern zuliebe habe ich allerdings zusätzlich Mathematik auf Lehramt studiert, auch wenn mir klar war, dass ich nie Lehrer werden würde. Weil ich anfangs von der Malerei alleine nicht leben konnte, fing ich nach dem Studium an, für Kunstmagazine zu schreiben. In einem Interview meintest du mal dein Bildsystem sei mathmatikverseucht.

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JN: Durch mein Studium und meine Arbeit als Designer in L.A. habe ich viele unkonventionelle Einflüsse mitgebracht. Es ist ja nicht so, dass ich gelernt hätte ein solches Projekt zu leiten. Und wie Sven gesagt hat: „Man kann nicht kontrollieren wen man trifft oder was auf einen zukommt.“ Es ist schon ein Knochenjob: Von der Konzeption bis zur Landschaftspflege muss man einfach alles machen. SD: Jede andere Institution hätte ungefähr sechs bis acht Angestellte um das zu machen, was im b-05 bei einer Person zusammenläuft.

Kurator oder Sammler ein Bier trinke? Wenn du mich sonntags nach dem Wochentag fragst denke ich, es wäre Dienstag. Da ich schreibe, kuratiere, Kunst mache und unterrichte gibt es mal hier, mal dort etwas aufzuholen. Bei mir ist es gar nicht so, dass ich denke, dass ich zur Arbeit gehe, weil es sowieso das ist, was ich machen möchte. JN: Das ist alles ein Ding. Egal ob Sonntag oder Mittwoch, jeden Tag ist irgendwas und im b-05 ist vieles auch witterungs- oder jahreszeitbedingt; Nonstop aber immer unterschiedlich. Besteht in eurem kreativen Arbeitsumfeld womöglich eine besondere Verknüpfung zur Lebenswelt? JN: Ich liebe, was ich tue und die Kreativität ist tatsächlich die Verknüpfung zwischen Arbeits- und Lebenswelt. SD: Wenn man es eben nicht so definiert, dass man zur Arbeit geht, fällt es genau in eins. Paul Flora und Pablo Picasso sagten „Meine Arbeit ist meine eigene Psychotherapie, für die ich obendrein noch Geld bekomme“ respektive „Arbeit bedeutet atmen für mich; wenn ich nicht arbeiten kann, kann ich nicht atmen!“. Sigmund Freud spricht von einem Unbehagen in der Kultur, da sie Triebe nur sublimiere. Wie sehr erfüllt euch eure Arbeit?

In der Kunst ist Talent eine Grundvoraussetzung aber kein Garant für Erfolg.

SD: Das ist definitiv so; ganz klar. Viele werfen mir vor, meine Bilder seien auf den ersten Blick relativ unterkühlt und auch in meinem Motiv-Sampling kommt natürlich dieses konstruktive Moment der Mathematik durch. Die Bildtitel und -elemente – das ist wie mit Zahlen jonglieren.

Gibt es für euch so etwas wie typische Arbeitstage? Habt ihr reguläre Arbeitszeiten und ein Wochenende? SD: Ich kann gar nicht unterscheiden, was Arbeits- und was Privatzeit ist. Ist es Arbeit oder Vergnügen wenn ich mit einem

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SD: Freud meint natürlich: „Ich habe zu wenig Sex, deshalb male ich.“ Man kann aber beides haben (lacht). Meine Malerei ist sehr konzeptuell, insofern passt das mit der Psychotherapie bei mir überhaupt nicht. Bei Picasso ist es auch sehr dick aufgetragen.


Er hat ja angeblich nur gearbeitet, wohl noch auf dem Klo (lacht). Bei ihm ging es um dieses genialische Moment. JN: Die ganze Sache ist ein Teil von mir, ich finde mich darin persönlich wieder und kann mich so ausdrücken. Wenn ich mal ununterbrochen vor einer Ausstellung arbeite ist das total egal. Hauptsache es ist eine runde Sache.

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Kunst ist ihr Selbstgespräch.“ Inwiefern ist euer Beruf eine Berufung? Begegnen sich Arbeits- und Lebenswelt bei euch in einer Art Kunstreligiosität? SD: Für Pathoskünstler passt das, für mich dagegen überhaupt nicht. Berufung – das ist ein Begrif, bei dem es mich gruselt. Berufung ist für mich mit Weltverbesserung konnotiert und darum geht es mir nicht.

Martin Seligman unterscheidet in der positiven Psychologie zwischen Job (Mittel), Beruf (Zweck) und Berufung (Selbstzweck). SD: Wenn man es so definiert ist es eine Berufung, denn dass man damit Geld verdient ist ein Glücksfall. JN: Natürlich, das Geld stand nie im Vordergrund.

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Ich liebe, was ich tue und die Kreativität ist tatsächlich die Verknüpfung zwischenArbeits- und Lebenswelt.

SD: Wobei du natürlich jetzt eine besondere Situation hast: Wir können beide davon leben. Nach Franz Werfel gilt sogar: „Religion ist das unaufhörliche Zwiegespräch der Menschheit mit Gott.

JN: Mir geht es um das Aufzeigen von Alternativen, das Herausreißen aus dem Alltäglichen, um Besucher in eine andere Welt eintauchen zu lassen. Vielleicht finden sie sich in den Arbeiten wieder und nehmen etwas mit. Es geht mir um einen Dialog.

Schon bei Hippokrates hieß es „Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang“. Ist es euch wichtig etwas zu schaffen, das euch überdauert? Ist die Kunst im Sinne Ernst Fuchs eine Metapher für das Unsterbliche?

Sven Drühl, „S.D.W.T. II“, 2011, Lack auf Leinwand, 140 x 100 cm, Sammlung ZKM - Karlsruhe

SD: Künstler versuchen oft, die Zeit in der sie leben kreativ zu artikulieren und das trifft auch sicher auf mich zu. Natürlich freue ich mich, wenn ich übermorgen umkippe, dass es die Bilder vielleicht noch fünfzig bis hundert Jahre gibt. Das ist beim Malen aber nicht der Antrieb. Fuchs trägt mir da mit dem Begriff des Unsterblichen zu dick auf, wobei er alte ägyptische Kunst im Blick hatte, die bis heute überdauert. JN: Das Projekt ist noch im Aufbau, insofern steht für mich die Gegenwart im Vordergrund. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es sich kontinuierlich dynamisch weiterentwickelt und uns überdauert. SD: Etwas das überdauert sind aber eure Kataloge. Eigentlich auch die Gesamtidee des Konversionsprojekts. JN: Das auch, absolut.

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Sven Drühl, „C.D.F. (Neon)“, 2003, Neonröhren auf Plexiglasrahmen, 200 x 160 c

in einem kleinen Bunker des b-05 Kunst- und


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d Kulturzentrums im Rahmen der Ausstellung „Schwarze Galle, Roter Saft“, 2008.

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Die Produkte eurer Arbeitswelt werden Teil der Lebenswelt Dritter – entweder als Artefakt oder beim b-05 als Gesamtkunstwerk. Seid ihr froh, euch oft hinter einem Medium verstecken zu können? Welche Rolle spielt für euch die Rezeption des Betrachters?

ders beziehungsweise undeutlich formuliert. Es ging früher noch um das Bilden oder Wachrütteln. Wenn man so wie ich von der Kunst leben kann ist es das Brot und der Wein, das Auskommen und der Spaß. Aber nicht einmal ein Prozent der Künstler können von ihrer Kunst leben.

JN: Ich schon, ich lasse lieber das Projekt sprechen (lacht). Die Arbeit muss für sich selbst

JN: Auch wenn der Künstler Teil eines Marktes ist, fällt er dennoch gewissermaßen aus

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Künstler seine Daseinsberechtigung“ (André Gide) oder „Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzens – des Künstlers Beruf“ (Robert Schumann) mögen schmeichelhaft sein. Doch wie stark ist im Umkehrschluss der Erfolgsdruck? SD: Ich würde es eher einen Qualitätsanspruch an die Bilder nennen, der lässt einen dann schon eher nicht schlafen.

Ich habe ja nur meine Sicht auf das Bild und die überschneidet sich meist überhaupt nicht mit dem, was andere darin sehen. Und dann wird’s spannend.

stehen, auch wenn ich emotional mit ihr verhaftet bin und sie mich und ich sie repräsentiere. Die Betrachter werden so Teil der Arbeit, es geht nicht ohne und sie machen es aus. Das Erlebnis des Betrachters und der Dialog sind am wichtigsten. SD: Ich habe ja nur meine Sicht auf das Bild und die überschneidet sich meist überhaupt nicht mit dem, was andere darin sehen. Und dann wird’s spannend. Deswegen ist der Betrachter ganz wichtig. Die Rolle des Künstlers hat sich sehr verändert, vor fünfzig Jahren durfte er noch die Klappe halten. Heute ist man mehr im Mittelpunkt, muss auch mal Rede und Antwort stehen. Aber die Sicht des Künstlers sollte nicht überbewertet werden. Im Volksmund wird oft von einer Brotlosigkeit der Kunst gesprochen. Dagegen heißt es bei Jean Paul: „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens.“ Was ist für euch die Funktion der Kunst oder des Künstlers? SD: Wahrscheinlich so etwas wie der Hofnarr der Gesellschaft, der Klassenclown der gute Gedanken hat, sie aber an-

dem Rahmen und betrachtet die Gesellschaft aus einer anderen Perspektive. Ist es wichtig, dass sich mindestens die Arbeitswelten von Künstler, Kurator und Direktor voneinander unterscheiden? SD: Oft unterscheiden sie sich gar nicht oder es ist nur eine Spezialisierung. Ich muss mich als Künstler in der Szene genauso auskennen wie der Kurator. JN: Der Direktor ist für das Gesamtkonzept verantwortlich. Es geht also weniger um das Label, mehr um den Dialog? SD: Genau. Der Künstler Stefan Banz war auch Mitbegründer der Kunsthalle Luzern und für eine Zeit auch ihr künst­lerischer Direktor. Das Gegenteil gibt es auch: Manchmal macht plötzlich der Kurator selbst Kunst. JN: Es gibt viele Schnittstellen aber dennoch unterschiedliche Sensibilitäten, die produktiv sein können. Aussagen à la „Uneinig mit seiner Zeit – das gibt dem

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Ich muss nicht immer uneinig mit meiner Zeit sein, ich lebe hier doch in einem der besten Systeme, auch wenn es noch mehr als genug Ungereimtheiten gibt. Man kann auch zu Greenpeace gehen oder Politiker werden. JN: Wie weit und schnell man sich fortbewegen kann ist natürlich auch vom Geld der Sponsoren abhängig. Aber wenn man das Projekt zu schnell weiterentwickeln will, kann es für die Entwicklung auch abträglich sein. Gute Presse und viel Publikum sind wichtig, aber letztendlich soll es kein Disneyland werden. Genießt ihr eine Ausstellung, an der ihr mitgewirkt habt mehr oder weniger? SD: Es ist ein ganz anderes Erleben. Bei einer Schau, bei der ich die Finger im Spiel hatte, habe ich natürlich einen Anspruch an mich selbst. Aber genießen kann ich beides. JN: Es ist schön Teil der Sache zu sein, Arbeit mitauszuwählen und hinter den Kulissen zu sein. Man hat eine andere Sensibilität und kann sich anders in die einzelnen Arbeiten vertiefen.


Sven Drühl, „S.D.J.S.“, 2009, Öl und Lack auf Leinwand, 210 x 170 cm

turentwürfe zu machen. Aber man backt keine guten Brötchen wenn man zu viele Dinge auf einmal macht. Leidet euer Privatleben unter eurem Berufsleben? SD: Auf keinen Fall. Aber manchmal ist es für eine Partnerin schwer zu akzeptieren, dass der Job nie aufhört, dass ich auch nachts noch Mails wegen einer Ausstellung schreibe. Ich umgebe mich hauptsächlich mit Künstlern, Musikern und Schauspielern. Das ist gar nicht Konzept, sondern passiert einfach, weil das vielleicht die Leute sind, mit denen man sich am besten austauschen kann und die um Zwölf noch ausgehen unter der Woche. JN: Manchmal muss ich Kompromisse machen. Bekannte, Verwandte und Freunde können schon mal etwas kurz kommen. Träumst du oft von Bunkern? Könnt ihr ohne Probleme in den Spiegel schauen und sagen, dass ihr euch treu geblieben seid? SD: Auf jeden Fall. Ich produziere nicht für den Markt. Also kann ich ganz locker in den Spiegel gucken. Dass ich davon leben kann reicht mir. Ich muss nicht Millionen scheffeln und ein großes Haus haben. Es könnte so weitergehen.

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Deutschland für das b-05 gewinnen könnte, da es für die weitere Etablierung des Projekts sehr wichtig ist. Wir wenden uns gerade an verschiedene Unternehmen. Vermisst ihr einen Lebensabschnitt, in dem euer Berufsbild noch nicht so gefestigt war? SD: Es war früher nicht besser oder schlechter. Ich vermisse nichts.

JN: Das kann ich jetzt so nicht sagen (lacht). Ihr seid beide auch international unterwegs gewesen. Warum fiel die Wahl eurer Lebens- und Arbeitswelt letztlich auf Berlin beziehungsweise Montabaur? SD: Ich könnte mir als Künstler keine andere Stadt als Berlin vorstellen, wenn ich in Deutschland bleiben möchte. Es ist die einzige Stadt, in der

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Gute Presse und viel Publikum sind wichtig, aber letztendlich soll es kein Disneyland werden.

JN: Ich mache es, weil es ein Teil von mir ist. Wichtig ist, dass man Menschen neue und unkonventionelle Wege zeigt. Es wäre natürlich nicht verkehrt, wenn man in naher Zukunft weitere Sponsoren und Partner wie Skoda Auto

JN: Im Studium konnte man vielleicht noch etwas experimenteller sein. Obwohl man womöglich wieder dahin zurückkommt. Ich könnte mir auch vorstellen, nebenbei oder wenn das b-05 etablierter ist Produktdesign und Architek-

so viel passiert. Nach Peking würde ich wohl auch noch eine Zeitlang gehen wenn es sich ergibt. Natürlich würde ich zum Beispiel auch gerne in Barcelona leben, aber da würde ich mit meiner Kunst nicht über die Runden kommen.

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JN: Dass das Gelände ausgerechnet hier ist, ist natürlich Zufall. Für mich ist es durch das Environmental DesignStudium auch interessant, den Impuls an einem ganz anderen, ländlicheren Ort einzubringen.

SD: Es ist der freieste Job der Welt. Niemand fragt danach, ob ich um 13 Uhr aufstehe oder um 9 Uhr. Bei schönem Wetter kann ich auch beispielsweise drei Tage ins Café gehen anstatt ins Atelier und habe kein schlechtes Gewissen.

Ist euer sehr selbstbestimmter Beruf für euch mit besonderen Vor- oder Nachteilen verknüpft?

JN: Es ist eine positive Herausforderung, sich immer wieder neu zu erfinden. Und gewisse Freiheiten stehen eben auch einem gewissen Druck gegen-

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über. Kreative Person ist man wohl bis ans Lebensende. Immer weiter bis ihr umfallt? JN: Ja. Vielleicht etwas entspannter. SD: Ich stelle mir vor ich habe ein Häuschen in der Toskana, bin immer in der Sonne und male kleinere Bilder, die nicht mehr so schwer zu heben sind.

Wie oft ich von Bunkern träume kann ich jetzt so nicht sagen.

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Jan Nebgen wurde 1976 in Montabaur geboren. Von 1998-2003 studierte er in Los Angeles Architektur und Design und arbeitete im Anschluss bei Hype Arc. Bei einem Heimatbesuch im Winer 2005 erkannte er das Potential des ehemaligen, etwa zwölf Hektar großen NATO-Munitionslagers mit seinen 15 unterschiedlich großen Bunkern. Das Credo der entstandenen Institution ist der Dialog zeitgenössischer Kultur. Weitere Informationen unter b-05.org.


Im Ernst? SD: Nee, Toskana nicht, war nur ein Scherz. Aber in Berlin in einem schönen Wohnatelier. Welche Projekte, auf die ihr euch freut, stehen bevor? SD: Die nächste Schau, es ist immer die nächste Schau (lacht).

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JN: Auch bei mir natürlich die

nächste Ausstellung. Aber auch zeitgenössische Architektur auf dem Gelände zu etablieren, ebenso ein „artists in residence- Programm“ und beispielsweise Kreativbüros für Design, Fotografie sowie der weitere interdisziplinäre Ausbau.

SD: Irgendwann eine Schau in einem großen Museum. Was ich gerne irgendwann machen würde wäre eine Professur, einfach weil ich sehr gerne unterrichte und die Leute nicht nur temporär für ein, zwei Semester wie bisher begleiten möchte.

Gibt es bei dir noch ein spezifischeres Ziel als die nächste Ausstellung?

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Die nächste Schau, es ist immer die nächste Schau.

Sven Drühl wurde 1968 in Nassau/Lahn geboren. Nach seinem Studium der Kunst und Mathematik an der Universität Essen von 1991-96 stellte er sowohl alleine als auch in Gruppen im In- und Ausland aus. Seine Werke finden sich zudem in diversen internationalen Sammlungen. Lehraufträge in Deutschland wurden im vergangen Jahr um eine Gastprofessur für Malerei in Hangzhou ergänzt. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin. Weitere Informationen unter svendruehl.de.

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„Der Traum, als Schauspieler reich zu werden, ist ein kleiner Mädchen-Traum.“ Matthias Günther räumt auf mit falschen Vorstellungen und zeigt, dass Theaterspielen viel mehr bedeutet als nur Geld verdienen. Freundlich streckt er seine Hand zur Begrüßung aus. Die blauen Augen des 64-Jährigen strahlen. Er wirkt offen, aber auch unscheinbar auf dem roten Samtsofa, welches sich im Foyer des Theaters BadenBaden befindet. Hier ist sein Revier. Denn Matthias Günther, der in der ehemaligen DDR aufwuchs, ist Schauspieler aus Leidenschaft. Sein Weg zur Schauspielerei sei ein langer gewesen, so Günther. Schon als Kind schlüpfte er gerne in andere Rollen und verkleidete sich. „Die Atmos­ phäre des Theaters hat mich schon immer magisch angezogen“, weshalb er als kleiner Junge häufig am Hintereingang des Stadttheaters stand. Heute spielt Günther neben seiner Professur an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ als Gastspieler an Theatern. Die Pflicht sich immer wieder mit neuen Stoffen und Literaten auseinandersetzten zu müssen, sei etwas Wunderbares.

„Mein Beruf ist mein Leben“ Zurzeit ist er in der Rolle des Zirkusdirektors Caribaldi in

„Die Macht der Gewohnheit“ am Theater Baden-Baden zu sehen. Seit Günther seine Ausbildung an der staatlichen Schauspielschule Berlin mit 21 begann, sei Theatermachen sein Lebensinhalt. Das Besondere an der Schauspielerei sei es, vor möglichst vollem Haus zu spielen und zu wissen, dass die Leute kommen, um zu sehen, was auf der Bühne stattfindet. „Das macht Spaß“, sagt Günther. Nach seiner drei-jährigen Ausbildung war er längere Zeit an den Theatern Karl-Marx-Stadt engagiert. Dabei wurde Matthias Günther zum ersten Mal mit Klischees über den Schauspieler konfrontiert. In der Öffentlichkeit wird das Leben des Schauspielers als ein entspanntes angesehen. In Wahrheit ist der Beruf des Schauspielers ein harter. Günther erinnert sich sofort an eine Situation. In sächsischen Dialekt imitiert er seine Vermieterin: „Schauspieler sind Sie? Aber keine Orgien!“ Nachdem Günther 1986 die DDR verließ, folgten zahlreiche Engagements in ganz Deutschland. Der ständige Wohnortswechsel sei ein natürlicher Nebeneffekt, den es beim Beruf des Schauspielers schon immer gäbe. Allerdings sieht

Günther die Bereitschaft mobil zu sein nicht nur als Phänomen seines Berufes an. Vielmehr sei es in unserer heutigen Gesellschaft in jedem Arbeitsfeld erforderlich seinen Wohnort aufzugeben.

„Der Lustfaktor am Theaterspielen ist das Wunderbare“ Matthias Günther ...wurde 1947 in Halle geboren. Bevor er 1969 bis 1972 an der staatlichen Schauspielschule Berlin studierte, arbeitet er als Puppenspieler. Nach seiner Ausbildung spielte er unter anderem den Mephisto in Faust I und Faust II. Nachdem er 1986 die DDR verließ, folgten Engagements in ganz Deutschland. Auch bei Film und Fernsehen machte sich Günther einen Namen. Seit 1998 ist er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin tätig. Mittlerweile wurde er dort zum Professor für Schauspiel berufen. Die Möglichkeit sein Wissen an junge Studierende weiterzugeben macht ihn glücklich. Da seine Professur momentan an erste Stelle steht, spielt er nur selten Theater.

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Verwunderlich ist jedoch, dass Günther neben diesen kleinen Unregelmäßigkeiten natürlich, wie er betont, eine tägliche Berufspraxis habe. Allerdings sei es auch selbstverständlich, dass er seine Texte mit in den Urlaub nimmt. Disziplin muss wohl ein Charakterzug eines jeden Schauspielers sein, wenn er in diesem Beruf bestehen will. Günther legte sich selbst ein striktes Programm auf, worunter sein Urlaub gelitten habe. „Texte auswendig zu lernen ist Arbeit“, so Günther. Selbstverständlich nehme er sein Berufsleben ein Stück weit mit in seinen Alltag, sagt er. Anders würde es gar nicht funktionieren. Zur Vorbereitung auf eine Rolle gehöre sich über die Zeit, in der das Stück entstand, zu informieren. Günther setzt sich mit der Historie und mit dem Umfeld auseinander, wofür er gerne Bücher von Zeitgenossen eines Autors ließt. So könne er sich besser in eine Rolle einfinden. Er durchläuft einen Bildungsprozess , der ihm hilft sich im Stück besser zurecht zu finden. Dabei entdecke man häufig Charaktereigenschaften der Rolle an sich selbst. „Wenn nicht in mir irgendwo eine schwarze Seite wäre, könnte ich vermutlich einen Leute schindenden und fiesen Greis wie Caribaldi nicht spielen“, sagt Günther. Aber zur Selbsttherapie dient seine Arbeit auf keinen Fall, was er mehrmals mit fester Stimme betont. „Das kann es für Patienten sein, aber nicht für Schauspieler“. Theaterspielen ist viel mehr als Arbeit. Für ihn persönlich ersetzt es seine Hobbys. Günther benötigt keine größeren Freizeitbeschäftigungen. Denn ihm fehle nichts als das Theater, sagt er. Als Gegenpol zum Entspannen geht er in die Natur oder kocht in seinen vier Wänden. Für Günther ist es, möglich Arbeit von Privatem zu trennen. So findet er Zuhause nicht die nötige Konzen-

tration, um seinen Text durchzugehen. „Ich werde von den Dingen die mein Alltag sind abgelenkt“, erklärt Günther. Dafür müsse er in das Theater, wo eine andere Atmosphäre herrsche. Auch fällt es ihm schwer, außerhalb des Theaters sein Talent zu nutzen. Er schäme sich, wenn er auf Familienfeiern etwas vorlesen soll. Günthers Leben ist ganz offensichtlich von seinem Beruf geprägt. Das zeigt sich auch darin, dass sein Freundeskreis im Wesentlichen aus Theaterleuten besteht. Wenn man sich trifft, spricht man natürlich auch über die gemeinsame Arbeit. Lachend fügt er hinzu, „die Nicht-Theater-Freunde werden deshalb häufig zu einem anderen Termin eingeladen“.

„Letzten Endes dreht sich alles ums Theater“


Der Beruf des Schauspielers Ein Schauspieler ist jemand, der bestimmte Rollen auf der Bühne oder im Film künstlerisch mit Hilfe der Sprache, Mimik und Gestik darstellt. Die Berufsbezeichnung „Schauspieler“ ist jedoch nicht geschützt. Die Ausbildung dauert zwischen drei und vier Jahre, ein Studium an einer Kunsthochschule üblicherweise acht Semester. Die monatliche Mindestgage liegt derzeit bei 1600 Euro brutto. An Stadttheatern ist es Gang und Gebe, dass festange­stellte

Schauspieler unter 2000 Euro verdienen. Zum Vergleich: 2000 Euro ist das Einstiegsgehalt eines Lokführers. Dennoch kann sich jeder glücklich schätzen, der ein festes Engagement ergattern konnte. Denn wenigstens hat man ein sicheres Einkommen. Der Sprung vom Stadttheater zum finanziell besser ausgestattetem Staatstheater ist schwierig. Durchschnittlich pro Jahr melden sich offiziell 2500 Schauspieler arbeitslos.

Die Macht der Gewohnheit. Theater Baden-Baden

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„Die Atmosphäre im Theater ist eine ganz Besondere.“

Quelle: Gerd Eichmann, Theater Baden-Baden

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„Ich war es leid, dass andere Menschen mir sagen was ich zu tun habe!“ Nico Semsrott über die Motivation Bühnenkünstler zu werden

© fabian stürtz


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Gerade kommt er von einem Auftritt in Stuttgart. Nico Semsrott ist ständig unterwegs seit er vor zwei Jahren seinen ersten Poetry Slam gewann. Darauf folgten über 30 weitere Siege. Der Erfolg straft den Mann, mit dem Kapuzenpulli, der eigentlich versucht zu „scheitern“. Mit seinem schwarzen Humor und dem Slogan „Freude ist nur ein Mangel an Information“ ist er eine Marke in der Slammerszene geworden. Er nimmt die Depression einer ganzen Generation zum Thema, - weil man sich an dem Thema so gut aufhängen kann - und schafft es mit seiner Antikomik genau den Nerv der Zeit zu treffen. Mittlerweile ist der 25- Jährige bei Kurt Krömer, extra 3 und dem NDR Comedycontest aufgetreten, veranstaltet monatlich die offene Bühne Kunst gegen Bares in Hamburg und arbeitet an einem Soloprogramm, in dem er seine Gedanken verarbeitet.

Helena: Wie kommt man dazu Bühnenkünstler zu werden? Nico: Ich habe nach dem Abitur sehr viel ausprobiert: Schriftstellerei, Journalismus, politische Arbeit in einer Stiftung, Bühnenkunst - und am Ende ist nur noch die Bühnenkunst geblieben. In dem Bereich hilft es, wenn man unbedingt etwas sagen will und nach Anerkennung lechzt. Helena: Du hast also etwas zu sagen. Gibt es eine Botschaft die sich durch deine Texte zieht? Nico: Ich bin ein Anhänger von Humanismus und Aufklärung. Ich finde Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz wichtiger als Profitmaximierung. Meinetwegen muss Deutschland auch nicht am Hindukusch verteidigt werden. Mit den wirtschaftlichen Einbußen, die ein Abzug zur Folge hätte, würde ich klar kommen. Mir geht es gegen den Strich, dass der Mensch die ganze Zeit nur noch als Humanka-

pital gesehen wird und es keine Freiräume mehr in der Gesellschaft gibt. Gesundheit, Bildung, Kultur - da hat der Renditegedanke nix zu suchen. So viel zu meiner Botschaft. (lacht) Helena: Warum bist du nicht Politiker geworden? Nico: Weil ich nicht alle 24 Stunden meines Tages einem Beruf opfern möchte. Ich möchte ein Leben haben, das mir gehört. Und weil ich Spaß in meinem Beruf haben möchte. Helena: Haben deine Eltern deinen Weg geebnet? Nico: Zuhause am Küchentisch haben wir schon recht viel über Politik geredet. Aber mehr beeinflusst haben mich Schule und Kirche, Kirche und Kirche. Ich hatte das Glück auf eine katholische Schule gehen zu dürfen und in den USA ein halbes Jahr in einer evangelikalen Gastfamilie zu leben. Helena: Was hat das mit dir gemacht? Nico: Meine Jugend war geprägt vom Gefühl des HilflosAusgeliefertseins: Gegenüber der Langeweile des Unterrichts, den anti-aufklärerischen Ideen der Kirchen und ihrer Vertreter, gegenüber diesem Hamsterrad. Ich empfand das alles als schrecklich deprimierend. Es hat mich dazu gebracht, dem möglichst entfliehen zu wollen. Vor allem dem Prinzip, dass andere Menschen mir sagen können, was ich zu tun habe. Helena: Jetzt entscheidest du selbst wie dein Alltag aussieht. Erzähl doch mal. Nico: Vermutlich gibt es grob zwei Arten: Den Tag, an dem ich abends einen Auftritt habe und fahren muss, und den Tag, an dem ich abends in meinem eigenen Bett schlafen kann. Die Texte entstehen meistens per Ideensammlung im Zug. Ich schreibe mir Notizen auf zu einem bestimmten Thema,

und irgendwann habe ich vielleicht 6 DINA4-Seiten und mache daraus ne Nummer. Darüber hinaus schreibe ich Mails und Rechnungen oder telefoniere mit meiner Agentin. 10 bis 15 Tage im Monat bin ich unterwegs. Und ansonsten kommen im Monat im Schnitt fünf Minuten neues Programm dazu. Es wächst bei mir ganz langsam. Dieses Jahr habe ich etwa drei Monate Sommerpause gemacht. Das war schön. Mal gucken ob ich das nächstes Jahr wieder schaffe. Helena: Wohingehend sollte sich Poetry Slam aus deiner Sicht als Berufskünstler verändern? Nico: Im Moment entwickelt sich die Szene sehr schnell. Es gibt neue Showformate, große Shows mit geladenen Poeten, weiterhin kleine Slams mit offenen Listen. Ich finde die Vielfalt gut. Dadurch bekommen viele Leute die Chance sich auszuprobieren. Wenn jemand gut genug ist bzw. etwas macht, das von vielen geschätzt wird, dann wird er damit schon sein Geld verdienen können. Helena: Wärst du nicht gerne berühmter und reicher? Nico: Reich bin ich ja jetzt schon. Ich kann weitestgehend machen, was ich will und dabei möglichst selbst entscheiden, wann ich wie viel arbeite. Das ist Reichtum. Ich glaube Geld verändert die Wahrnehmung von der Welt entscheidend. Je mehr man hat, desto größer die Angst es wieder zu verlieren. Eigentlich nicht so erstrebenswert. Helena: Deine Figur ist depressiv. Aber du siehst gar nicht depressiv aus... Nico: Mir geht es gut. Ich habe mich irgendwann mal entschieden die ganze Traurigkeit, zu der ich neige, in diese Figur zu stecken und sie nach und nach von mir selbst zu entfernen. Ein guter Therapieerfolg. Ich war anfangs wirklich

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„Selbstzweifel sind in der Branche an der Tagesordnung.“

depressiv, habe auch unfassbar deprimierende Texte geschrieben ohne ironischen Bruch. Das ging mir sehr schnell selbst gegen den Strich. Dann habe ich angefangen mich über mich selbst lustig zu machen, damit war die Figur geboren. Helena: Eine Art Selbsttherapie? Nico: Das ist auf jeden Fall Selbsttherapie gewesen, ja. Das geht aber glaube ich jedem Bühnenmenschen so. Helena: Achja? Nico: Natürlich gibt es keinen Prototyp „Bühnenmensch“. Aber was alle Menschen

gemeinsam haben, die auf die Bühne gehen, ist eine Art biographischer Druck. Das ist zumindest meine Beobachtung. Unglück und Minderwertigkeitskomplexe helfen sehr dabei, wenn man auf die Bühne will. Jeder, der auf die Bühne drängt, sehnt sich nach Anerkennung. Das tut zwar jeder Mensch, aber bei Leuten, die auf die Bühne wollen, ist das umso mehr ausgeprägt. Helena: Es geht um Selbstbestätigung? Das heißt, dass viele Künstler unsicher sind? Nico: Sagen wir es umgekehrt:

Ich kennen keinen Kollegen, für den Selbstzweifel nicht an der Tagesordnung sind. Das ist ja auch verständlich, es gibt ständig einen Bewertungsdruck. Aber vermutlich ist das in vielen anderen Berufen ähnlich. Helena: Das ist doch paradox, sich diesem Druck auszusetzen, wenn man an Selbstzweifeln leidet... Nico: Wenn das die ganze Wahrheit wäre, ja. Aber es gibt ja umgekehrt auch wenig Schöneres als von 200 Menschen bejubelt zu werden. Und ich kenne keinen anderen Beruf,


© fabian stürtz

wo man schon mit Applaus an seinem Arbeitsplatz begrüßt wird. (lacht) Helena: Ist es das, was dir am meisten daran gefällt? Nico: Das ist auf jeden Fall ein Aspekt, den ich daran liebe. Ich bemerke manchmal wie verwöhnt ich bin in Bezug auf die Anerkennung, die mir entgegengebracht wird. Wenn ich Freunde beobachte und sehe wie sehr sie sich zum Beispiel über ein kleines Lob vom Chef freuen, dann fällt mir auf, dass ich das glücklicherweise ständig habe.

Helena: Da stumpft man doch sicher ab. Hast du Starallüren? Nico: Das frage ich mich auch immer. Ich glaube jeder Mensch gewöhnt sich schnell an die Situation in der er gerade ist - vor allem, wenn sie komfortabel ist. Gerade am Samstag kam ein Zuschauer nach der Vorstellung auf mich zu und meinte ich wäre fehl am Platze gewesen, weil das Publikum einfache Unterhaltung erwartet hatte und nichts „Hintergründiges“. Meistens wird man nur anonym im Internet kritisiert. Aber was mich wirklich geärgert hat war, dass ich aus seinem Statement nichts Produktives ziehen konnte. Vielleicht sind das Starallüren, aber ich versuche das immer zu relativieren. Mich kennt kein Schwein.

machen. Lag am Publikum, kann ich nix machen. Talent ist manchmal nur eine Frage der Übung.

Helena: Ganz unbekannt bist du ja nicht. Du hast 2 mal den NDR Comedy Contest gewonnen und bist einer der erfolgreichsten Slammer. Welche Ziele hast du denn noch? Nico: Ich will mich weiterentwickeln und ein mindestens 90-minütiges Soloprogramm spielen, das mir gefällt künstlerisch, darstellerisch und politisch. Davon bin ich noch ziemlich weit entfernt, auch wenn ich schon zweimal 90 Minuten gespielt habe. Mein Ziel ist Unterhaltung mit Haltung.

Helena: Du hast aber nicht studiert... Nico: Weil ich das nicht gut kann, - im Hörsaal Dozenten zuhören. Ich sehne mich zu sehr nach der Freiheit und bin ein sehr ungeduldiger Mensch. Zum Studieren braucht man Geduld. Und vermutlich bin ich lieber selbst der Dozent.

Helena: Was machst du, wenn das mal nicht ankommt? Nico: Ich bekomme ständig Ratschläge und Tipps wohin gehend ich mein Programm noch verändern soll. Es gibt zum Beispiel das Bedürfnis meine Figur auch mal fröhlich zu sehen. Wenn es nicht ankommt, will ich wissen woran es liegt. Dann spreche ich evtl. mit den Veranstaltern und erst wenn ich glaube es zu verstehen, folgt daraus das Fazit: Text ist nicht gut genug, muss ich noch verbessern. Ich hatte nen schlechten Tag, weiter

Helena: Du hast also noch nicht ausgelernt? Nico: Oh nein, von dem Denken bin ich glaub ich weit entfernt. Ich habe erst vor vier Wochen wieder an einem Abend, an dem es für mich nicht so gut lief, gedacht, dass ich alles hinschmeißen muss, weil ich nicht gut genug bin. Helena: Mario Barth magst du ja nicht so, gibt es überhaupt irgendwelche Vorbilder? Nico: Georg Schramm. Weil sein Programm eine ziemlich geniale Kombination aus politischer Rede, Theater und unterhaltsamem Uni-Vortrag ist.

Helena: Was sagen deine Eltern eigentlich über deinen Werdegang? Nico: Mittlerweile haben sie sich sehr damit angefreundet. Helena: Und was sagst du dir selbst, wenn mal Zukunftsängste aufkommen? Nico: Dann frage ich mich was die Alternativen sein sollen und finde keine. Und ich habe ja noch gar nicht richtig ausprobiert wie sich das Leben mit einem Soloprogramm anfühlt.

Nico Semsrott startet im Herbst 2012 mit seiner Solotour „Freude ist nur ein Mangel an Information.“ Infos und Karten unter: www. nicosemsrott.de

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Gender Pay Gap - Unbereinigter geschlechtsspezifischer Bruttolohnunterschied:


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Slowenien/Deutschland/Ă–sterreich (2009), Estland (2007) - Destatis/WZB

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Weinbau auf uraltem Meeresboden

Betriebsleiter Christof Schwaab mit seinem Vater Konrad im Profil

Koblenzer Winzer Christof Schwaab über „in vite vita“, das Leben in der Rebe. Hinter den Kulissen eines Familienbetriebes, seiner Tradition und Kultur. Leidenschaftlich über das, was den Wein zu etwas Besonderem macht und das früher und heute! Von Henrike Riemann

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„2020 feiern wir bei uns im Weingut Schwaab unser 300jähriges Jubiläum“, freut sich der Winzer und Betriebsleiter des Familienunternehmens, Christof Schwaab. In den Steillagen der Terrassenmosel bewirtschaftet das Weingut eine Rebfläche von 5,5 Hektar; es werden die Rebsorten Riesling, Weißer Burgunder und Spätburgunder angebaut. „Natürlich wird das Traubengut mit maximaler Reifezeit per Hand gelesen“, berichtet der Winzer. Damit aber ein guter Wein produziert werden kann, müssen weitere Faktoren beim Anbau berücksichtigt werden. An erster Stelle stehen natürlich die strenge Auswahl bei der Rebpflanzung und ein begrenzter Anschnitt des Rebholzes. Ebenso wichtig sind auch Standortfrage und Bodenqualität (Terroir). Ziel ist nicht ein höchstmöglicher Ertrag, sondern die Produktion von qualitativ hochwertigen Trauben, also reife Trauben mit einem ausgewogenen Säure-ZuckerVerhältnis. Innovation und Tradition werden im Weingut großgeschrieben. So führt das Weingut Schwaab in den 1970er Jahren als erster Betrieb an der Mosel den Querterrassenbau ein; demnach werden die Weinberge auf eine horizontale Arbeitsweise umstrukturiert. Durch diese moderne Anbaumethode, die in der Schweiz entwickelt wurde, kann die Arbeit an den Reben rationalisiert werden, zusätzlich steigt auch die Qualität der Trauben. Zum Einen erfahren die Trauben so maximale Sonneneinstrahlung, ohne dabei von anderen Rebzeilen beschattet zu werden, zum Anderen sorgt die gute Belüftung dafür, dass der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf das minimalste reduziert werden kann. Abenteuer: Weinbau in Steilterassen „Die Vielfalt der Weine ist riesig“, weiß Christof Schwaab,

denn „einen standardisierten Wein gibt es nicht!“ Jeder Jahrgang ist anders und hat seinen individuellen Charakter. Deshalb ist es für den Winzer so ein spannender Prozess, jedes Jahr aufs Neue unter ständig wechselnden Witterungsbedingungen Spitzenweine zu kreieren. Die geographischen und geologischen Besonderheiten werden an die Rebe weitergegeben, sodass immer ein Teil der Geschichte übermittelt wird. „Wein, Tradition und Kultur gehören einfach zusammen“, so Christof Schwaab.

und der Ablage­vorgang sind heute anders organisiert“, weiß der Winzer. Jedoch erfolgt die Rotweinlagerung immernoch im Holz- bzw. Barriquefass. Auch beim Verschluss wird beim Rotwein immer mit einem Naturkorken gearbeiten. Hingegen verwendet man für den Riesling mittlerweile lieber einen hochwertigen Schraubverschluss, um den empfindlichen Wein zu schützen. Neue Erkenntnisse und Technologien sollen also primär für eine Verbesserung des Endproduktes sorgen und nicht den Charakter des Weins verändern. Wurde vor 100 Jahren noch

Weinbau im Wandel der Zeit

Lehm für Ziegeleien an einigen Stellen des Weinbergs abgebaut, so erfreuen sich heute vorwiegend die Rebsorten Weiß- und Spätburgunder an dem Lehm-Lössboden. Der Riesling wird traditionell auf Schieferböden mit sandigen Quarziten ausgebaut, die vor 400 Millionen Jahren noch Meeresböden waren. „So entstehen feinmineralische Weine, die den Charakter vom Felsen übermitteln“, berichtet der Winzer stolz. Sein Lieblingswein,

Obwohl die Arbeit im Weinberg und Weinkeller sich im Wandel der Zeit schon stark verändert hat, so versucht man soweit es geht bei der Weinlagerung an der Tradition festzuhalten. Der Einsatz von Maschinen und Geräten hat die Handarbeit weitgehend verdrängt. „Die Handlese ist zwar noch geblieben, aber der Traubentransport mit Plastikkisten und Containern


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Abenteuer Steilterassen zwischen Tradition und Moderne

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„Winzerberuf zwischen Biologie, Technik und Marketing“


eine feinherbe Spätlese vom Riesling, verfügt über ein spannendes Zusammenspiel aus Frucht und Säure. Für den Winzer ist Wein kein einfaches Getränk, denn Weingenuss verlangt Zeit, Ruhe und Gelassenheit. „Genuss ist, wenn man das Bewusstsein dafür hat“, deshalb erfreut er sich am liebsten in der Gesellschaft mit Freunden des Weins an ihm. Neben der Erzeugung von Spitzenweinen steht für den Winzer auch das Weinerlebnis bzw. die Kommunikation im Fokus. Also die Vermittlung vom Thema Wein an den Verbraucher, aber auch die „Sensibilisierung für die spannende Erzeugung eines qualitativ hochwertigen Produktes“. Dazu gehört für ihn ganz selbstverständlich eine ‚gläserne Produktion‘. Deshalb teilt der Weinbauer sein „Heiligtum Weinkeller“ gern mit dem Kunden. Neben geführten Weinbergswanderungen und Verkostungen im historischen Felsenkeller (ehemaliger Bergwerkstollen), kann man auch ganz selbstverständlich im Weinladen einen Blick hinter die Kulissen werfen. Der Verkaufsraum wird nur durch eine moderne Glastür vom Kelterhaus getrennt. Beson-

dere Wertschätzung erhalten Weine, die die Handschrift des Winzers tragen. Wein ist etwas Mystisches für Christof Schwaab, der die Persönlichkeit des Winzers widerspiegelt. „Als Winzer steht man für seine Marke“, erklärt er. „Authentizität, Naturverbundenheit und Individualität sind wichtige Voraussetzungen“. Im Weinbau werden sehr viele Fach­ gebiete vereint: Pflanzenkunde, Biologie & Chemie, Technik & Maschinenbau, Geologie und Geographie, Lebensmittelmittelproduktion, aber auch die Präsentation und Vermarktung der Weine. „Man muss Allrounder sein“, bekräftigt der Weinbauer, der nach seiner Ausbildung dem Studium für Champagner-Häuser im Marketing gearbeitet hat. Wie vielseitig der Beruf von Christof Schwaab ist, zeigt sich auch in seinem Arbeitsalltag. Je nach Saison variiert auch sein Aufgabenreich. Liegt am Anfang des neuen Jahres das Hauptaugenmerkt auf dem Rebschnitt und der Reparatur von den Drahtrahmen und anderen Geräten, so können im Frühling neue Rebstöcke gepflanzt. Darüber hinaus findet eine Weinbergdüngung statt und eine Bearbeitung des

Bodens. Im weiteren Verlauf des Jahres werden die Rebstämme von grünen Zweigen freigestellt und die Neutriebe müssen in den Drahtrahmen eingesteckt werden – „von Hand natürlich“, erklärt der Winzer. Unkraut jäten darf natürlich auch nicht vergessen werden! Neben der Arbeit im Weinberg gehört es auch zu der Aufgabe eines Winzers sich um die Kellerwirtschaft zu kümmern, Weinlabor und Technik. Da­ rüber hinaus darf es nicht Vergessenheit geraten sich um die Vermarktung der Weine und die gesamte Büroarbeit zu kümmern. Aber auch der Winzer und seine Familie wissen, dass Wein das Lebenselixier der Natur ist. Und auch in der Bibel wird Wein sogar häufiger genannt als ‚beten‘! „Der Wein erfreut des Menschen Herz“ (Psalm 104).

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Zum Wohl!

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Renteneintrittsalter T端rkei / Norwegen - Lebenserwartung 76 Jahre / 85 Jahre - OECD

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STREAM OF SEMIObdachlosenzeitung - €urozentrismus - 2679264 - Demokrit: „Ein Leben ohne Feste ist wie eine Reise ohne Gasthaus.“ - 2594592 - xingen groß herauskommen - Alimentation - Stresstest - Aufstocker Dienstherr - Sozialabbau - Anstellung - Offshoring - wettbewerben -Theodor W. Adorno: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Hartz IV - Herbst des Lebens Schinderei - Ressort - Beschäftigung - produzieren - Geld regiert die Welt. - Arbeiterklasse - Erwerbstätigkeit 29 - sozialverträgliches Frühableben - Existenz - 2419200 - Generation Praktikum - Schwarzgeldaffäre Ausbildungsplatzabgabe - auf der Straße - Auskommen - 604800 Metier - Ellenbogengesellschaft Gehkaffee - Leben und leben lassen. Rentnerschwemme - Sprüche Salomos, 13.7: „Mancher ist arm bei großem Gut.“ - Humankapital - Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. - 3600 - Arbeitgeber hantieren - 31536000 - Beförderung Was kostet die Welt? - Arbeitskreis - Erwerbslosigkeit - Arbeitnehmer -


-COnSCIOUSnESS schaffen - 86400 - Work-Life-Balance - Polylemma - studieren - Streik herstellen - 52 - Plackerei - Sein - Karl Kraus: „Karriere ist ein Pferd, das ohne Reiter vor dem Tor der Ewigkeit anlangt.“ - Vorgesetzter - Digital Boheme - $ Finanzkrise - Ein-Euro-Job - riestern - Brotererwerb - twentyfourseven - Dump-Diving - Lohnabhängiger Profession - Workload - Unternehmer - Probezeitarbeit - Beruf - Praktivitäten - Arbeitskraft - Jobnomade Bediensteter - Abwrackprämie malochen - Brotgeber - 2503872 - Entlohnungserratum - Stelle - £ Crowdsourcing - Wohlstandsmüll - 31 Arbeits-Loser - Peanuts - Prosument - Subsistenz - Arbeitszeitkonto - 28 - Boss - rushen - IchAG - Habitus - Rolle - T€uro Posten - Entlassungsproduktivität - Stellung - 60 - Parallelwelt - 72 - Fruppie - fertigen - 366 - struggeln - Downshifting - fabrizieren - 365 Prekariat - 60 - werkeln - Powerseller - 30 - Obertan - 56 - Man lebt! 8 - Bankster - Vita - Yettie - 40 - Job - REnte - ¥ - Hipo - 28 - ¢ 90

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Leben - Arbeit - Tod „Wie man genießen kann, wenn man weiß, dass man geht. Man müsste ständig gehen, es müsste ständig gehen.“ Clueso

Der Tod lässt uns die „Kostbarkeit des Lebens“ spüren. Er schärft unsere Aufmerksamkeit und je aufmerksamer wir sind, desto lebendiger fühlen wir uns. Ist es nicht tragisch, dass wir erst, wenn wir das Ende vor uns haben, den Wert des Lebens schätzen lernen? Denn in unserem westlichen Kulturkreis finden Gedanken über den Tod oft keinen Platz im täglichen Leben. Der Tod wird als Gegensatz zum Leben gesehen und ist eher ein Tabuthema in der westlichen Zivilisation. Während zum Beispiel im Buddhismus die Vergänglichkeit ein Thema der Meditation ist, kommt es bei einem zunehmenden Ich - Bewusstsein in unserem Kulturkreis zu einer „Trennung von der Ganzheit, von der Natürlichkeit, denn das Ich will Größe und Bedeutung“. Die Bedeutung eines Menschen scheint nach dem Verständnis Ich-zentrierter Menschen mit dem Tod zu schwinden. Die Konfrontation mit dem Tod zwingt uns zu einer Auseinandersetzung mit unserem Selbst, unseren Werten und der Vergänglichkeit des Lebens. Haben wir wirklich gelebt? Haben wir richtige Prioritäten gesetzt? Haben wir gelebt um zu arbeiten oder gearbeitet um zu leben? Wenn der Sterbende Antworten auf diese Fragen des Lebens findet, ist es für Änderungen seiner Lebensführung bereits zu spät.

Dagegen haben Menschen, die den Tod eines anderen miterleben, die Möglichkeit, Trauer und Schmerz zu erfahren und zu erleben, dass der Tod zwar vieles nimmt, aber auch vieles geben kann: Versteht man das Sterben als Bestandteil des Lebens und den Tod als dessen unvermeidbaren Endpunkt, so muss man Sterben und den Tod nicht als etwas Negatives empfinden. Wenn wir den Tod als Bestandteil des Lebens akzeptieren, werden wir uns unserer Vergänglichkeit bewusst und erhalten die Chance unser Wertesystem überdenken zu können, Prioritäten neu zu setzen und das Leben bewusster zu genießen. Das Nachdenken über Sterben und Tod ist eine Übung, die uns das Loslassen am Ende des Lebens leichter machen kann. Ein weiterer bedeutender Bestandteil des Lebens ist die Arbeit, die den Großteil der Lebenszeit ausfüllen kann. Unsere Arbeit nimmt viel unserer Lebensenergie und Zeit in Anspruch – umso wichtiger ist es, diese Energie und Zeit für eine Tätigkeit zu verwenden, die uns ausfüllt und zufrieden stellt. So suchen Menschen nach einer Arbeit, die zu ihnen passt. Wir haben fünf Menschen getroffen, die fündig geworden sind. Der unmittelbare und häufige Kontakt mit dem Tod prägt die Lebens- und Arbeitswelt

einiger Berufsgruppen in besonderer Weise. Der oftmals plötzliche Tod stellt für die nächsten Angehörigen von Sterbenden einen markanten Einschnitt im Leben dar. Er kann zu Einsichten und Veränderungen in ihrem Bewusstsein führen. Doch was bedeutet der Tod für Menschen, die sich täglich mit ihm in ihrem Berufsalltag auseinandersetzen? Der Tod als Bestandteil des Berufs kann Lebensbereicherung, Erinnerung an das Wesentliche und letztlich Glück bedeuten. Glück, einen so bewegenden Beruf zu haben, der einen die Kostbarkeit des Lebens lehrt. Dem Amtsleiter der Feuerwehr Koblenz, Wolfgang Schröder, wird in seinem Beruf die Unendlichkeit des Universums und dagegen die Begrenztheit seines kleinen Lebens bewusst. Die Notärztin Barbara Jarmusch bewertet das Materielle in ihrem Leben nicht so hoch, weil sie stets miterlebt, wie wenig dies am Ende zählt. Der Pathologe Christian Marko nimmt die Herausforderung, an seinem Mikroskop lebensentscheidende Analysen zu erstellen, täglich an. Die Hospizmitarbeiterinnen Katja Masendorf, Andrea Krahe und Gisela Textor sehen ihren Beruf als Persönlichkeitsschulung und Lebenslehre an. Der Bestatter Christoph Jung findet Erfüllung in der Vielseitigkeit seines Berufs.

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Amtsleiter Amtsleiter der der Feuerwehr Feuerwehr Koblenz Koblenz Wolfgang Schröder Wolfgang Schröder Die Untrennbarkeit von Leben und Arbeit Die Untrennbarkeit von Leben und Arbeit

Für Wolfgang Schröder ist der Beruf nicht nurSchröder eine Tätigkeit Für Wolfgang ist der zum sondern eine BerufGelderwerb, nicht nur eine Tätigkeit Berufung. Schon als Zwölfjähzum Gelderwerb, sondern eine riger trat er in die Berufung. Schon als Freiwillige ZwölfjähJugendfeuerwehr ein.Freiwillige Doch erst riger trat er in die als er sein Studium BauinJugendfeuerwehr ein.des Doch erst genieurwesens abgeschlossen als er sein Studium des Bauinhatte und den ersten Großaufgenieurwesens abgeschlossen trag könhattehätte undentgegennehmen den ersten Großaufnen, hat erentgegennehmen sich entschieden, könsein trag hätte Hobby Beruf zu machen. nen, hatzum er sich entschieden, sein Hobby zum Beruf zu machen. Dort kann er seine Grundeinstellung, dieerihm schon durch Dort kann seine Grundeinseine Erziehung vermittelt wurstellung, die ihm schon durch de, leben: Offenheit, Ehrlichkeit seine Erziehung vermittelt wurund einenOffenheit, „weit gefächerten“ de, leben: Ehrlichkeit Blick gegenüber allen Menund einen „weit gefächerten“ schen. Diese Werteallen vermittelt Blick gegenüber Mener auch Diese seinen Werte Kindern, indem schen. vermittelt er auch sie stets aufmerkseinendarauf Kindern, indem sam macht, jeder aufmerkMensch, er sie stetsdass darauf auch ein Bettler derMensch, Straße, sam macht, dassauf jeder ein Schicksal hat. auchindividuelles ein Bettler auf der Straße, ein individuelles Schicksal hat. Großzügigkeit, sei es auf materieller oder immatereller Großzügigkeit, sei es aufEbene, mateist für oder Wolfgang Schröder sehr rieller immatereller Ebene, wichtig. ist für Wolfgang Schröder sehr wichtig.

Er selbst bezeichnet sich als Glücksmensch und möchte Er selbst bezeichnet sich sein als Glück mit anderen Menschen Glücksmensch und möchte sein teilen etwas davon Glück und mit ihnen anderen Menschen abgeben – ihnen denn das bedeutet teilen und etwas davon für ihn Leben. Von dieser Einabgeben – denn das bedeutet stellung profitieren für ihn Leben. Vonseine dieserKolleEingen, zu denen er sehr offen ist stellung profitieren seine Kolleund persönlichen Kontakt gen, auch zu denen er sehr offen ist pflegt. Gerade in der Feuerwehr und auch persönlichen Kontakt sei es wichtig, Erlebnisse pflegt. Gerade inüber der Feuerwehr zu sie Erlebnisse zu verarsei sprechen, es wichtig,um über beiten, meint um Schröder. zu sprechen, sie zu Wenn verareine ausreichende Verarbeitung beiten, meint Schröder. Wenn nicht möglich ist, Gerüche, Bileine ausreichende Verarbeitung der oder Geräusche im Gedächtnicht möglich ist, Gerüche, Bilnis und man nicht der bleiben oder Geräusche imdies Gedächtrechtzeitig zu nis bleiben erkennt, und mankann dies es nicht einer temporären rechtzeitig erkennt,oder kanndaueres zu haften Berufsunfähigkeit einer temporären oder führen. dauerhaften Berufsunfähigkeit führen. Schröder ist seinen Kollegen deswegen immer sehr Schrödergegenüber ist seinen Kollegen desaufmerksam, da manchmal wegen gegenüber immer auch sehr schon längerdazurückliegende, aufmerksam, manchmal auch schlimme Erlebnisse wieder an schon länger zurückliegende, die Oberfläche kommen können. schlimme Erlebnisse wieder an Dann ist es besonders die Oberfläche kommen wichtig, können. eine den jeweiligen DannStütze ist es für besonders wichtig, Feuerwehrmann zu jeweiligen sein, der eine Stütze für den Feuerwehrmann zu sein, der

sich mit dem erlebten Tod ganz individuell auseinandersetzt. sich mit dem erlebten Tod ganz Aufgrund Individualität individuelldieser auseinandersetzt. im Umgangdieser mit dem Tod sind Aufgrund Individualität vorbereitende Maßnahmen im Umgang mit dem Tod sind möglich, aber die Entwicklung vorbereitende Maßnahmen eines Schemas nicht machbar. möglich, aber die Entwicklung Selbst bei einem erfahreeines Schemas nicht machbar. nen kann Selbst Feuerwehrmann bei einem erfahrees dass er kann unnen vorkommen, Feuerwehrmann erwartet ein Erlebnis es vorkommen, dass er nicht unverarbeiten deshalb nicht beerwartet einundErlebnis rufsunfähig werden verarbeiten und deshalbkann. berufsunfähig werden kann. Die Notärztin Barbara Jarmusch beschreibt dies mit einer Die Notärztin Barbara JarMetapher: Jeder dies Mensch hat musch beschreibt mit einer einen Topf, Jeder in denMensch alle negatiMetapher: hat ven des alle Menschen einenErlebnisse Topf, in den negatikommen. Wenn des dieserMenschen voll ist, ven Erlebnisse kann ein Ereignis ganz unerwarkommen. Wenn dieser voll ist, tet führen. kannzueinÜberforderung Ereignis ganz unerwartet zu Überforderung führen.

„Glück „Glück mit mit anderen anderen Menschen Menschen teilen teilen – – das das bedeutet bedeutet für für ihn ihn Leben.“ Leben.“


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Notärztin Barbara Jarmusch Viele Erfahrungen und wenig Zeit

Barbara Jarmusch hat selbst auch schon viel erlebt. Sie erzählt uns ebenfalls Ereignisse, die sie wohl nie vergessen wird und von denen sich eines mit Schröders Erfahrung deckt. Ein besonders schwerer Unfall, bei dem die beiden mit ihren Teams zusammengearbeitet hatten – genau dieses Zusammenarbeiten, das Ziehen an einem Strang von Feuerwehr und Rettungsdienst, gibt den Einsatzkräften Stärke. Der Druck an der Unfallstelle ist hoch: Man muss sich zuerst einen Überblick verschaffen, den gesamten Unfallort abgehen, über Rettungsmaßnahmen der einzelnen Opfer entscheiden und dann erst handeln.

scheidungen treffen. Dagegen hat sie auf der Intensivstation Zeit sich mit ihren Patienten und deren Schicksal auseinanderzusetzen. Hier geht es meistens um die Frage, ob durch bestimmte Maßnahmen ein lebenswertes Leben gewährleistet werden kann. Ärzte, Schwestern und Pfleger arbeiten eng zusammen und führen intensive Gespräche, auch mit den Patienten und den Angehörigen. Die meisten Patienten haben Angst vor dem Tod, weil sie eine quälende, schmerzhafte Vorstellung vom Sterbeprozess haben. Hier sind die psychologischen Fähigkeiten der Notärztin gefragt, die sie erst durch ihre Berufserfahrung

„Facettenreich wie das Leben ist auch der Tod“ Das ist schwer, aber man weiß, dass man nie alleine ist und einem in wichtigen Situationen immer etwas einfällt. Mit anderen Berufen zusammenzuarbeiten macht Jarmusch Freude, denn zwischen den beteiligten Sanitätern, Feuerwehrmännern, Polizisten und Notärzten entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das trägt. Zudem motiviert sie der direkte Austausch mit den Menschen, die Hilfe, die sie den Menschen täglich entgegen bringen kann und die Dankbarkeit, die diese Menschen ihr entgegenbringen. Die Notärztin steht an Unfallstellen unter extremen Stress, denn sie muss innerhalb von Sekunden die richtigen Ent

entwickelt hat. Sie verspricht den Patienten, dass sie nicht leidvoll sterben müssen und gibt den Angehörigen stets die Möglichkeit, ihre Nächsten auf dem Weg in den Tod zu begleiten. Das Gefühl geholfen und nicht alleine gelassen zu haben, beruhigt, spendet Trost und ermutigt auch dem Tod gelassener entgegenzublicken. Sie selbst hat keine Angst vor dem Tod, ihre eigene Todesvorstellung ist vom christlichen Glauben und ihrer katholischen Erziehung geprägt.

sie erwartet. Die Konfrontation mit dem Tod hat dabei großen Einfluss auf ihr Arbeits- und Privatleben. Das Erlebte beschäftigt sie immer wieder stark. Sie meint, dass man zwar lerne Grenzen zu wahren und eine gewisse Distanz aufzubauen. Schwierig werde es aber, je mehr die Situation dem eigenen Leben ähnelt oder der Patient ein Bekannter ist. In solchen Situationen müsse man sich immer wieder zur absoluten Konzentration ermahnen. Fast in jedem Dienst muss sie sich mit dem Tod auseinandersetzen, thematisiert wird das in ihrem Arbeitsumfeld aber eher selten. Gesprächspartner findet Jarmusch in ihrer Familie, die ihr Halt gibt. Durch ihren Schichtdienst war es vor allem früher nicht immer einfach, die Bedürfnisse ihrer Familie, besonders die der damals noch kleinen Töchter, mit dem Zeitanspruch ihres Berufs zu vereinen. Doch Zweifel an ihrer Berufswahl hatte sie noch nie, da die positiven Seiten schon immer überwogen: Abwechslung, Selbstvertrauen entwickeln, Erfolgserlebnisse, Helfen können und Angst nehmen.

Facettenreich wie das Leben ist auch der Tod und deshalb auch die Arbeit von Barbara Jarmusch. Weder im Notdienst noch auf der Intensivstation, weiß sie, was

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Pathologe Christian Marko Die millimetergroßen Patienten

Täglich blickt Christian Marko in sein Mikroskop und analysiert die Muster der Gewebestücke. Die Ergebnisse seiner Analysen müssen verlässlich sein, denn auf ihnen basiert die individuelle Therapie eines Patienten. Manchmal müssen Analysen auch schnell vorgenommen werden, wenn das Gewebestück direkt aus dem Operationssaal kommt und die Diagnose über den weiteren Verlauf der Operation entscheidet. Marko vergleich die unzähligen Muster verschiedener Gewebe- und Tumorarten mit dem ihm vorliegenden Muster. Trotzdem gibt es manche Situationen, in denen er nicht weiter weiß. Dann legt er die Gewebeprobe beiseite, untersucht andere Gewebe, schläft eine Nacht darüber und fragt seine Kollegen. Das Zusammenhalten und ge-

genseitige Unterstützen ist sehr wichtig in der Pathologie und auch ein Aspekt, den Christian Marko sehr schätzt. Ein gutes Verhältnis zu den Kollegen und damit eine gute Zusammenarbeit können schließlich ausschlaggebend für die richtige Diagnose sein. Die Menschen, deren Gewebestücke er untersucht, sieht er nicht – seine „Patienten“ liegen vor ihm zwischen zwei Glasplättchen auf dem Mikroskop. Meistens darf er sich für seine Diagnosen Zeit nehmen, denn die behandelnden Ärzte wollen sich auf seine Ergebnisse verlassen können. Auch er möchte durch seine berufliche Tätigkeit dazu beitragen, dass die Patienten aufgrund seiner Diagnose die richtige Therapie bekommen, die ihnen Qual erspart und Überleben ermöglicht. In einem weiteren Bereich der Pathologie gibt es den unmittelbaren Kontakt mit Toten: die klinische Sektion. Während die Ergebnisse der Sektion in der Rechtsmedizin für die juristische Aufklärung eines Todesfalles nötig sind, soll die klinische Sektion weiterreichende Erkenntnisse für die medizinische Wissenschaft bringen: Für alle Medizinstudenten ist die Sektion eine sehr wichtige Methode, um mit dem menschlichen Körper vertraut zu werden. Der ausgebildete Pathologe versucht durch das Sezieren der Leichen Antworten auf die Fragen nach der Todesursache und dem Sterbevorgang zu finden. Mit den Erkenntnissen aus dieser Untersuchung lernen die Pathologen und somit alle Mediziner mehr über Ursachen und ihre Wirkungen im.

menschlichen Organismus. Die Medizin hat den Großteil ihres Wissens durch die Obduktion von Toten erlangt und auch heute ist dieser Teil der Pathologie sehr bedeutend, zum Beispiel bei der Transplantationstechnik. Dort untersuchen Pathologen Menschen, die trotz einer Transplantation gestorben sind, um so Verbesserungen in dem Transplantationsverfahren vornehmen zu können. Aus diesem Grund ist der Beruf des Pathologen, auch wenn er tote Menschen sezieren muss, stets mit der Hoffnung auf lebenserhaltende Erkenntnisse verbunden. Deshalb lautet der Leitspruch der Pathologie: Mortui vivos docent – die Toten lehren die Lebenden.


„Mortui vivos docent - Die Toten lehren die Lebenden“

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Katja Masendorf, Andrea Krahe und Gisela Textor Mitarbeiterinnen des Hospizvereins Koblenz e.V. Sterben ist Leben vor dem Tod


des Hospiz von Angehörigen eines Sterbenden gebeten, den Sterbenden zu besuchen ohne sich als Mitarbeiter eines Hospiz erkennen zu geben. Doch dieser vermeintliche Schutz der Sterbenden ist nach Meinung unserer Interviewpartnerinnen falsch. Andrea Krahe meint, dass es dem Kranken emotional und rational schneller sehr viel besser geht, wenn er sich dem Tod auseinandersetzen könnte und einen Ansprechpartner hätte. Hospizarbeit ermöglicht den Sterbenden, sich Zeit zu nehmen, um sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, sein Leben rückblickend abzuschließen, zu verarbeiten und dann auch Ruhe zu finden. Gisela Textor ist die Geschäftsführerin des Hospizvereins Koblenz. Sie beschäftigt

Selbstbild von sich zu haben. Diese beiden Faktoren können den Sterbeprozess enorm beeinflussen. Dabei nehmen die Sterbebegleiterinnen eine beratende, aber keine lenkende Rolle ein. Dies ist auch im ambulanten Kinderhospiz wichtig. Katja Masendorf begleitet Familien teilweise über mehrere Jahre und versucht den kranken Kindern einen angenehmen Tod zu Hause zu ermöglichen. Dafür vernetzt sie Familien untereinander und Familien mit Einrichtungen, wie zum Beispiel Pflegedienste, die den Familienalltag erleichtern. Da man mit seiner Arbeit gedanklich und emotional stark verbunden ist, sind Supervision und Austausch unter Kolleginnen, aber auch ein stabiles Privatleben, für die Ver-

„Heute ist der Tag und heute gilt es zu leben.“ sich deshalb mit der Mitarbeiterführung, der Vernetzung mit anderen Einrichtungen, der Organisation, sowie Aspekten der Politik und Öffentlichkeitsarbeit. Andrea Krahe und Katja Masendorf dagegen arbeiten an der Basis: Andrea Krahe im stationären Erwachsenenhospiz und Katja Masendorf im ambulanten Kinderhospiz.

Da es im Hospiz keine Hoffnung mehr auf ein langes, gesundes Weiterleben gibt, versuchen Katja Masendorf, Andrea Krahe und Gisela Textor die letzte Lebenszeit ihrer Patienten möglichst würdevoll und schmerzfrei zu gestalten. Leider wird diese Hilfe immer später angenommen. Obwohl der Tod an sich in den Nachrichten omnipräsent ist, ist der eigene Tod nicht zu einem Bestandteil unserer täglichen Gedanken geworden. Manchmal werden Mitarbeiter

Am Anfang jeder Betreuung steht das Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung. Im stationären Erwachsenenhospiz liegen derzeit zehn Patienten, um die sich die Mitarbeiter rund um die Uhr kümmern. Dabei ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter nach den Vorstellungen der Patienten über Sterben und Tod richten und sich vor allem mit viel Zeit den Ängsten und Sorgen der Patienten widmen. Für den Patienten ist es sehr wichtig eine Vorstellung von dem zu bekommen, was ihm bevorsteht und kein negatives

arbeitung der Erlebnisse sehr wichtig. Ganz abgesehen davon machen sich die Sterbebegleiterinnen nicht täglich ausschließlich Gedanken über so grundsätzliche Fragen wie den Tod, meint Gisela Textor. Das in ihrem Berufsalltag erlebte Leid darf aber nicht zum Maßstab werden. Auch wenn ein alltägliches Problem, wie zum Beispiel eine schlechte Schulnote des eigenen Kindes, in Relation zu den beruflichen Anforderungen nichtig erscheint, ist es wichtig sich in diesem Fall den Sorgen des Kindes voll zu widmen. Ihr alltägliches Privatleben profitiert von vielem Positiven aus ihrem Beruf: Lebensfreude, Gelassenheit, ein Blick für das Wesentliche, Offenheit für Begegnungen, die kleinen Dinge des Lebens und die Devise „heute ist der Tag und heute gilt es zu leben“.

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Bestatter Christoph Jung

Gelebte Trauer ist gut f端r das Weiterleben


Der Beruf des Bestatters ist ein distanzierterer, da er zu den Verstorbenen keine Beziehung aufbauen kann. Jedoch wird der Berufsalltag eines Bestatters nicht nur von Leichnamen geprägt. In der täglichen Arbeit gibt es sowohl sachliche als auch emotionale Aspekte. Die emotionale Bindung zu den Angehörigen hängt von der Persönlichkeit des Bestatters ab – Christoph Jung erkennt eine angemessene Form der Trauer als etwas Positives für die Persönlichkeitsentwicklung an. Der Kontakt zu den Angehörigen macht einen großen Teil der Arbeit aus, für die ein hohes Maß an Empathie gefordert ist. Schon im ersten Gespräch mit ihnen muss der Bestatter neben den formellen Dingen auch die Rolle sehen, die er für die Hinterbliebenen einnimmt: wird er sachlich als Unternehmer, als seelischer Beistand oder als professionelle Hilfe gesehen? Bereits zu diesem Zeitpunkt beginnen die Vorbereitungen der Beerdigung. Der Bestatter richtet den Toten her und bettet ihn ein, er kooperiert mit dem Friedhofsamt und dem Pfarrer, kümmert sich um eine Bestattungsgenehmigung des Ordnungsamtes, er bereitet die Durchführung

der Beerdigung vor, er arrangiert und dekoriert. Welche Aufgaben auf ihn zukommen, hängt von der Zuständigkeitsverteilung in dem Gebiet ab, in dem er arbeitet und von den Ansprüchen der Angehörigen. Christoph Jung meint, dass in der heutigen Zeit Trauergefühle keinen Platz in der Gesellschaft haben würden, und dass sich die Angehörigen im Trend für eine sparsamere Variante entscheiden. Viele wollen sich mit dem Tod nicht auseinandersetzen und sehen die Bestattung als ein überwiegend rationelles Problem. Jedoch findet Herr Jung, dass verdrängte Emotionen und Trauer wie ein Bumerang wirken, denn Trauer potenziere sich durch Unverarbeitetes. Heute gibt es viele Möglichkeiten für den Verbleib der menschlichen Überreste: die Asche gepresst als Diamant, verstreut vom Heißluftballon oder verteilt auf dem Meer, als Asche beigesetzt auf dem Friedhof, in einem Friedwald unter einem Baum oder in den Weltraum geschossen – jede Art von Leben kann einen entsprechenden Abschluss finden. Die praktische Umsetzung ist schließlich Aufgabe des Bestatters.

Dieser findet auch bei den traditionellen Beerdigungen, die immer noch am meisten gefragt sind, selten Ruhe. Ständige Bereitschaft gehört vor allem in einem kleinen Betrieb, wie der von Christoph Jung, zum Alltag. Diese Eingrenzung der persönlichen Freiheit ist zwar manchmal schwierig, war ihm aber von Anfang an klar und wird durch vieles andere kompensiert: Abwechslung, interessante Aufgaben, Begegnungen und Persönlichkeitsentwicklung. Schließlich definiere man sich über die Dinge, die man tut, meint Christoph Jung. Früher sei für ihn die Anerkennung sehr wichtig gewesen, heute jedoch zieht er daraus keine stärkere Bestätigung mehr, denn all die Dinge, die zu seinem Beruf gehören, macht er sehr gerne. All denen, die innerhalb von Sekunden auf der Straße nicht gerettet werden konnten oder auf längere Dauer im Krankenhaus; all denen, die schnell, auf längere Zeit, alleine oder im Kreis ihrer Nächsten Abschied genommen haben, möchte der Bestatter eine würdige Gedenkstätte bereiten. Einen Ort, an dem die Lebenden des Verstorbenen und der alles innewohnenden Vergänglichkeit gedenken.

„In der heutigen Zeit haben Trauergefühle keinen Platz mehr in der Gesellschaft.“

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Ein Feuerwehrmann, eine Notärztin, ein Pathologe, drei Hospizmitarbeiterinnen und ein Bestatter.

Wie berichten von Menschen, die sich zum größten Teil nicht kennen und zwischen denen auf den ersten Blick durch ihre berufliche Tätigkeit nur indirekt eine Verbindung besteht. Nach-dem wir uns aber mit ihnen über das Leben, den Tod und ihren Beruf unterhalten hatten, stellten wir fest, dass es sehr viele Gemeinsamkeiten gibt: Freude an der Arbeit, Abwechslung, Bereitschaft sich Menschen und ihren Schicksalen zu widmen, eine gewisse Tiefsinnigkeit, Lebensfreude und schließlich eine Wertschätzung des Lebens, die sich aus der Konfrontation mit dem Tod

ergeben hat und die sie auch anderen Menschen vermitteln möchten. „Wir fügen uns nicht dem Tod, wenn wir sterben, wir fügen uns ein in den Fortgang des Lebens, das kein Verweilen kennt.“ Willigis Jäger Wie schmerzhaft der Tod sein kann, erfahren unsere Interview­partner in ihrer Berufspraxis mehr als es sich manch anderer vorstellen kann – dennoch verstehen sie besser als manch anderer, dass der Tod ein natürlicher und unaus-

weichlicher Bestandteil unseres Lebens ist. Umso schöner ist es, wenn die letzten Phasen eines Menschenlebens von Menschen professionelle Hilfe bekommen, die ihren Beruf mit viel Hingabe ausführen. „Die Angst des Ich vor dem Tod [ist] berechtigt. Es wird sich auflösen, obwohl es dafür geschaffen ist, eine solche Auflösung des Lebens zu verhindern“ Willigis Jäger.

Quellen: Quarch, Christoph / Walcher, Elisabeth (Hg., 2010): Die schönsten Texte von Willigis Jäger. Freiburg im Breisgau: Herder (= Perlen der Weisheit. Herder Spektrum 6208) Mihm, Dorothea (2003): Mit dem Sterben leben. Aus der Praxis der spirituellen Sterbebegleitung. Krummwisch: Connection Medien. Königsfurt-Urania.

Von Katharina Frese & Amrei Vogel


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Mythen des Arbeitsalltags

La Femme d’Argent Sixteen Tons >> Tennessee Ernie Ford Medley: Just A Gigolo/I Ain’ No Money Down >> Chuc Get A Job >> The Silh It’s My Life >> The Animals Friday On My Mind >> The Mercedes Benz >> Lonely At The Top Slave Driver >> Bob Marley Luxury >> The Rolling Free Money >> P Welcome To The Working Wee Die Mensch-Maschine >> Clampdown >> The C Synchronicity II >> Working On The Highway >> Diamonds And Gold >> I.O.U. >> The Capitalism Stole My Virginity >> The (Int We Suck Young Blood (Your tim The Trawlerman’s Song Fingers In The Factorie Working Man’s Blues #2 Cough Up The Bucks >> Hobo’s Blues >> Pau 106

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Thief

Shangri-La

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Back

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To

Modern In Paul

2003 2004

Room

2005

Times

2006

The Simon

Road

2007 1972

simfy.de/profiles/skttrbrain/playlists/12714064


954.459

meldepflichtige Arbeitsunfälle (+ 7,7 %) und tödliche Arbeitsunfälle (+ 13,8 %)


9 1 5 im Jahr 2010 ohne Wegeunf채lle (Ver채nderung gegen체ber Vorjahr) - DGUV

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Die Goldene Regel

Eine Utopie „Was du nicht willst, was man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu.“: Der Schlüsselspruch zum sozialen Glück. Wir alle kennen ihn. Er klingt ja recht nett und einleuchtend, ist von der Realität aber leider weit entfernt. Zumindest in der Arbeitswelt. Denn was da so zwischenmenschlich vor sich geht ist alles andere als vorbildlich und zieht sich dennoch wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte. Erklimmt das kleine und unbedeutende Individuum erst einmal den Gipfel der Macht, kollabiert es in seinem Sozialverhalten alsbald aufs tiefste Niveau. Denn „Macht“ wäre nicht gleich „Macht“, wenn man sie nicht dazu nutzen würde, den restlichen, unterwürfigen Menschen das Leben zur Hölle zu machen. Manch einem Lehrer beispielsweise kommen die Blagen recht gelegen. Um noch fatalere Auswirkungen zu umgehen, müssen sie ja sowieso alles still und leise hinnehmen. Schwächelt der eine, ist dies der Startschuss zur Boykottierung jeglichen noch verbliebenen Selbstbewusstseins des sowieso schon pubertätsgequälten Jünglings. Verbale Attacken werden gerne persönlicher und Sechsen fliegen wie Konfetti durch‘s Klassenzimmer. In dieser Position kann es sich der Lehrer schließlich leisten. Wer kann sich dagegen wehren? So ist das mit der Macht.

Das gleiche Vorgehen lässt sich auch bei einigen Busfahrern beobachten: Du bist zu spät, ächzt die letzten Meter zum Bus und denkt dir: „Den krieg‘ ich noch!“. Da macht der doch glatt die Tür schon zu. Du klopfst keuchend an die Tür und denkst „Gerade noch rechtzeitig!“. Aber nein. Die Räder setzen sich in Gang und du siehst nur noch ein selbstgefälliges Grinsen gen Horizont fahren. „Was für ein A...“. Und wer kann sich dagegen wehren? So ist das mit der Macht. Man sollte meinen wenigstens einem Arzt stünde das Wohlergehen der Menschen im Vordergrund, dabei geht es bei vielen, wie soll es anders sein, nur um die Moneten. „Privat oder nicht privat?“. Das ist hier die Frage. Die einen werden auf Händen gehoben, die anderen in die Massenabfertigung abgeschoben. Auch in Sachen Gesundheit wird in Machtangelegenheiten wohl kein Auge zugedrückt. Für gutes Geld bleibt die Menschlichkeit gerne auf der Strecke. Ganz getreu dem Motto: „Friss oder Stirb.“ Aber wer kann sich dagegen wehren? So ist das mit der Macht. Einige Unternehmer toben sich auch gerne schon mal auf globaler Ebene aus. So erwischt man nämlich gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche. Arbeitnehmer des gesamten Erdballs werden nach dem Konzept „Profitmaximierung bei Kostenminimierung“ aus-

gebeutet und von den Großen dieser Welt unterdrückt. Und durch die Globalisierung und die daraus folgernden Kausalketten erreicht man nicht nur seine Arbeitnehmer, sondern gleich noch deren Familien und sowieso den ganzen Rest der Welt. „All inclusive“ sozusagen. Na, wer kann dich dagegen schon wehren? So ist das mit der Macht. Aufgepasst! Die Dimensionen weiten sich: Unzählige unserer vertrauenswürdigen Politiker setzen dem Ganzen nämlich noch die Krone auf. Die Mächtigsten der Welt leben in der Vorstellung, die Hauptakteure eines Simulationsspiels zu sein und haben anscheinend jeglichen Draht zur Realität verloren. Putin Langstrumpf macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt: Es wird belogen und betrogen, gemordet und zerstört und das alles wahrscheinlich auch noch mit gutem Gewissen. Und wer wehrt sich nun dagegen? Warum ist das so mit der Macht in unserer Welt? Ich dachte immer die Weltherrschaft an sich zu reißen, wäre nur die lächerliche Wunschvorstellung einer griesgrämigen Labormaus. Dabei wimmelt unsere Welt tatsächlich nur so von größenwahnsinnigen Ratten, die genau dies jeden Abend aufs Neue versuchen... und leider auch erreichen. ANNIKA PENNER

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„Du musst jederzeit bereit sein, alles stehen und liegen zu lassen.“ Jochen Berghahn erzählt, was es bedeutet, freiberuflich selbstständig in der Medienbranche zu sein. Von Nadja Berghahn

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In der Medienbranche werden die festen Arbeitsplätze rar und so müssen sich viele Arbeitnehmer freiberuflich selbstständig machen. Jochen Berghahn (53 Jahre) arbeitet seit 10 Jahren als Cutter für verschiedene Unternehmen und pendelt deswegen zwischen Bonn und Mainz. Es handelt sich um eine abwechlungsreiche Arbeit, die aber ein hohes Maß an Flexibilität erfordert. In dem verdunkelten Raum ziehen die zwei leuchtenden Computermonitore jede Aufmerksamkeit auf sich und lassen keinen Zweifel offen, dass sie die wohl wichtigste Rolle in diesem Raum spielen. Aber auch selbstgeschriebene Rechnungen und eine Packliste geben Hinweise auf die Tätigkeit von Jochen Berghahn. Er ist freiberuflich selbstständiger Cutter. „Morgen geht es wieder los. Dann heißt es Koffer packen und ab nach Mainz, wie jede zweite Woche.“ erklärt Berghahn mit angespannter Miene, während er sich die wichtigsten Sachen notiert, die er in seine Wohnung mitnehmen muss. Die nächste Woche wird er beim ZDF arbeiten und von seiner Familie getrennt in Mainz wohnen. „Das Geld muss ja (irgendwie) reinkommen“ sagt er und erzählt, dass er lieber nach Mainz pendle als zum Beispiel „Bigbrother“ für RTL zu schneiden. Wenn er in Bonn ist, arbeitet er für weitere Sender, wie für den WDR oder Phönix. Was man da macht? Das Filmmaterial der Kameramänner wird zusammen mit dem Redakteur zu einem geeigneten Kurzbeitrag verarbeitet. Der Cutter ist hauptsächlich für die Nachrichten zuständig. Als Freiberufler hat er keine Angestellten, sondern arbeitet bei verschiedenen Unternehmen in der Umgebung. Zuhause in seinem Büro schneidet er jedoch nicht für die Auftrag-

Aber nach dem Feierabend ist die Arbeit ja noch längst nicht vorbei!

geber, das geht nur vor Ort. Aber nach dem Feierabend ist die Arbeit ja noch längst nicht vorbei. „Als Selbstständiger muss man seine Rechnungen selber schreiben und auch die Steuerabrechnungen müssen gemacht werden. Da haben es Angestellte einfacher.“ sagt Jochen Berghahn. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist vielen Menschen in Deutschland zu riskant. Der Amway European Entrepreneurship Report 2011 hat herausgefunden, dass in Deutschland ein Gründerwille da ist, aber den Meisten einfach der Mut fehlt. Neben der Gründung einer eigenen Firma gibt es aber auch noch andere Möglichkeiten, sein eigener Chef zu werden. Im Dienstleistungsgewerbe kann man sich so als

Freiberufler ebenfalls eine eigene Existenz aufbauen. Man bietet seine Dienstleistungen verschiedenen Unternehmen an und kann von ihnen gebucht werden, so wie bei Berghahn. Man muss aber nachweisen, dass man für mehrere Sender arbeitet und nicht nur für Einen. „Aber die Selbstständigen werden eh nicht mehr als einen festgelegten Stundensatz im Jahr gebucht. Würde ich mehr bei einem Sender arbeiten, könnte ich mich einklagen. Dann müsste man mich anstellen.“ erklärt Jochen Berghahn. Das versuchen die Unternehmen zu vermeiden. Deshalb muss man sich um genügend Kunden kümmern. Oftmals kommt es aber vor, dass Sender kurzfristig anrufen und man an diesem Tag schon von einem anderen Unterneh-


men gebucht wurde. „Je öfter man einem Sender absagen muss, desto seltener rufen sie dich noch an.“ so Berghahn. Man sollte also ständig am Ball bleiben und einen guten Kundenkontakt pflegen. Freiberufler in der Medienbranche sind nicht selten, gerade dort sind feste Stellen rar. Viele seiner Kollegen sind in den letzten Jahren in die Selbstständigkeit gegangen, ob Kameramann, Journalist oder Cutter. Die Medien seien ein beliebtes Berufsfeld aber die Arbeitsplätze sind begrenzt. Außerdem gehen auch immer wieder kleinere Firmen an der Wirtschaftskrise oder an Sparmaßnahmen kaputt. Es gäbe aber auch junge Nachwuchsjournalisten, die sich von der Selbstständigkeit

Die festen Arbeits­ plätze in der Medienbranche sind rar. mehr Abwechslung und einen größeren Profit versprechen, erzählt er. Auch bei Berghahn war der Schritt in die freiberufliche Selbstständigkeit nicht die Verwirklichung eines Traumes. Bis 1998 war er Angestellter bei SAT1, doch mit der Verlegung der Hauptstadt von Bonn nach Berlin, musste er eine Wahl treffen. Wenn er mit nach Berlin gegangen wäre, hätte er weiterhin für Sat1 arbeiten können. Berlin gefiel ihm und seiner Familie aber nicht und deshalb entschied er sich gegen einen festen Arbeitsplatz und somit für die Selbstständigkeit. Seit 10 Jahren ist er als selbstständiger Cutter für verschiedene Unternehmen im Gebiet Köln und Bonn unterwegs. Die Sender vergeben aber nicht mehr so viele Aufträge, deshalb hat sich der 53-Jährige Cutter vor einem Jahr zusätzlich für das Pendeln entschieden. Es sei anstrengend aber nötig. Wie der Alltag eines freiberuflichen Cutters aussehen würde? Wenn Jochen Berghahn

Jochen Berghahn pendelt immer zwischen Bonn und Mainz, um für verschiedene Unternehmen zu arbeiten.

zuhause in Bonn ist, bekommt er verschiedene Aufträge von Unternehmen aus der Umgebung. Mal sind es weniger, mal mehr. Die Auftragslage variiert nach Jahreszeit und der Nachrichtensituation. Oftmals herrscht gerade in der typischen Urlaubszeit ein Mangel an Angestellten und dann sind die Selbstständigen gefragt. „Du musst jederzeit bereit sein alles stehen und liegen zu lassen. Selbstständigkeit bedeutet eben ein hohes Maß an Flexibilität.“ Jede zweite Woche hat er einen festen Auftrag beim ZDF. Dann heißt es Koffer packen und nach Mainz pendeln. Am Wochenende kehrt er aber sofort wieder nach Bonn zurück.

die Abendsendung. Jochen Berghahn lässt seinen halb gepackten Koffer stehen und greift nach den Autoschlüsseln. „Wenn ich mich noch mal entscheiden könnte, hätte ich mich in jüngeren Jahren auf jeden Fall für die Selbstständigkeit entschieden. Man kann da schon mehr Geld verdienen. Aber mit der Zeit sollte man sich eine feste Stelle suchen, bevor man zu alt ist. Der Stress und die jüngere Konkurrenz verstärken dann den Wunsch nach einem gesicherten Arbeitsplatz.“ sagt er und verschwindet durch die Haustür.

Plötzlich klingelt das Handy. Es ist wieder soweit: Der WDR braucht einen Cutter für

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Money Mon Always Sun

Wir schaffen, schuften, bucke rackern, plagen und hantieren sind laut der Bundesagentur Erwerbst채tige in Deutschland macht sich werkt채glich die Finge und zerbricht sich dabei den Ko


ney Money, unny.

eln und knechten, wir ackern, n. Wir funktionieren. Wir, das für Arbeit rund 40 Millionen d. Die Hälfte der Bevölkerung er schmutzig, den Rücken krumm opf. Doch wozu das Ganze?

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Selbstverwirklichung – eine Antwort, die viele Menschen auf die Frage geben, weshalb sie sich für ihren Beruf entschieden haben. Der Job ermöglicht kreative Entfaltung, eine Vertiefung der eigenen Interessen und gibt dem Leben einen Sinn. Viele Deutsche können sich ein Leben ohne Arbeit gar nicht vorstellen. Der plötzliche

Verlust des Arbeitsplatzes würde sie in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Eine seltsame Bilanz, sprechen doch aktuelle Forschungsergebnisse des Instituts Arbeit eine andere Sprache. Demnach sinkt die Zufriedenheit am Arbeitsplatz seit Mitte der 1980er in einem langfristigen Trend. Im internationalen Vergleich lagen die Deutschen

2010 in Sachen Arbeitszufriedenheit auf den hinteren Plätzen. Nachvollziehbar ist dieses bescheidene Abschneiden, betrachtet man Statistiken zur Arbeitslosigkeit, sinkende Löhne und den enormen Anstieg beruflich bedingter Krankheiten in den letzten Jahren.


Im vergangenen Jahr meldete die Bundesagentur für Arbeit über 3 Millionen Arbeitslose, darunter 325.378 Jugendliche. Der Arbeitsmarkt bietet Berufseinsteigern keine rosige Zukunft. Auch 2012 herrscht in der gesamtweltwirtschaftlichen Entwicklung laut Prognosen des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) vor allem Unsicherheit vor. Für

die deutsche Wirtschaft seien vor allem die Risiken aus der Staatsschuldenkrise und die damit verbundene Verunsicherung der Finanzmärkte von Bedeutung – ihre Auswirkungen bleibe es nun abzuwarten. Unmittelbare Folgen der Staatsschuldenkrise sind in Griechenland zu sehen. Dort war die Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 mit 16,3 Prozent so hoch wie noch

nie zuvor seit der Datenerhebung 1998. Überbieten kann das nur Spanien mit einer landesweiten Arbeitslosenquote von über 20 Prozent im Oktober 2011. Regionale Spitzenwerte, wie zum Beispiel in Cádiz, lagen bei über 30 Prozent.

Money, It‘s a HiT. Eine begrenzte Anzahl an Arbeitsplätzen ist nur eine Herausforderung, die es auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen gibt. Die Anforderungen an die Beschäftigen sind hoch: sie sollen mehr Leistung für weniger Geld bringen und dabei besonders flexibel sein. Bedingungen, die häufig in Konflikt zu persönlichen Interessen und familiärem Leben stehen. Zum einen geht vielen Menschen die Frage durch den Kopf, ob die Arbeit ihr Geld wert ist. Zeit

ist kostbar und nicht jeder ist bereit diese aufzuopfern, wenn die entsprechende Bezahlung nicht stimmt. Das stellt eine Erklärung dafür dar, dass trotz 2 Millionen gemeldeter Arbeitsstellenangebote noch rund 3 Millionen Leute ohne Beschäftigung sind. Statt einer schlecht bezahlten Arbeit nachzugehen, bevorzugen einige Deutsche es, ihre Zeit nach ihrem Belieben zu gestalten. Mehr Zeit haben um die Welt zu bereisen, seinen großen Träumen nachzugehen

oder ganz einfach, um für seine Familie da zu sein – wer träumt nicht davon? Allerdings benötigt man schlicht und einfach Mäuse, Kröten und Groschen, wenn man sich einen gewissen Lebensstandard leisten möchte. Wer nicht arbeitet, dem fehlt es an Tacken, Öcken und Euronen.

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Das Leben hat einen hohen Preis: durchschnittlich 2245 Euro im Monat gaben deutsche Haushalte im Jahr 2008 zu Konsumzwecken aus. Laut des Statistischen Bundesamtes wurde knapp die Hälfte für Wohnen und Energie sowie Nahrungsmittel und Getränke verwendet, während lediglich elf Prozent der Unterhaltung und dem Vergnügen dienten.

Arbeit ist nicht nur der Weg zum Selbst, viel mehr ermöglicht uns Arbeit überhaupt einen bestimmten Weg zu gehen, wenn auch mit einigen Hindernissen. Ein Problem, das sich besonders in den letzten beiden Jahrzehnten gezeigt hat, sind Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In diesem Zusammenhang spielen veränderte

Rollenbilder eine wichtige Rolle. Frauen wollen nicht mehr zuhause sitzen, sie wollen sich den Herausforderungen der Berufswelt stellen. Flexibel sein und zugleich Kinder bekommen gelingt nur wenigen Frauen. In diesem Konflikt muss einer den Kürzeren ziehen - aktuell scheint dies die Familie zu sein. Die Geburtenraten gehen zurück, während die Arbeits-

Money, get a Good job and You‘re Okay. zeiten steigen. Laut des Statistischen Bundesamtes arbeiten Deutsche im Durchschnitt 29,95 Stunden pro Woche. Auf den ersten Blick erscheint dies sehr wenig, die Statistiken führen jedoch in die Irre: es handelt sich lediglich um einen Mittelwert, welcher auch Teilzeitarbeiter, Minijober und geringfügig Beschäftigte berücksichtigt. Jeder zehnte Vollzeitarbeiter hingegen arbeitet heutzutage mehr als 60 Stunden pro Woche. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für

Familie, Freizeit und Entspannung. Analog zur Arbeitszeit steigen auch die Zahlen der psychischen Erkrankungen. Im Vergleich zu 1999 ist die Zahl der psychischen Erkrankungen im Jahr 2010 um 80 Prozent gestiegen. Laut einer Hochrechnung der AOK auf alle gesetzlich Krankenversicherten waren circa 100.000 Arbeitnehmer wegen Burnout krank geschrieben. Die Zahlen sind erschreckend und Mediziner rechnen mit dem schlimmsten.

Sie gehen davon aus, dass 2030 Prozent aller Berufstätigen mindestens einmal in ihrem Leben an Burnout erkranken. Wenige schaffen es nach dem Arbeiten bis zum Umfallen einfach so wieder aufzustehen: wer nichts gegen die totale Erschöpfung unternimmt, riskiert Suchterkrankungen, Angststörung und Depression und hat mit all seinem Schaffen bezweckt, für den Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr leistungsfähig zu sein.

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Arbeit fordert uns. Selbstverständlich ma tet uns auch Vergnügen. Viele Bekanntsc sen, Freundschaften entstehen und soga Ein Job strukturiert unseren Alltag und g Identität, darüber ist sich die Psychologie Zusätzlich ist eine bestimmte Kontinuität e

Prinzipiell bietet der Beruf also gute Vor In der Gesellschaft ist der Beruf ein wich zuordnen. Fragt man sein Gegenüber „Was was gemeint ist. Inwieweit sich Menschen bleibt fraglich. Die heutige Arbeitswelt, in nung sind, bietet keine Kontinuität. Halt bie Religion.

Arbeit hat ihre guten und ihre schlechten ökonomischen Gründen unvermeidlich. Ein und Freizeit muss jeder für sich persönlich werden, dass Arbeitszeit auch Lebenszeit Welt bezahlbar.


macht sie nicht immer krank, sonnder bereichaften werden am Arbeitsplatz geschlosar Partnerschaften entwickeln sich dort. gibt unserem Leben eine gewisse Stetigkeit. e einig, kommt weitgehend sozial zustande. erforderlich.

raussetzungen für unsere Selbstfindung. htiger Anhaltspunkt, um Mitmenschen eins sind Sie?“ weiß dieser oder diese sofort, sich selbst über ihren Beruf definieren, n der ständige Jobwechsel an der Tagesordeten vielmehr Familie, Freunde, Hobbies und

n Seiten. Für die meisten ist sie allein aus n angemessenes Verhältnis zwischen Beruf h finden. Dabei sollte jedoch nie vergessen ist. Diese ist nun mal mit keinem Geld der

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Spielanleitung An dieser Stelle ist dein Köpfchen gefragt! Über das gesamte Magazin verstreut findest du Bilderrätsel, die jeweils einen Beruf oder einen Arbeitsplatz darstellen sollen. Welcher Bereich gefragt ist, erfährst du auf der entsprechenden Seite. Bevor es mit dem ersten Foto losgehen kann, noch ein Hinweis vorab: Die zu erratenden Bezeichnungen bestehen aus zwei zusammengesetzten Wörtern, die einzeln dargestellt sind

Viel Erfolg beim Knobeln!


RÄTSELECKE DIE ERSTE: WER BIN ICH?

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RÄTSELECKE DIE ZWEITE: BERUFSBEZEICHNUNG – WER IST DAS?


ARBEITSPLATZ MAL ANDERS – WO IST DAS?

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RÄTSELECKE DIE DRITTE: ARBEITSPLATZ MAL ANDERS – WO IST DAS?


EBENFALLS EIN ARBEITSPLATZ – WO KÖNNTE DAS SEIN?

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Impressum Das Magazin ist im Rahmen des kulturwissenschaftlichen Projekt-Seminars „Arbeitswelten/ Lebenswelten“ an der Universität in Koblenz entstanden. Die Erarbeitung der Inhalte sowie die grafische Umsetzung des Layouts wurde von den Studierenden übernommen. Die Redaktion bestand aus: Nadja Berghahn, Mona Bittner, Katharina Frese, Helena Gallinger, Ramona Gietzen, Caroline Laura Hahn, Lisa Hoerth, Julia Holzapfel, Laura Horst, Lukas Hubertz, Michelle Minwegen, Maike Neumann, Annika Penner, Henrike Riemann, Luisa Riemer, Oskana Schirmer, Luise Sobetzko, Christopher Southernwood, Stefan Thormann, Amrei Vogel. Begleitet wurde die Redaktion durch die Agentur Art Kommunikation GmbH, deren Geschäftsführer Frank Jüngst grundlegende Kenntnisse des Layouts und der grafischen Umsetzung während des Projektseminars vermittelt hat. Das Seminar fand weiter unter Organisation und Betreuung durch Thomas Metten statt.

Institut für Kulturwissenschaft Das Institut für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau beschäftigt sich aus interdisziplinärer Perspektive mit der Analyse kultureller Prozesse und Produkte – in Gegenwart und Geschichte, in Theorie und Praxis, in Alltag und Beruf, im lokalen Bezug und international. Dem Institut gehören die Seminare Ethnologie, Medienwissenschaft und Philosophie sowie zahlreiche Wissenschaftler aus anderen Instituten des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften an der Universität in Koblenz an. Seit dem Wintersemester 2008/2009 bieten die beteiligten Fächer gemeinsam den Bachelor- und Master-Studiengang »Kulturwissenschaft« an. Artkommunikation GmbH Die Art Kommunikation GmbH – oder kurz artKOM – wurde 1998 in Koblenz gegründet. Dort arbeiten Kommunikationsdesigner, Mediengestalter, Texter, Konzeptioner und Kundenberater, um Markenkommunikation medienübergreifend erfolgreich realisieren zu können. Wie der Name artKOM schon sagt, steht die Kommunikation stets im Mittelpunkt. Offene Dialoge und ein Gespür für die Zielgruppe sind die Basis dafür, dass sich die Kunden der Agentur gut aufgehoben und verstanden fühlen. Deshalb kann das Unternehmen auf eine langjährige Erfahrung in den Bereichen Industrie, Dienstleistung, Bildungsträger und B2C zurückblicken.

Agentur für Markenkommunikation


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