Polirama

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M A G A Z I N P R O J E K T D E S I N ST I T U T S F Ü R K U LT U R W I S S E N S C H A F T

POLIRAMA No.

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editorial „Sehr geehrte Wählerinnen und Wähler, in Zeiten epochaler Umwälzungen sind Kontinuität und Verlässlichkeit wichtiger denn je. Wir erleben herausfordernde Zeiten, in denen große Aufgaben zu bewältigen sind. Es geht um das Ganze, welches es aus multiperspektivistischer Sicht zu beleuchten gilt. Blablablabla… fkfndgrsjgkhdf gdfusioneaotcxheinsparungenfjhtcbddhspbgesetzesentwurfjrfhgcsüklgmgwahlenhgfthdxgsjh… Wichtigwichtigwichtig…“ Laaaaaaaaaaaaaaaaaangweilig und tausendfach gehört! Spitzenpolitiker in schicken Anzügen, die irgendwas bestimmen, von dem wir eh keine Ahnung haben (sollen) und stundenlang eine Floskel an die andere hängen, die man beliebig austauschen kann. Jaja, Politik ist anstrengend und verdammt kompliziert und ganz weit von mir entfernt. Jedenfalls ist dies eine gängige Meinung, die sich quer durch die Gesellschaftsschichten zu ziehen scheint. Dabei durchläufst Du doch im Laufe Deines Tages diverse Prozesse der politischen Meinungsbildung und handelst dementsprechend. Ob bei der Klassensprecherwahl schon in der Grundschule oder auch einfach, wenn Du Dich beim Einkaufen für die ekelhaften Fairtrade-Chips und gegen die leckeren Marken-Chips entscheidest. Nicht-politisch zu sein ist also schlichtweg nicht möglich, bis Du das Zeitliche segnest. Dabei laufen die meisten Entscheidungen unreflektiert ab und geben sich somit nicht eindeutig als politisch zu erkennen. Es ist ein spannender Prozess, genauer hinzusehen und den Versuch zu unternehmen, zu entlarven, wo überall Politik in unserem Alltag – auch ohne unser Wissen – zum Tragen kommt. POLIRAMA versteht sich als eine Art Weitwinkel-Objektiv, welches nicht das große Politische ins Auge fasst, jedoch verschiedene Gucklöcher zur Verfügung stellt, die durch die Perspektiven des Alltäglichen möglich werden. Hierbei möchten wir keineswegs die große Politik verleumden, sondern vielmehr den Blickwinkel ändern und eine neue Aussicht schaffen. Die behandelten Themen sind so vielfältig wie das Leben selbst und die unterschiedlichen Herangehensweisen machen das Lesen zu einer faszinierenden Reise durch die (mikro)politische Zeitgeschichte. Immer vor dem Hintergrund der konkreten und persönlichen Begegnung mit Politischem im Alltag. Dabei erwarten Dich manche Beiträge mit informativ-dokumentarischem Charakter, andere nähern sich dem Politischen auf unterhaltsame augenzwinkernde Weise ;-) Die Artikel geben die Meinungen der jeweiligen AutorInnen wieder.

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Editorial

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Endlich Nichtpolitiker!

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Gedankenwelt eines närrischen Prinzen

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Göttlicher Exzess

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Der Mittelscheitel

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Der Austausch von Medikamenten

durch den Apotheker

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Mit Mutter Beimer durch

die Zombie-Apokalypse

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SMS von letzter Nacht.....

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AStA - Wer?

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‚Mode zeichnet Zeit‘

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Berlin

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Der verbitterte Mann

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BRANDT ZURÜCK !!!

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Einkaufen politisch korrekt!?

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Schwarz sehen

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Gehemmte Gewinner

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Aus dem Leben eines Kulturdezernenten

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Life balance

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zum immateriellen Weltkulturerbe könnte er sich endlich vor böswilligen Intrigen, seine Person betreffend, schützen. Immer wieder hatten seine Diener zu Hofe von Versuchen berichtet seine Regentschaft in die Zeit des Hochsommers zu verlegen. Feiern bei erfrischenden Cocktails, 30°C und Sonnenschein – davon träumte der gemeine Pöbel. Aber ein Prinz ließ sich

Gedankenwelt eines närrischen Prinzen Stolz wirft sich der Prinz in die Brust und betrachtet seine prachtvolle Erscheinung im Spiegel. Die Narrenkappe sitzt, das Kostüm wie angegossen und das Zepter erstrahlt in Gold und Silber. Kein Wunder, dass solch eine glanzvolle Persönlichkeit die Aufmerksamkeit der UNESCO früher oder später auf sich ziehen musste. Nun endlich würde er angemessen gewürdigt werden und schließlichdochinternationalesParkettbetreten. Zugegeben, nicht ganz ohne Unterstützung seiner Untertanen. So war von verschiedenen Interessensgruppen innerhalb seines Reiches die Aufnahme des rheinischen Karnevals in das Weltkulturerbe gefordert worden. Dazu wurde ein entsprechender Antrag an die UNESCO gestellt, nachdem die Initiative im September 2013 durch den „Bund Deutscher Karneval“ ihren Anstoß fand. Als bescheidener und in Demut geübter Regent hatte der Prinz sich damit begnügt, nur

im Hintergrund die Fäden zu ziehen, wie es einem Monarch eben gebührt. In seinem Auftrag hatte der Präsident der Interessengemeinschaft Mittelrheinischer Karneval (IDMK), Peter Krawietz, für die Karnevalshochburgen Mainz, Frankfurt und Wiesbaden eine Bewerbung an das rheinland-pfälzische Bildungsministerium in Mainz abgeschickt. Eine endgültige Entscheidung zu diesem Anliegen soll dann von einer Jury der Kultusministerkonferenz (KMK) gefällt werden. Als moderner Herrscher verstand der Prinz es schließlich, seine Untertanen mit demokratischen Privilegien gewogen zu stimmen. Mit solch einer glanzvollen Ernennung

Bedenke, mein geliebtes „Volk, Karneval wäre nicht Karneval, würde man sich nicht unter grauem Himmel in Schneewehen oder Regenpfützen sämtliche Gliedmaßen abfrieren!

eben nicht so leicht zurechtbiegen und folgte nicht dem Wankelmut des einfachen Volkes. Und wie ein Vater an seine trotzigen Kinder, so würde auch er Worte der Vernunft an seine Untertanen richten: Doch nicht nur Schutz würde diese Ernennung bringen, nein, auch Ruhm und Ehre würden Einzug halten in seinen Palast. Er würde eine Vorreiterstellung einnehmen, konnten doch bis jetzt nur Kulturlandschaften und Bauwerke zu einem Teil des Weltkulturerbes ernannt werden. Einen Pionier würde man ihn nennen. Und das mit Recht. Endlich würde er jene Verblendeten, die die Fastnacht nur mit der rapide ansteigenden Zahl von Alkoholvergiftungen und mehr oder weniger gelungenen Kostümierungen verbanden, Lügen strafen. Ohne6

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hin war es dem Prinzen schleierhaft, wie man ihm gegenüber eine solche Ignoranz und Engstirnigkeit zeigen konnte. Hatte er nicht seit je her die höchste Form der Politik betrieben? Schon zu Zeiten des dunklen Mittelalters hatte er sich nicht gescheut politische, wirtschaftliche und soziale Missstände anzuprangern. Er war der spätmittelalterlichen Oberschicht, die in ihm eine solche politische Sprengkraft sah, dass sie Übergriffe und Aufruhen innerhalb der Bevölkerung befürchtete, immer ein Dorn im Auge gewesen. So sehr, dass diese sich sogar gezwungen sah, die Fastnachtszüge zu seinen Ehren zu reglementieren. Doch da hatten sie die Rechnung ohne sein treues Gefolge gemacht, denn bekanntlich hielt so ein Narr nicht viel von Vorschriften und Zensuren. Der Schalk im Nacken der Menschen hatte sich also einige Zeit gehalten und er war es auch heute nicht müde, den

Großen und Mächtigen in die Suppe zu spucken. So fanden in den Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz noch heute jährlich an Weiberfastnacht und Rosenmontag große Festzüge mit allerlei aufwendig gestalteten Festwagen und bunt gemischten Fußgruppen statt. Inmitten von Kamellen, Alkohol, Musik und knallbunten Kostümen ließ es sich der Prinz nicht nehmen Politiker an den Pranger zu stellen und große Weltpolitik im kleinen Kreise zu parodieren und durch den Wolf zu drehen. Dabei ging er nicht gerade zimperlich mit den Beteiligten um und machte sich einen Spaß daraus, die Großen der Weltbühne in die Mangel zu nehmen. Kein gutes Haar ließ er da an politischen Größen, wie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush und auch Innenminister Schäuble bekam bereits in Sachen Datenschutz und Schutz

der Privatsphäre sein Fett weg. Ja, sein Herz hatte schon immer für das einfache Volk geschlagen. Und so verteidigte der Prinz es nicht nur gegenüber dubiosen Gestalten, die es wagten sich Politiker zu nennen, sondern ließ es auch an seiner Regentschaft teilhaben. Zumindest in dem Maße, in dem man es dem gemeinen Pöbel zugestehen konnte. Da gab es Vorsitzende, Protokollanten und Vortragsredner und die Rede war vom IGMK (Interessengemeinschaft Mittelrheinischer Karneval) und BDK (Bundes Deutscher Karneval

e.V.). Solche regionalen bzw. bundesweiten Vereinigungen vertraten dabei nicht gerade wenige seiner Jecken, so hatte der BDK 5000 Mitgliedsvereine, hinter denen mehrere Millionen Menschen standen. Doch musste man nicht Mitglied eines Vereines sein, um an der Narrenpolitik teilzuhaben. In Mainz oblag es den Bürgern jährlich ein neues Motto zur Fastnacht vorzuschlagen. Die nach der Beendigung der jeweiligen Kampagne eingehenden Vorschläge wurden dann von einer 29-köpfigen Jury, bestehend aus Vertretern

man ihn zum König von Europa „ Als gekrönt hatte, schaffte er als erstes den tristen Februar ab. Bei einem Attentat, das eigentlich ihm galt, wurde versehentlich Prinz Karneval getötet, weil seine Narrenkappe einer Krone etwas ähnlich sah.

Ingrid Noll der Fastnacht, Politik, Wirtschaft und Medien, gesichtet und aus diesen wurde dann im Juni ein Motto für das nächste Jahr gewählt. Solch gnadenvolle Zugeständnisse gewährte nicht jeder Monarch seinem Volk. So grübelt Prinz Karneval noch eine Weile vor sich hin, während er in seinem Thronsaal auf und ab schreitet. Große Pläne formen sich unablässig in seinem Gemüt. Nun endlich würden ihm die Würdigungen zukommen, die er verdiente. Schließlich war er der Wohltäter des kleinen Mannes, ja geradezu ein Mäzen, der es verstand, den tristen Winter mit seiner prachtvollen Gestalt zu erhellen.

Zugegeben, nicht gerade ein strahlendes Licht der Vernunft und Mäßigung war er, doch dafür besaß er andere Tugenden, die weitaus wertvoller waren. Jawohl, von ihm konnten die Potentaten dieser Welt noch etwas lernen, dessen war er sich sicher. Mit diesem Gedanken rückt er die majestätische Narrenkappe zurecht, wirft sich den purpurnen, mit Hermelinfell verbrämten Königsmantel um die Schultern und macht sich bereit für eine weitere turbulente Phase seiner Regentschaft. Natalie Henzgen 8

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Der Mittelscheitel Liebe in Putins Russland

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„Dima ist kriminell.“

Dima ist kriminell. Dima hat Kinder in ihren Ansichten zu traditionellen Beziehungen deformiert. Dima ist ein Schädling und verursacht den moralischen Untergang seiner Heimat. Das alles hat er schon oft gehört: von Politikern im Fernsehen, von Kommilitonen an der Uni, von seinem Opa bei seinem Coming Out als Homosexueller vor zwei Jahren. Damals war er 19. Nichts Neues also, schmerzhaft, aber er hat sich daran gewöhnt. Gewöhnt hat er sich auch an die angewiderten Blicke der Passanten, wenn er mit seinem Freund Hand in Hand durch Moskau spazierte. Wenig überrascht war er auch als er sich bei einer Demonstration für mehr Rechte von Homosexuellen letzten Jahres eine blutige Nase durch einen Gegendemonstranten einhandelte. Schmerzhaft aber Dima war immer stolz darauf für sich und seinen Freund zu kämpfen, indem er mit bunten Plakaten protestierte und sogar an der Uni regelmäßig Debattierrunden zum Thema „Homophobie in Russland“ leitete. Auch hier wurde er ab und an beschimpft. Schmerzhaft aber er hat sich daran gewöhnt. Er vertrat seine Meinung und musste dafür eben die Konsequenzen tragen. Das war okay. Schmerzhaft aber okay. Es ist Mitte Oktober, Dienstag, 22 Uhr. Dima liegt in seiner Studentenbude auf dem Bett. Es fehlt was. Bis Juni hatte er regelmäßig die Debattierrunden für Mittwochs vorbereitet. Doch dann trat das „Gesetz gegen Homo-Propaganda“ in Kraft. Laut diesem ist es Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen untersagt, öffentlich über sexuelle Orientierung zu reden oder diese zu zeigen. Daraufhin wurde Dima der Raum an der Uni entzogen, einhergehend mit dem Verbot für Diskussionsrunden zum Thema Homosexualität. Um dazu möglichst viel Publikum zu gewinnen, hatte Dima Flyer drucken lassen, die er in jener Bar, in der er jobbte, auslegen durfte. Seit Juni wurden die Druckaufträge nicht mehr angenommen und der leitende Gastronom hatte

die handgeschriebenen Flyer nervös entsorgt. Dima wurde dazu angehalten beim Kellnern nicht mehr sein Regenbogen-Armband zu tragen. Dies war nun „Werbung für Homosexualität in der Öffentlichkeit“ und strafbar. Dima ging der Aufforderung nach. Er braucht das Geld. Ein Sechstel davon ging letzten Monat an den Staat. Dima hatte sich mit einer Gruppe Aktivisten vor einer Bücherei platziert, ausgestattet mit Plakaten, die die Aufschrift trugen „Gay is Okay“. Die Polizisten fanden dies nicht okay und verhängten Geldstrafen von jeweils 9000 Rubel(90 Euro). Dima hat noch viele dieser Plakate. Genau genommen sechs. Er rechnet im Kopf hoch: 6 mal 90=540 Euro. Dies entspricht seinem Monatsgehalt. Er würde sich in Zukunft eine öffentlich vorgetragene Meinung wohl nicht mehr leisten können. Bei diesem Gedanken dreht sich Dima auf die Seite, da sein Magen zu krampfen beginnt. Sein Bett erscheint ihm größer als sonst. Bis vor kurzem lag sein Freund noch neben ihm. Mittlerweile Ex-Freund. Dima mochte es beim Einschlafen seine Stirn in die langen, blondierten Haare von Nikolai zu betten. Nikolai trägt die Haare jetzt kurz in Naturfarbe und in einen strengen Mittelscheitel gelegt. Dima weiß dies, weil er ihn neulich im Kaufhaus gesehen hat. An der Hand hielt er Helena, seine neue Freundin. Sie sah glücklich aus, er nicht ganz so. Vor wenigen Wochen besuchten Dima und Nikolai in St. Petersburg ein Madonna-Konzert. Dieses ging durch die Weltmedien, denn die Pop-Diva hatte sich während den Musiknummern unter frenetischem Applaus für die Gleichberechtigung Homosexueller ausgesprochen, woraufhin sie zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt wurde, denn damit verstieß sie gegen das „Anti-Homo-Propaganda-Gesetz“. Elektrisiert von der freien Atmosphäre des Konzerts fuhren die beiden mit dem Zug zurück nach Moskau. Am dortigen Hauptbahnhof trafen sie auf eine Gruppe alkoholisierter Jugendlicher, die Nikolais T-Shirt-Aufschrift „Can´t even think


„Dima fühlt sich verraten.“

straight“ als Provokation empfunden. Aus der anfänglichen Pöbelei wurden binnen weniger Minuten Handgreiflichkeiten. Die dort patroulierenden Polizisten konnten Schlimmeres verhindern. In Handschellen wurden sowohl die aggressiven Jugendlichen als auch Dima und Nikolai abgeführt und verhört. Die Jugendlichen erhielten eine Verwarnung und Nikolai eine Geldstrafe für die T-Shirt Aufschrift, die als Werbung für Homosexualität gewertet wurde. 2 Tage später war Dima Single. In einem kurzen Telefonat machte Nikolai Schluss. Es ginge nicht mehr. Der Vater hätte von der Verhaftung erfahren. Als stellvertretender Bürgermeister einer moskauischen Provinz könne er sich so einen Sohn nicht leisten. Von Enterbung und einer Therapie war die Rede. Nikolai wäre der Druck zu groß und er wolle ein normales Leben führen. Es sei noch nicht zu spät. Die Verzweiflung und Angst in Nikolais Stimme verspürend, setzte Dima diesem nichts entgegen. Zu groß war seine Liebe zu ihm, als dass er ihn leiden sehen wollte. Dima dreht sich im halbleeren Bett erneut um, sein Magen krampft stärker. Das Bett knarrt. Es ist von IKEA. Wie fast alles in seinem Studentenzimmer. Hunderte Euro hatte der Möbel-Riese an ihm verdient. Gerne las er den Werbekatalog. Bis er übers Internet erfahren hatte, dass IKEA in der russischen Ausgabe des Blattes ein Interview mit einem lesbischen Paar nicht gedruckt hatte, um gesetzeskonform zu handeln. Nicht einmal ein Milliarden schweres Unternehmen traut sich gegen das Gesetz zu verstoßen. Dima fühlt sich verraten. Obwohl das Gesetz für internationalen Aufschrei sorgte, sich diverse westliche Politiker, Menschenrechtsgruppen, Künstler etc. solidarisch mir der Gay-Community erklärten und scharfe Kritik gegen Putin äußerten, hat sich in Dimas Alltag dadurch nichts verändert. Vor Juni hatte er wenigstens noch die Möglichkeit für sich und seinen Freund einzustehen, indem er debattierte, an Protesten teilnahm und sich artikulierte.

Nun sind selbst diese Möglichkeiten beseitigt. Seine Hoffnung ruht auf den olympischen Spielen im Frühjahr 2014. Es wurde von internationalen Verbänden bereits erhöhter Druck und Boykott auf Russlands Regierung angekündigt. Bis dahin sind es noch einige Monate und die Wirkung dessen ist fraglich. Das „Anti-Homo-Propaganda-Gesetz“ hat Dima nicht nur seiner Redefreiheit beraubt, sondern auch Nikolai weggenommen. Dima schläft unruhig. Im Traum erscheinen ihm die olympischen Ringe. In einem steckt sein Kopf. Er trägt Mittelscheitel. von Oliver Kowalewski


Denn auch wenn man sich nicht mit deren Ansichten identifizieren kann, kann man durchaus politische Standpunkte vertreten. Serien wie die „Lindenstraße“ sind gerade darauf angelegt, durch die vielfältigen Standpunkte der Akteure Widersprüche und Konfrontationen zu erzeugen, die den Zuschauer dazu anregen sollen, sich mit den angesprochenen Themen auseinanderzusetzen, auch jenseits des Abspanns. Institutionen wie die „Zuschauerpost“ auf Lindenstraße.de zeigen, dass dies auch durchaus geschieht und auch alle politischen Ausrichtungen vertreten sind, die das jeweils Gezeigte unterschiedlich wahrnehmen und aufnehmen.

Politische Bildstörung Mit Mutter Beimer durch die ZombieApokalypse Typischer Fernsehabend eines Nichtwählers: Gemütlich vor dem Fernseher sitzen und sich was Unterhaltsames gönnen. Wie wäre es zum Beispiel mit der neuesten Folge „The Walking Dead“? Der Handlung Überlebender in der Metropolregion von Atlanta folgen? Hm, schade die Serie ist leider nicht nur Zombiegesplatter sondern setzt sich auch mit politischen Themen wie Selbstmord, Abtreibung , Rassismus und der „Präventivtötung“ von Infizierten und potentiell gefährlichen Gefangenen auseinander. Der Unterschied liegt dabei, dass sich mit diesen Themen nicht in einem Setting auseinander gesetzt wird, mit dem man Politik sofort assoziieren würde. Aber vielleicht bieten sich hier dem Politikverdrossenem Ausweichmöglichkeiten in der heimischen Fernsehlandschaft.

Politische Elemente sind immer Teil von Serien, egal wie fern diese der Realität sind. Selbst in einem „Game of Thrones“ geht es abseits der Fantasy-Elemente um den Machtkampf der sieben Fürstenhäuser und auch ein „Breaking Bad“, indem ein an Lungenkrebs erkrankter Chemielehrer sich zu einem rücksichtslosen Kriminellen wandelt, trägt politische Elemente in sich. Es gilt, selbst als „Unpolitischer“ dies als Chance zu begreifen, sich selbst politisch zu solchen Themen zu positionieren, anstatt einfach nur zu konsumieren. Mal öfter nachdem der Abspann abgelaufen ist, den Fernseher auszuschalten und darüber zu reflektieren, was gezeigt wurde und wie man vielleicht selbst anstelle der Figur gehandelt hätte. De facto ist Politik fest mit unserem Alltag verknüpft und „Raushalten“ schlichtweg nicht möglich, aber gerade deshalb bieten Medien wie Serien die Möglichkeit, sich politisch zu äußern, ohne sich mit dem identifizieren zu müssen, was tagein tagaus als „Politik“ in unseren Tageszeitungen erscheint.

Ach die „Lindenstraße“, oh schöne heile bundesdeutsche Milieuwelt. Pech, dass auch hier Themen wie zum Beispiel Gewalt von Jugendlichen mit Migrationshintergrund angesprochen wird, nur eben durch die Sichtweisen der handelnden Personen. Der geneigte politikferne Leser wird es bereits erkannt haben. Auch in der Fernsehwelt ist man vor Politik nicht sicher. Tja da bleibt einem wohl nicht viel anderes übrig als den Fernseher einzumotten ODER man lässt sich drauf ein, das Thema Politik, dass in unserem Alltag einfach allgegenwärtig ist, von einer anderen Seite zu nähern, die einem weniger abstrakt erscheint als Parteibeschlüsse aus Berlin. 16

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AStA - Wer? Genervt öffne ich mein Email-Postfach. 8 neue Nachrichten. 5 davon sind von der Uni. „Die haben auch jeden Tag neue Probleme“, denke ich und schiebe die Nachrichten nach kurzem Überfliegen in den Papierkorb. Bei einigen reicht schon der Betreff und ich muss ein Gähnen unterdrücken. Es könnte mich nicht weniger interessieren. Ständig gibt es Kolloquien, die besucht werden wollen, irgendwas ist defekt oder verdreckt, jemand hat seine Jacke in Raum XY liegen gelassen oder es stehen mal wieder neue Wahlen an. Für was eigentlich? Wir sind doch hier kein Staat, der regiert werden muss. Gibt‘s da etwa Parteien und so‘n Kram?

Egal. „Ich hab so schon kaum Freizeit wegen dem Studium“, denke ich und mache den PC aus. Heute Abend wird wieder abgefeiert und dafür müssen einige Vorbereitungen getroffen werden: Alkohol kaufen, Leute klarmachen, duschen, aufstylen und dann muss natürlich noch entschieden werden, in welchen Club man geht. Ganz schön anstrengend!

Am nächsten Tag sitze ich total verkatert in der Uni. Mein einziger Lichtblick ist das Mittagessen, um neue Kraft zu tanken. Doch als ich mit meiner Mensakarte bezahlen möchte, auf der noch genau 2,00 Euro gutgeschrieben sind, schaut mich die gute Frau an der Kasse mitleidig an und teilt mir mit, der Preis für eine Mahlzeit habe sich auf 2,20 Euro erhöht. „Haben Sie nicht die Email gelesen? Da stand das drin.“, sagt sie. Nein, so ein Mist. Vielleicht sollte ich nicht gleich jede Nachricht, die von der Uni handelt sofort in den Papierkorb verbannen. „Saftladen, was soll das denn jetzt schon wieder?“, schleudere ich ihr entgegen. „Ich hab so schon kaum Geld als Student“, denke ich wutschnaubend und frage mich, ob sich hier niemand für UNS Studenten interessiert... Moment, da war doch was. Es gibt doch diesen AStA. Heißt das nicht soviel wie „Allgemeiner Studierendenausschuss“? Die kümmern sich doch bestimmt auch um meine Interessen oder?

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Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich plötzlich eine Menge Menschen versammelt. Einige Kommilitonen laufen an mir vorbei, um sich dazuzugesellen. „Ey, was passiert hier eigentlich?!“, rufe ich einem von ihnen zu. „Mann, hier findet gleich ne Demo statt! Haste die Email vom AStA nicht gelesen? Wir protestieren gegen das Land, das unserer Uni die Gelder gekürzt hat.

Die ganze Stadt soll wissen, was diese Schweine mit uns machen!“ Verdammt, warum lese ich nie meine Mails?! Jetzt weiß ich, wer daran Schuld ist, dass ich jetzt 30 Cent mehr für mein Essen bezahlen muss. Zum Glück ist es noch nicht zu spät und ich reihe mich zu den anderen ein, um auch meinem Ärger Luft zu machen.

Gemeinsam ziehen wir nun durch die Straßen. Es gibt sogar ein paar Verrückte, die extra Plakate gemacht haben und gemeinsam brüllen wir im Chor:„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!“ Ich gröle mit und fühle mich total politisch. Ey, das macht ja doch Spaß... Vielleicht bin ich ja bei der nächsten StuPa-Wahl dabei. Das bedeutet übrigens Studierendenparlament.

Voll krass, ich bin ein Parlamentsabgeordneter!


Eilmeldung----------Eilmeldung----------Eilmeldung----------Eilmeldung----------Eilmeldung----------Eilmeldung----------Eilmeldung----------Berlin, 27.11.2013. Während vergangene Nacht noch die letzten Eckpunkte des Koalitionsvertrages zwischen Union, CSU und SPD ausgehandelt wurden, macht gerade ein ganz anderes Ereignis Schlagzeilen: Auf die Twittermeldung der Bundeskanzlerin „#GroKo-Vertrag endlich in der Tasche – ab ins Bett“, gab es so viele Reaktionen wie noch nie zu einem ihrer Tweets, jedoch sorgte ein ganz bestimmter Kommentar für Furore und hinterließ große Verwirrung: Ein User unter dem Namen Wilhelm 2.0 schrieb „GroKo – Großes Kotzen? Damals hätt’s das nicht gegeben! Ich plädiere für #GroKa: Großer Kaiser, Rückkehr meiner Wenigkeit!“ Was viele zunächst als schlechten Witz abtaten, stellt nun die moderne Wissenschaft vor ein Rätsel und erschüttert besonders die Yolo-Generation (You only live once) in ihren festgeglaubten Annahmen. Wilhelm II, letzter deutscher Kaiser, ist zurück und stellt die Medienwelt auf den Kopf. Friedrich Wilhelm Victor Albert von Preußen, der schon früher als Mediennarr galt, hat sich über Nacht bei zahlreichen Online-Plattformen wie Twitter, Instagram und Facebook einen Account unter dem Namen „Wilhelm 2.0“ erstellt und mischt nun mit seinen Posts die breite Öffentlichkeit auf. Innerhalb von wenigen Stunden hatte er bei Facebook bereits 7000 “gefällt mir“ und es werden minütlich mehr. Nach aktuellen Rechercheergebnissen unserer Redaktion verfolgt Wilhelm 2.0 die Wiedereinführung der Monarchie. Wir möchten Ihnen an dieser Stelle einige exklusive Ausschnitte aus dem Facebook-Account von Wilhelm 2.0 präsentieren.

Berlin, 29.11.13 Das derzeitige Geschehen im Netz in Verbindung zu den neuesten Ereignissen am 27. November (wir berichteten exklusiv in einer Sonderausgabe) ist weiterhin das Topthema der Nachrichten. Nachdem Wilhelm II unter dem Namen „Wilhelm 2.0“ auf Facebook seine Fanbase innerhalb von 2 Tagen um das Dreifache steigern konnte (derzeit ~21.000 Likes) befürchten nun einige Politiker eine Gefährdung ihrer Posten. Die Häufigkeit der Statusmeldungen und Aktivitäten von Wilhelm 2.0 übersteigt selbst die Posting-Rate zu Wahlkampfzeiten. Die hippe und moderne Umgangssprache der sich Wilhelm 2.0 bemächtigt, scheint insbesondere bei der jüngeren Generation gut anzukommen, wohingegen die Mehrheit unserer Politiker dem Hipster-Slang eher ratlos gegenübersteht. Aufgrund der rasanten Entwicklung der Ereignisse überschlagen sich ebenfalls auch die Falschmeldungen in den Medien. Unsere Leser können sich allerdings auf unsere fundierte Recherchearbeit verlassen. Wir berichten für sie weiterhin exklusiv und brandaktuell aus dem World Wide Web.

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Berlin, 03.12.2013 Nach den sich zuletzt überschlagenden Ereignissen im sozialen Netzwerk Facebook ist nun wieder Ruhe und Ordnung in der Medienlandschaft eingekehrt. Der Account „Wilhelm 2.0“ von Wilhelm II. (1859-2013) wurde nach mehreren Beschwerden, Seitenmeldungen und einem geposteten Video, dessen Inhalt gesperrt wurde, eigenständig von dem auferstandenen Monarchen geschlossen. Wohin Wilhelm II. nach seinem öffentlichen Rücktritt abgetaucht ist, kann derzeit nicht ermittelt werden. Einige eingegangene Hinweise in der Redaktion deuten auf eine Spur Richtung Niederlande hin. Der vielleicht nicht ganz so freiwillige Rückzug des ehemaligen Kaisers kann durchaus mit einer plötzlichen Kehrtwende der anfänglichen Euphorie in zunehmende Kritik und Ablehnung in Verbindung gebracht werden. Nachdem sich Wilhelm zunächst durch das ungebrochene Interesse durch die zahlreichen Likes in seinem Vorhaben bestätigt fühlte, kam er wohl zuletzt nicht mit der offen formulierten Kritik und freien Meinungsäußerung in dem sozialen Netzwerk zurecht, die er in seiner früheren Amtsperiode (1888-1918) schon selbst bei Bismarck nicht duldete.

Diesmal jedoch konnte er keinen Lotsen von Bord schicken, sondern musste selbst das Schiff verlassen, da heute viel mehr als noch vor 100 Jahren die (wir als) Lotsen selbst den Kurs bestimmen. Nach der letzten Statusmeldung Wilhelms „kein Mensch ist mir dankbar“ und dem Rückzug aus den Medien ist nun dieses doch sehr sonderbare Ereignis kein großes Thema der Nachrichten mehr, auch unsere heutigen Politiker gehen nun wieder ihren üblichen Beschäftigungen nach. Kürzlich hat die Garderobe Angela Merkels für Aufregung gesorgt. Lesen sie in unserer nächsten Sonderausgabe: „Vier statt der üblichen drei Knöpfe am Blaser der Kanzlerin – neigt Merkel nun zur kürzlich modern gewordenen Verschwendungssucht? Der große Enthüllungsbericht.“

Mit freundlicher Unterstützung von Facebook dem Netzwerk ihres Vertrauens #einartikelvonsandralöb


BRANDT ZURÜCK !!! BRANDT ZURÜCK !!! BRANDT ZURÜCK !!!

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Er ist wieder da... Pünktlich zu seinem 100. Geburtstag, am 18. Dezember, stand er bei Matthias Brandt, seinem jüngsten Sohn und Schauspieler, vor der Tür. Auf Nachfrage unseres Reporters, war dieser wohl total erstaunt über das Erscheinen seines Vaters. Dessen Rückkehr auf Erden basiert nach Angaben M. Brandts auf der Tatsache, dass seinem Vater gewisse Dinge NICHT IN FRIEDEN RUHEN LASSEN... Willy habe sich entschlossen für eine kurze Zeit ins DIESEITS zurückzukehren. Matthias Brandt, der zur Zeit eine weitere Folge von Polizeiruf 110 dreht, hat sich für die nächsten Tage am Set abgemeldet. Bisher bekam Willy keiner zu Gesicht. Schließlich gab es dann am 20. Dezember nachmittags eine Pressekonferenz mit Matthias Brandt. Er entschuldigte die Abwesenheit seines Vaters mit dessen Gebrechlichkeit und dem etwas morbidem Aussehen. Willy sei äußerst beunruhigt über die Entwicklung im Osten Europas, dem zunehmenden Nationalismus einiger Staaten und der Missachtung von Menschenrechten. Er wolle bald dazu eine mahnende Rede halten. Außerdem wolle er sein Verhältnis zu seinen Frauen nochmals beleuchten, da er denkt, er habe da wohl einige Fehler gemacht. Auch seinen vier Kindern will er einen Besuch abstatten. Wie bekannt wurde, hat sich Willy bereits schon gestern auf den Weg nach Norwegen gemacht, um sich dort mit seiner Tochter NINJA zu treffen und das Grab seiner 1. Ehefrau, Carlota Thorkildsen zu besuchen. Brandt sei nie wirklich ein Familienmensch gewesen, kursiert es in der Presse. Sein wohl schwerster, privater Gang, soll dann am Heiligabend stattfinden. Er wolle sich am Grab von Rut, seiner 2. Ehefrau und Mutter seiner drei Söhne, für seine Affären und seine Untreue POSTMORTUM entschuldigen. Zu Lebzeiten kam es nach der Scheidung 1980 zu keiner Versöhnung mehr. Dann starb sie 2006 und schließlich segnete auch er das Zeitliche 1992. Wie man hörte, wolle er dann nach den Feiertagen Brigitte Seebacher treffen, seine 3. Ehefrau. Diese hatte im Jahr 1992 Rut vom Staatsakt und seiner Beisetzung einfach ausgeladen. Er soll sehr erbost darüber sein und wünsche eine Unterredung mit ihr. Im Gespräch mit unserem Reporter sagte Matthias Brandt, dass seine Mutter diese „grausame, seelische Brutalität" nie verwunden hätte. Er selbst war angewidert von diesem Vorfall. Mit großer Spannung erwarten wir schließlich dann Willys politischen Auftritt, der für Neujahr vorgesehen war. Am 1.1.2014 um 14 Uhr trat ein uralter Willy Brandt, alias Frahm, an die Öffentlichkeit. Seine Ansprache bewegte Menschen in ganz Europa. ALLE WOLLTEN WILLY HÖREN. Mit SEHR knorriger Stimme und SEHR weisen Augen gab er folgendes Statement:

Liebe Freunde, liebe Genossen Ich habe mich zusammen mit Euch noch über den Mauerfall freuen dürfen und über das beginnende Zusammenwachsen von Ost und West – nach fast 25 Jahren frage ich Euch: Wo ist Eure Solidarität geblieben? Wo Euer Gerechtigkeitssinn? Als ehemaliger Präsident der Sozialistischen Internationale ermahne ich Euch heute: Kehrt zurück auf den richtigen Weg. Lasst Euch nicht von dem aufkeimenden Nationalismus anstecken, den ich schon länger aus weiter Ferne beobachten muss. Schon damals sagte ich Euch: „Wagt mehr Demokratie“. Staatenlenker im Osten Europas und der GUS, das heutige Russland: Kehrt um! (Willy taumelte leicht bei seinen Worten. Blass und wie ein Mahnmal klammerte er sich an das Rednerpult). „Ich frage Euch: Wann kann ich in Frieden ruhen? Bringt mein Werk zu Ende! Besinnt Euch auf Eure Kraft. Aufgeben gibt es nicht! Nichts ist unmöglich. Lebet meinen Traum eines vereinten Europas, ja einer vereinten solidarischen Weltgemeinschaft“.

Mit diesen letzten Worten (wahrscheinlich für immer) und geballter Faust, verabschiedete sich einer der ganz großen Deutschen des 20. Jahrhunderts. Matthias Brandt wachte auf...Mist, verschlafen. Er würde zu spät ans Set kommen. Müde drehte er sich nochmal um und dann schlaaagartig kam ihm sein TRAUM in Erinnerung. Sein Vater hatte ihn heute Nacht heimgesucht...Waaaahnsinn...


Schwarz sehen von Merlit Kirchhรถfer

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Ich stehe an der Kasse eines Supermarktes in Lützel. Genau vor mir steht ein junger, wunderschöner schwarzer Mann und kauft Süßigkeiten. Ich greife zu meinem Handy und will meinen Freundinnen von meiner Entdeckung erzählen, doch dann schaltet sich mein Kopf ein. „Was willst du denn jetzt schreiben? Du hast einen schönen Mann gesehen? Du hast einen schönen schwarzen Mann gesehen? ...Kommt das dann so rüber als würde ich sonst denken, schwarze Männer könnten nicht schön sein? Was ist eigentlich los mit mir?!“ Mir wird klar, dass mein Kopf zu viel arbeitet. Wäre das jetzt Rassismus gewesen? Oder bin ich einfach inzwischen überempfindlich? Mit meiner kanadisch-türkisch-deutschen Mitbewohnerin komme ich oft auf das Thema Rassismus zu sprechen und auch sonst häufen sich im letzten Jahr Situationen, in denen ich darüber nachdenke, was Rassismus eigentlich ist. Noch letzte Woche saß ich in einer Vorlesung und bemerkte zu meinem Nachbarn, dass das Mädchen, dass zu spät kam, immer (!) zu spät kommt. Mit einem Seitenblick auf sie sagte er nur: „Ja, die kann sich‘s ja auch leisten.“ Sie trug ein Kopftuch. In mir schlug sofort die Rassismus-Glocke, doch war es nicht genau das was er meinte? Der Professor hätte direkt als Islamfeindlich angesehen werden können, wenn er etwas gesagt hätte. Man sieht inzwischen überall Rassismus und ist betont anti-rassistisch. Aber kommt man dadurch nicht schnell in Gefahr, dadurch wieder rassistisch zu werden, nur um zwei Ecken? Meine Mitbewohnerin kann viele Geschichten über Diskriminierung aus ihrem Erfahrungsschatz erzählen: Sie erwähnt zum Beispiel jemandem gegenüber, dass sie es bei einer Taufe als hart empfunden habe, dass man das Kind an den Füßen haltend komplett ins Wasser getaucht habe und es wird ihr geantwortet, dass eine Beschneidung doch auch nicht besser sei. Sie hatte nie etwas in diese Richtung behauptet.


Vorurteile und die Selbstverständlichkeit, mit der wir mit ihnen umgehen, können schwerwiegende Folgen haben. Eine Freundin erzählte vor kurzem von einem Jungen mit türkischen Eltern aus ihrer Grundschulklasse im Referendariat. Der Junge konnte nie gut Deutsch und hatte immer schlechte Noten, für die immer seine Eltern und seine Herkunft verantwortlich gemacht worden waren. Jetzt kam heraus, dass er schon sein Leben lang unter einem Hörfehler leidet. Hätte sich jemand mehr mit diesem Kind auseinander gesetzt und hätte ihn nicht

einfach als „Ausländer“ abgestempelt, hätte man ihm mehrere Jahre des Kämpfens und des Unverständnisses ersparen können. Zeigt dieses Beispiel nicht am besten, dass ein Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft wie ein Handicap behandelt wird und so auch zu solch einem wird? Das Thema Rassismus und Ausländerfeindlichkeit ist in unserer Gesellschaft inzwischen ein Minenfeld. Doch ich frage mich warum. Warum werden immer wieder neue Feindbilder aufgebaut? Warum funktionieren Vorurteile immer noch so gut, trotz „aufgeklärter“ Gesellschaft? Warum sehen Menschen in anderen Menschen direkt deren Nationalitäten? Warum sehen sie sie nicht einfach als Menschen mit einer eigenen Geschichte? Tausend Fragen und keine Antworten. Doch vieleicht ist es trotzdem schon ein großer Schritt in die richtige Richtung, sich diese Fragen überhaupt zu stellen.

Copyright Bilder: Dietmar Fiessel

Selbst gibt sie aber zu, dass sie sich oft über die Negativität der Deutschen und ihren Hang zum Lästern beschwert und bei einem Streit zwischen ihr und ihrem pakistanischen Freund hört man oft Sätze wie „...du magst es da doch nur nicht, weil da die Araber sind!“ Nicht-deutscher Rassismus innerhalb Deutschlands. Warum empfinde ich solche Aussagen nicht als verletzend und warum klingelt meine Rassismus-Glocke dort nicht?


Aus dem Leben eines Kulturdezernenten Über seine Sorgen und Plagen zum Jahresbeginn Von drin‘ vom Amte komm ich her; Ich muss Ihnen sage‘, alle schreien sie wieder:„Geld her!“ All überall von den Konten der Kulturbetriebe blitzend, Seh‘ ich wieder viel zu viele rote Zahlen sitzen; Und droben vor dem Stadtverwaltungstor, Stehen mit großen und offenen Taschen die Kulturbetreiber davor. Und wie ich so schleich‘ durch den finsteren Gang, Da riefs mich mit verängstigter Stimme an: „Herr Kulturdezernent“, rief es,„alter Gesell, Heben Sie die Beine und sputen Sie sich schnell! Die Kulturbetreiber fangen zu drängen an, Das Verwaltungstor haben Sie schon aufgetan, Alte und junge Betreiber wollen nun Die Jagd des Jahres wieder einmal tun; Da fliegen Sie doch jetzt einfach schnell hinauf zu den Bergen, Denn wenigstens für Sie soll es wieder ein entspanntes Jahr werden!“

Ich sprach:„O mein lieber Herr Telefonist, Meine Reise doch auch schon in den Startlöchern ist. Ich muss nur noch aus dieser Stadt Wo’s so viele gierige und hartnäckige Betriebe hat.“ -„Haben Sie denn den Jahresbonus auch bei sich?“ Ich sprach:„Na klar, der Jahresbonus liegt hier auf dem Tisch. Denn Rolex, Porsche, Haus und mehr Mag doch jeder im Urlaub sehr!“ „Haben Sie denn die Schlüssel für die Hintertür der Stadtverwaltung auch bei sich?“ Ich sprach:„Na klar, die Schlüssel für die Hintertür liegen hier auf dem Tisch.“ Er sprach:„So ist es recht; So gehen Sie doch schnell, vor dem tosenden Gefecht!“ Von drauß‘ vom Berge komm ich her; Ich muss ihnen sagen, alle schreien sie doch tatsächlich wieder: „Geld her!“ Elisabeth Neumann

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LIFE BALANCE Zwischen Uni und Greenpeace

I

ch treffe Antonia in einem kleinen Café gleich bei mir um die Ecke. Sie hat in ihrem straffen Zeitplan ein paar Stunden für mich einplanen können. Ihre offene Art und das herzliche Lachen stecken sofort an, sie scheint enthusiastisch und bereit für neue Abenteuer.

ANTONIA G. 23 Jahre, Studentin, Greenpeace Aktivistin

Antonia G. ist in Hamburg aufgewachsen und kämpft seit ihrem 18. Lebensjahr für eine grüne Zukunft. Die mittlerweile 23 jährige studiert zurzeit Politikwissenschaften, „die Welt durch mein Engagement zu einem besseren Ort machen ist ein großer Traum von mir“. Sie ist seit einigen Jahren ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Ihr impulsives und renitentes Handeln ist ihr jedoch des Öfteren fast zum Verhängnis geworden. Vor knapp 6 Jahren traf Antonia bei einem Urlaub in Paris auf eine Gruppe Demonstranten, die bei Greenpeace arbeiteten. Sie protestierten vor einer Modenschau gegen das Tragen von Pelzen, sie erzählt, wie sich unter die jungen Leute mischte und das Schauspiel erst einmal verfolgte. „Das Engagement der anderen hat mich fasziniert, vielleicht sogar auch hypnotisiert. Es löste einen euphorischen Schub in mir aus und ich habe

mich der Gruppe angeschlossen.“ Jeder vorbeilaufende Pelz brachte sie nach und nach in rage, sodass sie schließlich ihre Beherschung verlor. Die Frauen mit den Pelzmänteln widerten sie an, „Mörder, ihr seid alle Mörder!“, warf Antonia den Frauen vor. Sie griff nach einem roten Farbeimer und ruinierte letzten Endes den Pelz einer älteren Dame, die zum Glück keine Anzeige gegen Antonia

Wenn viele Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge vollbringen, werden wir zusammen etwas bewegen können. erstattete. „Das war meine erste Aktion mit Greenpeace und ich werde mich immer mit einem Lächeln daran erinnern. Den entsetzten Gesichtsausdruck dieser Frau zu sehen, war es definitiv wert.“ Diese Protestaktion veränderten Antonias Denkweise und Lebensstil grundlegend. Eine neue Aktivistin war geboren. Ihre Begeisterung für Politik und das Umweltbewusstsein gaben ihre Eltern ihr schon recht früh mit auf den Weg. Das starke Interesse an global 38

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politischen Geschehnissen, Ungerechtigkeitsempfinden, ebenso das Bedürfnis eigene Lebensvorstellungen, wie auch moralische, soziale und ökologische Prinzipen verwirklichen zu können, bestärkten sie in ihrem Beschluss Greenpeace beizutreten. Seither arbeitet sie voller Leidenschaft und träumt davon, irgendwann ihr Hobby zum Beruf zu machen. Bei der Wahl des Studiengangs, war ihre bisherige politische Aktivität insoweit entscheidend, als das es eine sinnvolle Richtung einschlagen muss. Gegenwärtig ist das Studium und die Klausuren jedoch oberste Priorität. Sie möchte erfolgreich sein, um mehr in der Politik verändern zu können. Es ist nicht leicht, Studium, solch ein zeitintensives Hobby und soziale Interaktionen unter einen Hut zu packen. Manchmal ist sie einige Tage mit Greenpeace unterwegs und kann an Seminaren und Vorlesungen nicht teilnehmen, was ihr das Studium erschwert. „Viele meiner Freunde fühlen sich hin und wieder von mir im Stich gelassen, da ich so oft wie möglich mit Greenpeace unterwegs bin.“ Den Kontakt zu vielen alten Freunden konnte sie auf Grund von Zeitmangel nicht aufrechterhalten. Die Interessen haben sich stark geändert und jeder hat einen ande-

ren Weg eingeschlagen. Über die Jahre hinweg hat sie bei Greenpeace viele unterschiedliche Menschen kennengelernt und ihren Freundeskreis neu definiert.

Natürlich beeinflusst mich Greenpeace in meiner täglichen Denkweise, es ist mittlerweile ein Teil von mir geworden. Natürlich beeinflusst mich Greenpeace in meiner täglichen Denkweise, es ist mittlerweile ein Teil von mir geworden. Auf der anderen Seite, beeinflusse ich jedoch durch meine tatkräftige Unterstützung auch jetzt schon deren, oder eher unsere Arbeit.“ Die bereits gesammelten Erfahrungen bei Greenpeace waren sehr prägend, sie möchte die Welt verändern und nicht tatenlos mit ansehen wie diese nach und nach verkommt. „Wenn viele Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge vollbringen, werden wir zusammen etwas bewegen können.“ Das Gefühl mit der Arbeit etwas Gutes zu erreichen muss bei ihrer künftigen Tätigkeit gewährleistet sein. Eine langfristige, feste Position bei Greenpeace

ist für Antonia jedoch ausgeschlossen. Eine gewisse Zeit würde sie dort gerne verbringen, doch da sie ihr ganzes Herz in Greenpeace steckt und es sehr kräftezehrend ist, würde es nur begrenzt glücken. Das Leben als Aktivistin und Studentin ist nicht einfach zu handhaben, doch ihre bisherigen Bemühungen und all die Zeit sollen nicht umsonst gewesen sein. Sie wird weiterhin für ihre Prinzipien kämpfen und vielleicht werden wir nach Beendigung ihres Studiums weitaus mehr von ihr hören.


Endlich Nichtpolitiker! 5

Wir zeigen Ihnen in nur simplen Schritten auf, wie Sie das Nichtpolitischsein mit nur wenigen kleinen Veränderungen ganz einfach in Ihren Alltag integrieren können! Erleben Sie das Gefühl, von dem die bisherigen Anhänger schon so begeistert sind und finden Sie so endlich Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben!

1.

Dies dürfte auch jedem klar sein, der sich bisher noch nicht mit dieser Thematik auseinander gesetzt hat: Selbstverständlich sollten Sie auf gar keinen Fall wählen gehen! Am besten schließen Sie sich an diesem Tag im Haus ein und verlassen jenes nicht. Verbarrikadieren Sie soweit möglich die Haustüre und alle Fenster!

4.

Gehen Sie nicht mehr einkaufen: keine Möbel, kein Essen, keine Kleidung. Sie brauchen umgehend keine nervigen Kaufentscheidungen mehr zu treffen. Und Sie brauchen auch kein Geld auszugeben und verschwenden keine Zeit.

3.

Melden Sie sich umgehend aus allen Vereinen und öffentlichen Gremien ab! Auch hier lauern überall unausweichliche Abstimmungen. Natürlich könnte man diese auch irgendwie umgehen. Das ist aber ziemlich umständlich, deshalb melden Sie sich lieber gleich ab. Auch dies ist ganz offensichtlich: Natürlich dürfen Sie Bilden Sie sich keikein Mitglied in einer Partei ne Meinung! Das ist eh nur sein und bleiben Sie gegenverdammt anstrengend. über dubiosen Anfragen resisVerschwenden Sie Ihre Zeit tent. nicht mehr mit langweiligem Zeitunglesen oder Nachrichtenschauen. Meiden Sie wenn möglich jede Diskussion.

Auch Sie können es schaffen, endlich nichtpolitisch zu werden! Wir helfen Ihnen dabei! Die neue Bewegung der Nichtpolitiker hat schon zahlreiche Anhänger auf der ganzen Welt! Seien auch Sie als einer der ersten mit dabei!

Artikel von Johanna Puth

2.

n e d e i S n e d n fi So ! g e W n richtige

5.

Zusammenfassend empfiehlt unser Experte Christopher E., der seit Jahren geübter Nichtpolitiker ist: „Vermeiden Sie am besten einfach jeglichen Kontakt zur Außenwelt insbesondere zu Mitmenschen. Sie werden sehen, die Umgewöhnung mag zu Beginn zwar durchaus ein wenig komisch sein, aber in der Regel hat man sich schnell an die kleinen Veränderungen zum nichtpolitisch agierenden Menschen gewöhnt.“ Wir empfehlen zur Umsetzung dieser Punkte sich einer tierischen Gruppe anzuschließen. So können Sie ganz sicher jeder politischen Konfrontation entgehen und sind umgehend alle ihre Sorgen los. Ziehen Sie sich einfach in einen Wald zurück! Verlernen Sie alle nervigen Kulturtechniken! Es hat sich offenbar bewährt sich einem Wolfsrudel anzuschließen! Für einen geringen Unkostenbeitrag bietet die Organisation „Endlich frei von Unnötigem“ Kurse an und zeigt Ihnen exklusiv unbewohnte Waldfläche, damit auch Sie endlich unpolitisch leben können! Wagen auch Sie endlich den Schritt in ein neues, einfacheres, unbeschwerteres Leben! Jetzt sind Sie an der Reihe! Unsere Onlinemagazin Redaktion wünscht Ihnen viel Spaß dabei!

Auch Christopher E. (Name von der Redaktion geändert) ist bereits seit vielen Jahren erfolgreicher Nichtpolitiker und lebt seit seinem Entschluss abseits menschlicher Zivilisation glücklich und zufrieden. Und vor allem ohne Politik. Er möchte unerkannt bleiben, damit Freunde und Familie ihn nicht dazu drängen können, wieder in sein altes Leben voller Politik zurückzukehren. In Zusammenarbeit mit ihm und der Organisation „Endlich frei von Unnötigem“ wurde dieser Artikel verfasst.

Dieser Artikel wird gesponsert von: Endlich frei von Unnötigem Ltd. Mehr Informationen unter www. efvu.de!

(*von 4000 Euro pro Monat) 42

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Göttlicher Exzess ‚‚Wenn ich der Bischof von Limburg wär‘‘

von Romy Chantal Schneider 44

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Die beschauliche Domstadt Limburg a. d. Lahn ist nicht mehr das, was sie einmal war. Läuft man durch die schmalen Gassen der Altstadt in Richtung Domhügel, so scheint es aus allen Steinspalten, Fensterläden und Kacheln zu zischen und munkeln: ‘‘Skandal, Betrug und Blasphemie‘‘. Die Straßen, über die ich als sechsjährige zum Ballettunterricht tanzte und die Läden, an welchen ich meine Kindernase plattdrückte, sind nicht mehr nur Straßen und Läden. Nein, das Limburg a. d. Lahn, welches ich geographisch erst erklären musste, eher mein Gegenüber eine Vorstellung davon hatte, wo ich herkomme, wurde beinah über Nacht zum wilden Rockstar der Kleinstädte Deutschlands. Gläubige, Unentschlossene sowie Atheisten wurden von Tobsuchtsanfällen, Wutausbrüchen und Herzinfarkten heimgesucht, als sie erfuhren, dass der Bischof für den Bau seines neuen Amtssitzes über 35 Millionen Euro ausgab und Flüge erster Klasse missionarisch gerechtfertigt wurden. ‘‘Warum tun die feinen Herren in Berlin denn nichts dagegen, alles Gauner!‘‘, hörte man nicht selten. Doch steckt hinter all der Empörung nicht viel mehr als das, im Allgemeinen, als ‘‘inkorrekt‘‘ und ‘‘unchristlich‘‘ deklarierte Ausgeben der, von den Gläubigen hart verdienten, Kirchensteuer? Die Gefühle einer Person werden scheinbar vollkommen aus und vor gelassen. Nämlich die der Raupe Nimmersatt. Ähm, Entschuldigung, da muss soeben meine Phantasie mit mir durchgegangen sein, ich meine natürlich Franz-Peter Tebarzt van Elst. Wie es Ihm wohl die letzte Zeit erging? Ich überlegte wie er es wohl anstellt, hinter den Klostermauern in Bayern unbeobachtet Luxusgüter zu shoppen und ob er wehmütig an die schönen Stunden in seiner freistehenden Badewanne zurückdenkt. Bei all meinen Gedanken kam ich nicht umhin mich zu fragen, was wäre, wenn ich einen Tag lang der Bischof von Limburg wär. Möge die Macht mit mir sein! Der Tag würde mit einem ausgedehnten Sektfrühstück beginnen. Rotkäppchen Sekt? Von wegen, wenn schon denn schon, denk ich mir und schlürfe mein Fläschchen Moet halbtrocken. Anschließend heißt es jedoch Arbeiten, hart Arbeiten. Das Leben als Bischof ist schließlich kein Zuckerschlecken! Mein, aus Rosenholz handgefertigter und mit Silberaplikationen versehener, Schreibtisch hilft mir zwar nicht beim Nachdenken, gestaltet dieses jedoch erheblich angenehmer. Ich möchte meiner Stellung als Bischof gerecht werden und frage mich, wie ich es wohl schaffe, die Gläubigen meines Bistums noch zufriedener zu stellen. Denn was die Mächtigen unseres Landes in Berlin veranstalten, werde ich wieder gerade biegen müssen. Endlich fällt es mir wie Schuppen von meinen Augen (welche heute übrigens überaus wach und strahlend wirken, da meine neue eigens für mich angefertigte Nachtcreme wahre Wunder vollbracht hat).

Wer es mit Gott und mir ernst meint, braucht keinen Schnick Schnack. Daher lasse ich meinen Sekretär ein Schreiben aufsetzen, welches alle Kirchengemeinden verpflichtet, die Dorf- und Stadtkirchen zu schließen. Fortan sollen alle Gläubigen zu mir kommen, zu mir und meinem Dom. Wir werden eine Menge Steuergelder sparen, wenn wir auf Pfarrheime und Instanthaltungskosten von kleinen Gotteshäusern verzichten und uns ganz auf den Limburger Dom und mich konzentrieren. Wer glaubt, es würde an der Umsetzung meines Vorhabens scheitern, so kann ich nur sagen: unterschätzt niemals die Handlungsfreiheit eines Bischofs! Welcher Politiker schafft es schon wochenlang die Titelseiten sämtlicher Tages-, Wochen- und Boulevardzeitungen mit seinem Gesicht zu zieren? Da haben wir es, niemand. Vermutlich fehlt der göttliche Hauch, denn ein Bischof schafft dies allemal. Und da jede Presse gute Presse ist, freue ich mich, Limburg zu Bekanntheit verholfen zu haben. Jesus und seine Jüngern zeigte uns durch das Abendmahl, was es heißt, in Geselligkeit miteinander schöne Stunden zu verleben. Um Ihm gleich zu tun, greife ich zum Telefon und lade 12 Bischöfe der angrenzenden Bistümer ein, um zur späteren Stunde in meinem beschaulichen Heim zu dinieren. Leider erhalte ich keine Zusage, alle sind verhindert. Tja, es kann ja nicht jeder so fleißig sein wie ich und die Arbeit für den Tag bereits erledigt haben, denke ich mir und entscheide mich spontan für eine leicht abgeänderte Abendgestaltung. Das bereits bestellte 5-Gänge-Menü werde ich alleine nicht schaffen. Da ich jedoch wirklich keinerlei Zeit habe, mich auch noch darum zu kümmern, was mit dem Essen geschieht, veranlasse ich, dass es entsorgt wird. Frisch gebadet und durch eine Hot-Stone Therapie einigermaßen entspannt, lasse ich mich, umhüllt von meinem Satinbademantel, erneut zu meinem Arbeitsplatz führen. Mir kamen soeben nämlich noch weitere geniale Ideen zur Umgestaltung des Limburger Kirchengesetzbuches. Bevor ich diese jedoch verschriftlichen kann, verführt mich der Online Shopping Gutschein eines großen internationalen Versandhandels zum Startschuss meines brutalsten, größten und verheerendsten Kaufrauschs aller Zeiten. Für eine Sekunde erhaschen mich Zweifel, dann besinne ich mich jedoch schnell wieder. Schließlich habe ich durch die Schließung der Gemeindekirchen unfassbar viel Geld sparen können und zu viel politisches Interagieren zwischen Erde und Himmel, an einem Tag, war noch nie gut. Damit endet auch schon mein Tag als Bischof von Limburg, weich gebettet auf meinem optimal temperierten Wasserbett. Und wenn sie, lieber Leser, nun denken, mein kleiner Gedankenausflug sei zeitraubend und sinnlos, so kann ich nur müde lächeln. Denn ich habe eins erkannt: Warum Studieren, um einen kräftezerrenden Beruf zu erreichen, wenn die zarten Wurzeln der Macht doch in den Räumen der Priesterschulen Deutschlands wachsen? Gott segne uns!


Der Austausch von Medikamenten durch den Apotheker – Klingt komisch, ist aber so … Hallo, ich bin Armin und auf dem Weg zur Apotheke. Ich bin nämlich ziemlich erkältet. Bei dem Wetter ist das ja auch kein Wunder. Regen, Sturm und es ist auch noch kalt. Außer mir ist gerade niemand in der Apotheke und ich werde gleich bedient. Ich habe ein Rezept von meinem Arzt mitgebracht. Das Medikament, das ich verordnet bekommen habe, kenne ich schon. Beim letzten Mal hat es sehr gut geholfen. Ich gebe der Apothekerin das Rezept und sie holt eine bunte Packung aus einer Schublade. Als das Medikament auf der Theke liegt, erkenne ich, dass es nicht das Gleiche wie beim letzten Mal ist. Das ist komisch. Ich frage bei der Apothekerin nach, ob sie sich geirrt hat. Sie erklärt mir dann mit ein paar komplizierten Fachwörtern, dass ihr kein Fehler passiert ist und das Medikament zum Austausch freigegeben wurde. Immer wieder fällt der Begriff „Aut-Idem“. Ich frage mich was das ist und ob die Maus mir das vielleicht erklären kann?

Frag doch mal: die Maus Der Austausch von Medikamenten durch den Apotheker

Inhalt:

Was ist die „Aut-idem-Reglung“?

Wieso, Weshalb, Warum werden Medikamente ausgetauscht?

• Sind grüne und rote Tabletten gleich? •

Was sind die Folgen?

Muss ich da mitmachen?

• Was hat das Ganze mit Politik zu tun?

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WAS SIND DIE FOLGEN?

Damit die Medikamente immer günstiger angeboten werden können, lassen viele Pharmaunternehmen im Ausland produzieren, was dazu führen kann, dass Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz verlieren. Weil immer weniger Originale gekauft werden, kann es passieren, dass den innovativen Unternehmen das nötige Geld für neue Erfindungen fehlt. Das Gesundheitswesen ist in Gefahr mit dem ständigen Versuch immer mehr einzusparen, die Gesundheit und das Wohl des einzelnen Menschen aus dem Blick zu verlieren. Die Menschen sind verschieden, aber ihre Medizin darf das nicht sein, denn Individualität ist teuer. Klingt komisch, ist aber so…

WAS IST DIE „AUT-IDEM-REGLUNG“?

Es gibt zwei gute Nachrichten, denn die „Aut-idem-Reglung“ besagt nicht, dass man sein Zimmer aufräumen oder das Gemüse aufessen muss. „Aut idem“ ist lateinisch und bedeutet „oder das Gleiche“. Diese Regel wird für Medikamente in Apotheken angewendet. Wenn der Arzt ein Arzneimittel verordnet und den Austausch nicht verbietet, muss der Apotheker es gegen ein anderes austauschen. Das geht aber nur wenn das andere Medikament den gleichen Wirkstoff besitzt und günstiger ist. Klingt komisch, ist aber so…

WIESO, WESHALB, WARUM WERDEN MEDIKAMENTE AUSGETAUSCHT?

Um es kurz zu machen: Die Krankenkassen wollen weniger Geld für die Medikamente, die ihre Versicherten bekommen ausgeben. Sie schließen deshalb mit einigen Pharmaunternehmen geheime Rabattverträge ab. Man nennt das Einsparungen im Arzneimittelbereich. Klingt komisch, ist aber so…

SIND GRÜNE UND ROTE TABLETTEN GLEICH?

Nein, grüne und rote Tabletten sind nicht gleich, denn sie haben verschiedene Farben. Auch der Inhalt ist verschieden. Beim Austausch von Medikamenten wird das Original durch ein nachgeahmtes Produkt ersetzt. Diese Produkte nennt man Generika. Das klingt auch schöner als Nachmacherprodukt. Die Generika sind günstiger als die Originale. Das ist so, weil die Hersteller nicht extra etwas erfinden und durch viele Studien unter Beweis stellen müssen. Diese ganze Arbeit ist nämlich ziemlich teuer. Bei sehr komplizierten Medikamenten, die vor allem gegen eine Sache und gleichzeitig auch gegen viele kleine Sachen, sogenannte Nebenwirkungen, helfen, sind die Generika meistens einfacher gebaut und helfen dann nur gegen die eine große Sache. Man muss dann zusätzlich andere Tabletten nehmen, die gegen die Nebenwirkungen wirksam sind. Das ist zwar günstiger, aber für den Patienten meistens nicht sehr angenehm. Klingt komisch, ist aber so…

MUSS ICH DA MITMACHEN?

Nö, eigentlich muss man da nicht mitmachen. Sich für ein Original zu entscheiden, wird allerdings teuer, weil man dann nicht nur einen Aufpreis auf den Preis des günstigeren Medikaments, sondern gleich den ganzen Kaufpreis selbst bezahlen muss. Klingt komisch, ist aber so…

WAS HAT DAS GANZE MIT POLITIK ZU TUN?

Es hat ganz viel mit Politik zu tun. Die Politik hat die Gesetze gemacht, die den Austausch ermöglichen. Sie nutzt diesen, um die Kosten im Gesundheitswesen zu regulieren. Ob das auch so funktioniert ist fraglich. Klingt Komisch, ist aber so…


SMS von letzter Nacht..... Es waren einmal zwei junge Menschen die sich eines Nachts über HeyUp unterhielten. Wo genau kann können wir leider nicht sagen (der Datenschutz verbietet es uns), aber es wird vermutet in einem Stadtteil namens Lützel in der schönsten Stadt an Rhein und Mosel.

Jason: Ey Alter bock morgen abend mit zu Kevin zu kommen? Dem seine ollen sind nicht da! Geil was Nee Mann kann nicht. Hab schon ein Date.:Gavin Jason: Die muss aber ganz schön heiß sein, wenn du uns wegen einer Tussi alleine lässt. Nee keine Tussi. Ich hab Sitzung.: Gavin Jason: wie du hast Sitzung...legst du dich jetzt auf ne Couch oder bist du bei den Anoymen Alkoholikern? Nee Alter ich hab Jugendratssitzung.:Gavin Jason: Wasn das? So was wie der Koblenzer Stadtrat... nur halt mit 24 Kindern und Jugendlichen im Alter von 10-17.: Gavin Jason: Aha... also Politik und so....oder was? Ja Mann wir checken ab ob die Politiker auch in unserem Namen handeln.:Gavin Jason: Wie meinstn das? Na ja also der Jugendrat trägt Anliegen, Ideen und Kritik von Kindern und Jugendlichen an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung heran. Er berät die Politiker und die Verwaltungsfachleute in Kinder- und Jugendfragen. Wir wollen halt eine Kinder- und Jugendfreundliche Stadt Koblenz.: Gavin Jason: Oh mann das heißt hier überwichtig oder was? Was machst da die ganze Zeit in dieser Sitzung. Dumm rum gammeln wie in der Schule oder is da aktion?

na ja bei denn öffentlichen Sitzungen im Rathaus werden alle Themen bearbeitet, die die Jugendratsmitglieder für sich und andere Kinder und Jugendlichen wichtig finden, oder die von Kindern und Jugendlichen an sie herangetragen worden sind. Auch Anfragen von den Gremien der Erwachsenen, zu bestimmten Themen Stellung werden diskutiert.: Gavin Jason: Also nit langweilig? Nee überhaupt nicht.... was wir nicht dort besprechen wir dann in AGs bearbeitet.: Gavin Jason: Och nein komm mir hier nicht mit scheiss AGs.. die nerven schon in der Schule und sind nur was für Nerds. Is nicht langweilig... ich zum Beispiel bin in der Sicherheits-AG..... manche Kinder und Jugendliche haben sich beschwert das sie sich an manchen Plätzen in Koblenz nicht wirklich sicher fühlen. Wir sind dorthin gegangen und haben dann Verbesserungsvorschläge an die offiziellen Stellen weitergegeben.: Gavin Jason: Aha... und wie bist du da reingekommen? Wurdst du da reingezogen wie bei einer Sekte oder was? NNNNEEEIIIINNN wir sind keine Sekte. Ich kam über einen Kumpel daran, hab mich zur Wahl gestellt und wurde schlussendlich rein gewählt.:Gavin Jason: So wie letztens. So ne richtige wahl mich wahlbenachrichtung und Urne? Jip genauso.:Gavin

Jason: Hast du denn schon mal dat Angie oder so getreffen? Oder für ein kurzen Plausch im Weißen Haus? ;) Nee so hohe Politiker treff ich nicht. Wir schauen nur den Koblenzern Politikern auf die Finger. :): Gavin Jason: Na ja dann viel Spaß auf deiner Sitzung, Alter. Hau rein!! Ja Digga bis nächsten Freitag!!:Gavin Die Redaktion dankt der NSA für die Übermittlung dieser Daten. Die Namen wurden von der Redaktion geändert. 52

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‚Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.‘ Marie von Ebner-Eschenbach 1830-1916 österreichische Schriftstellerin

‚Mode zeichnet Zeit‘ Yohji Yamamoto 1943 Modedesigner

von Sabrina Laura Trivigno

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Politik und Mode – Eine Reise durch die Zeit der politisierten Mode 08.04.2213 Amily betrachtet sich im Spiegel und begutachtet ihren neuen XJ9-Anzug. Das piepsende Geräusch ihres Erinnerungsamuletts teilt ihr mit, dass sie los muss, denn sie trifft sich gleich mit Jaluo. Sie sieht ihn schon von weitem und kann sich ihr Lachen kaum verkneifen. ‚‘Was hast du denn da an?‘‘ fragt sie ihn und beäugt seine seltsame Erscheinung. Er trägt ein purpurrotes, Umhang-artiges Etwas, das Amily noch nie gesehen hat. ‚‘Das ist ein Fürstenmantel‘‘ sagt er ganz selbstverständlich. ‚‘Ein was?‘‘ fragt Amily verwirrt. ‚‘Ein Fürstenmantel.‘‘ erwidert er. ‚‘Der stammt aus dem 13. Jahrhundert und besteht aus purpurrotem Samt und Hermelin. Er durfte nur von Königen und der Krone getragen werden. Kleidung diente nämlich bis ins 19. Jahrhundert dazu, Menschen nach

ihrem Stand zu unterscheiden. Bestimmte Farben und Stoffe, wie zum Beispiel violette Seide und goldgewobene Kleider durften nur von der Königsfamilie und dem Adel getragen werden. Man konnte also anhand der Kleidung auf einen Blick erkennen, welchem Stand eine Person angehörte. Erst mit der Aufklärung verschwand diese Kleiderordnung.‘‘ ‚‘Das ist ja interessant, woher weißt du das denn alles und wo hast du denn den Mantel her?‘‘ fragt Amily begeistert. ‚‘Mein Vater arbeitet doch im Zeitreise-Zentrum und gestern durfte ich eine neue Zeitmaschine testen. Wenn du Lust hast, dann nehme ich dich mal mit auf eine Zeitreise und wir können uns die Mode der verschiedenen Epochen anschauen!‘‘

Gesagt, getan. Jaluo und Amily begeben sich zum Zeitreise-Zentrum und beginnen ihre Zeitreise im Ende des 19. Jahrhunderts. Dort begegnen sie einer Frau, die ein enges Korsett mit einem langen Rock, Schuhe mit hohen Absätzen und einen unpraktischen Hut trägt. Sie kommen mit ihr ins Gespräch und unterhalten sich über ihr Outfit. Die Frau erzählt ihnen, dass Bequemlichkeit bei der Wahl ihrer Klamotten an letzter Stelle steht und es ihr nicht erlaubt ist, Hosen zu tragen. Das S-Korsett, welches sie trägt, drückt die Brust raus und den Bauch rein und führt sogar oftmals zu Organverlagerungen. Sie erklärt, dass ihre einzige Aufgabe darin bestehe, gut auszusehen und den Reichtum ihres Mannes zur Schau zu stellen und dass sie hofft, dass sich dies bald ändere.

Amily und Jaluo bedanken sich bei ihr und reisen weiter ins Jahr 1913, wo sie feststellen, dass die Hoffnungen der Frau sich bewahrheitet haben, denn im Zuge der Frauenrechtsbewegung und des ersten Weltkrieges verschwand das Korsett um ca. 1913-1915. Die Rolle der Frau veränderte sich zu dieser Zeit aufgrund der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen und deren neugewonnenem Selbstbewusstsein durch die Frauenrechtsbewegung. Die Designerin Coco Chanel behauptet 1920, sie habe die Frauen vom Korsett befreit und feiert den Sieg der Frauenrechtsbewegung mit der Entstehung einer schlichteren Damenmode, an die sich viele Designer anschließen. Paul Poiret war jedoch der erste Designer der ein Kleid schuf, das ‚‘Reformkleid‘‘, welches aus weiten, am Körper hinabgleitenden Falten besteht und die S-förmige Silhouette des Korsetts ablöste. Die Ära des eingeschnürten Frauenkörpers ist somit endgültig zu Ende.


Jaluo und Amily begegnen nun vielen Frauen, die Hosen tragen, denn mit der neuen Berufstätigkeit der Frau, kommt jetzt auch die Hose für die Frau. Die Frauenrechtsbewegung erreicht ihren Höhepunkt in den ‚‘Roaring Twenties‘‘ und bringt die ‚‘Garçonnes‘‘ hervor: Dekadente Frauen mit Kurzhaarfrisuren und rotem Schmollmund, die rauchend in Cafés sitzen, sich die Brüste abbinden, schwarz umrandete Augen und einen blassen Teint tragen. Hosen, gerade geschnittene Blazer und weitere, eher maskuline Klamotten für Frauen waren nun akzeptiert und galten als normal.

Die beiden begegnen noch weiteren Menschen, die Politik mit Mode vereinen. Sie sehen eine Frau, die im MilitaryLook gekleidet ist, einen Jungen mit Che Guevara-Shirt und eine Gruppe von Punks und Hippies, die ihre politische Position mit ihrer Kleidung und ihrem Auftreten verdeutlichen.

Für Jaluo und Amily wird es Zeit, zurückzureisen. Jaluo fragt Amily, ob sie denn auch ein Kleidungsstück mit nach Hause nehmen möchte. Amily lacht und sagt, dass ihr die Reise sehr gut gefallen habe, sie aber doch lieber bei ihrem XJ9-Anzug bleibe.

Jaluo und Amily setzen ihre Reise fort und begeben sich in das Jahr 2013. Sie laufen durch die Stadt und schauen sich die Menschen an, die alle sehr unterschiedlich gekleidet sind. Jaluo zeigt auf einen Jungen, der ein Pali-Tuch trägt. ‚‘Amily, schau dir mal diesen Jungen mit dem Pali-Tuch an! Mein Vater hat mir erklärt, dass die Menschen in ihrem täglichen Auftreten politische Statements in ihre Kleidung einbauen, welche beispielsweise deren politische Einstellung ausdrücken oder eine Antwort auf aktuelle politische Geschehnisse darstellen sollen.‘‘

Lusia Lion vom Blog Style Roulette www.style-roulette.com

Politik und Mode – Wenn man diese beiden Begriffe hört, vermutet man wahrscheinlich zunächst keinen großen Zusammenhang. Wie man sieht, hängen Politik und Mode jedoch enger zusammen als man denkt. Viele politische Ereignisse beeinflussten und beeinflussen noch immer die Mode und spiegeln sich in ihr wieder. Auch Designer nutzen ihre Stücke als ‚‘Plattform‘‘ um subjektive Statements als Reaktion auf politische Ereignisse in ihnen zu integrieren. Mode kann also ein Mittel sein, um Politik mit Ästhetik zu vereinen. Diese Reise durch die Zeit der politisierten Mode zeigt, dass hinter der Kleidung eines Menschen oftmals eine ganze Menge an Informationen steckt, denn sie dient auch immer als Botschaft, welche die Identität, Kultur, den Glauben usw. eines Menschen offenbart. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen ;)


Der verbitterte Mann Berthold (87) versteht die Welt nicht mehr. Von heute auf morgen musste er aufgrund seines Alters und der damit verbundenen Belastung f체r die Familie ins Seniorenheim. Sein Leben, wie er es kannte, besteht nicht mehr. VonAlzheimer undAltersschw채che gepr채gt, versucht er sich in seiner neuen Umgebung zurechtzufinden.

Veronica Neu

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Ich lebe nun seit ca. 2 Jahren hier. Meine Frau ist nicht vom Einkaufen zurückgekehrt und plötzlich waren alle der Meinung, mir würde es hier doch viel besser gefallen. Hier gefällt es mir aber überhaupt nicht. Ich darf nicht einfach den Fernseher umschalten, wenn Skispringen ausgestrahlt wird und überall sind immer so viele Leute. Da vergisst man fast wo man ist.

von diesen Pflegefällen hat das ganze mitbekommen und es allen erzählt. Damit ist meine Prahlerei bezüglich schöner, echter Zähne im Eimer. Nur wegen diesem blöden Jungen hab ich nicht mal mehr diese kleine Lüge, um vor den anderen besser dazustehen. In diesem Haufen gibt es fast nichts, was einen von den anderen unterscheiden kann. Abgesehen von den Besuchen natürlich.

Von dem Essen brauchen wir erst gar nicht anfangen. Nie deftiges und grundsätzlich zu wenig für meine Verhältnisse. Dann sitzt da jemand neben dir und führt Selbstgespräche und nervt und nervt aber wenn man sich beschwert, dann ist man wieder selbst der böse. Außerdem wird immer von Mädels, die nicht mal halb so alt sind wie man selbst, darauf geachtet, dass ich genug trinke. Als wäre ich ein kleines Kind, dass nicht selbst auf sich aufpassen kann. Dann muss man trinken, obwohl man keinen Durst hat und isst, egal wie fad es ist. Ich hab mich schon so oft beschwert aber es wird nichts geändert. Erzählen einem immer was von Gesundheit und Herz und Arzt… So ein Blödsinn! Ich hab mein Leben lang gemacht, was mir lieb war und bin glücklich und gesund. Kein Respekt diese jungen Scheisser. Für die ist man nur Ballast. Leider kann ich mich selbst nicht mehr so schnell bewegen. Da brauch man dann hin und wieder wirklich Hilfe von den anderen. Aber die machen immer alles falsch. Letzte Woche, da läuft so ein junger Kerl doch tatsächlich mit meinem Gebiss im Glas quer durch den Flur. Dem hab ich erstmal die Leviten gelesen. Trotzdem war es zu spät. Eine

Ich habe eine sehr große Familie. Meine Frau und ich haben 6 Kinder bekommen und diese wieder Kinder und manche von denen sogar weitere Kinder. Aber mir fallen die Namen nicht mehr ein. Sie besuchen mich schon seit langem nicht mehr – was bestimmt mit dem furchtbaren Umfeld hier zutun hat. Es gibt extra Besuchszeiten. Strikte Regelungen soweit das Auge reicht. Wie soll man sich denn so zu Hause fühlen? Ab und zu kommt ein alter Nachbar zu Besuch und bringt kleine Geschenke mit. Dinge, die hier eigentlich verboten sind. Dann setzen wir uns in die Cafeteria ans Fenster und trinken aus kleinen Kornflaschen. Das weckt alte Erinnerungen, als ich noch gearbeitet habe. Sollen diese angeblich medizinischen Fachkräfte mal schön ihren eigenen Cholesterinspiegel überprüfen. Zum Glück sind diese Menschen immer sehr geschäftig. Die kriegen eine ganze Menge nicht mit. . Es gab mal eine Pflegekraft, die war wirklich nett. Die wusste, wie man einen Menschen nicht einfach nur wie eine Nummer behandelt. Aber sie hat gekündigt. Das Heim, in dem ich lebe, rentiert sich anscheinend nicht mehr.

Um Langzeitangestellte nicht auszahlen zu müssen, werden systematisch Pfleger unterdrückt, bis sie schließlich freiwillig gehen und die Leute ganz oben in der Rangliste verdienen weiter ihre Kohle. Das hat sie mir damals im Vertrauen erzählt. . Die stecken alle unter einer Decke. Ist ja nicht so, als wären hier ohnehin nicht schon zu wenig Pfleger. Ich habe Angst davor, selbst irgendwann auf Hilfe angewiesen zu sein und diesen ungelernten Arbeitskräften ausgeliefert zu sein.

Wir werden wahrscheinlich bald alle umziehen müssen. Aber hier gibt es viele Menschen, die diese Veränderung nicht so einfach hinnehmen werden. Menschen, die ihr gewohntes Umfeld brauchen, um sich zu orientieren. .


Einkaufen politisch korrekt!? Der Trend heutzutage geht immer mehr zu „Grün“. Sogar Mc Donalds versucht „grün“ zu sein. Auch bei alltäglichen Dingen wie Einkaufen versuchen viele Leute politisch korrekt „grün“ zu handeln. Aber wie geht das? Darf ich jetzt nur noch Obst und Gemüse kaufen, um wirklich „grün“ zu sein? Wohl kaum. Denn auch hier gibt es gravierende Unterschiede. Kaufe ich jetzt keine Bananen mehr, die erst aus Südamerika importiert werden müssen? Und wenn doch, welche darf ich denn kaufen? Die guten Chiquita Bananen, deren langanhaltende Frische im Fernsehen immer beworben wird? Oder lieber die ganz normalen, den Marken bedeuten ja nicht gleich Qualität! Aber müsste ich denn eigentlich die Bio-Bananen kaufen, die entweder noch total grün oder oft schon ganz braun sind, und auch nicht viel mehr als die normalen. Ich denke, ich werde die Bio neh-

men, denn sicher werden auf den Plantagen auch die Mitarbeiter besser behandelt und bezahlt… Aber was ist mit dem Obst und Gemüse, welches auch in Deutschland wächst? Ist es nun politisch korrekter die „normalen“ Sachen aus der Region zu kaufen oder das Bio-Zeug, was erst um die halbe Welt reisen muss? Und was ist mit Milch, Eiern, Käse und Fleisch. Geht es den Tieren in Biohaltung wirklich so sehr besser als in Massentierhaltung oder bekommen sie einfach nur besseres Futter? Aber was ist nun mit den verschiedenen Marken? Welche darf ich hier denn überhaupt kaufen? Nehmen wir mal den Jogurt. Darf ich den von MÜLLER und Weihenstephan und zugehörigen Tochterunternehmen kaufen oder bin dann somit Unterstützer genmanipulierter Lebensmittel und politisch braun? Also lieber die No-Name-Sachen kaufen? Aber

stop! – Die werden ja auch oft von Marken-Unternehmen hergestellt. Da muss ich mir dringend ein Fachbuch besorgen! Wie ist das mit den leckeren Pringles und Chips von funny frisch? Wie jetzt - Die machen Tierversuche? Warum muss man für Chips Tierversuche machen? Komisch! Darf ich die jetzt kaufen oder nicht? Ich tendiere mal zu nein! Tierversuche passen ja eigentlich nicht zu grün!

Darf ich solch ein Auto als „Grüner“ kaufen? Schließlich hat BMW erst neulich wieder fast 700.000 Euro an die CDU gespendet! Unterstütze ich mit meinem Kauf indirekt die CDU? Andererseits arbeitet der ehemalige Vorsitzende der Grünen, Joschka Fischer, für BMW! Also was jetzt? BMW kaufen als „Grüner“ - ja oder nein?

Ich geb es auf, ich denke 100%Was ist mit Kleidung! Keine ig politisch korrekt einkaufen „Made in China, Bangladesch und ist unmöglich! Taiwan“-Sachen mehr? Dort werden die Rechte der Fabrikarbeiterinnen mit Füßen getreten und immer wieder passieren Unglücke und die Frauen sterben. Also nur Sachen aus politisch korrekten Ländern mit gut funktionierenden Demokratien? Doof, aus solchen Ländern kommen nur wenige Produkte! Warum nur? Und wie ist das jetzt mit BMW?

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*** GEHEMMTE GEWINNER *** *** Dass das Leben kein Zuckerschlecken, Wunschkonzert und auch kein Ponyhof ist, wird den meisten jungen Menschen spätestens dann bewusst, wenn es darum geht ihre berufliche Zukunft zu planen. So erging es auch Lisa. Sie ist Studentin der Kulturwissenschaft und bislang war sie der Ansicht, dass sie weiß, was sie vom Leben will. Folgendes Ereignis warf sie allerdings aus der Bahn und sie fragte sich, auf welchen Zug sie nun erneut aufspringen muss. ... ***

*** GEHEMMTE GEWINNER ***

Es war der zweite Weihnachtsfeiertag, Die gesamte Verwandtschaft versammelte sich im Haus von Lisas Freund. Ein Gewusel inmitten von Plätzchenduft, Umarmungen und einem schiefen Tannenbaum. An und für sich schien daran nichts ungewöhnlich zu sein. Doch es war ihr allererstes Treffen mit der lieben Familie. Als sie wenig später am Tisch saßen, wurde sie zwischen all dem Geschmatze und Gerülpse näher unter die Lupe genommen. Denn schließlich war sie „die Neue“ und alle Augen waren auf sie gerichtet. Nachdem die Verwandten schon Name, Geschwister, Schuhgröße und Kinderkrankheiten aus Lisa heraus gequetscht hatten, wollten sie auch wissen, was sie denn beruflich mache. „Ich studiere Kulturwissenschaft!“, ging es ihr noch selbstbewusst über die Lippen. „Ah, das klingt ja interessant. Aber was kann man denn später damit machen, mit diesem Kultur… - wie war das noch mal?“ Eigentlich wusste sie, dass diese Frage kommen wird. Und nach Sekunden der Stille, die ihr wie Stunden vorkamen, war ihr Gehirn einzig und allein dazu um Stande, folgende Antwort zu fabrizieren: „Na alles, was mit Kultur zu tun hat!“ Im darauffolgenden Moment, als die-

cen ließ sie nicht mehr los, aber warum? Sie will später gutes Geld verdienen, Haus, Familie und Wellensittich besitzen. Noch nie zuvor entstand in ihr solch eine panische Angst davor, sowohl sozial als auch finanziell auf der Strecke zu bleiben. Aber gerade aus diesem Grund hat sie doch angefangen zu studieren, oder nicht? Sie suchte ihre Antworten bei den Regen-

*** Sie suchte ihre Antworten bei den Regenten unserer Zeit: den Medien und in der Politik. *** se (sehr beschränkte!) Aussage aus ihrem Mund kam, empfand sie sie selbst für unbefriedigend und nichtssagend. Ihre Gefühlszustände ‚peinlich’ und ‚panisch’ gaben sich indessen die Hand. Es herrschte eine Stille, draußen rieselte leise der Schnee, und sie begann an ihrem Studium, ihrer beruflichen Zukunft und auch an sich selbst zu zweifeln. Die Frage nach ihren späteren Jobchan-

ten unserer Zeit: den Medien und in der Politik. Und prompt wurde sie fündig: Die Arbeitsmarktsituation für Akademiker ist mit vielen Mythen und Vorurteilen zu unrecht verseucht. Wie ein loderndes Lauffeuer verbreiten sich diese Gerüchte auf medialen Wegen. 66

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So trägt auch die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation zum kollektiven Pessimismus bei. Beispielsweise erteilt uns regelmäßig das schlechte Ergebnis der internationalen Pisa-Studie einen Schlag in die Magengegend. Auch seien ausreichend Auszubildende und Fachkräfte lediglich eine utopische Wunschvorstellung.

Gerade Absolventen einer Geisteswissenschaft scheinen es besonders schwer zu haben. Da gibt es das des Taxi fahrenden Soziologen, der jahrelang für den hohlen Zahn studierte und sich nun mit besoffenen Fahrgästen, schlechten Arbeitszeiten und zu knappem Trinkgeld herum schlagen muss. Außerdem überdauert der Mythos des „Langzeitpraktikanten“, der noch bei Mami wohnt, sein letztes Hemd für Großkonzerne opfert und doch nur lernt wie man Kaffee kocht. Ebenso sagt man, es soll doch tatsächlich Professoren geben, die regelmäßig das Arbeitsamt aufsuchen müssen, denn ein akademischer Grad auf dem Papier schmiert einem noch nicht die Butter auf‘s Brot – Du armes Deutschland.

Alle diese Vorurteile schon einmal gehört? Natürlich, denn der Diskurs bestimmt die öffentliche Meinung! Solche Klischees machen uns nur zu Schwarzsehern, demotivieren und verzerren das reale Bild des Arbeitsmarktes. Da sind Desorientierung und

*** Alle diese Vorurteile schon einmal gehört? Natürlich, denn der Diskurs bestimmt die öffentliche Meinung! ***

Selbstzweifel vorprogrammiert. Schaut man nun über den Tellerrand hinaus, wird man erkennen müssen, dass Deutschland auf internationaler Ebene in Sachen Ar-

Deutschland ist auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Wir Studenten sind und bleiben die Gewinner der sich wandelnden Wirtschaft. Solche Klischees halten sich

2,5 %

*** ... beträgt lediglich die Arbeitslosenquote deutscher Akademiker und liegt damit weit hinter denen der Personen mit einer Berufsausbildung (5%) oder gar Ungelernten (20%). *** beitsmarkt und wirtschaftlicher Beschäftigung eine durchaus gute Figur abgibt. Hinsichtlich der Arbeitslosenquote liegen wir auf dem vorletzten Platz! (ESTAT) Da sag noch einer die Deutschen würden den ganzen Tag nur Weißwurst essen und Bier trinken. Auch die Chancen für eine Beschäftigung nach dem Studium sind selten so günstig gewesen wie heutzutage. Selbstverständlich gibt es Unterschiede bezüglich der Einstiegschancen und späteren Verdienste innerhalb der verschiedenen Studiengänge.

*** Keine Panik, studieren lohnt sich! ***

Dennoch findet jeder Topf auch mal seinen Deckel. So kann man sagen: Keine Panik, studieren lohnt sich!

hartnäckig, verstören die Studierenden und lassen sie von Karrierestrebern bis hin zu Selbstausbeutern mutieren. Und wozu? Ich sage STOP zu Panikmachern, dem Mythos „Generation Praktikum“ und anderen verheißungsvollen Vorurteile, die uns in Sachen ‚Berufseinsteiger’ als frische Akademiker blühen sollen. Die weihnachtliche Begegnung mit der neugierigen Verwandtschaft hat Lisa schlussendlich vor Augen geführt, weshalb sie sich damals für ein Studium der Kulturwissenschaft und gegen diese gesellschaftlichen und politischen Vorurteile entschieden hatte: Das Interesse an den Studienthemen und der Spaß standen für sie im Vordergrund. Was hat sie das Geschwätz der Politiker, der Gesellschaft und der Oma, die mit dem Begriff der „Kulturwissenschaft“ schon mal gar nichts anfangen kann, schon zu interessieren. Man sollte solchen Mythen, seiner Naivität und dem Sog des Pessimismus entsagen um objektiv und selbstständig seinen Weg in die Arbeitswelt zu finden. Anna Wörsdörfer


impressum Das Magazin ist im Rahmen eines kulturwissenschaftlichen Projekt-Seminars an der Universität in Koblenz entstanden. Die Erarbeitung der Inhalte sowie die grafische Umsetzung des Layouts wurde von den Studierenden übernommen. Begleitet wurde die Redaktion durch die Agentur OneBrand, deren Inhaber Frank Jüngst grundlegende Kenntnisse des Layouts und der grafischen Umsetzung während des Projektseminars vermittelt hat. Das Seminar fand weiter unter Organisation und Betreuung durch Sascha Michel statt.

Institut für Kulturwissenschaft Das Institut für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau beschäftigt sich aus interdisziplinärer Perspektive mit der Analyse kultureller Prozesse und Produkte – in Gegenwart und Geschichte, in Theorie und Praxis, in Alltag und Beruf, im lokalen Bezug und international. Dem Institut gehören die Seminare Ethnologie, Medienwissenschaft und Philosophie sowie zahlreiche Wissenschaftler aus anderen Instituten des Fachbereichs Philologie/Kulturwissenschaften an der Universität in Koblenz an. Seit dem Wintersemester 2008/2009 bieten die beteiligten Fächer gemeinsam den Bachelor- und MasterStudiengang »Kulturwissenschaft« an. OneBrand - Purpose Branding Die OneBrand versteht sich als Dienstleister in Richtung Marke und deren Kommunikation. Hier arbeiten in einem Netzwerk Kommunikationsdesigner, Mediengestalter, Texter, Konzeptioner und Kundenberater,um Markenkommunikation medienübergreifend erfolgreich realisieren zu können. Die Kommunikation steht im Mittelpunkt. Offene Dialoge und ein Gespür für die Zielgruppe sind die Basis dafür, dass sich die Kunden der Agentur gut aufgehoben und verstanden fühlen. Deshalb kann das Unternehmen auf eine über 25-jährige Erfahrung in den Bereichen Industrie, Dienstleistung, Bildungsträger und B2C zurückblicken.

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