IPPNW-Report „Gesundheitliche Folgen von Abschiebung“

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DIE GESUNDHEITLICHEN FOLGEN VON ABSCHIEBUNGEN

4. Gesundheitliche Folgen von Abschiebungen

4.1 Abschiebung von Menschen mit Trauma­ folgestörungen

onal abgerufen und weder chronologisch noch konsistent berichtet werden.

Menschen mit Fluchtgeschichte sind durch vielfältige Faktoren belastet und somit auch mit unterschiedlichen, komplexen Bewältigungsanforderungen konfrontiert. In der Regel befinden oder befanden sie sich in einer psychisch und physisch fordernden Lebenssituation. Sie sind häufig mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, der Unterbringung in Gruppenunterkünften, dem sich Zurechtfinden müssen in einer ihnen fremden Kultur sowie vielfältigen weiteren Belastungsfaktoren konfrontiert. Viele von ihnen erfuhren mehrere Traumata vor und während der Flucht aus ihrem Heimatland. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „sequentieller Traumatisierung“, die für die Situation vieler Geflüchteter charakteristisch ist. Für sie gab und gibt es Stressoren und Traumata vor, während und nach der Flucht, die weiterhin bestehen und sich kumulieren.

In Zusammenhang mit vorgegebenen Fristen für Atteste, verkürzten Asylverfahren und mangelndem Zugang zu juristischer und psychotherapeutischer Unterstützung, birgt dieser Umstand ein hohes Risiko ungerechtfertigter negativer Entscheidungen im Asylverfahren. Unter anderem kann die fraktionierte Abspeicherung der Erinnerungen dazu führen, dass Personen Fluchtgründe nicht ausreichend schlüssig für die zuständigen Behörden darlegen können und sich dadurch ihre Chancen auf Asyl massiv verschlechtern.

Ob und in welcher Ausprägung sich Traumafolgestörungen manifestieren und die aktuellen Belastungsfaktoren bewältigt werden können, ist in hohem Maß von erlebter Sicherheit und verlässlichen sozialen Kontakten und Beziehungen abhängig. Doch genau diese Aspekte fehlen zumeist aufgrund der mangelnden äußeren Sicherheit, des ungeklärten Aufenthaltsstatus, drohender Abschiebungen, Kettenduldung sowie unzureichender Ruhe- und Rückzugsräume. Dies führt zur deutlichen Erhöhung des Stresslevels sowie der damit verbundenen Zunahme der Vulnerabilität u. a. für psychische Erkrankungen. Charakteristisch für Menschen, die traumatisiert sind, ist neben häufigen verschiedenen psychischen Symptomen eine Veränderung der Organisation des Gedächtnisses. Aus diesem Grund können insbesondere sehr belastende Erlebnisse nicht intenti-

Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt die Höhe und Form von Leistungen, die Asylsuchende, Geduldete sowie ausreisepflichtige Personen beanspruchen können. Die Gewährleistung einer angemessenen ärztlichen Behandlung beschränkt sich auf die Fälle von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen. Bei Schwangeren und Wöchnerinnen ist die Behörde verpflichtet, sie mit ärztlichen und pflegerischen Hilfen und Betreuung zu versorgen. Daneben können im Einzelfall zusätzliche Leistungen gewährt werden, wenn sie zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind.

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