Submarine Secrets. Abenteuer im Wattenmeer

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Roman

Ulrike Kortmann

submarine secrets Abenteuer im Wattenmeer


Ulrike Kortmann, geboren in Ravensburg im schwäbischen Allgäu, studierte Romanistik, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie Literaturwissenschaften an der Universität Hamburg. Mit der Nordseeküste verbindet sie eine besondere Beziehung, die – ganz privat – auch etwas mit Liebe zu tun hat: Ihr Mann verbrachte einige Jahre seiner Schulzeit in einem ostfriesischen Inselinternat und arbeitete während seines Studiums mehrere Sommer lang als Strandkorbwärter. Durch seine enge Bindung zur Nordsee hat Ulrike Kortmann die Region – das Weltnaturerbe Wattenmeer – kennen und schätzen gelernt. In »Submarine Secrets. Abenteuer im Wattenmeer« erzählt Ulrike Kortmann eine Geschichte, wie sie sich ihre Tochter bei Familienurlauben an der Nordsee immer als Ferienlektüre gewünscht hatte. Eine auf einer Insel spielende Abenteuergeschichte. Ein spannender Roman für junge Leser.


Ulrike Kortmann

SUBMARINE SECRETS

Abenteuer im Wattenmeer Roman


Submarine Secrets. Abenteuer im Wattenmeer Originalausgabe

© 2011 ferien.ahoi Verlagsagentur Ralf Taprogge Oderstraße 23, 48145 Münster Telefon (0251) 6 34 62, Fax (0251) 6 34 62 info@ferien-ahoi.de www.ferien-ahoi.de Umschlaggestaltung und Satz. Carsten Muecke Druck. docupoint, Barleben Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 978-3-9812680-2-7 1. Auflage 2011




1 Plötzlich hatte Ayden Angst. Obwohl es dafür wirklich keinen Grund gab. Die Bedingungen für einen Tauchgang waren ideal. Drei Seemeilen nordöstlich von Norderney herrschten Sonnenschein, ruhige See und unter Wasser ungefähr zehn Meter Sicht. Was ziemlich gut ist für die Nordsee. Doch Ayden hatte trotzdem Angst. Angst vor dem, was ihn erwartete. Angst vor der Gewissheit. Sollte er aufgeben? Die ganze Sache den Profis überlassen? Niemand würde es ihm übel nehmen, wenn er zurückschwamm und sich an Bord der ‚MS Echo’ in die Sonne legte. Nein. Im selben Moment, in dem der Gedanke an Rückzug durch seinen Kopf schoss, entschied er sich dagegen. Nein. Er würde der Spur nachgehen, bis er den Fall gelöst hatte. Kneifen kam überhaupt nicht in Frage. Entschlossen griff er nach der Ankerkette des Wracktaucherschiffs und zog sich hinunter in den schwerelosen Abgrund. Als seine Füße den Meeresboden berührten, zeigte der Tiefenmesser an seinem Handgelenk dreißig Meter an. Dunkelheit umgab ihn. Still, kalt und gleichgültig. »Okay«, versuchte er die leichte Panik, die plötzlich in ihm aufstieg, zu unterdrücken. »Alles so, wie es sein soll. Einfach weiteratmen. Ruhig. Regelmäßig. Sechzehn Minuten.« Er zog den HID-Scheinwerfer aus dem Bauchgurt seines Taucheranzugs und schaltete ihn ein. Das Licht der Lampe flammte auf und zerschnitt mit einem scharfen Strahl die schattenhafte Nacht. Im ersten Moment konnte er nichts erkennen. Vom Meeresboden aufgewirbelte Wolken von Schwebstoffen reflektierten das Licht der Lampe. Irritiert kniff er die Augen zusammen und blinzelte in die diffuse Helligkeit. Doch als er mit dem grellen Strahl das lautlose Dunkel um sich herum abtastete, erhellte das Licht den Rücken von McGregor, der kurz vor ihm abgetaucht war. McGregor drehte sich um und fragte Ayden mit dem nach oben gereckten Daumen der rechten Faust, ob alles in Ordnung 7


sei. Als Ayden nickte, bildeten sich hinter dem Sichtfenster der Taucherbrille um McGregors Augen feine, knitterige Lachfalten. Tatsächlich: McGregor grinste. Ayden war beeindruckt. Wenn er gekonnt hätte, hätte er zurückgegrinst, doch das voluminöse Mundstück des Luftschlauchs in seinem Mund verhinderte, dass er sein Gesicht in irgendeiner Weise verzog. »Nicht schlecht«, dachte er bewundernd. »Dass er das hinkriegt, mit so einem Ding im Mund zu grinsen. Aber wahrscheinlich kann man das eben, wenn man in seinem früheren Leben Marinetauchoffizier der Royal Navy, Fallschirmjäger, Boxer und was weiß ich noch alles gewesen ist. Für McGregor ist das Ganze hier doch ein Spaziergang. Für mich hingegen …« Sein Puls schnellte in schwindelerregende Höhen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er schloss die Augen und prüfte, ob es stimmte, was er befürchtete. Es stimmte. Oh Mann. Natürlich war es im Grunde genommen völlig egal. Schließlich war man im Wasser sowieso überall nass und außerdem brauchte es ja auch niemand zu erfahren. Trotzdem. Er beschloss, zu der Tatsache zu stehen, dass er sich gerade, anstatt zu grinsen, in die Hose gemacht hatte. Kein Wunder. Ayden tauchte das erste Mal in der Nordsee. Aber er war kein Anfänger. Er war dreizehn, im Grunde genommen fast vierzehn, hatte einen Tauchschein und wusste, was zu tun war. Mit tiefen Atemzügen sog er das Sauerstoffgemisch, das er in einer Pressluftflasche auf dem Rücken trug, in seine Lungen und konzentrierte sich auf seinen Herzschlag. Als er seinen Puls auf wieder einigermaßen normale Werte runtergeatmet hatte, nickte er McGregor kurz zu, bückte sich nach der Kreisschlagleine, die am Fuß der Ankerkette auf dem Meeresboden lag und hakte den Karabiner an ihrem losen Ende in einer Öse an seinem Gürtel ein. Eine Sicherheitsmaßnahme. Die Nordsee war ein tückisches Tauchrevier. Ebbe und Flut verursachten durch das ablaufende beziehungsweise auflaufende Wasser heftige Strömungen. Sogar bei ‚slackwater’, der Still8


wasserzeit zwischen den Gezeiten, in der Ayden und McGregor gerade tauchten, herrschte meistens eine leichte Strömung. Das Einhaken der Taucher in die Kreisschlagleine, deren anderes Ende an der Ankerkette der ‚MS Echo’ befestigt war, sollte verhindern, dass die Taucher während des Tauchgangs abdrifteten. Ein Angebot, das Ayden ohne zu zögern annahm. Als begeisterter Segler und Surfer kannte er die Gefahren des Meeres. Er wusste, wie schnell die Strömung einen Wassersportler mit sich fort riss und er hatte nicht die geringste Lust, die ‚MS Echo’ nach dem Auftauchen nur noch als kleinen Punkt am Horizont zu erblicken. Mit einem Zeichen seiner Hand gab er McGregor zu verstehen, dass es losgehen konnte. McGregor setzte sich in Bewegung. Ayden heftete sich an seine Flossen, hatte aber Mühe, an ihm dran zu bleiben. Die Schwimmbewegungen, die seine Arme durchführten, ließen den Strahl der Lampe in seiner Hand in der Dunkelheit herumtanzen. In seinem irrlichternden Schein leuchtete McGregor nur hin und wieder als verschwommener Schemen kurz auf. Bevor Ayden seine Position richtig ausmachen konnte, war er schon wieder im dämmerigen Zwielicht des trüben Wassers verschwunden. Glücklicherweise war die Strecke, die sie zurücklegen mussten, ziemlich kurz, da Onno Peters, der Kapitän der ‚MS Echo’, den Anker des Schiffes präzise neben dem Zielobjekt platziert hatte. Bereits nach wenigen Schwimmzügen richtete McGregor sich auf und deutete auf ein diffuses, von Schleppnetzen überzogenes Gebilde, das wie ein riesenhafter Schatten in der Dunkelheit vor ihnen aufragte: der graue, verwitterte Bug eines gesunkenen U-Bootes. Wow. Ayden war überwältigt. Der Anblick war gigantisch. In seinen Adern begann es zu kribbeln und seine Angst war wie weggeblasen. Hatten sie es wirklich gefunden? War das die HMS E 49? Das geheimnisumwitterte, englische U-Boot, das während des ersten Weltkrieges unter dem Kommando seines Ururgroßvaters, des Korvettenkapitäns Sir Richard Wainright, 9


in der Nordsee verschollen war und seither als vermisst galt? Das U-Boot, über dessen letzte Mission es merkwürdigerweise weder in den Akten des englischen Marineministeriums noch in den deutschen Heeresberichten irgendwelche Aufzeichnungen gab? Ayden hatte alle Unterlagen eingesehen, die offiziell über dieses U-Boot existierten. Sowohl in England als auch in Deutschland. Doch weder hatte er irgendwo Informationen darüber gefunden, mit welchem Operationsziel das Schiff im August 1916 aus seinem englischen Heimathafen Harwich zu seiner letzten Fahrt ausgelaufen war, noch gab es Hinweise darauf, welches Schicksal es ereilt hatte. In keiner Akte war zum Beispiel vermerkt, ob es in Folge eines Unfalls gesunken oder von einem deutschen Kriegsschiff versenkt worden war. Eine Untersuchung der Untergangsursache schien nie durchgeführt worden zu sein. Was Ayden ziemlich merkwürdig fand. Aber nicht nur das war merkwürdig. Merkwürdig war auch die Sache mit dem Brief, den seine Großmutter ihm vor ein paar Tagen aus England geschickt hatte. Er verstand nicht, warum er ihn erst öffnen durfte, wenn das Ungetüm, das hier vor ihm in der Dunkelheit ruhte, eindeutig als Wrack der HMS E 49 identifiziert worden war. Dass es sich bei diesen ‚Merkwürdigkeiten’ um Zufälle handelte, hielt Ayden für ausgeschlossen. Ayden glaubte nicht an Zufälle. Ayden glaubte an Spuren. Ayden war ein Spurenleser. Sobald er etwas merkwürdig fand, ging er der Ungereimtheit auf den Grund. Und meistens lohnte sich das. Oft stellte er nämlich am Ende seiner Nachforschungen fest, dass es sich bei den von ihm beobachteten ‚Merkwürdigkeiten’ in Wirklichkeit um Spuren handelte, die auf etwas Bedeutendes hinwiesen. Und mehr als einmal schon hatte er, wenn er diesen Spuren gefolgt war, eine unverhoffte Entdeckung gemacht. Natürlich hätte er niemals im Vorwege sagen können, was eine Spur war. Alles konnte eine Spur sein. Ein merkwürdiges Detail auf einer Fotografie oder einem Gemälde, eine rätselhafte Passage in einem 10


Buch, ein musikalischer Klang. Selbst eine vergessene Socke im Waschsalon oder ein Loch im Schnee konnten Spuren sein. Ayden vermutete, dass es auf den Zusammenhang ankam, in dem die Dinge auftauchten. Ganz genau wusste er das aber nicht. Er wusste nur, dass er spürte, wenn er auf eine Spur gestoßen war. Und im Zusammenhang mit dem vermissten U-Boot seines Ururgroßvaters sagte ihm sein Instinkt, dass gerade die Tatsache, dass es keine Spur gab, eine Spur war. Eine Spur, die auf ein fast hundert Jahre altes Geheimnis hindeutete. Ergriffen starrte er auf das Wrack und sein Herz schlug schneller. Wahnsinn. Auch wenn im Augenblick nicht absehbar war, ob die Überreste des gesunkenen Tauchschiffs etwas dazu beitragen konnten, die Geschehnisse der Vergangenheit aufzuklären, so war doch jetzt schon eines klar: Falls es sich bei diesem verwitterten, dem ewigen Vergessen nun entrissenen Stahlkoloss wirklich um das Wrack der vermissten HMS E 49 handelte, dann sahen er und seine Freunde Lorenzo, Sian und Charlotte den spannendsten Norderney Ferien entgegen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Ferien, in denen sie Zeit hatten, das Rätsel um das Verschwinden des U-Boots zu lösen und diesen mysteriösen Fall aus der Vergangenheit aufzuklären. Aber war das nicht auch merkwürdig? Dass ausgerechnet er und seine Freunde diejenigen sein würden, die nach hundert Jahren wissen wollten, was damals passiert war und dem Schicksal einer Besatzung nachspürten, an das inzwischen nur noch die traurigen Worte im Archiv des U-Boot Museums im englischen Gosport erinnerten: ‚Lost in North Sea, unknown cause’? In seinem Brustkorb breitete sich ein beklemmendes Gefühl aus. Die Gedanken an die toten Seeleute machten ihn traurig. Anklagend, so kam es ihm plötzlich vor, erhob sich der tonnenschwere Bug des zylindrisch geformten Schiffes aus dem Sand und reckte sich über seinem Kopf in die Höhe. Ein stummes Mahnmal des Todes, dessen dunkle Umrisse sich im schattenhaften Zwielicht des Meeres verloren. Gruselig. Echt gruselig. Doch er hatte jetzt keine Zeit für traurige Gedanken. Schließ11


lich war er hier unten, um etwas zu erledigen. McGregor und er sollten die Schiffsschraube suchen. Ein Auftrag, von dessen erfolgreicher Ausführung alles Weitere abhing. Die in den Stahl der Schiffsschraube eingeschlagene Nummer war das einzige Indiz, das ihnen mit Gewissheit sagen konnte, ob es sich bei dem stählernen Ungetüm, das hier vor ihnen auf dem Meeresgrund lag, auch wirklich um das U-Boot der E-Klasse handelte, mit dem sein Ururgroßvater Sir Richard Wainright im August 1916 in See gestochen war. Hastig löste er den Blick von dem erstarrten Leib des toten Riesen und schaute auf seine Uhr: Nur noch vierzehn Minuten. Mehr Zeit stand ihm nicht mehr zur Verfügung. In exakt vierzehn Minuten würde das Sauerstoffgemisch in seiner Pressluftflasche verbraucht sein. Er durfte keinen Atemzug davon verschwenden. Er musste sich zusammenreißen. Jetzt. Sofort. Mit aller Kraft wandte er sich um und konzentrierte sich auf seinen Job. Da McGregor bereits weiter in Richtung Heck tauchte, beschloss er, sich von seinem Begleiter unabhängig zu machen und den vorderen Teil des verwitterten Kolosses in Augenschein zu nehmen, der mittlerweile von den Scheinwerfern einer ferngesteuerten Videokamera angestrahlt wurde, die die Crew der ‚MS Echo’ an einem dicken Kabel von Bord des Wracktaucherschiffes heruntergelassen hatte. Das technische Gerät diente dem Zweck, das Innere des Schiffsrumpfs zu erforschen und seine Anwesenheit wirkte auf Ayden irgendwie beruhigend. Schnell warf er einen weiteren Blick auf seine Uhr. Dann schwamm er los. Aufmerksam nach Spuren und Hinweisen suchend, die Aufschluss über die Ursache der Katastrophe geben konnten, glitt er im Licht der Scheinwerfer an der Bordwand entlang. Rumpf und Bug des U-Boots sahen intakt aus. Die Abdeckungen über den Minenschächten im Vorschiffbereich waren geschlossen. Ebenso die Abdeckungen über den Bug- und Quertorpedorohren. Das U-Boot war also nicht in Kampfhandlungen verwickelt gewesen, als es sank. Nur auf dem Oberdeck 12


entdeckte er ein riesiges Loch. »Hier muss sich der Kommandoturm befunden haben«, überlegte er. »Vermutlich durch ein Schleppnetz abgerissen. Ob man da drin noch etwas erkennen kann?« Vorsichtig beugte er sich über den schwarzen Schlund und schaute hinein. Puhhh. Abgrundtiefe Finsternis starrte ihm entgegen. Kalt und abweisend. Die Vorstellung, dass es Situationen gab, die es notwendig machten, in diese zeitlose Nacht hinein zu tauchen, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Mit klopfendem Herzen drehte er um und bewegte sich in Richtung Heck. In diesem Bereich bot das U-Boot ein Bild der Verwüstung. Sein zylindrisch geformter Rumpf war hier förmlich in Stücke gerissen worden. Die beiden Wellen mit ihren Schrauben lagen dahinter auf dem Meeresgrund und an einer von ihnen kratzte McGregor mit einem Messer den Muschelkalk ab, der das Metall im Laufe der Jahrzehnte überzogen hatte. Als er Aydens Blick bemerkte, hob er die Hand und winkte. Ayden schwamm zu ihm. Nachdem er ihn erreicht hatte, sah McGregor ihm kurz in die Augen. Dann deutete er auf eine in den Stahl eingekerbte Nummer. Die Nummer lautete: HMS E 49. Ayden senkte den Blick und schluckte. Doch der dicke Kloß, der plötzlich in seiner Kehle saß, wollte nicht weichen und als McGregor zur Wasseroberfläche zeigte, nickte er erleichtert. Zurück zu Licht und Wärme.

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www.ferien-ahoi.de

Ulrike Kortmann

Roman € 14,95 (D)

submarine secrets

Mehr als 90 Jahre nach dessen plötzlichem Verschwinden entdecken Taucher vor der deutschen Nordseeküste das Wrack des britischen U-Bootes HMS E 49. Für den 14-jährigen Engländer Ayden, der gerade auf Norderney seine Sommerferien verbringt, überschlagen sich die Ereignisse – denn der Kapitän des gesunkenen U-Bootes war sein Ururgroßvater und ein rätselhafter Brief seiner Großmutter wirft jede Menge neuer Fragen auf. Gemeinsam mit seinen Freunden, den Insulanern Sian, Charlotte und Lorenzo, begibt sich Ayden auf Spurensuche. Mit welchem Auftrag war das U-Boot damals in See gestochen und welche Rolle spielte seine Familie in dieser Geschichte? Bei ihren Nachforschungen merken die Jugendlichen schnell, dass sie nicht die Einzigen sind, die sich für die geheimnisvolle Mission des U-Boots interessieren. Die Lage wird zunehmend brenzlig – und die Fährte führt direkt ins Wattenmeer…

Ulrike Kortmann

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